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Hans Härting Patientensicherheit ein Luxus? S. 12 Michael Schierack Gesundheitspolitik in Brandenburg S. 16 Elisabeth Roegele Anwälte erster und zweiter Klasse? S. 20 MAGAZIN FÜR POLITIK UND GESUNDHEIT 03/2014 Jahrgang 11 5,00 Euro 20348 Gesundheits- versorgung Gesundheits- versorgung ACHILLESVERSE

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am puls, das Branchenmagazin für die Gesundheitswirtschaft

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Hans HärtingPatientensicherheitein Luxus? S. 12

Michael SchierackGesundheitspolitikin Brandenburg S. 16

Elisabeth RoegeleAnwälte erster undzweiter Klasse? S. 20

MAGAZIN FÜR POLITIK UND GESUNDHEIT

03/2014Jahrgang 11

5,00 Euro

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Gesundheits-versorgungGesundheits-versorgungGesundheits-versorgung

ACHILLESVERSE

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Caring and curing Leben retten und Gesundheit verbessern – das ist unser Ziel.

Die Entwicklung bahnbrechender neuer Medikamente steht für Novartis an erster Stelle. Sie schaffen neue Behandlungsmöglichkeiten für bislang unerfüllte medizinische Bedürfnisse der Patienten. Patienten und ihre Bedürfnisse können jedoch sehr unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert den Zugang zu medizinischer Versorgung.

www.novartis.de

Caring and curing Leben retten und Gesundheit verbessern – das ist unser Ziel.

Die Entwicklung bahnbrechender neuer Medikamente steht für Novartis an erster Stelle. Sie schaffen neue Behandlungsmöglichkeiten für bislang unerfüllte medizinische Bedürfnisse der Patienten. Patienten und ihre Bedürfnisse können jedoch sehr unterschiedlich sein. Deshalb bietet Novartis neben innovativen Medikamenten auch Möglichkeiten zur Krankheitsvorbeugung sowie Generika an und verbessert den Zugang zu medizinischer Versorgung.

www.novartis.de

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EDITORIAL

INHALTSkeptiker überzeugt

Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, Herausgeber

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren damaligen Generalsekretär Hermann Gröhe zum neuen Bun-desgesundheitsminister ernann-te, waren die Verwunderung und Skepsis bei den Gesundheitsexper-ten deutlich zu spüren. Selbst in der ö� entlichen Wahrnehmung war Hermann Gröhe als Gesundheits-politiker bis dato eher unau� ällig.

Knapp zehn Monate ist der Bundes-gesundheitsminister nun im Amt, und die Skeptiker reiben sich ver-wundert die Augen. Sein Ministe-rium hat Hermann Gröhe optimal aufgestellt, seine Arbeit wird über-all gelobt und seine Fachkenntnis geschätzt. Schaut man sich eine erste Arbeitsbilanz an, so fällt die-se rundum positiv aus. Die P� e-gereform wurde ein ganzes Stück nach vorne gebracht und die ersten Entwürfe waren bereits kurz nach Amtsantritt auf den Beratungsti-schen. Auch in der ö� entlichen Dis-kussion werden die Veränderungen in diesem Bereich durchweg lobend zur Kenntnis genommen. Mit Karl Josef Laumann als neuen P� ege-beau� ragten der Bundesregierung ist Bundeskanzlerin Angela Merkel und Hermann Gröhe ein absoluter Glücksgri� gelungen.

Die im Koalitionsvertrag festge-legten gesundheitspolitischen � e-men werden sachlich und vor al-lem ruhig abgearbeitet. Hermann Gröhe und sein Ministerium arbei-ten geräuschlos und sehr e� zient. Selbst bei unerwarteten und kurz-fristigen Problemen packt der Bun-desgesundheitsminister schnell an. Bereits 4 Wochen nach der ersten ö� entlichen Wahrnehmung der Probleme der Hebammen wurden Ergebnisse vorgelegt und dann zü-gig umgesetzt.

Auch bei kritischen � emen wie der schnellen Vergabe von Facharztter-minen lässt sich Hermann Gröhe nicht von seinem Weg abbringen. Hier wird es nach der Sommerpause bereits einen ersten Gesetzesentwurf geben. Die zweite Stufe der P� ege-reform ist ebenfalls für 2017 termi-niert, Eckpunkte dazu sind bereits festgelegt.Nicht unerwähnt bleiben sollte auch die unaufgeregte Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe Gesundheit unter Leitung von Jens Spahn. Auch dies trägt sicherlich zum insgesamt positiven Erscheinungsbild bei und ist Bestandteil des Erfolgs der bis-herigen Arbeit.

4 FamilienbandeUnser Autor Mark Never rückt Geschwister behinderter oder chronisch kranker Kinder in den Focus

6 Der GPA im DialogFotoimpressionen vom Jahresempfang des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU NRW (GPA)

7 European Democratic StudentsAls offi zielle Organisation der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören dem EDS derzeit über 40 politische Studentenverbände aus rund 37 Staaten Europas an. Unsere Autorin Silvie Rohr stellt ihn vor

8 Datenschutz in der MedizinDer Datenschutz darf keine Bevormundung der Bürger bezwecken schreibt CDU-MdB Volker Ullrich

10 Gesundheits-KompromisseDie Große Koalition hat bereits zahlreiche Kompromisse zustande gebracht, auch in der Gesundheitspolitik wie SPD-MdB Bärbel Bas aufzeigt

12 QualitätssicherungFlugkapitän Hans Härting vergleicht das Quali-tätsniveau in der Medizin mit demjenigen in der Luftfahrt und kommt dabei zu einem für die Medizin wenig schmeichelhaften Ergebnis

14 Sorgen der DermatologieIn der hautärztlichen Versorgung hat die seit nahezu zwei Jahrzehnten andauernde Kosten-dämpfungspolitik in der Grundversorgung von Hautkranken tiefe Bremsspuren hinterlassen berichtet Klaus Strömer

16 In Brandenburg wird gewähltEin Fazit der Gesundheitspolitik zieht für uns der CDU-Spitzenkandidaten und Arzt Michael Schierack

18 Treffen der GesundheitspolitikerBei einem Treffen der CDU-Gesundheitspoli-tiker aus Bund und Ländern wurden die Ziele in der Großen Koalition defi niert. Es berichtet Gottfried Ludewig

20 Syndikusanwälte wehren sichDie 40.000 Syndikusanwälte in unserem Land wehren sich gegen eine drohende Diskrimi-nierung gegenüber ihren selbstständigen und angestellten Kollegen in Praxen. Elisabeth Roegele klärt die Sachverhalte

22 Die Kolumne zur Gesundheitspolitik schreibt wie immer der CDU-Gesundheitspoliti-ker Jens Spahn, MdB

22 Impressum

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FAMILIENBANDE

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In Deutschland wachsen rund zwei Millionen Kinder mit schwer chronisch erkrankten oder schwer behinderten Geschwistern auf

Jungen und Mädchen mit chronisch kranken oder behinderten Geschwistern nehmen oftmals eine Nebenrolle in der Familie ein. Viele wachsen an der besonderen Verant-wortung, aber nicht alle. Laut in den USA erhobenen Untersuchungen haben gesunde Geschwisterkinder ein 2-3fach erhöhtes Ri-siko, psychosoziale Auffälligkeiten bis hin zu Depressionen zu entwickeln.1

In Deutschland wachsen rund zwei Mil-lionen Kinder mit schwer chronisch er-krankten oder schwer behinderten Ge-schwistern auf.2 Neun von zehn kommen mit der Situation klar. Sie und ihre Fa-milien brauchen vor allem eines: Hilfe zur Selbsthilfe.

Gemeinsam für Geschwister: Stiftung FamilienBandeGeschwister chronisch kranker oder behinderter Kinder rücken in den Fokus – Relevantes aber unbeachtetes Thema

Hier setzt die Novartis-Sti� ung Familen-Bande3 an: Sie bietet ein übergreifendes Informationsangebot und einen niedrig-schwelligen Zugang zu Hilfen in einem bundesweiten Netzwerk von Angeboten speziell für Geschwisterkinder und ihre Familien. Die Sti� ung hat drei Aufga-benfelder: Fachkreise und die Ö� entlich-keit für das � ema Geschwisterkinder zu sensibilisieren und über die besondere Familiensituation aufzuklären, gemein-sam mit Experten aus Praxis, Wissen-scha� , Politik und Gesellscha� Angebo-te für Geschwister zu entwickeln und zu vernetzen sowie Knowhow und wissen-scha� liche Erkenntnisse auch zur Qua-lität der Geschwisterversorgung verfüg-

bar zu machen. Das Ziel ist, dass auch Geschwisterkinder gesund aufwachsen und sich ungestört entwickeln können. Früh erkennen, wenn eine Belastung vorliegtMit dem LARES-Früherkennungstool bietet FamilienBande ein erstes praxis-nahes Instrument zur Unterstützung der Geschwisterarbeit im Alltag von Fach-krä� en und Ärzten. Mittels spezieller Fragebögen für Kinder und Eltern las-sen sich der Belastungsgrad sowie der individuelle Bedarf an Hilfestellungen ermitteln.4

Das Modell beschreibt drei unterschied-licher Belastungsgrade und formuliert möglicher Hilfen:A bei gering belasteten Kinder (70%)

helfen Information, Au£ lärung oder auch Training sowie Schulungen

A Mittelgradig belastete Kinder (20%) brauchen zusätzlich spezielle Ange-bote

A Hoch belastete Kinder (10%) benö-tigen darüber hinaus therapeutische Angebote.

Schwere Belastung durch Prävention verhindernFamilienBande konzentriert sich auf die neun von zehn Geschwisterkindern mit geringer und mittlerer Belastung, die ihre Situation ohne therapeutische Hilfe be-wältigen können. Prävention – also hel-fen, bevor eine Belastung au� ritt - ist der Ansatz, die Sti� ung will Hilfe zur Selbst-hilfe geben. Wichtig ist dabei, dass Be-tro� ene möglichst in erreichbarer Nähe Unterstützung ¦ nden, dass Kinder-, All-gemein- und Fachärzte wissen, wohin sie Familien schicken können, die Unter-stützung suchen.

Hochqualifi zierte Angebote wurden entwickeltIn den vergangenen drei bis vier Jah-ren hat sich mit der Unterstützung von FamilienBande das Angebot für Ge-schwisterkinder zum einen zahlenmä-ßig vergrößert – es wurden aber vor al-lem qualitativ wichtige Entwicklungen erzielt. Der FamilienBande-Qualitäts-zirkel hat z.B. in zwei Jahren eine stan-dardisierte Dokumentation erarbeitet, in der die � emen der Angebote, ihre Zie-

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FAMILIENBANDE

MARK NEVER

Mark Never ist Vorsitzender der Ge-schäftsführung Novartis Deutschland GmbH und Vorstandsvorsitzender der Novartis Stiftung FamilienBande. Er begann seine Karriere bei Novartis im Jahr 2000 als Leiter Marketing & Sales der Region Europa. Anschließend ver-antwortete er als Chief Operating Offi -cer das operative Geschäft von Novartis in Deutschland bevor er Chef der Com-mercial Operations Emerging Growth Markets wurde. Von 2008 bis Oktober 2011 leitete er die Italienische Landes- und Pharmaorganisation. Seit November 2011 ist er Vorsitzender der Geschäfts-führung von Novartis Deutschland und Novartis Pharma

le, Inhalte und Methoden in einer ein-heitlichen Sprache beschrieben wurden. Dies dient als Grundlage für die weitere Qualitätsentwicklung.

Einheitliche Standards sind auch die Ba-sis für das Institut für Sozialmedizin in der Pädiatrie Augsburg, das mit dem Ge-schwisterCLUB eine Reihe von Gruppen- und Einzelangeboten entwickelt hat, die modular aufgebaut und für unterschied-liche Belastungsgrade ausgerichtet und übertragbar in verschiedene Settings sind. Dazu gehört z.B. das Präventions-angebot SuSi (Supporting Siblings), das sich an niedrig belastete Geschwister richtet und den Fokus auf Stressbewäl-tigungsfähigkeiten, Entspannung und Selbstsicherheit legt. Dieses Modul steht kurz vor der Erstattungsfähigkeit durch Krankenkassen.

Online-Suchmaschine schafft niedrigschwelligen ZugangDamit die Informationen und Hilfen für Geschwisterkinder und ihre Fami-lien au� ndbar sind, hat FamilienBan-de-Services im Internet unter www.stif-tung-familienbande.de eine Plattform gescha� en. Eine Online-Suchmaschi-ne ermöglicht einen leichten Zugang zu

inzwischen 230 Hilfsangeboten im ge-samten Bundesgebiet und zu zahlreichen Informationen. Die FamilienBande-Info-line (07762 – 81 99 000) bietet eine ers-te Anlaufstelle für Betro� ene (Geschwis-ter, Eltern und Angehörige), Ärzte und Fachpersonal. Speziell geschulte Mit-arbeiter vermitteln zu bedarfsgerechten Angeboten vor Ort. Ausführliches In-formationsmaterial kann direkt online heruntergeladen oder über [email protected] bestellt werden. FamilienBande veranstaltet außerdem re-gelmäßig Fachtagungen und regelmäßig den FamilienBande-Förderpreis.

Gesellschaftliche Unterstützung ist wichtigDie Ergebnisse einer GfK-Studie unter-stützt die Bedeutung des � emas. 90 % der befragten Kinderärzte und 40 % der Allgemeinärzte gaben an, dass die Ge-schwisterkind-� ematik in der täglichen Praxis angesprochen werde. Für eine sys-tematische Präventions-Arbeit stimmen 91 % der Pädiater und 60 % der Haus-ärzte. Ein weiteres Ergebnis zeigt, dass vier von fünf Kinder- und Hausärzten nach der GfK-Studie ein Instrument zur Früherkennung des Belastungsgrades bei gesunden Geschwistern für sinnvoll

halten. Darüber hinaus wird Familien-Bande unterstützt von prominenten Per-sönlichkeiten aus der Politik wie Bun-desgesundheitsminister Hermann Gröhe und Bundesfamilienministerin Manue-la Schwesig.

Damit sind die ersten wesentlichen Schritte getan, um der Situation von Geschwisterkindern in Deutschland die Aufmerksamkeit zu verscha� en, die sie benötigen. Dieses Ziel kann Familien-Bande aber nur mit breiter gesellscha� -licher Unterstützung erreichen. Auch Gesundheitspolitik und Krankenkas-sen können ihren Teil hierzu leisten, in-dem sie beispielsweise ihr Engagement im Bereich der Prävention, Information und Au£ lärung der Familien erhöhen. Ein wichtiger Baustein: Die Regierung hat sich in ihrem Koalitionsvertrag be-reits klar für Prävention ausgesprochen und will ein Präventionsgesetz auf den Weg bringen.

1 Shape & Rossiter, 2002; Williams 1997; Metanalyse USA2 Statistisches Jahrbuch 20073 2012 gegründet, unterstützt von allen Novartis-Gesellscha� en in Deutschland4 Entwickelt wurde ‚LARES Geschwisterkinder‘ vom Institut für Gesundheitsforschung und Versorgungsförderung (IGV) Bochum, einer gemeinnützigen, wissenscha� lichen Einrich- tung der Ruhr-Universität.

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GPA-EMPFANG

Als Gründungsmitglied des GPA NRW genoss Bundesgessundheitsminister Gröhe sichtlich den gesundheitspolitischen Treffpunkt in der CDU Parteizentrale in Düsseldorf. Die Vorsit-zenden des GPA NRW, Dr. Mathias Höschel und Frank Rudolph, hatten alles, was im Ge-sundheitspolitischen Netzwerk in NRW „Rang und Namen“ hat, zu einer Diskussion mit dem Bundesgesundheitsminister eingeladen. Und er enttäuschte nicht. Nach den Chefs von Techni-ker Krankenkasse, Günter van Aalst, und Kas-senärztlicher Vereinigung NR, Dr. Peter Potthoff, skizzierte Hermann Gröhe die Schwerpunkte seiner Gesundheitspolitik.

Der Nutzen für die Patienten und die Ver-lässlichkeit des Gesundheitssystems für den Bürger beschreibe seine realistische Ge-sundheitspolitik, ganz im Sinne der Sozia-len Marktwirtscha� . Neben der zentralen Aufgabe einer Reform der P� egeversiche-rung, stehe ein Neuverhältnis stationärer-ambulanter Versorgung und die Zukun� s-fähigkeit der Medizinischen Versorgung im ländlichen Raum im Mittelpunkt. Die Auµ ebung der Residenzp� icht, die Ö� -nung bisher begrenzter Berufsausübungs-strukturen, neue Vergütungsmodelle und Strategien zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf zeigten nur einige beein� ussba-re Rahmenbedingungen für die Sicherstel-lung medizinischer Versorgung. In Modell-projekten zur Delegation und Substitution wünsche sich Gröhe mehr Initiative der Ärztescha� , ebenso im Wachstumsbereich e-HEALTH. Er sichere dagegen die Dualität der Finanzierungssysteme zu, setze sich für die Novellie-rung der GOÄ ein und er befürworte die subsidiäre Verantwortung der Selbst-verwaltung. Von dem neu gescha� enen Institut für Qualität verspreche er sich bereits ab 2016 erste Ergebnisse in grundsätz-lichen qualitativen Mess-ergebnissen medizinischer Leistungen.

Mathias Höschel (rechts) begrüßt Bundesminister Hermann Gröhe und Günter van Aalst

Hermann Gröhe erläutert seine Gesund-heitspolitik

Peter Potthoff bei seinem Grußwort

Ein Blick ins Publikum

GPA-EMPFANGGPA-EMPFANG

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JUNGE GENERATION

Von Silvie Rohr

Als europaweiter Zusammenschluss christlich-demokratischer, konservativer und liberaler Studentenverbände sind die European Democrat Students (EDS) der größte europäische Dach-verband politischer Studentenorganisationen.Als offi zielle Organisation der Europäischen Volkspartei (EVP) gehören den EDS derzeit über 40 politische Studentenverbände aus rund 37 Staaten Europas an. Deutsches Mitglied ist der Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Geführt wird der Verband derzeit von Eva Majewski (RCDS), welche kürzlich mit einer überwältigenden Mehrheit von 85 Prozent als Vorsitzende im Amt bestätigt wurde.

Die EDS versuchen Politik für und mit der jungen Generation zu machen. Dies be-schränkt sich jedoch nicht nur auf die regel-mäßigen Ratssitzungen, bei denen Anträge und Stellungnahmen zu diversen politischen � emen erarbeitet und verabschiedet werden. Vielmehr fördern die EDS auch den politi-schen sowie kulturellen Dialog zwischen den Ländern. Dieser wird regelmäßig von dem Austausch mit nationalen und internatio-nalen Politikern sowie Interessensvertretern

EDS-Arbeitsgruppe „Politik für Europa“

Politik muss erlebbar sein EIN BERICHT ÜBER DIE EUROPEAN DEMOCRAT STUDENTS

begleitet. Daneben setzt man sich auch für eine gelebte europäische Integration und den sprichwörtli-chen „Blick über den Tellerrand“ ein. Exemplarisch sei in diesem Zusam-menhang die Unterstützung der Eu-romaidan-Bewegung in der Ukrai-ne genannt. Hier nutzen die EDS die Möglichkeit ihre Worte an die Demonstranten auf dem Unabhän-gigkeitsplatz „Maidan“ zu richten und sich mit örtlichen Politikern auszutauschen. Auch durch Projek-te, wie der „Mission Balkan 6.1“, bei sechs nicht-EU Staaten des Balkans innerhalb von einer Woche bereist wurden, soll die Politik hautnah er-lebbar gemacht werden.

Inhaltlich sind die EDS breit aufge-stellt. Die Basisarbeit ¦ ndet in den ständigen Arbeitsgruppen „Higher Education and Research“, „Policies for Europe“ und „Human Rights“ statt. Zudem haben die Mitglieds-organisationen die Möglichkeit eige-ne Anträge einzureichen. � emati-sche Schwerpunkte waren zuletzt,

EDS-Vorsitzende Eva Majewski vom RCDS

die Scha� ung einer europaweiten digita-len Universität, die Förderung von Jung-unternehmern sowie die Stärkung der partizipatorischen Demokratie inner-halb der EU.

Die erarbeiteten Positionen werden von den EDS in verschiedene europäische und internationale Gremien getragen. EDS-Positionen lassen sich zum Beispiel in der Beschlusslage der EVP wieder¦ n-den. Daneben engagieren sich die EDS auch in anderen studentischen Dach-organisationen wie zum den Beispiel der International Young Democrat Union (IYDU).

Durch all diese Beteiligungsplattformen und Initiativen versuchen die EDS den Spagat zwischen nationaler, europäischer und internationaler Ebene zu meistern. So soll auch den ganz normalen Studen-ten die Möglichkeit geboten sein, durch das eigene Engagement die Weichen

für Morgen zu stellen und ein Teil von geleb-ter Politik zu werden.

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DATENSCHUTZ

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Als ordentliches Mitglied im Rechtsaus-schuss des Deutschen Bundestages für die CDU/CSU-Fraktion befasse ich mich oft mit dem wichtigen Thema Datenschutz im Internet und weise in diesem Zusammen-hang immer wieder darauf hin, wie wichtig der Schutz unserer Daten, der Privatsphäre und der dazugehörigen Grundrechte ist.

Datenschutz und PrivatsphäreDoch wie bekämpfen wir die Feinde unserer Freiheit im Internet am besten, ohne dass wir den Datenschutz verlet-zen und ohne dass wir zu sehr in die Freiheit und die Grundrechte der Bür-ger eingreifen.

Aus meiner Sicht mag da eine Mindest-speicherdauer der Daten ein richtiger und gesetzgeberisch überlegenswerter Ansatz sein. Denn es geht dabei ein-zig und allein darum, wie staatliche Be-hörden bei der Bekämpfung schwerster Stra� aten innerhalb einer kurzen Frist

Der Datenschutz darf keine Bevormundung der Bürger bezwecken

Datenschutz im Internet

auf Daten, die ohnehin gespeichert sind, zugreifen können. In dem Zusammen-hang möchte ich auf die jetzige Rechts-lage hinweisen: Im Augenblick ist es so, dass der Staat nach richterlichem Be-schluss sehr wohl die Möglichkeit des Zu-gri� s auf die Verbindungsdaten hat, es aber vom Zufall abhängig ist, ob die Ver-bindungsdaten noch vorhanden sind oder schon gelöscht wurden. Ich meine, eine rechtsstaatliche Au£ lärung kann nicht al-lein eine Frage des Glücksspiels sein, son-dern es braucht dazu klare rechtsstaatli-che Regelungen.

Dennoch gilt es, vor dem Hintergrund des Schutzes der Grundrechte besonnen und sehr überlegt zu handeln. Gesetzge-berisches Handeln im Kernbereich der Grundrechte verlangt kluges Nachden-ken, hohe Sensibilität und eine umfassen-de Abwägung. Der Bürger soll nicht das Gefühl haben, sein Privatleben ist Gegen-stand einer ständigen Überwachung. Wir

dürfen aber auch nicht vor dem Hinter-grund des Schutzes von Grundrechten und unserer Privatsphäre vergessen, dass der Rechtsstaat auch dann verteidigt und unsere Freiheit verteidigt wird, wenn wir Opfer schützen und die Täter schwerster Kriminalität nach rechtsstaatlichen Maß-stäben ihrer Strafe zuführen.

Gefahrenabwehr kontra FreiheitAufgabe der Politik ist es, sich nicht nur mit der Gefahrenabwehr zu begnügen, sondern auch die Freiheit im Internet zu schützen. Das Internet ist ein Raum zur freien Persönlichkeitsentfaltung und genießt damit einen besonderen Schutz. Unsere moderne Gesellscha� lebt in-zwischen in, mit und von der digitalen Selbstverständlichkeit. Unser Alltags-leben wird durch Surfen, Mailen und Chatten begleitet und auch das komplet-te Wirtscha� sleben sowie weite Teile der ö� entlichen Daseinsvorsorge stützen sich heute auf das Internet und IT-Strukturen. Neben den vielen Vorteilen der neuen di-gitalen Kommunikation birgt aber auch der Missbrauch dieser Technik Risiken. Unsere Verp� ichtung ist es daher, vor einem zu sorglosem Umgang mit dem Netz zu warnen. Denn vor noch nicht allzu langer Zeit ist darüber gesprochen worden, dass jeder Mensch eine Art digi-talen Fingerabdruck hinterlässt und dass die Daten, die von ihm im Internet auf-tauchen, eine Art Pro¦ l des Menschen darstellen können. Wir müssen heute aber davon ausgehen, dass die Wahrheit noch viel tiefgreifender ist. Die digitale Sphäre eines Menschen ist mittlerweile Teil seiner Identität. Wenn die digitalen Daten eines Menschen angegri� en oder missbraucht werden, dann werden auch die Würde und die Persönlichkeit dieses Menschen angegangen. Deswegen müs-sen wir uns auf den Weg machen, die In-tegrität der Daten weiter zu schützen und den Datenschutz voranzutreiben.

Profi lbildung im InternetInsofern begrüße ich das Urteil des Euro-päischen Gerichtshofs vom 13. Mai 2014 zur Stärkung des Datenschutzes im Inter-net. Das höchste EU-Gericht legt darin dem US-amerikanischen Unternehmen Google Inc. weitreichende P� ichten für das Betreiben seines Suchmaschinen-

Datenschutz im InternetDatenschutz im Internet

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DATENSCHUTZ

VOLKER ULLRICH

Dr. Volker Ullrich (38) ist seit 2013 Mit-glied des Deutschen Bundestages für den Wahlkreis Augsburg-Stadt. Der promovier-te Volljurist und Diplom-Kaufmann war 2005 bis 2011 als Rechtsanwalt tätig. 2011 wurde er zum berufsmäßigen Stadt-rat und Leiter des Ordnungsreferats der Stadt Augsburg gewählt

Düsseldorf . Duisburg . Essen . Krefeld . Dortmund (Herbst 2013)

• Gynäkologische OP-Zentren und Tageskliniken

• Stationsersetzende endoskopische / mikroinvasive Operationen

• Partner aller gesetzlichen und privaten Kassen

C3 Kliniken Holding GmbH . Violstraße 92 . 47800 Krefeld . Tel (0 2151) 80 60 50 . [email protected] . www.c3kliniken.de

Prüfet alles, und das Beste behaltet.

J. W. v. Goethe

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dienstes „Google Search“ auf. Das Ge-richt stellt unmissverständlich klar, dass das Grundrecht auf Schutz personenbe-zogener Daten uneingeschränkt auch für das Internet gilt und durch die großen Internetkonzerne auch dann zu beach-ten ist, wenn diese zwar außerhalb der EU ihren Sitz haben, aber im Rahmen ihres Geschä� smodells die personen-bezogenen Daten europäischer Bürger verarbeiten. Das Gericht weist auf die Tragweite und Gefährlichkeit der Pro-¦ lbildung im Internet hin, die nicht al-leine mit dem wirtscha� lichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers gerechtfer-tigt werden könne.

Hintergrund des Urteils ist das Begehren eines spanischen Bürgers auf Löschung eines Internetlinks, der bei Eingabe sei-nes Namens in der Google-Suchmaschi-ne erschien. Der Europäische Gerichts-hof stellte fest, dass in einem solchen Fall ein Löschungsanspruch auch unmittelbar gegen den Suchmaschinenbetreiber be-stehen kann. Im Regelfall, so der Euro-päische Gerichtshof, würden die Interes-sen des Betro� enen am Schutz sensibler Informationen gegenüber dem Interesse der Ö� entlichkeit am Zugang zu diesen Informationen überwiegen. Je nach Rolle der betre� enden Person im ö� entlichen Leben könne diese Abwägung aber auch zu einem anderen Ergebnis kommen.

Vertrauen wiederherstellenDer Datenschutz darf aber auch kei-ne Bevormundung der Bürger bezwe-cken. Aufgabe ist es vielmehr, Transpa-renz und Informiertheit sicher zu stellen und denjenigen, die dies wünschen, Hil-festellungen beim Schutz ihrer personen-bezogenen Daten zu geben. Ein e� ekti-ver Datenschutz im Internet setzt daher international anerkannte Standards vo-raus. Diese müssen die Transparenz und die Datenhoheit der Betro� enen gewähr-leisten und den Aufsichtsbehörden wirk-same und vor allen Dingen durchsetzba-re Sanktions- und Eingri� sbefugnisse geben. Die Reform des europäischen Datenschutzrechts kann hier entschei-dende Akzente setzen und eine globale Vorreiterrolle spielen. Darüber hinaus ist das Datenschutzrecht um die Daten-schutztechnik zu ergänzen. Das Daten-schutzrecht kann einen verbindlichen Rahmen für die Implementierung des technologischen Datenschutzes durch die verantwortlichen Stellen vorgeben – so wie es die Datenschutzgrundver-ordnung etwas für den „eingebauten“ Datenschutz (Privacy by Design) und datenschutzfreundliche Voreinstellung (Privacy by Default) macht. Es versagt allerdings dort, wo jeder Einzelne dazu aufgerufen ist, für die technische Siche-rung seiner Daten zu sorgen oder zu-mindest den Zugri� auf diese wenigstens deutlich zu erschweren. Insofern ist zu-

dem Eigenverantwortung jedes Einzel-nen gefragt.

Im Ergebnis bin ich sehr zuversichtlich, dass wir e� ektiven Datenschutz mit der europäischen Datenschutz-Grundverord-nung und mit dem IT-Sicherheitsgesetz erreichen werden. Das durch staatliches Handeln auf der einen Seite und dem pri-vatwirtscha� lichen Datensammeln ver-loren gegangene Vertrauen ins Internet werden wir somit wiederherstellen.

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GESUNDHEITSPOLITIK

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Seit einem guten halben Jahr regiert die Große Koalition. Auch sie kann sich dem immerwährenden gesundheitspolitischen Handlungsdruck wenig überraschend nicht entziehen: Bis zur Sommerpause 2014 ver-änderte sie den Arzneimittelmarkt und die hausärztliche Versorgung, befasste sich mit der GKV-Finanzstruktur, gründete ein neues Qualitätsinstitut, legte die erste Stufe der Pfl egereform auf, bereitet mit den Ländern eine Krankenhausreform vor, während sie parallel ein Präventionsgesetz und ein Gesetz zur Verbesserung der Versorgungs-strukturen erarbeitet. Politikwechsel am Beispiel der Hausärzte Aus Platzgründen will ich mich auf we-nige, exemplarische Gesetzesvorhaben beschränken. Zum Beispiel das 14. SGB V-Änderungsgesetz: Mit ihm haben wir begonnen, gesundheitspolitische Feh-

Auch die Große Koalition kann sich dem immerwährenden gesundheitspolitischen Handlungsdruck nicht entziehen

ler der letzten Wahlperiode zu beheben. Die schwarz-gelbe Bundesregierung hatte 2010 die Vergütung in der Hausarztzen-trierten Versorgung beschränkt. Ein fata-les Signal in Zeiten des Hausarztmangels. Hausärzte lotsen den Patienten durch das System. Gerade diese Funktion braucht gute Rahmenbedingungen. Hier reicht es nicht, nur für den Beruf zu werben oder das Studium attraktiver zu machen. Wir müssen ihn auch ¦ nanziell attrakti-ver machen. Deshalb haben wir die Be-schränkungen aufgehoben. Im GKV-Strukturstärkungsgesetz werden wir über weitere Schritte nachdenken müssen. Das betri¼ neben den Arbeitsbedingungen auch die Vertretung der Hausärztescha� in den Vertreterversammlungen. Finanzarchitektur versicherten-freundlich weiterentwickelt Ähnliches gilt für das GKV-Finanz-

und Qualitätsweiterentwicklungsgesetz (GKV-FQWG): Schwarz-Gelb konstru-ierte einen einkommensunabhängigen Zusatzbeitrag – die kleine Kopfpauscha-le – und schraubte den allgemeinen Bei-tragssatz so hoch, dass die Kopfprämie nie gri� , aber die Versicherten tief in die Tasche greifen mussten. Beides haben wir korrigiert: Der allgemeine Beitrags-satz sinkt und der Zusatzbeitrag wird einkommensabhängig berechnet. Damit aber die Kassen keinen Wettbewerb um Gutverdienende beginnen, nehmen alle Kassen mit Zusatzbeiträgen an einem Einkommensausgleich teil.  Sicherlich ein Kompromiss: Ich hätte es begrüßt, wenn die Kassen ihre volle Beitragssatzautonomie zurückerhalten hätten und die Beiträge wieder paritä-tisch ¦ nanziert würden. Diese Forde-rung konnten wir in diesem Gesetz nicht unterbringen und es bleibt fraglich, ob

GESUNDHEITSPOLITIK im Zeichen des Kompromisses?GESUNDHEITSPOLITIKim Zeichen des Kompromisses?GESUNDHEITSPOLITIK im Zeichen des Kompromisses?

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GESUNDHEITSPOLITIK

BÄRBEL BAS

Bärbel Bas, MdB (Jahrgang 1968), seit 2013 Parlamentarische Geschäftsfüh-rerin der SPD-Bundestagsfraktion. Seit 2009 für den Wahlkreis Duisburg I direkt gewähltes Mitglied des Deutschen Bun-destags (SPD) und von 2009 bis 2013 Mitglied im Bundestagsausschuss für Ge-sundheit. Seit 2011 Mitglied im Vorstand der SPD-Bundestagsfraktion, seit 2006 stellv. Vorsitzende des SPD-Unterbezirks Duisburg und seit 2010 Vorsitzende des Landesparteirates der NRW SPD. Bis 2009 Krankenkassenbetriebswirtin und Personalmanagement-Ökonomin einer Be-triebskrankenkasse in Duisburg

wir mit der Union eine solche Ver-besserung für die Versicherten durchsetzen können. Die 18. Wahl-periode werden wir deswegen nut-zen, um die Versorgungsstruktur zu verbessern. Hier eint SPD und Union vieles. Ein gutes Beispiel ist das neugescha� ene Qualitätsinstitut. Einkommensabhängige Zusatzbei-träge entschärfen den Preiswettbe-werb. Sie sind aber noch kein Schritt hin zu einem ausgewogeneren Ver-hältnis zwischen Qualitäts- und Preiswettbewerb. Dafür errichten wir ein wissenscha� liches Institut für Qualitätssicherung und Trans-parenz im Gesundheitswesen. Das Institut wird den Patienten zeigen, wie es um die Qualität ihrer Behand-lung steht. Es wird genau dort Licht ins Dunkel bringen, wo es zurzeit im Ge-sundheitswesens noch am düstersten ist: Wie messen wir Qualität, wie bilden wir sie ab – und wie vermitteln wir sie Pa-tienten? Hier wird das Qualitätsinstitut in den kommenden Jahrzehnten viel für die Patienten erreichen. Und wie weiter mit dem Finanzausgleich? Ein spezielles � ema, mit dem ich mich in der 17. Wahlperiode besonders inten-siv auseinandergesetzt habe, steht eben-falls auf der Tagesordnung der Koalition: Die Reform des morbiditätsorientier-ten Risikostrukturausgleiches (Morbi-RSA). Andere Reformen erregen mehr Aufmerksamkeit, aber der Finanzaus-gleich entscheidet über die Existenz gan-zer Kassen. Das Bundesversicherungsamt (BVA) hat die noch vor zwei Jahren hochum-strittene Annualisierung der Ausgaben für Verstorbene auf Grundlage eines Urteils des Landessozialgerichtes Es-sen umgesetzt. Ich halte es bis heute für einen Fehler, dass die Empfehlungen des Wissenscha� lichen Beirats des BVA da-mals nicht umgesetzt wurden. Gerade bei einem so zentralen � ema ist es die P� icht legislativer und exekutiver Ent-scheidungsträger, nicht erst auf die Judi-kative zu warten, sondern selbst Position

zu beziehen. Nicht nur beim Morbi-RSA wurde und wird solche Politik – schneller als sie selbst denkt – von den Entschei-dungen der Gerichte eingeholt. Ich bin Politikerin, weil ich gestalten will. Die-sen Gestaltungsanspruch gebe ich nicht gerne an Gerichte ab. Das hat Schwarz-Gelb damals versäumt und das � ema dann auf die lange Bank geschoben – wie so o� , erinnert sei nur an das „Jahr der P� ege“.  Bereits das GKV-FQWG verändert den Morbi-RSA. In zwei Bereichen führen wir Übergangsmodelle ein, die die Über- und Unterdeckungen reduzieren werden. Darauf au¾ auend werden uns Gutach-ten zeigen, ob weiterer Handlungsbedarf besteht. Diesem werden wir uns anneh-men – auch gegen den Widerstand aus dem Kassenlager. Denn dieser ist nicht entscheidend für eine Reform des Mor-bi-RSA: Der Morbi-RSA ist kein Ins-trument, um bestimmte Kassenarten zu subventionieren. Er soll vielmehr sol-che Patienten schützen, die ansonsten im Wettbewerb der Kassen verlieren – chro-nisch erkrankte, und ältere Versicherte.

Gesundheitspolitik in der Großen Koalition Auch ich gehöre zu denjenigen, die einer Großen Koalition kritisch gegenüberste-hen. Die Gründe lassen sich in dem Fa-zit zusammenfassen, dass diese Koali-tion eine Vernun� ehe ist – nicht mehr,

aber auch nicht weniger. Das zeigte auch dieses kleine gesundheitspoli-tische Resümee. Letztlich ist mir wichtig: Schon jetzt konnte diese Koalition – gesundheits- und ge-samtpolitisch – mehr für die Men-schen in diesem Land bewegen als CDU/CSU und FDP in vier Jahren. In den kommenden Monaten wer-den wir zunächst weitere Sünden der Vorgängerregierung beheben müssen, wie etwa das Urteil des Sachverständigenrates zur Begut-achtung der Entwicklung im Ge-sundheitswesen über das GKV-Versorgungsstrukturgesetz zeigt. Dann werden wir an den Punkt kommen, wo wir nicht mehr nur reparieren, sondern auch gestalten

können. Auch hier werden wir Kompro-misse eingehen und abwägen müssen. Solange diese Kompromisse die Situation der Versicherten aber auch nur minimal verbessern, hat diese Koalition eine ge-sundheitspolitische Zukun� .

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Solange Kompromisse die Situation der Versicherten auch nur minimal verbessern, hat diese Koalition eine gesund-heitspolitische Zukunft

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QUALITÄTSMANAGEMENT

Sebastian Kurz hat ein Ministerium geschaffen, das für Europa, Integration und Äußeres zuständig ist

Mehr Passagiere haben ein fl aues Gefühl beim Einsteigen in ein Flugzeug als man denkt. Dabei ist die Luftfahrt eines der sichersten Systeme, die es gibt. Ein Sys-tem, das von gut ausgewählten, gut aus-gebildeten, gut weitergebildeten und gut trainierten Teams betrieben wird.

Warum ist uns als Gesellscha� Sicher-heit in der Lu� fahrt wichtiger als in der Medizin?Es macht für mich als Staatsbürger kei-nen Unterschied, ob ich als Passagier oder als Patient zu Schaden komme. Für mich ist wichtig, wie hoch mein persön-liches Risiko ist, Schaden in einem Sys-tem zu erleiden. Eine Kennzahl dafür ist, wie viele Personen wie o� zu Scha-den kommen.Die Lu� fahrt wird mit einem Sicher-heitsstandard von 1:10.000.000 betrie-ben, die Medizin hingegen mit einem Sicherheitsstandard von bestenfalls

Einen so geringen Sicherheitsstandard wie in der Medizin könnten wir uns in der Luftfahrt nicht leisten

Ist Sicherheit als Patient ein Luxus in unserer Gesellschaft?

1:100. Das heißt, dass ein Passagier von 10.000.000 Passagieren zu Schaden kommt, in der Medizin hingegen ein Pa-tient von 100.

PatientensicherheitDas ist viel zu teuer, die Sicherheit der Lu� fahrt können wir uns in der Medi-zin nicht leisten. Studien aus den USA haben errechnet, dass die zwei wich-tigsten Einsparungspotenziale in der Medizin die Reduzierung von Überbe-handlungen betri¼ und die Reduzie-rung von Schaden am Patienten. In den USA gibt es mittlerweile „Patient Safe-ty Science“. Aus dem � ema Patienten-sicherheit wurde eine Wissenscha� . In den deutschsprachigen Ländern gibt es Aktionsbündnisse für Patientensicher-heit. Für Flugsicherheit gibt es eine euro-päische Instanz (EASA), die alle Regeln und Bestimmungen, die für die Sicher-heit von Flugpassagieren wichtig sind,

penibel überwacht. Wenn sich jemand über diese Regeln hinwegsetzt, wird die Betriebsgenehmigung entzogen oder ein Flugverbot ausgesprochen.

Ein Krankenhaus wird für Frequenz be-zahlt. Sicherheit und Qualität spielen in den Vergütungssystemen derzeit prak-tisch keine Rolle. Wenn in deutschen Intensivstationen pro zwei beatmeten Patienten dringend eine P� egekra� emp-fohlen ist, wir aber nur für drei beatmete Patienten eine P� egekra� zur Verfügung stellen können, haben wir ein Sicher-heitsproblem für alle Patienten, die auf einer Intensivstation liegen. Das könnte jeder von uns bereits morgen sein.

Würde ein Flugzeug mit zu wenig Besat-zung abheben dürfen, weil nicht genug Personal verfügbar ist? Nein, es müss-te am Boden bleiben, die Airline wür-de sich stra¾ ar machen. Macht sich

Ist Sicherheit als Patient ein Luxus in unserer Gesellschaft?Ist Sicherheit als Patient ein Luxus in unserer Gesellschaft?

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QUALITÄTSMANAGEMENT

HANS HÄRTING

Hans Härting ist als Flugkapitän auf A320 bei Austrian Airlines tätig. Als Head of Human Factors Training ist er für Crew Resource Management Trai-nings, für Flight Safety und Security Trai-nings und für die Pilotenauswahl von Austrian Airlines verantwortlich.Seit 2002 arbeitet er gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Norbert Pateisky daran, das wesentliche Know-how des Hochsi-cherheitssystems Luftfahrt in der Medi-zin anwendbar zu machen.Härting ist zudem seit 2004 im Vorstand von AssekuRisk AG, medical safety part-ners und als solcher im Projektmanage-ment in der Medizin tätig.

ein Krankenhaus mit zu wenig Perso-nal stra¾ ar? Die Schäden, die im System Medizin pas-sieren, sind in ihrer volkswirtscha� li-chen Auswirkung – die amerikanischen Zahlen verwendend – so teuer, dass wir es uns leisten könnten, sie als Volkswirt-scha� im Interesse aller Beteiligten (Pa-tienten, Angehöriger, Krankenhäuser, Krankenkassen, Versicherungen, Pen-sionskassen) zu vermeiden. Warum er-heben wir im deutschsprachigen Raum keine Daten?

Wir haben Fehlermeldesysteme, wir haben Risiko – Management und ein QualitätsmanagementKein Stakeholder des Systems Medizin hat einen Vorteil, die Hauptursachen der Sicherheitsproblematik zu beseiti-gen. Bereits 2/3 der Krankenhäuser bi-lanzieren negativ. Krankenhäuser kön-nen sich Sicherheitsmaßnahmen einfach

nicht leisten. Zum Teil muss auf Sicher-heitsmaßnahmen verzichtet werden, weil man bereits die Ha� p� ichtprämien nicht mehr bedienen kann, die immer höher werden, weil wir keine Mittel haben, die Sicherheitssituation zu verbessern. Es gibt kein Geld Patientenschäden im Vorhinein zu vermeiden, weil wir Geld zurückstel-len müssen, um die Folgen der Schäden im Nachhinein zu ¦ nanzieren. In unzäh-ligen Gesprächen mit Chefärzten, P� ege-direktoren und Krankenhausgeschä� s-führern wurde deklariert, dass sehr viele gerne mehr für die Sicherheit von Patien-ten und Mitarbeitern tun würden. Der budgetäre Situation lassen diesen ¦ nan-ziellen Aufwand aber nicht zu. Die Kon-kurrenz stellt diese � emen zurück und verscha¼ sich damit einen Konkurrenz-vorteil – zu unser aller Schaden.

Der Vorteil einer Verbesserung der Si-cherheitssituation wäre ein volkswirt-

Luftfahrt Medizin & Pfl egePersonalauswahl mittels Selektionen Man ist überwiegend froh, ausreichend

Personal zu fi ndenEs ist Minimum – Personalstand gesetzlich vorgeschrieben

Es ist kein Minimum – Personalstand fest-gelegt

Dienstzeiten und Ruhezeiten sind einzu-halten

Wenn möglich, werden diese eingehalten, aber nicht zwingend

Piloten müssen Ihre Kenntnisse und Fä-higkeiten 2 x pro Jahr auf Simulatoren nachweisen, um die Berufsberechtigung zu verlängern

Die Fortbildung ist über Punkte geregelt. Aktuelle Kenntnisse und Fähigkeiten müs-sen von Ärzten nicht nachgewiesen werden

Flugbegleiter müssen jährlich Prüfungen über Ihre Kenntnisse ablegen.

Es gibt keine Pfl icht zur jährlichen Über-prüfung von Kenntnissen für Pfl ege, MTAs und Hebammen.

Training auf Simulatoren im Team ist zwin-gend zu absolvieren

Training auf Simulatoren kann freiwillig absolviert werden

Simulatoren kosten bis zu15 Millionen §

Simulatoren kosten bis zu80.000.- §

Sicherheitstrainings (CRM Trainings) im Team sind zwingend jährlich zu absolvieren

Sicherheitstrainings (Medical Team Trai-nings) werden nur vereinzelt absolviert.

Es gibt weltweit standardisierte Phraseo-logie und einheitliche Abkürzungen, um Missverständnisse und Verwechslungen zu vermeiden

Abkürzungen werden in einem Krankenhaus bereits auf verschiedenen Abteilungen und Stationen unterschiedlich gehandhabt.

Es gibt eine festgelegte Minimum – Erfah-rung des Piloten. Unterschreitet er diese, muss er mit Fluglehrer fl iegen.

Eine Minimum Erfahrung ist nicht festge-legt. Jeder Operateur hat z. B. das Recht, alles zu operieren

Überschreitet die berufl iche Abwesenheit von Flugbegleitern 6 Monate, muss eine Einschulung vor dem ersten Einsatz er-folgen

Lange Abwesenheit vom Beruf ist nicht an eine verpfl ichtende Neueinschulung ge-bunden.

„Sichere Kommunikation“ ist verpfl ichten-der Lehrinhalt.

„Sichere Kommunikation“ kommt in den Lehrplänen nicht vor.

scha� licher. Aber kein Stakeholder im Gesundheitswesen ist für die Volkswirt-scha� verantwortlich. Weder der Träger, noch die Kassen, noch die Versicherer, noch sonst jemand.

Was könnte man tun?Folgende Tabelle soll elementare Unter-schiede zwischen den beiden Systemen anschaulich machen. Es geht um die Basis von Sicherheit und E� zienz im Gesundheitswesen und der Lu� fahrt und nicht um Details, mit denen der-zeit versucht wird, Sicherheit als Kom-promiss leistbar, aber nicht als syste-mische Voraussetzung gewährleistbar zu machen. Einige dieser Unterschie-de, wie zum Beispiel Medical Team Trainings (MTT) als Gegenstück von Crew Resource Management (CRM) Trainings in der Lu� fahrt, wären sehr leicht umsetzbar. Dafür bräuchten wir aber Gesetze und Mittel, sonst werden diese Trainings nicht in die Praxis um-gesetzt - wie sie in der Lu� fahrt nicht umgesetzt worden wären.Darüber gibt es keinen Zweifel.

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DERMATOLOGIE

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Die gesetzliche Krankenversicherung steht in den kommenden Jahren vor einer Vielzahl neuer Herausforderungen: Mit der längeren Lebenserwartung steigt die Morbidität und damit die Kosten. Prävention wird immer wichtiger, um die Gesundheit möglichst lange zu erhalten. Gleichzeitig stehen nicht mehr genug junge Ärztinnen und Ärzte zur Verfügung, die hohe Zahl ausscheidender Kollegen in der ambulanten wie in der sta-tionären Versorgung zu ersetzen.

In der hautärztlichen Versorgung kom-men Altlasten hinzu. Die nahezu zwei Jahrzehnte andauernde Kostendämp-fungspolitik hat in der Grundversorgung von Hautkranken tiefe Bremsspuren hin-terlassen. Die vom Sachverständigenrat im Gesundheitswesen vor über einem Jahrzehnt festgestellte Unter- und Fehl-versorgung chronisch Kranker ist in der Dermatologie bis heute nicht überwun-den. Das betri¼ Patienten mit Neuro-dermitis oder Schuppen� echte – das sind jeweils rund zwei Prozent der Bevölke-rung – ebenso wie Allergiker. Auch sie warten schon mehr als zehn Jahre darauf,

Es gibt erste Hinweise, dass das Screening die Sterblichkeit beim „schwarzen Hautkrebs“ senkt

Lösungsansätze für Versorgungsprobleme in der Dermatologie

Es gibt erste Hinweise, dass das Screening die Sterblichkeit beim „schwarzen Hautkrebs“ senkt

dass die vom „Aktionsbündnis Allergie-prävention“ geschmiedeten Pläne einmal Wirklichkeit werden. Dabei wurde die-ses auf Initiative der damaligen Bundes-regierung ins Leben gerufen.Bei Hauterkrankungen geht es nicht um kosmetische Hautprobleme. Eine Schup-pen� echte mittelschwerer bis schwerer Ausprägung verkürzt, wie Studien zei-gen, die Lebenserwartung um Jahre. Hin-zu kommen starke Einschränkungen in der Lebensführung und eine belastende Stigmatisierung, die auch in unserem aufgeklärten Zeitalter noch nicht über-wunden ist.

Hautkrebsvorsorge als BevölkerungsscreeningDie Präventionsleistungen stehen aus Kostengründen neu zur Debatte. Das Konzept zum Hautkrebsscreening hat die Fachgruppe entwickelt, lange bevor es als Leistung der GKV eingeführt wur-de. Damals mussten es die Patienten aus der eigenen Tasche bezahlen. Die Arbeitsgemeinscha� der amtlichen deutschen Krebsregister verzeichnet

aktuell eine Viertel Million neue Haut-krebsfälle jährlich – und nicht nur des-halb, weil wir heute die Bevölkerung in Deutschland vorsorglich umfassend untersuchen. Überall in der Welt stei-gen die Hautkrebszahlen. Und sie wer-den in den nächsten zwei Jahrzehnten weiter steigen, nach Expertenschätzung um den Faktor zwei bis drei. Es gibt erste Hinweise namentlich aus Schleswig-Holstein, dass das Screening die Sterblichkeit beim „schwarzen Haut-krebs“ senkt. Im europäischen Vergleich wird der Erfolg des Hautkrebsscreenings noch deutlicher. Schon in den benach-barten Niederlanden ist das Risiko an einem malignen Melanom („schwarzer Hautkrebs“) zu sterben, bei vergleichba-rer Hautkrebshäu¦ gkeit 30 Prozent hö-her als bei uns in Deutschland.Bei der weit überwiegenden Zahl der Fälle von hellem Hautkrebs hingegen steht nicht das schiere Überleben, son-dern noch weit mehr die Vorverlagerung des Diagnosezeitpunkts im Vordergrund. Eine nachfolgend notwendige weitere Tumorbehandlung kann dank des früh-

Lösungsansätze für Versorgungsprobleme in der Dermatologie

Lösungsansätze für Versorgungsprobleme in der Dermatologie

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KLAUS STRÖMER

Dr. Klaus Strömer, Jahrgang 1954, seit 1993 in eigener Praxis niedergelassen in Mönchengladbach, ist seit April 2013 Präsident des Berufsverbandes der Deut-schen Dermatologen, dem Vorstand des Verbandes gehört er bereits seit dem Jahr 2000 an, ebenso seit 2008 dem Präsidium der Deutschen Dermatologi-schen Gesellschaft

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zeitigen Screenings weit weniger aufwen-dig und damit erheblich kostengünstiger gestaltet werden.

Entzündliche Hauterkrankungen und Allergien – lebenslänglichErhebliche Ressourcen hat namentlich der Berufsverband der Deutschen Der-matologen auch in die Verbesserung der � erapie von Schuppen� echtekranken gesteckt. Im Jahr 2008 ließ der Gemein-same Bundesausschuss auf der Grund-lage einer Studie des BVDD die ambu-lante Balneo-Phototherapie neu für die Versorgung von Psoriatikern zu. Negativ wirkt sich bis heute eine Neuregelung im Arzneimittelgesetz aus, nicht verschrei-bungsp� ichtige Medikamente generell von der Erstattungsfähigkeit durch die Krankenversicherung auszunehmen. Dies betri¼ auch hoch dosierte Urea-Präparate, die unsere Patienten im Rah-men einer Intervalltherapie benötigen, um den nächsten Schub ihrer Erkran-kung möglichst lange hinauszuzögern.

Leitlinien und Versorgungsziele ge-ben OrientierungWir haben Lehren aus unseren ersten Erfahrungen im Umgang mit dem In-stitut zur Förderung der Qualität und Wirtscha� lichkeit im Gesundheitswe-sen und dem Gemeinsamen Bundesaus-schuss gezogen. So entstand eine erste so genannte S3-Leitlinie zur Psoriasis, um die wissenscha� lich belegte Wirksamkeit der unterschiedlichen � erapieoptionen zu dokumentieren und daraus Empfeh-lungen für eine indikationsgerechte ärzt-liche Verordnung abzuleiten. Weil Studiendaten nur selten hinreichend die Versorgungswirklichkeit darstellen, haben Berufsverband und wissenscha� -liche Gesellscha� in der Dermatologie als eine der ersten im deutschen Ge-sundheitswesen überhaupt vor 10 Jah-ren eine eigene Versorgungsforschung aufgebaut –– das renommierte Compe-tenzzentrum für Versorgungsforschung in der Dermatologie und Venerologie (CVderm), Hamburg, mit Prof. Matthi-as Augustin an der Spitze. Flankiert wird diese empirische Arbeit von der Regis-terarbeit zur Wirkung von Arzneimit-teln nach der Zulassung für die medizi-nische Versorgung. Hinzu kommt aktuell

auch eine Informationsstelle zur Anwen-dung von Medikamenten außerhalb der Zulassung. Hintergrund für sdieses Pro-jekt ist die Tatsache, dass in der Derma-tologie insgesamt rund 4.000 – darunter zahlreiche sehr seltene Formen – Haut-krankheiten zu versorgen sind.Die Ausarbeitung von ärztlich de¦ nier-ten Versorgungszielen und eines Fünf-Jahresplanes zur – empirisch darstellba-ren – Verbesserung der Lebensqualität Betro� ener sowie die Gründung von re-gionalen Psoriasisnetzen waren weitere Schritte auf diesem Weg.Ähnliche Bemühungen laufen mit Blick auf die Unterversorgung von Allergikern fachgruppenübergreifend mit Kinderärz-ten, Hals-Nasen-Ohren-Ärzten und Lun-genfachärzten im „Forum Allergologie“. Nach dem Regierungswechsel 2013 sind erste, allerdings noch sehr zögerliche Be-mühungen einzelner Krankenkassen zu beobachten, für Patienten mit rheuma-toider Arthritis oder auch für Allergiker Sonderregelungen zu tre� en, die über die bisherige Basisversorgung hinausgehen. Bislang ist es uns allerdings noch nicht gelungen, mit Krankenkassen über einen Modellversuch im größeren Rahmen ins Gespräch zu kommen, der die vielfach

beschriebenen Mängel und die Fehlver-sorgung bei chronischen Hauterkran-kungen für die Masse der Versicherten einer Kasse nachhaltig beseitigen könnte.

Ohne Nachwuchs geht es nichtFür die Zukun� ssicherung einer ambu-lanten hautfachärztlichen Versorgung unverzichtbar ist angesichts der demo-gra¦ schen Entwicklung die Sicherung des dermatologischen Nachwuchses. Hier sind wir mit einigem Erfolg dabei, ein Tutorensystem aufzubauen, das an der Dermatologie interessierte junge Me-dizinerinnen und Mediziner schon an der Hochschule erreicht und auf dem weiteren Weg möglicherweise bis hin zur Niederlassung begleitet. Die Kommuni-kationsplattform für den Nachwuchs hat die Adresse www.juderm.de.Um es auf eine plakative Formel zu bringen: Wir Dermatologen, wir tun was… Die Fachgruppe der Dermatolo-gen hat sich den Herausforderungen an der Versorgungsfront frühzeitig gestellt und ist nicht an der Klagemauer stehen geblieben. Wir haben Konzepte entwi-ckelt. Jetzt benötigen wir zur weiteren Umsetzung Unterstützung: durch die Krankenkassen und durch informier-te Gesundheitspolitiker, soweit es um grundsätzliche Änderungen im System geht.

Bei Hauterkrankungen geht es nicht um kos-metische Hautprobleme

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MEDIZINISCHE VERSORGUNG

Im Land Brandenburg wird am 14. September ein neuer Landtag gewählt

Wie auch andere Bundesländer leidet ins-besondere Brandenburg unter einem zuneh-menden Ärztemangel. Im ambulanten und stationären Bereich fehlen inzwischen ca. 300 Ärzte. Besonders schwierig zu kompen-sieren ist der Mangel an Hausärzten, von denen inzwischen mehr als 60 fehlen. Hinzu kommt, dass viele der derzeit noch prakti-zierenden Ärzte bereits das 60. Lebensjahr überschritten haben. Diese Situation er-schwert die Betreuung insbesondere in den ländlich geprägten Regionen bereits jetzt und wird sie weiter verschärfen, wenn nicht zügig gehandelt wird. Die älter werdende Bevölkerung muss bereits heute oft weite Wege zum Facharzt und zunehmend auch zum Hausarzt zurücklegen.

RegioMed-ZentrenEs gilt aber, nicht nur die ambulante, son-dern auch die stationäre Versorgung si-cherzustellen. Seit der Wende hat sich die Krankenhauslandscha� in Brandenburg stark verändert. Während es 1990 noch 73

Die medizinische Versorgung im Flächenland Brandenburg sicherstellen

Krankenhäuser mit fast 25.000 vollstatio-nären Betten gab, sind es heute 52 Kran-kenhäuser mit gut 15.000 Betten. Weite-re Umstrukturierungen, wie beispielsweise die Einrichtung geriatrischer Abteilungen, sind notwendig. Die enge Verzahnung am-bulanter und stationärer Kapazitäten wird in Brandenburg durch sogenannte Regio-Med-Zentren umgesetzt. Hier wird aktiv und � exibel auf die Bedürfnisse vor Ort reagiert, d. h. stationär tätige genauso wie ambulant tätige Ärzte können hier unpro-blematisch, Sektor übergreifend, in dersel-ben Einrichtung arbeiten, so wie es jeweils vor Ort erforderlich. Damit können kran-kenhausähnliche Strukturen erhalten blei-ben. Flankiert werden kann dieses Arbei-ten durch AGNES II, die dem Arzt vor Ort sämtliche administrativen Aufgaben ab-nimmt. Dadurch kann sich der niederge-lassen aber auch der stationär tätige Arzt stärker auf die medizinische Betreuung konzentrieren.

Perspektiven bietenÄhnlich wie bei den Ärzten, verschär� sich der Fachkrä� emangel auch beim P� e-gepersonal, wie die gemeinsame Fachkräf-testudie für die Länder Berlin und Bran-denburg zeigt. Die Zahl der Schulabgänger ist rückläu¦ g und die Zahl der Auszubil-denden für P� egeberufe sinkt gleichfalls, während die Zahl der P� egebedür� igen deutlich steigt. Um mehr Auszubildende für den P� egeberuf zu gewinnen, müssen wir das Berufsbild durch verschiedene be-gleitende Maßnahmen attraktiver machen. Eine Verbesserung der P� egekennzahlen, eine Steigerung der Wertschätzung des Berufes in der Ö� entlichkeit und eine an-gemessene Bezahlung sind beispielsweise Instrumente, mit denen sich wieder mehr Menschen für eine beru� iche Perspektive in der P� ege begeistern lassen.

Hilfsorganisationen, wie das Deutsche Rote Kreuz mit zahlreichen, ehrenamtlich tätigen Menschen, können eine zusätzli-

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MEDIZINISCHE VERSORGUNG

MICHAEL SCHIERACK

Professor Dr. Michael Schierack (47) ist verheiratet und hat zwei Kinder. Von 2002 bis 2004 war er leitender Arzt der Klinik für Gesundheit und Sport bei der Reha Vita GmbH in Cottbus, bis er schließlich ab 2005 als niedergelassener Arzt für Or-thopädie in Cottbus arbeitete. Seit 2009 gehört er dem Landtag von Brandenburg an. Als Fraktionsvorsitzender ist er Spit-zenkandidat der CDU bei der Landtags-wahl am 14. September.

che sinnvolle Ergänzung zur Sicherstel-lung der „vormedizinischen“ Versorgung sein und die soziale Betreuung der Be-wohner in den kleinen abgelegenen Orten gewährleisten. Gespräche mit dem Deut-schen Roten Kreuz zur Entwicklung einer haupt- und ehrenamtlichen Basishilfe-leistungsstruktur laufen bereits sehr er-folgreich.

Junge Ärzte fehlenUnverzichtbar ist in diesem Zusammen-hang auch der ö� entliche Gesundheits-dienst. Als dritte Säule in der gesundheit-lichen Versorgung kommt ihm schon auf Grund der Entwicklung des Infektions-geschehens und zunehmender Umwelt-probleme eine wachsende Bedeutung zu. Wenn es gelingt, dieses Gesamtpaket an möglichen Angeboten gut aufeinander ab-zustimmen, können sich daraus beispiel-gebende zukun� sweisende Strukturen der medizinischen Versorgung und sozialen Betreuung entwickeln. Mit der Entwick-lung der RegioMed-Zentren, AGNES II, der Basishilfeleistungsstruktur und des ö� entlichen Gesundheitswesens könn-te Brandenburg zu einem Modellland in der medizinischen Versorgung werden.

Als besonders schwierig erweist sich bis-her die Ansiedlung junger Ärzte im länd-lichen Raum. Dies gemeinsam anzuge-hen, ist eine Aufgabe vieler Akteure, wie

der Kassenärztlichen Vereinigung, der Krankenkassen, der Kommunen und des Landesparlaments sowie der Landesre-gierung. Brandenburg verfügt als einzi-ges Flächenland bisher über keine eige-ne medizinische Hochschule. Damit fehlt dem Land eine wichtige Steuerungsmög-lichkeit. Deshalb haben sich zwei private Initiativen aufgemacht, eine private me-dizinische Hochschule zu gründen, wo-bei gerade gegenwärtig die „Medizinische Hochschule Brandenburg � eodor Fon-tane“ in Gründung begri� en ist. Ab dem Wintersemester 2015/2016 sollen junge Mediziner, insbesondere in Brandenburg an der Havel und Neuruppin, praxisnah Humanmedizin studieren können. Diese Initiative für die private Hochschule wur-de dabei von der Union seit Jahren unter-stützt. Eine eigene medizinische Hoch-schule bietet die Chance, Ärzte für den unmittelbaren „Versorgungsbereich“ aus-zubilden. Durch die Kooperation mit den örtlichen Krankenhäusern können so be-vorzugt Brandenburger Abiturienten zum Studium zugelassen werden, die vielleicht nicht den Abiturschnitt von 1,0 haben, aber dafür eine hohe soziale Kompetenz vorweisen und sich bereit erklären, nach dem Studium für einen vorher de¦ nier-ten Zeitraum in Brandenburg tätig zu sein. Hier gäbe es auch einige Möglichkeiten im Hinblick auf eine Unterstützung durch die Kommunen oder ein von der Landesregie-

rung zentral koordiniertes Stipendiensys-tem, um diese Medizinstudenten zielge-richtet ¦ nanziell zu unterstützen.

Demografi scher WandelDarüber hinaus bietet auch die enge Zu-sammenarbeit mit der Charité in Berlin noch viel Potential. Hier eine verbindli-che Regelung zwischen den Ländern Ber-lin und Brandenburg zu scha� en, wäre ein positives Beispiel für die Zusammenarbeit von zwei Bundesländern bei einem gra-vierenden Problem.Weil der demogra¦ sche Wandel entschei-dend für die Zukun� unseres Landes ist, muss er in der Politik an erster Stelle ste-hen. Alle Ressorts der Landesregierung müssen auf die Herausforderungen der Zukun� ausgerichtet werden. In diesem Zusammenhang wollen wir als Union die wichtigsten Zuständigkeiten in einem be-reits heute bestehenden Ministerium bün-deln. Im Verantwortungsbereich dieses Demogra¦ e-Ministeriums können in einer „Zukun� swerkstatt“ kreative Ideen, kon-krete Lösungsvorschläge und Beispiele aus der Praxis hinsichtlich ihrer weiteren An-wendungsmöglichkeiten diskutiert und dann umgesetzt werden.

Der brandenburgische CDU-Spitzenkandidat Michael Schierack arbeitet als niedergelasse-ner Arzt in Cottbus

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GESUNDHEITSPOLITIK

Bis ins hohe Alter vital und gesund durchs Leben gehen – wer möchte das nicht? Ent-scheidend ist hierbei die Frage, wie wir eine möglichst hohe Lebensqualität im Prozess des Älterwerdens garantieren können. Dies gilt insbesondere auch im Bezug auf den Lebensabschnitt, in dem man auf Pfl ege angewiesen ist. Diese Fragestellung war ein Schwerpunkt, dem sich die Gesundheits-politischen Sprecher der CDU/CSU-Frak-tionen aller Bundesländer während einer zweitägigen Tagung Anfang Juli in Berlin gewidmet haben.

Bereichert wurde die Tagung durch spannende Diskussionen mit promi-nenten Bundes- und Landespolitikern. Unter anderem dur� en wir Bundes-gesundheitsminister Hermann Gröhe und Jens Spahn, den Gesundheitspoli-

Tagung der Gesundheitspolitischen Sprecher des Bundes und der Länder aus den Reihen der CDU/CSU mit Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe

PFLEGE NEU DEFINIERENtischen Sprecher der CDU/CSU-Bun-destagsfraktion sowie Mario Czaja, Se-nator für Gesundheit und Soziales des Landes Berlin, begrüßen.

Am Ende der Tagung wurde die „Berli-ner Erklärung“ mit einem Fahrplan für den Bereich P� ege für die kommenden Jahren verabschiedet.

Pfl ege neu defi nierenAufgrund des demographischen Wan-dels wird die Zahl der P� egebedür� i-gen in den kommenden Jahren erheb-lich zunehmen. Bis zum Jahr 2050 wird sie auf etwa 4,5 Millionen in Deutsch-land gewachsen sein. Deutlich wird schon heute, dass P� egebedür� igkeit viele Formen annehmen kann. Daher muss an erster Stelle eine klare, an-

erkannte und allgemeingültige De¦ -nition des Begri� s „P� egebedür� ig-keit“ stehen, die sowohl körperlich P� egebedür� ige als auch diejenigen mit kognitiven Erkrankungen wie De-menz oder mit psychischen Störun-gen umfasst. Mit diesem neuen Begri� der P� egebedür� igkeit können zudem alle Betro� enen einheitlich in das Leis-tungssystem der gesetzlichen P� ege-versicherung aufgenommen werden.

Individuellere Versorgung durchausdifferenzierte Pfl egegradeP� egebedür� ige sollen ihren individu-ellen Bedürfnissen entsprechend ver-sorgt werden. Dazu ist es notwendig, den P� egebedür� igkeitsbegri� stärker als bislang auszudi� erenzieren. Künf-tig geben fünf P� egegrade die Bedürf-tigkeit an, die sich auch in einer neu-en Bemessungssystematik bemerkbar machen. Diese Neuerung ermöglicht es genauere Schlüsse auf Rehabilita-tions- und Präventionsbedarfe zu-

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GESUNDHEITSPOLITIK

GOTTFRIED LUDEWIG

Dr. Gottfried Ludewig, Jahrgang 1982, ist Mitglied des Abgeordnetenhaus von Berlin. Der promovierte Gesundheits-ökonom ist gesundheitspolitischer Spre-cher und stellvertretender Vorsitzender seiner Fraktion

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zulassen. Damit liefert sie auch eine verbesserte Grundlage für die Versor-gungsberatung- und planung und stellt eine umfassende und nachhaltige Leis-tungsverbesserung für alle P� egebe-dür� igen dar.

Demographiereserve einrichtenUm den gestiegenen Anforderungen in der Qualität der P� ege aber auch dem höheren Bedarf an P� egenden gerecht werden zu können, ist eine Anhebung des Beitragssatzes zur P� egeversiche-rung in der zweiten Häl� e der Legisla-turperiode um 0,2 Prozent nötig. Wei-terhin unterstützen wir die Pläne der Bundesregierung das gesamte Leis-tungsvolumen der P� egeversicherung bis zum Ende der Legislaturperiode um 20 Prozent zu steigern und die da-mit verbundene weitere Anhebung des P� egeversicherungssatzes um 0,3 Pro-zent – durch beide Erhöhungen stehen der P� ege pro Jahr rund fünf Milliar-den Euro mehr zur Verfügung.

Die Scha� ung einer Demographiere-serve - 0,1 Prozent der Anhebung � ie-ßen in einen P� egevorsorgefonds - stellt eine zukun� sweisende Ergänzung zur bestehenden Struktur der P� ege-versicherung dar. Sie soll kün� ige Bei-tragszahler entlasten und eine gemein-scha� liche und langfristige Versorgung sicherstellen.

Vorhandene Pfl egeangebote bündeln und vernetzenP� egebedür� ige sind häu¦ g nur ein-

geschränkt mobil. Dennoch muss eine möglichst � ächendeckende und individuelle Versorgung gewährleis-tet werden, Angehörige sollen bei der P� ege entlastet werden. Dazu ist es notwendig, vorhandene Ressourcen zu bündeln und sinnvoll zu vernet-zen. Bestehende Strukturen können beispielsweise als Basishilfe für Patien-ten genutzt werden. Kleinteilige Unter-stützung könnten ehrenamtliche Mit-arbeiter von Rettungsnotdiensten vor Ort (Deutsches Rotes Kreuz, Samari-ter etc.) leisten.

Pfl egeberufegesetz: Anreize schaffenDamit der zunehmenden Zahl an P� e-gebedür� igen genügend P� egeperso-nal gegenübersteht, müssen P� egebe-rufe an Attraktivität gewinnen. Erreicht werden soll dies mit einer generalis-tischen Grundausbildung und darauf au¾ auender Spezialisierung für die Al-ten-, Kranken- und Kinderp� ege. Diese Novellierung in der Ausbildung macht das Tätigkeitsfeld vielfältiger und reiz-voller. Es vereinfacht den Wechsel zwi-schen den P� egeberufen und scha¼ so neue Karrieremöglichkeiten. Positiv er-gänzt werden soll dieser Ansatz durch eine transparentere und durchlässige-re Gestaltung des Aus- und Weiterbil-dungssystems im Bereich der P� ege.

Schulgeld in der Altenpfl ege abschaffenIn einigen Bundesländern ist es be-reits Realität, in anderen müssen Al-

tenp� eger in Ausbildung ein monatli-ches Schuldgeld zahlen. Diese Tatsache stellt ein Hemmnis dar, den Beruf zu erlernen. Vor dem Hintergrund des steigenden Fachkrä� emangels wollen sich die Gesundheitspolitischen Spre-cher aller CDU/CSU-Landtagsfraktio-nen dafür einsetzen, dass das Schulgeld in der Altenp� ege in allen Bundeslän-dern abgescha¼ wird.

Die Berliner Erklärung im genauen Wortlaut http://www.gottfriedludewig.de/wp-content/uploads/2014/07/140701_Berliner_Erklaerung.pdf

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SYNDIKUSANWÄLTE

Jüngst ergangene Entscheidungen des Bundessozialgerichts legen den Schluss nahe, dass der Syndikusanwalt kein voll-wertiger Rechtsanwalt ist. Die Folgen der Kasseler Urteile sind enorm. Sie spalten die deutsche Rechtsanwaltschaft und ber-gen enorme fi nanzielle Belastungen für die deutsche Wirtschaft.

Syndikusanwalt ist ein Beruf mit Tra-dition. Seit über 100 Jahren schon gibt es diesen Rechtsanwalt, der eine Fest-anstellung im Unternehmen besitzt. Er berät seinen Arbeitgeber in juristischen Fragen, er gestaltet, schlichtet, vermit-telt, informiert und tri¼ Entscheidun-gen. Und leistet somit einen wichtigen Beitrag zur – neudeutsch – Complian-ce und guten Corporate Governance der Wirtscha� sunternehmen. Deutschland-

40.000 Syndikusanwälte auf dem Weg zu „Anwälten zweiter Klasse“? - ein Auftrag für den Gesetzgeber

weit gibt es insgesamt rund 40.000 Syn-dikusanwälte, das sind 25 Prozent der gesamten Anwaltscha� .Leider gab es in den vergangenen Jahren eine Reihe an Vorkommnissen, die es dem Syndikusanwalt erschweren, seiner Arbeit ordnungsgemäß nachzugehen. Ende 2010 etwa entschied der Euro-päische Gerichtshof in der Rechtssache Akzo/Acros (C-550/07 P), dass die Kor-respondenz der Unternehmensrechtsab-teilung nicht der Beschlagnahmefreiheit unterläge. Den Unternehmensanwälten wurde somit im Handstreich das Zeug-nisverweigerungsrecht – ein Grund-pfeiler der Rechtsstaatlichkeit – abge-sprochen. Auch die Tatsache, dass von Unternehmensjuristen durchgeführ-te Fallbearbeitungen von den Rechts-anwaltskammern bei der Berücksich-

tigung prak tischer Fälle bezüglich der Fachanwaltszulassung nicht mehr an-erkannt werden, stellt eine Diskrimi-nierung im Vergleich zu den Kollegen, die bei anwaltlichen Arbeitgebern tä-tig sind, dar. Der vorläu¦ ge Höhepunkt der Ungleichbehandlung ereignete sich am 3. April 2014, als das Bundessozial-gericht mit drei Urteilen (B 5 RE 13/14 R und andere) entschied, dass sich Syn-dikusanwälte fortan nicht mehr von der Beitragsp� icht in der gesetzlichen Ren-tenversicherung befreien lassen kön-nen. Die Kasseler Richter kippten so-mit eine rechtlich ausdi� erenzierte und jahrzehntelang durchgeführte Praxis, wonach die Syndikusanwälte als P� icht-mitglieder der Rechtsanwaltskammern für ihre eigene Altersvorsorge au£ om-men beziehungsweise mit Gründung

Der Syndikusanwalt – Anwalt zweiter Klasse?Der Syndikusanwalt – Anwalt zweiter Klasse?Der Syndikusanwalt – Anwalt zweiter Klasse?

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ELISABETH ROEGELE

Elisabeth Roegele, Jahrgang 1967. Die Rechtsanwältin ist Chefsyndikus der De-kaBank Deutsche Girozentrale in Frank-furt am Main und Präsidentin des Bun-desverbandes der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ)

SYNDIKUSANWÄLTE

der berufsständischen Versorgungswer-ke in diese einzahlen mussten.

Syndikusanwälte sind unabhängigWenngleich die Verö� entlichung der Urteilsgründe auch vier Monate nach dem Gerichtstermin noch auf sich warten lässt, hat das Bundessozialge-richt in der mündlichen Verhandlung bereits ausgeführt, warum es so ent-schieden hat: Die Tätigkeit als Syndikus stehe einer Tätigkeit als Rechtsanwalt zwar nicht entgegen, so der Vorsitzen-de Richter des zu-ständigen 5. Senats, sie sei ihr aber auch nicht zuzurechnen. Wer eine im Sin-ne des Arbeitsrechts abhängige Beschäf-tigung als Angestell-ter im Unternehmen nachgehe, könne demnach kein Rechts-anwalt sein, so der Kasseler Richter. Lei-der verkennen die Kasseler Urteile die juristische Arbeitsweise im Unterneh-men vollständig. Sie legen ein anwalt-liches Berufsbild zugrunde, das es so heute längst nicht mehr gibt. Der Syn-dikusanwalt ist eindeutig ein zentraler Bestandteil der Rechtsanwaltscha� . Be-sonders enttäuschend ist die Tatsache, dass das Bundessozialgericht das inner-betriebliche Weisungsrecht o� ensicht-lich völlig missverstanden hat. Denn für eine anwaltliche Tätigkeit im Unterneh-men kann es nicht von Relevanz sein, ob etwa ein Urlaubsantrag genehmigt werden muss; entscheidend ist vielmehr die Tatsache, wie weisungsgebunden die juristische Tätigkeit ausgestaltet ist. Und hier steht zweifelslos fest: Der Syn-dikusanwalt ist (erst recht im Vergleich zum festangestellten Rechtsanwalt in einer Kanzlei) in seinem rechtlichen Rat nicht weisungsgebunden. Das ent-spricht nicht nur den Grundsätzen des anwaltlichen Berufsrechts, sondern liegt bereits in der Natur der Sache. Ob und wie der Arbeitgeber den juristischen Rat seines Unternehmensanwalts um-setzt, ist dann dessen unternehmeri-sche Entscheidung. Insofern unterschei-det sich die Tätigkeit eines Syndikus in keiner Weise von der eines bei einem

anwaltlichen Arbeitgeber angestellten Rechtsanwalts, denn auch dieser tri¼ keine Umsetzungsentscheidung, son-dern sein Mandant.

Finanzielle Belastungen sind enormDie Urteile vom 3. April kamen für Syndikusanwälte unerwartet und ha-ben dramatische Auswirkungen: Bei einem Wechsel des Arbeitgebers oder des Tätigkeitsfeldes müssen Syndikus-anwälte ihre Altersvorsorgebeiträge

kün� ig in die staat-liche Rentenversiche-rung entrichten. Was auf den ersten Blick nicht weiter ver-wunderlich oder gar bedenklich klingt, führt im Ergebnis zu einem drastischen Bruch in der eige-nen Versorgungsbio-

gra¦ e. Lebensplanungen und im Ver-trauen auf den Bestand der bisherigen Praxis getro� ene beru� iche wie auch private Entscheidungen werden durch die Urteile nachträglich zunichte ge-macht. Darüber hinaus entstehen An-sprüche in der gesetzlichen Rentenver-sicherung erst nach einer Wartezeit von 60 Monaten, die o� geforderte Flexi-bilität im Arbeitsmarkt ist somit mit einem Schlag hinfällig. Auch verliert der Syndikus bei einem Wechsel seine durch das Anwaltsversorgungswerk ga-rantierte Absicherung im Falle vermin-derter Erwerbsfähigkeit. Der Beruf des Syndikusanwalts droht somit unattrak-tiv zu werden. Das gefährdet die Viel-fältigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, ein auch für den Nachwuchs wichtiger As-pekt des Anwaltsberufs. Und es gefähr-det die Möglichkeiten der Unterneh-men, für ihre Rechtsabteilung stets die quali¦ ziertesten Krä� e zu gewinnen.Hinzu kommen die Probleme, die den Syndikusanwälten bereits jetzt, ohne einen weiteren Wechsel des Arbeitge-bers oder des Tätigkeitsfeldes, drohen: Ungeklärt ist nämlich die Frage, wie es um den Bestandsschutz derjenigen Kol-legen steht, die ihren Wechsel bereits in der Vergangenheit vollzogen haben, ohne – wie es gelebte Rechtspraxis war – einen erneuten Antrag auf Befreiung

zu stellen. Hier schlummern für Syndi-kusanwälte wie auch für Unternehmen enorme ¦ nanzielle Nachzahlungsrisi-ken (bei einer Verjährungsfrist von vier Jahren bis zu 66.000 Euro. Pro Arbeit-nehmer!), die bereits jetzt die gesamte Branche und auch Personalabteilungen in Aufruhr versetzen.

Gesetzgeber in der Pfl ichtDass es zu dieser unerfreulichen Ent-wicklung überhaupt erst kommen konn-te, liegt daran, dass der Status des Syn-dikusanwalts nach wie vor ungeklärt ist. Zwar erwähnt Paragraf 46 Absatz 1 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) den Rechtsanwalt, der „aufgrund eines ständigen Dienstverhältnisses für einen Au� raggeber“ tätig wird. Ein klares Bekenntnis jedoch, dass auch den im Unternehmen tätigen Rechtsanwalt alle Rechte und P� ichten eines Rechtsan-walts tre� en, sucht man in der BRAO vergeblich. Wichtig ist daher, dass der Gesetzgeber eine gesetzliche Klarstel-lung herbeiführt, die unzweifelha� be-sagt, dass auch der Syndikusanwalt in seiner Tätigkeit beim Unternehmen als Rechtsanwalt tätig ist. Die deutsch-landweit 40.000 in Unternehmen täti-gen Rechtsanwälte benötigen Rechts-sicherheit. Syndikusanwälte sind keine Anwälte zweiter Klasse!

Die Urteile des BSG gefährden die Vielfältigkeit der anwaltlichen Tä-tigkeit, ein auch für den Nachwuchs wichtiger Aspekt des Anwaltsberufs. Und es gefährdet die Möglichkeiten der Unternehmen, für ihre Rechts-abteilung stets die qualifi ziertesten Kräfte zu gewinnen.

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KOMMENTAR

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KOLUMNE

Herausgeber und VerlagGK Mittelstands Magazin Verlag GmbHGünter F. KohlGärtnerkoppel 324259 Westensee/ KielTel. 04305-992992 / Fax 04305-992993E-Mail: [email protected]

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Anzeigenschluss: 4. November 2014

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AbonnementEinzelheft: 24,- Euro pro Jahr bei 4 Ausgaben

Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.

Impressum

GESUNDHEITSPOLITIK IST AUCH WIRTSCHAFTSPOLITIK

Liebe Leserinnen und Leser,knapp neun Monate regieren wir mit den Sozialdemokra-ten in der dritten Großen Koalition. Gesundheitspolitisch war es ein guter Start. Die Weiterentwicklung des AM-NOG, das GKV-Finanzstruktur- und Qualitäts-Weiter-entwicklungsgesetz und die erste Stufe der P� egereform sind umgesetzt beziehungsweise auf dem Weg. Der Wett-bewerb zwischen den Krankenkassen über unterschiedli-che Zusatzbeitragssätze bleibt erhalten, wir haben zudem die Preistransparenz erhöht und eine Bürgerversicherung á la SPD ist endgültig vom Tisch.   Klar ist aber auch: Wir müssen uns schon heute Gedanken darüber machen, wie wir das hohe Niveau unseres Gesund-heitssystems in einer alternden Gesellscha� dauerha� si-chern können. Die Ausgaben steigen mit jedem Jahr stärker als die Einnahmen und Sozialbeiträge belasten Arbeitneh-mer und Arbeitgeber vom ersten Euro an. Und im Gegen-satz zu Steuern werden sie auch nicht von allen bezahlt, die in Deutschland leben und arbeiten. Damit es nicht zu einseitigen Überforderungen kommt, müssen wir uns mit der Frage auseinandersetzen, wie wir unser Sozialsystem dauerha� ¦ nanzieren wollen.   Denn: Gesundheitspolitik ist auch Wirtscha� spolitik. Die Gesundheitswirtscha� zählt zu den innovativsten Branchen in Deutschland. Gesundheitswirtscha�   und Gesundheits-versorgung müssen besser miteinander verzahnt werden. Jeder achte Arbeitnehmer arbeitet im Gesundheitswesen, hier werden fast zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes umgesetzt und jährliche Zuwachsraten von bis zu drei Pro-zent erzielt. Damit ist die Gesundheitswirtscha� die größ-te  Wirtscha� sbranche in Deutschland. Allein in den letz-ten zehn Jahren sind über 800.000 neue Jobs entstanden. Angesichts des medizinisch-technischen Fortschritts, einer alternden Bevölkerung und eines zunehmenden Gesund-heitsbewusstseins wird dieser Wirtscha� szweig auch künf-tig auf Wachstums- und Beschä� igungskurs bleiben. Ge-sundheit, Prävention und P� ege dürfen nicht immer nur als Kostenfaktor gesehen werden. Vielmehr sollten wir sie auch als Bereich betrachten, der dank einer hohen Wert-

schöpfung und Exportorientierung auch in Zukun� einen wichtigen Beitrag zum Wohlstand in unserem Land leis-ten wird.   Dazu gehört auch, die Vorteile der Elektronischen Gesund-heitskarte endlich ausspielen zu können. Der Gesundheits-minister hat deshalb noch für dieses Jahr ein E-Health-Gesetz angekündigt. Entsprechend unserer Zusage im Koalitionsvertrag wollen wir mit diesem Gesetz durch elek-tronische Kommunikations- und Informationstechnolo-gien die Leistungsfähigkeit in unserem Gesundheitswesen weiter verbessern – und zwar so, dass alle Beteiligten da-von pro¦ tieren. Telemedizinische Leistungen wie z. B. das Medikamenten-Managementsystem sollen weiterentwickelt werden. Klar ist, dass der Datenschutz bei all diesen Din-gen großgeschrieben wird. Vor allem sollen Patientinnen und Patienten durch eine bessere Nutzung dieser Techno-logien kün� ig noch mehr Sicherheit und Komfort im Behand-lungsalltag erfah-ren dürfen. Und wir können in einem besonders sensiblen Bereich deutlich ma-chen, dass ein stren-ger Datenschutz und innovative Technolo-gie sehr wohl zusam-menpassen.  Es grüßt Sie herzlichIhr

Jens Spahn, MdB

JENS SPAHN

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren. Seine Ausbildung zum Bank-kaufmann bei der WestLB führte ihn auch nach Luxemburg. Der studierte Politikwis-senschaftler gehört seit 2002 dem Deut-schen Bundestag an. Seit 2009 ist er ge-sundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und stellvertre-tender Landesvorsitzender des Gesund-heitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-Westfalen.

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Südsudan +++ Flüchtlingslager Batil +++ Gandhi Pant (47) +++ Krankenpfleger aus Australien +++ 2.Mission +++ 300 Patienten pro Tag +++

© Nichole Sobecki

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