Agrarforschung Schweiz, Heft 10, Oktober 2014
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AGRARFORSCHUNG SCHWEIZ
O k t o b e r 2 0 1 4 | H e f t 1 0
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A |
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| F
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Umwelt Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion Seite 392
Pflanzenbau Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten Seite 414
Kurzbericht Bakterien aus dem Wurzelbereich wirken gegen die Kraut- und Knollenfäule Seite 430
InhaltOktober 2014 | Heft 10
Die Kraut- und Knollenfäule ist eine der weltweit bedeu-tendsten Kartoffelkrankheiten. Forschende von Agroscope untersuchten Bakterien aus der Kartoffelpflanze auf ihr mögliches Hemmpotenzial gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule für den schweizerischen Biokartoffelanbau. (Foto: Carole Parodi, Agroscope)
ImpressumAgrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse ist die Zeitschrift der landwirtschaftlichen Forschung von Agroscope und ihren Partnern. Die Zeitschrift erscheint auf Deutsch und Französisch. Sie richtet sich an Fachpersonen aus Forschung, Industrie, Lehre, Beratung und Politik, an kantonale und eidgenös sische Ämter und weitere Fachinteressierte.
HerausgeberinAgroscope
Partnerb Agroscope (Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB;
Institut für Nutztierwissen schaften INT; Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM; Institut für Nachhaltigkeits wissenschaften INH), www.agroscope.ch
b Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, www.blw.chb Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften HAFL, Zollikofen, www.hafl.chb Beratungszentrale AGRIDEA, Lindau und Lausanne, www.agridea.ch b Eidgenössische Technische Hochschule ETH Zürich,
Departement für Umweltsystemwissenschaften, www.usys.ethz.chb Forschungsinstitut für biologischen Landbau FiBL, www.fibl.org
Redaktion Leitung und deutsche RedaktionAndrea Leuenberger-Minger, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux, Tel. +41 58 466 72 21, Fax +41 58 466 73 00
Französische RedaktionSibylle Willi, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 57
StellvertretungJudith Auer, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse,Agroscope, Postfach 1012, 1260 Nyon 1, Tel. +41 58 460 41 82
E-Mail: [email protected]
Redaktionsteam Vorsitz: Jean-Philippe Mayor (Leiter Corporate Communication Agroscope), Evelyne Fasnacht, Erika Meili und Sibylle Willi (Agroscope), Karin Bovigny-Ackermann (BLW), Beat Huber-Eicher (HAFL), Esther Weiss (AGRIDEA), Brigitte Dorn (ETH Zürich), Thomas Alföldi (FiBL).
AbonnementPreiseZeitschrift: CHF 61.–* (Ausland + CHF 20.– Portokosten), inkl. MWSt. und Versandkosten, Online: CHF 61.–* * reduzierter Tarif siehe: www.agrarforschungschweiz.ch
AdresseNicole Boschung, Agrarforschung Schweiz / Recherche Agronomique Suisse, Agroscope, Postfach 64, 1725 Posieux E-Mail: [email protected], Fax +41 58 466 73 00
AdressänderungenE-Mail: [email protected], Fax +41 31 325 50 58
Internet www.agrarforschungschweiz.chwww.rechercheagronomiquesuisse.ch
ISSN infosISSN 1663-7852 (Print)ISSN 1663-7909 (Internet)Schlüsseltitel: Agrarforschung SchweizAbgekürzter Schlüsseltitel: Agrarforsch. Schweiz
© Copyright Agroscope. Nachdruck von Artikeln gestattet, bei Quellenangabe und Zustellung eines Belegexemplars an die Redaktion.
Erfasst in: Web of Science, CAB Abstracts, AGRIS
391 Editorial
Umwelt
392 Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion
Renate Heinzelmann, Gisela Lüscher und
Thomas Walter
Umwelt
398 Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug Claudia Maurer et al.
Umwelt
406 Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungsintensivierung von Grünland im Engadin
Roman Graf, Pius Korner und Simon Birrer
Pflanzenbau
414 Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten
Markus Kellerhals et al.
Pflanzenbau
422 Behangsprognose bei Äpfeln
Simon Schweizer et al.
Kurzbericht
430 Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule
Denise Bönisch, Lukas Hunziker und Laure
Weisskopf
434 Interview
436 Aktuell
439 Veranstaltungen
Sortenlisten
Beilage Liste der empfohlenen Sorten von Futterpflanzen 2015–2016
Daniel Suter et al.
Editorial
391Agrarforschung Schweiz 5 (10): 391, 2014
Liebe Leserin, lieber Leser
In den letzten Monaten standen Pflanzenschutzmittel im Fokus von Umwelt-
verbänden und Medien. Auch nach dem JA des Bundesrates zur Erarbeitung
eines Aktionsplans zur Risikominimierung und nachhaltigen Anwendung
von Pflanzenschutzmitteln geht die kritische Auseinandersetzung mit die-
sem Thema weiter. Rationale Argumente haben es jedoch schwer. Deshalb
exponieren sich selbst Experten nur mehr zögerlich. Es droht die Gefahr, dass
die Landwirtschaft ohne anerkannte wissenschaftliche Evidenz in der Wahl
ihrer Produktionsmethoden und -mittel eingeschränkt wird. Dies ist schade,
denn eine nachhaltige Landwirtschaft kann die Herausforderungen der
Zukunft nur mittels Innovationen, insbesondere effizienteren Produktions-
methoden und wirksameren, aber ressourcen-schonenderen Produktions-
mitteln meistern.
Öffentlicher Druck kann Innovation und Nachhaltigkeit beschleunigen
Öffentlicher Druck kann als Katalysator für Innovation und Nachhaltigkeit
wirken. Ein Beispiel ist das im Herbst 2013 verfügte temporäre Anwendungs-
verbot für drei Neonikotinoide. Dieses führte zu grosser Sorge für den Mais-
und Rapsanbau. Denn ohne gebeiztes Saatgut befürchtete man, Schädlinge
wie den Maiszünsler, den Rapserdfloh, die Kohlfliege oder den Drahtwurm
nicht mehr wirksam bekämpfen zu können. Noch sind die Konsequenzen des
Anwendungsverbots für die Produktion nicht absehbar. Es ist erstaunlich,
wie schnell im Zusammenhang mit den genannten Schädlingen Alternativen
zum chemischen Pflanzenschutz thematisiert wurden. Im Zentrum stehen
dabei die Prinzipien des integrierten Pflanzenschutzes, d.h. die gezielte
Kombination von Massnahmen biologischer, biotechnologischer, chemischer,
physikalischer, anbautechnischer oder pflanzenzüchterischer Art. Eine Pro-
duktionsmethode also, die erst als letzte Alternative auf chemische Pflanzen-
schutzmittel in der nötigen Menge und zum optimalen Zeitpunkt zugreift.
Diese Vorgehensweise muss weiterentwickelt werden und mit kultur- und
sektorspezifischen Leitlinien stärker in die geltenden Vorschriften einfliessen.
Agroscope: Wegbereiter des Integrierten Pflanzenschutzes
Agroscope kann beim Integrierten Pflanzenschutz auf langjährige Erfahrung
und Know-how zurückgreifen. Es ist ermutigend, dass sich gleich mehrere
Artikel in dieser Ausgabe direkt oder indirekt mit Aspekten und Möglichkei-
ten des integrierten Pflanzenschutzes auseinandersetzen. Dazu gehört die
Züchtung resistenter Kultursorten, die Weiterentwicklung von Produktions-
methoden, die zu suboptimalen Bedingungen für Schädlinge führen, sowie
die Erforschung und Entwicklung alternativer Pflanzenschutzmittelwirk-
stoffe.
Die Schweizer Agrarpolitik kann zusammen mit Agroscope eine Vorrei-
terrolle im integrierten Pflanzenschutz für die internationale Land- und
Ernährungswirtschaft übernehmen. Dazu bedarf es allerdings auf allen Ebe-
nen noch viel innovativer, vorausschauender Arbeit und des konstanten Dia-
logs mit der Öffentlichkeit.
Eva Reinhard, Stellvertretende Direktorin des Bundesamtes für Landwirtschaft BLW
Öffentlicher Druck – Katalysator für die Agrarforschung
392 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 392–397, 2014
E i n l e i t u n g
Tagfalter und Widderchen sind auf eine reich struktu-
rierte Landschaft mit einer Vielzahl von unterschiedli-
chen Habitaten angewiesen. Die Intensivierung der
Landwirtschaft während der letzten 100 Jahre führte
dazu, dass viele für Falter geeignete Habitate wie Streu-
wiesen, magere Heuwiesen und extensive Weiden,
Hecken, Sträucher und Büsche stark reduziert wurden.
Dies und die stets intensiver werdende Nutzung der Pro-
duktionsflächen führten zu einem Rückgang der Falter-
vielfalt in der Kulturlandschaft (Walter et al. 2010).
Heute gilt rund ein Drittel der 226 in der Schweiz ein-
heimischen Arten der Tagfalter und Widderchen (Papi-
lionoidea, Hesperioidea und Zygaenidae) als gefährdet,
stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht
(Wermeille et al. 2014). Besonders im intensiv genutz-
ten Mittelland und im Jura ging die Faltervielfalt wäh-
rend der letzten Jahrzehnte sehr stark zurück (Walter
et al. 2010).
Um dem Verlust der Artenvielfalt in der Schweizer Kul-
turlandschaft entgegenzuwirken, fördert der Bund
nicht nur die Anlage von Biodiversitätsförderflächen,
sondern auch den Biolandbau mit Ökobeiträgen, der
sich durch möglichst geschlossene Kreisläufe, umwelt-
verträgliche Methoden und den Verzicht auf che-
misch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutzmittel
auszeichnet. Tatsächlich wurde in biologisch bewirt-
schafteten Äckern eine höhere Faltervielfalt gefunden
als in nicht biologisch bewirtschaftetem Ackerland (z.B.
Rundlöf et al. 2008).
Die Auswirkungen des Biolandbaus auf die Arten-
vielfalt im Grünland hingegen, speziell in Berggebieten,
sind bisher kaum untersucht worden, obwohl über die
Hälfte der schweizerischen Bio-Landbaufläche (BLW
2013) in der Bergregion liegt.
Die vorliegende Arbeit untersuchte im Rahmen einer
Fallstudie, wie sich der Biolandbau im Grünland des
unteren Berggebiets auf die Artenvielfalt und Häufig-
keit von Faltern auswirkt. Sie war Teil des EU-Forschungs-
projekts «BioBio», in dem ein Indikatorset für Biodiversi-
tät in der Landwirtschaft erarbeitet wurde, das
Habitatvielfalt, Artenvielfalt und genetische Vielfalt mit-
einbezieht (Herzog et al. 2013).
M a t e r i a l u n d M e t h o d e
Studiengebiet und Versuchsflächen
Das Fallstudiengebiet befand sich in Stalden (OW). Die
Landschaft ist stark geprägt durch die intensiv betrie-
bene Milchwirtschaft. Gut ein Viertel der Betriebe wird
nach biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Insgesamt
umfasst das Studiengebiet eine Fläche von 12 km² und
reicht von 600 bis 1200 m ü. M.
Aus den 66 Betrieben im Studiengebiet mit mindes-
tens 80 % landwirtschaftlicher Nutzfläche in Bergzone 2,
mit Rinder-, aber ohne Schweinebestand, wurden je
zehn biologisch bewirtschaftete (mindestens seit fünf
Jahren zertifizierte) und nicht biologisch bewirtschaf-
tete Betriebe zufällig ausgewählt.
Die gesamte Fläche dieser Betriebe wurde nach einer
modifizierten Variante der BioHab-Methode (Dennis et
Renate Heinzelmann, Gisela Lüscher und Thomas Walter
Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Thomas Walter, E-Mail: [email protected]
U m w e l t
Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion
Abb. 1 | Brauner Feuerfalter (Lycaena tityrus). (Foto: Yannick Chit-taro, SZKF)
Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion | Umwelt
393
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Agrarforschung Schweiz 5 (10): 392–397, 2014
Gut ein Drittel der 226 Tagfalter- und
Widderchenarten in der Schweiz ist gefähr-
det. Viele für Falter geeignete Lebensräume
gingen durch die Intensivierung der Land-
wirtschaft verloren. Die biologische Land-
wirtschaft will dazu beitragen, die Artenviel-
falt im Kulturland zu erhalten. In dieser
Fallstudie wurde die Wirkung der biologi-
schen Landwirtschaft auf die Faltervielfalt
und -häufigkeit untersucht. Das Fallstudien-
gebiet umfasste Wiesen, Weiden und Hecken
der unteren Bergregion. Mit durchschnittlich
fünf Falterarten pro Fläche erwiesen sich die
untersuchten Flächen als sehr artenarm. Die
Anzahl Falterarten und -individuen unter-
schied sich nicht signifikant zwischen
biologischer und nicht biologischer Bewirt-
schaftung. Mit zunehmender Nutzungsinten-
sität nahm die Anzahl Falterarten ab. Zwi-
schen den untersuchten Habitattypen
variierte die Anzahl Falterarten stark. Auf
nährstoffärmeren, eher trockenen Wiesen
konnten deutlich mehr Tagfalter- und
Widderchenarten gezählt werden als auf
nährstoffreichen Wiesen oder bei Hecken.
Von den nachgewiesenen 40 Arten scheint
einzig der Braune Feuerfalter (Lycaena
tityrus) von der biologischen Bewirtschaf-
tung zu profitieren; er war auf deutlich mehr
biologischen als nicht biologischen Flächen
anzutreffen.
al. 2012) kartiert. Insgesamt wurden 25 Habitattypen
unterschieden.
Für die Falteraufnahmen wurden 13 Habitattypen
ausgewählt, die den folgenden fünf übergeordneten
Habitatgruppen zugeteilt wurden: nährstoffärmere
Wiesen, nährstoffreiche Wiesen, lineare Wiesenele-
mente, Feuchtwiesen und Hecken. Je nach Verfügbar-
keit und zu erwartender Faltervielfalt wurden für jeden
der 13 ausgewählten Habitattypen zwischen zwei und
acht Flächen zufällig als Probeflächen bestimmt. Die
Hälfte der ausgewählten Flächen pro Habitattyp wurde
biologisch bewirtschaftet, die andere nicht biologisch.
Insgesamt wurden 57 Flächen untersucht. Alle Flächen
waren südexponiert.
Die Nutzungsintensität der Probeflächen wurde
anhand von Interviews mit den einzelnen Bewirtschaf-
tern ermittelt. Aus den Angaben der Landwirte bezüg-
lich der Anzahl Schnitte pro Fläche und der Beweidungs-
intensität (GVE∙Weidetage/ha) wurde für jede
Probefläche, ausser den zwölf als Hecken klassifizierten
Flächen, die Nutzungsintensität geschätzt. Dabei wurde
ein Schnitt mit 70 GVE∙Weidetage/ha gleichgesetzt, was
einer extensiven Beweidung entspricht. Eine mit zwei bis
drei Schnitten wenig bis mittel intensiv genutzte Wiese
entspricht dann einer wenig bis mittel intensiv genutz-
ten Weide mit 140 respektive 210 GVE∙Weidetage/ha.
Damit ergibt sich eine gute Analogie der schnitt- und
weidebedingten Nutzungsintensitäten mit ihren Folgen
auf die Anzahl Tier- und Pflanzenarten (Walter et al.
2007). Für sieben Flächen wurde auf eine Schätzung der
Nutzungsintensität verzichtet, weil die Angaben aus den
Interviews bezüglich des Viehbesatzes zu ungenau
waren. Aber auch für die anderen Flächen war die Wei-
denutzung oft mit grosser Unsicherheit behaftet.
Falterkartierung
Die Tagfalter und Widderchen wurden auf jeder Probe-
fläche entlang eines 50-m-Transekts kartiert. Alle Falter-
arten und die Anzahl der Individuen pro Art, die sich
maximal in 2,5 m seitlicher Entfernung des Transekts
beziehungsweise 5 m vor oder über der Beobachterin
aufhielten, wurden registriert. Jeder Transekt wurde
zwischen dem 25. Mai und dem 26. August 2010 dreimal
begangen und jeweils zehn Minuten beobachtet. Die
Begehungen fanden zwischen 10 Uhr und 17 Uhr, bei
sonnigem Wetter, wenig Wind und nur bei Temperatu-
ren über 15 °C statt. Bei Transekten entlang einer Hecke
wurden sowohl die Falter in der Hecke, als auch jene auf
einem ca. 1 m breiten Vegetationsstreifen neben der
Hecke kartiert. Um das Artenspektrum im Fallstudienge-
biet möglichst gut zu erfassen, wurden zusätzlich Falter-
beobachtungen ausserhalb der Transekte notiert.
Umwelt | Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion
394
Für die statistischen Analysen wurden die Daten der drei
Begehungen pro Transekt zusammengefasst.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Faltervielfalt im Studiengebiet
Auf allen 57 Transekten wurden insgesamt 595 Falterindi-
viduen und 35 Falterarten beobachtet. Ausserhalb der
Transekte wurden zusätzlich 77 Falterindividuen und fünf
Falterarten registriert. 36 der total 40 gefundenen Arten
sind gemäss Roter Liste (Wermeille et al. 2014) gesamt-
schweizerisch nicht gefährdet. Die häufigsten Arten
waren das Grosse Ochsenauge (Maniola jurtina), der Hau-
hechelbläuling (Polyommatus icarus), der Braune Waldvo-
gel (Aphantopus hyperantus), das Kleine Wiesenvögel-
chen (Coenonympha pamphilus) und der Braune
Feuerfalter (Lycaena tityrus). Zusammen machten diese
fünf Arten 65 % aller beobachteten Falter aus. Fünf Arten
sind gemäss Roter Liste (Wermeille et al. 2014) gefährdet,
und eine Art ist stark gefährdet. Diese Arten waren nur
mit wenigen Individuen vertreten. 14 Arten sind Leitarten
zur Erreichung der Umweltziele Landwirtschaft (BAFU
und BLW 2008). Die mit Abstand am häufigsten beobach-
tete Leitart war der Braune Feuerfalter (53 Individuen),
gefolgt vom Schachbrettfalter (Melanargia galathea,
20 Individuen) und dem Braunkolbigen Braundickkopffal-
ter (Thymelicus sylvestris, 14 Individuen).
Faltervielfalt und Bewirtschaftung
Die biologisch und nicht biologisch bewirtschafteten
Flächen im Fallstudiengebiet unterschieden sich kaum
bezüglich der Anzahl Falterarten und -individuen. Auf
biologisch bewirtschafteten Flächen wurden 4,9 ± 0,5
Falterarten (Mittelwert ± Standardfehler) und 11,4 ±
1,5 Falterindividuen gefunden, auf nicht biologisch
bewirtschafteten Flächen 4,8 ± 0,5 Arten und 9,6 ± 1,3
Individuen (Abb. 2). Mit durchschnittlich nur gerade
fünf Falterarten pro Fläche, unabhängig von der
Bewirtschaftungsart, sind die untersuchten Flächen als
falterarm zu bezeichnen. Qualitativ gute Flächen an fri-
schen Standorten beherbergen in der Regel 15 und
mehr Falterarten (Schneider und Walter 2001). Auf Flä-
chen an trockenen und feuchten Standorten ist die
Anzahl Falterarten in der Regel noch höher. Von den
untersuchten Flächen wiesen drei Flächen zehn und
mehr Arten auf, und nur eine dieser Flächen erreichte
mit 15 nachgewiesenen Arten die Qualitätskategorie
«gut».
Dieses Resultat überrascht nur bedingt, denn die
meisten der untersuchten Flächen wurden mittel-intensiv
genutzt. Gemittelt über die 38 Probeflächen mit bekann-
ter Nutzungsintensität (Mahd und Beweidung kombi-
niert) betrug die durchschnittliche Nutzungsintensität
192 ± 14 GVE x Weidetage/ha. Walter et al. (2007) konn-
ten für Weideland in der Schweiz (ohne Sömmerungsge-
biete) zeigen, dass die Falter- und Heuschreckenvielfalt
mit zunehmender Weideintensität deutlich abnimmt
und ab ca. 200 GVE x Weidetage/ha meist auf ein tiefes
Niveau sinkt. In der vorliegenden Studie nahm die Anzahl
Falterarten mit zunehmender Nutzungsintensität signifi-
kant ab (rSpearman = −0,42, p = 0,009, Abb. 3). Ähnlich wie
bei Walter et al. (2007) war aber die Varianz sehr gross,
und es gab einige Flächen, die trotz geringer Nutzung
nur wenige Falterarten aufwiesen.
Bewirtschaftung
Mitt
lere
Anz
ahl F
alte
rart
en p
ro T
rans
ekt
0
1
2
3
4
5
6
biologisch nicht biologisch
a)
Bewirtschaftung
Mitt
lere
Anz
ahl F
alte
rindi
vidu
en p
ro T
rans
ekt
0
2
4
6
8
10
12
14
biologisch nicht biologisch
b)
Abb. 2 | Mittlere Anzahl Falterarten (a) und mittlere Anzahl Falterindividuen (b) pro Transekt auf biologisch (N = 29) bzw. nicht biologisch (N = 28) bewirtschafteten Flächen (± Standardfehler). Die Unterschiede sind statistisch nicht signifikant.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 392–397, 2014
Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion | Umwelt
395
Die Tierdichte auf Gesamtbetriebsebene war auf den
biologischen Betrieben mit durchschnittlich 1,7 GVE/ha
tendenziell geringer als auf den nicht biologischen
Betrieben mit durchschnittlich 2 GVE/ha. Ähnlich präsen-
tierte sich die Situation auf den 38 Flächen mit bekann-
ter Nutzungsintensität (Mahd und Beweidung kombi-
niert). Diese betrug auf den biologischen Flächen 171 ±
20 GVE x Weidetage/ha (Mittelwert ± Standardfehler)
und auf den nicht biologisch bewirtschafteten Flächen
216 ± 19 GVE x Weidetage/ha. Der Unterschied war sta-
tistisch nicht signifikant.
Deutliche Unterschiede zwischen den Habitaten
Im Gegensatz zur Bewirtschaftungsart gab es zwischen
den verschiedenen Habitaten deutliche Unterschiede
bezüglich der Anzahl Falterarten (F = 4,987, p = 0,002).
Mit 7,6 ± 0,9 Arten (Mittelwert ± Standardfehler) wur-
den auf den nährstoffärmeren Wiesen statistisch signifi-
kant mehr Arten gefunden als auf nährstoffreichen Wie-
sen (4,4 ± 0,4 Arten) und bei Hecken (3,5 ± 0,7 Arten,
Abb. 4). Auf den Feuchtwiesen (3,8 ± 1,1 Arten) und den
linearen Wiesenelementen (4,9 ± 1,1 Arten) wurden
zwar ähnlich viele Falterarten wie auf den nährstoffrei-
chen Wiesen gefunden, trotzdem unterschieden sich
diese Habitate bezüglich der Anzahl Falterarten nicht
statistisch signifikant von den nährstoffärmeren Wiesen.
Auf die Anzahl Individuen hingegen hatte das Habitat
keinen signifikanten Effekt. Die nährstoffärmeren Wie-
sen, die in den meisten Fällen auch als Trockenstandorte
klassiert waren, erwiesen sich mit durchschnittlich sie-
ben bis acht Arten pro Fläche als fast doppelt so arten-
reich wie die nährstoffreichen Wiesen an frischen Stand-
Für die Anzahl Falterindividuen pro Fläche konnte keine
signifikante Abnahme mit zunehmender Nutzung-
sintensität festgestellt werden (rSpearman = −0,28, p = 0,092).
Neben der Nutzungsintensität wird die Faltervielfalt auf
einer Fläche zusätzlich von vielen anderen Faktoren mit-
bestimmt, z.B. der Pflanzenvielfalt, der Exposition, der
Hangneigung oder der Nähe zum Wald (Aviron et al.
2007).
Die in dieser Studie gefundenen geringen Unter-
schiede zwischen biologisch und nicht biologisch bewirt-
schafteten Flächen einer Graslandregion stehen im
Gegensatz zu den Erkenntnissen aus dem Ackerland (z.B.
Rundlöf et al. 2008). Die Hauptursache dafür ist vermut-
lich auf die sehr ähnliche Nutzung des Graslands zurück-
zuführen. Der Bio-Landbau unterscheidet sich vom nicht
biologischen Landbau hauptsächlich durch den Verzicht
auf chemisch-synthetische Dünge- und Pflanzenschutz-
mittel. In der Fallstudienregion kamen Herbizide nur sehr
lokal zur Bekämpfung von Problemunkräutern zum Ein-
satz. Pflanzenschutzmittel wurden höchstens in Hausgär-
ten und vereinzelt zum Schutz von Obstbäumen einge-
setzt, und sowohl biologisch wie auch nicht biologisch
bewirtschaftete Flächen wurden mit Gülle und Mist
gedüngt. Für Tagfalter und Widderchen wichtige Bewirt-
schaftungsaspekte sind Schnittzeitpunkt und -häufigkeit,
sowie Weidezeitpunkt und -intensität (Oates 1995). Dafür
gibt es im Bio-Landbau keine strengeren Vorschriften als
im nicht biologischen Landbau. Biologisch bewirtschaf-
tete Flächen wurden oft genauso früh und ebenso häufig
geschnitten wie nicht biologisch bewirtschaftete. Einzig
aus ideellen Gründen könnten Biobauern ihre Flächen
etwas weniger intensiv nutzen (Kelemen et al. 2013).
0 100 200 300 400
0
2
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6
8
10
12
14
16
Nutzungsintensität [GVE*Weidetage/ha]
Anza
hl F
alte
rart
en p
ro T
rans
ekt
a)
rSpearman = −0,42 p = 0,009
0 100 200 300 400
0
5
10
15
20
25
30
Nutzungsintensität [GVE*Weidetage/ha]An
zahl
Fal
terin
divi
duen
pro
Tra
nsek
t
b)
rSpearman = −0,28 p = 0,092
Abb. 3 | Anzahl Falterarten (a) und Anzahl Falterindividuen (b) pro Transekt auf biologisch (Punkte, N = 20) bzw. nicht biologisch (Kreuze, N = 18) bewirtschafteten Flächen, aufgetragen gegenüber der Nutzungsintensität (Kombination aus Schnitt und Beweidung).
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 392–397, 2014
396
Umwelt | Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion
orten (durchschnittlich vier bis fünf Arten pro Fläche).
Dies widerspiegelt die Tatsache, dass sich potenziell
mehr Tagfalter- und Widderchenarten auf trockenen als
auf frischen Standorten entwickeln können (Schneider
und Walter 2001).
Vorlieben des Braunen Feuerfalters
Der Braune Feuerfalter (Lycaena tityrus) schien von der
biologischen Bewirtschaftung zu profitieren. Er war mit
einer absoluten Stetigkeit (Anteil der Flächen, auf denen
die Art vertreten ist) von 44,8 % bei biologischer Bewirt-
schaftung gegenüber 14,3 % bei nicht biologischer
Bewirtschaftung signifikant stetiger auf biologisch
bewirtschafteten Flächen vertreten als auf nicht biolo-
gisch bewirtschafteten Flächen (χ2 = 4,974, p < 0,05). Von
den anderen häufigen Arten waren das Kleine Wiesenvö-
gelchen und die Falter des Colias-hyale-alfacariensis-Kom-
plexes ebenfalls stetiger auf biologischen Flächen anzu-
treffen, aber die Unterschiede waren nicht statistisch
signifikant. Umgekehrt war der Braune Waldvogel steti-
ger auf nicht biologisch bewirtschafteten Flächen vertre-
ten, aber auch dieser Unterschied war nicht signifikant.
Die höhere Stetigkeit des Braunen Feuerfalters auf
biologisch bewirtschafteten Flächen lässt sich nicht damit
erklären, dass eine der Wirtspflanzen der Raupen oder
des Falters speziell durch die biologische Landwirtschaft
gefördert wurde. Von den Raupenfutterpflanzen des
Braunen Feuerfalters war einzig der Wiesensauerampfer
(Rumex acetosa) zahlreich im Studiengebiet vertreten. Er
kam auf fast drei Vierteln der biologisch, wie auch der
nicht biologisch bewirtschafteten Flächen vor. Der
Braune Feuerfalter ist eine typische Art von hochgrasi-
gen, blütenreichen Wiesen mit Sauerampfer (Rumex sp.)
und meidet stark gedüngte Wiesen (Schweizerischer
Bund für Naturschutz 1987). Als Schutz- und Fördermass-
nahmen für den Braunen Feuerfalter wird empfohlen,
besiedelte Wiesen höchstens zweimal zu mähen und nur
wenig zu düngen (Bolzern-Tönz und Graf 2007). Mögli-
cherweise profitiert der Braune Feuerfalter schon von
einer geringfügig weniger intensiven Nutzung des Gras-
lands, wie sie allenfalls auf biologischen Betrieben
erfolgt. Ob der Braune Feuerfalter tatsächlich durch die
biologische Bewirtschaftung von Grasland gefördert
wird, müsste in weiteren Fallstudien geprüft werden.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Die untersuchten Flächen im Fallstudiengebiet erwiesen
sich mehrheitlich als falterartenarm. Die Unterschiede
zwischen biologisch und nicht biologisch bewirtschafte-
ten Flächen bezüglich der Anzahl Arten und Individuen
von Tagfaltern und Widderchen waren gering. Einzig
der Braune Feuerfalter profitierte von der biologischen
Bewirtschaftung. Nährstoffärmere, eher trockene Flä-
chen beherbergten eine grössere Faltervielfalt als nähr-
stoffreichere Flächen an frischen Standorten. Die Anzahl
Falterarten nahm mit einer erhöhten Nutzungsintensität
ab. Unsere Resultate ergänzen die Ergebnisse von
Schneider et al. (2014), die im selben Fallstudiengebiet
(sowie in anderen Fallstudiengebieten des BioBio-Pro-
jektes) zeigen konnten, dass die Artenvielfalt entschei-
dend von der Habitatvielfalt, vor allem von halbnatürli-
chen Strukturen, abhängt – sowohl auf biologisch als
auch auf nicht biologisch bewirtschafteten Betrieben. n
Habitat
Mitt
lere
Anz
ahl F
alte
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9
nährstoffärmereWiesen nährstoffreiche Wiesen Feuchtwiesen
lineareWiesenelemente Hecken
a
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ab
b
Abb. 4 | Die mittlere Anzahl Falterarten pro Transekt (± Standardfehler) auf nährstoffärmeren Wiesen (N = 11), nähr-stoffreichen Wiesen (N = 22), Feuchtwiesen (N = 4), linearen Wiesenelementen (N = 8) und in Hecken (N = 12). Gruppen mit unterschiedlichen Buchstaben unterscheiden sich signifikant (p < 0,05, paarweise t-Tests mit Tukey’s HSD).
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 392–397, 2014
397
Tagfalter- und Widderchenvielfalt im Grünland der unteren Bergregion | Umwelt
Ria
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Sum
mar
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Agrarforschung Schweiz 5 (10): 392–397, 2014
Diversità di farfalle diurne e zigene nei prati
della regione montana meridionale
Circa un terzo delle 226 specie di farfalle diurne
e di zigene della Svizzera è minacciato. Molti
habitat favorevoli alle farfalle sono andati
perduti a causa dell'intensivazione dell'agricol-
tura. L'agricoltura biologica vuole contribuire
alla preservazione della diversità delle specie in
terreni coltivi. Nel presente caso di studio è
stato esaminato l'effetto dell'agricoltura
biologica sulla diversità e sulla frequenza delle
farfalle nei prati e pascoli. La regione studiata si
trova nella zona di bassa montagna. Con una
media di cinque specie di farfalle ciascuna, le
superfici esaminate si sono rivelate molto
povere di specie. Non si è osservata una
differenza significativa nel numero delle specie
di farfalle e degli individui tra la gestione
biologica e non biologica. All'aumentare
dell'intensità di utilizzazione diminuiva il
numero di specie. Tra i vari tipi di habitat
studiati variava notevolmente il numero di
specie di farfalle. Sui prati più poveri di sostanze
nutritive e alquanto secchi il numero di specie
era decisamente superiore rispetto ai prati ricchi
di sostanze nutritive o alle siepi. Delle 40 specie
documentate sembra che solo la farfalla Titiro
(Lycaena tityrus) tragga vantaggio dalla
gestione biologica. La sua presenza è stata
infatti registrata molto più spesso sulle superfici
biologiche rispetto a quelle non biologiche.
Butterfly and moth diversity in lower-mountain
region grassland habitats
Around one third of the 226 butterfly and moth
species in Switzerland are threatened owing to the
loss of suitable habitats caused by agricultural
intensification. Organic farming aims to contribute
to the conservation of species diversity in farm-
land. This case study investigates the impact of
organic farming on butterfly species richness and
abundance. The study site was located in the
lower-mountain zone of Switzerland and consisted
mainly of grassland habitats. With an average of
five species per habitat, butterfly species richness
was very low on the investigated land, and there
were no significant differences in species richness
or abundance between organic and non-organic
habitats. The number of butterfly species fell with
increasing management intensity, and varied
significantly between the different habitat types
investigated. Considerably more butterfly and
moth species were found on relatively dry, nutri-
ent-poor (i.e. extensively managed) meadows than
on nutrient-rich (i.e. intensively managed) mead-
ows or alongside hedgerows. Of the 40 species
identified, only the Sooty Copper (Lycaena tityrus)
seems to benefit from organic agriculture, occur-
ring significantly and consistently more often in
organic than in non-organic habitats.
Key words: grassland, organic farming, diurnal
butterflies, sooty copper (Lycaena tityrus).
398 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
E i n l e i t u n g
Seit 1994 wird auf der Dauerbeobachtungsfläche «Ober-
acker» am Inforama Rütti in Zollikofen (BE) das Ziel ver-
folgt, einen ökonomisch, ökologisch und sozial verträgli-
chen Ackerbau unter Praxisbedingungen zu entwickeln
(Sturny et al. 2007). Dabei sollen ein Direktsaat- und ein
Pflugsystem im Hinblick auf Kulturwahl und -abfolge,
Düngerart und -menge, Pflanzenschutzmittelwahl und
-einsatz sowie Stroh- und Gründüngungsmanagement
optimiert werden.
Die Bodenorganismen spielen insbesondere für den
Erfolg des Anbausystems Direktsaat eine zentrale Rolle:
Neben den Regenwürmern, welche die Bodenstruktur-
bildung und den Abbau organischer Substanzen wesent-
lich mitbestimmen (Maurer-Troxler et al. 2005), sind Bak-
terien und Pilze die «Drehscheibe» für Pflanzenernährung
und -gesundheit. Rund 80 % aller Pflanzen nutzen die
Vorteile einer Partnerschaft mit Wurzelpilzen (Smith und
Read 2008): Diese so genannten Mykorrhizapilze bieten
den Pflanzen leichteren Zugang zu Nährstoffen, insbe-
sondere Phosphor, aber auch Stickstoff und Wasser,
Claudia Maurer1, Murielle Rüdy1, Andreas Chervet1, Wolfgang G. Sturny1, René Flisch2 und Fritz Oehl2
1Fachstelle Bodenschutz des Kantons Bern, Rütti, 3052 Zollikofen, Schweiz2Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Claudia Maurer, E-Mail: [email protected]
Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug
U m w e l t
Abb. 1 | Luftaufnahme der Dauerbeobachtungsfläche «Oberacker» am Inforama Rütti in Zollikofen (BE) im Juni 2004. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)
Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug | Umwelt
399
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Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
Auf der Dauerbeobachtungsfläche «Ober-
acker» am Inforama Rütti in Zollikofen (BE)
werden seit 1994 ein Direktsaat- und ein
Pflugsystem miteinander verglichen. In der
vorliegenden Arbeit wurde der Einfluss
beider Anbausysteme und verschiedener
Ackerkulturen inklusive Gründüngungs-
gemengen auf die Vielfalt arbuskulärer
Mykorrhizapilze (AM-Pilze) untersucht.
Hierzu wurden Pilzsporen isoliert und
morphologisch bestimmt. Rund zwei Drittel
der insgesamt 39 identifizierten Arten waren
in beiden Anbausystemen vorhanden. In
allen Kulturen wurde bei Direktsaat ein
höherer Artenreichtum (15–21 Arten) und
eine höhere Diversität nach Shannon-Weaver
(H = 2,12–2,86) festgestellt als im Pflugsys-
tem (10–17 Arten bzw. H = 1,77–2,56). Beim
Wintergetreide zeigten sich tendenziell
niedrigere Artenzahlen als beim Anbau einer
Gründüngungsmischung. Die Charakterart
für das langjährige Direktsaatsystem ist
Septoglomus constrictum, diejenige für
die gepflügten Parzellen Funneliformis
caledonius. Die Förderung spezifischer
Mykorrhiza pilzgemeinschaften könnte einen
wesentlichen Beitrag für ein funktionieren-
des Direktsaatsystem leisten.
indem sie den Boden mit ihren Hyphen bis in kleinste,
von den Pflanzenwurzeln nicht mehr erreichbare Poren
erschliessen. Im Gegenzug geben die Pflanzen den Pil-
zen einen Teil ihrer assimilierten Kohlenhydrate ab.
Die meisten Acker- und Wiesenpflanzen leben in
einer relativ unspezifischen Symbiose mit arbuskulären
Mykorrhizapilzen (AM-Pilze). Weltweit sind ca. 270 AM-
Pilzarten beschrieben. Ihr Vorkommen wird hauptsäch-
lich von der Bodenbeschaffenheit und der Bewirtschaf-
tungsform bestimmt. Deshalb eignen sie sich als
Bioindikatoren in landwirtschaftlich genutzten Böden
(Oehl et al. 2011a). Die Förderung spezifischer
Mykorrhiza pilzgemeinschaften könnte einen wesentli-
chen Beitrag leisten für wasser- und nährstoffeffiziente
Anbausysteme (Köhl et al. 2014).
Ziel der vorliegenden Arbeit war es, die Diversität der
Mykorrhizapilze in langjährigen Direktsaat- mit derjeni-
gen von Pflugparzellen zu vergleichen, Kultureffekte zu
bestimmen, Indikatorarten zu bezeichnen und die
Ergebnisse mit bereits vorhandenem Wissen zu diskutie-
ren.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Versuchsanlage und Probenahme
Die Dauerbeobachtungsfläche «Oberacker» befindet
sich auf einem tiefgründigen Braunerdeboden. Die sechs
nebeneinander liegenden Parzellen (Abb. 1) werden je
zur Hälfte direkt besät (Direktsaatsystem) beziehungs-
weise gepflügt (Pflugsystem). Die sechsjährige Frucht-
folge besteht aus Wintereiweisserbsen, Winterweizen,
Ackerbohnen, Wintergerste, Zuckerrüben und Silomais.
Im Februar 2011 wurden in allen zwölf Teilparzellen
Bodenproben aus 0–10 cm Tiefe entnommen. Je Teilpar-
zelle wurde eine Mischprobe aus 20 über die Parzelle
verteilten Einstichen gebildet (ca. 1 kg). Beprobt wurden
die Hauptkulturen Wintereiweisserbsen, Winterweizen
und Wintergerste, zwei Parzellen mit einem abfrieren-
den, aus mehreren Pflanzenarten zusammengesetzten
Gründüngungsgemenge nach den Vorkulturen Winter-
weizen und Wintergerste (Chervet und Sturny 2013),
sowie eine Parzelle mit einer nicht abfrierenden, kaum
etablierten Vorerntesaat aus Eiweisserbsen und Acker-
bohnen nach Zuckerrüben.
Bestimmung der AM-Pilze
Die Sporen der AM-Pilze wurden mit Hilfe einer kombi-
nierten Nasssiebung und Dichte-Gradient-Technik iso-
liert (Oehl et al. 2005) und unter dem Lichtmikroskop bei
400-facher Vergrösserung bestimmt (Błaszkowski 2012).
Für die AM-Pilze wurde die Systematik nach Oehl et al.
(2011b) verwendet. Glomus intraradices und Gl. irregu-
Umwelt | Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug
400
lare wurden dabei in eine Artengruppe zusammenge-
fasst, weil deren Unterscheidung an älteren Sporen nicht
immer zweifelsfrei möglich war. Die Sporendichte wurde
für jede Art als Anzahl Sporen pro 100 g lufttrockener
Boden bestimmt.
Statistik
Zur Charakterisierung der Diversität wurde für jede Kul-
tur beziehungsweise jede Teilparzelle (Kultur x Anbau-
system) der Diversitätsindex nach Shannon-Weaver mit
der Formel H = –Σ (ni / N) ln (ni / N) errechnet, wobei ni
die Sporendichte der Art i darstellt und N die Gesamt-
sporendichte aller Arten einer Probe. Mit Hilfe des Mit-
telwertvergleichs (t-Test) wurden eventuell signifikante
Unterschiede zwischen den beiden Anbausystemen
geprüft. Mit der Redundanzanalyse konnten die Ein-
flüsse ausgewählter chemischer, physikalischer und bio-
logischer Begleitparameter (Tab. 1) auf die AM-Pilzge-
meinschaften und die daraus resultierende Parzellen- und
Systemgruppierung beziehungsweise -separierung ab-
geklärt werden.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Direktsaat: Stabile Artenzahl und hohe Diversität
Insgesamt wurden 39 AM-Pilzarten identifiziert, davon
38 Arten beim Direktsaat- und 25 Arten beim Pflugsys-
tem (Tab. 2 und 3). Die Anzahl identifizierter Arten in
den verschiedenen Kulturen (= Teilparzellen) schwankte
bei Direktsaat zwischen 15 und 21, bei Pflug zwischen
10 und 17. Auch der Mittelwertvergleich zeigte, dass bei
Direktsaat (Mittelwert 18,5) signifikant höhere AM-
Artenzahlen zu finden waren als im Pflugsystem (Mittel-
wert: 13,2; t-Test: p < 0,01). In beiden Anbausystemen
konnten bei Wintereiweisserbsen mehr Arten (21/17)
nachgewiesen werden als bei Winterweizen (17/15),
Gründüngungsgemenge nach Winterweizen (17/14) und
bei Wintergerste (15/11). Beim Gründüngungsgemenge
nach Wintergerste und bei der Vorerntesaat nach Zucker-
rüben konnten im Direktsaatsystem so hohe Artenzahlen
identifiziert werden wie bei Wintereiweisserbsen, näm-
lich 21 respektive 20 Arten, im Pflugsystem dagegen nur
12 beziehungsweise 10. Bei der Vorerntesaat nach Zucker-
Anbausystem Direktsaat Pflug
Kultur (Teilparzelle) WEE WW WG GD nach WW GD nach WG VS nach ZR WEE WW WG GD nach WW GD nach WG VS nach ZR
Chemische Bodenparameter
organischer Kohlenstoff Corg (%) 1,46 1,40 1,56 1,48 1,61 1,73 1,37 1,33 1,48 1,38 1,58 1,30
pH-Wert pH (H2O) 6,0 6,4 6,3 5,9 6,1 6,6 6,4 6,2 6,4 6,4 6,5 6,1
Phosphor P1 164 165 177 153 195 195 177 177 225 182 212 78
Phosphor P2 31 30 25 26 30 25 30 29 23 28 19 11
Kalium K1 129 163 137 137 177 141 109 121 79 124 162 103
Magnesium Mg1 86 84 105 87 91 83 65 68 77 80 78 54
Calcium Ca1 1715 1959 2246 1782 1994 2492 1906 1802 2997 2279 2409 1113
Physikalische Bodenparameter
Ton (%) 19 18 19 18 19 16 17 18 18 18 17 16
Biologische Bodenparameter
Biomasse Regenwurmpopulation (g m-2)
Epigäische Arten 8 8 20 11 23 7 8 8 16 6 15 5
Endogäische Arten 66 86 84 80 111 109 71 89 110 72 29 131
Anözische Lumbricus terrestris 29 57 60 127 56 53 0 0 10 9 7 0
Anözische Nicodrilus spp 33 86 43 7 64 72 25 10 9 2 20 25
Mikrobielle Biomasse (mg C kg-1), Basalatmung (mg CO2-C kg-1 d-1)
Biomasse SIR 633 665 521 454 622 1007 388 290 346 400 494 320
Biomasse FEM 537 502 505 510 463 795 335 260 380 432 402 346
Basalatmung 80 83 81 85 84 126 39 26 40 61 49 24
Tab. 1 | Ausgewählte Bodenparameter, Dauerbeobachtungsfläche «Oberacker», Rütti-Zollikofen
1Ammonium-Azetat-Extraktion (mg kg-1)2CO2-Extraktion P-TestDie Werte wurden – je nach Parameter – zwischen 2006 und 2010 erhoben (Oberboden 0–20 cm, ausgenommen Regenwurmpopulation).WEE: Wintereiweisserbsen, WW: Winterweizen, WG: Wintergerste, ZR: Zuckerrüben, GD: Gründüngungsgemenge, VS: VorerntesaatSIR: Mikrobielle Biomasse mit substratinduzierter Respiration, FEM: Mikrobielle Biomasse mit Fumigations-Extraktionsmethode
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug | Umwelt
401
hoher Sporendichte (Gruppe B, blauer Hintergrund) und
13 Arten mit relativ geringer Sporendichte (Gruppe C,
gelber Hintergrund). In letztgenannter Gruppe finden
sich mehrheitlich Arten, die für eine extensive Bewirt-
schaftung und konservierende Bodenbearbeitung oder
vor allem für Graslandstandorte typisch sind (Jansa et al.
2002, 2003; Oehl et al. 2005, 2010a, 2010b, 2011a; Wetzel
et al. 2014). Von allen 39 identifizierten Arten respektive
Artengruppen wurden nur zwei hauptsächlich oder aus-
schliesslich in den gepflügten Parzellen gefunden
(Gruppe D, roter Hintergrund).
Die multivariaten Analysen trennten die Sporenge-
meinschaften der beiden Anbausysteme Direktsaat und
Pflug deutlich voneinander (Abb. 2). Als Einzel-Variablen
betrachtet zeigten der organische Kohlenstoff im Boden
(Corg), das Anbausystem (Variable «Bodenbearbeitung»,
Abb. 2A) und die mikrobielle Biomasse (erhoben mittels
substratinduzierter Respiration [SIR] und Fumigation-
Extraktions-Methode [FEM], Abb. 2B) den grössten Ein-
fluss auf die Zusammensetzung der AM-Pilzgemein-
schaften. Signifikant waren Corg (P = 0,016) und pH
(P = 0,034) bei den chemischen sowie die mit SIR erho-
bene Biomasse (P = 0,026) bei den biologischen Parame-
tern. Der Einfluss des Anbausystems auf die AM-Pilzge-
meinschaft zeigt sich somit indirekt über diese Parameter,
insbesondere über den höheren Gehalt an organischem
Kohlenstoff in der obersten Bodenschicht (0–10 cm) bei
Direktsaat (Müller et al. 2007). Eine höhere AM-Pilz-
rüben könnte die Erklärung darin liegen, dass die Zucker-
rübe eine nicht mykorrhizierfähige Kulturpflanze ist,
und dass bei der Zuckerrübenernte der Boden in den
obersten 10 cm stark bewegt wird. Dieser Eingriff scheint
sich aber nur in den regelmässig für die Saat der Haupt-
kultur gepflügten Parzellen negativ auszuwirken. Bei
Direktsaat blieb die Artenzahl hoch, die Interaktion Pilz-
Pflanze scheint stabiler zu sein.
Neben der Anzahl Arten ist auch deren Häufigkeit
beziehungsweise die Sporendichte zur Beschreibung der
Diversität wichtig (Tab. 3). Der Vergleich der Mittelwerte
über alle Kulturen (sechs Teilparzellen) zeigt einen höhe-
ren Diversitätsindex bei Direktsaat (H = 2,49) als bei Pflug
(H = 2,17, Tab. 2), allerdings mit einer geringen Signifikanz
(p < 0,10). Beim Direktsaatsystem lagen die kulturspezifi-
schen Werte zwischen 2,12 und 2,86, beim Pflugsystem
zwischen 1,77 und 2,56. Die H-Werte für die Direktsaat sind
vergleichbar mit Werten, wie sie aus früheren Studien in
Mitteleuropa für biologische Anbauverfahren oder Gras-
landstandorte vorliegen (Oehl et al. 2004, 2005, 2010b).
Charakterarten bei Direktsaat und Pflug
Die Artenliste zeigt, dass etwa ein Drittel der Arten regel-
mässig in beiden Anbausystemen nachgewiesen werden
konnte (Tab. 3, Gruppe A mit 13 Arten beziehungsweise
12 Artengruppen, grauer Hintergrund). Die Mehrheit der
Arten, nämlich 24, wurde vornehmlich oder ausschliess-
lich bei Direktsaat gefunden, davon 11 Arten mit relativ
Anzahl Shannon-Weaver
AM-Pilzarten Diversitäts-Index (H)
Anbausystem Direktsaat Pflug Direktsaat Pflug
Kultur (Teilparzelle)
Wintereiweisserbsen 21 17 2,86 2,56
Winterweizen (WW) 17 15 2,46 2,51
Wintergerste (WG) 15 11 2,12 2,05
Gründüngungsgemenge nach WW 17 14 2,56 2,24
Gründüngungsgemenge nach WG 21 12 2,45 1,91
Vorerntesaat nach Zuckerrüben 20 10 2,49 1,77
Total aus allen Kulturen 37 25
Mittelwert über alle Kulturen 18,5 a 13,2 b 2,49 a 2,17 b
P (T-Test) 0,0051 0,0802
1Signifikanzniveau p < 0,01; 2Signifikanzniveau p < 0,1.
Tab. 2 | Anzahl identifizierter AM-Pilzarten und Diversitätsindex (H) nach Shannon-Weaver, Dauerbeobachtungsfläche «Oberacker», Rütti-Zollikofen.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
Umwelt | Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug
402
Anbausystem Direktsaat Pflug
Kultur (Teilparzelle) WEE WW WG GD nach WW GD nach WG VS nach ZR WEE WW WGGD nach
WWGD nach
WGVS nach
ZR
Gruppe A: in beiden Anbausystemen häufig identifizierte AM-Pilzarten
Archaeospora myriocarpa 14 14 4 2 4 6 6 18
Archaeospora trappei 6 10 2 20 14 10 6 14 2 2
Claroideoglomus claroideum 12 8 16 10 18 14 6 10 14 32 34 18
Claroideoglomus luteum 2 4 8 6 2 4 2 2
Funneliformis geosporus 22 34 38 16 74 36 22 16 12 30 40 16
Funneliformis mosseae 22 6 28 4 4 40 14 14 24 14 4 54
Glomus aureum 4 6 4 8 26 2 4 2
Glomus diaphanum 10 6 64 6 16 28 2 12 30 10 16 6
Glomus intraradices & Gl. irregulare 4 4 10 4 2 10 6 6 4 6 4
Paraglomus lacteum 6 2 8 2 4 4
Paraglomus occultum 8 10 6 18 32 4 6 10 10 6 6
Paraglomus sp BE10 14 30 4 26 12 4 4 16 4 54 2
Gruppe B: vornehmlich oder ausschliesslich in Direktsaat identifizierte AM-Pilzarten mit relativ hoher Sporendichte
Acaulospora longula 4 2 2 8
Acaulospora paulinae 14
Acaulospora sieverdingii 12
Ambispora gerdemannii 10 6 8
Ambispora reticulata 22
Ambispora sp BE14 6 20 24 4 2 2
Claroideoglomus etunicatum 16 4 2 8 2 2
Glomus invermaium 22 10
Glomus microcarpum 2 12
Scutellospora calospora 6 24 30 8 4 4
Septoglomus constrictum 4 2 22 4 2 80 2
Gruppe C: vornehmlich oder ausschliesslich in Direktsaat identifizierte AM-Pilzarten mit geringer Sporendichte
Cetraspora armeniaca 8 2 2
Cetraspora helvetica 2
Cetraspora pellucida 2
Diversispora celata 4 2 2
Entrophospora infrequens 4 2 4
Funneliformis verruculosus 4
Gigaspora margarita 2
Glomus badium 4
Glomus fasciculatum 2 4 2
Glomus heterosporum 4
Glomus macrocarpum 6
Glomus sp BR11 2
Glomus sp BE13 8 4
Gruppe D: vornehmlich oder ausschliesslich im Pflugsystem identifizierte AM-Pilzarten
Funneliformis caledonius 2 2 2 8 16 18
Paraglomus sp BE12 2 6
Tab. 3 | Artenliste und Sporendichte der identifizierten AM-Pilzarten (Anzahl Sporen pro 100 g lufttrockener Boden), Dauerbeobachtungs-fläche «Oberacker», Rütti-Zollikofen.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
WEE: Wintereiweisserbsen, WW: Winterweizen, WG: Wintergerste, ZR: Zuckerrüben, GD: Gründüngungsgemenge, VS: Vorerntesaat
Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug | Umwelt
403
diversität bei Direktsaat kann sich positiv auf die Nähr-
stoffaufnahme der Pflanzen, insbesondere von Phos-
phor, auswirken (Köhl et al. 2014).
Einige der aus Tabelle 3 formulierten Beobachtun-
gen wurden mit der Redundanzanalyse bestätigt: Fun-
neliformis caledonius und Paraglomus sp. BE12 grup-
pierten sich nahe den Pflug-Parzellen, während die
Mehrheit der AM-Pilze den Direktsaat-Parzellen deutlich
näher stand. Andere Arten, die gemäss Tabelle 3 überall
auftraten, zeigten eine mehr oder weniger deutliche
Zuordnung zur Direktsaat (z.B. Fu. geosporus oder Glo-
mus aureum) beziehungsweise zum Pflug (z.B. Fu. mos-
seae und Claroideoglomus claroideum). Diese Beobach-
tungen decken sich weitgehend mit anderen Studien
aus Mitteleuropa (Jansa et al. 2003; Oehl et al. 2005;
Wetzel et al. 2014).
Als Charakterarten in der Dauerbeobachtungsfläche
«Oberacker» können für die langjährig direkt besäten Par-
zellen Septoglomus constrictum, für die gepflügten Felder
Funneliformis caledonius ausgewiesen werden (Abb. 3).
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Nutzungsart und Bewirtschaftungsintensität haben
einen grossen Einfluss auf die AM-Pilzgemeinschaften in
Landwirtschaftsböden: Wiesen haben generell eine
höhere Vielfalt an AM-Pilzen als Äcker, extensive Bewirt-
schaftung erhöht die Artenzahl, intensive reduziert sie,
und in nicht oder wenig bearbeiteten Ackerböden fin-
den sich mehr AM-Pilzarten als in häufig bearbeiteten
(Oehl et al. 2011a). Letzteres bestätigen die vorliegen-
den Untersuchungen auf der Dauerbeobachtungsfläche
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
Abb. 2 | Redundanzanalyse der Sporendichte der 39 identifizierten AM-Pilzarten unter Einbezug der chemischen und physikalischen Bo-denparameter (A) bzw. der biologischen Bodenparameter (B) in der Dauerbeobachtungsfläche «Oberacker», Rütti-Zollikofen (Bodenparameter siehe Tab. 1).
Abkürzungen der AM-Pilzarten: Ac.lon = Acaulospora longula, Ac.pau = Ac. paulinae, Ac.sie = Ac. sieverdingii, Am.ger = Ambispora gerdemannii, Am.ret = Am. reticula-ta, Am.BE14 = Am. sp BE14, Ar.myr = Archaeospora myriocarpa, Ar.tra = Ar. trappei, Ce.arm = Cetraspora armeniaca, Ce.hel = Ce. helvetica, Ce.pel = Ce. pellucida, Cl.cla = Claroideoglomus claroideum, Cl.etu = Cl. etunicatum, Cl.lut = Cl. luteum, Di.cel = Diversispora celata, En.inf = Entrophospora infrequens, Fu.cal = Funneliformis caledonius, Fu.geo = Fu. geosporus, Fu.mos = Fu. mosseae, Fu.ver = Fu. verruculosus, Gi.mar = Gigaspora margarita, Gl.aur = Glomus aureum, Gl.bad = Gl. badium, Gl.dia = Gl. diapha-num, Gl.fas = Gl. fasciculatum, Gl.het = Gl. heterosporum, Gl.int = Gl. intraradices & Gl. irregulare, Gl.inv = Gl. invermaium, Gl.mac = Gl. macrocarpum, Gl.mic = Gl. micro-carpum, Gl.BR11 = Glomus sp BR11, Gl.BE13 = Glomus sp. BE13, Pa.lac = Paraglomus lacteum, Pa.occ = Pa. occultum, Pa.BE12 = Paraglomus sp BE12, Pa.BE10 = Paraglomus sp BE10, Sc.cal = Scutellospora calospora, Se.con = Septoglomus constrictum. Abkürzungen der Begleitparameter: A Bearbeitung = Pflug, Corg = organischer Kohlenstoff, K = Kalium, pH = pH H2O, Ca = Calcium, P1 = Phosphor Ammonium-Azetat- Extraktion, P2 = Phosphor CO2-Extraktion, Ton = Tongehalt. Das Diagramm erklärt 82,2 % der Varianz der Daten (x-Achse: 21,2 %; y-Achse: 17,8 %). B Epi = Bio masse epigäi-sche Regenwurmarten, Endo = Biomasse endogäische Regenwurmarten, LUM = Biomasse Lumbricus terrestris, NIC = Biomasse Anözische Nicodrilus spp, SIR = Mikrobielle Biomasse mit substratinduzierter Respiration, FEM = Mikrobielle Biomasse mit Fumigations-Extraktionsmethode. Das Diagramm erklärt 70,9 % der Varianz der Daten (x-Ach-se: 19,2 %; y-Achse: 16,4 %).
DS=Direktsaat
PF=Pflug
404
Umwelt | Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug
«Oberacker»: Hier hat sich seit dem Pflugverzicht 1994 in
den Direktsaatparzellen ein höherer Artenreichtum und
eine höhere Diversität von AM-Pilzen gebildet. Mehrere
Arten sind charakteristisch für den pfluglosen Anbau
und manche sind sogar auch typisch für Wiesenstand-
orte. Septoglomus constrictum kann auf dem «Ober-
acker» als Indikatorart für die langjährige Direktsaat
bezeichnet werden. Die Charakterart für die gepflügten
Parzellen ist Funneliformis caledonius. Bei den Kulturen
zeigten sich tendenziell niedrigere Artenzahlen von AM-
Pilzen in den Wintergetreidefeldern (Wintergerste, Win-
terweizen) als in den zwischenbegrünten Parzellen
(Gründüngungsgemenge, Vorerntesaat). Ein funktionie-
rendes Direktsaatsystem ist auf einen fruchtbaren,
belebten Boden angewiesen. Die Förderung von AM-
Pilzen respektive spezifischer AM-Pilzarten(-gruppen)
könnte einen wesentlichen Beitrag dazu leisten. n
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
Abb. 3 | AM-Pilzsporen ausgewählter Arten. (Fotos: Fritz Oehl, Agroscope)
A: Archaeospora trappei findet sich in allen Landwirtschaftsböden der Schweiz. Seine Sporen sind klein, weiss und doppelwandig (Aussen-wand AW, Innenwand IW). B: Entrophospora infrequens kommt in fast allen eher extensiv bearbeiteten Böden vor. Die Sporen sind doppel-wandig mit unzähligen kleinen Ringen auf der braunen Oberfläche. C: Scutellospora calospora reagiert wie Entrophospora infrequens emp-findlich auf intensive Bodenbearbeitung. Sie bildet dreiwandige Sporen (mit Mittelwand MW) an Vorzellen und besitzt helle, ovale Keimschei-ben. D: Septoglomus constrictum ist im «Oberacker» die Charakterart in den Direktsaatparzellen. Die dunklen Sporen sind erkennbar am ver-engten Hyphenansatz (Kondensator). E: Funneliformis mosseae (mit Trichter-Hyphenansatz) ist häufiger in den bearbeiteten Parzellen (SW=Sporenwand). F: Funneliformis caledonius besitzt grosse Sporen mit mehreren markanten Wandschichten (SWS1-4) und ist die Charak-terart der gepflügten Parzellen.
405
Diversität arbuskulärer Mykorrhizapilze in Ackerkulturen bei Direktsaat und Pflug | Umwelt
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nto
Sum
mar
y
Diversity of arbuscular mycorrhizal fungi in field
crops using no-till and conventional tillage practices
Since 1994, a comparison of no-till and conventional
tillage systems has been underway on the Oberacker
long-term field trial site at the Inforama Rütti educa-
tion and extension centre in Zollikofen, Berne canton.
The present paper investigates the influence of the
two cropping systems and various field crops, includ-
ing catch crop mixtures, on the diversity of arbuscular
mycorrhizal fungi (AM fungi). For this, fungal spores
were isolated and morphologically classified. Around
two-thirds of the 39 species identified were present in
both cropping systems. All crops were found to have
greater biodiversity and greater diversity according to
the Shannon-Weaver index in the no-till system (15–21
species and H = 2.12–2.86, respectively) than in the
conventional tillage system (10–17 species and H =
1.77–2.56, respectively). Winter cereals tended to
harbour a lower number of species than did a catch
crop mixture which was grown. The characteristic
species for the long-term no-till system is Septoglomus
constrictum, whilst Funneliformis caledonius is the
characteristic species for the plots under conventional
tillage. Encouraging specific mycorrhizal fungal
communities could make a substantial contribution
towards an efficient and effective no-till system.
Key words: arbuscular mycorrhiza diversity, no-till-
age, plough, cropping system, long-term field trial.
Diversità delle micorrize arbuscolari nelle colture
campicole: semina diretta e aratro a confronto
Dal 1994 sulla superficie di osservazione sul lungo
periodo «Oberacker», presso il centro Inforama Rütti
a Zollikofen (BE), vengono confrontate una tecnica di
semina diretta e una tecnica di lavorazione conven-
zionale con aratro. Nel presente lavoro è stata
studiata l'influenza di entrambi i sistemi di coltiva-
zione e di diverse colture campicole, incluse le
miscele da sovescio, sulla diversità delle micorrize
arbuscolari (funghi AM). A questo scopo sono state
isolate e determinate morfologicamente le spore dei
funghi. Approssimativamente due terzi delle 39
specie identificate in totale erano presenti in
entrambi i sistemi di coltivazione. In tutte le colture,
nel caso della semina diretta sono state rilevate una
maggiore ricchezza di specie (15–21 specie) e una
maggiore diversità secondo Shannon-Weaver
(H = 2,12–2,86) rispetto al sistema convenzionale
(10–17 specie e H = 1,77–2,56). Per i cereali invernali
sono state individuate tendenzialmente quantità
inferiori di specie rispetto alla coltivazione di una
miscela da sovescio. La specie caratteristica del
sistema di semina diretta pluriennale è il Septoglo-
mus constrictum, mentre quella dei lotti lavorati con
aratro è il Funneliformis caledonius. La promozione
di specifiche comunità di micorrize potrebbe
apportare un contributo fondamentale a un sistema
di semina diretta efficiente.
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Agrarforschung Schweiz 5 (10): 398–405, 2014
406 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
E i n l e i t u n g
Das Engadin ist ein Hotspot der Biodiversität (Schmid et
al. 2000). Rund die Hälfte der landwirtschaftlich genutz-
ten Fläche unterhalb der Waldgrenze wird auch heute
noch extensiv bis wenig intensiv als Grünland genutzt
(Graf et al. 2014). Bei vielen Landwirtschaftsbetrieben
der Region machen Biodiversitätsförderflächen 40 bis
70 % der Betriebsfläche aus. Extensiv und wenig intensiv
genutzte Bergwiesen sind bekannt für hohe Artenviel-
falt und das Vorkommen gefährdeter Arten. Artenärmer
und naturschutzfachlich meist wenig bedeutend sind die
«intensiven Matten» (Baur et al. 1996, Studer 1971).
Zahlreiche Tierarten, welche im Mittelland und in ande-
ren Bergregionen selten geworden sind, kommen im
Engadin noch in beachtlichen Beständen vor. Bekanntes-
tes Beispiel dafür ist das Braunkehlchen Saxicola rubetra,
eine bodenbrütende Vogelart, die nirgends in der
Schweiz so grosse Bestandsdichten erreicht wie im
Unterengadin (Müller 1996).
Der Intensivierungsschub im Futterbau, welcher
weite Teile des Alpenraums erfasst hat, wirkte aber auch
im Engadin. Seit 1987/88 gingen in dieser Talschaft
unterhalb der Waldgrenze 22 % der Fläche mit für nähr-
stoffarme Standorte typischer Vegetation verloren.
Überdurchschnittlich grosse Verluste wurden in Gebie-
ten festgestellt, in denen neue Meliorationsprojekte
durchgeführt wurden (Graf et al. 2014). In inneralpinen
Lagen mit wenig Niederschlag ist die Errichtung moder-
ner Bewässerungsanlagen ein zentrales Element von
Meliorationsprojekten. Gleichzeitig ist gemäss «Operati-
onalisierung der Umweltziele Landwirtschaft – Arten
und Lebensräume» die Erhaltung und Förderung der
traditionellen Kulturlandschaft mit den vielfältigen
Klein strukturen und Trockenwiesen im Unterengadin
ein Schwerpunkt (Walter et al. 2013).
Wegen seiner grossen Bedeutung für die Biodiversi-
tät ist das Engadin eine bevor zugte Region für die Erfor-
schung landschaftsökologischer Themen. Die Schweizeri-
sche Vogelwarte führt dort ein langfristig und
grossflächig angelegtes Landschafts- und Brutvogelmo-
nitoring durch. Resultate aus diesem Projekt erlauben
es, die Aus wirkungen von Bewässerungsanlagen auf
Vegetation und Nutzungsintensität abzu schätzen. Die
Beschreibung dieses Zusammenhanges ist Inhalt der vor-
liegenden Arbeit.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e
Untersuchungsgebiet und Bewässerung
Das Untersuchungsgebiet umfasst 24 Untersuchungs-
flächen mit total 1253 ha (Abb. 1). Sie liegen zwischen
Martina und Silvaplana im Engadin und sind über alle
Höhenlagen mit Mähwiesennutzung gleichmässig ver-
teilt. Es handelt sich also um eine repräsentative Aus-
wahl von Engadiner Wiesengebieten. Die Verteilung der
Un tersuchungsflächen bezüglich Höhe, Steigung und
Distanz zum nächsten Dorf oder Landwirtschaftsbetrieb
sind in Abbildung 2 dargestellt. Ortskundige Personen
zeich neten auf Karten ein, welche Flächen mit Sprinkler-
Anlagen bewässert werden. Bei Unsicherheiten wurde
die Grösse der bewässerten Fläche direkt mit den Bewirt-
schaftern geklärt. Erfragt wurde zudem, seit wann die
Anlage in Betrieb ist.
Vom Untersuchungsgebiet (1253 ha) wurden für die
vorliegende Analyse alle Flächen ausgeschlossen, welche
höher (> 1680 m ü. M.), steiler (> 32 %) oder weiter von
Siedlungen entfernt (> 1200 m) sind als die diesbezüg-
Wiesenbewässerung in Scuol, Unterengadin. (Foto: Roman Graf)
Roman Graf, Pius Korner und Simon Birrer
Schweizerische Vogelwarte Sempach, 6204 Sempach
Auskünfte: Roman Graf, E-Mail: [email protected]
Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin
U m w e l t
Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin | Umwelt
407
Zusa
mm
enfa
ssu
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Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
Im Rahmen eines Langzeitprojektes wurde im
Engadin auf 20 Untersuchungsflächen von
insgesamt 870 ha die Entwicklung der
Vegetation und der Nutzungsintensität in
bewässerten und nicht bewässerten Gebie-
ten verglichen. Der Fokus lag dabei auf der
Veränderung des Anteils extensiv bis wenig
intensiv genutzter Mähwiesen (darin
enthalten sind auch einige Übergangsbe-
stände zur mittelintensiven Nutzung). Dafür
standen entsprechende Kartierungen aus den
Jahren 1987/88 und 2009/10 zur Verfügung.
Wir stellten fest, dass nicht nur ältere,
sondern auch die neusten Sprinkleranlagen
in Gebieten errichtet wurden, die einen
grossen Anteil an extensiv und wenig
intensiv genutzten, naturschützerisch
wertvollen Wiesen enthalten. Bei Anlagen
aus den 1980er-Jahren lag der Anteil der
extensiv und wenig intensiv genutzten
Matten vor Beginn der Beregnung bei 40 %,
bei solchen aus den Jahren 2009/10 bei 56 %.
Unter den Anlagen aus den 1980er-Jahren
nahm der Anteil der extensiv und wenig
intensiv genutzten Matten seither drastisch
auf 13,5 % ab. Bei den neueren Anlagen ist
ein solcher Effekt noch nicht zu beobachten.
In Untersuchungsflächen mit Bewässerungs-
anlagen war auch ausserhalb des bewässer-
ten Gebietes eine Intensivierung feststellbar.
Umgekehrt hat der Anteil der extensiv und
wenig intensiv genutzten Matten in allen
Untersuchungsflächen ohne Bewässerungs-
anlagen zugenommen. Die von Projektanten
oft geäusserte Behauptung, dass neue
Bewässerungsanlagen einzig der Ertrags-
sicherung in Trockenjahren dienen und keine
Nutzungsintensivierung zur Folge haben,
trifft für unser Untersuchungsgebiet nicht zu.
lich extremsten bewässerten Gebiete (Abb. 2). Durch
diese Einschränkung wurden vier Untersuchungsflächen
ganz ausgeschlossen, und die verbleibende Fläche
beträgt 870 ha (Abb. 1).
Vegetations-, Intensitäts- und Nutzungsaufnahmen
In allen Untersuchungsflächen wurden Vegetation und
Nutzungsintensität 1987/88 und 2009/10 kartiert. Die
Flächen wurden vollständig abgeschritten und festge-
stellte Vegetations- und Nutzungsgrenzen wurden auf
Karten eingezeichnet. Flächen mit homogener Vege-
tation und einheitlicher Nutzungsintensität nennen wir
«Parzellen». Pro Untersuchungsfläche wurden 60 bis
277 Parzellen unterschieden. Nach einer für unsere Zwe-
cke angepassten Version des Schlüssels von Dietl et al.
1981 unterschieden wir 14 Vegetationstypen (Schweize-
rische Vogelwarte 2008). Für die Beurteilung der Nut-
zungsintensität bei der Kartierung 2009/10 wurde eine
verfeinerte Version des Schlüssels von 1987/88 mit den
fünf Intensitätsstufen «übernutzt», «intensiv bis mittelin-
tensiv», «wenig intensiv», «extensiv» und «brach, ver-
gandend» verwendet. Damit die Kartierungen von
2009/10 mit jenen von 1987/88 vergleichbar bleiben, wur-
den diese fünf Stufen für die vorliegende Arbeit gemäss
Tabelle 1 zu den drei Klassen «intensiv», «wenig intensiv
bis extensiv» und «vergandend» zusammengefasst. In
beiden Kartierungen wurden Übergangsbestände, deren
Nutzungsweise zwischen wenig und mittel intensiv war,
der Intensitätsstufe «wenig intensiv» zugeordnet. Solche
Übergangsbestände waren bei der Erstkartierung zum
Beispiel unterhalb von Sent recht häufig, und ihre Nut-
zungsintensität wurde von Botanikern, die dort in den
1980er-Jahren kartierten, zum Teil unterschiedlich beur-
teilt (M. Schneider, ART Reckenholz briefl.).
Die Bezeichnungen für die verschiedenen Intensitäts-
stufen werden ähnlich, aber nicht genau gleich, verwen-
det wie bei Dietl et al. (1992) oder in Artikel 44 der
Direktzahlungsverordnung (DZV) (Caillet-Bois et al.
2014). Die Abweichungen sind wie folgt zu erklären. Bei
Dietl et al. stehen der futterbauliche Wert und die Nut-
zungsperspektiven im Vordergrund. In der DZV wird die
Nutzungsintensität direkt, d.h. aufgrund der vom Land-
wirt vorgenommenen Bewirtschaftungsmassnahmen
definiert. Bei unseren Kartierungen hingegen stand der
naturschützerische Wert im Vordergrund, und wir
schliessen von einer beobachteten Vegetation auf eine
vermutete Bewirtschaftungsintensität.
Darstellung der Bewässerungssituation
Wir legten ein Punkteraster mit 25 m Punktabstand über
die Untersuchungsflächen. Aus unseren Untersuchun-
gen kennen wir für jeden Punkt den Vegetationstyp, die
Umwelt | Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin
408
Intensität der Nutzung und ob, beziehungsweise seit
wann dort bewässert wird. Die Standortparameter
(Höhe über Meer, Geländeneigung und Distanz zur Sied-
lung) wurden in einem GIS ermittelt. Bewässerte und
nicht bewässerte Standorte wurden bezüglich der zwei
aggregierten Vegetationseinheiten «extensiv bis wenig
intensiv genutzte Matten» und «intensiv genutzte Mat-
ten» verglichen. Die übrigen kartierten Vegetationsein-
heiten (z. B. Weiden, Trockenrasen, Gehölze, Äcker) sind
im Kontext der vorliegenden Arbeit irrelevant, da sie im
Engadin nur selten bewässert werden.
Für die Darstellung der Daten wurde die Anzahl Stand-
orte mit gleicher Nutzung (d.h. extensiv bis wenig inten-
siv bzw. intensiv genutzt) und Bewässerungssituation
summiert und für die Umrechnung in Flächen mit 625 m²
(25 m × 25 m) multipliziert.
R e s u l t a t e
Bewässerung
Zum Zeitpunkt der zweiten Kartierung waren 160 ha mit
Sprinklern ausgerüstet. Das sind 18,3 % des Untersu-
chungsgebietes von 870 ha. In 9 der 20 Untersuchungs-
flächen befand sich gar keine Bewässerungsanlage, in
den übrigen elf Untersuchungsflächen wurden zwischen
7 und 59 % der Fläche bewässert. Wir unterschieden vier
Perioden, in welchen die Bewässerungsanlagen in
Betrieb genommen wurden (Abb. 3).
a) 1950 – 1976, also mindestens zehn Jahren vor der
ersten Kartierung 1987/88: 53,3 ha
b) zwischen 1980 und 1989 also weniger als zehn
Jahren vor der ersten Kartie rung: 91,9 ha
c) zwischen 2002 und 2007, also zwischen den beiden
Kartierungen 1987/88 und 2009/10: 14,8 ha
d) seit 2010, also erst nach der zweiten Kartierung
2009/10: 34 ha
Einfluss der Bewässerung auf die extensiv und wenig
intensiv genutzten Matten
Die Entwicklung des Anteils extensiv und wenig inten-
siv genutzter Matten war stark abhängig davon, ob
und seit wann bewässert wurde. In Gebieten, welche
schon lange mit Sprinklern bewässert werden (d.h. seit
mehr als zehn Jahren vor der ersten Vegetationskartie-
rung 1987/88), waren bereits 1987/88 nur kleinflächig
extensiv bis wenig intensiv genutzte Matten vorhan-
SentScuol
ArdezLa vin
Zernez
Bewässerungsanlagen seit 2010
Bewässerungsanlagen vor 2010
Untersuchungsflächen
Grenzen: Bundesamt für Landestopografie
Abb. 1 | Lage der Untersuchungsflächen (total 870 ha) im Unteren-gadin und Lage der bewässerten Flächen.
In der vorliegenden Arbeit bezeichnet als
2009/10 kartiert als 1987/88 kartiert als Nutzung
intensiv
übernutzt
oder
intensiv-mittelintensiv
intensiv
2–3 Nutzungen jährlich (Mahd oder Weide)
Düngung: Keine gesetzliche Mengenbeschränkung; Düngung erfolgt meist mit Gülle
wenig intensiv / extensiv1
wenig intensiv
oder
extensiv
wenig intensiv
oder
extensiv
1–2 mal gemäht und eventuell Im Herbst beweidet
Düngung, bei wenig intensiv (von Dietl für das Engadin empfohlen): alle 3–4 Jahre 10 t gut verrotteter Mist oder gar keine Düngung an stei-len Hängen. Durch die DZV wird etwa das dreifache der von Dietl emp-
fohlenen Menge erlaubt.
Düngung bei extensiv: keine
vergandend brach, vergandend vergandend keine Nutzung
1Bestände im Übergangsberiech wenig-intensiv/mittelintensiv werden hier eingeordnet.
Tab. 1 | Intensitätsstufen und Nutzungsart der Bergwiesen im Engadin
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin | Umwelt
409
In den Untersuchungsflächen mit Bewässerungsanla-
gen wurde auch das Gebiet ne ben den bewässerten
Bereichen intensiviert, allerdings weniger stark als
unter den Anlagen selbst (Abb. 5 a – h). Hingegen
haben extensiv und wenig intensiv genutzt Matten in
den neun Untersuchungsflächen, in denen gar keine
Bewässerungsanlagen stehen, überall zugenommen
(Abb. 5 i).
D i s k u s s i o n
Bewässerung durch Berieselung wurde im Engadin seit
Jahrhunderten betrieben (Bundi 2000). Bis Mitte des 20.
Jahrhunderts wurde diese arbeitsintensive Technik aber
praktisch aufgegeben. Riedener et al. (2013) konnten im
Wallis zeigen, dass traditionelle Berieselung und
moderne Sprinkleranlagen auf die Vegetation nicht
grundsätzlich anders wirken. Bezogen auf unser Unter-
suchungsgebiet bedeutet dies, dass trockenheitsresis-
tente Wiesentypen, v.a. Halbtrockenrasen, mit Aufgabe
der traditionellen Bewässerung wohl häufiger gewor-
den sind. Bereits ab ca. 1950 wurden dann erste Sprink-
ler-Anlagen eingerichtet. In grösserem Stil wurden sol-
che Anlagen aber erst seit ca. 1980 installiert. Man
könnte nun schliessen, dass mit der Wieder aufnahme
der Bewässerung der Zustand der Wiesen einfach wieder
auf jenen zur Zeit der traditionellen Berieselung vor
100 Jahren zurückgeführt wurde. Dem ist entgegen zu
halten, dass damals auch Wiesen mit guter Wasserver-
sorgung ganz anders genutzt wurden als heute. Die
Mechanisierung der Landwirtschaft war sehr gering, der
Erntevorgang deshalb über einen grossen Zeitraum ver-
teilt. Die Wiesen wurden fast ausschliesslich mit Mist
gedüngt. Dies ergab weniger üppige, artenreichere
Bestände. Silierungsverfahren und künstliche Heutrock-
nung kannte man nicht. Der Beginn der Heuernte
erfolgte deshalb allgemein später. So begann in einem
den (Tab. 2 und hellblaue Linie in Abb. 4). In Flächen,
in denen die künstliche Beregnung erst kurz vor der
ersten Kartierung (1987/88) eingerichtet wurde – dies
betrifft eine Fläche von 91,7 ha – lag der Anteil der
extensiv bis wenig intensiv genutzten Matten damals
bei rund 40 %, ging aber bis zur Zweitkartierung
2009/10 auf 14 % (noch 12,9 ha) zurück (dunkelblaue
Linie in Abb. 4). Das entspricht einem Verlust von
24,6 ha. Intensiv genutzte Matten nahmen im Bereich
solcher Bewässerungsanlagen dementsprechend zu. Im
Bereich von neueren Anlagen beobachteten wir hinge-
gen keine Abnahme der extensiv und wenig intensiv
genutzten Matten (rote Linie in Abb. 4). In den nicht
bewässerten Bereichen gingen sowohl extensiv bis
wenig intensiv genutzte Matten als auch intensiv
genutzte Matten zwischen 1987/88 und 2009/10 leicht
zurück (Tab. 2, orange Linien in Abb. 4). Sie wurden teil-
weise in Weiden umgewandelt.
1200 1600 2000
2
4
6
8
10
Höhe [m ü.M.]
[% ]
0
0
2
4
6
8
10
Steigung [°]
[% ]
0 500 1000 2000
0
2
4
6
8
10
12
Distanz Siedlung [m]
[% ]
10 20 30 40
nicht bewässertbewässert
Abb. 2 | Verteilung der Untersuchungsflächen bezüglich der drei Landschaftsparameter Höhe, Steigung und Distanz zur Siedlung. Blau: bewässerte Flächen, grau: nicht bewässerte Flächen. Total 1235 ha.
1950 1960 1970 1980 1990 2000 2010
0
10
20
30
40
50
Jahr
Fläc
he n
eu b
ereg
net [
ha]
Abb. 3 | Inbetriebnahme der modernen Bewässerungsanlagen im Untersuchungsgebiet. Die Jahreszahlen der älteren Anlagen sind ungefähre Angaben. Die zwei gepunkteten orangen Linien markie-ren den Zeitpunkt der beiden Kartierungen. Hellblau: «alte» Anla-gen; dunkelblau: kurz vor oder nach der ersten Kartierung erstellt; grau: kurz vor der zweiten Kartierung erstellt; rot: nach der zwei-ten Kartierung erstellt.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
Umwelt | Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin
410
dem Engadin benachbarten Hochtal (Sursés, Talboden
von Marmorera, ca. 1600 m ü. M.) anfangs der Fünfzi-
gerjahre die Heuernte jeweils anfangs Juli und erstreckte
sich, da damals noch von Hand gemäht wurde, sicher
über mehrere Wochen hin (Eidgenössische Technische
Hochschule Zürich, 1951).
Unsere Untersuchungen zeigen, dass der Anteil
extensiv und wenig intensiv genutzter Matten im Enga-
din stark mit der Bewässerungsdauer (in Jahren seit der
Installation) zusammenhängt. Im Bereich von Anlagen,
die schon lange betrieben werden, war der Anteil sol-
cher Wiesen bereits 1987/88 gering und veränderte sich
bis 2009/10 kaum. In Gebieten, die erst seit den 1980er
Jahren bewässert werden, ist hingegen eine deutliche
Abnahme der extensiv bis wenig intensiv genutzten
Matten zwischen 1987/88 und 2009/10 festzustellen. Ihr
Anteil ging dort in nur 22 Jahren auf 40 % des ursprüng-
lichen Bestands zurück. Interessant ist dabei die Beob-
achtung, dass der Rückgang nicht nur im effektiv bereg-
neten Areal nachzuweisen war, sondern auch im
näheren Umfeld.
Heute ist in unserem Untersuchungsgebiet eine
Segregationstendenz zu beobach ten: Bewässerung (mit
daraus folgender Intensivierung) findet auf produktive-
ren, das heisst tief gelegenen, nicht allzu steilen und
relativ siedlungsnahen Flächen statt (Abb. 1). Auf den
übrigen Flächen, wo keine Bewässerungsanlagen einge-
richtet wurden, nahm hingegen der Anteil der extensiv
bis wenig intensiv genutzten Matten leicht zu (Abb. 5 i).
Vergandungserscheinungen, die aufgrund dieser Ent-
wicklung befürchtet werden könnten, wurden bisher in
unserem Untersuchungsgebiet aber nur in relativ gerin-
gem Ausmass nachgewiesen (Graf et al. 2014).
In Planungsberichten und Informationsmaterial zu
Bewässerungsprojekten (z.B. Göpfert 2007, Amt für
Landwirtschaft und Geoinformation des Kantons Grau-
bünden, 2013) wird oft betont, dass Bewässerungsanla-
gen lediglich erstellt werden, um den Ertrag der Mäh-
wiesen in besonders trockenen Jahren zu sichern. Eine
Intensivierung der Nutzung sei keineswegs das Ziel.
Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass im Engadin durch
die Bewässerung eine deutlich intensivere Grünlandnut-
zung ermöglicht wurde und praktiziert wird (frühere
Mahd, mehr Schnitte). Neue Anlagen werden nicht nur
in Fluren erstellt, wo bereits produktive Fettmatten vor-
handen sind und tatsächlich Ertragssicherung im Vorder-
grund steht. Dies lässt sich in Sent beobachten (Abb. 6
und 7). Nicht bloss die älteren Anlagen bewässern ehe-
malige extensiv bis wenig intensiv genutzte Matten –
selbst wo erst seit 2010 mit modernen Anlagen beregnet
total [ha] davon extensive und wenig intensive Matten [ha] Ab- oder Zunahme [%]
1987/88 2009/10
nicht bewässert 709,9 249,3 216,8 -13,0
bewässert seit 1950-76 53,2 4,9 3,6 -27,8
bewässert seit 1980-89 91,7 37,4 12,9 -65,6
bewässert seit 2002-07 14,9 3,8 4,4 +16,4
total [ha] davon intensive Matten [ha] Ab- oder Zunahme [%]
1987/88 2009/10
nicht bewässert 709,9 226,4 220,8 -2,5
bewässert seit 1950-76 53,2 29,9 32,9 +10,0
bewässert seit 1980-89 91,7 40,9 67,8 +65,6
bewässert seit 2002-07 14,9 10,5 9,9 -5,4
Tab. 2 | Veränderung der Flächen extensiv bis wenig intensiv genutzter Matten (oberer Tabellenbereich), sowie der Fläche intensiv genutz-ter Matten (unterer Tabellenbereich) zwischen 1987/88 und 2009/10 und in Abhängigkeit der Bewässerung (Periode der Inbetriebnahme). Die Ab- oder Zunahme ist die Veränderung relativ zur Fläche bei der Kartierung 1987/88.
0
10
20
30
40
Ante
il [%
] ext
ensi
ver u
nd w
enig
inte
nsiv
erM
atte
n in
Flä
chen
, wel
che
...
1987/88 2009/10
... seit 1950−76 bewässert werden
... seit 1980−89 bewässert werden
... seit 2002−07 bewässert werden
... nicht bewässert werden
Abb. 4 | Entwicklung des Anteils extensiv bis wenig intensiv ge-nutzter Matten (zwischen 1987/88 und 2009/10) in Abhängigkeit des Zeitpunkts der Inbetriebnahme der Bewässerungsanlagen (die absoluten Flächenwerte sind im oberen Bereich der Tabelle 2 ange-geben).
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin | Umwelt
411
Bei neuen Meliorationsprojekten muss den bereits in
Lüscher et al. (1998) formulierten Grundsätzen konse-
quent Beachtung geschenkt werden. Gebiete mit beson-
ders hohen Naturwerten (Grundlagen für das Engadin
u.a. in: Waldis und Graf 1996, Pfister et al. 1997, Müller
et al. 2008) sollen in einer frühen Projektphase als
wird, war dieser Wiesentyp bis vor kurzem grossflächig
vorhanden. 2009/10, also kurz vor Inbetriebnahme der
Anlagen, kartierten wir auf der neu beregneten Fläche
in Sent 56 % extensiv bis wenig intensiv genutztes und
44 % mittelintensiv bis intensiv genutztes Grünland.
Im Bereich von Bewässerungsanlagen, die 2002 – 2007
erstellt wurden, haben wir zwischen den beiden Kartie-
rungen (1987/88 bzw. 2009/10) keine Zunahme der
intensiv genutzten Wiesen festgestellt. Wir vermuten,
dass für eine markante Veränderung der Matten noch
zu wenig Zeit verstrichen ist. Allerdings zeigen Peter et
al. (2008) für eines dieser Gebiete (Sent) mit Kartierun-
gen aus den Jahren 1975 – 1986 und 2002 – 2004, dass
bereits vor Inbetriebnahme der modernen Bewässerung
jene Arten zugenommen haben, die bei Intensivnutzung
konkurrenzfähig sind. Gleichzeitig nahmen die natur-
schützerisch wertvollen Arten ab. Zukünftige Kartierun-
gen werden zeigen, wie sich das Verhältnis von extensiv
bis wenig intensiv zu intensiv genutzten Matten unter
diesen Anlagen entwickeln wird.
Sent
0
20
40
60
80
100
40,7 ha19,1 ha
26,2 ha
4,2 ha
(a)
exte
nsiv
e un
d w
enig
inte
nsiv
e M
atte
n [%
]
Ils Clues
0
20
40
60
80
10062,7 ha
5,4 ha
44,6 ha
2,5 ha
(b)Duasassa
0
20
40
60
80
100
14,1 ha
5,9 ha
3,5 ha
8,2 ha
2,4 ha1,5 ha
(c)
Planbe
0
20
40
60
80
10024,1 ha
2,4 ha
12,2 ha
0,2 ha
(d)Sanclinous
0
20
40
60
80
100
5,3 ha
3,4 ha0,8 ha
3,9 ha0,9 ha0,1 ha
(e)Bos Cha
0
20
40
60
80
100
10,1 ha3,1 ha0,6 ha
13,6 ha4,2 ha
0 ha
(f)
Crusch Nusch
0
20
40
60
80
100
1,5 ha1 ha
2,1 ha1,7 ha
(g)
1987/88 2009/10
Fops
0
20
40
60
80
100
2,1 ha
0,2 ha0,7 ha1,9 ha
(h)
1987/88 2009/10
Flächen ohne Bewässerung
0
20
40
60
80
100 (i)
1987/88 2009/10
exte
nsiv
e un
d w
enig
inte
nsiv
e M
atte
n [%
]ex
tens
ive
und
wen
igin
tens
ive
Mat
ten
[%]
Abb. 5 | Wie Abbildung 4, aber separat für einzelne Untersuchungsflächen: Entwicklung des Anteils extensiver Matten zwischen 1987/88 und 2009/10 in Abhängigkeit des Bewässerungsregimes. Dargestellt sind acht Untersuchungsflächen, in denen mindestens 2 ha extensive und wenig intensive Matten mit Sprinklern beregnet wurden (a bis h), sowie zusammengefasst alle neun vollständig nicht bewässerten Untersuchungsflächen (i).
Abb. 6 | Bau neuer Bewässerungsanlagen im Bereich schützens-werter Salbei-Glatthaferwiesen (Sent 2010). (Foto: Roman Graf)
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
412
Umwelt | Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin
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▪ Studer S., 1971. The influence of management on the floristic composition of hay meadows. PhD ETH Zürich, Zürich.
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▪ Walter Th, Eggenberg S., Gonseth Y., Fivaz F., Hedinger Ch., Hofer G., Klieber-Kühne A., Richner N., Schneider K., Szerencsit E. & Wolf S., 2013. Operation-alisierung der Umweltziele Landwirtschaft. Bereich Ziel- und Leitarten, Lebensräume (OPAL). ART-Schriftenreihe 18. Forschungsanstalt Agroscope Reckenholz-Tänikon ART. 138 S.
Schwerpunktgebiete für Biodiversitätsschutz und -för-
derung bezeichnet werden. Vor Ort tätige Schutzorgani-
sationen und sonstige Akteure des Lebensraumschutzes
sind beratend beizuziehen und die Beurteilung des
Schutzwertes bestimmter Landschaftselemente darf
nicht allein auf Bundesinventare abgestellt werden.
Zumindest aber sollen diese Inventare vor Projektbeginn
im Feld auf ihre Vollständigkeit überprüft werden.
Artenreiche, wenig intensiv genutzte Goldhaferwiesen
sind für bodenbrütende Vogelarten, aber auch für Tag-
falter besonders wichtig und essentiell für den land-
schaftlichen Reiz des Unterengadins und vieler anderer
Bergtäler. Im Bundesinventar der Trockenwiesen und
-weiden von nationaler Bedeutung sind sie nicht enthal-
ten (Eggenberg et al. 2001). Deshalb muss dieser Wiesen-
typ bei der Planung von Bewässerungsprojekten speziell
erfasst und vorab als «nicht bewässerbar» definiert wer-
den. Nebst dieser Forderung weisen wir auf die grosse
Bedeutung der gesamtbetrieblichen Biodiversitätsbera-
tung und der Naturschutz-Vertragsflächen im Engadin
hin. Diese Instrumente haben nach unserer Einschätzung
bereits erfolgreich zum Erhalt der artenreichen Wiesen
beigetragen und sollen daher nach Möglichkeit weiter
ausgebaut werden. n
Bewäs-serungs-start
2010
2010
1980er
1980er
Intensität bei Bewäs-serungsstart
intensiv
extensiv /wenig intensiv
intensiv
extensiv /wenig intensiv
0 500 m
Abb. 7 | Untersuchungsfläche Sent. Ein Teil der schraffierten Flächen wurde vor Inbetriebnahme extensiv genutzt. Bei einem weiteren Teil war die Nutzung zwischen wenig und mittelintensiv.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
413
Bewässerungsanlagen als Ursache für die Nutzungs-intensivierung von Grünland im Engadin | Umwelt
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Sprinkler systems as a cause of intensifica-
tion of grassland use in the Swiss Engadin
During a long-term monitoring from 1987
to 2010, changes in vegetation and
land-use intensity at irrigated versus
non-irrigated study sites were investi-
gated in the Swiss Engadin. Specifically,
vegetation surveys were compared
between the years 1987/88 and 2009/10 to
identify whether and how proportions of
extensively used (no-input) hay meadows
to low-intensity meadows changed
(including a range of meadows used at
intermediate intensity).
We discovered that not only older but also
the latest sprinkler systems were set up in
areas covering a high proportion of
extensively used meadows of conserva-
tion concern. Before the survey, 40 % of
the vegetation around sprinklers installed
in the 1980s was extensively or less
intensively used. The same was true for
56 % of the vegetation around sprinklers
installed by 2009/10.
The proportion of low-intensity meadows
under irrigation systems from the 1980s
decreased drastically to 13.5 %. For newer
sprinkler systems, such an effect was not
observed. Study areas holding irrigation
systems experienced general land-use
intensification, also outside the irrigated
area. Conversely, the proportion of
extensively and less intensively used
meadows has increased in all study areas
without irrigation systems.
Managers involved in irrigation projects
have repeatedly affirmed that additional
irrigation systems were installed solely to
achieve stable yields in dry years, and that
these additions would not lead to further
land-use intensification. This assertion,
however, does not apply to the study sites
presented here.
Key words: irrigation, Engadin, intensifica-
tion, unimproved grassland, semi-dry
meadows.
Gli impianti di irrigazione come causa
dell'intensificazione dello sfruttamento
dei prati in Engandina
Nell'ambito di un progetto a lungo
termine, in Engadina si è confrontato lo
sviluppo della vegetazione e dell'intensità
di sfruttamento in regioni irrigate e non
irrigate. La superficie totale esaminata
comprendeva 870 ha, suddivisi in 20 super-
fici campione. Ci si è concentrati sui
cambiamenti della percentuale di prati da
sfalcio estensivi e poco intensivi (tra questi
sono comprese anche alcune associazioni
vegetali intermedie verso uno sfrutta-
mento mediamente intensivo). A questo
scopo avevamo a disposizione cartografie
corrispondenti stese negli anni 1987/88 e
2009/2010. Abbiamo constatato che non
soltanto quelli vecchi ma anche gli
impianti d'irrigazione a pioggia più recenti
sono stati installati in regioni che com-
prendono un'elevata percentuale di prati
estensivi e poco intensivi di alto valore dal
punto di vista della protezione della
natura. Nel caso degli impianti risalenti
agli anni 1980, la percentuale di prati
estensivi e poco intensivi prima dell'irriga-
zione a pioggia era del 40 %, nel caso di
quelli risalenti agli anni 2009/2010 era del
56 %. A seguito dell'uso degli impianti
risalenti agli anni 1980, la percentuale dei
prati estensivi e poco intensivi è drastica-
mente calata al 13,5 %. Nel caso degli
impianti più recenti questo effetto non è
ancora riscontrabile. Sulle superfici con
impianti d'irrigazione esaminate si è
riscontrata un'intensificazione dello
sfruttamento anche al di fuori delle
parcelle irrigate. Inversamente, su tutte le
superfici senza impianti d'irrigazione
esaminate la percentuale di prati sfruttati
in modo estensivo o poco intensivo è
aumentata.
L'affermazione dei fautori dei progetti,
secondo la quale nuovi impianti d'irriga-
zione servirebbero solo ad assicurare il
raccolto in caso di anni di siccità senza
avere quale conseguenza un'intensifica-
zione dello sfruttamento, nella regione da
noi esaminata non risulta valida.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 406–413, 2014
414 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
lung. Der Schwerpunkt der Arbeiten lag bisher beim
Apfel.
Die Projekte umfassten folgende Arbeiten:
•• Prüfung der Triebanfälligkeit von möglichen Elternsor-
ten und fortgeschrittenen Zuchtnummern mit künstli-
cher Triebinfektion im Gewächshaus
•• Künstliche Blüteninfektion im Gewächshaus und unter
Freilandbedingungen
•• Molekulare Kartierung von Resistenz-Loci im Erbgut
•• Einführung der starken Feuerbrandresistenz aus
Wildäpfeln in fortgeschrittene Selektionen mittels
Generationsbeschleunigung
•• Prüfung der Funktionalität eines Feuerbrandresistenz-
Kandidatengens
•• Pflanzung von Pilotanlagen mit vielversprechenden
feuerbrandrobusten Apfel- und Birnensorten bezie-
hungsweise -züchtungen
•• Identifikation von Neuzüchtungen mit Potenzial für
den Hochstammanbau
Eine Herausforderung der Apfelzüchtung sind Generati-
onszyklen von vier bis fünf Jahren von der Kreuzung bis
zur Blüte der Nachkommen. Hinsichtlich der Einkreuzung
von Feuerbrandresistenzen ist die Juvenilität besonders
bedeutsam, da in heutigen Kulturapfelsorten wohl mehr
oder weniger robuste, aber keine feuerbrandresistenten
Sorten bekannt sind. Starke Resistenzen sind in Wildäp-
feln enthalten, welche aber viele unerwünschte Eigen-
schaften wie geringe Grösse und ungünstige Fruchtquali-
tät mitbringen. Um den genetischen Ballast der
Wildeigenschaften loszuwerden und eine bekömmliche
Kultursorte zu erhalten, sind vier bis fünf Pseudo-Rück-
kreuzungen mit Kultursorten nötig. Bei einer Generati-
onszeit von vier bis fünf Jahren ergibt dies für eine Kul-
tursorte mit Wildapfelresistenz eine Züchtungsdauer von
20 bis 25 Jahren. Deshalb wendeten wir neben einem
gentechnischen Ansatz zur Blühinduktion Early Flowe-
ring (Patocchi 2014), welcher an dieser Stelle nicht
beschrieben wird, eine Methode Fast Track mit konventi-
oneller Züchtung an. Fast Track bezeichnet verschiedene
E i n l e i t u n g
Agroscope treibt in Kooperation mit wissenschaftlichen
und produktionsorientierten Partnern die Züchtung
von feuerbrandrobusten Kernobstsorten voran. Haupt-
ziel von Projekten der letzten sechs Jahre, welche vor
allem durch das Bundesamt für Landwirtschaft finan-
ziert wurden, war die effiziente Züchtung feuerbrand-
robuster Apfel- und Birnensorten mit hohem Markt-
wert. Eine Besonderheit der Projekte bestand im Bogen
von der Grundlagenforschung zur Praxisanwendung.
Neben Agroscope waren folgende Partner beteiligt:
ETH Zürich (Gruppe von Prof. Cesare Gessler), Lubera AG
und Fruture GmbH (private Apfelzüchtung) und die
VariCom GmbH, welche Agroscope-Obstsorten in den
Markt einführt.
Vor sechs Jahren standen nur wenige feuerbrandro-
buste Sorten, meist mit keinem oder geringem Markt-
wert, zur Verfügung. Heute gibt es aussichtsreiche
robuste Sorten und resistente Sorten sind in Entwick-
Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten
Markus Kellerhals1, Simone Schütz1, Isabelle O. Baumgartner1, Julia Schaad1, Thomas Kost2, Giovanni Broggini1
und Andrea Patocchi1
1Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB, 8820 Wädenswil, Schweiz2ETH Zürich, USYS, Plant Pathology Group (IBZ), 8092 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Markus Kellerhals, E-Mail: [email protected]
Apfelsämlinge mit eingekreuzter Feuerbrandresistenz von Wildäpfeln. Die Anzucht erfolgt im Gewächshaus mit der Fast Track-Methode.
P f l a n z e n b a u
Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten | Pflanzenbau
415
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
Im Rahmen von Projekten, welche das
Bundesamt für Landwirtschaft finanzierte,
prüfte Agroscope 215 Apfelzüchtungen und
–sorten mit einem Triebtest im Gewächshaus
auf ihre Feuerbrandanfälligkeit. Ausgewählte
Sorten wurden zudem in speziell gesicherten
Anlagen im Freiland auf Blütenanfälligkeit
untersucht. Die Projekte ermöglichten zudem
die genaue Lokalisierung eines Feuerbrandre-
sistenzgens aus dem Wildapfel «Malus
robusta 5» und eine anschliessende Prüfung
seiner Wirksamkeit durch den Einbau des
Resistenzgens in die anfällige Sorte «Gala».
Die Methode Fast Track dient der beschleu-
nigten Entwicklung feuerbrandresistenter
Marktsorten.
Ansätze zur Verkürzung des Generationszyklus (van
Nocker und Gardiner 2014). Beim Fast Track von Agro-
scope werden die Sämlinge aus Kreuzungen mit Wildäp-
feln mittels kontrollierter und optimierter Wuchsbedin-
gungen im Gewächshaus möglichst schnell zur Blüte
gebracht. In den Projekten wurde insbesondere mit den
feuerbrandresistenten Wildapfelherkünften «Malus x
robusta 5» (Resistenzlocus FB_MR5) und «Evereste»
(Resistenzlocus Fb_E) gearbeitet. «Malus x robusta 5»
(MR5) ist ein bekannter feuerbrandresistenter Wildapfel
mit Ursprung im östlichen Asien. Die Resistenz wurde als
sehr wirksam eingestuft, aber seit längerem ist bekannt,
dass Stämme vom Feuerbrandbakterium (Erwinia amylo-
vora) existieren, welche diese Resistenz durchbrechen
können (Norelli et al. 1986). Eine einzelne Mutation im
AvrRpt2EA-Gen des Pathogens ist ausreichend, um die
FB_MR5 Feuerbrandresistenz zu durchbrechen (Vogt et
al. 2013). Solche Mutationen erfolgen spontan und es ist
möglich, dass mutierte virulente Stämme bereits in der
Schweiz vorhanden sind oder leicht entstehen könnten.
Um die Feuerbrandresistenz von MR5 für züchterische
Zwecke effektiv und nachhaltig zu nutzen, muss sie
unbedingt mit anderen Feuerbrandresistenzen kombi-
niert (pyramidisiert) werden. Peil et al. (2007) veröffent-
lichten die Identifizierung und Kartierung eines Quanti-
tative Trait Locus (QTL) für die Feuerbrandresistenz von
MR5 in einer Kreuzung MR5 x «Idared». Diese Feuer-
brandresistenz wurde auf der Spitze der Kopplungs-
gruppe 3 (linkage group) des Apfels identifiziert. Mit
weiteren Arbeiten konnte die Region der Feuerbrandre-
sistenz eingegrenzt, isoliert und mittels Next-Genera-
tion-Sequencing sequenziert werden. Die in silico Ana-
lyse der gewonnenen Sequenzen erlaubte die
Identifikation eines Kandidatengens für die MR5-Feuer-
brandresistenz, das zur Resistenzgenfamilie NBS-LRR
gehört und FB_MR5 genannt wurde. FB_MR5 enthält
eine Coiled-coil Domäne, ein Nucleotide-Binding-Site
sowie mindestens 23 Leucin-Rich-Repeats-ähnliche Ele-
mente (LRR) (Fahrentrapp et al. 2013). Diese Motive sind
charakteristisch für pflanzliche Resistenzgene gegen
Bakterienkrankheiten.
M a t e r i a l u n d M e t h o d e n
Triebtestungen im Gewächshaus
Zwischen 2009 und 2014 wurden 215 interessante Zucht-
nummern und Sorten von Agroscope auf ihre Triebanfäl-
ligkeit getestet. Dafür wurden über 2500 Triebspitzen mit
E. amylovora inokuliert und bonitiert. Für die Triebtestung
wurden Reiser der zu testenden Zuchtnummern auf Wur-
zelunterlagen M9vf T337 veredelt. Jeweils zwölf Bäume
pro Zuchtnummer wurden in Rosentöpfen (35,5 cm hoch,
7 cm Durchmesser) im Gewächshaus angezogen. Die Infek-
tion erfolgte im Sicherheitsgewächshaus bei einer Trieb-
länge von ca. 15 – 40 cm, indem E. amylovora direkt in die
Triebspitze gespritzt wurde (CH-Stamm FAW610 Rif, Konz.
= 109 cfu/ml) (Rezzonico und Duffy, 2007). Während drei
Wochen wurden alle sieben Tage die Länge des gesunden
Triebabschnitts bis zur sichtbaren Läsion (Abb. 1) sowie die
Gesamttrieblänge gemessen. Als Referenzen dienten
«Gala» (anfällig) und «Enterprise» (robust).
Die Triebanfälligkeit wurde bewertet, indem die Läsi-
onslänge in Prozent der Gesamttrieblänge ermittelt
wurde. Für den Vergleich über mehrere Jahre wurde die
Läsionslänge in Prozent der Gesamttrieblänge relativ zu
«Gala» berechnet. Die meisten in der Triebtestung unter-
suchten Genotypen wurden molekular auf die Anwesen-
heit des Feuerbrandrobustheits-QTLs von «Fiesta» Chro-
mosom 7 (FBF7) anhand der beiden flankierenden
SCAR-Marker AE10 – 375 und GE-8019 geprüft (Khan et al.
2007). Das Inokulum und die Methodik wurden über die
Jahre analog gehandhabt, damit die Resultate möglichst
vergleichbar sind.
Direkte Blüteninokulation unter Freilandbedingungen
In den Frühjahren 2013 und 2014 konnten Blüteninfekti-
onsversuche mit interessanten Agroscope-Zuchtnum-
mern unter Freilandbedingungen in der Sicherheitspar-
zelle am Steinobstzentrum Breitenhof (BL) durchgeführt
werden. Die Versuchsparzelle ist zur Verhinderung des
Insektenflugs sowie des Eindringens und Austretens wei-
terer Vektoren gänzlich von einem Netz umgeben. For-
schende betreten und verlassen die Parzelle über eine
Schleuse und das herausbeförderte Material wird voll-
ständig dekontaminiert, um eine Verschleppung von
Feuerbrand zu verhindern. Für die Testung werden zwei-
bis dreijährige Topfbäume zu testender Züchtungen und
Pflanzenbau | Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten
416
Sorten auf der Unterlage «M9» mit «Golden»-Zwischen-
veredelung verwendet. Als Kontrollen dienten «Gala
Galaxy» (anfällig) und «Enterprise» (robust). Die jeweils
16 Wiederholungen pro Genotyp wurden in Vierergrup-
pen randomisiert aufgestellt und über ein Einzel-Tropf-
bewässerungssystem mit Wasser versorgt.
Ein Bienenvolk sorgte für die Bestäubung der Blüten
und wurde kurz vor der Inokulation aus der Parzelle ent-
nommen. Für die Inokulationen am 7. Mai 2013 und
14. April 2014 wurden pro Genotyp insgesamt etwa
125 Blütenbüschel in Vollblüte (BBCH65) ausgewählt,
markiert und mit einer E. amylovora-Lösung (CH-Stamm
FAW610, Konz. 3,0 – 3,5 × 108 cfu/ml) mit einem Hand-
sprüher inokuliert. Anschliessend wurden die Büschel für
vier Tage als Witterungsschutz und für gute Infektions-
bedingungen mit Plastikbeuteln bedeckt. Die inokulier-
ten Büschel wurden nach 7 (nur 2013), 14, 21 und
28 Tagen auf Symptome bewertet.
Generationsbeschleunigung Fast Track
Im Frühjahr 2008 wurden die ersten Kreuzungen zwi-
schen «Evereste» sowie F1-Nachkommen von MR5 («Ida-
red» x MR5) und der Agroscope-Zuchtnummer «ACW
11303» vorgenommen. Die Kreuzungsfrüchte wurden
entkernt, die Samen stratifiziert und ausgesät. Die Säm-
linge wurden im Gewächshaus bei kontrollierter Tempe-
ratur (15 – 25 °C) auf eigenen Wurzeln angezogen. Um
die Längenstreckung der Internodien zu vermindern,
wurden die Pflanzen monatlich mit dem Wachstums-
regulator Prohexadione-Ca behandelt. Zum Zeitpunkt
des nachlassenden Längenwachstums der Pflanzen
beziehungsweise im Herbst wurde die Winterruhe durch
dreimalige Behandlung mit dem Reife- und Wachstums-
regulator Ethephon eingeleitet. Die künstliche
Wintersimulation erfolgte während sieben bis neun
Wochen im Kühlraum bei 3 – 5 °C.
Prüfung der Funktionalität von FB_MR5
FB_MR5 wurde an der ETH Zürich in die sehr feuerbrand-
anfällige Apfelsorte «Gala» transformiert (Broggini et al.
2014). Dabei wurden zwei unterschiedliche Konstrukte
verwendet, um FB_MR5 zu steuern: 1) durch den konsti-
tutiven Promotor CaMV35S und den OCS Terminator
und 2) durch eigene Promotor- und Terminator-Sequen-
zen des FB_MR5 Gens. Die Apfeltransformationen
erfolgten mittels Agrobacterium tumefaciens nach Szan-
kowski et al. (2009) und Vanblaere et al. (2011). Nach der
in vitro Regeneration von gentechnisch veränderten
Trieben wurden diese auf «Golden Delicious»-Sämlinge
veredelt und angezogen. Danach wurden die unter-
schiedlichen Linien auf M9vf T337 Unterlagen veredelt
und im Sicherheitsgewächshaus von Agroscope mit zwei
E. amylovora Stämmen (Ea222, Ea1189) gemäss Proto-
koll von Peil et al. (2007) inokuliert.
R e s u l t a t e u n d D i s k u s s i o n
Triebtestungen im Gewächshaus
Abbildung 2 zeigt eine Gesamtübersicht der 215 Zucht-
nummern und Sorten von Agroscope sowie von drei
Wildäpfeln (Malus fusca, Malus baccata, MR5) und drei
bekannten robusten Sorten («Florina», «Rewena» und
«Free Redstar»). Die Abstufungen zur Einschätzung der
Triebanfälligkeit (Skala Triebanfälligkeit vs. «Gala») sind
ersichtlich. Unabhängig von der genetischen Herkunft
überspannen die Ergebnisse die gesamte Bandbreite von
«sehr schwach anfällig» mit unter 3,5 % («0802_168»
Kreuzung aus: «ACW 11303» («ACW 6104» x «Rewena»)
x «DA02.2.7» («Idared» x MR5) bis zu «sehr hoch anfäl-
lig» mit über 170 % («ACW 14886» Kreuzung aus:
«Topaz» x «Fuji») drei Wochen nach der Inokulation rela-
tiv zu «Gala». Die Wahl von bekannten robusten oder
resistenten Eltern in Kreuzungen ist keine Erfolgsgaran-
tie für die Robustheit der Nachkommen. Bei Kreuzungen
mit Partnern ohne bekannte Resistenz oder Robustheit
Abb. 1 | Triebspitze von «ACW 21143» mit Läsion nach künstlicher Inokulation mit E. amylovora.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten | Pflanzenbau
417
können sowohl robuste als auch hoch anfällige Genoty-
pen entspringen. Jedoch ist eine eindeutige Tendenz zu
weniger anfälligen Sorten durch gezielte Elternwahl
ersichtlich. Von den 215 getesteten Genotypen wiesen
50 inklusive der Sorte «Ladina» eine sehr schwache Trie-
banfälligkeit auf (<25 % versus «Gala») (Abb. 3). Darun-
ter sind sieben Nachkommen aus der ersten oder zwei-
ten Generation von MR5, elf Nachkommen von
«Evereste» und 28 Nachkommen aus Kreuzungen mit
bekannten robusten Elternsorten («Florina», «Enter-
prise», «Resi», «Reka», «Regia» und «Goldrush»).
Läsi
onsl
änge
nac
h 3
Woc
hen
in %
rel.
zu «
Gal
a»
Wildäpfel mit starken Resistenz-QTLs Bekannte robuste Sorten Agroscope-Sorten Anfällige Kontrolle Robuste Kontrolle
Triebanfälligkeit Skala vs.«Gala»
sehr schwach
schwach
mittel
hoch
sehr hoch CH10
1-G
aliw
a
Mar
iella
Gal
a
160
140
120
100
80
60
40
20
0
Ladi
na
Ente
rpris
e
Abb. 2 | Mittlere Läsionslänge der von 2009 bis 2014 getesteten Zuchtnummern und Sorten drei Wochen nach Triebinokulation im Gewächshaus relativ zur Läsionslänge von «Gala».
0
20
40
60
80
100
120
0802
_168
(n=
11)
ACW
2072
0(n
=11
)AC
W20
717
(n=
11)
ACW
2071
9(n
=11
)08
01_1
2(n
=5)
ACW
2072
1(n
=9)
ACW
1643
6(n
=9)
0804
_5(n
=11
)AC
W20
722
(n=
12)
ACW
2074
1(n
=12
)08
01_6
(n=
11)
0801
_2(n
=2)
0803
_111
(n=
12)
1003
_123
(n=
11)
0801
_33
(n=
4)En
terp
rise
(n=
107)
ACW
2198
3(n
=7)
1003
_52
(n=
10)
1118
_8(n
=12
)AC
W17
044
(n=
17)
0803
_125
(n=
12)
ACW
2041
6(n
=12
)AC
W20
668
(n=
12)
ACW
1953
2(n
=20
)AC
W22
018
(n=
9)La
dina
(n=
21)
ACW
1952
8(n
=22
)AC
W15
421
(n=
12)
ACW
2208
2(n
=11
)AC
W22
743
(n=
12)
0801
_35
(n=
11)
ACW
2041
2(n
=20
)AC
W22
916
(n=
11)
ACW
1255
6(n
=12
)AC
W20
718
(n=
11)
ACW
1704
1(n
=20
)AC
W20
975
(n=
12)
0801
_5(n
=10
)AC
W21
194
(n=
12)
ACW
1952
6(n
=20
)AC
W79
22(n
=9)
0801
_13
(n=
5)AC
W19
531
(n=
20)
0723
_1(n
=7)
ACW
1610
2(n
=10
)AC
W19
529
(n=
18)
ACW
1349
0(n
=18
)AC
W21
954
(n=
11)
ACW
2280
0(n
=12
)AC
W82
59(n
=7)
0601
_9(n
=10
)G
ala
Gal
axy
(n=
140)
Läsi
onsl
änge
nac
h 3
Woc
hen
in %
rel.
zu «
Gal
a»
Ente
rpris
e
Ladi
na (T
opaz
x F
uji)
Gal
a
Nachkommen von Malus x robusta 5
Nachkommen von «Evereste»
Nachkommen aus Kreuzung mit robusten Eltern
Agroscope-Sorte «Ladina»
Sorte ohne spezifisch vererbte Resistenz/Robustheit
Robuste Kontrolle
Anfällige Kontrolle
120
100
80
60
40
20
0
Abb. 3 | Mittlere Läsionslänge der 50 von 2009 bis 2014 getesteten «sehr schwach anfälligen» Zuchtnummern und Sorten von Abb. 2 (<25 % Triebanfälligkeit versus «Gala»; n = Anzahl inokulierte und bonitierte Triebspitzen) drei Wochen nach Triebinokulation im Gewächshaus in Prozent relativ zu «Gala» .
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
Direkte Blüteninokulation unter Freilandbedingungen
Das Boniturschema umfasst neun Klassen und reicht von
keinen respektive unklaren Symptomen, über Infektio-
nen der Blütenbüschel und Jungtriebe bis zu Nekrosen
im Holz mit unterschiedlicher Ausprägung (Abb. 4).
2013 und 2014 wurden acht Genotypen in der einge-
netzten Parzelle unter Freilandbedingungen getestet.
Dargestellt sind die Ergebnisse der robustesten Kandida-
ten aus den Testungen 2013 und 2014 (Abb. 4). Anhand
der beiden Kontrollen ist zu erkennen, dass die Resul-
tate über die beiden Jahre vergleichbar sind.
Pflanzenbau | Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten
418
Die 2012 benannte Agroscope-Züchtung «Ladina» sowie
die Zuchtnummer «ACW 14995» (Abb. 5, links) aus der
gleichen Kreuzung («Topaz» x «Fuji») waren deutlich
weniger anfällig als «Gala Galaxy». Bei «Gala Galaxy»
waren im Frühjahr 2013 bei 69 % der inokulierten
Büschel 28 Tage nach der Inokulation Nekrosen im Holz
festgestellt worden (Abb. 5, rechts). Bei «Ladina» waren
es nur 5 % und bei «ACW 14995» bloss 2 %. Die im Früh-
jahr 2014 getestete Zuchtnummer «ACW 13490» («Resi»
x «Ariwa») zeigte nur bei 2,5 % der bonitierten Blüten-
büschel 28 Tage nach der Inokulation Nekrosen im Holz.
Im Vergleich war der Befall bei «Gala Galaxy» zehnfach
höher.
Generationsbeschleunigung Fast Track
Agroscope hat Fast Track nach eigenen Bedürfnissen ent-
wickelt und angepasst. Die verschiedenen Parameter der
Wachstumsbedingungen, wie die Dauer der Winterruhe
sowie die Behandlung mit Wachstumsregulatoren wur-
den in Versuchen evaluiert und optimiert (Baumgartner
et al. 2011).
Seit 2008 wurden für Fast Track 59 Kreuzungskombi-
nationen zwischen jeweils einem feuerbrandresistenten
Elternteil mit Wildapfelabstammung und einer Sorte mit
Tafelqualität durchgeführt (Abb. 7). Dabei wurden ins-
gesamt mehr als 6600 Blüten bestäubt und 4100 Samen
gewonnen. Aus den Sämlingen wurden durch eine
Abb. 4 | Ausgewählte Ergebnisse der künstlichen Blüteninokulation in den Jahren 2013 und 2014 in der Sicherheitsparzelle am Breitenhof. Dargestellt ist der prozentuale Anteil an Blütenbüscheln in den Bonitur-klassen, 7 (nur 2013), 14, 21 und 28 Tage nach Inokulation.
Abb. 5 | Symptome 28 Tage nach künstlicher Blüteninfektion bei Züchtung «ACW 14995» (links) und «Gala Galaxy» (rechts).
2013 2014
0% 20% 40% 60% 80% 100%T7
T14T21T28
Gala Galaxy (n = 103 Büschel) 0% 20% 40% 60% 80% 100%
T14T21T28
Gala Galaxy (n = 125 Büschel)
0% 20% 40% 60% 80% 100%T7
T14T21T28
Enterprise (n = 136 Büschel) 0% 20% 40% 60% 80% 100%
T14T21T28
Enterprise (n = 118 Büschel)
0% 20% 40% 60% 80% 100%T7
T14T21T28
Ladina (n = 126 Büschel) 0% 20% 40% 60% 80% 100%
T14T21T28
ACW 13490 (n = 126 Büschel)
0% 20% 40% 60% 80% 100%T7
T14T21T28
ACW 14995 (n = 128 Büschel) Klasse Kurzbeschreibung
Kl. 1 keine InfektionKl. 2 unklare SymptomeKl. 3 Blüteninfektion (< 1/3 Stiellänge)Kl. 4 Blüteninfektion(Kl. 5 Blütenbüschel und BlütenstandstielKl. 6 Blütenbüschel, Blütenstandstiel und JungtriebKl. 7 Nekrose im Holz ( 5 cm)Kl. 8 Nekrose im Holz (5 10cm)Kl. 9 Nekrose im Holz ( 10cm)
1/3 Stiellänge)
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten | Pflanzenbau
419
Abbildung 6 bildet den Prozess der Selektion im Fast
Track beispielhaft an einer Kreuzung ab. Die Anzahl der
Pflanzen wird durch verschiedene Selektionsparameter
im Verlaufe des Prozesses reduziert. Gezeigt ist eine
Kreuzung zwischen «Topaz» und der F1-Generation von
«Evereste» (‚0801/12‘ = «ACW 11303» x «Evereste») aus
dem Jahr 2010. Wie in der konventionellen Züchtung
strenge Selektion (Abb. 6) 268 Nachkommen mit
Abstammung von «Evereste», 289 Nachkommen von
MR5 sowie ein Nachkomme von Malus fusca (MAL0045)
für die Fast Track Generationsbeschleunigung ausge-
wählt und weiter selektiert. Heute stehen im Gewächs-
haus über 100 Pflanzen mit den gewünschten Resisten-
zen in der dritten Generation.
F3 Evereste
Früchte mitSamen dernächstenGeneration
2010
F1 Evereste
Kreuzung:Topaz
x0801/12
2011 2013
F2 Evereste
Anzucht derSämlinge
MolekulareAnalyse fürFeuerbrand-resistenz Fb_E
Blütenbildung2 Jahre nach Aussaat
Selektionfeuerbrand-resistenterSämlinge mitgutem Wuchs
16 Früchte150 Samen
146 Pflanzen97%
144 Pflanzen96%
7 Pflanzen5%
48 Pflanzen32%
Abb. 6 | Selektionsprozess im System Fast Track am Beispiel der Kreuzung «Topaz» x «0801/12» (F1 «Evereste»).
1126 Samen 146 Pflanzen 858 Samen 143 Pflanzen
980 Samen 73 Pflanzen 787 Samen 163 Pflanzen 357 Samen 32 Pflanzen
EVERESTE
MR5 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
1126 Samen 146 Pflanzen 858 Samen 143 Pflanzen
MR5 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
ACW 11303Elter unbekannt
x
F1 MR5 (n=4)
F2 MR5 (n=10)
xHanners JumboNicogreenElter unbekannt
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
xACW 11303ACW 6707
P Evereste F1 Evereste (n=14) F2 Evereste (n=11)
xTopaz Hanners Jumbo Maribelle
xHanners JumboNicogreenACW 15714ACW 14992
F3 Evereste
F3 MR5 (n=5)
xHanners JumboACW 14992
N=14 N=16
N=10N=4 N=5
N=2
F3 MR5 (n=5)
Hanners JumboN=5
F4 MR5
1126 Samen 146 Pflanzen 858 Samen 143 Pflanzen
980 Samen 73 Pflanzen 787 Samen 163 Pflanzen 357 Samen 32 Pflanzen
EVERESTE
MR5 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
ACW 11303Elter unbekannt
x
F1 MR5 (n=4)
F2 MR5 (n=10)
xHanners JumboNicogreenElter unbekannt
2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014
xACW 11303ACW 6707
P Evereste F1 Evereste (n=14) F2 Evereste (n=11)
xTopaz Hanners Jumbo Maribelle
xHanners JumboNicogreenACW 15714ACW 14992
F3 Evereste
F3 MR5 (n=5)
xHanners JumboACW 14992
N=14 N=16
N=10N=4 N=5
ACW 6707
980 Samen 73
xACW 11303ACW 6707
Evereste
980 Samen
ACW 6707
N=2
Maribelle
73 Pflanzen
N=2
F4 MR5
Abb. 7 | Übersicht der Kreuzungen, gewonnenen Samen und selektierten Pflanzen im Fast Track über mehrere Generationen ausgehend von «Evereste» (oben) und einer F1 von MR5 (unten); (n = Anzahl F1, F2, F3 Pflanzen; N = Anzahl Elternkombinationen).
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
420
Pflanzenbau | Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten
werden im Fast Track molekulare Marker zur frühen
Selektion der feuerbrandresistenten Nachkommen einge-
setzt. Bei einer Kreuzung zwischen einer Qualitätssorte/-
züchtung und einer feuerbrandresistenten Elternsorte
mit Wildapfelabstammung wird die Feuerbrandresistenz
(Fb_E bzw. FB_MR5) an die Hälfte der Nachkommen wei-
tervererbt. In der besagten Kreuzung konnte aus rund
jedem dritten Samen eine resistente Pflanze mit guter
Vitalität und gutem Wuchs ins Fast Track System aufge-
nommen werden. Nach der dritten künstlichen Winter-
ruhe und damit zwei Jahre nach Aussaat haben im Januar
2013 rund 15 % der Pflanzen Blüten gebildet.
Bis heute wurde mittels Fast Track die dritte Nach-
kommenschaftsgeneration (F3) von «Evereste» und MR5
erreicht (Abb. 7). Mit der dritten Generation ist in 6,5 Jah-
ren mehr als die Hälfte der fünf notwendigen Rückkreu-
zungen zur Reduktion des unerwünschten Wildapfelerb-
gutes geschafft. Im Juli 2014 konnten bereits Früchte
geerntet werden, welche die Samen der F4 von MR5 tra-
gen. Bis 2020 wird für beide Wildapfelherkünfte die F5
angestrebt, die mit weniger als 5 % Wildapfelgenom die
gewünschte Grösse und Qualität in Kombination mit
Feuerbrandresistenz (Fb_E bzw. FB_MR5) aufweisen
sollte. Für eine nachhaltige Nutzung müssen Feuerbrand-
resistenzen miteinander und/oder anderen Feuerbrand-
robustheits-QTLs kombiniert werden.
Entscheidende Vorteile der Generationsbeschleuni-
gung mittels Fast Track sind die grosse Durchlässigkeit
und Flexibilität: Pflanzen können vom System im Frei-
land eingekreuzt oder Pollen aus dem Freiland ins
System integriert werden. Im Verhältnis zu intensiveren
Systemen mit regulierter CO2 Konzentration und gesteu-
erten Lichtverhältnissen wie in Neuseeland praktiziert
(Austin et al. 2006), wird im Fast Track in Wädenswil auf
ressourcenschonenden Mitteleinsatz Wert gelegt. Im
Vergleich zur klassischen Züchtung konnte der Generati-
onszyklus auf zwei bis drei Jahre reduziert werden.
Prüfung der Funktionalität von FB_MR5
Der Nachweis der Funktionalität von FB_MR5 als Feuer-
brandresistenzgen wurde mittels A. tumefaciens-Trans-
formation des Gens in die feuerbrandanfällige Apfel-
sorte «Gala» und anschliessender Prüfung der
Feuerbrandresistenz durch Inokulation der regenerier-
ten Linien mit E. amylovora erbracht. Fünf unterschied-
liche Linien wurden erzeugt, zwei mit FB_MR5 unter
Kontrolle des starken 35S Promotor und drei Linien mit
FB_MR5 unter Kontrolle von eigenen regulatorischen
Sequenzen. Pflanzen mit FB_MR5 wiesen zu jedem
erhobenen Zeitpunkt eindeutig weniger Feuerbrand-
symptome auf als «Gala»-Kontrollpflanzen. Bei den
nicht transformierten «Gala»-Kontrollpflanzen breitete
sich die Krankheit kontinuierlich aus, bis zum Tod der
Pflanzen nach drei bis vier Wochen (Abb. 8; Broggini
et al. 2014). Am JKI Dresden wurden zusätzlich zwei
Linien mit dem MR5-virulenten E. amylovora Stamm
ZYRKD3 – 1 inokuliert und für anfällig befunden. Somit
ist der Nachweis für die weltweit erste Identifikation
eines Feuerbrand-Resistenzgens erbracht. Die Klonie-
rung von FB_MR5 erlaubte einen ersten Eindruck zum
Mechanismus einer Feuerbrandresistenz und lieferte
wertvolle molekulare Marker, die für die klassische Züch-
tung von neuen feuerbrandrobusten Sorten eingesetzt
werden können.
Feuerbrandrobuste und -resistente Kernobstsorten
ermöglichen den Produzenten in der Praxis einen nach-
haltigen Anbau. Aufgrund des Lebenszyklus von Obst-
anlagen und der Marktmechanismen dürfte sich die
Umstellung auf feuerbrandrobuste Sorten über längere
Zeiträume erstrecken. n
Dank
Die Autoren danken Cesare Gessler, ETH Zürich, sowie Henryk Flachowsky, And-reas Peil, Thomas Wöhner und Magda Viola Hanke von Julius Kuhn Institut in Dresden (D) für die Zusammenarbeit bei der Identifikation von FB_MR5 und der Fast-Track-Züchtung, sowie Rolf Blapp, Thomas Schwizer und Jürgen Krauss, alle Agroscope, für die technische Unterstützung. Dem Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) danken wir für die finanzielle Unterstützung der Projekte ZUEFOS und ZUEFOS II.
Abb. 8 | Apfeltriebe der Sorte «Gala» (links), Malus x robusta 5 und 2 GV-«Gala» Linien (T36C1 und T40C1) mit dem Gen FB_MR5, 39 Tage nach Inokulation mit E. amylovora Stamm Ea222_JKI. In Linie T40C1 ist FB_MR5 unter Kontrolle des CaMV35S Promotors, in Linie T36C1 ist FB_MR5 unter Kontrolle des eigenen Promotors. Nur «Gala» zeigt die typischen Feuerbrandsymptome.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
421
Züchtung feuerbrandrobuster Apfelsorten | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
Literatur ▪ Austin P., Norling C., Volz R., Bus V. & Gardiner S., 2006. Using controlled environments to accelerate flowering of Malus seedlings. 3rd Internatio-nal Rosaceae Genomics Conference, 19-22 March 2006, War Memorial Conference Centre, Napier. Pp. 113. (Abstracts.)
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▪ Broggini G.A.L., Wöhner T., Fahrentrapp J., Kost T.D., Flachowsky H., Peil A., Hanke M.-V., Richter K., Patocchi A. & Gessler C., 2014. Engineering fire blight resistance into the apple cultivar «Gala» using the FB_MR5 CC-NBS-LRR resistance gene of Malus x robusta 5. Plant Biotechnol. J., 12, 728–733.
▪ Fahrentrapp J., Broggini G.A.L., Kellerhals M., Peil A., Richter K., Zini E. & Gessler C., 2013. A candidate gene for fire blight resistance in Malus x robusta 5 is coding for a CC–NBS–LRR. Tree Gen. Genom. 9, 237–251.
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▪ Peil A., Garcia-Libreros T., Richter K., Trognitz F.C., Trognitz B., Hanke M.-V. & Flachowsky H., 2007. Strong evidence for a fire blight resistance gene of Malus robusta located on linkage group 3. Plant Breed. 126, 470–475.
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▪ Szankowski I., Waidmann S., Degenhardt J., Patocchi A., Paris R., Silfver-berg-Dilwort, E., Broggini G. & Gessler C., 2009. Highly scab resistant transgenic apple lines achieved by introgression of HcrVf2 controlled by different native promoter lengths. Tree Gene. & Geno. 5, 349–358.
▪ Vanblaere T., Szankowski I., Schaart J., Schouten H., Flachowsky H., Broggini G.A.L. & Gessler C., 2011. The development of a cisgenic apple. J. Biotechnol. 157, 304–311.
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▪ Vogt I., Wöhner T., Richter K., Flachowsky H., Sundin G.W., Wensing A., Savory E.A., Geider K., Day B., Hanke M.V. & Peil A., 2013. Gene-for-gene relationship in the host–pathogen system Malus x robusta 5-Erwinia amylovora. New Phytol. 197, 1262–1273.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 414–421, 2014
Selezione di varietà di melo resistenti
al fuoco batterico
Nell’ambito di differenti progetti
finanziati dall’ufficio federale dell’agri-
coltura, la suscettibilità al fuoco
batterico di 215 varietà o selezioni di
melo è stata quantificata in serra di
quarantena tramite inoculazioni
artificiali dei tralci. Per alcune varietà è
stato pure possibile quantificare la
suscettibilità al fuoco batterico in
seguito ad infezioni artificiali dei fiori
di melo all’aperto in una parcella
specificatamente adibita a questo
scopo. Inoltre è stato possibile identifi-
care il gene di resistenza al fuoco
batterico del melo selvatico Malus x
robusta 5» e la sua funzione è stata
confermata introducendo questo gene
nella varietà suscettibile «Gala». Infine
l’approccio del Fast Track è stato
utilizzato al fine di accelerare lo
sviluppo di varietà di melo resistenti al
fuoco batterico con potenziale com-
merciale.
Breeding fire blight resistant apple
varieties
215 apple selections and cultivars were
screened in a glasshouse shoot
infection test for their susceptibility to
fire blight in the frame of projects that
were financed by the Swiss Federal
Office for Agriculture. Selected
varieties were also examined for their
flower susceptibility towards fire
blight in an open air protected orchard.
Moreover, a fire blight resistance gene
originating from the wild apple «Malus
x robusta 5» was precisely localized in
the genome and the efficiency was
tested by introduction of the gene into
the susceptible cultivar «Gala». A Fast
Track approach was used to speed up
breeding of fire blight resistant apple
cultivars with market potential.
Key words: Fire blight (Erwinia
amylovora), apple breeding, shoot test,
Fast Track, FB_MR5.
422 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
halb individuell auf Parzelle und Jahr angepasst werden.
Da zum Zeitpunkt der Ausdünnung die Behangsentwick-
lung nicht ausreichend eingeschätzt werden kann, ist
dies jedoch nur zum Teil möglich. Die Planung der Aus-
dünnung basiert bis heute auf Erfahrungen mit der
Sorte, dem Anbausystem, der Parzelle und den verschie-
denen Ausdünnstrategien.
Es ist ein dringendes Bedürfnis der Produzentinnen
und Produzenten, die Behangsentwicklung besser ein-
schätzen zu können, um die Ausdünnung optimal zu
planen. Agroscope verfolgte in Zusammenarbeit mit
Mitgliedern des internationalen Arbeitskreises für Kul-
E i n l e i t u n g
Bei Äpfeln ist die Anzahl Früchte pro Baum entschei-
dend für die Fruchtqualität und den Ertrag im aktuellen
und im folgenden Jahr (vgl. Kasten). Kulturmassnahmen
zur Regulierung des Behangs werden im Zeitraum zwi-
schen dem Ballonstadium (einige Tage vor dem Aufblü-
hen) bis spätestens 12 mm Fruchtdurchmesser durchge-
führt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass vielfältige
Faktoren das Fruchtfallverhalten eines Baumes sowie die
Wirksamkeit einer Ausdünnbehandlung beeinflussen.
Strategie und Intensität der Ausdünnung müssen des-
Behangsprognose bei Äpfeln
Simon Schweizer1, Lena Neumann3, Peter Braun3, Sonja Kuttnig2, Daniel Baumgartner2 und Albert Widmer1
1Agroscope, Institut für Pflanzenbauwissenschaften IPB 2Agroscope, Institut für Lebensmittelwissenschaften ILM, 8820 Wädenswil, Schweiz3Hochschule Geisenheim, Institut für Obstbau, 65366 Geisenheim, Deutschland
Auskünfte: Simon Schweizer, E-Mail: [email protected]
P f l a n z e n b a u
Abb. 1 | Markieren der Blüten für die Messung des Fruchtzuwachses an Nicoter, am 2. 5. 2013.
Behangsprognose bei Äpfeln | Pflanzenbau
423
Zusa
mm
enfa
ssu
ng
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
Die Behangsregulierung ist eine entschei-
dende Kulturmassnahme im Apfelanbau.
Nur wenn die Anzahl Früchte pro Baum dem
Zielbehang entspricht, stimmen Ertrag und
Qualität über die Jahre. Der Behang wird von
verschiedenen Faktoren beeinflusst und
durch Ausdünnmassnahmen gezielt verrin-
gert. Die nötige Intensität der Ausdünnung
ist jedoch schwierig einzuschätzen, denn sie
muss vor Abschluss des physiologischen
Fruchtfalls im Frühsommer erfolgen. Drei
Ansätze zur frühzeitigen Behangsprognose
wurden in Obstparzellen in der Schweiz,
Deutschland, Österreich und Italien weiter-
entwickelt, angepasst und evaluiert: Frucht-
zuwachsmessung nach D.W. Greene, Stoff-
zusammensetzung der Früchte mittels
Nahinfrarotspektroskopie und Modellierung
der Kohlenstoffbilanz (MaluSim). Den
Untersuchungen zufolge wird Fruchtfall
jedoch nicht zu einem bestimmten Zeitpunkt
determiniert, sondern kann wiederholt
induziert werden. Qualität und Zuverlässig-
keit der Prognosen waren deshalb beim
aktuellen Stand der Entwicklungen für die
Anwendung in der Praxis nicht ausreichend.
Aussichtsreich ist indessen die Einschätzung
der erwarteten Wirksamkeit einer Ausdünn-
behandlung, welche anhand der Kohlenstoff-
bilanz aus MaluSim abgeleitet werden kann.
Die Dosierung für die Behandlung könnte
damit gezielt an die Verhältnisse angepasst
werden.
turführung im Kernobstanbau (Lena Neumann, Hoch-
schule Geisenheim; Michael Clever, OVA Jork; Gottfried
Lafer, Versuchsstation Haidegg; Philipp Brunner, Ver-
suchszentrum Laimburg) drei Ansätze für die Behangs-
prognose: Fruchtzuwachsmessung nach Duane W.
Greene, Modellierung der Kohlenstoffbilanz (MaluSim)
nach Alan N. Lakso und zerstörungsfreie Messung der
Stoffzusammensetzung der Früchte mittels Nahinfra-
rotspektroskopie (NIRS).
Prognosemodelle
Die drei untersuchten Prognoseansätze verfolgen zwei
verschiedene Strategien:
•• Behangsprognose anhand messbarer Merkmale der
Früchte. Implizit ist die Annahme, dass für jede Frucht
schon früh bestimmt ist, ob sie ausreifen oder abfallen
wird. Was von Auge nicht gesehen werden kann, soll
über die Messung des Zuwachses (Methode Greene)
oder der Stoffzusammensetzung (NIRS) erkannt
werden.
•• Prognose des Endbehangs bzw. der zu erwartenden
Wirkung einer erfolgten Ausdünnung mittels Berech-
nung der Kohlenstoffbilanz (MaluSim).
Methode nach Greene
Die von Duane W. Greene entwickelte Methode beruht
auf seiner Beobachtung, dass jene Früchte, welche bis
zum Junifruchtfall abfallen werden, ihr Wachstum
bereits kurz nach erfolgter Ausdünnbehandlung ver-
langsamen (Greene et al. 2005). Mittels Messung des
Fruchtwachstums einer repräsentativen Stichprobe soll
der erwartete Erntebehang schon wenige Tage nach der
Ausdünnbehandlung vorausgesagt werden können.
Falls ein Überbehang prognostiziert wird, kann zu die-
sem Zeitpunkt noch wirksam nachgedünnt werden. In
Absprache mit dem Arbeitskreis für Kulturführung
wurde Greenes Methode in diversen europäischen Obst-
parzellen über mehrere Jahre evaluiert. Diese Messun-
gen zeigten jedoch ein anderes Bild, als nach dem Stu-
dium der amerikanischen Publikationen (Greene et al.
2005; McArtney und Obermiller 2010) erwartet wurde:
Die Prognosen verfehlten die tatsächlichen Fruchtzahlen
z.T. um ein Vielfaches. Anpassungen des mathemati-
schen Modells waren anfänglich vielversprechend (Göl-
les et al. 2012), befriedigten in der weiteren Evaluation
aber ebenfalls nicht.
Um die Ursache für die auftretenden Unregelmässig-
keiten einzugrenzen, wurde das frühe Fruchtwachstum
vertieft untersucht. Dies sollte klären, ob und mit wel-
chen Anpassungen Greenes Methode in europäischen
Obstanlagen eine zuverlässige Behangsprognose liefern
kann.
Pflanzenbau | Behangsprognose bei Äpfeln
424
Nahinfrarotspektroskopie (NIRS)
In Früchten, welche abfallen werden, verändern sich die
physiologischen Prozesse. Greene misst diese Verände-
rung anhand des verlangsamten Wachstums. In der
Annahme, dass sich gleichzeitig auch die Stoffzusam-
mensetzung verändert, wurde untersucht, ob mit NIRS
Unterschiede messbar sind zwischen Früchten, die abfal-
len werden, und solchen, die am Baum bleiben. Die
Nahinfrarotspektroskopie beruht darauf, dass die Inhalt-
stoffe von Früchten mit Licht bestimmter Wellenlängen-
bereiche interagieren (Baumgartner et al. 2007; Nicolai
et al. 2007).
Um mittels NIRS-Messungen eine Ansatzprognose zu
treffen, muss eine Kalibration erstellt werden. Dazu wer-
den die gemessenen Spektren (Abb. 2) mit Hilfe statisti-
scher Rechenverfahren mit der Beobachtung korreliert,
ob eine Frucht bis Ende Juni gefallen oder am Baum ver-
blieben ist. NIRS hätte gegenüber Greene vor allem den
Vorteil, dass schnell und mit weniger Aufwand gemes-
sen werden könnte. Es müssen keine Büschel markiert
werden (Abb. 1) und pro Frucht ist nur eine Messung
nötig.
MaluSim
Das Kohlenstoffbilanzmodell MaluSim für Apfelbäume
wurde in den USA von Lakso et al. entwickelt (Lakso und
Johnson 1990; Lakso et al. 2001). Es berechnet mithilfe
von aktuellen Wetterdaten unter anderem Photosyn-
these und Respiration eines Standardbaumes und daraus
die Kohlenstoffbilanz sowie die Verteilung der Assimi-
late (Produkte der Photosynthese) an die einzelnen
Zielbehang
Ertrag, Qualität und Wirtschaftlichkeit werden im
Apfelanbau massgeblich durch die Höhe des Behangs
(Früchte pro Baum) mitbestimmt. Zu hoher Behang ver-
ursacht Qualitätseinbussen, die Früchte bleiben klein
und reifen nicht vollständig aus. Zudem entstehen hohe
Arbeitskosten bei der Handausdünnung und es folgt
eine schwache Blüte im kommenden Jahr (Alternanz).
Zu geringer Behang bedeutet an sich einen Ertragsver-
lust, verunmöglicht damit die selektive Handausdün-
nung (Entfernen schlecht entwickelter Früchte) und ver-
mindert ebenfalls die Qualität (Stippe, Fleischbräune,
Lagerfähigkeit). Der Zielbehang bezeichnet im Apfelan-
bau die Anzahl Früchte pro Baum, welche den höchsten
Ertrag bei der geforderten Qualität liefert. Oft liegt der
Zielbehang bei nur 5 bis 10 % aller Blüten, je nach Baum
und Blühstärke.
Fruchtfall und Ausdünnung
Apfelbäume stossen einen Teil der jungen Früchte im
Frühsommer ab, um sich den verfügbaren Ressourcen
anzupassen. Das Ausmass dieses Fruchtfalls wird we-
sentlich durch die Verfügbarkeit von Assimilaten (Sink-
Konkurrenz) und durch hormonelle Prozesse bestimmt.
Diese werden ihrerseits von vielfältigen Bedingungen
beeinflusst, insbesondere von der Witterung, der Sorte
und der Unterlage, sowie vom Anbausystem, von der
Nährstoffversorgung, der Befruchtung und den Ver-
hältnissen im Vorjahr. Der Fruchtfall des Frühsommers
wird mit dem Junifruchtfall abgeschlossen. Normaler-
weise ist danach der Behang immer noch wesentlich
über dem Zielbehang, Ausdünnmassnahmen sollen dies
korrigieren. Die Ausdünnung muss möglichst früh erfol-
gen, d.h. deutlich vor Abschluss der Fruchtfallphasen,
um die Fruchtqualität der Ernte und die Blüte im Folge-
jahr effektiv zu verbessern.
Ausdünnmassnahmen greifen auf verschiedene Weise
in die physiologischen Prozesse ein und verstärken
damit den Fruchtfall. Die Effektivität dieser Massnah-
men wird allerdings stark von diversen Einflussfaktoren
mitbestimmt, weshalb die Wirkung einer durchgeführ-
ten Ausdünnung schwierig einzuschätzen ist. Nach dem
Junifruchtfall, zum Zeitpunkt also, wenn der Endbe-
hang gut eingeschätzt werden kann, wird der Behang
von Hand auf das gewünschte Mass korrigiert (Hand-
ausdünnung). Literatur: Schumacher et al. (1989); Win-
ter et al. (2002).
Abb. 2 | NIRS-Gerät im Einsatz. In dieser Studie wurden die Früchte mit dem Reflexions-Spektrometer Phazir (PZ1018, Polychromix) gemessen. Dieses zeichnet NIRS-Spektren im Wellenlängenbereich von 930 bis 1800 nm auf.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
Behangsprognose bei Äpfeln | Pflanzenbau
425
Fruchtzuwachsmessungen an Nicoter und Golden Deli-
cious in Wädenswil durchgeführt. Innerhalb von
24 Tagen wurde zehn Mal gemessen, bei Fruchtdurch-
messern von ca. 4 bis 15 mm (Bachelorarbeit V. Leschenne
2013). Bereits 11 Tage nach Vollblüte zeigte sich deutlich
eine Gruppenbildung innerhalb der Stichprobe. Es gab
eindeutig Früchte mit kontinuierlicher Entwicklung und
solche, die im Wachstum stagnierten (Abb. 3, Messung
vom 22. Mai).
Diese Gruppen entsprachen weitgehend der Frucht-
fallprognose, wie sie mit der Zuwachsmessung nach
Greene erstellt wurde: Früchte mit guter Entwicklung
werden ausreifen, schlecht wachsende werden fallen.
Der tatsächliche Behang nach dem Junifruchtfall war
aber deutlich kleiner als erwartet. Es reiften nicht alle
Früchte aus, die sich bis zum zweiten Messzeitpunkt der
Zuwachsmessung gut entwickelten (Abb. 4, 17 Tage
nach Ausdünnung). Früchte, welche trotz positiver Prog-
nose abfielen (Abb. 4, violett), sind über die ganze Band-
breite der stark wachsenden Gruppe (violett und blau)
verteilt. Sie konzentrieren sich nicht etwa im unteren
Zuwachsbereich, wie man in Anlehnung an Greenes
Hypothese erwartet hätte: Diese anfänglich stark wach-
senden Früchte, die trotzdem abgefallen sind (violett),
zeigten zum Zeitpunkt der Prognosestellung keinen
Zusammenhang zwischen Wachstum und Fallwahr-
scheinlichkeit.
Der Vergleich mit weiteren Messungen an verschie-
denen Sorten und Standorten in der Schweiz sowie an
den Versuchsstationen Laimburg, Haidegg und Jork zwi-
schen 2007 und 2013 (86 Prognosen) bestätigte dieses
Resultat: Die Zahl der Früchte, die trotz starker Anfangs-
entwicklung abfielen, variierte stark und ohne erkenn-
bare Systematik. Diverse Einflussfaktoren sowie deren
Pflanzenorgane. Um das MaluSim-Modell in Europa ein-
setzen zu können, wurden in den letzten Jahren am Ins-
titut für Obstbau der Hochschule Geisenheim einige
Grundannahmen des Modells überprüft und angepasst.
Derzeit wird getestet, ob das Modell bei Entscheidungen
bezüglich Behangsregulierung hilfreich sein kann.
Es existieren zwei Ansätze, um MaluSim als Hilfestel-
lung in der Ausdünnungsberatung zu verwenden:•• Behangsberechnung mit dem Fruchtfallmodell: Mittels
Simulation der Assimilation und des aktuellen Assimila-
tebedarfs der Früchte wird der erwartete Fruchtfall
berechnet. Anhand der aktuellen Wetterdaten werden
die Fruchtzahlen täglich angepasst. Dieses Modell
wurde mit Versuchsdaten vergangener Jahre aus
verschiedenen Regionen verglichen (unten beschrie-
bene Untersuchung).
•• Wirksamkeitsprognose für die Ausdünnbehandlung
(Verwendung in den USA): Die aktuelle Kohlenstoffbi-
lanz wird für einen festgelegten Fruchtbehang
berechnet. Zusammen mit der Wetterprognose kann
damit eine Tendenz bezüglich der Wirksamkeit von
Ausdünnmitteln für die folgenden Tage prognostiziert
werden. Dabei gilt: Bei Kohlenstoffüberschuss ist es
schwieriger auszudünnen, bei Kohlenstoffmangel
wird eine Be-handlung stark wirken und es muss
vorsichtig dosiert werden. Für eine genaue Beschrei-
bung siehe Robinson und Lakso (2011), sowie die
Internetseite der Cornell University (2014).
M e t h o d e n u n d R e s u l t a t e
Greene: Frühes Fruchtwachstum und Fruchtfall
Um das Fruchtfallverhalten im Zusammenhang mit dem
Wachstum der Früchte genauer zu untersuchen, wurden
0
20
40
60
80
100
120
140
23
45
67
89
1011
1213
1415
Anz
ahl F
rüch
te
Fruchtdurchmesser [mm]
Abb. 3 | Messungen des Fruchtdurchmessers an Nicoter (Kanzi®), nach Amidbehandlung (NAAm), 2013. Stichprobe n=529 Früchte (1. Messung). 10 Messungen in 24 Tagen, immer an den gleichen Früchten. Vollblüte 11. 5., Behandlung mit NAAm am 13. 5.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
Pflanzenbau | Behangsprognose bei Äpfeln
426
Kombinationen wurden als mögliche erklärende Grös-
sen geprüft: Position im Baum (stammnah, peripher),
Situation im Blütenbüschel (Zentral- oder Lateralfrucht,
Anzahl Früchte pro Büschel), phänologischer Entwick-
lungsfortschritt zwischen Vollblüte, Behandlung(en) und
Fruchtmessungen (Wärmegradtage), Ausdünnmethode,
Standort und Sorte. Auch unter Einbeziehung dieser
Faktoren konnte keine Verbesserung der Prognose
erreicht werden.
Nahinfrarotspektroskopie
In den Jahren 2011 bis 2013 wurden auf verschiedenen
Parzellen an markierten Fruchtbüscheln NIRS-Messun-
gen durchgeführt, an Gala, Golden Delicious, Braeburn
und Nicoter. Mit der linearen Diskriminanzanalyse,
einem multivariaten Kalibrierverfahren, wurde versucht,
die Äpfel anhand der gemessenen Spektren in Fallende
und Reifende zu klassieren.
NIRS-Modelle sind nur für Früchte gültig, die dem Kalib-
rierset entsprechen. Deshalb müssen möglichst verschie-
dene Früchte von verschiedenen Jahren, Parzellen und
Sorten gemessen werden. Je mehr Fruchtvariabilität ein
Kalibrierset enthält, desto robuster ist die Kalibrierung.
Um die Robustheit eines Modells zu verifizieren, wird
die Prognosegenauigkeit mit Früchten, die nicht im Kali-
brierset enthalten sind, geprüft. Diese externe Validie-
rung ist ein wichtiges Instrument, um die Praxistauglich-
keit der Modelle zu prüfen.
Es konnten NIRS-Modelle entwickelt werden, die von
den 1040 im Modell verwendeten Früchten bei 67 % ±
1 % (Abb. 5A) richtig vorhersagten, ob sie abfallen oder
nicht. Die externe Validierung mit weiteren 260 Früch-
ten ergab jedoch nur noch eine Trefferquote von 58 % ±
2 %. Das ist nur um 8 % besser als eine zufällige Prog-
0
2
4
6
8
10
12
14
-0,8 -0,6 -0,4 -0,2 0,0 0,2 0,4 0,6 0,8 1,0 1,2 1,4 1,6 1,8 2,0 2,2 2,4 2,6 2,8 3,0 3,2 3,4 3,6 3,8 4,0 4,2 4,4 4,6 4,8 5,0 5,2 5,4 5,6 5,8
Anza
hl F
rüch
te
Zuwachs [mm]
gefallen gegen prog. gefallen gem. prog.ausgereift gegen prog. ausgereift gem. prog.
Abb. 4 | Vergleich der Fruchtfallprognose nach Greene mit dem tatsächlichen Behang nach dem Junifruchtfall (4. 7. 2013). Nicoter nach Amidbehandlung (NAAm), Zuwachs zwischen 16. und 30. 5., Vollblüte 11. 5., Behandlung mit NAAm am 13. 5.
A B
gefa
llen
ausg
erei
ft
2011 2012 2013 2011 2012 2013Messungen
Prog
nose
Fru
chtfa
ll
Bonitur am 4. Juli:ausgereiftgefallen
Abb. 5 | Vergleich der Prognose der NIRS-Modelle mit dem tatsächlichen Fruchtfall. (A) Modell aus abfallenden und hän-genbleibenden Früchten und (B) Modell aus Früchten, die entweder in den folgenden Tagen oder gar nicht abfallen.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
Behangsprognose bei Äpfeln | Pflanzenbau
427
Standard-Gala-Baum mit 727 Blüten einen Endbehang
von 237 Früchten berechnet, und tatsächlich hingen in
der Apfelanlage nach dem Junifruchtfall im Mittel noch
236 Äpfel pro Baum.
Der erste Fruchtfall im Simulationslauf (Abb. 6)
beruht auf der Annahme (vorgewählte Einstellung im
Modell), dass ein Drittel der Blüten nicht befruchtet wird
und abfällt. Alle folgenden Fruchtfälle basieren auf den
Berechnungen der Kohlenstoffbilanz und des Frucht-
wachstums. Ein letzter leichter Fruchtfall wurde trotz
positiver Kohlenstoffbilanz für den 6. 6. 2012 berechnet.
Durch den immer höheren Bedarf an Assimilaten in den
wachsenden Früchten entstand dennoch ein Defizit für
die einzelne Frucht.
Weitere Vergleiche von Simulationsläufen mit den
tatsächlichen Fruchtzahlen wurden an verschiedenen
Sorten in nicht ausgedünnten Parzellen in Jork durchge-
führt. Die Resultate sind in Tab. 1 dargestellt, genauso
die berechnete Simulation von MaluSim für Jork. Gute
Übereinstimmungen zwischen berechneten und gemes-
senen Fruchtzahlen wurden 2012 beobachtet, während
nose. Eine wesentliche Schwierigkeit für die Interpreta-
tion der Spektren liegt darin, dass externe Faktoren wie
das Erntejahr, die Wetterverhältnisse, der Standort oder
die Fruchtposition am Baum das NIRS-Spektrum einer
Frucht viel stärker beeinflussen als die physiologischen
Veränderungen, welche den Fruchtfall einleiten.
Bei genauerer Betrachtung der Resultate wurde fest-
gestellt, dass der Fruchtfall bei den Früchten, die in den
nächsten ein bis zwei Wochen nach der NIRS-Messung
abgefallen sind, deutlich besser vorhergesagt wurde
(75 % ± 5%) als bei denen, die später abgefallen sind
(55 % ± 6%).
Aus diesem Grund wurden neue Modelle entwickelt,
die nur mit Früchten gemacht wurden, die entweder in
den folgenden zwei Wochen abgefallen oder vollstän-
dig ausgereift sind. Tatsächlich wurden so bessere Resul-
tate erreicht: 76 % ± 0,3 % der im Kalibrierset enthalte-
nen Früchte wurden richtig vorhergesagt (Abb. 5B) und
71 % ± 2 % der Früchte aus der externen Validierung.
Es gibt also eine messbare Veränderung der Stoffzu-
sammensetzung in den betroffenen Früchten, bevor
diese fallen. Mit NIRS kann diese allerdings erst einige
Tage vor dem eigentlichen Fall festgestellt werden,
wobei selbst dann die Aussagekraft der Messung gering
bleibt.
MaluSim
Zur Anpassung und Validierung von MaluSim wurden
Messungen und Zählungen in einem Praxisbetrieb in
Zornheim an nicht ausgedünnten Bäumen der Sorte
Gala durchgeführt (Masterarbeit T. Pfeifer 2012). Hierbei
konnte eines der angepassten MaluSim-Modelle beson-
ders überzeugen. Die Simulation (Abb. 6) hat für einen
-800
-600
-400
-200
0
200
400
600
800
-80
-60
-40
-20
0
20
40
60
80
24. M
rz
27. M
rz
30. M
rz
02. A
pr
05. A
pr
08. A
pr
11. A
pr
14. A
pr
17. A
pr
20. A
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23. A
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26. A
pr
29. A
pr
02. M
ai
05. M
ai
08. M
ai
11. M
ai
14. M
ai
17. M
ai
20. M
ai
23. M
ai
26. M
ai
29. M
ai
01. J
un
04. J
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07. J
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10. J
un
13. J
un
16. J
un
Früc
hte
C-Ba
lanc
e [g
/Tag
]
Berechnete Fruchtanzahl Tageskohlenstoffbilanz 3-Tagesmittel Kohlenstoffbilanz
Abb. 6 | Simulation der Kohlenstoffbilanz und des Fruchtfalls mittels MaluSim für Gala-Standardbaum in Zornheim, 2012 (727 Blüten/Baum, Knospenaufbruch am 24. 3., Blühzeitraum 17. 4. – 3. 5., Vollblüte 25. 4.)
2010 2011 (Spätfrost) 2012
Braeburn 157/141 130 144
Elstar 306 136 134
Kanzi 160 141 134/140
MaluSim 181 180 137
Tab. 1 | Mittelwerte der Anzahl Früchte/Baum aus nicht ausge-dünnten Parzellen in Jork, sowie berechnete Fruchtzahlen aus den Simulationsläufen (Standardbaum Gala, Annahme: 727 Blüten).
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
428
Pflanzenbau | Behangsprognose bei Äpfeln
in den Jahren 2010 und 2011 (Jahr mit Spätfrost) die
berechneten Fruchtzahlen stärker von den gemessenen
abwichen. Der unterschiedliche Behang der Sorten legt
nahe, dass die Simulation des Fruchtansatzes an Sorten
oder Sortengruppen angepasst werden sollte.
Ein Vergleich mit Versuchsdaten aus der Schweiz von
2012 (verschiedene Sorten, ohne Ausdünnbehandlung)
zeigte ausserdem, dass für eine gute Simulation des
Fruchtfalls eine Einschätzung der Blühstärke eingebun-
den werden muss. Die berechneten Fruchtzahlen aus
Simulationsläufen mit Einstellungen aus Zornheim
(727 Blüten) lagen weit vom tatsächlichen Behang ent-
fernt (mittlere Abweichung 46 % ± 20 %). Mit der Ein-
gabe der am Baum gezählten Blütenanzahl verbesserte
sich die Simulation deutlich (20 % ± 7 %).
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
Alle drei Ansätze verwendeten einfach messbare Grös-
sen am Baum oder, im Fall von MaluSim, in dessen
Umwelt. Auf labortechnische Analysen physiologischer
Vorgänge wurde zugunsten der angestrebten Praxis-
tauglichkeit verzichtet. Keiner der drei Prognoseansätze
konnte überzeugen, indem er eine zuverlässige Prog-
nose für den Behang nach dem Junifruchtfall erzeugen
konnte. Die Untersuchungen ermöglichten jedoch ver-
tiefte Einblicke in das Verhalten von Apfelbäumen in
der frühen Phase der Fruchtentwicklung: Offensichtlich
sind verschiedene Einflussfaktoren während der ganzen
Zeit bis zum Junifruchtfall in der Lage, Fruchtfall zu
induzieren.
Fruchtfallverhalten
Die detaillierte Fruchtzuwachsmessung nach der Blüte
zeigte, dass auf diesem Weg zwar bestimmt werden
kann, welche Früchte sicher abfallen, nicht aber, welche
sicher ausreifen werden. Die Menge Früchte, die trotz
guter Anfangsentwicklung bis zum Junifruchtfall abge-
fallen sind, war sehr variabel. Das Resultat der Zuwachs-
messung kann deshalb genauso trügen wie der Eindruck,
den man bei der visuellen Kontrolle am Baum gewinnt.
Es besteht ein Widerspruch zwischen dieser Folgerung
und früheren Publikationen (Handschak 1997; Greene et
al. 2005; McArtney und Obermiller 2010), welche den
Erfolg von Fruchtfallprognosen auf der Basis von Frucht-
zuwachs oder Fruchtgrösse bestätigten. Abweichende
Bedingungen wie etwa Standort, Kultursystem, Sorte
oder Jahreseinflüsse können Gründe dafür sein.
Die NIRS-Messungen bestätigten die vermutete Ver-
änderung der Stoffzusammensetzung bei den Früchten,
die abfallen werden. Deutlich war die Verbesserung die-
ser Messbarkeit, je näher der Messzeitpunkt am effekti-
ven Fall einer Frucht lag. NIRS kann die physiologische
Veränderung in einer Frucht also erst wenige Tage vor
deren Fall erkennen. Eine frühzeitige Behangsprognose
ist damit nicht möglich.
Der Vergleich zwischen Simulationsergebnissen aus
MaluSim und der Situation am Baum zeigte oft gute
Übereinstimmung. D.h., die aktuelle Versorgungssitua-
tion mit Assimilaten wurde richtig eingeschätzt. Malu-
Sim lieferte aber ebenfalls keine frühzeitige Behangs-
prognose. Die Kohlenstoffbilanz ist zwar ein wesentlicher
Kennwert für die Ausprägung des Fruchtfalls, als witte-
rungsabhängige Grösse kann sie aber nicht für die
Zukunft berechnet werden.
Alle drei Untersuchungen legen den Schluss nahe,
dass der Fruchtfall in den untersuchten Parzellen konti-
nuierlich oder in mehreren Phasen verlief (vgl. Schuma-
cher et al. 1989). D.h., sein Ausmass wurde nicht zu
einem bestimmten Zeitpunkt determiniert, weshalb
eine frühe Prognose des Erntebehangs anhand der
Baum- oder Fruchtentwicklung nicht möglich war.
Ergebnisse von Kockerols et al. (2008) zur Ausdünnungs-
wirkung durch kurzfristige Beschattung der Bäume
bestätigen diese Ansicht; die Beschattung verstärkte den
Fruchtfall auch noch 33 Tage nach Vollblüte, bei Frucht-
durchmessern von rund 22 – 24 mm. Demzufolge indu-
ziert ein Engpass in der Versorgung mit Assimilaten auch
noch 33 Tage nach Vollblüte erneut Fruchtfall.
Wirkungsprognose für die Ausdünnung
Die aktuelle Versorgungssituation (Kohlenstoffbilanz)
eines Baumes beeinflusst direkt und massgeblich die
Wirksamkeit einer Ausdünnbehandlung. Das MaluSim-
Modell kann mithilfe von Wetterprognosen (Temperatur
und Globalstrahlung) die kurzfristige Versorgungssitua-
tion für einen Standardbaum errechnen und damit eine
wertvolle Information für die Auswahl und die Intensität
einer Ausdünnbehandlung bereitstellen (Robinson und
Lakso 2011). Diese Art der Prognose wird in den USA
bereits von einigen Anbietern als Beratungsinstrument
zur Verfügung gestellt. Den Untersuchungen dieser Stu-
die zufolge kann MaluSim auch unter europäischen
Bedingungen angewendet werden. Weitere Forschung
ist jedoch nötig, um MaluSim als Beratungsinstrument
einsetzen n
Dank
Charles Amstein, Antoine & Christophe Betrisey, Luc Magnollay, Adrien Mettaz, Reynald Pasche, Peter Widmer und Thomas Zimmermann für die Messungen in ihren Parzellen, der Union Fruitière Lémanique, dem Strickhof und dem Kanton Wallis für ihre Unterstützung und Zusammenarbeit.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
429
Behangsprognose bei Äpfeln | Pflanzenbau
Ria
ssu
nto
Sum
mar
y
▪ Lakso A. N., White M. D. & Tustin D. S., 2001. Simulation modelling of the effects of short and long-term climatic variations on carbon balance of apple trees. Acta Horticulturae 557, 473-480.
▪ McArtney S. J. & Obermiller J. D., 2010. Evaluation of a Model to Predict the Response of ‘Gala’ Apples to Chemical Thinners. XIth IS on Plant Bio-regulators in Fruit Production, Acta Horticulturae 884, 581-586.
▪ Nicolai B., Beullens K., Bobelyn E., Peirs A., Saeys W., Theron K.& Lam-mertyn J., 2007. Nondestructive measurement of fruit and vegetable quality by means of NIR spectroscopy: A review. Postharvest Biology and Technology 46, 99–118.
▪ Robinson T. L. & Lakso A. N., 2011. Predicting Chemical Thinner Respon-se with a Carbohydrate Model. Acta Horticulturae 903, 743–750.
▪ Schumacher R., Kellerhals M. & Fankhauser F., 1989. Die Fruchtbarkeit der Obstgehölze: Ertragsregulierung und Qualitätsverbesserung. Ulmer, Stuttgart. 242 S.
▪ Winter F., Link H. & Autorenkollektiv, 2002. Lucas' Anleitung zum Obst-bau. Ulmer, Stuttgart. 488 S.
Literatur ▪ Baumgartner D., Gabioud S., Gasser F. & Höhn E., 2007. Zerstörungsfreie Messung innerer Qualitätsmerkmale beim Apfel. Schweizerische Zeit-schrift für Obst- und Weinbau 143 (12), 10–13.
▪ Cornell University, 2014. Cornell Apple Carbohydrate Thinning Model. Zugang: http://newa.cornell.edu/index.php?page=apple-thin [26.05.2014].
▪ Gölles M., Widmer A. & Baumgartner D., 2012. Fruchtansatzprognose beim Apfel unterstützt die chemische Fruchtbehangsregulierung. Agrarforschung Schweiz 3 (10), 478–485.
▪ Greene D. W., Krupa J., Vezina M. & Lakso A. N., 2005. A Method to Pre-dict Chemical Thinner Response on Apples. FruitNotes 70 (2), 12–17.
▪ Handschak M., 1997. Fruchtfall beim Apfel. Obstbau 6, 286–290. ▪ Kockerols K., Widmer A., Gölles M., Bertschinger L. & Schwan S., 2008. Aus-
dünnung von Äpfeln durch Beschattung. Agrarforschung 15 (6), 258–263. ▪ Lakso A. N. & Johnson R. S., 1990. A simplified dry matter production model for apple using automatic programming simulation software. Acta Horticulturae 276, 141–148.
Forecasting crop load in apple trees
Crop-load management is a vital cultural
measure in apple-growing. Only when the
number of fruits per tree corresponds to target
crop-load levels do yield and quality match
over the years. Crop load is influenced by
various factors, and is deliberately reduced
through thinning measures. The necessary
intensity of thinning, however, is difficult to
gauge, since the process must take place
before the physiological fruit drop is over in
early summer. Three approaches to early
forecasting of crop load were refined, adapted
and evaluated on fruit plots in Switzerland,
Germany, Austria and Italy: fruit-growth
measurement according to D.W. Greene;
determination of the material composition of
the fruit by means of near-infrared spectros-
copy; and carbon-balance modelling
(MaluSim). According to the investigations,
fruit drop is not induced at a specific time,
but can be induced repeatedly. Because of this,
with the current state of developments, the
quality and reliability of the forecasts were
insufficient for application in practice. Never-
theless, the estimation of the expected
effectiveness of a thinning treatment which
can be derived using the carbon balance from
MaluSim is promising, and would allow the
dosage for the treatment to be specially
adapted to the conditions in question.
Key words: fruitdrop, predicting fruitset, fruit
thinning, carbon balance, MaluSim, near-infra-
red spectroscopy, NIRS, Malus domestica.
Previsione del carico in melicoltura
La regolazione del carico produttivo rappre-
senta una misura colturale decisiva nella
melicoltura. Solo se il numero di frutti per
albero corrisponde all'obiettivo prefissato di
quantità da produrre saranno garantiti negli
anni buoni livelli di resa e qualità. Il carico
produttivo è influenzato da diversi fattori e
viene ridotto in modo mirato tramite interventi
di diradamento dei frutti. È tuttavia difficile
valutare quale sia la necessaria intensità del
diradamento, in quanto questa operazione
deve avvenire prima del termine della caduta
fisiologica dei frutti all'inizio dell'estate. In
appezzamenti destinati alla frutticoltura in
Svizzera, Germania, Austria e Italia sono stati
sviluppati, adeguati e valutati tre metodi per la
previsione precoce del carico produttivo: il
monitoraggio della crescita dei frutti secondo
D.W. Greene, la misurazione della composizione
dei frutti tramite la spettroscopia nel vicino
infrarosso e la modellizzazione del bilancio del
carbonio (MaluSim). In base ai risultati delle
ricerche, tuttavia, la caduta dei frutti non viene
determinata in un preciso momento, ma può
essere indotta più volte. Allo stato attuale degli
sviluppi, la qualità e l'attendibilità delle
previsioni non si sono dunque rivelate suffi-
cienti per l'applicazione nella pratica. Promet-
tente è invece la valutazione dell'efficacia
attesa di un trattamento di diradamento, che
può essere ricavata sulla base del bilancio del
carbonio, come previsto nel modello MaluSim. Il
dosaggio del trattamento potrebbe così essere
adeguato in modo mirato alle esigenze.
Literatur ▪ Baumgartner D., Gabioud S., Gasser F. & Höhn E., 2007. Zerstörungsfreie Messung innerer Qualitätsmerkmale beim Apfel. Schweizerische Zeit-schrift für Obst- und Weinbau 143 (12), 10–13.
▪ Cornell University, 2014. Cornell Apple Carbohydrate Thinning Model. Zugang: http://newa.cornell.edu/index.php?page=apple-thin [26.05.2014].
▪ Gölles M., Widmer A. & Baumgartner D., 2012. Fruchtansatzprognose beim Apfel unterstützt die chemische Fruchtbehangsregulierung. Agrarforschung Schweiz 3 (10), 478–485.
▪ Greene D. W., Krupa J., Vezina M. & Lakso A. N., 2005. A Method to Pre-dict Chemical Thinner Response on Apples. FruitNotes 70 (2), 12–17.
▪ Handschak M., 1997. Fruchtfall beim Apfel. Obstbau 6, 286–290. ▪ Kockerols K., Widmer A., Gölles M., Bertschinger L. & Schwan S., 2008. Aus-
dünnung von Äpfeln durch Beschattung. Agrarforschung 15 (6), 258–263. ▪ Lakso A. N. & Johnson R. S., 1990. A simplified dry matter production model for apple using automatic programming simulation software. Acta Horticulturae 276, 141–148.
▪ Lakso A. N., White M. D. & Tustin D. S., 2001. Simulation modelling of the effects of short and long-term climatic variations on carbon balance of apple trees. Acta Horticulturae 557, 473-480.
▪ McArtney S. J. & Obermiller J. D., 2010. Evaluation of a Model to Predict the Response of ‘Gala’ Apples to Chemical Thinners. XIth IS on Plant Bio-regulators in Fruit Production, Acta Horticulturae 884, 581-586.
▪ Nicolai B., Beullens K., Bobelyn E., Peirs A., Saeys W., Theron K.& Lam-mertyn J., 2007. Nondestructive measurement of fruit and vegetable quality by means of NIR spectroscopy: A review. Postharvest Biology and Technology 46, 99–118.
▪ Robinson T. L. & Lakso A. N., 2011. Predicting Chemical Thinner Respon-se with a Carbohydrate Model. Acta Horticulturae 903, 743–750.
▪ Schumacher R., Kellerhals M. & Fankhauser F., 1989. Die Fruchtbarkeit der Obstgehölze: Ertragsregulierung und Qualitätsverbesserung. Ulmer, Stuttgart. 242 S.
▪ Winter F., Link H. & Autorenkollektiv, 2002. Lucas' Anleitung zum Obst-bau. Ulmer, Stuttgart. 488 S.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 422–429, 2014
430 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 430–433, 2014
bei Kartoffeln eingesetzt. Bis jetzt sind keine Antagonis-
ten bekannt, die den Erreger der Kraut- und Knollen-
fäule effizient regulieren können. In diesem Bericht wird
die Isolierung und Charakterisierung von Kartoffel-asso-
ziierten Bakterien beschrieben, sowie die Fähigkeit die-
ser Stämme, das Wachstum von P. infestans entweder
direkt oder indirekt, durch Freisetzung von flüchtigen
Verbindungen, in vitro zu hemmen.
Isolierung des Oomyzets und der Bakterienstämme
Das zu testende Polysporenisolat des Oomyzeten P. infes-
tans wurde 2001 isoliert. Im Oktober 2012 wurden Bak-
terienstämme aus der Rhizosphäre und der Phyllosphäre
von drei mit P. infestans befallenen Kartoffelpflanzen
des Standorts Reckenholz gewonnen. Um die kultivier-
bare Diversität zu erhöhen, wurde die Isolierung auf ver-
schiedenen Medien durchgeführt (Luria-Bertani, Actino-
mycete Agar, Malzagar). Bakterien, die sich innerhalb
einer Probe morphologisch voneinander unterschieden,
wurden auf separaten Platten vermehrt. Insgesamt
konnten 137 verschiedene Bakterienstämme isoliert
werden. Die Mehrzahl dieser Stämme wurde durch
Sequenzierung der 16S rRNA oder des RpoD-Gens phylo-
genetisch identifiziert (Hunziker 2013).
In der biologischen Landwirtschaft ist es besonders
schwierig, Kartoffelpflanzen vor Krankheiten zu schüt-
zen, da keine synthetischen Fungizide eingesetzt wer-
den dürfen. In dieser Studie wurde das Hemmpotenzial
von Bakterien aus der Kartoffelpflanze und ihrer Rhizo-
sphäre gegen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule
in vitro getestet. Die Hälfte von ihnen zeigte eine viel-
versprechende Wirkung.
Der Oomyzet Phytophthora infestans ist eines der welt-
weit bedeutendsten Kartoffelpathogene. Im schweizeri-
schen Biokartoffelanbau wird der Erreger der Kraut- und
Knollenfäule häufig mit Kupfer bekämpft. Kupfer wirkt
effizient gegen P. infestans, aber die Anreicherung von
Kupfer im Boden hat negative Auswirkungen auf Boden-
organismen (Kula und Guske 2003). Aus diesem Grund
soll der Einsatz von Kupfer bis 2016 in der EU möglichst
reduziert werden (EU 2009).
Natürlich vorkommende Bakterien können sich sehr
gut zur Regulierung von Krankheitserregern eignen: Das
bereits auf dem Markt vorhandene Produkt Cerall®
(Lantmännen, BioAgri, Schweden) zum Beispiel basiert
auf einem Pseudomonas-Stamm und wirkt gegen Tilletia
caries, den Erreger des Stinkbrands im Getreide. Ein
anderer Pseudomonas-Stamm wird als Proradix® (Sour-
con Padena, Tübingen, Deutschland) gegen Silberschorf
Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen den Erreger der Kraut- und KnollenfäuleDenise Bönisch, Lukas Hunziker und Laure Weisskopf
Agroscope, Institut für Nachhaltigkeitswissenschaften INH, 8046 Zürich, Schweiz
Auskünfte: Laure Weisskopf, E-Mail: [email protected]
K u r z b e r i c h t
Hemmung des Myzelwachstums von Phytophthora infestans durch Kartoffel-assoziierte Bakterienstämme. Links die Kontrolle, rechts der durch den Bakterienstamm R47 gehemmte Oomyzet. (Fotos: Denise Bönisch)
Abb. 1 | Schematische Darstellung der beiden Ansätze, um das wachstumshemmende Potenzial der Bakterienstämme zu testen. Schwarz: Myzelstück von Phytophthora infestans, orange: Bakteri-entropfen der zu testenden Isolate. A: direkter Ansatz, B: VOC-An-satz (volatile Stoffe).
A B
Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule | Kurzbericht
431Agrarforschung Schweiz 5 (10): 430–433, 2014
120 100 80 60 40 20 0 20 40 60 80 100 120
KontrolleR47S50R32R82R84R76S35R01S49R02R95R75S22R74S24S34S04S19S06
VOC-Behandlung direkte Behandlung
+
+
+
+
+
+
+
***
*****
*** ***** **
*** ****** ***** ***
**** **
*** **
*
*** ****
*****
*
******
A
120 100 80 60 40 20 0 0 20 40 60 80 100 120
KontrolleR73R61S01R54R42R60S46R31R85S27R29S25R96
*
**
**
**
**
**
***
VOC-Behandlung direkte Behandlung
**
****
*****
***
*****
******
B
Antagonistisches Potenzial der Bakterienstämme
Das antagonistische Potenzial der Stämme wurde in
einer ersten Vorstudie gegen drei Krankheitserreger
(P. infestans, Rhizoctonia solani, Botrytis cinerea) in vitro
evaluiert. Dieses Screening führte zu einer Auswahl von
32 Stämmen, deren Aktivität gegen Phytophthora in
zwei unterschiedlichen Ansätzen bestimmt wurde: Im
direkten Ansatz wurde ein Myzelstück von 5 mm Durch-
messer in die Mitte einer Petrischale und in gleichmässi-
gen Abständen drei Tropfen mit je 10 μl der bakteriellen
Flüssigkultur (optische Dichte = 1) platziert (Abb. 1A). In
einem zweiten Ansatz wurde nur der Effekt der flüchti-
Abb. 2 | Myzelwachstum von Phytophthora infestans 14 Tage nach der Inokulation mit den isolierten Bakterienstämmen. R steht für die isolierten Bakterienstämme aus der Rhizosphäre und S für Stämme vom Spross der Kartoffelpflanzen (mit Standardfehlerbalken). +: Blau-säureproduzenten, Sterne: signifikante Unterschiede zur Kontrolle (T-Test, n = 3–4 ; * P < 0,05; ** P < 0,01; *** P < 0,001). A: Wirkung von Pseudomonaden auf das Myzelwachstum (in Prozent der Kontrolle), B: Wirkung von Nicht-Pseudomonaden auf das Myzelwachstum (in Prozent der Kontrolle). VOC: volatile Stoffe.
gen Stoffe der Bakterien (VOC = volatile organic com-
pound) getestet. Dazu wurde das Myzelstück in einer
zweigeteilten Petrischale auf der einen Seite platziert,
und auf der anderen Seite wurden drei Bakterientrop-
fen zu je 10 μl pipettiert (Abb. 1B). Phytophthora infest-
ans wurde immer auf Roggenagar und die Bakteri-
enstämme wurden entweder auf Roggenagar (direkter
Ansatz, Abb. 1A) oder auf Luria-Bertani-Medium (LB)
(VOC-Ansatz, Abb. 1B) kultiviert. Nach 14 Tagen wurde
die Wachstumsfläche von P. infestans mittels digitaler
Bildanalyse (ImageJ) gemessen und mit der Kontrolle
(ohne Bakterien) verglichen. Die Ergebnisse werden als
Kurzbericht | Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule
432
Prozent der Kontrolle dargestellt, und die Signifikanz
wurde mittels Student's T-Test bestimmt (n = 3–4, P <
0,05). Die gleichen Platten wurden unter dem Mikros-
kop visuell ausgewertet um festzustellen, ob die bakteri-
ellen Einflüsse eine Änderung in der Struktur des Myzels
hervorrufen können.
Hemmpotenzial der antagonistischen Bakterienstämme
Die getesteten Bakterien wurden in Pseudomonaden
und Nicht-Pseudomonaden aufgeteilt (Abb. 2A und B).
In der ersten Gruppe hemmten insgesamt neun Stämme
das Myzelwachstum von P. infestans, so dass der Oomy-
zet in der direkten Behandlung nur zwischen 8 % und
50 % des Wachstums der Kontrolle erreichte, und alle
diese Stämme zeigten auch durch die volatilen Stoffe
einen sehr guten Hemmeffekt (0 – 30 % des Wachstums
der Kontrolle). Zehn weitere Pseudomonas-Stämme
zeigten nur eine geringe oder gar keine Wachstums-
hemmung (56 – 101 % des Wachstums der Kontrolle) im
direkten Ansatz. Von diesen Bakterien hemmten jedoch
vier Stämme durch die volatilen Stoffe bis zu 50 % des
Wachstums. Bei den Nicht-Pseudomonaden inhibierten
zehn Stämme den Oomyzeten (7 – 50 % des Wachstums
der Kontrolle) in der direkten Behandlung. Drei Stämme
hemmten nur wenig oder gar nicht. Bezüglich der vola-
tilen Stoffe hatten die Nicht-Pseudomonaden nur einen
geringen oder keinen Einfluss, und nur zwei Stämme
inhibierten das Wachstum bis zu 50 %.
Dass die Pseudomonaden im VOC-Ansatz aktiver als
die Nicht-Pseudomonaden waren, ist wahrscheinlich auf
die Produktion von Blausäure zurückzuführen. In der Tat
waren alle Stämme, die das Myzelwachstum komplett
unterbanden, cyanogen (Blausäure-bildend). Allerdings
zeigten auch nicht cyanogene Bakterien sehr gute
Hemmeffekte, z.B. die Stämme S35, R76, R73 oder R54.
Welche andere Stoffe die Inhibition auslösen können,
wird in weiteren Versuchen erforscht.
Es war bemerkenswert, dass die bakteriellen Stämme
je nach Behandlungsansatz das Myzel von P. infestans
unterschiedlich hemmten. Der Pseudomonas-Stamm R47
z.B. hemmte den Pilz sowohl in der direkten als auch in
der VOC-Behandlung hervorragend (Abb. 3), während
der Stamm S49 nur im VOC-Ansatz und R60 nur in der
direkten Behandlung eine sehr gute Inhibition zeigte.
Hingegen wirkte der Stamm S22 in beiden Behandlun-
gen schwach. Dies zeigt, wie sensibel der Oomyzet auf
unterschiedliche Wirkstoffe reagiert, ob sie nun vom sel-
ben Bakterium stammen oder nicht, und ob sie gasför-
mig sind oder durch das Medium diffundieren können.
Stämme wie die Pseudomonaden R47, S50, R32, R82
und R84, die in beiden Ansätzen gute Effekte zeigen,
sind für eine potenzielle Anwendung als Antagonisten
gegen die Kraut- und Kartoffelfäule von Interesse.
Bakterien verändern die MyzelstrukturDurch die Einwirkung der abgegebenen Stoffe der Bakte-
rien in das Medium oder in die Gasphase konnten Verän-
derungen in der Struktur des Myzels sowie der Sporangien
beobachtet werden. Abbildung 4A zeigt das Myzel von P.
infestans in der direkten Behandlung. Im Gegensatz zur
Kontrolle sind in den Hyphen des durch den Stamm R47
gehemmten Oomyzets vakuolenartige Strukturen zu
erkennen. Durch diese Strukturen könnte der Stofftrans-
port in den Hyphen und dadurch das Wachstum des Myzels
Abb. 3 | Hemmung des Myzelwachstums von Phytophthora infestans durch verschiedene Bakterienstämme. Die Bilder wurden 14 Tage nach der Inokulation aufgenommen. Oben die Wirkung nach der direkten und unten nach der VOC-Behandlung.
Kontrolle R47 S49 R60 S22
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 430–433, 2014
Bakterien aus dem Wurzelbereich hemmen den Erreger der Kraut- und Knollenfäule | Kurzbericht
433
sporen eine wesentliche Rolle bei der Ausbreitung der
Epidemie spielen.
S c h l u s s f o l g e r u n g e n
•• Von den 32 getesteten Bakterienstämmen hemmte
etwa die Hälfte der Stämme das Myzelwachstum von P.
infestans bis zu 50 % (direkte und VOC-Behandlung).
•• Die Behandlung mit den aktiven Bakterienstämmen
hemmte nicht nur das Myzelwachstum, es hatte auch
einen Einfluss auf die Bildung der Sporangien.
•• Das Hemmpotenzial dieser Stämme wird zurzeit in
Gewächshausversuchen getestet. n
gehemmt werden. Die Sporangien waren im Vergleich zur
Kontrolle teilweise mit vakuolenartigen Bläschen gefüllt,
und das Zoosporenmaterial in den Sporangien sah zer-
setzt aus. Die Keimung von P. infestans könnte durch diese
Veränderungen durchaus beeinträchtigt sein.
In Abbildung 4B wird der volatile Einfluss von unter-
schiedlichen Bakterienstämmen auf das Myzel von
P. infestans dargestellt. Der Stamm S22 zeigte nur eine
geringe Hemmung auf das Wachstum: Bis auf ein paar
wenige Hyphenkreise sah hier das Myzel demjenigen
der Kontrolle sehr ähnlich. Der mittelgut hemmende
Stamm S35 (Myzelwachstum um 35 % reduziert) hatte
einen grösseren Einfluss auf die Struktur des Myzels. Es
wurden deutlich mehr kreisförmige Hyphen und weni-
ger Sporangien beobachtet. Beim stark inhibierenden
Stamm R76 waren die Kreisstrukturen noch ausgepräg-
ter, und es wurden keine Sporangien mehr gefunden.
Die Stärke der Wachstumshemmung scheint mit sichtba-
ren Veränderungen der Hyphenstruktur sowie mit der
Reduzierung der Sporangienanzahl einherzugehen.
Diese Wirkungen auf die Sporangienbildung sind in
Hinsicht auf eine Regulierung des Erregers beachtens-
wert, da die Sporangien und die darin enthaltenen Zoo-
Literatur ▪ EU, 2009. Amtsblatt der Europäischen Union. Richtlinien der Kommission 2009/37/EG, vom 23. April 2009, Anhang I, 91/414 EWG, Nr. 282.
▪ Hunziker L., 2013. Bacteria as biocontrol agents of Phytophthora infest-ans: Evaluating the putative role of volatile organic compounds in late blight control. Masterarbeit. Universität Zürich.
▪ Kula C. & Guske S., 2003. Auswirkungen von Kupfer auf Bodenorganis-men bei langjähriger Anwendung. In: Alternativen zur Anwendung von Kupfer als Pflanzenschutzmittel. 7. Fachgespräch am 6. Juni 2002 in Ber-lin-Dahlem. Berichte aus der biologischen Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft. Heft 118, 11–16.
Abb. 4 | Strukturveränderung von Phytophthora infestans bei A direkter Behandlung und B VOC-Behandlung. Die Fotos der direkten Behandlung wurden nach drei Wochen, jene der VOC-Behandlung nach sechs Wochen aufgenommen. A Oben die Kontrolle, unten der Stamm R47. B Von links nach rechts: Kontrolle, Stämme S22, S35 und R76, aufsteigend nach ih-rem Hemmpotential.
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 430–433, 2014
R47 10× R47 10× Zoom R47 40×
Kontrolle 10× S22 10× S35 10× R76 10×
A
B
Kontrolle 10× Kontrolle 10× Zoom Kontrolle 40×
434 Agrarforschung Schweiz 5 (10): 434–435, 2014
Wie muss ich mir diese Biokommunikation der Pflanzen
und Insekten im Ökosystem genauer vorstellen?
Unsere Forschung beschäftigt sich mit Duftstoffen, wel-
che als chemische Signale in Ökosystemen fungieren.
Diese chemischen Signale werden von einzelnen Orga-
nismen ausgesendet oder empfangen und lösen bei
ihnen physiologische und molekulare Prozesse aus. Wir
wollen verstehen, wie diese Signale Interaktionen zwi-
schen Pflanzen, Schadinsekten und den natürlichen
Gegenspielern der Schadinsekten vermitteln. Wenn bei-
spielsweise Schadinsekten Pflanzen befallen und von ihr
fressen, verändert sich die chemische Duftwolke der
Pflanze. Diese Duftstoffe können von den natürlichen
Gegenspielern der Insekten über grosse Distanzen wahr-
genommen werden. Die Gegenspieler fliegen dann zur
befallenen Pflanze und fressen die Schadinsekten. Die
Pflanze «ruft» also richtiggehend um Hilfe. In natürlichen und in Agrar-Ökosystemen spielen
diese chemischen Signale eine Schlüsselrolle. Die Bedeu-
tung dieser Signale wurde aber lange nicht erkannt. So
werden beispielsweise in Agrar-Ökosystemen diese kom-
plexen Interaktionen meist nicht berücksichtigt. Dies im
Gegensatz zu den natürlichen Systemen, bei denen das
Im März 2013 wurde Frau Consuelo De Moraes zur Pro-
fessorin für Biokommunikation und Entomologie an der
ETH Zürich ernannt. Vorher forschte und lehrte Sie an
der Pennsylvania State University, USA. Ihre Forschung
beschäftigt sich mit der chemischen Ökologie, insbeson-
dere mit der Rolle von Duftstoffen, welche Interaktio-
nen zwischen Pflanzen, Insekten und den natürlichen
Gegenspielern der Insekten vermitteln.
Frau De Moraes, Sie arbeiten an der Schnittstelle von
Chemie, Biologie und Ökologie. Was fasziniert Sie an
dieser interdisziplinären Forschung?
Mich interessierte schon immer wie Organismen sich ver-
ständigen und miteinander interagieren. Insbesondere
die Welt der Insekten fand ich faszinierend. Als Studen-
tin erkannte ich, dass Chemie für das Verständnis vieler
Prozesse in der Biologie und der Ökologie grundlegend
ist. Deshalb habe ich mich auf diese Gebiete und ihre
Schnittstellen fokussiert. Zum Beispiel verbindet unsere
Forschung nicht nur die Chemie mit der Biologie, son-
dern sie untersucht auch die Rolle von chemischen Sig-
nalen im Ökosystem und trägt so zur Erforschung der
sogenannten Biokommunikation bei.
Consuelo De Moraes, Professorin für Biokommuni-kation und Entomologie an der ETH Zürich
I n t e r v i e w
Consuelo De Moraes, Professorin für Biokommunikation und Entomologie an der ETH Zürich | Interview
435Agrarforschung Schweiz 5 (10): 434–435, 2014
Gleichgewicht zwischen Pflanzen und Insekten unter
anderen auf diesen Mechanismen beruht. Unsere For-
schung untersucht die ökologischen Grundlagen dieser
Interaktionen, um sie für die nachhaltige Regulierung
von landwirtschaftlichen Schadinsekten zu nutzen.
Zudem beschäftigen wir uns auch mit Schadinsekten,
welche Krankheiten bei Pflanzen, Tieren und Menschen
übertragen. Zum Beispiel konnten wir zeigen, dass Mäuse,
die mit dem Malariaerreger infiziert sind, einen höheren
Duftstoffpegel haben. Dies macht sie für Mücken, welche
den Erreger der Malaria übertragen, attraktiver, und sie
saugen bevorzugt von ihrem infizierten Blut. Wir untersu-
chen im Moment, ob diese Prozesse auch bei Menschen
eine Rolle spielen. Wir wollen ein Diagnoseverfahren ent-
wickeln, um infizierte Menschen, die keine Malariasymp-
tome aufweisen, aber als Reservoir für den Malariaerreger
dienen, erkennen und rechtzeitig behandeln zu können.
Wie wird Ihre Forschung die Schweizer Landwirtschaft
erreichen?
Wir betreiben Grundlagenforschung. Unsere Forschung
soll einen Beitrag zur nachhaltigen Produktion von Nah-
rungsmitteln liefern. Dies geschah auch in den USA
bereits durch die Untersuchung von lokalen landwirt-
schaftlichen Systemen. In den USA waren wir darüber
hinaus in eine Reihe von Aktivitäten im Bereich Bildung
und Öffentlichkeitsarbeit mit Landwirten involviert.
Sobald ich mit der Landwirtschaft der Schweiz besser
vertraut bin, möchte ich mit meiner Gruppe Forschungs-
projekte angehen, welche für die Schweizer Landwirt-
schaft von Bedeutung sind.
Wo sehen Sie die zukünftigen landwirtschaftlichen
Schädlingsprobleme der Schweiz?
Ein Hauptaugenmerk der Gesellschaft liegt in der Reduk-
tion von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln.
Eine weitere grosse Herausforderung für die Landwirt-
schaft in der Schweiz, aber auch weltweit, ist die nach-
haltige Produktion von Lebensmitteln in Anbetracht des
Klimawandels. Dieser hat direkte Auswirkungen auf die
Kulturpflanzen. Er bringt aber auch die Ökosysteme aus
dem Gleichgewicht. Somit ergeben sich neue Herausfor-
derungen für die Bekämpfung von Schadinsekten. Dies
erfordert ein differenziertes ökologisches Verständnis
für die Biokommunikation in Agrar-Ökosystemen, um
Schädlingspopulationen nachhaltig zu regulieren.
Wird Ihr Umzug in die Schweiz an die ETH Ihre For-
schung und die Lehre beeinflussen?
Die ETH ist eine der weltweit führenden Hochschulen.
Ihr Umfeld wirkt stimulierend auf die Lehre und die For-
schung. Zudem bietet sie die Gelegenheit, mit Forschen-
den verschiedener Disziplinen zusammenzuarbeiten und
innovative Forschung zu betreiben. Dies ermöglicht uns,
die Forschung in den Bereichen nachhaltige Agrar-Öko-
systeme sowie Schutz von Menschen durch Krankheitser-
reger, wie beispielsweise Malaria, weiterzuführen. Die
ETH bietet somit einen hervorragenden Forschungs- und
Lehrplatz.
Die Vorlesungen werden sich hauptsächlich mit Ento-
mologie und den Wechselwirkungen zwischen Pflanzen
und Insekten in Agrar-Ökosystemen beschäftigen. Zu-
dem werden wir, übereinstimmend mit unseren For-
schungsschwerpunkten, Kurse zum Thema chemische
Ökologie und Biokommunikation anbieten. n
Brigitte Dorn, ETH Zürich (Interview adaptiert und erweitert aus AGE-
CON Newsletter Okt. 2013 )
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Aktuell
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 436–439, 2014
N e u e P u b l i k a t i o n e n
Agroscope Transfer | Nr. 36
Neue Erkenntnisse aus der Forschung, die Revision der
Schweizer Tierschutzgesetzgebung und eine wachsende
Sensibilität der Pferdehaltenden führen seit zwanzig
Jahren zu grossen Veränderungen in der Pferdehaltung.
Der Anteil Pferde, die in traditionellen Haltungssyste-
men wie Ständen oder Innenboxen gehalten werden,
nimmt stetig ab. Vermehrt nachgefragt werden moderne
Aufstallungssysteme wie Auslaufboxen oder Gruppen-
haltungsanlagen. Mit dem Wandel in der Pferdehaltung
treten aber auch Probleme und offene Fragen auf, die
früher nicht von Bedeutung waren. Das vorliegende
Agroscope Transfer, Merkblatt für die Praxis, zeigt die
drei wichtigsten Herausforderungen einer zeitgemässen
Pferdehaltung auf; es sind dies:
1. Fütterungsmanagement
2. Gruppenhaltung
3. Erleichterter Sozialkontakt in der Boxenhaltung
Von der angewandten Forschung wird erwartet, prakti-
kable und finanziell tragbare Lösungen zur Umsetzung
der Theorie in die Praxis zu entwickeln. Die Forschungs-
aktivitäten im Bereich Pferdehaltung sind in der Schweiz
im Vergleich zu anderen Nutztierarten jedoch beschei-
den. Das Schweizerische Nationalgestüt SNG von Agro-
scope in Avenches gehört zu den wenigen Institutionen,
die Forschung in diesem Bereich betreiben. Seit dem
vollständigen Zusammenschluss mit der landwirtschaftli-
chen Ressortforschung Agroscope des Bundes wird die-
ser anwendungsorientierten Forschung in Avenches
noch mehr Rechnung getragen. Zudem wird dem Wis-
senstransfer in die Praxis grosse Bedeutung zugeschrie-
ben. Durch zahlreiche praxisorientierte Kurse, mittels
Veranstaltungen wie der alljährlichen Netzwerktagung
Pferdeforschung Schweiz in Avenches und dem Aus-
kunftsdienst der Beratungsstelle Pferd werden die
Ergebnisse und Erkenntnisse aus der Forschung weiter-
vermittelt.
Iris Bachmann, Agroscope
Fütterung, Gruppenhaltung und Sozialkontakte – die zentralen Herausforderungen der Pferdehal-tung
Fütterung, Gruppenhaltung und Sozialkontakte – die zentralen Herausforderungen der Pferdehaltung
AutorinIris Bachmann
TiereAgroscope Transfer | Nr. 36 / September 2014
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Aktuell
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 436–439, 2014
Agroscope Transfer | Nr. 37
Die vorliegende Datensammlung enthält Grundlagen
und Richtwerte für die Entschädigung überbetrieblich
eingesetzter Landmaschinen. Die Entschädigungsan-
sätze sind ausdrücklich als Richtwerte zu verstehen.
Sie sind kalkulatorische Grössen, die unter den getrof-
fenen Annahmen eine kostendeckende Benutzung
der Maschine zwischen landwirtschaftlichen Betrieben
erlauben. In der Praxis sind die verhandelten Entschä-
digungsansätze auch durch Angebot und Nachfrage
bestimmt, sodass sich mehr oder weniger grosse Abwei-
chungen zu den Agroscope-Ansätzen ergeben können.
Die aufgeführten Arbeitsleistungen beziehen sich nur
auf die effektive Feldarbeitszeit; entsprechend sind
Stör-, Rüst- und Wegzeiten (ausser bei Transportgerä-
ten) nicht berücksichtigt. Deshalb können die angege-
benen Ansätze beispielsweise nicht direkt mit jenen
der Lohnunternehmungen (www.agrartechnik.ch) ver-
glichen werden. Die Entschädigungsansätze gelten pro
Arbeitsdurchgang. Die Treibstoffkosten sind bei den
motorisierten Geräten inbegriffen. Für Kostenberech-
nungen im Einzelfall sind die Annahmen entsprechend
der konkreten Betriebssituation anzupassen.
Christian Gazzarin, Agroscope
TechnikAgroscope Transfer | Nr. 37 / 2014
Maschinenkosten 2014 Gültig bis September 2015
September 2014
Autor
Christian Gazzarin
Die vorliegende Datensammlung enthält Grundlagen und Richtwerte für die Ent-schädigung überbetrieblich eingesetzter Landmaschinen. Die Entschädigungsan-sätze sind ausdrücklich als Richtwerte zu verstehen. Sie sind kalkulatorische Grös-sen, die unter den getroffenen Annahmen eine kostendeckende Benutzung der Ma-schine zwischen landwirtschaftlichen Be-trieben erlauben. In der Praxis sind die ver-handelten Entschädigungsansätze auch durch Angebot und Nachfrage bestimmt, sodass sich mehr oder weniger grosse Abweichungen zu den Agroscope-Ansät-zen ergeben können. Die aufgeführten
Arbeitsleistungen beziehen sich nur auf die effektive Feldarbeitszeit; entsprechend sind Stör-, Rüst- und Wegzeiten (ausser bei Transportgeräten) nicht berücksichtigt. Deshalb können die angegebenen Ansätze beispielsweise nicht direkt mit jenen der Lohnunternehmungen (www.agrar-technik.ch) verglichen werden.Die Entschädigungsansätze gelten pro Arbeitsdurchgang. Die Treibstoffkosten sind bei den motorisierten Geräten inbe-griffen.Für Kostenberechnungen im Einzelfall sind die Annahmen entsprechend der konkre-ten Betriebssituation anzupassen.
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Die Neupreise wurden für diesen Maschinenkostenbericht umfassend überarbeitet.
Inhaltsverzeichnis
1. Motorfahrzeuge 8
2. Zusatzgeräte für Motorfahrzeuge 12
3. Transport 16
4. Bodenbearbeitung 16
5. Saat, Pflege und Pflanzenschutz 20
6. Düngung und Kompostierung 24
7. Getreide-, Raps- und Körnermaisernte 28
8. Kartoffel-, Tabak- und Rübenernte 30
9. Raufutterernte 32
10. Futtereinlagerung, Futterentnahme
und Fütterung 36
11. Übrige Geräte in der Innenwirtschaft 38
12. Forstwirtschaft und Bauarbeiten 40
13. Obstbau 42
14. Rebbau und Weinbereitung 44
15. Gemüsebau 48
Maschinenkosten 2014
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www.agroscope.admin.ch/medienmitteilungen
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M e d i e n m i t t e i l u n g e n
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Agrarforschung Schweiz 5 (10): 436–439, 2014
29.09.2014 Umweltbewertung von Lebensmitteln: Metho-den unter der Lupe Wie gross sind die Auswirkungen eines Produktes auf die
Umwelt? Produktumweltinformationen sollen einerseits
die Konsumentenschaft bei Kaufentscheiden unterstüt-
zen, anderseits eine umweltfreundlichere Produktion
fördern. Agroscope hat zwei der aktuell wichtigsten
Methoden untersucht. Fazit: Es sind wertvolle Instru-
mente, allerdings mit Anpassungs- und Ergänzungs-
bedarf.
15.09.2014 Nützliche Bakterien und Pilze für die Land- und Ernährungswirtschaft entdecken In einem Gramm Boden können so viele Bakterien und
Pilze leben wie es Menschen auf der Welt gibt. Diese
Mikroorganismen können nützlich wie schädlich sein. In
unserem Darm etwa können einige von ihnen unsere
Gesundheit positiv beeinflussen. Welche Biodiversität an
Mikroorganismen gibt es überhaupt und welche erzielen
im Boden oder in Pflanzen und Lebensmitteln positive
Effekte? Um diese Fragen zu erforschen, hat Agroscope
das Forschungsprogramm «Mikrobielle Biodiversität»
initiiert. Das Ziel: Den Nutzen von Mikroorganismen in
der Land- und Ernährungswirtschaft erkennen und för-
dern.
11.09.2014 Höhere landwirtschaftliche Einkommen 2013 Im Jahr 2013 fiel das landwirtschaftliche Einkommen
höher aus als im Durchschnitt der letzten zehn Jahre.
Im Vergleich zu 2012 stieg es um 9,7 Prozent, vor allem
wegen höherer Preise auf dem Schweine- und Milch-
markt. Es betrug im Mittel aller Referenzbetriebe
61 400 Franken je Betrieb. Der durchschnittliche Arbeits-
verdienst pro Vollzeit-Familienarbeitskraft nahm um
7,6 Prozent auf 47 000 Franken zu.
09.09.2014 Der Bio-Konsum steigt mit dem Einkommen Der Konsum von Bio-Lebensmitteln nimmt stetig zu.
Tendenziell werden mit steigendem Einkommen mehr
Bio-Lebensmittel gekauft, allerdings weniger ausge-
prägt in der Romandie als in den übrigen Sprachregio-
nen. Auch Kriterien wie Alter, Familienzusammenset-
zung und Geschlecht beeinflussen die Wahl von
Bio-Produkten. Dies geht aus einer Auswertung der
Haushaltsbudgeterhebung (HABE) durch Agroscope her-
vor.
04.09.2014 «Konservierende Anbausysteme»: Pflanzen im Dienste des Bodens Gründünger helfen mit, den Boden zu schützen. Neu
entwickelte Gründüngungsarten leisten einen Mehr-
wert, indem sie zusätzlich eine Vielzahl anderer Funktio-
nen erfüllen. Sie tragen dazu bei, den weltweit beob-
achteten Verlust der Bodenfruchtbarkeit zu bekämpfen.
Agroscope untersucht, wie Gründüngungskulturen in
innovative Anbausysteme integriert werden können
und fördert dadurch die Entwicklung einer konservie-
renden Landwirtschaft (Conservation Agriculture). Aktu-
elle Forschungsarbeiten wurden am 17. September in
Changins vorgestellt.
439
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
Aktuell
V e r a n s t a l t u n g e n
Informationen: www.agroscope.admin.ch/veranstaltungen
I n t e r n e t l i n k s
Organic Eprints
http://orgprints.org
Organic Eprints ist ein internationales, öffentlich zugäng-
liches Archiv für wissenschaftliche Veröffentlichungen
zum ökologischen Landbau. Archiviert werden überwie-
gend elektronische Volltext-Dokumente. Zu jedem Ein-
trag werden die vollständigen bibliographischen Anga-
ben und weitere Metadaten zur Verfügung gestellt.
November 2014
4.11.2014Weiterbildungskurs für Baufachleute 2014INH, ALB-CH, Agridea, suissemelio
6.11.2014ASPSA 2014Annual Symposium of the PhD-program in Sustainable AgricultureAgroscope INH8046 Zürich
13.11.2014BioForschungstagung Agroscope–FiBL: Grandes culturesAgroscope, FiBL Changins
18.11.2014Profi-Lait-Forschungstag 2014Profi-Lait, Agroscope, Agridea, HAFLHochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissen-schaften HAFL, Zollikofen BE
März 2015
14.3.2015Infotag HAFLHochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissen-schaftenZollikofenInformationen: www.hafl.bfh.ch
18. – 19.3.20155. Tänikoner MelktechniktagungTänikon, 8356 Ettenhausen
V o r s c h a u
November–Dezember 2014 / Heft 11–12
In der Mutterkuhhaltung ist eine optimale Fütterung wichtig. Ver-suche von Agroscope zeigten, dass je nach Art der Fütterung – Trocken- oder Feuchtration – und je nach Rasse der Mutterkühe, das Futter unterschiedlich verwertet wurde. (Foto: Gabriela Brändle, Agroscope)
V o r s c h a u
•• Verzehr einer Feucht- oder Trockenration durch
Mutterkühe, Isabelle Morel und Adrien Butty,
Agroscope und ETH Zürich
•• Wirkung von Konservierungsmitteln bei Feuchtheu,
Ueli Wyss, Agroscope
•• Support Obst Arbo: Ein Netzwerk für den Betriebs-
vergleich im Obstbau, Esther Bravin et al., Agroscope
und Agridea
•• Erdmandelgras: Mais als mögliche Sanierungskultur,
Martina Keller et al., Agroscope
•• Mit Medizinalpflanzen gegen Fusarien und Myko-
toxine in Weizen, Hans-Rudolf Forrer et al., Agroscope;
Duke University, USA und Agricultural University of
Hebei, China
•• Treibhausgasemissionen aus der schweizerischen
Land- und Ernährungswirtschaft , Daniel Bretscher
et al., Agroscope und BLW
•• Schweizerische Sortenliste für Kartoffeln 2015,
Thomas Hebeisen et al. Agroscope
Agrarforschung Schweiz 5 (10): 436–439, 2014
Dienstag/Mittwoch, 4./5. November 2014
Weiterbildungskurs für Baufachleute 2014Gemeinsamer Kurs von ALB-CH, AGRIDEA, Agroscope und suissemelio
Themen• Raumplanungsgesetzgebung – aktueller Stand• Bauen ausserhalb der Bauzone• Beton in landwirtschaftlichen Bauten• Tragwerk & Materialwahl bei landwirtschaftl. Gebäuden• Siloanlagen richtig planen• Stallklima bei frei gelüfteten Rindviehställen• Vermeidung von Fehlerströmen• Revision Brandschutzvorschriften• Finanzierung von Stallbauten
Detailprogramm und Anmeldungwww.agridea.ch > Kurse
KursortLandwirtschaftliches Institut des Kantons Freiburg(LIG), 1725 Posieux
Anmeldeschluss:21. Oktober 2014
Tagungsrahmen
- Einführungsreferat von BernardLehmann, Direktor des Bundes-amtes für Landwirtschaft
- 8 Kurzvorträge, 40 Poster im In-fomarkt
- alle Themen rund um die Milch-produktion: vom Futterbau überdie Fütterung, Zucht und Hal-tung von Milchkühen bis zurMelktechnik und Ökonomie
Programm
www.profi-lait.chwww.hafl.bfh.ch
Ort
Hochschule für Agrar-, Forst- undLebensmittelwissenschaften HAFL3052 Zollikofen
Anmeldung | Information
bis 3. November 2014
online:www.hafl.bfh.ch (Veranstaltungen)
per mail an:[email protected]
Ergebnisse und Erkenntnisse aus abge-schlossenen oder weit fortgeschrittenenForschungs- und Beratungsprojekten al-ler Partnerinstitutionen von Profi-Laitwerden vorgestellt. Daraus hervorge-henden Umsetzungsmöglichkeiten oderHandlungsempfehlungen für die Milch-produzenten werden diskutiert.
Dienstag, 18. November 2014
Profi-Lait-ForschungstagForschung für die Milchproduktion