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Katrin Albsteiger Masterplan Medizinstudium stellt die Weichen neu S. 8 Gottfried Ludewig Digitalisierung im Gesund- heitswesen nutzen S. 12 Christian von Stetten GroKo-Bilanz mit Licht und viel Schatten S. 14 MAGAZIN FÜR POLITIK UND GESUNDHEIT 03/2015 Jahrgang 12 5,00 Euro 20348 HALBZEIT in der GroKo Was kommt noch? HALBZEIT in der GroKo Was kommt noch?

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am puls zur Halbzeit der GroKo

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Katrin AlbsteigerMasterplan Medizinstudium stellt die Weichen neu S. 8

Gottfried LudewigDigitalisierung im Gesund-heitswesen nutzen S. 12

Christian von StettenGroKo-Bilanz mit Licht und viel Schatten S. 14

MAGAZIN FÜR POLITIK UND GESUNDHEIT

03/2015Jahrgang 12

5,00 Euro

2034

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HALBZEITin der GroKoWas kommt noch?

HALBZEITin der GroKoWas kommt noch?

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Caring and CuringLeben retten und Gesundheit verbessern – das ist unser Ziel

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EDITORIAL

INHALT

Wenn man sich aktuell etwas über die Kassenärztlichen Ver-einigungen hört oder liest, ist der Inhalt bzw. der Tenor fast immer der Gleiche; Streit, Är-ger oder Personaldiskussionen. Die Kassenärztliche Bundes-vereinigung ist bei diesen Ne-gativmeldungen ein leuchten-des Beispiel. Ärger mit dem Vorsitzenden, Streit und un-endliche Diskussionen bei den Vertreterversammlungen und zum krönenden Abschluss dann auch noch juristische Auseinandersetzungen mit dem langjährigen KBV Vor-sitzenden Dr. Andreas Köhler.

Als ärztliche Selbstverwaltung mach die KBV ihrem Namen zurzeit alle Ehre. Sie ist nur noch mit sich selbst beschäf-tigt. Dabei ist besonders au� al-lend, dass es augenscheinlich auch zwischen den einzelnen Länder–KV‘en erhebliche Mei-nungsverschiedenheiten gibt. So fordern die Falk-KV‘n in regelmäßigen Abständen die Abwahl bzw. den Rücktritt von KBV Chef Dr. Andreas Gas-sen, zwischendurch ru� aber die gleiche Gruppe zur inner-lichen Geschlossenheit auf und fordert ein Ende der Per-sonaldebatten. Zum krönen-den Abschluss hat man nun auch noch seinen ehemaligen KV Chef Dr. An-dreas Köhler ins Visier genom-men. Es geht natürlich wie-der um das liebe Geld, wie könn-te es auch an-ders sein, und um nicht geneh-migte Pensions-zahlungen. Nun liegt man sich anscheinend so Frank Rudolph

über Kreuz, dass letztlich die Gerichte um Klärung bemüht werden müssen, Ausgang da-her o� en. Auch hier droht eine ö� entliche Schlammschlacht.

Vielleicht gibt es im Zeitalter von Internet und modernen Kommunikationsmitteln auch einfach zu viele KV‘en. Man scheint nicht ausgelastet und sucht sich daher andere Spiel-wiesen. Leider bringt das der Bevölkerung keine bessere Ver-sorgung. Dafür sind die Kas-senärztlichen Vereinigungen aber letztlich zuständig, näm-lich die ärztliche Versorgung der Bevölkerung � ächende-ckend zu gewährleisten. Die Politik sollte ernstha� darüber nachdenken, das KV System in einen stärkeren Wettbewerb zu zwingen.

Warum muss ein Arzt aus Kiel denn unbedingt gesetzliches Mitglied der KV in Schleswig Holstein sein? Warum darf sich eine Ärztin aus Düsseldorf ihren Dienstleister nicht selbst aussuchen? Warum brauchen wir eigentlich noch 17 Länder KV‘en?

Allen diesen Fragen sollte man sich bei den verantwortlichen Politikern einmal stellen. Letzt-lich muss Wettbewerb nicht

zwangsläu� g zu höheren Preisen führen. Eins be-wirkt ein o� ener und fairer Wett-bewerb aber im-mer; eine Be-reinigung des Marktes und eine spürbare Steige-rung der Quali-tät.

Mehr Wettbewerb im KV System4 Der Medizinbetrieb ist auf dem

falschen Weg… meint unser Autor Wilfried Jacobs und fordert ein Umdenken

6 Strukturelle Änderungen in der KrankenhauspolitikUm die Qualität der Patientenversorgung in Krankenhäusern auf einem hohen Niveau halten zu können, bedarf es nach Ansicht von Rudolf Henke einer angemessenen Personalbesetzung

8 Masterplan MedizinstudiumUnsere Autorin Katrin Albsteiger plädiert dafür, mit dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ einige Weichen neu zu stellen

10 eHealth-Gesetz muss kommenAxel Döß ist davon überzeugt, dass das „eHealth“-Gesetz ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung ist. Auch wenn es noch einige Menschen gibt, die das Gesetz kritisch sehen

12 Chancen der DigitalisierungDeutschland hat eines der besten Gesund-heitssysteme weltweit. Doch bei der Digitali-sierung besteht Nachholbedarf, meint Gott-fried Ludewig.

14 Dürftige Bilanz der GroKoBei der Großen Koalition in Berlin ist längst nicht alles Gold, was glänzt: Mittelständler und Freiberufl er sind weitgehend enttäuscht von den ersten beiden Jahren. So sieht es Christian von Stetten

16 Flächendeckende GrundversorgungAuch Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen müssen ihren Versorgungsauftrag wahrnehmen können, fordert Rudolf Georg Kippels

18 Gleichbehandlung für AsylbewerberDas Asylbewerberleistungsgesetz erlaubt bisher nur die Behandlung akuter Erkrankun-gen. Die Gleichbehandlung aller Menschen fordert Frank Ulrich Montgomery

19 Lückenlose Versorgung von AsylbewerbernChristian Berger, Präsident der Bayerischen Zahnärztekammer, ist dafür, Flüchtlinge und Asylbewerber in den Praxen nicht nur in Schmerzfällen zu betreuen

20 Gesunde Mitarbeiter, gesunde UnternehmenGrundvoraussetzung für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sind gesunde und motivierte Mitarbeiter, schreibt Dieter Welsink von medicoreha

22 Spahn – die LetzteNach seiner Berufung zum Staatssekretär im Finanzministerium verabschiedet sich unser langjähriger Kolumnist Jens Spahn von sei-nen Lesern

22 Impressum

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MEDIZINBETRIEB

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Von Wilfried Jacobs

Wir haben in Deutschland eines der besten Gesundheitssysteme der Welt, insbesondere, was den Zugang zu medi-zinischen Leistungen und die Anbieter-vielfalt betrifft, dennoch sind über 60 % der Patienten mit den Abläufen im Me-dizinbetrieb unzufrieden und auch jeder zweite Arzt wünscht sich Änderungen im Gesundheitssystem.

Was sind die Ursachen hierfür?

Wir haben den Medizinbetrieb 0 überideologisiert,0 überbürokratisiert und 0 überökonomisiert.Daran haben alle Player im Gesundheits-wesen, gleichgültig auf welcher Versor-gungsebene und aus welchen Motiven sie handeln, mitgewirkt. Nicht in bös-artiger Absicht, sondern weil man glaub-te, es wäre so richtig. Ist es aber nicht!

Der Patient im MedizinbetriebWir alle sind für diese Entwicklung ver-antwortlich und jetzt auch gemeinsam

60 Prozent der Patienten und die Hälfte aller Ärzte sind mit unserem Gesundheitssystem unzufrieden. Gute Behandlung gibt es nicht an-hand von Daten, sondern durch Zeit für den Patienten

UMDENKENDer Medizinbetrieb ist auf dem falschen Weg

verp� ichtet, sinnha� e Veränderungen bzw. Neuorientierungen im Interesse der Patienten zügig einzuleiten. Wir hätten wahrscheinlich im Medizinbe-trieb, wenn er sich so weiter entwickelt wie bisher, Vollbeschä� igung auch ohne Patienten. Wie erlebt der Patient heu-te den Medizinbetrieb (Ergebnisse und Erkenntnisse aus qualitativen Befragun-gen und Studien):1. Wartezeiten bei Fachärzten, zum Teil

bis zu vier Monaten. Eindeutige Be-vorzugung ökonomisch interessan-ter Patienten.

2. In der Regel eine Vier-Minuten-Be-handlung.

3. Einen Arzt, der länger auf den Bild-schirm schaut als auf den kranken Bauch des Patienten.

4. Ärzte, die über� üssige IGEL-Leistun-gen anbieten.

5. Nicht selten noch im Vier-Bettzim-mer oder auf dem Flur im Kranken-haus liegende Patienten (obwohl von 150.000 unnötigen Krankenhausbet-ten gesprochen wird).

6. Ärzte auf den Stationen, die kaum deutsch sprechen.

7. Zu wenige P� egekrä� e am Kranken-

bett in den Krankenhäusern und P� e-geheimen.

8. Arzneimittel, die sich durch die Ra-battverträge der Krankenkassen stän-dig ändern und bei Patienten für Ir-ritationen sorgen.

9. Krankenkassen in formalistischer Höchstform,

um nur einige den Patienten belastende Ablaufprozesse zu nennen. Wenn dieses täglich von Patienten erlebte, reale Bild des Medizinbetriebs nicht akzeptabel ist, wie kann man diese Entwicklungen stop-pen? Machen wir uns den Weg, klüger zu werden. Im Interesse der Patienten.

Eine KerntheseDer Medizinbetrieb muss ökonomisch das bekommen, was er braucht, aber er darf nicht bekommen, was er will!

Die wirkliche Lösung für die kün� ige Orientierung im Medizinbetrieb liegt in einer besseren und intelligenteren Verteilung der vorhandenen Mittel und nicht in einem ideenlosen Hineinpum-pen von zusätzlichen Mitteln. 290 Mil-liarden Euro schwer ist der Topf für Gesundheitsleistungen in Deutschland.

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MEDIZINBETRIEB

WILFRIED JACOBS

Wilfried Jacobs, Jahrgang 1944, ist ein ehemaliger Präsident von Borussia Mön-chengladbach und ehemaliger Vorsitzen-der des Vorstandes der AOK Rheinland/Hamburg. 2012 gründete er das Insti-tut für patientenorientierte Versorgungs-ablaufforschung (IPOV) GmbH. Er ist Ge-schäftsführender Gesellschafter des In-stituts

Damit liegen wir nach der USA und der Schweiz an dritter Stelle in der Welt.

Bessere Verteilung der MittelLee Iacocca, der legendäre US-Spitzen-manager in der Autoindustrie, hat schon vor über 40 Jahren gesagt:„Wir können über alles reden und auch streiten. Aber Qualität darf nicht Gegen-stand unserer Auseinandersetzungen sein.“Das heißt umgesetzt im Medizinbetrieb: Qualität zu fordern, zu fördern, zu si-chern und sie entsprechend gut zu hono-rieren, ist das Hauptziel einer Umorien-tierung des Denkens und des Handelns im Gesundheitssystem. Unsere heuti-gen Vergütungssysteme sind sowohl am-bulant als auch stationär schon in den Ansätzen falsch. Unsere jetzigen Ver-gütungssysteme lassen Minderqualität überleben und versenken dadurch Mit-tel, die man für gute nachgewiesene Qua-lität dringend zusätzlich braucht.Die heutigen Vergütungssysteme stellen auch nicht sicher, dass die Ergebnisqua-lität einer Behandlung zum Verteilmo-dus des Honorars wird, sondern vorran-gig die Menge der Leistungen, auch der unnötigen. Dabei kommt die individuelle Patientenorientierung eindeutig zu kurz. Hörende und sprechende Medizin wer-den nicht ihrer Bedeutung nach in den Honoraren und Vergütungen berücksich-tigt. Wer heute als Arzt oder Kranken-haus exzellente Qualität anbietet und aus-führlich mit den Patienten redet, überlebt wirtscha� lich nicht. Wer die Menge pusht und die Abrechnungsnischen auch in den Grauzonen perfekt beherrscht, kommt über die Runden.

Das kann auf Dauer nicht gut gehen!Auch das Taxieren von Patienten direkt nach der Aufnahme im Krankenhaus oder in der Arztpraxis aus rein ökono-mischer Sicht ist Ausdruck dieser fal-schen Mittelverteilung. Die für den Patienten notwendige, dem aktuellen Stand der Wissenscha� ent-sprechende qualitätsgesicherte Medizin muss den Rahmen für den Einsatz der Mittel bestimmen. Es darf nicht umge-kehrt sein - nach der Melodie, wieviel Medizin gibt es in welcher Qualität und Menge auch immer für die zur Verfügung

gestellten Budgets. Budgets sind die un-intelligentesten Mittelverteilungssysteme überhaupt. (Unter dem Deckel brodelt es weiter.) Alternative zu Budgets ist die Lo-ckerung des Kontrahierungszwangs. Das ökonomische Primat darf das medizini-sche nicht ablösen. Es muss die Medizin begleiten. Wir be� nden uns heute im Me-dizinbetrieb schon in einem Ökonomi-sierungsexzess. Damit überhaupt kein Missverständnis entsteht: Auf die Kosten im Gesundheits-system zu achten, ist eine unabdingba-re Notwendigkeit. Kein Cent für Ver-schwendung, für Über� üssiges. Es geht in der Ökonomie des Medizinbetriebes um die Art und das Ausmaß.Wir werden in der Gesundheitspolitik immer mit Grenzen leben. Aber aus die-sen Grenzen müssen wir das Beste für die Patienten machen. Das ist unser ge-meinsamer Au� rag. Wer gute Qualität anbietet, muss auch gut verdienen dür-fen: Hier sollten die Grenzen nicht liegen, sondern da, wo die Qualität und die Pa-tientenorientierung fehlen.

Konkrete Vorschläge für eine Neuorien-tierung im Spannungsfeld Ökonomie, qualitativer Medizin und guter Patien-tenorientierung im Gesundheitssystem1. Die Kriterien für Qualitätsbewertung

und Sicherstellung der Qualität fest-zulegen, ist die wichtigste Aufgabe der Vertragspartner in der nächsten Zeit. Vor dieser Aufgabe darf man nicht zu-rückschrecken, weil sie schwer ist, son-dern man muss mit Leidenscha� da-ran arbeiten, weil sie Herzstück einer Neuverteilung der Mittel werden muss. Die jetzige Diskussion über die Quali-tätssicherung medizinischer Leistun-gen wird wieder zu sehr konfronta-tiv geführt .

2. Bei der Qualitätsbewertung sind auch die wissenscha� lichen Gesellscha� en gefordert. Diese Gesellscha� en haben häu� g zu wenig Rückgrat.

3. Sowohl die Honorarsysteme im am-bulanten Bereich als auch die DRG-Abrechnungssysteme brauchen mehr Flexibilität, mehr Gestaltungsmög-lichkeiten. Es muss nicht vergü-tungspolitisch alles zentral geregelt werden. Die ökonomischen Gestal-tungsspielräume vor Ort zu erweitern,

wäre ein Gebot der Stunde. 4. Die Bedarfsplanung medizinischer und

p� egerischer Angebote in einer Kom-mune müssen stärker aufeinander ab-gestimmt werden. Weg von einer aus-schließlich sektoralen Bedarfsplanung.

5. Der P� egeberuf muss auf allen Ebe-nen aufgewertet und die P� egekräf-te müssen besser bezahlt werden. Es muss Schluss sein, im Medizinbetrieb bei den Leistungen zu sparen, die am meisten für die Patientenzuwendung notwendig sind (auf den Stationen des Krankenhauses spüren die Patienten das).

6. Wir müssen mehr die Patientenorien-tierung betre� enden Modellen au� e-gen. Ausprobieren ist besser, als über Probleme zu schwadronieren.

7. In einem jüngst angebotenen So� ware-Programm für die Arztpraxis läu� bei Eingabe der Patientendaten nach wenigen Minuten ein Band mit folgendem Text „Die veranschlagte Zeit für ihren Patien-ten ist abgelaufen.“ Ein neues Band sollte lauten „Vergessen Sie nicht zu klären, ob der Patient noch Fragen hat“.

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KRANKENHAUSPOLITIK

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Von Rudolf Henke

Der von der Bundesregierung vorgelegte Entwurf eines Krankenhausstrukturge-setzes (KHSG) sorgt weiterhin für große Diskussionen. Unbestritten ist, dass die Krankenhaus-Landschaft in unserem Land einiger struktureller Änderungen bedarf, um zukünftigen Herausforde-rungen gewachsen zu sein. Eine strikte Ablehnung des geplanten Gesetzes ist deshalb nicht zielführend und würde notwendige Änderungen zeitlich weiter verzögern, was weder Ziel der Kranken-häuser noch der Politik sein kann.

Wie viele meiner Kolleginnen und Kolle-gen habe auch ich die sitzungsfreien Wo-chen des Deutschen Bundestages dazu genutzt, um in direkten Kontakt mit Be-tro� enen vor Ort zu treten. So besuchte ich während meiner Sommertour, unter anderem mit Vertretern der Christlich De-mokratischen Arbeitnehmerscha� (CDA), verschiedene, darunter strukturell positiv entwickelte und � nanziell gut aufgestellte Krankenhäuser und führte viele Gesprä-

Um die Qualität der Patientenversorgung in Krankenhäusern auf einem hohen Niveau halten zu können, müssen Konzepte zur angemes-senen Personalbesetzung im Krankenhaus erarbeitet werden

che über die Zukun� der Krankenhaus-politik. Dabei kristallisierten sich eini-ge Anforderungen heraus, denen sich die Bundes- und Länderpolitik stellen muss.

Ausreichend Personal für mehr QualitätBislang gibt es für den Dienst im Kran-kenhaus keine gesetzlichen Vorgaben zur Personalausstattung. Lediglich Struktur-vorgaben in der Krankenhausplanung oder in den Qualitätsrichtlinien des Ge-meinsamen Bundesausschusses geben in einigen Bereichen bereits eine perso-nelle Mindestausstattung vor. Deshalb ist es gut, wenn nach der Sommerpau-se eine Expertenkommission prü� , ob die Personalausstattung in den Kranken-häusern angesichts der steigenden Zahl von Demenzerkrankten noch angemes-sen ist. Diese Prüfung muss eine Bewer-tung der Personalausstattung sowohl im p� egerischen als auch im ärztlichen Be-reich beinhalten und die Betro� enen be-teiligen. Sie darf die schon heute erkenn-baren Herausforderungen nicht auf die lange Bank schieben.

Qualitätsstandards können schwer da-durch erreicht werden, indem bei man-gelnder Qualität weniger Finanzmit-tel zur Verfügung gestellt werden. Der Grund für Qualitätsmängel in Kran-kenhäusern ist o� der Mangel an quali-� ziertem Personal. Entsprechende Qua-litätsstandards im p� egerischen und medizinischen Bereich können deshalb eher erreicht werden, wenn ausreichend Personal zur Verfügung steht, das sich um die stetig steigende Zahl der im Kran-kenhaus zu behandelnden Patientinnen und Patienten kümmert. Die Einrichtung eines P� egestellenför-derprogramms durch das KHSG ist ein wichtiger Schritt, um die allgemeine P� e-ge zu stärken. Der Gesetzgebungsprozess wird zeigen, wie dieser Etat noch auf-gestockt werden kann. Die bei der Ein-bringung ins Spiel gebrachte Verdopp-lung der Summe von 660 Mio. Euro für drei Jahre wirkt attraktiv, muss im Blick auf den Fachkrä� emangel und die Fra-gen der Nachhaltigkeit und Flexibilität aber realistisch durchdacht und einge-ordnet werden.

Krankenhauspolitik muss strukturelle Änderungen vorantreibenKrankenhauspolitik muss strukturelle Änderungen vorantreibenKrankenhauspolitik muss strukturelle Änderungen vorantreibenKrankenhauspolitik muss Krankenhauspolitik muss strukturelle Änderungen vorantreiben

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KRANKENHAUSPOLITIK

RUDOLF HENKE

Rudolf Henke, Jahrgang 1954, ist Inter-nist und seit 1989 im Vorstand der Ärzte-gewerkschaft Marburger Bund, deren Vor-sitz er im Jahr 2007 übernahm. Henke ist seit 2009 Mitglied des Deutschen Bundes-tags. 2011 wurde er zudem zum Präsiden-ten der Ärztekammer Nordrhein gewählt

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Gesetzliche Regelung der Länderfi -nanzierungDie Bundesländer müssen endlich ihren Verp� ichtungen nachkommen und mehr Mittel für eine ausreichende Investitions-� nanzierung bereitstellen. In den ver-gangenen Jahren wurde die dringende Finanzierung von Krankenhäusern sei-tens der Landesregierungen immer wei-ter reduziert und liegt mittlerweile bei 2,7 Mrd. Euro jährlich und damit weit unter dem Investitionsbedarf, der nach einer von Bund und Ländern anerkannten Be-rechnung des Instituts für das Entgeltsys-tem im Krankenhaus (INEK) jährlich bei rund 6 Mrd. Euro liegt. Um notwendige Investitionen tätigen zu können, müssen Krankenhäuser � nanziell immer häu� -ger umschichten, was zu Einsparungen im laufenden Betrieb führt und damit einer Kürzung der Mittel für die Patien-tenversorgung, der Personalkosten und einer angemessenen Personalausstat-tung gleichkommt. Leidtragende dieser Fehlentwicklung ist die gesamte Kran-kenhausbelegscha� . Um dieser Entwick-lung entgegenzuwirken, besteht die Not-wendigkeit einer gesetzlich verankerten Mindestförderung in Höhe des tatsächli-chen Bedarfs, der für die Investitionen in moderne Strukturen und den Substanz-erhalt der Krankenhäuser benötigt wird.

Standortreduzierung im Verhältnis zum tatsächlichen BedarfÜber die mögliche Schließung von Kran-kenhäusern oder einzelnen Abteilungen muss auf Grundlage einer verlässlichen und nachvollziehbaren Bewertung ent-schieden werden. Die Versorgungssicher-heit und -qualität sollten stets Priorität ha-ben vor der ökonomischen Rentabilität

eines Hauses und müssen daher bei der Bewertung zwingend die entscheidenden Faktoren sein. Um einheitliche Rahmen-bedingungen zu scha� en, bedarf es einer genauen De� nition, wann eine Überka-pazität in der Krankenhausversorgung zu verzeichnen ist. Kommt es zum Abbau von Kapazitäten, müssen diejenigen Kran-kenhäuser � nanziell und personell entlas-tet werden, die infolgedessen mit einem Zuwachs von Patienten zu rechnen haben.

Die Arbeitsbelastung in den Kranken-häusern ist gegenwärtig für das Klinik-personal schon ausgesprochen hoch und bewegt sich teilweise bereits an der Gren-ze des Machbaren. Strukturveränderun-gen dürfen keinesfalls zu einem höheren Arbeitspensum der Krankenhausbeleg-scha� und damit letztendlich auch zu einer Beeinträchtigung der Versorgungs-qualität führen.

Landesbasisfallwerte müssen Lohnsteigerungen abdeckenDie jährlich von den Vertragspartnern ausgehandelten Landesbasisfallwerte, die als Basispreise für einzelne DRG-Leistun-gen gezahlt werden, sollten der tatsächli-chen Kostenentwicklung der Krankenhäu-ser gerecht werden. Dies bedeutet auch, dass sich Ergebnisse von Tarifverhand-lungen in den Aufwüchsen der Landes-basisfallwerte widerspiegeln müssen und damit eine volle Re� nanzierung ermögli-chen. Tatsächlich weichen die Tarifsteige-rungen und die realisierbaren Zuwächse der Landesbasisfallwerte seit einigen Jah-ren immer mehr voneinander ab, was zu Verlusten bei Krankenhäusern führt. Die Deutsche Krankenhausgesellscha� (DKG) hat für das Jahr 2015 eine aufsummierte

Unter� nanzierung des tariµ edingten Per-sonalkostenzuwachses in Höhe von rund 2,5 Mrd. Euro kalkuliert. Um Stellen in Krankenhäusern adäquat zu besetzen und angemessene Arbeitsbedingungen für das Krankenhauspersonal zu scha� en, sollte die Re� nanzierung der Tari� ohnsteige-rungen gesetzlich verankert werden, so wird es auch von der Arbeitnehmergrup-pe der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag gefordert. Es ist richtig, Qualitätsstandards in der Krankenhausversorgung festzulegen. Die-se können jedoch nur eingefordert wer-den, wenn die Strukturen und das Arbeits-umfeld in Krankenhäusern so gestaltet sind, dass diese Qualitätsstandards zu rea-listischen Richtwerten werden.

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MEDIZINSTUDIUM

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Von Katrin Albsteiger

In Deutschland gibt es bereits ländliche Regionen, in denen die medizinische Versorgung nicht mehr gewährleistet ist. In einer Befragung gaben 58 Prozent der derzeit praktizierenden Hausärzte an, noch keinen Nachfolger gefunden zu haben. Diese ersten Alarmzeichen müs-sen wir ernst nehmen. Nicht der einzige, aber immerhin ein wichtiger Baustein, um diesem Problem Herr zu werden ist der „Masterplan Medizinstudium 2020“, der gemeinsam durch Bund und Ländern erarbeitet wird. Übergeordnetes Ziel muss es sein, die medizinische Grund-versorgung im ländlichen Raum für die Zukunft zu sichern.

Mit dem „Masterplan Medizinstudium 2020“ sollen im Wesentlichen drei Wei-chen neu gestellt werden: Die Rolle und Wertschätzung der Allgemeinmedizin stärken, die Praxisnähe in der Ausbil-dung von Ärzten zu fördern und die Auswahl der Studienplatzbewerber ziel-gerichteter gestalten. Dies sind wesentli-che Voraussetzungen, um eine � ächende-ckende und wohnortnahe medizinische Versorgung der Bevölkerung auch in ländlichen Regionen in den kommen-

Masterplan Medizinstudium

den Jahren sicherzustellen. Auf zwei die-ser Aspekte möchte ich näher eingehen:

Super Abitur als VoraussetzungWer in Deutschland Humanmedizin stu-dieren möchte, benötigt ein herausra-gendes Abitur. Dieser Umstand hat Vor-und Nachteile. Nur ganz selten bricht ein Medizinstudent sein Studium ab, die Er-folgsquote ist gegenüber anderen Stu-diengängen mit am höchsten. Auf der anderen Seite müssen viel junge Men-schen zu lange auf einen Studienplatz warten oder werden nie die Chance bekommen ein Medizinstudium auf-nehmen zu können. Die Hochschulen könnten dieses Problem entschärfen. Sie müssen ihre Möglichkeiten bei der Aus-gestaltung des dezentralen Zulassungs-verfahrens zum Medizinstudium voll-umfänglich ausschöpfen. Die Vorgaben in den Hochschulzulassungsgesetzen der Länder sind in der Regel sehr allge-mein gehalten. Die eigentliche Entschei-dung über die relevanten Auswahlkrite-rien fällt daher erst an den Universitäten. Diese be� nden auch darüber, welche Kri-terien Ein� uss auf die Vergabeentschei-dung haben. Die medizinischen Fakul-täten gehen mit ihrem Auswahlermessen sehr unterschiedlich um.

Einige medizinische Fakultäten tre� en ihre Auswahl noch immer ausschließlich nach der Abiturbestennote. Durch diese Zuspitzung auf das Kriterium „Abitur-note“ ist eine große Gruppe potentiel-ler Bewerber von vornherein von jegli-cher Zulassungschance ausgeschlossen. Ich bin der Meinung, dass Kriterien und Verfahren, neben dem Numerus Clau-sus, wie etwa Eignungstest, Auswahlge-spräch, Motivationsschreiben, praktische Erfahrung und ehrenamtliche Tätigkeit daher verstärkt berücksichtigt werden sollten, um eine fairere und geeignetere Auswahl tre� en zu können. Tatsächlich tri· die Abiturnote eine gute Vorhersa-ge über den Studienerfolg, nicht jedoch darüber, ob jemand ein guter Arzt wird.

Anpassung des AuswahlverfahrensDer Sachverständigenrat zur Begutach-tung der Entwicklung im Gesundheits-wesen hat in seinem Gutachten aus dem Jahr 2014 ausdrücklich festgestellt, dass Studierende die allein über das Kriterium der Abiturnote zugelassen wurden, selte-ner bereit sind, hausärztlich tätig zu wer-den, als direkt von der Hochschule Zuge-lassene. Eine entsprechende Anpassung des Auswahlverfahrens, wie vorgeschla-gen, hält auch der Sachverständigenrat im Sinne einer höheren Hausarztquo-te für zielführend. Welche Auswahlkri-

Masterplan Medizinstudium

Das Abitur ist als alleiniges Auswahlkriterium ungeeignet

Katrin Albsteiger setzt sich für eine Reform des Studienganges Medizin ein

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MEDIZINSTUDIUM

KATRIN ALBSTEIGER

Katrin Albsteiger (31) ist Mitglied des Deutschen Bundestages. Sie gehört dem Ausschuss für Bildung und Forschung, sowie dem Ausschuss für Angelegenhei-ten der Europäischen Union an. Seit 2014 ist sie eine der vier stellvertretenden Bun-desvorsitzenden der Jungen Union

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terien herangezogen werden sollen die Betro� enen entscheiden. Eine gute Idee wäre deshalb die Einrichtung eins Run-den Tisches aus Universitäten, Ärzte-kammern, Kassenärztlichen Vereinigun-gen und den Bundesländern, der sich auf Maßstäbe für das dezentrale Auswahl-verfahren an den Universitäten einigen könnte. So kann im Rahmen der gesetz-lichen Möglichkeiten ein breiteres Spek-trum von Studienbewerbern die Chance auf ein Medizinstudium erhalten.

Auch die Studienbewerber selbst dürfen wir nicht aus der Verantwortung neh-men. Sie sollen verp� ichtet werden, ihre Bewerbung nach einer bestimmten Zeit, beispielsweise nach drei oder vier Jahren, gegenüber der Sti� ung für Hochschulzu-lassung neu zu bekunden. Eine automa-tische Anrechnung der Wartezeit darf es nicht geben. Nicht die Wartezeit allein, sondern die Motivation muss zentrales Kriterium sein.

Neben Veränderungen am bestehenden Zulassungssystem sind auch ganz neue Wege denkbar. Sofern verfassungsrecht-lich möglich, könnte im Rahmen einer Landarztquote eine bestimmte Zahl von Studienplätzen denjenigen vorbehal-ten werden, die sich verp� ichten, nach vollständig abgeschlossener Ausbildung für eine bestimmte Zeit im ländlichen,

unterversorgten Raum zu praktizieren. Unterversorgte Gebiete müssten dazu als „besonderer ö� entlicher Bedarf “ an-erkannt werden.

Auch an den Universitäten gibt es kon-kreten Handlungsbedarf. Die Allgemein-medizin führt leider in einigen medi-zinischen Fakultäten noch immer ein „Schattendasein“. Sie wird daher o� bei Studierenden nicht als gleichwertige Teil-disziplin der Humanmedizin wahrge-nommen. Um diesem Trend entgegen-zuwirken gibt es bereits heute tolle Beispiele von allgemeinmedizinischen Mentoringprogrammen für Studieren-de. Wir wollen mehr davon! Diese Pro-gramme bauen Vorurteile ab und schaf-fen eine emotionale Heimat.

Und auch im „Praktischen Jahr“ soll die Allgemeinmedizin mehr in den Fokus rücken. Das Praktische Jahr soll kün� ig zur Steigerung der Wahlfreiheit der Stu-dierenden in vier Ausbildungsabschnit-te gegliedert werden. Ich plädiere dafür, dass dann zwei medizinische Fachge-biete frei gewählt werden können, denn nach neuesten Umfragen des Hartmann-bundes würden sich Studierende dann in dem zusätzlichen frei wählbaren Quar-tal häu� g für das Fach Allgemeinmedi-zin entscheiden.

Grundversorgung geht vorAlle hier genannten Ideen sind kein Selbstzweck. Es werden hierdurch auch keine Mediziner „Zweiter Klasse“ ge-scha� en, die gegenüber anderen Absol-venten zurückstehen müssen. Der Staat hat in gewissen Bereichen eine Fürsorge-p� icht. Die Sicherung der medizinischen Grundversorgung der Bevölkerung ist eine davon. Mit dem „Masterplan Me-dizinstudium 2020“ wollen wir es schaf-fen, engagierte junge Leute in die ländli-che Niederlassung zu bringen.

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eHEALTH

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Von Axel Döß und Philipp Dempke

Telematik, vernetzte Strukturen, Telemedi-zin - das sind die stark diskutierten Punkte im eHealth Gesetz und in Berlin bei den Insidern in aller Munde. Hier soll endlich der große Durchbruch in dieser Legislatur-periode gelingen. Gleichwohl wird dieser Diskurs schon seit über zehn Jahren geführt und noch unter der Gesundheitsministerin Schmidt wurde bereits 2006 großspurig die Einführung der eGesundheitskarte mit allen Vorteilen für die Patientenversorgung für 2009 angekündigt.

Nun, seitdem ist sprichwörtlich „viel Wasser die Spree hinunterge� ossen“ und wir stehen immer noch am Anfang. Kei-ne eGK und auch noch lange keine ver-netzte Strukturen in der Regelversorgung der Patienten, die die Leistungserbrin-ger aus allen Bereichen auf eine ePati-entenakte zugreifen ließe, und erst Recht noch keine de� nierten Vergütungsstruk-turen, um die System- und Technikinno-

DAS eHEALTH–GESETZDer große Wurf oder ein Einstieg ins „Neuland“?

vationen in diesem Bereich ausreichend attraktiv zu vergüten. Von Ausnahmen bei der Röntgenbefundung mal abgese-hen, wobei heutzutage Bilder über das Netz zu senden nicht wirklich eine gro-ße Innovation darstellt, Whats app und andere Social Media Applikationen las-sen grüßen.

Die Einführung eines eHealth Gesetzes ist seit September 2013 ein gemeinsames Ziel der Großen Koalition und so gese-hen bereits eine Innovation. Der Wille, dieses ̧ ema endlich in einen Gesetzes-rahmen zu gießen bedarf wohl ungleich großer Anstrengungen.

Drei wesentliche Punkte werden in dem Vorhaben aufgegriffen, was auch sehr löblich ist: 0 Die sichere Telematikinfrastruktur,

0 die Einführung einer Vergütung telemedizinischer Leistungen durch ärztliche Leistungserbringer und

0 die Unterstützung für nutzbringen-de Anwendungen der eGK.

Wie bei so vielen Vorhaben stecken die Herausforderungen im Detail. Gerade was die Anwendungen angeht gibt es bereits seit vielen Jahren Positivbeispie-le, die jedoch bis heute nicht über den „Projektstatus“ oder die „Insellösung“ hinausgekommen sind. Zu erwähnen sind hier insbesondere Versorgungsbe-reiche wie kardiovaskuläre Erkrankun-gen oder pulmologische Erkrankungen.

Technik und Emotionen – ein Widerspruch?Das „eHealth“-Gesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn es noch einige Menschen gibt, die das Gesetz kritisch sehen, so ist es doch in der heutigen, digitalisierten Welt ein wichtiger Faktor, den auch die Medizin nutzen muss.Kritiker betonen die mangelnde Sicher-heit und den schwindenden sozialen

Das „eHealth“-Gesetz ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Auch wenn es noch einige Menschen gibt, die das Gesetz kritisch sehen

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eHEALTH

AXEL DÖSS

Dr. Axel Döß, Jahrgang 66, Chemiestu-dium an den Universitäten Mainz und Siegen, Masterstudium Gesundheitsma-nagement an der Universität Witten/Her-decke. Seit 15 Jahren im Gesundheitswe-sen tätig, die letzten acht Jahre in leiten-der Funktion in den Bereichen Market Ac-cess/Erstattung/Public und Governmen-tal Affairs der Pharma- und Medizintech-nikindustrie. Mitglied der PG „eHealth“ beim Branchenverband Spectaris. Zur Zeit tätig als Direktor Market Access Europe für die ResMed Germany Inc., Martinsried

PHILIPP DEMPKE

Philipp Dempke, Jahrgang 93, Studium der Gesundheitsökonomie/Health Eco-nomics an der FH Fresenius in Köln und München. Internship bei ResMed Ger-many Inc. in Martinsried und weiterhin tätig als studentische Hilfskraft in den Bereichen Market Access und Marketing

Kontakt. Die Patienten hätten ohnehin schon nur „sehr wenig mit dem Medi-ziner per se zu tun“, klagen sie.

Auch befürchten sie, dass dieser dann verschwindet und sich nur noch auf die Technik verlassen wird. Dies kann pas-sieren, jedoch vermag kein Gesetz der Welt die „persönlichen Eigenscha� en“ eines Menschen und Medi-ziners zu verändern, da sol-che „Entscheidungen“ im-mer noch beim Arzt selbst liegen. Wesentlich ist, wel-che Aufgaben er übernimmt und welche die Technik und sein Team.Ein Großteil der Ärzte spricht sich für „eHealth“ aus. Im Jahr 2010 allein 64 Pro-zent im Bereich der Telemedizin. Der ak-tuelle Wert in diesem Jahr dür� e ungleich höher liegen. Ein Problem ist jedoch, dass es immer noch Arztpraxen in Deutsch-land gibt, die keinen Internetanschluss haben, oder nicht die technischen Geräte besitzen, um etwa die „eGK“ auszulesen.

Die beste Technik bringt nichts, wenn wir sie nicht nutzen können. Des Weite-ren müssen wir mehr Anreize scha� en, damit es sich für den Mediziner lohnt, sich auf eHealth einzulassen. So wird es zum Beispiel zum 01. Juni 2016 einen Zuschlag von 55 Cent für die Übermitt-lung eines Arztbriefes geben. Ebenso werden 50 Cent für die Entgegennah-me berechnet. Leider gibt es aber auch immer noch keine „EBM-Zi� er“ für die Abrechnung von telemonitorischen Leis-tungen. Ebenso muss gewährleistet sein, dass man eine sichere Telematik-Infra-struktur nachweisen kann. Gerade uns Deutschen erscheint der Datenschutz wichtig: hier muss besonderes Augen-merk draufgelegt werden.

Der Aufbruch ins NeulandResMed Healthcare hat das Potential der Telematik und der Telemedizin früh er-kannt und darauf spezialisiert. Wir er-achten und schätzen den Wert von Tele-medizin für die globale Versorgung als äußerst wichtig ein und haben seit ei-niger Zeit die Technik entwickelt, dies umzusetzen. Die ̧ erapie von Patienten mit schlaµ e-zogenen Atmungsstörungen hat ResMed

Healthcare neu de� niert und die aktuel-len Service-Prozesse grundlegend opti-miert. Die integrierte Telemonitoring-Funktionalität in „AirSolutions“ ist das Fundament für diesen Service. Pionier-arbeit leisten die AirSense™ ̧ erapiegerä-te bei der Begleitung und des Complian-ce-Management mittels Telemonitoring. ResMed Healthcare konnte so die Ver-

sorgungsqualität und die Schlafdauer der Patienten/innen um 13 Prozent auf 312 Minuten pro Nacht steigern. Die ̧ era-pieabbruchrate ging dank des von Res-Med Healthcare entwickelten Complian-ce-Management Services um 37 Prozent zurück.

Die Grundlage der täglichen Arbeit von ResMed Healtcare CompAct™ sind tages-aktuelle Compliance-Informationen. Das Telemonitoring wird dabei nicht nur zum Nachweis der ̧ erapiestunden gegen-über dem Kostenträger eingesetzt. Ein enormer Fortschritt in der Versorgung wäre eine Optimierung und Realisierung aller Vorgänge, die auf Patientenanfra-gen reagiert. In der ̧ erapie au� retende

Probleme sollen so, durch Telemonito-ring unterstütztes, pro-aktives Handeln zeitnah gelöst werden.Die Ressourcen aller Beteiligten werden dadurch geschont und die Eº zienz der Versorgung gesteigert, wenn Leistungen gezielt und zum richtigen Zeitpunkt ein-gebracht werden. Der tägliche Kontakt mit Patienten ermöglicht es heute durch Telemonitoring einen gesteigerten ̧ e-rapieerfolg zu erzielen.

Die Telemedizin in der ZukunftAbschließend lässt sich betonen, dass das „eHealth-Gesetz“, Telemedizin und Telematik ein wichtiger Bestandteil der heutigen Medizin ist und mehr in den medizinischen Alltag integriert werden sollte. Es muss mehr Geld in telemedi-zinische Technik investiert werden. Die-ser Schritt ist für eine Industriegröße wie Deutschland nur folgerichtig. Die rest-lichen Zweifel müssen ausgeräumt wer-den. Das „eHealth-Gesetz“ ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Es wird noch einige Zeit dauern: Bis zum gro-ßen Wurf, ja, aber heute schon der Ein-stieg ins Neuland.

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Die Teilnehmer der jährlichen Gesundheitstagung der gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/ CSU-Landtagsfraktionen und ihre Gäste

Chancen der Digitalisierung für das Gesundheitswesen nutzenVon Gottfried Ludewig

Deutschland hat eines der besten Gesundheitssysteme weltweit. Doch bei der Digitalisierung besteht Nach-holbedarf. Der Sprung ins 21. Jahr-hundert gelingt uns nur, wenn wir das Gesundheitswesen enger vernetzen, mobile Geschäftsmodelle zulassen und zukunftsfähige Lösungen der Industrie 4.0 ermöglichen.

E-Health Gesetz zügig umsetzen

Mehr als 100.000 Gesundheitsapps bie-ten heute ihre Dienste an, und täglich werden es mehr. Patienten nutzen diese Angebote bequem per Smartphone und Tablet und sind so jederzeit gut über ihren Gesundheitszustand informiert. Online-Riesen wie Apple und Goog-le investieren daher bewusst Milliar-den in diesen Markt. Diese Entwick-lung zeigt deutlich: Die Bürgerinnen und Bürger haben die Frage, ob es zur Digitalisierung des Gesundheitswesens kommt, längst beantwortet. Es ist die

GESUNDHEITSPOLITIKER

Aufgabe der Politik die Voraussetzun-gen zu scha� en, dass alle Patienten von den Möglichkeiten des technischen Fort-schritts pro� tieren. Das „Gesetz für si-chere digitale Kommunikation und Anwendungen im Gesundheitswesen“ (E-Health-Gesetz) der Bundesregierung ist ein erster notwendiger Schritt in diese Richtung. Indem es den � ächendecken-den Ausbau der digitalen Infrastruktur vorantreibt, rückt endlich der Nutzen für Patientinnen und Patienten durch die elektronische Gesundheitskarte in den Fokus der politischen und gesell-scha� lichen Debatte.

Ein Ziel des Gesetzes ist es, Entlassdoku-mente digital zu übermitteln. Kranken-häuser und Ärzte sollen kün� ig in der Lage sein, Untersuchungsunterlagen ein-facher auszutauschen. Die Behandlung von Patienten wird so schneller und ef-� zienter. Garantiert wird das über ver-schiedene Anreize und Sanktionsme-chanismen für Ärzte und Arztpraxen. Zudem macht sich das Gesetz setzt stark für die sichere Übermittlung der Versi-

chertenstammdaten. Gelingt es uns den Entwicklern von u. a. Gesundheitsapps einen einfachen Zugang zur Telematik-Infrastruktur zu ermöglichen und ihre Anwendungen auf die bereit gestellte sichere Autobahn zu übertragen, dann bedeutet sie für Patientinnen und Pa-tienten einen echten Vorteil gegenüber bestehenden Angeboten internationa-ler Online-Firmen. Hier sind ihre Daten sicher.

Staatliche Rahmenbedingungen anpassen

Damit das möglich wird, müssen Ge-setze und Vorschri� en permanent an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden. Unter anderem müssen wir uns die Frage stellen, wie die ärztliche Bera-tung über das Internet und/oder telefo-nisch als Leistung über die gesetzlichen Krankenkassen abgerechnet werden kann. Im ländlichen Raum könnte sie den zunehmenden Ärztemangel au� an-gen und weiterhin eine schnelle und gute Behandlung der Bevölkerung gewähr-leisten. Die Einführung vielversprechen-der telemedizinischer Ansätze scheitert jedoch nicht selten an den bestehenden gesetzlichen Regelungen, konkret am weitreichenden Fernbehandlungsverbot. Die Bundesärztekammer prü� zwar fort-laufend den Anpassungsbedarf. Damit

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GESUNDHEITSPOLITIKER

GOTTFRIED LUDEWIG

Dr. Gottfried Ludewig, MdA, ist seit 2011 gesundheitspolitischer Sprecher und stell-vertretender Vorsitzender der CDU-Frak-tion im Berliner Abgeordnetenhaus. Als Koordinator der gesundheitspolitischen Sprecher der CDU/CSU-Landtagsfraktio-nen organisiert er eine jährliche Tagung in Berlin

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die Vorteile der Telemedizin wirklich bei der Bevölkerung auf dem Land ankom-men, setzen sich die gesundheitspoliti-schen Sprecher der CDU/CSU-Land-tagsfraktionen dafür einsetzen, das Fernbehandlungsverbot kontinuierlich an die technischen Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts anzupassen.

Neue Bewertungsmaßstäbe für telemedizinische Behandlungen

Neuartige Behandlungsmöglichkeiten erreichen die Patientinnen und Patien-ten nur dann, wenn auch die Finan-zierung hierfür sichergestellt ist. Dazu müssen wir prüfen, inwieweit das durch eine Erweiterung der ärztlichen Vergü-tungszi� ern erreicht werden kann. Die Selbstverwaltung muss endlich dem ge-setzlichen Au� rag nachkommen und entsprechende Bewertungsmaßstäbe für telemedizinische Leistungen entwickeln. Dann können alle Patientinnen und Pa-tienten von ihren Vorteilen pro� tieren: Lange Warte- und Fahrzeiten gehören der Vergangenheit an, moderne Senso-ren gewähren Patienten mit Herzpro-blemen 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche eine bestmögliche Versor-gung und sensorgestützte Assistenzsys-teme ermöglichen den Traum vom Woh-nen in den eigenen vier Wänden bis ans Lebensende.

Mehr Investitionen in Krankenhaus-IT

Im Krankenhaus der Zukun� spielt IT die zentrale Rolle. Sie ist u.a. entschei-dend im Bereich der Robotik und bei der Vernetzung mit anderen Kliniken. Intern ermöglichen kurze Kommuni-kationswege den schnellen und präzi-sen Zugri� auf die Ergebnisse der Dia-gnostik. Bei der Anamnese können Fernkonsultationen mit ausgewiese-nen Spezialisten den entscheidenden Hinweis für eine Behandlung bedeuten. Die Vorteile liegen auf der Hand. Den-noch sind in Deutschland nur 6 Pro-zent der Akut-Krankenhäuser regional oder national vernetzt. In Dänemark und Schweden nutzen bereits 50 Pro-zent diese Möglichkeit. Über eine Ko-� nanzierung seitens der Bundesebe-ne und der Bundesländer könnten sich auch in Deutschland die Investitionen der Krankenhäuser in IT erhöhen und die Behandlung von Patienten wesent-lich verbessern.

Datenschutz geht vor

Unser Ziel ist eine moderne und inno-vative Gesundheitsversorgung. Errei-chen können wir sie mit einer funktio-nierenden Telematik-Infrastruktur, die den Zugang zu digitalen Gesundheits-

Patienten nutzen die eHealth-Angebote bequem per Smartphone und Tablet und sind so je-derzeit gut über ihren Gesundheitszustand informiert

DIE GÄSTEGäste der Tagung der Gesundheitspoli-tischen Sprecher der Unions-Landtags-fraktionen in diesem Jahr waren u. a. Jens Spahn, ehemaliger gesundheits-politischer Sprecher der CDU/CSU-Bun-destagsfraktion, Lutz Stroppe, Staats-sekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Jürgen Graalmann, ehe-maliger Vorsitzender des AOK-Bundes-verbands und Dr. Matthias Suermondt, Vice President Public Affairs bei Sanofi Aventis Deutschland. Im Mittelpunkt der Tagung stand die Frage nach den Schnittstellen zwischen Landes- und Bundesebene bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens und was die Krankenkassen und die Pharmaindus-trie tun können, um die Digitalisierung zu beschleunigen.

dienstleistungen bei gleichzeitiger Si-cherung sensibler Patientendaten er-möglicht. Dabei sorgen wir dafür, dass die Patientinnen und Patienten selbst und ohne Zwang entscheiden können, welche Daten und welche Dienste sie in Anspruch nehmen wollen. Das ist der Weg zum deutschen Gesundheits-system 4.0 .

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BILANZ DER GROKO

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Von Christian von Stetten

Den größten Erfolg der ersten Halbzeit der großen Koalition konnte Bundes-fi nanzminister Dr. Wolfgang Schäuble verbuchen: Ihm ist es gelungen, den ers-ten schuldenfreien Haushalt seit 1969 durchzusetzen. Diese im Wahlkampf ver-sprochene „schwarze Null“ muss auch die kommenden Jahre bestehen blei-ben. Eine solide Finanzpolitik ohne neue Schulden ist eine wesentliche Voraus-setzung für die Wettbewerbsfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands

Daneben konnte die Union als die stärks-te Regierungspartei verhindern, dass die im Wahlkampf von SPD und Grünen geforderten Steuererhöhungen Realität werden. Auch das ist ein Ausdruck � -nanzpolitischer Seriosität: in Zeiten von Rekordsteuereinnahmen muss der Staat zeigen, dass er mit den ihm anvertrauten Steuermitteln klarkommt.

Halbzeitbilanz der Großen Koalition: LICHT UND SCHATTENBei der Großen Koalition in Berlin ist längst nicht alles Gold, was glänzt: Mittelständler und Freiberufl er sind weitgehend enttäuscht von den ersten beiden Jahren

Halbzeitbilanz der Großen Koalition: LICHT UND SCHATTEN

Mutlosigkeit statt Politik

Als Preis für diese beiden � nanzpoliti-schen Leitplanken der Großen Koalition musste die Union der SPD aber leider vie-le Zugeständnisse machen. Die entspre-chenden Festlegungen im Koalitionsver-trag haben dazu geführt, dass die ersten zwei Jahre der Großen Koalition eher von Mutlosigkeit statt von vorausschauender Wirtscha� spolitik geprägt waren.

Eine Große Koalition, der 80 Prozent der Bundestagsabgeordneten angehören, soll-te sich um große Reformen kümmern, die unser Land wettbewerbsfähig und � t für die Zukun� machen. Das Gegenteil war bislang leider der Fall.

Die von der SPD durchgesetzte „Ren-te mit 63“, die Einführung eines praxis-fernen und bürokratischen gesetzlichen Mindestlohns, die nicht handhabbare Mietpreisbremse sowie die Frauenquote

und die Änderungen beim P� egezeitge-setz hemmen das Wirtscha� wachstum, belasten die nächste Generation und er-höhen den bürokratischen Aufwand.

Rolle rückwärts bei der Rente

Die Arbeitnehmer hatten akzeptiert, dass das Renteneintrittsalter langsam bis auf 67 Jahre ansteigen muss, um der demo-graphischen Entwicklung Rechnung zu tragen. Dennoch hat die große Koali-tion eine Rolle rückwärts gedreht und die Rente mit 63 beschlossen. Besonders die Entscheidung, dass bei der Senkung des Renteneintrittsalters auf 63 Jahre auch Jahre, in denen Arbeitslosengeld I bezo-gen wurde, wie Beitragsjahre gezählt wer-den, war und ist für mich nicht nachvoll-ziehbar. Dies ist ungerecht und belastet die kommenden Generationen massiv. Bereits heute ist absehbar: die Rente mit 63 wird von deutlich mehr Menschen in Anspruch genommen als vorgesehen. Die

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BILANZ DER GROKO

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CHRISTIAN VON STETTEN

Christian von Stetten (45) ist Vorsit-zender des Parlamentskreis Mittel-stand der CDU/CSU-Bundestagsfrak-tion. Im Parlamentskreis Mittelstand sind 190 der 310 Bundestagsabge-ordneten der CDU/CSU-Bundestags-fraktion engagiert

Kosten wurden von der Bundesarbeitsmi-nisterin Andrea Nahles für das Jahr 2015 mit 1,5 Mrd. Euro veranschlagt. Heute wissen wir, es werden wahrscheinlich 3 Mrd. Euro sein. Darüber hinaus entzieht die Rente mit 63 dem Arbeitsmarkt er-fahrene Arbeitskrä� e, die gerade in Zei-ten des Fachkrä� emangels unverzichtbar sind. Gleichzeitig sendet die Rente mit 63 ein fatales Signal: aufgrund der demo-gra� schen Entwicklung müssen wir in die Zukun� eher länger arbeiten als kürzer.

Weichen für die nächsten 2 Jahre stellen

Ähnlich verhält es sich mit dem gesetz-lichen Mindestlohn von 8,50 Euro. Seit dessen Einführung im Januar 2015 rei-ßen die Beschwerden nicht ab. Dabei geht es weniger um die Höhe des Mindest-lohns als vielmehr um die bürokratischen Au� agen durch die Mindestlohndoku-mentationsp� ichtenverordnung. Diese Verordnung wurde von Andrea Nahles ohne Parlamentsbeteiligung umgesetzt und führt dazu, dass der Mindestlohn als bürokratisches Monster wahrgenom-men wird.

1.600 neu eingestellte Zollbeamte kon-trollieren zum Teil bewa� net seit diesem Frühjahr die Einhaltung der Au� agen des Mindestlohngesetzes in den Betrie-

ben und sorgen für zusätzlichen Verdruss bei den Betro� enen.Wenn jetzt auch noch das angekündigte Entgeltgleichheitsgesetz und die Regulie-rung von Zeitarbeit und Werkverträgen wie eine bürokratische Krake über die Unternehmen kommen, wird die Bilanz nicht positiv ausfallen.

Umso wichtiger werden die Weichen-stellungen für die zweite Häl� e der Le-gislaturperiode. Die durch das Bundes-verfassungsgericht erzwungene Reform der Erbscha� steuer darf nicht zu Lasten unserer deutschen Familienunternehmen gehen. Die ganze Welt beneidet uns um diese einmalige Wirtscha� sstruktur, die unsere Wirtscha� ausmacht und auch in Krisenzeiten am Laufen hält. Unser Ko-alitionspartner würde die Steuereinnah-men durch die Erbscha� steuer gerne zu Lasten der Unternehmen erhöhen, doch die Union wird das nicht zulassen.Seit Jahren beschä� igen wir uns mit den Rettungspaketen für Griechenland. Zum dritten Mal hat der Deutsche Bundestag in zwei Sondersitzungen während der politischen Sommerpause in diesem Jahr über ein Hilfspaket abstimmen müssen. Diesmal reden wir über Finanzmittel in Höhe von 86 Mrd. Euro.

Unabhängig von der Sinnha� igkeit der bisher verabschiedeten Rettungsprogram-

Auch die Koalition aus CDU und SPD haben die bürokratische Krake nicht wirksam bekämpft

me und der unterschiedlichen Au� assun-gen in meiner Fraktion hierüber, vertre-te ich die Au� assung, dass Griechenland unter den jetzigen Bedingungen schon aus formalen Gründen kein weiteres Geld aus dem Europäischen Stabilitätsmecha-nismus (ESM) hätte bekommen dürfen. Weder die für ein ESM-Programm not-wendige Systemrelevanz Griechenlands für die Stabilität der gesamten Eurozo-ne noch die notwendige Schuldentrag-fähigkeit Griechenlands konnten plau-sibel nachgewiesen werden.

Die vom IWF geforderte kün� ige Wie-derherstellung der Schuldentragfähig-keit durch die Verlängerung der Dar-lehenslaufzeiten von heute ca. 30 Jahre auf ca. 60 Jahre lehne ich entschieden ab. Dies wäre ein „Taschenspielertrick“, der die nächste und übernächste Gene-ration massiv belasten würde.

Alles in allem bleibt beim Blick auf die Wirtschaftspolitik der Großen Koalition ein gemischtes Gefühl – sowohl beim Blick zurück als auch beim Blick in die Zukunft.

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LÄNDLICHER RAUM

Von Rudolf Georg Kippels

Kurz vor der parlamentarischen Som-merpause in diesem Jahr erreichte mich die Nachricht, dass ich künftig auch im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages als ordentli-ches Mitglied tätig sein werde. Nach-dem Jens Spahn, bis dato Vorsitzender der Arbeitsgruppe Gesundheit und gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, zum Parlamenta-rischen Staatssekretär beim Bundes-minister für Finanzen ernannt wurde, war dieser Ausschusssitz zu vergeben. Schon zu Beginn dieser Legislatur bewarb ich um die Mitgliedschaft im Gesundheitsausschuss. Gewisserma-ßen einer Tradition folgend – denn bereits mein Wahlkreisvorgänger, Willi Zylajew, hat sich lange Jahre in diesem betätigt. Doch vor allem be-

Wohnortnahe und flächendeckende GRUNDVERSORGUNG

Auch Krankenhäuser in strukturschwachen Regionen müssen ihren Versorgungsauftrag wahrnehmen können

ruht mein Interesse auf meiner lang-jährigen Erfahrung aus dem kommu-nalpolitischen Bereich. Schon lange vor meinem Einzug in den Deutschen Bundestag im Jahr 2013 befasste ich mich auf kommunaler Ebene mit der zunehmenden Problematik insbeson-dere der medizinischen Versorgung im ländlichen Raum.

Kommunale Querschnittsaufgabe

Es gibt nur wenige Kommunen, die frühzeitig auf eine alternde Gesell-scha� reagiert haben, Gesundheits-politik ist vor allen Dingen auch eine kommunale Querschnittsaufgabe. Ge-sundheitliche und damit einhergehen-de soziale Probleme nehmen zu. Die Versorgungsdichte aber auch –quali-tät hingegen dünnt in vielen Regionen zunehmend aus.

In meinem Wahlkreis, dem Rhein-Er� -Kreis, können wir zumindest heute noch auf eine stabile, � ächen-deckende Versorgung zugreifen. Poli-tische Überlegungen, die aus dem Krankenhausplan NRW hervorge-hen, werden aber immer wieder an-geführt den Bettenbestand substanziell zu verringern. Eine ortsnahe Kran-kenhausversorgung kann so keines-falls erhalten bleiben. Gerade für äl-tere Patienten, aber auch Familien, die weniger mobil sind, würde dies eine enorme Belastung darstellen. Die Re-form des Krankenhausstrukturgeset-zes ist deshalb eines der Kernarbeits-themen, bei dem ich mich einbringen möchte. Es braucht tragfähige Lösun-gen und Rahmenbedingungen für eine hochwertige, gut erreichbare und si-cher � nanzierte Krankenhausversor-gung für alle Patienten. Das Ziel einer

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LÄNDLICHER RAUM

RUDOLF GEORG KIPPELS

Dr. Rudolf Georg Kippels wurde am 21. September 1959 in Bedburg, Nordrhein-Westfalen, geboren und ist seit 2013 Mit-glied des Deutschen Bundestages. Dort vertritt er als direkt gewählter Kandidat den Wahlkreis 91 (Rhein-Erft Kreis I). Als ordentliches Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklung übernimmt er die Berichterstat-tung insbesondere für Gesundheit, Kin-der- und Frauenrechte und Soziales. Seit Juli 2015 ist er ebenfalls ordentliches Mitglied im Gesundheitsausschuss.

guten Gesundheitspolitik muss eine wohnortnahe und � ächendeckende Grundversorgung der Menschen mit hochwertigen medizinischen ambu-lanten und stationären Leistungen sein. Auch Krankenhäuser in struk-turschwachen Regionen müssen ihren Versorgungsau� rag wahrnehmen kön-nen.

Synergien nutzen

Das vergangene Jahr hat die interna-tionale Gemeinscha� vor immense Probleme gestellt. Der Ausbruch des Ebola-Virus in Sierra Leone, Libe-ria und Guinea hat zutage gebracht in welch desaströsen Zuständen die Gesundheitssysteme der westafrika-nischen Länder sind. Stellt eine man-gelha� e Gesundheitsversorgung in Schwellen- und Entwicklungsländern ohnehin eine große Herausforderung dar, erschütterte die EBOLA-Epidemie die westafrikanischen Staaten zusätz-lich. Ebola hat mit Westafrika einige der ärmsten Länder der Welt befal-len und in einer globalisierten Welt � nden solche Katastrophen, trotz der geogra� schen Entfernung, direkt vor

unserer Haustür statt. Die Antwort auf solche Krisen kann nur in einem funktio-nierenden Gesundheitssys-tem liegen. Ich erho� e mir natürlich Synergien beider Gremien nutzen zu können und set-ze mich weiterhin dafür ein, die Medikamentenforschung zu stärken. Vor allem für eher vernachlässigte Krank-heiten aber auch Tuberkulo-se. Die Anstrengungen und freigesetzten Mittel, die in den letzten Monaten getä-tigt wurden um der Ebola-Epidemie Herr zu werden, zeigen, dass auch kurzfris-tig große Erfolge erzielt wer-den können. So verfügt man heute über einen Impfsto� , der zumindest in der Test-phase zeigt, dass eine Neu-ansteckung verhindert wer-den kann. Der Ausbruch in

Westafrika macht deutlich, wie wich-tig klinische Studien für vernachläs-sigte Krankheiten sind. 

Deutschland nur Mittelmaß in Europa

Es ist eine große Aufgabe, unser Ge-sundheitswesen für die Zukun� gut aufzustellen. Es zu organisieren, ist einer der Kernbereiche der Daseins-vorsorge und für die Gesellscha� überaus relevant. Glücklicherwei-se verfügt Deutschland über ein Ge-sundheitssystem welches durch sein umfangreiches Leistungsangebot und hohem Versorgungsniveau zu den qualitativ hochwertigsten im inter-nationalen Vergleich gehört. Eine ent-scheidende Voraussetzung für ein leis-tungsfähiges Gesundheitssystem ist die Qualitätssicherung. Durch die Si-cherstellung der Qualität insbesondere der ärztlichen und p� egerischen Tä-tigkeiten können die Patientinnen und Patienten bedarfsgerecht und wirt-scha� lich versorgt werden.

Die Kombination von steigender Nachfrage infolge des demogra� -

schen Wandels und einem sich wei-ter dynamisch entwickelnden medizi-nischen Fortschritt, lässt ho� en, dass auch kün� ig mit einem stabilen Ge-sundheitswesen zu rechnen ist. Den-noch - internationale Rankings der letzten Jahre lassen zumindest die Fra-ge au¼ ommen, ob sich dieses Niveau so halten lässt. Zwar steigen die Ausgaben im deut-schen Gesundheitssystem stetig, hin-sichtlich der Qualität und Wirtscha� -lichkeit liegt die Bundesrepublik aber nur im europäischen Mittelfeld. Hier gibt es sicherlich Au½ olbedarf, denn es ist keineswegs so, dass sich Quali-tät und wirtscha� licher Erfolg per se ausschließen.

Vielfältige und interessante Aufgaben stehen mir nun bevor. Gerade der Ge-sundheitsausschuss birgt die Möglich-keit einen entscheidenden Beitrag zu leisten, denn die persönliche Gesund-heit, deren Erhalt und Wiederherstel-lung, gehört für alle Menschen zu den wichtigsten ̧ emen und größten Be-sorgnissen.

Im deutschen Gesundheitswesen gibt es noch Luft nach oben

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FLÜCHTLINGE

Das Asylbewerberleistungsgesetz erlaubt bisher nur die Behandlung akuter Erkrankungen, und auch dies nur nach behördlicher Genehmigung

FRANK ULRICH MONTGOMERY

„Für uns als Ärzte ist es bedeutungslos, woher ein Mensch kommt. Wir behan-deln alle Menschen nach den gleichen Kriterien und wir wollen allen die glei-che Qualität zukommen lassen.“ Das erklärte Prof. Dr. Frank Ulrich Mont-gomery, Präsident der Bundesärzte-kammer, in Anbetracht der hohen Zahl von Flüchtlingen, die in Deutschland Schutz suchen.

Montgomery kritisiert in einem Vi-deo-Statement insbesondere die Dis-kriminierung von Flüchtlingen per Gesetz. So erlaube das Asylbewer-berleistungsgesetz nur die Behand-lung akuter Erkrankungen, und auch dies nur nach behördlicher Geneh-migung. „Damit werden wir Ärzte indirekt zu Sozialrichtern am Patien-ten, denn wir könnten diese Men-schen besser behandeln.“ Schon der 118. Deutsche Ärztetag hatte beklagt, „dass in der Regel

Ärzte behandeln alle Menschen gleich

medizinisch nicht oder nicht aus-reichend geschultes Personal in den Sozial- und Ausländerbehörden den Gesundheitszustand der potenziell Leistungsberechtigten einschätzt.“ Dabei würden häu� g gravierende gesundheitliche Probleme überse-hen oder falsch bewertet. Nur me-dizinisch ausreichend geschultes Personal, vor allem Ärztinnen und Ärzte, könnten körperliche und see-lische Krankheiten adäquat erken-nen und angemessene Maßnahmen in die Wege leiten.

In diesem Zusammenhang verweist der Ärzte-Präsident auf entsprechen-de Regelungen in Hamburg und Bre-men. Dort erhalten Flüchtlinge im Gegensatz zu anderen Bundeslän-dern über eine Gesundheitskarte Zugang zur regulären gesundheitli-chen Versorgung. „Das brauchen wir eigentlich bundesweit“, so Montgo-

mery. Er bekrä� igt damit eine Forde-rung des 118. Deutschen Ärztetags. Der hatte sich dafür ausgespro-chen, den Zugang zu Gesundheit und Bildung unabhängig von Auf-enthaltsstatus und Alter zu gewähr-leisten. Eine Gesundheitskarte für alle Flüchtlinge beuge dramatischen Notfällen oder Fehleinschätzungen vor, vermeide über� üssige Bürokra-tie und spare dadurch Kosten.

Für „sehr problematisch“ hält Mont-gomery Röntgenuntersuchungen zur Altersfeststellung von Flüchtlingen. Anders als Juristen glaubten, ließe sich das Alter mit medizinischen Methoden nicht genau feststellen. Außerdem stelle das Röntgen einen Eingri� in die körperliche Unver-sehrtheit der Flüchtlinge dar.

Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer

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Das Asylbewerberleistungsgesetz erlaubt bisher nur die Behandlung akuter Erkrankungen, und auch dies nur nach behördlicher Genehmigung

CHRISTIAN BERGER

Christian Berger, Präsident der Bayeri-schen Landeszahnärztekammer (BLZK)

FLÜCHTLINGE

Die große Zahl von Flüchtlingen und Asylbewerbern und deren gesundheit-licher Zustand erfordern neue Wege bei der medizinischen und zahnmedizi-nischen Betreuung sowie eine zusätzli-che adäquate Finanzierung. In einigen Bundesländern erhalten Flüchtlinge über eine Gesundheitskarte Zugang zur regulären gesundheitlichen Versor-gung. In anderen Bundesländern – wie in Bayern – wird über das Asylbewer-berleistungsgesetz (AsylbLG) lediglich die ärztliche wie auch die zahnärztli-che Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände gewährleistet. Sogenannte „geduldete“ Asylbewerber erhalten diese Leistungen nur, soweit dies im Einzelfall nach den Umstän-den unabweisbar geboten ist (§ 1a AsylbLG). Nun hat sich der Präsident der Bay-erischen Landeszahnärztekammer

Lückenlose Versorgung von Asylbewerbern

(BLZK), Christian Berger, Kemp-ten, dafür ausgesprochen, Flücht-linge und Asylbewerber in den Pra-xen nicht nur in Schmerzfällen zu betreuen: „Eine an die zahnärztli-che Erstbehandlung anschließende endodontologische, konservieren-de oder prothetische Behandlung ist derzeit nicht vorgesehen. Das bringt den Zahnarzt unter Umstän-den in Kon� ikt, Zähne zu entfer-nen, die erhalten werden könnten. Die Erfolge der Zahnärztescha� bei der Vorbeugung von Erkrankungen zeigen deutlich auf, dass Vorbeugen auch preiswerter ist als die Versor-gung von Spätschäden. Prophylaxe bei Kindern, Frühversorgung von Karies, die noch nicht schmerzha� ist, und eine präventionsorientierte Zahnmedizin – all das wird bei der Behandlung von Flüchtlingen nicht vergütet. Gleiches gilt für die Vor-

beugung und Behandlung von Paro-dontitis und viele andere Leistungen, die zum Standard einer zeitgemä-ßen Zahnheilkunde zählen. Einfache prothetische Versorgungen sollten nach einer Karenzzeit ohne großen bürokratischen Genehmigungsauf-wand erlaubt sein.“ Diese Behandlungen nicht durchzu-führen, verschärfe in vielen Fällen das Problem. Berger: „Wir müssen uns darauf einstellen, dass eine große Zahl der allein in diesem Jahr rund 800 000 Flüchtlinge und Asylbewer-ber, die nach Deutschland kommen, dauerha� in unserem Land bleiben. Wenn wir sie zahnmedizinisch heu-te nur in Schmerzfällen betreuen, werden die Spätschäden ausgeblie-bener Versorgung kün� ig teurer sein als deren Frühbehandlung. Dabei ist selbstverständlich, dass diese Leis-tungen nicht aus den bestehenden Budgets der Krankenkassen � nan-ziert werden können.“

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GESUNDHEITSFÖRDERUNG

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Grundvoraussetzung für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unter-nehmens sind gesunde und motivierte Mitarbeiter – speziell vor dem demo-grafi schen Hintergrund einer älter wer-denden Belegschaft. Fehlzeiten führen zu Überlastungen von gesunden Mit-arbeitern, Überlastungen führen zu weiteren Fehlzeiten. Viele Unternehmen haben diesen Teufelskreis erkannt und fördern systematisch die körperliche und seelische Gesundheit ihrer Angestellten. Der langfristige Erhalt der Leistungsfä-higkeit ist ein wichtiger Bestandteil für den Unternehmenserfolg. Unternehmen, die das Wohlbefi nden ihrer Beschäftig-ten nicht pfl egen, haben laut Weltge-sundheitsorganisation (WHO) Probleme, sich im Wettbewerb mit Konkurrenten zu behaupten. Negative Folgen sind krank-heitsbedingte Fehlzeiten, innere Kündi-gung oder Fluktuation.

Grundvoraussetzung für den Erfolg und die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens sind gesunde und motivierte Mitarbeiter

Politik setzt neue ImpulseViele Unternehmen wissen, wie sinn-voll eine systematische Förderung der Mitarbeiter-Gesundheit ist, an der Um-setzung hapert es jedoch häu� g. Die Hemmschwellen liegen bei den An-fangsinvestitionen sowie der Vernetzung mit quali� zierten Leistungserbringern. Hier setzt die Politik jetzt neue Impul-se: Durch den Referentenentwurf zum Präventionsgesetz sowie die Änderun-gen im fün� en Sozialgesetzbuch sol-len die Krankenkassen aktiver werden in der Förderung von Netzwerken für die Arbeitnehmer-Gesundheit und mehr Mittel bereit stellen. Es erfolgt eine Erhö-hung der Leistungen für Gesundheitsför-derung durch Krankenkassen von der-zeit 3,17 auf 7 Euro pro Jahr in 2016 – ein Mindestbetrag von 2 Euro je Versicher-ten soll für Leistungen der Betrieblichen Gesundheitsförderung (BGM) aufgewen-det werden. „Wir begrüßen diese Ent-

wicklung sehr“, sagt Dieter Welsink, Geschä� sführender Gesellscha� er der medicoreha Welsink Unternehmens-gruppe, die seit über 20 Jahren Gesund-heitsförderung für Betriebe anbietet. „Mithilfe der Krankenkassen erhof-fen wir uns einen besseren Zugang und eine kontinuierliche Zusammenarbeit mit Unternehmen“, so Dieter Welsink. „Viele Unternehmen setzen zwar erste Impulse mit jährlichen Gesundheitsta-gen oder einzelnen Wirbelsäulen-Gym-nastik-Kursen, die Wirkung solch ein-zelner Maßnahmen verpu· aber recht schnell. Wirklich sinnvoll ist eine analy-tische-fundierte Zusammenarbeit, von der Gesundheitsförderung, hin zum Ge-sundheitsmanagement.“

Warum Gesundheitsförderung nicht ausreichtWas hil� Mitarbeitern gesund und leis-tungsfähig zu bleiben? Diese Frage soll-

Gesunde Mitarbeiter, gesunde Unternehmen

Gesunde Mitarbeiter, gesunde Unternehmen

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GESUNDHEITSFÖRDERUNG

te sich der Verantwortliche, der Maß-nahmen für seine Mitarbeiter plant, nicht nur selber stellen, sondern an die Mitarbeiter richten. Und zwar an jeden einzelnen, aus jeder Abteilung. „Ich be-komme häu� g Anrufe von Firmen, die z.B. einen Lau¼ urs für Ihre Mitarbei-ter anbieten möchten“, sagt Stefanie Ba-selt, Ansprechpartnerin für Betriebliche Gesundheitsförderung bei medicoreha. „Wenn ich dann nachfrage, ob die Mit-arbeiter sich aktiv für diesen Kurs ent-schieden haben, kommt o� die Antwort, dass dies von der Geschä� sführung ent-schieden worden und die direkte Anfra-ge bei den Mitarbeitern viel zu aufwän-dig sei.“ Solche Aktionen könnte man auch als „Alibi-BGM“ bezeichnen, also Maßnahmen gegen das schlechte Gewis-sen. „Ähnlich, wie im klassischen Pro-jektmanagement hil� es Unternehmen weg von einzelnen Gesundheitsförde-rungs-Maßnahmen hin zur systemati-schen Vorgehensweise des Gesundheits-Managements zu gehen:

Maßnahmen im Betrieblichen GesundheitsmanagementAm beliebtesten sind Maßnahmen im Bewegungsbereich. Doch um die Ge-sundheit der Mitarbeiter umfassend zu fördern, stehen zusätzlich die Bereiche Ernährung, Ergonomie und Stressbe-wältigung/Verbesserung der psychischen Gesundheit zur Verfügung. Ebenfalls be-achtet werden sollten zwischenmensch-liche Bereiche, wie Wertschätzung, Kommunikation und Führungsstil. Am e� ektivsten ist die Abstimmung der Be-reiche aufeinander. So können bestimm-te Bewegungsprogramme zur Stressbe-wältigung beitragen oder ein Exkurs in die Ernährungspsychologie helfen nach-

haltig, das Essverhalten umzustellen. Als ersten Impuls zur Einführung eines lang-fristigen BGM-Programms bietet sich ein Aktionstag an, bei dem die Mitarbeiter verschiedene Bereiche ausprobieren kön-nen, um sich im Anschluss für passende, langfristige Maßnahme entscheiden zu können. Um Erfolge für Unternehmen und Mitarbeiter sichtbar zu machen und um individuelle Zielsetzungen fest zu le-gen, eignen sich Screening-Verfahren.

Plan GesundheitPlan Gesundheit ist ein Modellpro-jekt der Deutschen Rentenversicherung (DRV), das sich seit den ersten Tests im Jahre 2010 bewährt hat. Der Ansatz

liegt in der Prävention von langfristi-gen Gesundheitsschäden. Gedacht ist es für Versicherte im Berufsleben mit ers-ten gesundheitlichen Au� älligkeiten, wie Rückenschmerzen, Bluthochdruck, Ge-lenkproblemen oder psychischer Belas-tung. Herausragend sind die komplette Kostenübernahme durch die DRV und die Ganzheitlichkeit des Programms. Bei Plan Gesundheit werden die Bereiche Bewegung, Ernährung, Ergonomie und Stressbewältigung in einem 6-monati-gem Programm auf theoretische und praktische Weise vermittelt. Ziel ist es, den Teilnehmern so viel Wissen und Selbstverantwortung mit auf den Weg zu geben, dass diese nach Beendigung des Programms selbstständig ein regel-mäßiges Training fortsetzen, idealerwei-se lebenslang.

Solche Programme von Kostenträgern, wie der DRV und den Krankenversi-cherungen bieten den Vorteil, von qua-li� zierten Leistungserbringern durchge-führt zu werden. Meist handelt es sich um Einrichtungen, die die Kriterien der Renten-, Kranken- und Unfallversiche-rungen erfüllen und unter ärztlicher Lei-tung stehen.

Die medicoreha Welsink Unternehmensgruppe bietet an 11 Stand-orten im Rhein-Kreis Neuss, Köln und Mönchengladbach Programme zur Betrieblichen Gesundheitsförderung/Management an. Zusätzlich entsteht gerade ein Programm speziell für kleine und mittelständische Unterneh-men aus der Region. Dieses wird in Zusammenarbeit mit der IHK Mittlerer Niederrhein, Krankenkassen und Borussia Mönchengladbach erstellt und im Institut für Betriebliches Gesundheitsmanagement in der medicoreha Borussia Mönchengladbach GmbH umgesetzt werden.

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KOMMENTAR

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KOLUMNE

Herausgeber und VerlagGK Mittelstands Magazin Verlag GmbHGünter F. KohlGärtnerkoppel 324259 Westensee/ KielTel. 04305-992992 / Fax 04305-992993E-Mail: [email protected]

Anzeigenverkauf: Über den Verlag

Anzeigenschluss: 15. Oktober 2015

RedaktionTim A. Kü[email protected]

Internet: www.issuu.com/ampuls

Satz und Layout: Walter Katofsky, Kiel

Druck: UBG Rheinbach

Titelfoto: istocke

AbonnementEinzelheft: 24,- Euro pro Jahr bei 4 Ausgaben

Das Magazin am puls erscheint viermal im Jahr jeweils zur Mitte eines Quartals.

Impressum

Liebe Leserinnen und Leser,

am 2. Juli 2015 habe ich nach knapp 13 Jahren meine vorerst letzte Rede im Deutschen Bun-destag zur Gesundheitspolitik gehalten. Lei-der wird dieses Politikfeld immer noch stark unterschätzt, dabei bewegen die dort disku-tierten ̧ emen hunderttausende Menschen jeden Tag. Der Hausarztmangel, die Bedin-gungen im Krankenhaus und bei der P� ege oder die Höhe der Zuzahlung in der Apothe-ke sind solche ̧ emen. An manchem Montag-morgen sitzt immerhin jeder 12. Deutsche im Wartezimmer einer Arztpraxis. Dabei geht es um viel: Um das Gefühl, optimal versorgt zu werden etwa in einer schwierigen Lebenslage oder um die Sorge vor stark steigenden Kos-ten und Beiträge. Insbesondere in einer Zeit, in der wir weniger und immer älter werden, ist das ein nicht immer leichter Spagat. Schließ-lich wollen wir uns auch noch in 20 oder 30 Jahren auf unser Gesundheitssystem verlas-sen können. Die unterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bekommen ist manchmal anstrengend, immer spannend, in jedem Fall aber hochpolitisch. Wer die Gesundheitspoli-tik eine Zeit lang mitgestaltet hat, den über-rascht in der Politik so schnell nichts mehr.

Ich glaube, wir haben den Job in den vergan-genen Jahren nicht ganz schlecht gemacht. Von den beiden Versorgungsgesetzen, mit der wieder mehr Ärzte für eine Tätigkeit auf dem Land motiviert werden sollen, über die Finanzreform, mit der der Kon� ikt um Kopf-pauschale oder Einheitsversicherung nach einem Jahrzehnt endlich beigelegt wurde, bis hin zur Einführung eines P� egevorsorgefonds und einer privaten P� egevorsorge konnten wir vieles umsetzen, das unser Gesundheitssystem

auf die Zukun� vorbereitet. Besonders wichtig ist mir unser Baby, das AMNOG, das Phan-tasiepreise für neue Arzneimittel nach vielen Jahrzehnten endlich beendet hat.

Ich freue mich auf die Möglichkeit im Bundes-ministerium der Finanzen nun in einem an-deren Politikfeld mitmischen zu dürfen. Und ich bin mir sicher, dass mir die Erfahrungen aus der Gesundheitspolitik dabei helfen wer-den. Die Herausforderungen sind enorm: Den ausgeglichenen Haushalt nicht nur zu errei-chen, sondern über Jahre hinweg zu halten, die Schuldenkrise in Europa überwinden und mit der EU das größte Friedensprojekt in der Ge-schichte weiterentwickeln - und natürlich die Auswirkungen der Digitalisierung auf alle Be-reiche der Gesellscha� als Chance gestalten. Packen wir es an!

Ihnen möchte ich für Ihre konstruk-tiv-kritische Beglei-tung meiner Arbeit in den letzten Jah-ren danken!

Alles Gute,

Ihr Jens Spahn

JENS SPAHN

Jens Spahn, MdB, wurde 1980 in Ahaus geboren Der Politikwissenschaftler gehört seit 2002 dem Deutschen Bundestag an. Seit 2009 war er gesundheitspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfrak-tion und stellvertretender Landesvor-sitzender des Gesundheitspolitischen Arbeitskreises der CDU Nordrhein-West-falen. Seit Juli 2015 ist er Parlamenta-rischer Staatssekretär im Bundesfi nanz-ministerium

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Unsere Teams sind in mehr als 60 Ländern im Einsatz. Werden Sie ein Teil davon und lernen Sie humanitäre Hilfe auf höchstem Niveau kennen. Bewerben Sie sich online: www.aerzte-ohne-grenzen.de/mitarbeiten

Wir suchen qualifizierte Mediziner, techniker und adMinistratoren (M/W), die sich Weiter entWickeln Möchten und Mit uns WeltWeite nothilfe leisten.

ihr neuer arbeitsPlatz

© Fathema Murtaza

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www.ihre-pvs.de

E-Mail: [email protected] Telefon: 0208 4847-333

Wir entlasten Ärzte von allen administrativen Arbeiten, die bei der Privatabrechnung entstehen. Dadurch versetzen wir sie in die Lage, sich ihren Patienten ungestört widmen zu können.

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