Ad-hoc-Kommission - Parlement · Einführungsgesetz zur Vereinheitlichung der Zivil- und...

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Ad-hoc-Kommission 2. Lesung Einführungsgesetz zur Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren sowie des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts und Dekretsentwurf zur Änderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden (GGG)

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Ad-hoc-Kommission

2. Lesung Einführungsgesetz zur

Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren sowie des neuen Kindes-

und Erwachsenenschutzrechts

und

Dekretsentwurf zur Änderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der

Gerichtsbehörden (GGG)

TEILNEHMER/INNEN KOMMISSION

Funktion Name Vorname 24.11.08

halbtags

28.11.08

ganztags

03.12.08

ganztags

15.12.08

ganztags

17.12.08

ganztags

Präsident VOIDE Nicolas X X X X X

Vizepräsident TURIN Alexis X X X X X

Berichterstatter GRAND Erno X X X X X

Mitglied FAVRE Christian X X X X X

Mitglied CRETTENAND Virginie X X X X X

Mitglied FURRER Carole X X X X X

Mitglied

Ersatz

GIANADDA

DESCOMBES

Francois

Françoise

X X

X

X nachmittags

X

Mitglied RABOUD Grégoire X X X X X

Mitglied

Ersatz

ABGOTTSPON

LEHNER

Beat

Thomas

X

X X X X

Mitglied

Ersatz

FERREZ

EMONET

Albert

Daniel

X

X

X

X

X

Mitglied

Ersatz

Ersatz

PERRUCHOUD

ADDOR

CORNUZ

Edmond

Jean-Luc

Serge

X

X

X morgen

X nachmittag

X

X

Mitglied

Ersatz

SCHNYDER

LOCHER

Philipp

Marcel

X X X entschuldigt

X morgen

Mitglied PERRUCHOUD Christophe X X X x x

STAATSRAT / KANTONALE VERWALTUNG Herr FOURNIER Jean-René Staatsrat X

Frau DAYER-SCHMID Eve-Marie Präsidentin KG X X X X X

Herr LENGACHER Walter Sekretär KG X X X X X

Herr GROSS Jean-Pierre Generalstaatsanwalt X X X X X

Herr PITTELOUD Jo Instruktionsrichter X X X

Herr PERRIN Michel Dienstchef X X X X X

Frau NANCHEN Stéphanie Juristin X X X X X

Frau FAUCHERE Nelly Mitarbeiterin X X X X X

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Sitzung vom 24. November 2008

Allgemeine Informationen

a/ Auf Vorschlag des Kommissionspräsidenten wird Erno Grand zum Berichterstatter bestimmt.

b/ Der Kommissionspräsident informiert die Kommissionsmitglieder darüber, dass der Staatsrat bereits den Dekretsentwurf über die Abänderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden angenommen hat. Höchstwahrscheinlich wird das Büro des Grossen Rates die Kommission mit der Prüfung dieses Dekretsentwurfs betrauen. Sie wird sich im Anschluss an die Prüfung der sechs Einführungsgesetze damit befassen.

c/ Die Kommission wird den kantonalen Untersuchungsrichter auffordern, an ihren Beratungen zum E.GTar, E.RPflG, E.EGStPO und zum Entwurf des Dekretsentwurfs über die Abänderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden teilzunehmen.

A. Eintretensdebatte

I. Einführung von Staatsrat Jean-René Fournier Einleitend gibt Staatsrat Jean-René Fournier einen Überblick über die eidgenössischen Justizreformen und die entsprechende Anpassung der kantonalen Einführungsgesetzgebung. 1. Justizreform 2000 a/ Im März 2000 haben Volk und Stände die Justizreform 2000 mit grossem Mehr angenommen. Mit dieser Reform wurden in erster Linie drei Ziele verfolgt: Entlastung des Bundesgerichts, Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren sowie Gewährleistung eines allgemeinen Rechts auf Zugang zum Gericht. b/ Acht Jahre später kann eine positive Bilanz dieser Justizreform auf Bundesebene gezogen werden: Das Bundesstrafgericht wurde geschaffen und hat seine Arbeit aufgenommen; das Bundesverwaltungsgericht wurde geschaffen und hat seine Arbeit aufgenommen; der Zugang zum Bundesgericht und seine Arbeitsweise wurden in einem neuen Bundesgesetz geregelt, das bereits in Kraft ist; die Schweizerische Strafprozessordnung wurde im Oktober 2007 angenommen; die Schweizerische Zivilprozessordnung dürfte in der Dezembersession 2008 der eidgenössischen Räte angenommen werden. Gleichzeitig werden die eidgenössischen Räte mit der Reform des Vormundschaftsrechts befasst, das im kommenden Dezember unter Dach sein dürfte. Die Revision betrifft nicht nur den Schutz urteilsunfähiger Personen, sondern auch die Organisation der Schutzbehörden und das Verfahren – alles Bereiche, die einen direkten Zusammenhang mit der Vereinheitlichung des Zivilverfahrens aufweisen. c/ Normalerweise sollten die Schweizerische Strafprozessordnung, die Schweizerische Zivilprozessordnung und die Revision des Vormundschaftsrechts am 1. Januar 2011 in Kraft treten. 2. Anpassung 2009 der kantonalen Rechtsordnung a/ Die eidgenössische Reform wird im Eilzugtempo durchgeführt. Dies nicht ohne Grund: Die Entlastung des Bundesgerichts wird mit Ungeduld erwartet; die Vereinheitlichung des Zivilverfahrens wird von sämtlichen Wirtschaftskreisen gefordert; die Vereinheitlichung des Strafverfahrens wird die Bekämpfung der

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Schwerkriminalität beschleunigen und erleichtern. Die Kantone müssen aufpassen, dass sie diesen Eilzug nicht verpassen: Sie müssen ihre Einführungsgesetzgebung vorbereiten, noch während die Bundesgesetzgebung in Erarbeitung ist. Der kantonale Gesetzgeber muss den Fortschritt der Arbeiten in den eidgenössischen Kammern auf dem Internet mitverfolgen, um die Anwendungsnormen gegebenenfalls anpassen zu können. b/ Die Annahme der kantonalen Einführungsgesetzgebung stellt lediglich eine Etappe dar. Die kantonalen Justiz- und Verwaltungsbehörden müssen gleichzeitig: die geltende Gesetzgebung anwenden und sich auf die Anwendung der neuen Gesetzgebung ab dem 1. Januar 2011 vorbereiten. Der kantonale Gesetzgeber steht unter Zeitdruck und muss rasch, wenn nicht gar überhastet handeln. Er hat sich für ein konzertiertes und einvernehmliches Vorgehen entschieden. Die 2. Lesung bietet Gelegenheit, die Zweckmässigkeit der vom Grossen Rat im Oktober 2008 gewählten Lösungen zu prüfen und Kompromisse in den umstrittenen Punkten zu suchen. Es bleibt allerdings in gewissem Masse ein «Blindflug». Damit dieser Blindflug nicht zu einem Absturz führt, sollte ein Kompass verwendet werden. Die Richtung, die dieser Kompass vorgibt, ist klar: Es muss unablässig nach der besten Lösung für den Rechtsbürger gesucht werden, dessen Erwartungen folgendermassen aussehen: eine unabhängige Justiz sowohl auf dem Papier als auch in der Realität; eine bürgernahe Justiz; eine einfache, rasche und effiziente Justiz; eine zugängliche Justiz, was die Gebühren anbelangt; eine Justiz, deren Kosten erträglich sind, denn meist ist der Rechtsbürger auch ein Steuerzahler. Kurz, eine «kundenorientierte Justiz». 3. Kantonale Justizreform 2015

b/ Die Anpassung 2009 der kantonalen Rechtsordnung stellt lediglich eine Etappe dar. In seiner Botschaft legt der Staatsrat unmissverständlich dar, dass der Gesetzgebungsprozess zwei Phasen umfasst:

- In einer ersten Phase geht es darum, die bestehende Organisation zu bestätigen und in dem Masse anzupassen, als dies das neue Bundesrecht unbedingt erfordert.

- In einer zweiten Phase wird es darum gehen, mit dem «nötigen Abstand» die Kantonsverfassung im Bereich der Richterlichen Gewalt zu revidieren und die mit der Anwendung des Privat- und Strafrechts betrauten Gerichts- und Verwaltungsstrukturen grundlegend zu überdenken.

b/ Die kantonale Justizreform 2015 wird jene Antworten geben müssen, die zum heutigen Zeitpunkt nicht gegeben werden können: Wie soll der Justizrat für den Kanton Wallis aussehen? Wie soll die territoriale Organisation der erstinstanzlichen Zivil- und Strafgerichtsbarkeit aussehen – Bezirks oder Kreisgerichte? Welche Spezialisierungen sind für die erstinstanzliche Rechtspflege denkbar –Richter für Strafsachen und Richter für Zivilsachen? Braucht es ein soziales erstinstanzliches Zivilgericht für Arbeits- und Mietrechtsfälle? Wie soll die Organisation im Bereich der Jugendgerichtsbarkeit aussehen –ein zentralisiertes Gericht oder dezentralisierte Gerichte? Wie soll die Funktionskette innerhalb der Gerichte und der Staatsanwaltschaft aussehen? Wie soll die territoriale Organisation der Betreibungs- und Konkursämter, der Grundbuchämter, der Handelsregisterämter und der Zivilstandsämter aussehen? Diese Fragen müssen in all ihren Facetten geprüft werden: Welche Reglemente müssen angepasst werden? Welches sind die Auswirkungen auf die Juristen- und Kanzleipersonalbestände? Wie sieht es mit den Entschädigungen aus? Welches sind die Auswirkungen auf die Infrastrukturen (namentlich Räumlichkeiten und Informatik)? c/ Die kantonale Justizreform 2015 wird auch Gelegenheit bieten, die Leistung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden zu beurteilen. Dabei muss namentlich das Milizsystem unter die Lupe genommen werden, dem mit dem neuen Bundesrecht ein besonders anspruchsvolles Pflichtenheft aufgebürdet wird. Gegebenenfalls werden Korrekturmassnahmen ergriffen.

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4. Schlussfolgerung

Die Aufteilung der kantonalen Justizreform in zwei Phasen ermöglicht es, den vom Bund mit der Inkraftsetzung der Vereinheitlichung der Verfahren und der Revision des Vormundschaftsrechts auferlegten Handlungsbedarf zu bewältigen.

Auf diese Weise soll vermieden werden, dass der Grosse Rat unter zu grossem Zeitdruck handeln muss, wobei zu beachten gilt, dass die gewählten Lösungen nicht unbedingt alle Bestand haben werden.

II. Eintretensdebatte und -abstimmung

1. In Beantwortung mehrerer Fragen der Kommissionsmitglieder wird darauf hingewiesen, dass technische Informationen zu den verschiedenen Entwürfen anlässlich der Prüfung der einzelnen Entwürfe abgegeben werden. 2. Auf die Frage, warum das Arbeitsgericht und das Mietgericht nicht in die Justizorganisation in Form eines sozialen Zivilgerichts integriert wurden (nach dem Vorbild der ans Bundesverwaltungsgericht angegliederten Verwaltungsrekurskommissionen) antwortet der Departementsvorsteher, dass diese Lösung zwar vom Staatsrat vorgeschlagen worden war, aber im Rahmen der Vernehmlassung auf massiven Widerstand stiess. Ausserdem hat sich das Parlament anlässlich der Revision 2006 des Gesetzes über die Gerichtsbehörden für die Beibehaltung der Verwaltungskommissionen (z.B. Steuerrekurskommission) als letzte kantonale Instanz entschieden. Im Rahmen der Vernehmlassung hatte der Staatsrat auch eine Professionalisierung der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde vorgeschlagen (Angliederung an die Gerichtsbehörden). Diese Lösung stiess bei den verschiedenen interessierten Kreisen auf massiven Widerstand. 3. Die von der CVPO im Rahmen der 1. Lesung geäusserten Forderungen bezüglich der Organisation der Staatsanwaltschaft werden von der 2. parlamentarischen Kommission geprüft. Einige Tage nach der Annahme des Entwurfs durch das Parlament im Oktober 2008 hat das Departement denn auch Professor Etienne Grisel damit beauftragt, die Tragweite von Artikel 39 Absatz 2 der Kantonsverfassung zu prüfen, was die Wahl der gemäss dem zweistufigen System organisierten Staatsanwaltschaft und die Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft im Lichte der Bundesverfassung und der EMRK anbelangt. Im Rahmen dieses Rechtsgutachtens wird Professor Grisel wahrscheinlich auch eine kantonale Rechtsvergleichung vornehmen. 4. Die Kommission spricht sich einstimmig für Eintreten aus. B. Entwurf des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung (E.EGZPO) I. Einleitung des VRFIS

1. Werdegang

Der Ständerat wurde in der Junisession 2007 als erste Kammer mit dem E.ZPO befasst und hat diesen Entwurf gut aufgenommen. Der Nationalrat wurde in der Mai- und Junisession 2008 mit dem Entwurf befasst. Auch hier stiess der Entwurf mehrheitlich auf Zustimmung. Am 29. September 2008 hat sich der Ständerat ein zweites Mal mit dem vom Nationalrat abgeänderten Entwurf befasst. Nachstehend soll kurz der aktuelle Stand der Dinge dargelegt werden.

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2. Gegenwärtiger Stand des E.ZPO Der Ständerat hat sich mit einem Grossteil der Vorschläge des Nationalrates einverstanden erklärt, was auch bedeutet, dass die Beschlüsse des Walliser Grossen Rates vom Oktober 2008 nicht in Frage gestellt werden. Der Ständerat hat sich namentlich mit folgenden Artikeln einverstanden erklärt:

- Artikel 6a, der es den Kantonen ermöglicht, ein Gericht zu bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung gemäss KVG zuständig ist;

- Artikel 66, der die Vertretung durch gewerbsmässig qualifizierte Vertreter vor den Miet- und Arbeitsgerichten erlaubt;

- Artikel 195, der vorsieht, dass das Schlichtungsverfahren im Scheidungsverfahren und im Verfahren zur Auflösung der eingetragenen Partnerschaft entfallen kann.

Keiner der vom Ständerat am 29. September 2008 gefassten Beschlüsse bedingt eine Abänderung des am 9. Oktober 2008 in erster Lesung angenommenen E.EGZPO. 3. Stand der Differenzen

Es bleiben einige Differenzen, namentlich:

- die mündliche Eröffnung des Urteils (Art. 52 Abs. 1); - die Aufhebung des Fristenstillstands während den Gerichtsferien für das vereinfachte Verfahren (Art. 143

Abs. 2, 239ff); - die Zusammensetzung der Schlichtungsbehörde bei Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz (Art. 197

Abs. 2); - die Möglichkeit, neue Tatsachen und Beweismittel vorzubringen oder die Klage zu ändern (die Noven)

(Art.224ff; 314); - das anwendbare Verfahren für die Ausweisung eines Mieters oder Pächters (Art. 246b) (summarisches oder

vereinfachtes Verfahren – Art. 239).

Diese Differenzen ändern nichts an der Pflicht der Kantone, ein Einführungsgesetz zu erlassen (vgl. Art. 10 Ziff. 13 - Art. 32 ArG). Höchstens die Nummerierung der Artikel könnte ändern. Für diesen Fall sollte die 2. Kommission ausdrücklich vorschlagen, dem Parlamentsdienst und der Redaktionskommission die Befugnis zur Anpassung der Verweise auf das Bundesrecht in der kantonalen Einführungsgesetzgebung zu übertragen. Die Differenzbereinigung sollte in der Dezembersession 2008 der eidgenössischen Räte erfolgen. 4. Merkmale der Zivilprozessordnung Die hauptsächlichen Stossrichtungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung wurden also definitiv festgelegt. Sie wurden in der ersten Lesung dargelegt. Zur Erinnerung werden nachstehend die Eckpunkte aufgelistet:

- ein sehr breiter Anwendungsbereich; - eine nahezu erschöpfende Kodifizierung; - eine bekannte Rechtsordnung, einerseits aufgrund der zahlreichen Verfahrensvorschriften, die bereits im

Bundesprivatrecht vorgesehen sind und andererseits aufgrund des Einflusses der Zürcher und der Berner Prozessordnungen auf die kantonale Gesetzgebung;

- ein Wille zur Vereinfachung und Beschleunigung der Verfahren; - eine spezifische Regelung der Verfahren im Bereich des Familienrechts und der eingetragenen

Partnerschaft.

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II. Detailberatung Terminologische Anpassung

Um Verwechslungen mit dem geltenden Recht zu vermeiden, beschliesst die Kommission, bei den Verweisen auf das Bundesrecht jeweils klar anzugeben, dass es sich um die «Schweizerische Zivilprozessordnung» handelt.

- Artikel 5 Absatz 1

a/ Anlässlich der Prüfung von Artikel 5 Absatz 1 Buchstabe a, welcher das Kantonsgericht als einzige kantonale Instanz in Zivilsachen bezeichnet, erinnert der VRFIS an den Wortlaut von Artikel 6a neu E.ZPO:

Art. 6a Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung Die Kantone können ein Gericht bezeichnen, welches als einzige kantonale Instanz für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung nach dem Bundesgesetz vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung zuständig ist. b/ Auf Grundlage dieser vom Nationalrat eingeführten Bestimmung hat der Grosse Rat in erster Lesung beschlossen, das Kantonsgericht als einzige kantonale Instanz mit der Beurteilung von Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zum KVG zu betrauen. c/ Die Präsidentin des Kantonsgerichts erinnert an die anlässlich der ersten Lesung geäusserten Vorbehalte: Einerseits handelt es sich bei Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen um privatrechtliche Streitigkeiten und andererseits setzt die Privatversicherung in der Praxis ihren Entscheid solange aus, bis der auf das KVG gestützte Entscheid vorliegt; schliesslich kommt der Versicherte aufgrund der in erster Lesung gewählten Lösung nicht mehr in den Genuss des doppelten kantonalen Instanzenzuges. d/ Der Departementsvorsteher erinnert an die Notwendigkeit, bei der Prüfung dieser Frage das Interesse des Rechtssuchenden im Auge zu behalten. Für ein und dasselbe Ereignis kann er Ansprüche sowohl auf Ebene des KVG als auch der Privatversicherung geltend machen. Er muss einen einzigen Ansprechpartner, in diesem Fall das Kantongericht, haben. Die Bezeichnung einer einzigen Instanz vereinfacht und beschleunigt das Verfahren und verhindert widersprüchliche Urteile. Für Streitigkeiten aufgrund des KVG sind die Versicherung und das Gericht gemäss Bundesgesetz über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (SR 830.1) dazu verpflichtet, von Amtes wegen die für den Entscheid erheblichen Tatsachen festzustellen und die notwendigen Beweise zu erheben.

Für Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zum KVG kommt das vereinfachte Verfahren zur Anwendung (Art. 239 Abs. 2 Buchstabe f und Abs. 3 E.ZPO – Version des Nationalrates); im vereinfachten Verfahren hat das Gericht ebenfalls die Pflicht, die Tatsachen von Amtes wegen festzustellen.

e/ Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass es nicht möglich ist, eine Statistik der Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zum KVG zu erstellen. Ihre Zahl ist allerdings eher bescheiden. Da keine weiteren Vorschläge eingebracht werden, bestätigt die Kommission einstimmig die in erster Lesung gewählte Lösung. Zudem wünscht die Kommission, dass sich ein und dieselbe Abteilung des Kantonsgerichts mit beiden Begehren des gleichen Versicherten befasst.

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- Artikel 5 Absatz 2

a/ Die Kommission prüft den Vorschlag der FDPO, der darauf abzielt, dass auf die Zuständigkeit des Einzelrichters als Rechtsmittelinstanz oder als einzige kantonale Instanz, um in der Sache zu entscheiden, verzichtet wird (Art. 5 Abs. 2 Bst. c).

b/ Es wird daran erinnert, dass das Einzelrichtersystem in letzter kantonaler Instanz durch die Änderung des Gesetzes über die Gerichtsbehörden vom 9. November 2006 (Optimierung der Ressourcen der richterlichen Gewalt) eingeführt wurde. Diese Revision war eine Antwort auf die Schlussfolgerungen der Kommission Strukturelle Massnahmen, welche Einsparungen in der Grössenordnung von 800'000 Franken seitens der Gerichtsbehörden verlangt hatte. c/ Zudem ist das Einzelrichtersystem auch auf Ebene des Bundesgerichts für Sachurteile anzutreffen (Art. 108 Abs. 1 des Bundesgerichtsgesetzes).

Die Kommission bestätigt einstimmig den Grundsatz der Zuständigkeit des Einzelrichters als Rechtsmittelinstanz oder als einzige kantonale Instanz. Im Übrigen ist diese Zuständigkeit nicht absolut, sondern relativ, da die Walliser Gesetzgebung dem Einzelrichter die Möglichkeit vorbehält, den Fall aufgrund dessen Besonderheiten einem Gerichtshof zuzuweisen.

- Artikel 8 – Vertragliche Vertretung Artikel 66 Absatz 2 Buchstabe d E.ZPO macht einen Vorbehalt zugunsten des kantonalen Rechts in Sachen gewerbsmässig qualifizierte Vertreter vor den Miet- und Arbeitsgerichten. Der kantonale Gesetzgeber hat zwei Möglichkeiten, um diesen Vorbehalt umzusetzen: entweder Einführung im allgemeinen Gesetz oder im Einführungsgesetz zur Schweizerischen Zivilprozessordnung oder Einführung in den Spezialgesetzen im Bereich der Miet- und Arbeitsverhältnisse. Die Lösung der Spezialgesetzgebung wurde für die Regelung der Sprache vor diesen Instanzen gewählt. Die Kommission beschliesst, die vertragliche Vertretung durch Gewerkschaften und Mieterverbände ebenfalls in den Spezialgesetzen zu behandeln. Folglich wird Artikel 8 mit 11 gegen 2 Stimmen gestrichen. - Artikel 8 neu – Öffentlichkeit der Verhandlungen a/ Artikel 52 Absatz 1bis neu E.ZPO besagt Folgendes: «Das kantonale Recht bestimmt, ob die Urteilsberatung öffentlich stattfindet.». Die Frage der Öffentlichkeit der Verhandlungen eines Gerichtshof wurde anlässlich der Annahme der Zivilprozessordnung vom 24. März 1998 (SGS/VS 270.1) geklärt, indem vorgesehen wurde, dass die Urteilsverhandlungen eines Gerichtshofs nicht öffentlich sind resp. der Ausschluss der Öffentlichkeit angeordnet werden kann. b/ Das kantonale Verfahrensrecht muss nur abgeändert werden, wenn das Bundesrecht dies verlangt: dies ist für die Öffentlichkeit der Verhandlungen eines Gerichtshofs nicht der Fall. Zudem würde die Öffentlichkeit der Urteilsverhandlungen eines Gerichtshofs Entscheide auf dem Zirkulationsweg, welche als Sparmassnahme eingeführt wurden (Art. 19 Abs. 2 E.RPflG), verunmöglichen. Schliesslich ist die Öffentlichkeit der Urteilsverhandlungen mit einem zusätzlichen Arbeitsaufwand sowohl für die Richter als auch für die Prozessparteien namentlich auf administrativer Ebene verbunden. c/ Die Kommission nimmt auch von Artikel 58 Absatz 1 des Bundesgerichtsgesetzes Kenntnis, der Folgendes besagt: «Das Bundesgericht berät den Entscheid mündlich, wenn der Abteilungspräsident beziehungsweise die Abteilungspräsidentin dies anordnet oder ein Richter beziehungsweise eine Richterin es verlangt oder wenn sich keine Einstimmigkeit ergibt».

Mit 12 Stimmen und 1 Enthaltung spricht sich die Kommission für den Ausschluss der Öffentlichkeit aus.

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- Artikel 10 Ziffer 3 - Abänderung des Gesetzes über die Organisation der Räte und die Beziehungen zwischen den Gewalten

Im Rahmen der Revision des Gesetzes über die Organisation der Räte und die Beziehungen zwischen den Gewalten (GORBG) vom 9. Oktober 2008 wurde der Wortlaut von Artikel 133 nicht geändert. Der Verweis auf die Schweizerische Zivilprozessordnung für die Beweiserhebung vor der Untersuchungskommission wird also bestätigt.

- Artikel 10 Ziffer 13 – Abänderung des Kantonalen Arbeitsgesetzes (ArG)

a/ Artikel 30 Absatz 2

Die Kommission ist der Ansicht, dass der Begriff «juristische Ausbildung» zu ungenau ist und insbesondere nicht aussagt, dass diese Ausbildung mit einem Universitätstitel abgeschlossen werden muss. Sie spricht sich daher für die Bedingung aus, dass der Präsident und die zwei Präsidenten-Stellvertreter einen «Universitätstitel der Rechtswissenschaft» besitzen müssen. Diese Bedingung gilt auch für die Schreiber. Im Übrigen findet sich diese Bedingung auch in Artikel 32 ArG, der sich mit der Schlichtungsstelle für Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz über die Gleichstellung befasst. b/ Artikel 30 Absatz 3 und 4 Die Kommission kehrt die Reihenfolge dieser Absätze um, da die Gewährleistung der sprachlichen Vertretung innerhalb des Arbeitsgerichts vor dessen Zusammensetzung stehen muss. c/ Artikel 30 Absatz 5 und 6 Die Kommission nimmt vom Antrag der Dienststelle für Industrie, Handel und Arbeit hinsichtlich einer Erweiterung der Kompetenzen der von der Kantonsverwaltung gewährleisteten Gerichtsschreiberei für die spezielle Gerichtsbarkeit im Bereich der Mietverhältnisse Kenntnis, welche – im Falle einer Annahme – auch für die Gerichtsschreiberei des Arbeitsgerichts gelten würde. Die Kommission lässt sich von der Argumentation des Experten des Staatsrates hinsichtlich der Artikel 122 Absatz 2 und 152 (151 a und 152 gemäss Version des Ständerates) überzeugen, was das Beweisverfahren und die Beweisabnahme anbelangt. Eine Instruktionshandlung – wie auch die Beweiserhebung – kann nur an ein Mitglied des Gerichts und nicht an die Gerichtsschreiberei delegiert werden. Der Präsident, an den die Kompetenz delegiert wurde, trägt die Verantwortung für die Instruktionshandlung oder die Beweiserhebung. Die Dienststelle der Kantonsverwaltung kann und muss dem Präsidenten die nötige Amtshilfe bieten. d/ Sämtliche Abänderungen bei Artikel 30 ArG werden von der Kommission einstimmig angenommen. e/ Artikel 32 – logische Reihenfolge der Artikel

Auf Antrag des Parlamentsdienstes überprüft die Kommission die Nummerierung der Absätze.

Nach Verankerung des Grundsatzes der Schlichtungskommission (Abs. 1) und ihres Sitzes (Abs. 2) müssen die Ernennungsbehörde und die Anzahl der Mitglieder dieser Kommission festgelegt (Abs. 3) und die sprachliche Vertretung innerhalb der Kommission geregelt werden.

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f/ Artikel 32 Absatz 5 Gemäss Artikel 197 Absatz 2 E.ZPO bedarf es einer paritätischen Schlichtungsbehörde für Streitigkeiten nach dem Gleichstellungsgesetz. Der Entwurf des Bundesrates und die Version des Ständerates zielten auf eine paritätische Vertretung von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite des öffentlichen und privaten Bereichs ab, während diese Vertretung in der Version des Nationalrats den Kantonen überlassen wird. Da das Bundesgesetz über die Gleichstellung sowohl Arbeitgeber und Arbeitnehmer des öffentlichen als auch des privaten Bereichs betrifft, sollten auch beide Bereiche innerhalb der Kommission vertreten sein. Aus diesem Grund legt die Kommission die Anzahl der Mitglieder der paritätischen Schlichtungsbehörde auf fünf fest: einen Präsidenten/eine Präsidentin sowie je zwei VertreterInnen der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite des öffentlichen und privaten Bereichs. d/ Sämtliche Abänderungen bei Artikel 32 ArG werden von der Kommission einstimmig angenommen.

Sitzung vom 28. November 2008

(von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr mit einer Unterbrechung von 12.00 Uhr bis 13.30 Uhr)

Der Chef des VRFIS entschuldigt Staatsrat Jean-René Fournier, der aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht an der Sitzung der Kommission teilnehmen kann. Einleitend schlägt Grossrätin Virginie Crettenand vor, dass die Kommission sämtliche von dieser bedeutenden Gesetzesrevision betroffenen Kreise (namentlich Anwaltsverband und Konferenz der erstinstanzlichen Richter) anhört, um einen Gesamtüberblick über die Auswirkungen der eidgenössischen Justizreform auf die Funktionsweise der Institutionen zu erhalten. Der Kommissionspräsident präzisiert, dass die Präsidentin des Kantonsgerichts und der Generalsekretär des Kantonsgerichts die Walliser Justiz innerhalb der Kommission vertreten. Was die Teilnahme des Anwaltsverbands anbelangt, so hat sich das Büro des Grossen Rates klar gegen dessen Beteiligung an den Arbeiten der zweiten parlamentarischen Kommission ausgesprochen. Die Kommissionsmitglieder werden aufgefordert, jederzeit Fragen zu stellen und Informationen zu verlangen, um die Auswirkungen dieser Revision vollumfänglich abschätzen zu können. Eve-Marie Dayer-Schmid weist darauf hin, dass sich die Teilnahme des Kantonsgerichts an den Beratungen sowohl der ersten als auch der zweiten parlamentarischen Kommission auf Artikel 128 des Gesetzes über die Organisation der Räte und die Beziehungen zwischen den Gewalten stützt: Art. 128 Teilnahme in Kommissionen 1 Der Präsident des Kantonsgerichts wird grundsätzlich eingeladen, mit beratender Stimme an den Verhandlungen der Kommissionen teilzunehmen, die Gegenstände und Fragen vorberaten, welche richterliche Angelegenheiten oder Behörden betreffen. 2 Der Präsident des Kantonsgerichts kann Anträge unterbreiten. 3 Im übrigen ist Artikel 103, Absatz 5 dieses Gesetzes anwendbar. Zudem stellt die Präsidentin des Kantonsgerichts die Notwendigkeit einer «Massenanhörung» sämtlicher betroffenen Kreise in Frage. Im Rahmen der Vernehmlassungsverfahren nimmt das Kantonsgericht denn auch systematisch eine interne Anhörung der erstinstanzlichen Richter vor. Folglich ist der Standpunkt der gesamten richterlichen Gewalt bekannt.

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Der VRFIS gibt zu bedenken, dass zwischen einer «Vernehmlassung» und der «Teilnahme an den Arbeiten der parlamentarischen Kommissionen» unterschieden werden muss. In der Tat hat der Staatsrat in seinem Entscheid vom 18. Oktober 2006 die Liste der Kreise, die zwingend an einer Vernehmlassung des Kantons beteiligt werden müssen, festgelegt (Ziff. 1). Auf dieser Liste findet sich auch das Kantonsgericht. Zudem präzisiert der Staatsrat unter Ziffer 2, dass die Departemente dem Staatsrat für jede Vernehmlassungsvorlage eine Liste unterbreiten müssen, die sowohl die obigen Vernehmlassungsadressaten (Ziff. 1) als auch die an der fraglichen Vorlage interessierten Kreise enthält. In seiner Sitzung vom 21. November 2007 hat der Staatsrat entschieden, die Konferenz der erstinstanzlichen Richter als interessierten Kreis im Bereich der Übernahme der eidgenössischen Justizreform ins Walliser Recht anzuerkennen und in die Vernehmlassung einzubeziehen. Schliesslich sei darauf hingewiesen, dass sämtliche interessierten Kreise von der Justizkommission angehört wurden (1. Lesung) und deren Stellungnahmen im Anhang zum Bericht vom 12. September 2008 (Oktobersession 2008 des Grossen Rates) zu finden sind. B. E.EGZPO (Fortsetzung)

- Artikel 10 Ziffer 13 – Abänderung des Kantonalen Arbeitsgesetzes (ArG): Artikel 30 und 32

Nach Prüfung des vom VRFIS vorgeschlagenen Wortlauts spricht sich die Kommission einstimmig für die am 24. November angenommene neue Version der Artikel 30 und 32 aus.

- Artikel 10 Ziffer 13 – Abänderung des Kantonalen Arbeitsgesetzes (ArG): Artikel 34

In der deutschen Version von Artikel 34 ArG wird präzisiert, dass der Beschluss betreffend die Entschädigungen im Kompetenzbereich des Staatsrates liegt.

- Artikel 10 Ziffer 13 – Abänderung des Kantonalen Arbeitsgesetzes (ArG): Artikel 34c Im Rahmen der Prüfung von Artikel 8 E.EGZPO hat die Kommission beschlossen, die vertragliche Vertretung in den Spezialgesetzen zu behandeln. Artikel 34c neu ArG präzisiert, dass die gewerbsmässig qualifizierten Vertreter befugt sind, die Parteien vor den besonderen Miet- und Arbeitsgerichtsbehörden zu vertreten. - Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe e Der Parlamentsdienst schlägt die Streichung der Präzisierung vor, wonach die Ausführungsverordnung zum Einführungsgesetz zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch allgemeiner Natur ist. Die Kommission spricht sich gegen diesen Vorschlag aus, da klar zwischen der allgemeinen Verordnung und den Spezialverordnungen, wie der Verordnung über die Vormundschaft, unterschieden werden muss. - Artikel 11 Absatz 2 Der Grundsatz des doppelten Instanzenzugs wird vom Kantonsgericht gutgeheissen. Am Ende der ersten Lesung hatte der Präsident der Konferenz der erstinstanzlichen Richter eine Überprüfung der Auswirkungen des Inkrafttretens von Artikel 75 Absatz 2 des Gesetzes über das Bundesgericht (BGG) auf das kantonale Recht gefordert. Der VRFIS hat daraufhin einen regen Mailverkehr mit dem Bundesamt für Justiz geführt, der ergeben hat, dass die Forderung der Konferenz der erstinstanzlichen Richter berechtigt ist und zur Lösung des Staatsrates zurückgekehrt werden muss. Die Kommission spricht sich aus folgenden Gründen für diesen Vorschlag aus:

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Gemäss Artikel 132 Absatz 1 BGG ist dieses Gesetz auf Beschwerdeverfahren anwendbar, wenn der angefochtene Entscheid nach dessen Inkrafttreten ergangen ist. Sollte die Schweizerische Zivilprozessordnung am 1. Januar 2011 in Kraft treten, so tritt gleichzeitig auch Artikel 75 Absatz 2 BGG in Kraft. In diesem Fall wären sämtliche in Zivilsachen ergangenen Entscheide (Art. 72 Abs. 1 BGG) ab dem 1. Januar 2011 auf kantonaler Ebene dem «doppelten Instanzenzug» unterstellt. Der Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens, welches zum Entscheid geführt hat, ist dabei ohne Belang. - Artikel 11 Absatz 4 Die Kommission beschliesst, die Kompetenz zum Erlass der Ausführungsbestimmungen zu den Verordnungen des Bundesrats an den Staatsrat zu delegieren. - Formelle Anmerkungen

Der E.EGZPO enthält zahlreiche Verweise auf Artikel des Entwurfs der Schweizerischen Zivilprozessordnung. Die Kommission überträgt dem Parlamentsdienst die Kompetenz zur Anpassung der Nummerierung der Verweise auf die Schweizerische Zivilprozessordnung, die demnächst von den eidgenössischen Kammern verabschiedet wird.

Dies gilt auch für die übrigen Verweise auf die neue eidgenössische Rechtspflegeordnung, namentlich was die Verweise des E.EGZGB auf die revidierten Artikel des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs zum Kindes- und Erwachsenenschutz anbelangt.

III. Abstimmung über den E.EGZPO Die Kommission nimmt den Entwurf des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Zivilprozessordnung einstimmig an. C. Entwurf des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch (Vormundschaftsrecht) (E.EGZGB)

I. Einleitung des VRFIS

1. Werdegang Der Nationalrat hat den Entwurf am 3. Oktober 2008 mit 144 gegen 41 Stimmen und 3 Enthaltungen mit wenigen Änderungen gegenüber der Version des Nationalrates, der seinerseits den Entwurf des Bundesrates gut aufgenommen hatte, angenommen. Der Grosse Rat des Kantons Wallis hat sich in der Oktobersession 2008 mit dem EGZGB befasst. Keiner der Beschlüsse des Nationalrates bedingt eine Abänderung des am 9. Oktober 2008 in erster Lesung angenommenen EGZGB. 2. Stand des Entwurfs Der Nationalrat hat drei wesentliche Änderungen angebracht: 1. Der Widerruf des Vorsorgeauftrags (Art. 362 Abs. 2) mit einer Vereinfachung des Verfahrens;

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2. Die Pflicht für den Arzt, der eine urteilsunfähige Person behandelt, abzuklären, ob eine Patientenverfügung vorliegt, wobei er sich nicht auf die Versichertenkarte beschränken darf (deren Inkrafttreten für den 1. Januar 2010 vorgesehen ist) (Art. 372 Abs. 1);

3. Die Präzisierung, wonach die mit der Beschwerde gegen einen Entscheid auf dem Gebiet der

fürsorgerischen Unterbringung befasste Instanz nicht «ohne Verzug», sondern «innert fünf Arbeitstagen seit Eingang der Beschwerde» entscheiden muss (Art. 450e Abs. 5).

Die Bereinigung der Differenzen zwischen dem Ständerat und dem Nationalrat ist für die Dezembersession 2008 der eidgenössischen Kammern vorgesehen, so dass die Änderung des ZGB noch dieses Jahr verabschiedet werden sollte. Die Differenzen betreffen folgende Punkte: - die drei obigen Änderungen;

- die Möglichkeit für den behandelnden Arzt, bei besonderer Dringlichkeit seinen Patienten sofort unterzubringen, ohne ihn erneut zu untersuchen und die Untersuchung innerhalb von 24 Stunden vorzunehmen. Dieser Vorschlag der ständerätlichen Kommission ist namentlich für Patienten mit chronischen psychischen Störungen gedacht (Art. 430 Abs. 6);

- einige Änderungen in anderen Bundesgesetzen, namentlich in der Strafprozessordnung (Entziehen von

Unmündigen), aufgrund der Revision des Vormundschaftsrechts. 3. Merkmale des eidgenössischen Entwurfs

Die hauptsächlichen Neuerungen der Revision werden von beiden Räten begrüsst:

1. die Einführung einer interdisziplinären Schutzbehörde (interdisziplinäre Fachbehörde); 2. die Einführung von drei Massnahmenkategorien zugunsten von urteilsunfähigen Personen: eigene Vorsorge

(Vorsorgeauftrag, Patientenverfügung); Massnahmen von Gesetzes wegen (Vertretung im Allgemeinen und bei medizinischen Massnahmen); behördliche Massnahmen (verschiedene Massnahmen im Bereich der Beistandschaft);

3. die Verstärkung der Solidarität der Mitglieder der Familie im weitesten Sinne für die gesetzliche Vertretung der urteilsunfähigen Person;

4. die Stufenfolge der Beistandschaft (Vertretung, Vermögensverwaltung, Mitwirkungsbeistandschaft, kombinierte Beistandschaft, Beistandschaft für alle Angelegenheiten);

5. die Beschränkung der beistandschaftlichen Massnahmen auf natürliche Personen; 6. die Verstärkung des Rechtsschutzes der fürsorgerisch untergebrachten Person und die Regelung der

Zwangsbehandlung und der Einschränkung der Bewegungsfreiheit innerhalb der Einrichtung; 7. der Verzicht auf die Öffentlichkeit der beistandschaftlichen Massnahmen und die Regelung des

Informationsrechts Dritter (Art. 451ff); 8. die Regelung gewisser Verfahrensregeln im ZGB (Gerichtsstand, Prüfung der Zuständigkeit und

Weiterleitung des Falls, vorsorgliche Massnahmen, Untersuchungsmaxime und Offizialmaxime, Anhörungsrecht, Mitwirkungspflicht, in der Einrichtung erstelltes Gutachten, Regelung des Beschwerdeverfahrens);

9. die direkte Kausalhaftung des Kantons für sämtliche Schäden aufgrund einer Handlung oder einer Unterlassung eines Beistands, der Schutzbehörde oder der Beschwerdebehörde.

4. Merkmale des kantonalen Entwurfs

Die Einführungsbestimmungen des Kindes- und Erwachsenenenschutzrechts gehören ins EGZGB. Dieses Gesetz muss die Referenz für die Umsetzung des Bundesprivatrechts bleiben. Wir dürfen uns also nicht wieder in die Situation hineinmanövrieren, wie sie vor dem EGZGB von 1998 vorherrschte, als jede Änderung des ZGB oder

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des OR ein spezifisches Einführungsgesetz bedingte, was die Gefahr von Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten heraufbeschwor.

Der Entwurf: - organisiert die Schutzbehörde als kommunale oder interkommunale Behörde; - führt eine kommunale oder interkommunale Berufsbeistandschaft ein, welche subsidiär interveniert, wenn

die Beistandschaft weder einer Privatperson noch einem spezialisierten Dienst übertragen werden kann; - «ergänzt» das Bundesrecht im Bereich der Ernennung und der Entschädigung des Beistands und der

Führung der Beistandschaft; - regelt die Nachbetreuung und die ambulante Behandlung – zwei Zusatzmassnahmen zur fürsorgerischen

Unterbringung; - führt die mit dem Kindes- und Erwachsenenschutz betrauten Behörden ein (ordentliche erstinstanzliche

Behörde oder Spezialbehörde; Rechtsmittelinstanzen; Aufsichtsbehörde); - legt das Verfahren vor diesen Behörden in Ergänzung zum Bundesrecht fest.

Mit diesem Entwurf wird versucht, einfache Lösungen für diesen äusserst komplexen Bereich vorzuschlagen. Anstatt eine Vielzahl von Systemen zu schaffen, wird auf spezifische kantonale Gesetzes verwiesen (namentlich Gemeindegesetz, Jugendgesetz, Gesundheitsgesetz, Gesetz über die Krankenanstalten und –institutionen, Gesetz über die Eingliederung und die Sozialhilfe, Gesetz über die Verantwortlichkeit der öffentlichen Gemeinwesen und ihrer Amtsträger, Gesetz betreffend den Tarif der Kosten und Entschädigungen vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden).

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II. Detailberatung

- Artikel 13 Absatz 1

Die Unabhängigkeit der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde muss im Sinne von Artikel 30 der Bundesverfassung verstanden werden: Die Behörde wird bei ihren Entscheiden nicht von der Ernennungsbehörde beeinflusst. - Artikel 14 a/ Gemäss neuem Bundesrecht muss die Schutzbehörde interdisziplinär sein. Die Kernkompetenzen dieser Behörde sind auf drei Ebenen angesiedelt: das Recht, die soziale Arbeit, die Pädagogik/Psychologie. Andere spezifische Kompetenzen sind ebenfalls wichtig und können von Fall zu Fall beigezogen werden (z.B. treuhänderische Aufgaben, Versicherungen, Medizin, Vermögensverwaltung).

b/ Der Gemeinderichter ist von Amtes wegen Mitglied der Schutzbehörde. Es wird präzisiert, dass die Bezeichnung Gemeinderichter im Sinne der Funktion, der Behörde und nicht der Person zu verstehen ist. Folglich kann der Gemeinderichter seine Kompetenzen an den Vizegemeinderichter delegieren (Abs. 2).

c/ Die Kompetenzen der Schutzbehörde sind fast 150 an der Zahl, was die Notwendigkeit einer Spezialisierung des Schreibers und seine zwingende Teilnahme an sämtlichen Beratungen erklärt. Die Kommission erörtert die Frage nach den beruflichen Qualifikationen des juristisch ausgebildeten Schreibers (Bachelor, Master usw.). Nach einer ausgedehnten Debatte beschliesst die Kommission, dass der Schreiber der Schutzbehörde zwingend Inhaber eines Universitätstitels der Rechtswissenschaft sein muss (Abs. 3).

d/ Die Kommission beschliesst, dass die Kompetenz zum Beizug eines Beisitzers der Schutzbehörde und nicht bloss ihrem Präsidenten übertragen werden muss, da dieser Beisitzer Stimmrecht hat (Art. 15 Abs. 3). Diese Lösung erhöht die Haftung des Beisitzers (Art. 14 Abs. 6) und weist gleichzeitig die Besonderheit auf, dass der Beisitzer nicht von der Ernennungsbehörde bezeichnet wird.

- Artikel 15 Absatz 6

Die Kommission legt den Grundsatz fest, wonach die Schutzbehörde unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagt – ein Grundsatz, der bereits ganz allgemein für die mit der Zivilgerichtsbarkeit betrauten Behörden festgelegt wurde (Art. 8 neu E.EGZPO).

- Artikel 16 Die in Artikel 16 vorgesehene Aufsicht wird nach dem Vorbild der aktuellen Beaufsichtigung der Verwaltungsorganisation durch die Vormundschaftsamtsinspektoren organisiert. - Artikel 23 Die Kommission weist auf einen Übersetzungsfehler bei Artikel 23 Absatz 2 in der deutschen Version hin. - Artikel 25 Redaktionelle Änderung im französischen Text.

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- Unterabschnitt d) und Titel der Artikel 29 und 31

Der Unterabschnitt d) befasst sich mit der Ernennung und der Entschädigung sowohl des Beistands als auch des Vormundes in Anlehnung an die Artikel 298 Absatz 2 und 327a neu ZGB. Folglich werden die Titel des Unterabschnitts sowie der Artikel 29 und 31 abgeändert, um die Suche zu erleichtern.

- Artikel 30 - Titel Die Kommission ändert den Titel von Artikel 30 (Ablehnung der Ernennung), da diese Bestimmung zuerst die Wiedererwägung der Ernennung (Abs. 1) und danach die Beschwerde (Abs. 4) vorsieht. - Artikel 30 Absatz 4 Der Grundsatz der Beschwerde ans Kantonsgericht ist in Artikel 114 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer 4 E.EGZGB verankert mit der Präzisierung in Artikel 114 Absatz 2, wonach die Beschwerden durch einen Einzelrichter beurteilt werden. - Artikel 31 Absatz 2

Redaktionelle Änderung.

- Artikel 32

Der Unterabschnitt d)bis befasst sich lediglich mit der Führung der Beistandschaft. Die Führung der Vormundschaft ist in den Artikel 327b und 327c neu ZGB geregelt, welche wiederum auf die Führung der Beistandschaft verweisen. - Artikel 34 Redaktionelle Änderung zur Erweiterung der Regelungskompetenz des Staatsrates. - Artikel 55 Die Walliser Gerichtsorganisation kennt keinen Richter in eherechtlichen Verfahren, wobei zu präzisieren gilt, dass der Bezirksrichter für eherechtliche Verfahren zuständig ist. - Artikel 59 Die geeigneten Einrichtungen für die fürsorgerische Unterbringung von Personen, die aufgrund einer psychischen Störung oder einer geistigen Behinderung einer Betreuung oder Behandlung bedürfen, verfügen nicht unbedingt über genügend Plätze, um den Bedarf abzudecken. Die Schaffung solcher Einrichtungen ist allerdings in der kantonalen Spitalplanung vorgesehen.

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- Artikel 61 Aufgrund der Vielzahl der sozialmedizinischen Strukturen in den verschiedenen Kantonen wird in Artikel 437 Absatz 1 ZGB auf die Regelung der Nachbetreuung einer fürsorgerisch untergebrachten Person verzichtet. Ziel ist es, einen «Rückfall» zu verhindern. Dieser Begriff wird in Artikel 436 Absatz 1 ZGB verwendet und muss in Artikel 61 Absatz 3 E.EGZGB übernommen werden. In der Regel muss es sich beim Beistand um eine natürliche Person handeln (Art. 400 Abs. 1 ZGB). In der ersten Phase der Nachbetreuung kann sich eine tägliche Betreuung der betroffenen Person über einen Zeitraum von bis zu 30 Tagen als nötig erweisen. Eine derart intensive Betreuung kann nicht von einer einzigen natürlichen Person gewährleistet werden. Aus diesem Grund spricht sich das Bundesamt für Justiz auch nicht dagegen aus, dass eine Organisation anstatt einer natürlichen Person mit dieser Nachbetreuung betraut werden kann. Im Wallis kommt dafür lediglich das sozialmedizinische Regionalzentrum in Frage. Die Artikel 61 und 62 E.EGZGB wurden vom Gesundheitsdepartement und den verantwortlichen Ärzten des psychiatrischen Spitals Malévoz und des Psychiatriezentrums Oberwallis besonders eingehend geprüft und für gut befunden. Der Begriff Schutzbeistand wurde von diesen Ärzten vorgeschlagen. Dieser beruht auf kantonalem Recht und muss von den übrigen Beistandschaften gemäss Artikel 393ff ZGB (Begleitbeistandschaft, Vertretungsbeistandschaft, Kombination von Beistandschaften, umfassende Beistandschaft) unterschieden werden. - Artikel 62 Im Gegensatz zur Nachbetreuung, die gemäss Artikel 437 Absatz 1 ZGB obligatorisch ist, ist die ambulante Behandlung gemäss Artikel 437 Absatz 2 ZGB fakultativ, was sich auch in Artikel 62 E.EGZGB widerspiegelt. Die ambulante Behandlung richtet sich an sämtliche Personen, bei denen eine fürsorgerische Unterbringung gemäss Artikel 426 Absatz 1 ZGB denkbar ist. Artikel 62 Absatz 2 E.EGZGB wird entsprechend abgeändert, um dessen Anwendungsbereich nicht auf betäubungsmittelabhängige Personen im Sinne des BetmG zu beschränken.

- Artikel 83

Um der vorhandenen Organisation der Schlichtungskommission für Mietverhältnisse, die reibungslos funktioniert, Rechnung zu tragen, verzichtet die Kommission darauf, systematisch zu verlangen, dass der Präsident und die Präsidenten-Stellvertreter zwingend einen Universitätstitel der Rechtswissenschaft besitzen müssen. Allerdings bleibt diese Bedingung für den Präsidenten und die Präsidenten-Stellvertreter des Arbeitsgerichts und der Schlichtungskommission für Streitigkeiten nach dem Bundesgesetz über die Gleichstellung bestehen (Art. 30 Abs. 2 und 32 Abs. 2 E.ArG).

Bei den Absätzen 5 und 6 werden redaktionelle Änderungen angebracht. - Artikel 85

Gestützt auf den Vorbehalt in Artikel 66 Absatz 2 Buchstabe d E.ZPO wird hier eine Ausnahme zum Anwaltsmonopol bei der Vertretung der Parteien vor der Schlichtungsbehörde vorgesehen.

- Artikel 90

Angesichts der allgemeinen Zuständigkeit des Bezirksrichters in Zivilsachen (Art. 4 Abs. 1 E.EGZPO) und der subsidiären Zuständigkeit des Gemeinderichters als Schlichtungsbehörde, um bei vermögensrechtlichen Streitigkeiten mit einem Streitwert bis zu 2'000 Franken auf Antrag der klagenden Partei ein Sachurteil zu fällen, wenn die Schlichtung fehlgeschlagen ist, streicht die Kommission die Zuständigkeit des Gemeinderichters zur Feststellung und Bewilligung des Verkaufs einer beanstandeten Sache aus einem Distanzverkauf (Art. 90 Abs. 1

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Ziff. 10). Auch hier handelt es sich um eine Vereinfachungsmassnahme, da eine Streitigkeit nur den Wert der beanstandeten Sache, die einer hohen Wertminderung unterworfen sein könnte, betreffen könnte. - Artikel 112 Absatz 1 Buchstabe j Die Kommission streicht die Zuständigkeit der Schutzbehörde in Sachen Entscheid über die Anrufung des Gerichts bei Fragen im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung oder der in der Einrichtung ergriffenen fürsorgerischen Massnahmen im Sinne von Artikel 439 ZGB. Diese Bestimmung bedingt, dass die Berufung an eine Gerichtsbehörde gerichtet wird. Gemäss Artikel 114 Absatz 1 Buchstabe b handelt es sich dabei um einen vom Kantonsgericht bezeichneten spezialisierten Richter. - Artikel 112 Absatz 3 Buchstabe c

Die Walliser Gerichtsorganisation kennt keinen Richter in eherechtlichen Verfahren. Durch die Streichung der Präzisierung matrimonial im französischen Text wird auf den Bezirksrichter gemäss Artikel 4 Absatz 1 E.EGZPO verwiesen.

- Artikel 112 Absatz 3 Buchstabe n neu und Absatz 4 Buchstabe h Artikel 451 ZGB untersagt die Bekanntmachung einer umfassenden Beistandschaft, die in ihren Auswirkungen der aktuellen Vormundschaft gleichkommt, in einem Amtsblatt. Hingegen kann eine Person, die ein Interesse glaubhaft macht, von der Schutzbehörde Auskunft über das Bestehen einer Schutzmassnahme verlangen. Das System des nZGB ist komplizierter. Um nicht eine zusätzliche Informationsstufe zu schaffen, wird der Präsident der Schutzbehörde und nicht etwa eine von diesem Präsidenten bezeichnete Person ermächtigt, Auskunft zu erteilen.

- Artikel 114 Absatz 1 Buchstabe b und c Ziffer 3

Die Vertreter des Gesundheitsdepartements haben sich für die Bezeichnung eines spezialisierten Richters als Rechtsmittelinstanz für Berufungen im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung und der in einer Einrichtung ergriffenen Zwangsmassnahmen ausgesprochen. Der spezialisierte Richter muss gemäss Artikel 450e Absatz 5 ZGB unverzüglich oder innerhalb von fünf Arbeitstagen seit Eingang der Beschwerde entscheiden, was wiederum bedeutet, dass für diese Fälle quasi ein juristischer Bereitschaftsdienst geschaffen werden muss. Das Kantonsgericht erklärt sich seinerseits mit der in der Botschaft des Staatsrates aufgezeigten Lösung (S.6) einverstanden, wonach der Zwangsmassnahmenrichter im Sinne der StPO als spezialisierter Richter für Streitigkeiten im Bereich der fürsorgerischen Unterbringung bezeichnet werden und somit als Haftrichter fungieren kann. Aus diesen Gründen behält die Kommission bei Artikel 114 Absatz 1 Buchstabe b und c und Ziffer 3 lediglich die Lösung des spezialisierten Richters bei, wobei es Sache des Kantonsgerichts ist, diesen genauer zu bezeichnen. - Artikel 114 Absatz 2 Die Kommission nimmt im französischen Text eine redaktionelle Änderung vor, was allerdings keinen Einfluss auf den Grundsatz hat, wonach Beschwerden an das Kantonsgericht im Bereich des Kindes- und Erwachsenenschutzes durch einen Einzelrichter beurteilt werden können.

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- Formelle Anmerkung Für den französischen Text wird die Harmonisierung der Grossschreibung für das Kantonsgericht (Tribunal cantonal) und die Staatsanwaltschaft (ministère public) vorgeschlagen. Gemäss Kantonsverfassung kommt die Grossschreibung allerdings nur im Falle des Kantonsgerichts (Tribunal cantonal) zur Anwendung. III. Abstimmung über den E.EGZGB Die Kommission nimmt den Entwurf des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch einstimmig an. D. Entwurf des Gesetzes über die unentgeltliche Rechtspflege (E.GUR) I. Einleitung des VRFIS 1. Definition

Bei der unentgeltlichen Rechtspflege handelt es sich um eine Prozesseinrichtung, die es dem Rechtssuchenden, der nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügt und ein schutzwürdiges Interesse glaubhaft machen kann, erlauben soll, seine Rechte vor den Behörden zu verteidigen. Diese Verfahrensgarantie ist gegenwärtig im kantonalen Recht – Gesetz über den gerichtlichen und administrativen Rechtsbeistand vom 29. Januar 1988 (GGAR) und dessen Verordnung (VGAR) – geregelt.

2. Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren und unentgeltliche Rechtspflege

Die unentgeltliche Rechtspflege betrifft sowohl das Zivil- und Strafverfahren als auch das Verwaltungsverfahren. Die für 2011 vorgesehene Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren hat also auch Auswirkungen auf die unentgeltliche Rechtspflege. Ab diesem Zeitpunkt werden die Gewährungsbedingungen im weitesten Sinne (Anspruch, Geltungsbereich, Gesuch, Verfahren usw.) erschöpfend in der ZPO und der StPO geregelt. Die Kantone verlieren also ihre Gesetzgebungskompetenz in diesem Bereich. Allerdings bleiben sie für die Bezeichnung des Vollzugsorgans zuständig, welches die Kosten zuspricht und über die Rückerstattung wacht. Im Bereich des Verwaltungsverfahrens bleibt hingegen alles beim Alten, da das Verfahren auf Bundesebene nicht vereinheitlich wurde. 3. Merkmale des GUR Die Änderungen im Bundesrecht bedingen eine Revision der kantonalen Bestimmungen im Bereich der unentgeltlichen Rechtspflege, um diese in Einklang mit den Bundesbestimmungen zu bringen. Aus diesem Grund wird ein neues Gesetz über die unentgeltliche Rechtspflege vorgeschlagen. Dieses Gesetz sieht Folgendes vor:

- einen Verweis auf die ZPO und die StPO, was die unentgeltliche Rechtspflege in Zivil- und Strafsachen anbelangt;

- die Grundsätze der unentgeltlichen Rechtspflege in Verwaltungssachen – das zentrale Thema dieses Entwurfs;

- das Vollzugsorgan in Sachen Finanzierung und Rückerstattung für alle Angelegenheiten.

Die Bestimmungen, welche die Verwaltungssachen regeln, wurden – mit Ausnahme einiger formeller und struktureller Anpassungen – grösstenteils vom GGAR und der VGAR übernommen. Es finden sich auch einige von der ZPO abgeleitete Neuerungen:

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- die Befreiung von den Verfahrenskosten im Falle der Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege; - die Möglichkeit, die unentgeltliche Rechtspflege jederzeit zu beantragen; - die Pflicht, im Beschwerdeverfahren ein neues Gesuch zu stellen; - die Rückerstattung der geleisteten Vorschüsse an die obsiegende Partei.

Schliesslich sieht das GUR vor, dass der Staatsrat die Vollzugsbestimmungen auf dem Verordnungsweg erlässt. Entgegen der Meinung einiger, wird es mit dieser Verordnung allerdings nicht möglich sein, das System der unentgeltlichen Rechtspflege zu revolutionieren. Ganz im Gegenteil, diese Verordnung wird eine beschränkte Tragweite haben, da sie nur jene Bereiche der unentgeltlichen Rechtspflege betrifft, in denen die Kantone noch eine Gesetzgebungskompetenz haben, also in erster Linie die unentgeltliche Rechtspflege in Verwaltungssachen oder das Verfahren zur Rückerstattung der Leistungen. II. Detailberatung - Artikel 2 Hinsichtlich einer Harmonisierung der unentgeltlichen Rechtspflege werden die Gewährungsbedingungen in Verwaltungssachen analog zu Artikel 115 E.ZPO geregelt. - Artikel 3 Die Liquidation der Kosten, darunter auch die Entschädigung des amtlich eingesetzten Rechtsbeistands, ist nicht in Artikel 3 – der lediglich den Geltungsbereich festlegt – sondern vielmehr in Artikel 8 vorgesehen. - Artikel 4 Artikel 4 ermöglicht es, die unentgeltliche Rechtspflege jederzeit zu beantragen, vor oder nach der Streithängigkeit. Er stützt sich auf Artikel 116 Absatz 1 Buchstabe c 2. Satz und 117 Absatz 1 E.ZPO, welcher die unentgeltliche Rechtspflege auf die Prozessvorbereitung erweitert. Dies gilt beispielsweise für die Erarbeitung einer Scheidungskonvention für die Scheidung auf gemeinsames Begehren (Botschaft des Bundesrates S. 7302). - Artikel 7 Der Titel wird geändert, da der Begriff Verfahren auch den Rekurs umfasst. - Artikel 8 Unterliegt die unentgeltlich prozessführende Partei, so ist sie nicht von der Bezahlung der Parteientschädigung an die Gegenpartei befreit. Wenn sie nicht in der Lage ist, diese Entschädigung zu zahlen, springt das Gemeinwesen nicht subsidiär ein (Art. 120 Abs. 1 Bst. d E.ZPO).

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Sitzung vom 3. Dezember 2008

(von 09.00 Uhr bis 17.00 Uhr mit einer Unterbrechung von 12.00 Uhr bis 13.30 Uhr)

Aufgrund anderweitiger Verpflichtungen kann Staatsrat Jean-René Fournier nicht an der Sitzung teilnehmen und lässt sich entschuldigen.

Einleitend liest Nicolas Voide ein Schreiben Walliser Anwaltsverbands vom 2. Dezember 2008 vor (Anhang 1), welches über das Büro des Grossen Rates an die Kommission gerichtet wurde.

In diesem Schreiben gibt der Anwaltsverband seinem Bedauern darüber Ausdruck, dass er von der 2. parlamentarischen Kommission nicht angehört wurde. Allerdings gilt zu beachten, dass der Anwaltsverband anlässlich der 1. Lesung angehört wurde und die 2. Lesung lediglich dazu dient, den aus der 1. Lesung hervorgegangenen Texten den letzten Schliff zu verleihen. Zudem finden sich unter den Kommissionsmitgliedern mehrere Anwälte, welche die Anliegen des Verbandes im Bereich der Zivil-, Straf- und Verwaltungsverfahren vertreten können.

Die Kritik am Verfahren zur Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann nicht berücksichtigt werden, da die Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren den Kantonen jegliche Gesetzgebungskompetenz in Sachen unentgeltliche Rechtspflege in diesen Bereichen entzieht. Die Kantone verfügen also über keinerlei Handlungsspielraum. In diesem Zusammenhang wird auf die Notiz Nr. 19 des VRFIS an die 2. parlamentarische Kommission verwiesen.

Die Bemerkungen betreffend die Gerichtsgebühren werden im Rahmen der Behandlung des E.GTar geprüft.

D. E.GUR (Fortsetzung)

- Artikel 11

Die Kommission nimmt zwei terminologische Präzisierungen bei Absatz 2 vor. - Artikel 12 Erneut kritisiert das Kantonsgericht die mit der Rückforderung der Vorschüsse im Bereich der unentgeltlichen Rechtspflege betraute Verwaltungsstelle. Erneut wird darauf hingewiesen, dass diese Verwaltungsstelle nicht über die nötigen personellen Ressourcen für die Bewältigung dieser Aufgabe verfügt. Um einen Überblick über die Situation in diesem Bereich zu ermöglichen, hat der Grosse Rat Artikel 12 Absatz 2 in erster Lesung dahingehend ergänzt, dass das Vollzugsorgan ein Verzeichnis und ein Fälligkeitsregister führen muss. Die Kommission fordert den Staatsrat auf, die zuständige Verwaltungsstelle mit den nötigen Ressourcen zur Rückforderung der Vorschüsse im Bereich der unentgeltlichen Rechtspflege auszustatten. - Artikel 16 Die Kommission präzisiert das Übergangsrecht. Anstatt interne Verweise anzubringen, erklärt sie die Übergangsbestimmungen der Schweizerischen Zivilprozessordnung und der Schweizerischen Strafprozessordnung für die in Zivil- und Strafsachen hängigen Verfahren der unentgeltlichen Rechtspflege für anwendbar (Abs. 1). Da sich die Bestimmungen im Bereich der unentgeltlichen Rechtspflege in Verwaltungssachen auf jene des vereinheitlichten Zivilverfahrens stützen, gilt die Übergangsregelung der Schweizerischen Zivilprozessordnung auch für die laufenden Verfahren der unentgeltlichen Rechtspflege in Verwaltungssachen und auf dem Gebiet der Sozialversicherungen (Abs. 2).

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III. Abstimmung über den E.GUR Die Kommission nimmt den Gesetzesentwurf über die unentgeltliche Rechtspflege einstimmig an.

E. Entwurf zum Gesetz betreffend den Tarif der Kosten und Entschädigungen vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden (E.GTar)

I. Einleitung des VRFIS 1. Allgemeines Die Rechtspflege und der Erlass von Verwaltungsverfügungen verursachen Kosten für den Staat (Gerichtskosten = Gebühren + Auslagen) und für die Parteien (hauptsächlich die Anwaltshonorare und –auslagen). Die Regeln für die Festlegung der Höhe dieser Kosten finden sich im Gesetz betreffend den Tarif der Kosten und Entschädigungen vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden (GTar) vom 14. Mai 1998. 2. Auswirkungen der eidgenössischen und kantonalen Revisionen auf das GTar Das GTar betrifft sowohl das Zivil- als auch das Verwaltungs- und das Strafverfahren. Es ist also auch von den Revisionen der eidgenössischen Justizreform und der kantonalen Einführungsgesetzgebung betroffen. Obwohl die Tarifikation der Kosten Sache der Kantone bleibt, muss das GTar also revidiert werden. 3. Die Merkmale des revidierten GTar Das neue in erster Lesung angenommene Gesetz ist nicht das Ergebnis einer grundlegende Revision. Es handelt sich vielmehr um eine Anpassung des alten Gesetzes an die Änderungen auf Bundes- und Kantonsebene. So wurden beispielsweise gewisse Bestimmungen, die nun in den Prozessordnungen zu finden sind, aus dem GTar entfernt. Überdies wurden die im kantonalen Recht vorgesehenen Rechtsmittel durch die neuen in der Zivil- und Strafprozessordnung vorgesehenen Rechtsmittel ersetzt. Auf Ebene des Verwaltungsrechts gibt es im GTar nur minime Änderungen. Unter diesen Änderungen gilt es namentlich Folgende hervorzuheben:

• Anpassung des Honorars des Rechtsbeistands an die seit dem 1. Januar 1999 eingetretene Teuerung von 10%;

• Einführung von neuen Rechtsmitteln unter Berücksichtigung ihrer Ähnlichkeit mit gewissen im Walliser Recht vorgesehenen Rechtsmitteln (z.B. die Beschwerde und die Klage im Strafverfahren / die Nichtigkeitsklage und die Beschwerde im Zivilverfahren);

• Einführung neuer Behörden (z.B. Zwangsmassnahmengericht); • die Möglichkeit für die Fälle, die einen aussergewöhnlichen Arbeitsaufwand bedingten (z.B. für den

Anwalt der ersten Stunde), über die Ansätze des Tarifs hinauszugehen; • Einführung eines Tarifs für Interventionen des Anwalts erster Stunde bei polizeilichen Einvernahmen.

Reduktion der Mindestgebühren um 15% (Reduktion um 5% + Nichtanpassung der im GTar vorgesehenen Gebühren an die seit Inkrafttreten des Gesetzes am 1. Januar 1999 eingetretene Teuerung von 10%). Dies mit Ausnahme der Mindestgebühren für geldwerte Streitigkeiten des Zivilrechts, welche um 10% reduziert wurden. Es gilt darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Eintretensdebatte der 1. Lesung eine über den Vorschlag der Justizkommission hinausgehende Reduktion gefordert worden war.

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II. Detailberatung

- Artikel 5

Im Bereich des öffentlichen Rechts und des Sozialversicherungsrechts gibt es keine Vorverhandlung im Gegensatz zur Schlussverhandlung. Aus diesem Grund muss der Begriff Verhandlungen verwendet werden. Was die Frist zur Hinterlegung einer Abrechnung anbelangt, so wird die Präzisierung angebracht, wonach dies «bis zur Schlussentscheidung» erfolgen kann. - Artikel 6 Der Satz (5%) muss im GTar ausdrücklich genannt werden, wie dies auch in der Schweizerischen Strafprozessordnung der Fall ist. Folglich wird im deutschen Text der Verweis auf den im Steuergesetz vorgesehenen Satz gestrichen.

- Artikel 13

Die Kommission folgt dem Vorschlag des Parlamentsdienstes und streicht die unnötige Präzisierung bei Absatz 2.

- Artikel 15 Die Kommission ändert den Wortlaut von Absatz 2 um klarzumachen, dass die Zuständigkeit des Gemeinderichters, in der Sache zu entscheiden, nur für Güterrechtsstreitigkeiten gilt, deren Streitwert 2'000 Franken nicht übersteigt, während die Urteilsanträge dieses Richters keiner Streitwertbegrenzung unterliegen. - Artikel 16 bis 19 – Reduktion der Gebühren in Zivilsachen Der E.GTar stellt weitgehend eine Anpassung der geltenden Gesetzgebung (GTar) an die Änderungen auf Bundes- und Kantonsebene dar. Es handelt sich also nicht um eine grundlegende Revision. Nichtsdestotrotz hat der Staatsrat in seinem Entwurf einige Neuerungen vorgeschlagen. Aufgrund der Vernehmlassung bei den betroffenen Kreisen und der Erkenntnisse aus der ENJUVA-Erhebung hat er namentlich eine Reduktion der im GTar vorgesehenen Mindestgebühren um 15% vorgeschlagen (effektive Reduktion um 5% + Nichtanpassung der Beträge an die seit dem Inkrafttreten des GTar im Jahre 1999 eingetretene Teuerung von 10%). Nach Prüfung des E.GTar hat sich die Justizkommission schliesslich mit der vom Staatsrat vorgeschlagenen Reduktion der Gebühren einverstanden erklärt. Dies mit Ausnahme der Mindestgebühren für geldwerte Streitigkeiten des Zivilrechts, welche um 10% reduziert wurden (im Gegensatz zu der vom Staatsrat vorgeschlagenen effektiven Reduktion um 5%). Zudem hat die Justizkommission auf die Reduktion gewisser Gebühren, wie der vom Gemeinderichter erhobenen Gebühr für die Vorladung zur Versöhnungssitzung (Fr. 50.-), verzichtet, da es sich bereits um bescheidene Beträge handelt. Anlässlich der Eintretensdebatte liess die PS/AdG-Fraktion verlauten, dass die Walliser Justiz für den Rechtssuchenden zu kostspielig sei und die geltenden Gebühren die höchsten in der Westschweiz oder gar in der gesamten Schweiz seien. Sie vertrat den Standpunkt, dass über die von der Justizkommission vorgeschlagene Reduktion von 10% hinausgegangen werden müsse. Aufgrund dieses Einwands unterbreitete das Departement drei Vorschläge. Die Kommission und die Präsidentin des Kantonsgerichts stellen die Aussage, wonach die Walliser Justiz die teuerste der Schweiz oder der Westschweiz sein soll, infrage. Es wird eine vom Parlamentsdienst erstellte vergleichende Übersicht verteilt (Anhang 2). Aus dieser Übersicht geht hervor, dass der Kanton Wallis im Bereich der Gebühren für geldwerte Streitigkeiten des Zivilrechts sowie für Eheschutzmassnahmen nicht unbedingt der teuerste Kanton ist. Die Kommission weist auch darauf hin, dass die Gebühren innerhalb einer Spanne zwischen Minimal- und Maximalgebühren festgelegt werden, was aus der Übersicht des Parlamentsdienstes nur ungenügend hervorgeht.

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Es wird präzisiert, dass das Departement Anstrengungen unternommen hat, um die Praxis der Gerichtsbehörden in anderen Kantonen im Bereich der Zivilsachen, mit denen die Zivilgerichtsbarkeiten üblicherweise befasst werden, in Erfahrung zu bringen. Dieses Vorgehen wurde von den Gerichtsbehörden nicht gerade begrüsst. Die Präsidentin des Kantonsgerichts verpflichtet sich dazu, bei den Magistraten anderer Kantone zusätzliche Informationen einzuholen, welche für eine spätere Revision des GTar im Hinblick auf eine grundlegende Justizreform bis ins Jahr 2015 dienlich sein könnten. Am Ende einer ausgedehnten Debatte gelangt die Kommission zur Überzeugung, dass eine Reduktion der Kosten für den Rechtssuchenden nicht so sehr durch eine Änderung der Minimal- und/oder Maximalgebühren, als vielmehr durch die Nutzung des im GTar vorgesehenen Handlungsspielraums durch die Behörde bewerkstelligt werden kann. Die Kommission wünscht, dass es zu einer effektiven Reduktion der Gerichtsgebühren aufgrund der im Rahmen der 1. Lesung vorgenommenen Änderung der Ansätze kommt und dass die zuständigen Behörden sowohl vom Kantonsgericht als auch vom Staatsrat entsprechend informiert werden. Aufgrund dieser Erwägungen zieht die PS/AdG-Fraktion ihre Forderung nach einer zusätzlichen Gebührenreduktion zurück. - Artikel 18 Der Vorschlag hinsichtlich der Unentgeltlichkeit der Eheschutzmassnahmen wird ohne Abstimmung verworfen, da eine solche Massnahme dem Gieskannenprinzip gleichkäme, in dessen Genuss auch Parteien mit ausreichenden finanziellen Mitteln kämen. Für diese Massnahmen – wie auch für die übrigen Justizentscheide – kommen Personen, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, in den Genuss der unentgeltlichen Rechtspflege. Zudem kann der Richter in Sonderfällen ausnahmsweise auf die Erhebung einer Gebühr (Art. 14 Abs. 2) oder der Auslagen (Art. 12) verzichten. - Artikel 31 und folgende In der französischen Version des E.GTar hat sich ein Fehler eingeschlichen. Im Entwurf wird fälschlicherweise der Begriff honoraire (Singular) anstatt des Begriffs honoraries (Plural) verwendet. Die Deutsche Version erfährt keine Änderung in diesem Punkt. - Artikel 43 Die Kommission folgt dem Vorschlag des Parlamentsdienstes und ändert den Titel von Artikel 43. Die Anpassung der Gebühren kann entweder aufgrund eines parlamentarischen Vorstosses oder aufgrund eines Vorschlags des Kantonsgerichts oder des Finanzdepartements im Rahmen der Vorbereitung des Voranschlags erfolgen. III. Abstimmung über den E.GTar Die Kommission nimmt den Gesetzesentwurf betreffend den Tarif der Kosten und Entschädigungen vor Gerichts- oder Verwaltungsbehörden einstimmig an.

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F. Entwurf des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung (E.EGStPO)

I. Einführung des VRFIS 1. Hauptmerkmale der Strafprozessordnung

1.1. Grundsätzliches Festhalten am Bekannten

Bei der Strafprozessordnung kommt es zu keinen grundlegenden Neuerungen. Der Strafprozess folgt bereits seit längerem und kontinuierlich der Rechtsprechung des Bundesgerichts in Zusammenhang mit der Bundesverfassung und der Europäischen Menschenrechtskonvention, was zu einer fortschreitenden Vereinheitlichung in diesem Bereich führt.

Auf Grundlage dieser Rechtsprechung und der kantonalen Prozessordnungen strebt die Strafprozessordnung des Bundes ein gerechtes Gleichgewicht zwischen den diametral entgegengesetzten Interessen der in einem Strafverfahren involvierten Personen an. Hier lässt sich vor allem anführen:

- die Rolle der Polizei bei der Voruntersuchung;

- die Rechte der beschuldigten Person, insbesondere Verteidigungsrechte;

- die Bedingungen im Bereich der Zwangsmassnahmen;

- Einrichten von Rechtsmitteln gegen Verfahrenshandlungen, Strafbefehle und Urteile.

1.2 Interessante Neuerungen

Nichtsdestotrotz gibt es einige Neuerungen und Bestimmungen, welche den meisten kantonalen Prozessordnungen bisher unbekannt waren, z.B.:

- Ausbau des Opportunitätsprinzips (Art. 8 StPO);

- Möglichkeit einer Einigung zwischen beschuldigter Person und Staatsanwaltschaft in Bezug auf die Strafe (Art. 358ff StPO – abgekürztes Verfahren, Plea-bargaining-Verfahren);

- Erweiterung des Zeugenschutzes (Art. 156 StPO);

- Stärkung der Verteidigungsrechte bei einer Festnahme (Art. 158, 159, 217 ff. und 224 StPO);

- Überwachung der Bankbeziehungen als neue Zwangsmassnahme (Art. 284 und 285 StPO).

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1.3 Ein neues Strafverfolgungssystem

Die Vereinheitlichung der Verfahren kann ohne eine minimale Harmonisierung der Strafverfolgungs- und Urteilsbehörden nicht bewerkstelligt werden.

Aus vier möglichen Varianten wählte man schliesslich das Staatsanwaltschaftmodell II. In diesem System übernimmt ein und derselbe Staatsanwalt sowohl die Strafuntersuchung als auch die Anklage vor dem erstinstanzlichen Gericht und legt allenfalls später Rekurs gegen das erstinstanzliche Urteil oder das Berufungsurteil (gegebenenfalls bis vor Bundesgericht) ein.

Fachleuten zufolge trägt dieses System insbesondere zu einer effizienten und speditiven Strafverfolgung bei.

Als Gegengewicht zur quasi allmächtigen Staatsanwaltschaft werden zwei Institutionen geschaffen, die im Walliser Recht bisher nicht existierten:

- Der Anwalt der ersten Stunde, welcher der beschuldigten Person bei der ersten Befragung durch die Polizei – welche ja im Namen der Staatsanwaltschaft handelt – zur Seite steht.

- Das Zwangsmassnahmengericht, welches die Untersuchungshaft und andere Zwangsmassnahmen (Hausdurchsuchungen, Durchsuchungen, DNA-Analysen, Beschlagnahme, Überwachung der Korrespondenz, Beobachtung, Überwachung der Bankbeziehung, verdeckte Ermittlung) anordnet.

2. Hauptmerkmale des E.EGStPO 2.1 In der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) werden nur die Widerhandlungen gegen Bundesrecht behandelt. Widerhandlungen gegen kantonales oder kommunales Recht sind von der Vereinheitlichung des Strafprozesses nicht betroffen.

Das Einführungsgesetz verweist für das bei Übertretungen von kantonalem und kommunalem Recht anwendbare Verfahren grundsätzlich auf die Schweizerische Strafprozessordnung. Es gibt allerdings Ausnahmen, z.B. wenn die Übertretung in den Zuständigkeitsbereich einer Verwaltungsbehörde fällt, für welche das Gesetz über das Verwaltungsverfahren und die Verwaltungsrechtspflege massgebend ist. Dieses Gesetz muss in einigen Punkten angepasst werden, um eine einheitliche Repression von Übertretungen zu gewährleisten, egal ob diese bundes-, kantonal- oder kommunalrechtlicher Natur sind.

2.2 In der Schweizerischen Strafprozessordnung (StPO) wird an rund 50 Stellen auf das kantonale Recht verwiesen. Es kann also nur bedingt von einer Vereinheitlichung auf Schweizer Ebene gesprochen werden.

Das Einführungsgesetz sorgt für die Umsetzung des Bundesrechts und übernimmt bereits bestehende Bestimmungen der Walliser Strafprozessordnung, des Walliser Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Strafgesetzbuch und der Spezialgesetzgebung (Konkordat über die Rechtshilfe und die interkantonale Zusammenarbeit in Strafsachen).

3. Prüfung des Entwurfs in 1. Lesung

3.1. Änderungen technischer Natur

● Der Entwurf des EGStPO wurde in der 1. Lesung eingehend durchleuchtet. Dabei stand vor allem die Organisation der Staatsanwaltschaft im Mittelpunkt. Der Entwurf wurde in der Schlussabstimmung der 1. Lesung wie folgt angenommen:

- in der Kommission: 10 Ja, 0 Nein, 0 Enthaltungen;

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- im Plenum: 78 Ja, 26 Enthaltungen.

● Der Entwurf des Staatsrates wurde in vier technischen Punkten geändert:

a/ Der Grosse Rat hat die Bezeichnungen der Mitglieder der Staatsanwaltschaft geändert: Die im staatsrätlichen Entwurf verwendeten Bezeichnungen «Staatsanwalt» und «Stellvertreter» wurden durch «Oberstaatsanwalt» und «Staatsanwalt» ersetzt.

b/ Dem zentralen Amt der Staatsanwaltschaft wurde die allgemeine Zuständigkeit im Bereich der Gerichtsstandkonflikte und der Rechtshilfe übertragen.

c/ Nicht mehr genehmigt werden müssen:

1. die Einstellungs- und Nichtanhandnahmeverfügung sowie die Sistierung (Verfügungen in Bezug auf die Untersuchung);

2. die Strafbefehle (die zur Verurteilung führen, wenn keine Einsprache erfolgt);

d/ Der Aufsichtsbehörde der Anwälte wurde bei der Organisation des Bereitschaftsdienstes (Anwälte der ersten Stunde) die Entscheidungsgewalt übertragen.

3.2 Organisation der Staatsanwaltschaft

● Die Regelungen rund um die Staatsanwaltschaft entfachten hitzige Diskussionen, die zu keiner Einigung führten.

● Dabei geht es hauptsächlich um folgende Punkte:

1. Wie werden die Mitglieder der Staatsanwaltschaft ernannt?

2. Wie wird die Aufsicht über die Staatsanwaltschaft organisiert?

3. Wie wird die Staatsanwaltschaft organisiert und welche Kompetenzen erhält sie?

4. Welche Entschädigung erhalten die Mitglieder der Staatsanwaltschaft?

● Diese Fragen müssen einzeln geklärt werden:

- Ernennungsart und Aufsicht: im Rahmen des Gesetzes über die Rechtspflege;

- Entschädigung: im Rahmen des Dekrets über die Abänderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden;

- Organisation und Kompetenzen: im Rahmen des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung und des Gesetzes über die Rechtspflege.

Der kantonale Untersuchungsrichter gibt zum Schluss der Einleitung des VRFIS zu bedenken, dass die Untersuchung von Strafsachen gemäss Schweizerischer Strafprozessordnung neu rund 70 bis 80% der Tätigkeit der Staatsanwaltschaft ausmachen wird.

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II. Detailberatung

- Artikel 6 bis 8bis neu (recte Art. 9 neu)

a/ Die Organisation der Staatsanwaltschaft ruht auf den drei Grundpfeilern:

1. dezentral,

2. hierarchisiert,

3. unabhängig.

Die Unabhängigkeit steht in Zusammenhang mit der Ernennungsbehörde (Grosser Rat) und der Aufsicht. Der Grundsatz der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft wird im Gesetz über die Rechtspflege verankert.

Artikel 6 bis 8bis neu (rechte 9 neu) E.EGStPO enthalten ihrerseits die Bestimmungen zur Gewährleistung einer dezentralen und hierarchisierten Staatsanwaltschaft und regeln die Kompetenzen der Ämter und ihrer Vorsteher.

b/ Die Bestimmungen zur dezentral organisierten Staatsanwaltschaft (4 Ämter) finden sich in folgenden Artikeln des E.EGStPO:

- Artikel 6 Absatz 2;

- Artikel 7;

- Artikel 8.

Die dezentrale Organisation gibt zu keinen Bemerkungen Anlass.

c/ Die Bestimmungen zur hierarchisierten Staatsanwaltschaft (1 Generalstaatsanwalt, 3 Oberstaatsanwälte und mehrere Staatsanwälte) finden sich in Artikel 6 bis 8bis neu (rechte Art. 9 neu) E.EGStPO.

Die hierarchisierte Organisation der Staatsanwaltschaft gibt zu zwei Bemerkungen Anlass:

1. Die CVPO ist der Ansicht, dass diese dreistufige Hierarchie (Generalstaatsanwalt, Oberstaatsanwälte, Staatsanwälte) zu einem aufgeblähten Verwaltungsapparat führe und nicht im Sinne von Artikel 14 Absatz 3 StPO sei.

2. Der Generalstaatsanwalt ist hingegen der Ansicht, dass noch eine vierte Stufe hinzugefügt werden müsste, nämlich die Substituten. Diese zwei Bemerkungen zur hierarchischen Organisation werden nachfolgend einzeln analysiert.

d/ Das dreistufige Hierarchiemodell der Staatsanwaltschaft (Generalstaatsanwalt, Oberstaatsanwälte, Staatsanwälte) entspricht der gegenwärtigen Organisation der Untersuchungsrichterämter (Art. 10 und 11 GGB; Art. 14 ROG – SGS/VS 173.100).

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Diese Hierarchie steht mit Artikel 14 Absatz 3 StPO vollständig in Einklang. Der Bundesrat spricht sich in seiner Botschaft (BBl 2006, Seite 1134 ff.) denn auch genau für diese Hierarchieform aus. Auch der Waadtländer Entwurf geht in diese Richtung.

Grossrat Beat Abgottspon erläutert die Position der CVPO, welche auf eine Vereinfachung der hierarchischen Organisation der Staatsanwaltschaft abzielt, indem die in Artikel 8 beschriebenen Aufgaben des Oberstaatsanwalts einfach einem Staatsanwalt übertragen werden könnten, welcher als primus inter pares unter den Mitgliedern der regionalen Staatsanwaltschaftsämter agieren würde. Im zentralen Amt würden diese Aufgaben logischerweise vom Generalstaatsanwalt oder seinem Adjunkten wahrgenommen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass in den regionalen Staatsanwaltschaftsämtern zwischen 5 und 8 Staatsanwälte (oder Substitute) sowie mehrere Sekretäre tätig sein werden, ist es für die Mehrheit der Kommission unabdingbar, einen Oberstaatsanwalt zu ernennen, der die in Artikel 8 Absatz 1 vorgesehenen Aufgaben erfüllt. Schliesslich spricht sich die Kommission mit 10 gegen 3 Stimmen für die Beibehaltung des Oberstaatsanwalts aus.

e/ Beim vierstufigen Hierarchiemodell kommt zusätzlich zu den drei erwähnten Stufen die Stufe der Subsituten hinzu.

Dieses Modell bietet bietet folgende Vorteile:

- Aufstiegsmöglichkeiten innerhalb der Staatsanwaltschaft (Substitut, Staatsanwalt, Adjunkt des Generalstaatsanwalts/Oberstaatsanwalt, Generalstaatsanwalt – mit Übergangsmöglichkeiten zu strafrichterlichen Ämtern).

- Das Gesetz beschränkt die Kompetenz der Subsitute auf Routinehandlungen.

- Auf Delegation hin können diese jedoch andere konkrete Aufgaben wahrnehmen und so die Staatsanwälte entlasten.

- Die Substitutsstufe ist quasi eine Ausbildungsstufe

- Mehr Handlungsspielraum in Lohnfragen.

- Die in Artikel 35 den «Mitarbeitern» übertragenen Aufgaben können von den Substituten wahrgenommen werden.

Auf eine Frage bezüglich der finanziellen Auswirkungen wird geantwortet, dass die Einführung der Substitutsstufe zu finanziellen Vorteilen führen würde, da das Gehalt eines Substituten – der ja «quasi eine Lehre zum Staatsanwalt absolviert» – unterhalb des Gehalts eines Staatsanwalts liegen würde.

Walter Lengacher ergreift das Wort im Namen des Kantonsgerichts und weist auf die Hierarchie der Justizfunktionen hin: Bundesgericht – Kantonsgericht – Bezirksrichter – Untersuchungsrichter. Seiner Meinung nach müsste die Lohnhierarchie der Funktionshierarchie folgen, d.h. die in der neuen Schweizerischen Strafprozessordnung für die Untersuchung verantwortlichen Personen müssten ein tieferes Gehalt erhalten als die Bezirksrichter, welche ja über die Einsprachen gegen die von den Staatsanwälten verhängten Strafverfügungen entscheiden.

Der kantonale Untersuchungsrichter teilt diese Ansicht nicht und weist auf folgende Zahlen hin: Die Walliser Behörden behandeln pro Jahr rund 5'500 Strafsachen. Davon erledigen die Untersuchungsrichter 5'200, die Bezirksgerichte 300, und das Kantonsgericht rund 100 (wobei ca. 10 Fälle an das Bundesgericht verwiesen werden).

Von den 4'574 Strafbefehlen, welche die Untersuchungsrichter erlassen haben, waren nur 124 Gegenstand einer Einsprache. Bei diesen 124 Einsprachen handelt es nicht etwa um Anfechtungen im eigentlichen Sinne, sondern um Willensbekundungen der beschuldigten Personen, die Angelegenheit im ordentlichen, kontradiktorischen

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Verfahren statt bloss im summarischen Strafbefehlsverfahren zu behandeln. Der Bezirksrichter ist somit nicht die hierarchische Beschwerdeinstanz für Einsprachen gegen Strafbefehle.

Die Kommission nimmt diese Aussagen zur Kenntnis und führt die Diskussion an dieser Stelle nicht weiter, wird aber bei der Beratung des Dekrets über die Abänderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden nochmals auf die Lohnfrage zu sprechen kommen.

In der Überzeugung, dass die Schaffung einer Karriereleiter innerhalb der Staatsanwaltschaft sinnvoll ist, und im Wissen, dass dies ohne negative finanzielle Auswirkungen bewerkstelligt werden kann, spricht sich die Kommission mit 10 Ja und 3 Enthaltungen für die Schaffung der Substitutsstufe aus (Art. 9 neu).

- Artikel 12 (recte Art. 13)

Die Kommission hat bereits im Rahmen der Prüfung von Artikel 5 E.EGZPO den Einzelrichter als Beschwerdeinstanz vorgesehen.

- Artikel 13 (recte Art. 14)

Die Kommission belässt den Einzelrichter als Berufungsinstanz, entzieht ihm aber die Zuständigkeit für Berufungen gegen unbedingte Freiheitsstrafen. Sie übernimmt einstimmig den Wortlaut des gegenwärtigen Artikels 174 Ziffer 4 Buchstabe b StPO/VS.

- Artikel 16 (recte Art. 17)

Der Titel von Artikel 16 (recte 17) wird in Einklang mit dem Titel von Artikel 67 ZPO und Artikel 7 E.EGZPO gebracht. Mit Artikel 16 Absatz 1 (recte 17 Abs. 1) werden die beiden kantonalen Amtssprachen gleichermassen als Verfahrenssprache (Dokumente, Debatten) anerkannt.

- Artikel 17 (recte Art. 18)

Artikel 17 (recte 18) nimmt Bezug auf Artikel 90 Absatz 2 StPO, wonach die vom kantonalem Recht anerkannten Feiertage massgebend sind. Fällt der letzte Tag der Frist auf einen Feiertag, läuft diese erst am ersten nachfolgenden Werktag ab. Ausserdem gibt es in Strafsachen keine Gerichtsferien. Der Bezug zum kantonalen Recht wird durch einen Verweis auf das Gesetz über die Rechtspflege hergestellt. Absatz 1 wird entsprechend geändert.

Artikel 17 Absatz 2 (recte 18 Abs. 2), welcher sich mit den stundenweisen Fristen beschäftigt (Art. 219 Abs. 4, 224 Abs. 2, 226 Abs. 1 StPO), soll die Behörden, Verfahrensparteien und Rechtsberater darauf aufmerksam machen, dass die stundenweisen Fristen auch an Samstagen, Sonntagen und kantonal anerkannten Feiertagen laufen. Die Kommission erachtet diese Erläuterung für wenig sinnvoll und streicht deshalb Absatz 2.

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- Artikel 18 (recte Art. 19)

Gemäss Artikel 99 Absatz 1 StPO richten sich die Bearbeitung und Aufbewahrung der Daten nach Abschluss des Strafverfahrens nach den Bestimmungen des kantonalen Datenschutzrechts. Die Kommission weist darauf hin, dass es sich hierbei hauptsächlich um das Reglement über die Archivierung der Gerichtsakten und subsidiär das Gesetz über die Information der Öffentlichkeit, den Datenschutz und die Archivierung handelt.

- Artikel 19 (recte Art. 20)

Gemäss Artikel 104 Absatz 2 StPO können die Kantone Behörden, die öffentliche Interessen zu wahren haben, Parteirechte einräumen. Im Sinne dieser Bestimmung macht die Behörde, welche im Strafverfahren zum Schutz des öffentlichen Interesses als Partei auftritt, nicht die Rechte des Geschädigten geltend, weil ihre Rechte nicht direkt durch die Straftat verletzt wurden (Art. 115 Abs. 1 und 118 Abs. 1 StPO).

Dieses Prinzip kennt man bereits von Artikel 217 des Schweizerischen Strafgesetzbuchs, wo bezüglich Vernachlässigung von Unterhaltspflichten gesagt wird: «Das Antragsrecht steht auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu». Im speziellen Fall der Vernachlässigung von Unterhaltspflichten kommen dem kantonalen Amt für Inkasso und Bevorschussung von Unterhaltsbeiträgen beim Strafverfahren Parteirechte zu. Dies in Anwendung von Artikel 4 des Gesetzes über die Eintreibung von Unterhaltsbeiträgen und die Entrichtung von Vorschüssen (SGS/VS 850.3). Es fragt sich, ob diese Parteirechte für Behörden, welche im Strafverfahren öffentliche Interessen vertreten, ausgeweitet werden sollen. Mit 3 gegen 2 Stimmen und 3 Enthaltungen spricht sich die Kommission für eine solche Ausweitung aus.

Sitzung vom 15. Dezember 2008

(von 9.00 bis 16.00 Uhr, mit einer Unterbrechung von 12.00 bis 13.30 Uhr)

Staatsrat Jean-René Fournier hat anderweitige Verpflichtungen und lässt sich entschuldigen.

Einleitend informiert der VRFIS die Kommission, dass die eidgenössischen Räte in der letzten Woche (8.-12. Dezember) sämtliche Differenzen in der Schweizer Strafprozessordnung und im neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrecht bereinigt haben. Es wird angefügt, dass die Entscheide des Bundesparlaments keine Änderungen an der kantonalen Ausführungsgesetzgebung bedingen.

F. E.EGStPO (Fortsetzung)

- Artikel 19 (recte Art. 20)

Gemäss Artikel 217 Absatz 2 StGB steht das Antragsrecht bei Vernachlässigung der Unterhaltspflichten auch den von den Kantonen bezeichneten Behörden und Stellen zu. Die bezeichnete Behörde oder Dienststelle hat im Strafverfahren somit Parteistellung.

Gemäss Artikel 104 Absatz 2 StPO können die Kantone Behörden, die öffentliche Interessen zu wahren haben, volle oder beschränkte Parteirechte einräumen. Mit Artikel 104 Absatz 2 StPO wird das in Artikel 217 Absatz 2

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StGB genannte Prinzip quasi verallgemeinert. Die am Strafverfahren teilnehmende Behörde handelt nicht im Sinne von Artikel 115 Absatz 1 und 118 Absatz 1 StPO, weil der Staat nicht unmittelbar in seinen Rechten verletzt worden ist und somit nicht als Privatkläger auftritt. Vielmehr verteidigt die Behörde ein öffentliches Interesse. Eine solche Behörde kann im Strafverfahren gemäss kantonalem Recht volle oder beschränkte Parteirechte haben. In jedem Fall hat die Behörde mehr Rechte als eine anzeigende Person, denn diese hat – vorausgesetzt, dass sie weder geschädigt noch Privatklägerin ist – lediglich ein Informationsrecht bezüglich der Folge, die der Anzeige gegeben wird (Art. 301 StPO).

Artikel 104 Absatz 2 StPO und die durch das kantonale Recht den das öffentliche Interesse schützenden Behörden eingeräumte Parteistellung sind wichtig, wenn der Urheber der Straftat unbekannt ist und die Strafverfolgungsbehörde nicht aus eigenem Antrieb ein Verfahren eröffnen (Botschaft des Bundesrates 2006, Seite 1163). Wenn eine öffentliche Behörde, welche für den Schutz des öffentlichen Interesses zuständig ist, Parteistellung hat, besteht bei unbekannter Täterschaft weniger Gefahr, dass das Verfahren im Sande verläuft.

Nidwalden, Obwalden, Zürich, Bern und Freiburg haben in ihren kantonalen Strafprozessordnungen eine oder mehrere Behörden bezeichnet, welche im Hinblick auf den Schutz öffentlicher Interessen Parteistellung haben können.

a/ Artikel 24 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich nimmt Bezug auf Artikel 217 Absatz 2 StGB (Vernachlässigung von Unterhaltspflichten).

b/ Bern und Freiburg verweisen allgemein auf die Spezialgesetzgebung (Art. 39 StPO/BE, Art. 196 Bst. e StPO/FR): Kantonalen Amtsstellen kommt Parteistellung nach Massgabe der besonderen Gesetzgebung zu bzw. andere Behörden haben Rechtsmittelbefugnis, soweit das Gesetz ihnen diese Eigenschaft verleiht.

Gemäss dem aus der 1. Lesung hervorgegangenen Artikel 19 Absatz 2 Buchstabe a E.EGStPO (recte Art. 20 Abs. 2 Bst. a) kommt dem Departement, welchem der Schutz der Umwelt, des Wassers, der Tiere und des Waldes unterliegt, Parteistellung zu. Somit erhielte ausschliesslich dieses Departement Parteirechte im Strafverfahren hinsichtlich des Schutzes eines öffentlichen Interesses bei straftatbedingten Umweltbeeinträchtigungen im weiteren Sinn.

Allgemeiner gesagt, könnte das zuständige Departement Parteistellung haben bei Straftaten mit kollektiver Gefährdung (Art. 221 ff. StGB, insbesondere fahrlässige Verursachung einer Feuersbrunst, Gefährdung von Leib und Leben wegen unsachgemässer Verwendung von Sprengstoffen oder giftigen Gasen, fahrlässige Überschwemmung) oder bei Straftaten, welche die allgemeine Gesundheit gefährden (Art. 230bis ff. StGB, insbesondere fahrlässige Trinkwasserkontamination).

Eine Alternative bestünde darin, auf die Spezialgesetzgebung zu verweisen, so wie dies Bern und Freiburg tun. So könnten auch Einwohner- und Burgergemeinden oder kantonale Dienststellen Parteistellung erlangen. In der Spezialgesetzgebung müsste noch festgelegt werden, ob die entsprechende Behörde volle oder beschränkte Parteirechte hätte.

Aufgrund dieser Überlegungen beschliessen die anwesenden Mitglieder der Kommission einstimmig, die Variante der Kantone Bern und Freiburg zu übernehmen, d.h. eine Behörde kann Parteirechte erhalten, wenn ihr die Spezialgesetzgebung diese Fähigkeit zuteilt.

- Artikel 20 (recte Art. 21)

Artikel 21 Absatz 2 E.EGStPO nimmt Bezug auf Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe b StPO betreffend Vollziehungs- (Regierung) und Gerichtsbehörden. Unter Gerichtsbehörden versteht man die in Artikel 13 StPO genannten Gerichte. Nach Ansicht des Experten des Staatsrates, Prof. André Kuhn, gehört die Staatsanwaltschaft als Strafverfolgungsbehörde (Art. 12 StPO) nicht dazu. Artikel 21 Absatz 2 E.EGZPO betrifft die Staatsanwälte also nicht.

Zur Erinnerung: Die Staatsanwaltschaft ist weder eine Verwaltungs- noch eine Gerichtsbehörde. Die Staatsanwaltschaft ist eine eigenständige öffentliche Behörde, deren Tätigkeit zwar Analogien mit jener der Verwaltungs- (Einvernahmen/Polizei) und Gerichtsbehörden (Strafbefehle) aufweist, jedoch eine Behörde «sui

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generis», ein öffentlich-rechtliches «compositum mixtum» ist (Christoph Mettler, Staatsanwaltschaft, Dissertation 2000).

Die Kommission unterscheidet zwischen der Immunität bezüglich Äusserungen vor dem Parlament (Art. 21 Abs. 1) und der Immunität bezüglich Verbrechen und Vergehen, welche Mitglieder des Staatsrates oder Gerichtsmagistraten in Ausübung ihres Amtes begangen haben (Art. 21 Abs. 2).

Die Mitglieder des Grossen Rates geniessen bereits heute Immunität bezüglich ihrer Äusserungen vor dem Parlament (Art. 3 GORBG, Art. 50 Kantonsverfassung). Die Kommission beschliesst, diese Immunität auf die Mitglieder des Staatsrates sowie die richterlichen Behörden auszuweiten. Der Ausdruck «richterliche Behörden» wurde aus Artikel 7 Absatz 2 StPO übernommen. Die Rechtsprechung wird präzisieren müssen, ob auch die Mitglieder der Staatsanwaltschaft zu den richterlichen Behörden gehören – eine Ansicht, die mehrere Kommissionsmitglieder vertreten.

Ausserdem wird die Immunität der Mitglieder des Grossen Rates durch Artikel 50 Absatz 3 der Kantonsverfassung gewährleistet, welcher besagt: «Ausser bei Ertappen auf frischer Tat können sie (die Abgeordneten) während den Sessionen ohne Ermächtigung der Versammlung nicht verhaftet werden». Die Kommission weitet diese Art von Immunität nicht auf die Mitglieder der richterlichen Behörden und des Staatsrates aus und streicht dementsprechend Absatz 2 und 3. Es gilt zu beachten, dass die richterlichen Behörden keine Immunität für in Ausübung ihres Amtes begangene Verbrechen oder Vergehen fordern.

- Artikel 23 (recte Art. 24)

Durch die Neuhinzufügung von Artikel 9 (Zuständigkeit des Substituten) wird Artikel 35 (Übertragene Beweiserhebung) und somit auch der entsprechende Verweis in Artikel 24 Absatz 3 hinfällig.

- Artikel 36 neu – Einstellung, Nichteintreten und Sistierung

In Beantwortung einer in erster Lesung von der GRL-Fraktion gestellten Frage, informiert der VRFIS die Kommission punkto Genehmigung der Einstellungs-, Nichteintretens- und Sistierungsverfügungen.

a/ In Artikel 36 des staatsrätlichen Entwurfs wurde ein vorgängiges Genehmigungsverfahren für Einstellungs-, Nichtanhandnahme- und Sistierungsverfügungen vorgesehen. Dazu ist in der Botschaft zu lesen:

Artikel 322 Absatz 1 StPO gibt den Kantonen die Möglichkeit, die Rechtskraft der Einstellungsverfügung von der Genehmigung durch den Generalstaatsanwalt abhängig zu machen. Artikel 310 Absatz 2 StPO bestimmt, dass die Regelung bezüglich der Einstellungsverfügung (Art. 319 bis 323 StPO) auf die Nichtanhandnahmeverfügung anwendbar ist. Die Nichtanhandnahmeverfügung erfolgt nur dann, wenn die Staatsanwaltschaft keine eigenen Untersuchungshandlungen vorgenommen hat (BBl 2006 1265). Gemäss Artikel 314 Absatz 5 StPO richtet sich die Sistierungsverfügung nach den Bestimmungen über die Verfahrenseinstellung. Das Genehmigungssystem (Art. 36 E.EGStPO) ist somit auf die Nichtanhandnahmeverfügung anwendbar.

Das kantonale Recht, welches eine hierarchische Staatsanwaltschaft begründet, muss den Grundsatz der Genehmigung regeln (Art. 23 E.ROG). Die Ausführungsmodalitäten dieser Genehmigung sind entweder im internen Reglement der Staatsanwaltschaft oder durch Weisungen geregelt, insbesondere gemäss dem St. Galler Modell, geht es doch darum, eine Kontrolle zu organisieren.

Der Staatsrat sorgte sich um das Image der Institutionen, wenn der Generalstaatsanwalt (oft) gegen die Entscheide der ihm untergeordneten Staatsanwälte vorgehen würde.

Die 1. parlamentarische Kommission strich diese Bestimmung. Dies begründet sie auf Seite 19 ihres Berichts wie folgt: Im StPO ist nicht vorgesehen, dass Einstellungs- und

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Nichtanhandnahmeverfügungen sowie Sistierungen oder Strafbefehle von einem hierarchisch Vorgesetzten genehmigt werden müssen, bevor sie in Kraft treten. Die Kommission spricht sich dafür aus, den Entwurf des Staatsrates entsprechend abzuändern und diese Genehmigungspflicht zu streichen.

b/ Der Bundesrat schlägt in Artikel 14 des Entwurfs zum Bundesgesetz über die Organisation der Strafbehörden des Bundes (StBOG) folgendes Genehmigungsverfahren vor:

Art. 14 Genehmigung von Verfügungen

Einstellungs-, Nichtanhandnahme und Sistierungsverfügungen bedürfen der Genehmigung:

a. wenn sie von einem Staatsanwalt oder einer Staatsanwältin erlassen wurden: durch den Leitenden Staatsanwalt oder die Leitende Staatsanwältin;

b. wenn sie von einem Leitenden Staatsanwalt oder einer Leitenden Staatsanwältin erlassen wurden: durch den Bundesanwalt oder die Bundesanwältin.

Dazu schreibt der Bundesrat in der Botschaft: Nach Artikel 322 Absatz 1 StPO können Bund und Kantone bestimmen, ob Einstellungsverfügungen durch die Ober- oder Generalstaatsanwaltschaft zu genehmigen sind. Gleiches gilt für die Sistierung (Art. 314 Abs. 5 StPO) und für die Nichtanhandnahme (Art. 310 Abs. 2 StPO). Die Genehmigung durch die übergeordnete Stelle soll gewährleisten, dass der Verfahrensabbruch bzw. der Verzicht auf die Eröffnung eines Verfahrens aus rein sachlichen Gründen (und nicht etwa aufgrund einer Bestechung) erfolgt. Den Parteien wird die Verfügung erst eröffnet, wenn die Genehmigung vorliegt.

Anders gesagt lässt der Bundesrat auch andere Genehmigungsgründe als die vom Staatsrat angeführten zu. Es handelt sich allerdings um besondere Gründe, die näher betrachtet werden müssen.

Die Kommission nimmt davon Kenntnis, dass das Genehmigungsverfahren laut Bundesrecht nicht obligatorisch ist (Art. 322 Abs. 1 StPO). Sie nimmt ausserdem die Aussagen der Staatsanwaltschaft und des kantonalen Untersuchungsrichters zur Kenntnis, wonach das Genehmigungsverfahren in einer dezentral organisierten und hierarchisch gegliederten Staatsanwaltschaft notwendig sei, um eine einheitliche Praxis und Politik im Kriminalbereich zu gewährleisten. Sie nimmt diesen Grundsatz mit 7 Ja und 3 Enthaltungen an.

- Artikel 37 neu – Genehmigung des Strafbefehls

Nachdem die Kommission die Einstellungs-, Nichteintretens- und Sistierungsverfügungen (Verfahrensverfügungen) dem Genehmigungsverfahren unterstellt hat, stellt sich die Frage, ob auch die Strafbefehle (Verurteilungsverfügungen) dem Genehmigungsverfahren unterstellt werden sollen.

In der Botschaft des Staatsrates ist zu lesen:

Gemäss Artikel 354 Absatz 1 Buchstabe c StPO können die Kantone dem Generalstaatsanwalt das Recht gewä-hren, gegen Strafbefehle Einsprache zu erheben. Dieser Vorbehalt in Bezug auf das kantonale Recht verdient seine Berücksichtigung im System der hierarchisch gegliederten Staatsanwaltschaft (Art. 23 E.ROG). Eine zu häufige Nutzung dieses Beschwerderechts würde allerdings der Glaubwürdigkeit der Staatsanwaltschaft schaden, da der Generalstaatsanwalt den Entscheid seines eigenen Staatsanwalts anficht.

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Eine Alternative zur Einsprache im Sinne von „a maiore ad minus“ bietet das Verfahren der Vorabkontrolle, welches im internen Reglement der Staatsanwaltschaft oder durch eine Weisung geregelt ist und als Lösung für die Einstellungsverfügungen, die Nichtanhandnahme und die Sistierung adoptiert wurde (Art. 36.E.EGStPO).

Anders gesagt tritt das System der Vorkontrolle an die Stelle des Systems der Nachkontrolle.

Die Staatsanwaltschaft und der kantonale Untersuchungsrichter weisen darauf hin, dass gegenwärtig sämtliche Strafbefehle von der Staatsanwaltschaft kontrolliert werden. Diese kann gegen einen Strafbefehl bei der Strafkammer Beschwerde einlegen (System der Nachkontrolle). Sowohl Staatanwaltschaft als auch kantonaler Untersuchungsrichter sprechen sich für das System der Vorkontrolle aus – dies aus denselben Gründen, die bei den «Verfahrensverfügungen» (Art. 36) angeführt wurden.

Das Kantonsgericht ist hingegen anderer Ansicht. Die Vorkontrolle führe dazu, dass der Staatsanwalt aus der Verantwortung entlassen werde. Ausserdem würden Artikel 6 und 8 E.EGStPO ausreichend Gewähr für eine einheitliche Kriminalpolitik bieten, da der Generalstaatsanwalt und die Oberstaatsanwälte Weisungen erlassen und die Aufsicht ausüben können. Anders gesagt sei die Vorkontrolle von Strafbefehlen weder vom Bundesrecht vorgeschrieben noch nötig, um eine einheitliche Praxis zu gewährleisten.

In jedem Fall muss sich die Kommission grundsätzlich zur Kontrolle äussern – dies aufgrund von Artikel 354 Absatz 1 Buchstabe c StPO, gemäss welchem der Generalstaatsanwalt oder die Oberstaatsanwälte gegen Strafbefehle Einsprache erheben können (Nachtkontrolle). Die Kommission nimmt zwei Abstimmungen vor:

1. Die Kommission spricht sich mit 7 gegen 4 Stimmen dafür aus, dass Strafbefehle genehmigt werden müssen.

2. Mit 7 Stimmen und 4 Enthaltungen spricht sie sich für das System der Vorkontrolle (vorgängiges Genehmigungsverfahren) aus. In der internen Weisung zur Regelung des vorgängigen Genehmigungsverfahrens muss ausdrücklich festgehalten werden, dass die Genehmigung innerhalb von 10 Tagen zu erfolgen habe. Bezüglich finanzieller Auswirkungen nimmt die Kommission davon Kenntnis, dass durch die Wiedereinführung des Genehmigungsverfahrens in 2. Lesung zwar keine Kosten eingespart, aber auch keine zusätzlichen Kosten verursacht werden, da die Staatsanwaltschaft bereits heute die Strafbefehle kontrolliert.

- Artikel 36 (recte Art. 38)

Mit der Änderung in Artikel 38 Absatz 2 soll klar festgelegt werden, welches Verfahren in welchen Fällen zur Anwendung gelangt, je nachdem ob es sich um eine Gerichts- oder Verwaltungsbehörde handelt.

- Artikel 40 (recte Art. 42)

Die Kommission entscheidet sich für eine weiter gefasste Formulierung, welche auch die Staatsanwaltschaft mit einschliesst. Der Begriff «Verfahrensleitung» wird in Artikel 61 StPO definiert.

- Artikel 45 (recte Art. 47) – Änderung bisherigen Rechts

4. Änderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden

Dieser Punkt wird zeitgleich mit der Prüfung des Dekrets zu diesem Gesetz behandelt.

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5. Änderung des Einführungsgesetzes zum Schweizerischen Strafgesetzbuch (EGStGB)

Das Konkordat über den strafrechtlichen Freiheitsentzug an Erwachsenen vom 10. April 2006 (Inkrafttreten nach EGZPO) regelt die Übernahme von medizinischen und zahnmedizinischen Kosten für Verurteilte im Straf- und Massnahmenvollzug sowie für Verurteilte im vorzeitigen Vollzug. Hier muss man sich also an die Bestimmungen des Konkordats halten.

6. Änderung des Gesetzes über die Akten der gerichtlichen Polizei

Mit den Korrekturen in Artikel 10 Absatz 2 wird allfälligen späteren Namensänderungen der staatlichen Dienststellen Rechnung getragen.

7. Änderung des Gesetzes über die Kantonspolizei

Die Kommission ist der Ansicht, dass der Vorsteher des Departements für Sicherheit in Gerichtssachen keinerlei Kompetenzen hat. Sie streicht deshalb dessen Möglichkeit, in Gerichtssachen die Hilfe der Kantonspolizei in Anspruch zu nehmen (Art. 7 Bst. a). Im Weiteren befindet die Kommission, dass nicht nur der Präsident des Kantonsgerichtes und die Gerichtspräsidenten, sondern sämtliche Richter die Möglichkeit haben sollten, in Gerichtssachen an die Kantonspolizei zu gelangen. Artikel 7 Buchstabe a wird entsprechend geändert.

8. Änderung der Verordnung zum Gesetz über die Kantonspolizei

Artikel 15 Absatz 3 StPO besagt: «Ist ein Straffall bei einem Gericht hängig, so kann dieses der Polizei Weisungen und Aufträge erteilen.» Artikel 10 Absatz 3 und Artikel 24 Absatz 1 Buchstabe a werden abgeändert, um die funktionale Unterordnung der Polizei fallweise zu bestimmen zu können, indem man sich einmal mehr auf den Begriff Verfahrensleitung (Art. 61 StPO) stützt.

III. Abstimmung über den E.EGStPO

Die Kommission nimmt den Entwurf des Einführungsgesetzes zur Schweizerischen Strafprozessordnung einstimmig an (unter Vorbehalt von Artikel 47 Ziffer 4 – Änderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden).

Artikel 47 Ziffer 4 E.EGStPO – Änderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden (GGG)

In der Sitzung vom 17. Dezember 2008 entscheidet die Kommission, nicht auf den Dekretsentwurf über die Abänderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden einzutreten. Sie muss nichtsdestotrotz durch eine Hinzufügung in Artikel 47 Ziffer 4 E.EGStPO eine Änderung am GGG anbringen und sich dabei ausdrücklich auf das Gehalt jener Behörden beschränken, die durch die Einführungsgesetzgebung zur Reform des eidgenössischen Prozessrechts neu geschaffen werden.

Die Kommission verzichtet darauf, die Gehälter in diesem Gesetz in Franken anzugeben, da die Indexierungsklausel von Artikel 13 Absatz 6 GGG unverändert bleibt.

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In Artikel 3 GGG wird ein 3. Absatz eingefügt, wonach der Doyen des erstinstanzlichen Gerichts eine Jahresentschädigung von 5'000 Franken erhält. Damit soll der mit dieser Funktion verbundene Arbeitsaufwand – welcher nach der Revision des Organisationsreglements der Walliser Gerichte noch zunehmen wird – abgegolten werden. Die Kommission präzisiert, dass diese Entschädigung nicht indexiert wird. Bei der Festlegung dieser Entschädigung ist der Unterschied zwischen der Entlöhnung des Kantonsgerichtspräsidenten und der Kantonsrichter massgebend. Die Kommission beschliesst deshalb mit 9 gegen 2 Stimmen und bei 1 Enthaltung, die Entschädigung bei 5'000 und nicht bei 10'000 Franken anzusetzen.

Mit 6 gegen 3 Stimmen und 1 Enthaltung beschliesst die Kommission, das Gehalt des Generalstaatsanwalts auf Kantonsrichterniveau anzusiedeln (Art. 6 Abs. 1). Die Mehrheit der Kommission argumentiert, dass die Leitung der Staatsanwaltschaft nicht dieselbe Belastung mit sich bringe wie die Leitung der richterlichen Gewalt, wo die Tätigkeiten und die Einsatzorte vielfältiger seien.

Bei Artikel 6 beschliesst die Kommission einstimmig den neuen Absatz 4, wonach das Jahresgehalt des Generalstaatsanwalt-Stellvertreters und der Oberstaatsanwälte demjenigen des Doyen des erstinstanzlichen Gerichts entspricht.

Das Gehalt der Substituten (Art. 6 Abs. 5 neu) gibt Anlass zu einer ausgedehnten Debatte, innerhalb welcher die Kantonsgerichtspräsidentin, der kantonale Untersuchungsrichter und der Generalstaatsanwalt unterschiedliche Vorschläge machen. Im Sinne einer Kompromisslösung beschliesst die Kommission einstimmig, hier auf Artikel 4 GGG zu verweisen, welcher drei verschiedene Gehaltsklassen für die Schreiber des Kantonsgerichts enthält.

In Artikel 8 Absatz 3 wird die Entlöhnung eines als Ersatzrichter amtenden Gerichtsschreibers festgelegt. Die anwesenden Kommissionsmitglieder sprechen sich einstimmig für einen Pauschalbetrag von 4'000 Franken aus.

Das in 1. Lesung beschlossene Gehalt des ausserordentlichen Staatsanwalts (Art. 10) wird einstimmig übernommen.

Die Kommission ändert Artikel 12bis dahingehend, dass dem Richter des Zwangsmassnahmengerichts nur eine Pikettentschädigung, nicht aber ein Zeitausgleich zukommt. Dies angesichts der Tatsache, dass die Richter punkto Arbeitszeiteinteilung frei sind. Die Staatsanwälte erhalten keine Pikettentschädigung, da den Unannehmlichkeiten ihrer Tätigkeit bereits im BVG-Statut Rechnung getragen wird.

Auf eine Frage des Generalstaatsanwalts zum ordentlichen Rücktrittsalter, wird auf folgende Stelle der staatsrätlichen Botschaft verwiesen: Vor der Inkraftsetzung der Strafprozessordnung sollte Artikel 15 des Gesetzes über die staatlichen Vorsorgeeinrichtungen vom 12. Oktober 2006 (SR/VS 172.5) abgeändert werden, welcher das ordentliche Rücktrittsalter der Instruktionsrichter auf 60 Jahre festlegt, sowie Artikel 3 der Verordnung über die berufliche Vorsorge der Magistraten der Exekutive, der Justiz und der Staatsanwaltschaft (SR/VS 173.130). Zuerst muss über den Status des Staatsanwalts entschieden werden und gegebenenfalls müssen die begleitenden Massnahmen für einen Übergang von einer Altersklasse in eine andere festgelegt werden. Der Rechtsdienst für Finanzen und Personal beschäftigt sich mit diesem Dossier und wird den betroffenen Mitgliedern der Staatsanwaltschaft entsprechende Vorschläge machen.

Die Abänderungen am GGG (Art. 47 Ziff. 4 E.EGStPO) werden mit 10 Stimmen bei 2 Enthaltungen angenommen.

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G. Entwurf des Gesetzes über die Rechtspflege (E.RPflG)

I. Einleitung des VRFIS

1. Souveränität des Kantons bei der Organisation der Justiz und Ausnahmen

1.1 Gemäss Artikel 122 Absatz 2 und 123 Absatz 2 BV sind die Kantone für die Organisation der Gerichte in Zivil- und Strafsachen zuständig, sofern das Gesetz nichts anderes vorsieht. Die Straf- und Zivilprozessordnung liegt hingegen im Zuständigkeitsbereich des Bundes.

1.2 Grundsätzlich scheint die Kompetenzaufteilung einfach zu sein. Konkret müssen jedoch verschiedene Organisationsregeln zusammengeführt werden. Die Vereinheitlichung des Zivil- und Strafprozesses kann nur über eine weitgehende Harmonisierung der Justizsysteme erreicht werden. Anders gesagt greift der Bund überall dort in die Justizorganisation der Kantone ein, wo es aufgrund einheitlicher materieller und verfahrenstechnischer Regeln nötig ist, auch bezüglich der Organisation und Funktionsweise der zuständigen Behörde eine gewisse Einheit sicherzustellen.

1.3 Der Handlungsspielraum des Kantons bei der Organisation der Straf- und Ziviljustizbehörden ist in zweifacher Hinsicht eingeschränkt:

- Gesetzlich: Das Bundesrecht kann für eine bestimmte Behörde bestimmte Organisationsregeln vorschreiben.

- Praktisch: Der Bundesrat möchte, dass das neue Recht bereits am 1. Januar 2011 in Kraft tritt. Der Kanton hat somit keine Zeit, um seine Justizorganisation einer eingehenden Prüfung zu unterziehen.

Diese zwei Einschränkungen gilt es zunächst genauer zu betrachten, bevor auf die vom Staatsrat vorgeschlagene Justizorganisation eingegangen wird.

2. Vorgaben des Bundesrechts bezüglich der kantonalen Justizorganisation

Im Bundesrecht finden sich zahlreiche und weitereichende Bestimmungen, welche Auswirkungen auf die kantonale Justizorganisation haben, z.B.:

- der doppelte kantonale Instanzenzug im Zivil- und Strafprozess (vom Bundesgesetz über das Bundesgericht BBG vorgeschrieben);

- das System «Staatsanwaltschaft II», in welchem die Untersuchung vom selben Staatsanwalt geleitet wird, der anschliessend vor dem Strafrichter die Klage vertritt (vorgeschrieben durch die Strafprozessordnung StPO);

- das Zwangsmassnahmengericht als Gegengewicht zu den erweiterten Befugnissen des Staatsanwalts im System «Staatsanwaltschaft II»;

- die obligatorische Teilnahme des Gerichtsschreibers an der Urteilsverhandlung im ordentlichen Strafverfahren;

- das Verbot, in einem Zivilverfahren die Verfahrensleitung oder die Beweisaufnahme an einen Gerichtsschreiber zu delegieren;

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- vorgeschriebene Interdisziplinarität der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (mindestens Recht, Sozialwissenschaften, Pädagogik oder Psychologie);

- gerichtliche Kontrolle von Eingriffen in die persönliche Freiheit bei einer fürsorgerischen Unterbringung (insbesondere erzwungene medizinische Behandlung oder physische Ruhigstellung) – vorgängig zur kantonalen Beschwerde – wenn die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde keine Gerichtsbehörde ist.

3. Zeitplan der Gesetzgebungsarbeiten des Bundes und Auswirkungen für den Kanton

3.1 Die Kantone haben nur sehr wenig Zeit, Ausführungsbestimmungen zu erlassen. Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf hat den Kantonen bis zum 1. Januar 2011 eine Gnadenfrist erteilt. Die StPO wurde im Oktober 2007 verabschiedet, die ZPO sowie das Kindes- und Erwachsenenschutzrecht in der Dezembersession 2008 der eidgenössischen Räte.

3.2. Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft weisen im jüngsten Bericht über die Rechtspflege genauso wie die Justizkommission in ihrem Bericht vom Mai 2008 darauf hin, dass für den Staatsrat und den Grossen Rat bei der Verabschiedung der Ausführungsbestimmungen zur neuen Rechtspflegeordnung Dringlichkeit geboten ist, da der entsprechende Gesetzgebungsprozess spätestens am Ende der laufenden Legislaturperiode abgeschlossen sein muss. Das Departement für Finanzen, Institutionen und Sicherheit hat die 6 diesbezüglichen Vorlagen für Oktober 2008 und Februar 2009 traktandiert.

Wenn der Grosse Rat diese 6 Vorlagen verabschiedet hat, sind erst 51% der Reform «Justiz 2000» abgeschlossen Danach müssen insbesondere noch folgende Arbeiten ausgeführt werden:

- Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft müssen für jede ihrer Institutionen ein internes Organisationsreglement ausarbeiten.

- Der Grosse Rat muss einen Beschluss verabschieden, mit welchem die Juristeneinheiten an den Gerichten und in der Staatsanwaltschaft erhöht werden.

- Man muss die Stellen ausschreiben und die Personalentscheide treffen.

- Der Grosse Rat muss auf Vorschlag der Justizkommission und der politischen Parteien hin Ergänzungswahlen für die Staatsanwaltschaft (Staatsanwälte) vornehmen.

- Die Richter, Gerichtsschreiber und Staatsanwälte müssen entsprechend den Bestimmungen dieser weitreichenden eidgenössischen und kantonalen Justizreform geschult werden.

- Die Formulare und Informatikprogramme der Gerichte und der Staatsanwaltschaft müssen an das neue eidgenössische und kantonale Recht angepasst werden.

- Die Raumfrage der Gerichte und der Staatsanwaltschaft muss geklärt werden.

- Der Staatsrat muss die Verordnung über die Vormundschaft revidieren.

- Die für die Institutionen und die Gesundheit zuständigen Departemente müssen Musterformulare für Zwangseinweisungen in sozialmedizinische Einrichtungen vorbereiten.

- Die Mitarbeiter der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde müssen nach den neuen Richtlinien geschult werden.

All diese Arbeiten müssen die Gerichtsbehörden, Staatsanwälte und staatlichen Dienststellen zusätzlich zum nicht stillstehenden Tagesgeschäft bis zum 31. Dezember 2010 auf sich nehmen.

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3.3. Unter dem gegebenen Zeitdruck ist es nicht möglich, die verschiedenen vom Kantonsgericht, dem Anwaltsverband sowie von den Spezialkommissionen und Experten vorgeschlagenen Varianten für die Walliser Justizorganisation eingehend zu prüfen, wie z.B.:

- Einführung eines Justizrates – wie dies beispielsweise in den Kantonen Genf, Freiburg, Neuenburg und Tessin der Fall ist – der für alle oder gewisse Gerichts- und Staatsanwaltsmagistraten Ernennungs- und Aufsichtsbehörde wäre (Vorschlag des Walliser Anwaltsverbands);

- Errichtung von drei Kreisgerichten für die erstinstanzliche Zivilgerichtsbarkeit (Vorschlag des Kantonsgerichts im Rahmen von Justiz 2000);

- eine Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde pro 50'000 – 100'000 Einwohner (Vorschlag der Konferenz der kantonalen Vormundschaftsbehörden, Revue du droit de la tutelle, Nr. 2/2008 S. 129 ff.);

- Errichtung eines sozialen erstinstanzlichen Zivilgerichts, welches auf Arbeits- und Mietrechtsfälle spezialisiert wäre – so wie dies in mehreren Kantonen bereits der Fall ist;

- Errichtung eines Handelsgerichts, welches sich auf Artikel 64 der Kantonsverfassung und auf Artikel 6 ZPO stützen würde.

Das Justizorganisationsaudit muss sich auch auf jene Verwaltungsbehörden erstrecken, welche mit der Anwendung des Bundesprivatrechts betraut sind, namentlich die Grundbuchämter, Handelsregisterämter, Betreibungs-/Konkursämter und Zivilstandsämter. Es handelt sich um eine umfangreiche und ehrgeizige Arbeit.

Bei der nächsten Reform (Walliser Justizreform 2015) müssen sämtliche Verwaltungsbehörden, die mit der Umsetzung des Privat- und Strafrechts zu tun haben, mit eingebunden werden. Dabei müssen ebenfalls die laufenden Reformen des Privat- und Strafrechts berücksichtigt werden (Name und Bürgerrecht von Ehepaaren, Zivilmassnahmen gegen Zwangsehen, Teilrevision dingliche Rechte an Grundstücken und Grundbuchrecht, Totalrevision Haftpflicht, Revision Aktiengesellschaftsrecht und Rechnungslegungsrecht, Revision Konkursrecht, Revision Sanktionenrecht usw.). Bei der Walliser Justizreform 2015 muss ein Globalansatz gewählt werden, bei dem sowohl die verfügbaren personellen Ressourcen, deren Statut und Entschädigung, als auch die Infrastrukturen (insbesondere Räumlichkeiten und Informatik) berücksichtigt werden müssen. Bei der Walliser Justizreform 2015 kann man sich also nicht mit sektoriellen und zeitgestaffelten Analysen begnügen, sondern muss die bestehenden Zusammenhänge zwischen Gesetz, personellen Ressourcen und Infrastrukturen als Ganzes sehen.

Das Kantonsgericht teilt die Bedenken des Departements, was das Ausmass dieser Reform und die dafür nötigen Mittel angeht. Einige Kommissionsmitglieder sind nichtsdestotrotz der Meinung, dass man mit den sechs Vorlagen, die der Grosse Rat im Februar 2009 behandelt und die aus der Reform 2006 hervorgegangen sind, über eine solide Grundlage für die Walliser Justiz verfüge, so dass man die eingehendere Justizreform auch für 2017 statt für 2015 ansetzen könnte.

Jedenfalls wird der Präsident der 2. parlamentarischen Kommission den Kommissionsmitgliedern einen Interpellationsentwurf unterbreiten, mit welchem vom Staatsrat verlangt werden soll, das Parlament schnellstmöglich über den verwaltungsinternen Stand der Dinge beim Projekt Walliser Justizreform 2015 und über die zusätzlichen Betriebskosten zu informieren.

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II. Rechtsgutachten von Professor Etienne Grisel

1. Die Schweizerische Strafprozessordnung lässt dem Kanton einen grossen Handlungsspielraum bei der Ernennung und Aufsicht der Staatsanwaltschaft. Die Kantonsverfassung (KV) setzt hier jedoch Schranken.

2. Gemäss Artikel 39 Absatz 2 KV werden sämtliche Mitglieder der Staatsanwaltschaft durch den Grossen Rat gewählt. Dies entspricht dem Geist der Schweizerischen Strafprozessordnung, wonach die Staatsanwaltschaft ein Ganzes und – wie alle Strafbehörden – unabhängig ist Die separate Wahl der Mitglieder des Kantonsgerichts und der Staatsanwaltschaft gefährdet die Einheit der richterlichen Gewalt nicht.

3. Ein interkantonaler Vergleich zeigt folgendes Bild bezüglich der Aufsicht über die Staatsanwaltschaft:

- in 9 Kantonen: Aufsicht durch die Exekutive;

- in 7 Kantonen: Aufsicht durch das obere Gericht;

- in 3 Kantonen: Aufsicht durch einen höheren, unabhängigen Justizrat.

- in 7 Kantonen: gemischtes System. Materielle Aufsicht = gerichtliche Behörde, administrative Aufsicht = Exekutive.

Die Aufsicht durch eine richterliche Behörde findet sich meist in Kantonen, die ein dreistufiges Strafverfolgungs- und ahndungssystem haben, so dass die Untersuchungsrichter nicht der Exekutive untergeordnet sind. Die Aufsicht durch die Exekutive findet sich hingegen meist in Kantonen, die ein zweistufiges System haben.

4. Gemäss Artikel 40 KV übt der Grosse Rat die Oberaufsicht über die Staatsanwaltschaft aus. Die Oberaufsicht ist in einem weiteren Sinne zu verstehen und bezieht sich nicht nur auf administrative Aspekte. Die Oberaufsicht beinhaltet die Kontrolle der Geschäfts- und der Finanzführung.

5. Es wäre durchaus denkbar, dass ein anderes Organ – etwa das Kantonsgericht oder wohl eher der Staatsrat über ein Departement oder eine Delegation – eine vorgängige administrative und/oder finanzielle Kontrolle der Staatsanwaltschaft vornimmt.

Ein solches System würde den Grossen Rat in seiner Oberaufsichtsaufgabe, die viel personellen und logistischen Aufwand bedeutet, entlasten. Allerdings könnte ein solches System auch zu Problemen führen, da die Grenze zwischen Oberaufsicht und administrativer/finanzieller Kontrolle nicht immer einfach zu ziehen ist. 6. Ein Justizrat, der ein beratendes Organ bei der Wahl der Mitglieder der Staatsanwaltschaft wäre, liesse sich im Gesetz verankern. Allerdings wäre eine Änderung der Kantonsverfassung nötig, wenn der Justizrat eine administrative und finanzielle Aufsicht über die Staatsanwaltschaft ausüben soll. Das Kantonsgericht:

- weist darauf hin, dass der Kanton bei der Organisation der Staatsanwaltschaft weitläufige Kompetenzen hat;

- erinnert daran, dass der Staatsrat die Strategie verfolge, am Status quo festzuhalten, es sei denn, dass Bundesrecht zwinge etwas anderes auf;

- ist trotz der Schlussfolgerungen des Rechtsgutachters Prof. Grisel nicht davon überzeugt, dass aufgrund der Kantonsverfassung in einem zweistufigen System sämtliche Staatsanwälte gewählt werden müssen;

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- lehnt es ab, die administrative und finanzielle Kontrolle der Mitglieder der Staatsanwaltschaft zu übernehmen, wenn diese vom Grossen Rat gewählt werden;

Der Generalstaatsanwalt zeigt sich glücklich darüber, dass sowohl die Kantonsverfassung als auch die Schweizerische Strafprozessordnung gemäss seiner Auffassung für eine unabhängige Staatsanwaltschaft sprechen. Die Tatsache, dass eine politische Behörde die Wahl vornimmt, findet er in Ordnung. Er habe während seiner 30-jährigen Justizmagistraten-Laufbahn nie einen politischen Druck verspürt. Er schliesst sich der Meinung des Kantonsgerichts an, was die administrative und finanzielle Kontrolle angeht, und insistiert gleichzeitig, dass die Staatsanwaltschaft einer administrativen und finanziellen Kontrolle unterstellt werden müsse.

Der kantonale Untersuchungsrichter seinerseits schliesst sich den Schlussfolgerungen des Rechtsgutachters Prof. Grisel vorbehaltlos an. Das Gutachten sei eine ausgezeichnete Arbeitsgrundlage für das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft, wenn es um die Umsetzung der Schweizerischen Strafprozessordnung gehe. Grossrat Beat Abgottspon ergreift im Namen der CVPO das Wort und sagt, dass das Rechtsgutachten von Prof. Grisel eine klare Sprache spreche. Die administrative und finanzielle Kontrolle könne sowohl vom Kantonsgericht als auch vom Staatsrat ausgeübt werden, wobei die CVPO der Aufsicht durch das Kantonsgericht den Vorzug gebe. Grossrat Christian Favre möchte, dass man Artikel 39 Absatz 2 KV wörtlich nimmt und somit sämtliche Staatsanwälte durch den Grossen Rat wählen lasse. Ansonsten laufe man Gefahr, dass die Untersuchungshandlungen der Strafverfolgungsbehörde mit dem Argument der nicht verfassungskonformen Wahl für nichtig erklärt werden könnten. In einer ersten Abstimmung beschliesst die Kommission mit 10 Stimmen und 2 Enthaltungen, dem Grossen Rat die Kompetenz zur Wahl sämtlicher Staatsanwälte zu übertragen. Anschliessend erörtert die Kommission die Frage der administrativen und finanziellen Kontrolle der Staatsanwaltschaft, welche es von der Oberaufsicht über die Staatsanwaltschaft gemäss Artikel 40 Absatz 1 KV zu unterscheiden gilt. In einem ersten Schritt entflicht sie die administrative/finanzielle Kontrolle und die disziplinarische Aufsicht. Letztere wird im Rahmen von Artikel 30 ff. RPflG auf Grundlage einer Mitteilung des VRFIS geprüft, welche ihrerseits auf dem Rechtsgutachten von Prof. Grisel beruht. In Anbetracht der Aussage von Prof. Grisel, dass die Oberaufsicht mit viel personellem und logistischem Aufwand verbunden sei, beschliesst die Kommission einstimmig (12 Stimmen), die parlamentarische Aufsicht durch eine administrative und finanzielle Kontrolle zu ergänzen. Ebenfalls einstimmig spricht sie sich im Weiteren dafür aus, dass diese administrative und finanzielle Kontrolle vom Staatsrat wahrgenommen wird. III. Detailberatung

- Artikel 5

Mit dem Zusatz in Absatz 2 (Bst. c) wird dem Zuständigkeitsbereich der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde Rechnung getragen.

- Artikel 8

Der Zusatz «ihres Sitzes» wird in Absatz 3 statt 4 eingefügt. Der Gerichtsschreiber, der den Gemeinderichter verbeiständet, hat dieselben Bedingungen zu erfüllen (Universitätstitel, Abs. 5) wie der Gerichtsschreiber der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde.

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Sitzung vom 17. Dezember 2008

(von 9.00 bis 17.10 Uhr, mit einer Unterbrechung von 12.00 bis 13.30 Uhr)

Staatsrat Jean-René Fournier hat anderweitige Verpflichtungen und lässt sich entschuldigen.

G. E.RPflG (Fortsetzung)

- Artikel 10 Grossrat François Gianadda teilt die Meinung des Kantonsgerichts und schlägt formell vor, das Kantonsgericht entscheiden zu lassen, wo die Bezirksgerichte ihren Sitz haben. Dies würde zu mehr Flexibilität in der Justizorganisation führen und die Ressourcen der richterlichen Gewalt könnten optimal eingesetzt werden. Mehrere Abgeordnete lehnen diesen Vorschlag ab, namentlich aus folgenden Gründen:

- Die Festlegung der Standorte der Bezirksgerichte ist eine politische, keine rechtliche Frage.

- Eine derartige Systemänderung würde dem Willen des Staatsrates und des Grossen Rates, das geltende Recht nur dann zu ändern, wenn eine Bestimmung des Bundesrechts dies vorschreibt, massgeblich widersprechen.

- Bei der Vernehmlassung im Dezember 2007 hat sich gezeigt, dass der Rechtsbürger eine ortsnahe Justiz schätzt.

Ausserdem wurden mit der Revision des GGB im Jahre 2006 Mechanismen geschaffen, die dem Kantonsgericht einen grossen Spielraum geben, um die vorhandenen Ressourcen optimal einzusetzen.

Mit 8 gegen 5 Stimmen verwirft die Kommission den Vorschlag von Grossrat François Gianadda.

- Artikel 15 Die Kommission hält fest, dass das Kantonsgericht aufgrund von Artikel 15 Absatz 2 die Möglichkeit hat, einen oder mehrere spezialisierte Richter mobil einzusetzen, so dass sich die Streitparteien nicht an ein Spezialgericht verschieben müssen. - Artikel 17 Der Entscheid des Bundesgerichts in einer Tessiner Angelegenheit (BGE 134 I 184) ist in Bezug auf das in Artikel 17 Absatz 4 vorgesehene Ernennungsverfahren für Gerichtsschreiber mit Vertretungsbefugnis nicht massgebend, da das Tessiner Ernennungsverfahren grundverschieden ist. Die Präsidentin des Kantonsgerichts weist die Kommission darauf hin, dass ein Gerichtsschreiber erst nach einer durchschnittlichen Probezeit von 6 Monaten Vertretungsbefugnis erhalte und zunächst nur für nichtstreitige Verfahren eingesetzt werde. Erst nach und nach wird er nach entsprechenden Evaluationen auch für andere Verfahren eingesetzt. Dass Gerichtsschreiber im Strafverfahren überhaupt teilnehmen müssen, ergibt sich aus Artikel 335 Absatz 1 StPO.

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- Artikel 20

Dem Vorschlag der Präsidentin des Kantonsgerichts, auch offensichtlich begründete Begehren im summarischen Verfahren nach Artikel 20 Absatz 1 zu erledigen, kann nicht Folge geleistet werden, da der Beklagte in diesem Fall das Recht haben muss, angehört zu werden. - Artikel 23 bis 26 Gestützt auf das Rechtsgutachten von Prof. Etienne Grisel überträgt die Kommission dem Grossen Rat nicht nur die Befugnis zur Wahl der Staatsanwälte, sondern auch jene zur Wahl der Substituten und gegebenenfalls eines ausserordentlichen Staatsanwalts (Art. 23 Abs. 4). Die Kommission beschliesst einstimmig, nur den Generalstaatsanwalt, den Generalstaatsanwalt-Stellvertreter und die Oberstaatsanwälte durch den Grossen Rat vereidigen zu lassen (Art. 23 Abs. 5). Die Vereidigung der Staatsanwälte und Substituten wird durch das Büro der Staatsanwaltschaft vorgenommen (Art. 26 Abs. 2 Bst. a). Mit den Artikeln 24 und 25 werden der durch den Staatsrat wahrgenommenen administrativen und finanziellen Kontrolle Schranken gesetzt, so dass gewährleistet werden kann, dass die Staatsanwaltschaft in der Rechtsanwendung vollständig unabhängig ist. Sollte die Unabhängigkeit trotzdem einmal gefährdet sein, gibt Artikel 25 Absatz 3 dem Generalstaatsanwalt die Möglichkeit, direkt an den Grossen Rat zu gelangen. Die Kommission präzisiert, dass es sich bei der im jährlichen Tätigkeitsbericht der Staatsanwaltschaft angegebenen Bearbeitungsdauer der Fälle um die Dauer bis zur Zuweisung der Fälle an die Urteilsbehörde handeln muss (Art. 25 Abs. 1 Bst. d).

Die Bestimmungen zur internen Organisation der Staatsanwaltschaft werden aufgrund der dem Grossen Rat zugesprochenen Zuständigkeit zur Wahl sämtlicher Mitglieder der Staatsanwaltschaft überarbeitet (Art. 24 Text erste Lesung, recte Art. 26).

- Artikel 26 (recte Art. 28)

Um Widersprüche zwischen dem RPflG und dem Reglement des Grossen Rates (RGR) zu vermeiden, wird auf das RGR verwiesen, was das Verfahren für die Wahl der Richter sowie der Mitglieder der Staatsanwaltschaft angeht. - Artikel 28 (recte Art. 30) Gemäss Artikel 30 können die Mitglieder der Gerichtsbehörden und der Staatsanwaltschaft frei entscheiden, ob sie einen Schwur oder ein feierliches Versprechen ablegen möchten. Die entsprechenden Modalitäten sind in diesem Artikel festgelegt. Die Kommission beschliesst ausserdem mit 6 Ja, 6 Nein und 1 Enthaltung durch Stichentscheid des Präsidenten, die Mitglieder des Polizeigerichts nicht vereidigen zu lassen (Art. 9).

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- Artikel 30 (recte Art. 32) Die Bestimmungen zur disziplinarischen Aufsicht werden mit Blick auf Artikel 86 des Gesetzes über das Bundesgericht geändert. Dieser besagt, dass die Kantone als Vorinstanzen eine obere Behörde für beim Bundesgericht beschwerdefähige öffentlichrechtliche Entscheide einzusetzen haben, worunter auch die Disziplinarsanktionen fallen. - Artikel 36 (recte Art. 38) Die Kommission bringt bei Artikel 38 zwei Änderungen an: einerseits einen Vorbehalt bezüglich der zwingenden Bestimmungen des Bundesrechts (falls eine Information vorgeschrieben ist, die weiter geht als in Artikel 38 vorgesehen), andererseits lässt sie für alle Entscheide und Urteile, die für die Kenntnis der Rechtsprechung wichtig sind – egal ob auf dem Internet oder in der Zeitschrift für Walliser Rechtsprechung publiziert – dieselben Informationsgrundsätze gelten. IV. Abstimmung über den E.RPflG

Mit 10 Ja und 2 Enthaltungen nimmt die Kommission den Entwurf des Gesetzes über die Rechtspflege an.

H. Allgemeine Schlussdebatte zur gesamten Ausführungsgesetzgebung zur Reform der Rechtspflegeordnung des Bundes

1. Grossrätin Virginie Crettenand schlägt vor, dass die 6 ersten Mediationssitzungen, die gemäss Artikel 210 ff. der ZPO abgehalten werden, gratis sind. Sie stützt sich dabei auf Artikel 215 Absatz 3 ZPO. Die Kommission lehnt diesen Vorschlag mit 10 Nein und 2 Ja ab, da er der finanziellen Situation der Parteien nicht Rechnung trägt. Ausserdem sei keine Schätzung der finanziellen Auswirkungen dieses Vorschlags gemacht worden. 2. Grossrat Beat Abgottspon prangert die Aufblähung des Staatsapparats an, die sich aus der quasi als 4. Gewalt organisierten Staatsanwaltschaft ergibt und die zusätzliche Betriebskosten verursachen wird. Er präzisiert, dass die CVPO nicht die zusätzlichen Kosten beanstande, welche durch das von der Schweizerischen Strafprozessordnung vorgegebene Modell der Staatsanwaltschaft II entstehen, sondern jene, welche durch die kantonale Organisation der Staatsanwaltschaft verursacht werden. 3. Das Kantonsgericht und die Staatsanwaltschaft werden der Kommission die aktuellen und künftigen Organigramme der richterlichen Gewalt und der Staatsanwaltschaft zukommen lassen. Diese werden dem Bericht beigelegt. 4. Der Kommission wird der Interpellationsentwurf mit dem Titel «Welche Mittel für die Walliser Justizreform 2015» vorgelegt. Diese wird in der Februarsession 2009 hinterlegt werden. Auf eine dringliche Behandlung wird verzichtet. Erhält der Kommissionspräsident bis zum 15. Januar 2009 keine Rückmeldung, gilt die Hinterlegung der Interpellation als stillschweigend angenommen.

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I. Allgemeine Schlussabstimmung Mit 10 Ja und 2 Enthaltungen nimmt die Kommission die Ausführungsgesetzgebung zur Reform der Rechtspflegeordnung des Bundes an.

Sitten, den 17. Dezember 2008

.

Nach Abschluss der Beratung zur Einführungsgesetzgebung zur Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren berät die Kommission den

Dekretsentwurf zur Änderung des Gesetzes betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden (GGG)

I. Eintretensdebatte

1. Präsentation des Dekretsentwurfs durch das Departement 1.1 Das Departement zitiert aus der Botschaft zur Einführungsgesetzgebung zur Vereinheitlichung der

Zivil- und Strafverfahren sowie des neuen Kindes- und Erwachsenenschutzrechts (Seite 22, E.EGStPO):

Beim Vernehmlassungsverfahren erinnerten mehrere Beteiligte an die Motion 1.115 vom 7. November 2006, welche nach einer tiefgreifenden Revision des Gehaltsystems der Richter und Gerichtsschreiber verlangte. Die Bearbeitung dieser Motion hat mit der Vereinheitlichung der Zivil- und Strafverfahren und des Vormundschaftsrechts nichts zu tun; sie gehört zu einem unterschiedlichen, gesetzgebenden Verfahren des vorliegenden „gesetzgeberischen Pakets“ mit sechs Hauptgesetzen und Abänderungen für viele andere. Wie bei der Wahl der Reorganisierung der für die Ausführung des Zivil- und Strafrechts zuständigen Gerichts- und Verwaltungsbehörden (...), gehört das Gesetz betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden zur Zeit zu einer Teilrevision der Bestimmungen, die obligatorisch dem neuen eidgenössischen Justizrecht angepasst werden müssen. Die Totalrevision im Sinne der Motion 1.115 wird später erfolgen.

1.2 Bei der 1. Lesung im Oktober 2008 verlangten mehrere Fraktionen, dass die Motion 1.115 in die 2.

Lesung eingebunden werde. Ausserdem unterstrich der Grosse Rat, dass die 2. Lesung der Einführungsgesetzgebung noch in der laufenden Legislaturperiode erfolgen müsse, also in der Februarsession 2009.

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1.3 Unter diesen Voraussetzungen wurde in aller Eile ein Vorentwurf ausgearbeitet und eine Vernehmlassung in den direkt betroffenen Kreisen organisiert. Der Staatsrat verabschiedete anschliessend am 12. November 2008 den Dekretsentwurf.

Darin wurde der Meinung des Kantonsgerichts nicht Rechnung getragen. Dieses wandte sich sowohl

grundsätzlich gegen das Dekret als auch gegen dessen Inhalt, da man die in erster Lesung aufgestellten Forderungen der Fraktionen (Ziff. 1.2) berücksichtigen müsse.

Der Generalstaatsanwalt und der kantonale Untersuchungsrichter bedauerten zwar den Zeitmangel,

erklärten sich aber trotzdem mit den Bestimmungen des Vorentwurfs einverstanden, sofern dieser nur während einer klar begrenzten Übergangszeit gilt und man einige Abänderungen anbringt. Diese Abänderungen wurden vom Staatsrat berücksichtigt.

1.4 Der Dekretsentwurf stützt sich auf das Modell des progressiven Gehalts der Gerichtsschreiber und des

öffentlichen Dienstes. Der beruflichen Erfahrung, welche eine Person im Justizbereich im Wallis, ausserkantonal oder beim

Bund sowie ausserhalb der Justiz bereits gesammelt hat, wird Rechnung getragen. 2. Stellungnahme des Kantonsgerichts, des Generalstaatsanwalts und des kantonalen Untersuchungsrichters 2.1 Das Kantonsgericht hat weiterhin eine ablehnende Haltung gegenüber dem Dekretsentwurf. Überstürztes

Handeln sei nie gut. Beim Entwurf gehe es um die Einsparung von Betriebskosten, was zu einer Abwertung der

Justizämter führe. Das Kantonsgericht präsentiert einen kostenneutralen Gegenvorschlag, bei dem das Anfangsgehalt der

erstinstanzlichen Richter unter dem gegenwärtigen Pauschalansatz liegt und das Maximalgehalt darüber.

2.2 Der Generalstaatsanwalt gibt zu bedenken, dass es schwierig sei, bereits jetzt in einem Dekret die

Gehälter festzulegen, wenn die verschiedenen Funktionen innerhalb der Staatsanwaltschaft doch erst in der Februarsession 2009 festgelegt werden.

2.3 Aus demselben Grund schlägt auch der kantonale Untersuchungsrichter vor, zunächst die definitive

Justizorganisation abzuwarten, bevor man sich mit Lohnfragen beschäftige. Er bedauert, dass sich der Dekretsentwurf weder auf die Kantonsrichter noch auf die Gerichtsschreiber bezieht.

3. Allgemeine Diskussion 3.1 Der Kommissionspräsident findet es schade, dass man nach der Annahme der Motion 1.115 nicht

direkt mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen habe. Er wendet sich nicht gegen die in 1. Lesung aufgestellten Forderungen (Ziff. 1.2), gibt aber zu bedenken, dass man von der Kommission nicht etwas Unmögliches verlangen könne. Es stehe schlicht zu wenig Zeit zur Verfügung, um die Frage in vollständiger Kenntnis der Sachlage behandeln zu können. Er schlägt deshalb vor, nicht auf den Dekretsentwurf einzutreten.

3.2 Grossrat Beat Abgottspon schliesst sich im Namen der CVPO der Argumentation des

Kommissionspräsidenten an.

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3.3 Gemäss Grossrat Christian Favre sei dieses Dekret die falsche Methode. Man müsse die Reihenfolge

einhalten: Entscheid über die Justizorganisation, Entscheid über die benötigten personellen Ressourcen, Entscheid über das Budget, Entscheid über die Gehälter.

3.4 Grossrat Alexis Turin teilt die Meinung von Grossrat Christian Favre. Die Revision des Gesetzes

betreffend das Gehalt der Gerichtsbehörden könne auch noch im Jahr 2009 an die Hand genommen werden.

3.5 Grossrat François Gianadda findet, dass der Grossrat glaubwürdig bleiben müsse. Er könne nicht

einerseits die parlamentarischen Entschädigungen erhöhen und andererseits die Gehälter der Richter kürzen.

3.6 Auch Grossrat Jean-Luc Addor findet es bedauerlich, dass man nach der Annahme der Motion 1.115

nicht direkt mit den Vorbereitungsarbeiten begonnen habe. Er weist darauf hin, dass Reformen im Lohnbereich immer heikel seien und dass man die im Vernehmlassungsverfahren geäusserte Meinung des Kantonsgerichts und der Dienststelle für Personal und Organisation (Ziff. 1.3) berücksichtigen müsse.

II. Eintretensabstimmung 1. Die Kommission lehnt Eintreten einstimmig ab. 2. Die Kommission verlangt, dass die Arbeiten zur Revision des Gesetzes betreffend das Gehalt der

Gerichtsbehörden in Angriff genommen werden, nachdem der Grosse Rat die Reform der Rechtspflegeordnung definitiv verabschiedet hat, wobei Gerichtsbehörden, Staatsanwaltschaft und Staatsrat eng zusammenzuarbeiten haben.

Die Kommission gibt zu bedenken, dass die Revision des GGG wohl auch im Jahr 2009 noch nicht zu

Ende geführt werden könne, denn sonst handle man erneut überstürzt und würde riskieren, dass die Vorlage scheitert.

3. Die Kommission beschliesst, das GGG nur soweit zu ändern, wie dies durch das neue kantonale RPflG

unabdingbar ist (Ziff. 1.1). Diese Änderungen finden sich in Artikel 47 Ziffer 4 E.EGStPO, welcher im Februar 2009 vom Grossen

Rat in 2. Lesung behandelt wird. Sitten, den 17. Dezember 2008

Der Präsident: Der Berichterstatter:

Nicolas Voide Erno Grand

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