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227 V. L. Popov und M. Heß, Methode der Dimensionsreduktion in Kontaktmechanik und Reibung, DOI: 10.1007/978-3-642-32673-8_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013 17.1 Einführung In diesem Kapitel werden sämtliche Beweise aufgezeigt, die eine exakte Abbildung von reibungsfreien, axial-symmetrischen Kontaktproblemen mit und ohne Adhäsion auf ein- dimensionale Kontakte erlauben. Ausgangspunkt bildet die dreidimensionale Theorie zur Berechnung axial-symmetrischer Kontakte, die wir schrittweise derart verändern, dass ihre eindimensionalen Eigenschaften deutlich werden. Es seien Kontakte mit einfach zusammenhängender und damit kreisförmiger Kontaktfläche vorausgesetzt. Betrachten wir zunächst den Eindruck eines starren axialsymmetrischen Indenters in den elastischen Halbraum nach Abb. 17.1a. Das Profil des Indenters wird darin mit ˜ z = f (r ) bezeichnet, wobei die ˜ z-Achse von der Indenterspitze aus nach oben positiv zählt. Die Eindrücktiefe d bezeichnet das Maximum der Oberflächennormalverschiebung, welches bei konvexen Profilen immer an der Indenterspitze vorliegt. Neben der Eindrücktiefe d ist auch die kontaktgebende Eindrücktiefe d c hervorgehoben, die sich aus der banalen Beziehung ergibt. Die gemischten Randbedingungen lauten wobei u z , σ zz und τ rz entsprechende Komponenten der Verschiebung und des Span- nungstensors an der Oberfläche sind. Sneddon [1] und Galin [2] lösten das vorliegende Problem der klassischen Elastizitätstheorie auf Basis von Integraltransformationen, (17.1) d c = f (a) (17.2) u z (r ,0) = d - f (r ) ,0 r a σ zz (r ,0) = 0, r > a, τ rz (r ,0) = 0 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt rotationssymmetrischer Körper Markus Heß und Valentin L. Popov 17

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227V. L. Popov und M. Heß, Methode der Dimensionsreduktion in Kontaktmechanik und Reibung, DOI: 10.1007/978-3-642-32673-8_17, © Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2013

17.1 Einführung

In diesem Kapitel werden sämtliche Beweise aufgezeigt, die eine exakte Abbildung von reibungsfreien, axial-symmetrischen Kontaktproblemen mit und ohne Adhäsion auf ein-dimensionale Kontakte erlauben. Ausgangspunkt bildet die dreidimensionale Theorie zur Berechnung axial-symmetrischer Kontakte, die wir schrittweise derart verändern, dass ihre eindimensionalen Eigenschaften deutlich werden. Es seien Kontakte mit einfach zusammenhängender und damit kreisförmiger Kontaktfläche vorausgesetzt. Betrachten wir zunächst den Eindruck eines starren axialsymmetrischen Indenters in den elastischen Halbraum nach Abb. 17.1a. Das Profil des Indenters wird darin mit z = f (r) bezeichnet, wobei die z-Achse von der Indenterspitze aus nach oben positiv zählt. Die Eindrücktiefe d bezeichnet das Maximum der Oberflächennormalverschiebung, welches bei konvexen Profilen immer an der Indenterspitze vorliegt. Neben der Eindrücktiefe d ist auch die kontaktgebende Eindrücktiefe dc hervorgehoben, die sich aus der banalen Beziehung

ergibt. Die gemischten Randbedingungen lauten

wobei uz, σzz und τrz entsprechende Komponenten der Verschiebung und des Span-nungstensors an der Oberfläche sind. Sneddon [1] und Galin [2] lösten das vorliegende Problem der klassischen Elastizitätstheorie auf Basis von Integraltransformationen,

(17.1)dc = f (a)

(17.2)

uz (r,0) = d − f (r) ,0 ≤ r ≤ a

σzz (r,0) = 0 , r > a,

τrz (r,0) = 0

Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt rotationssymmetrischer Körper

Markus Heß und Valentin L. Popov

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228 17 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt

erhielten dabei unter anderem nachfolgende Bestimmungsgleichungen, die einzig von der Form des Indenters abhängen:

Die darin vorkommende Funktion χ(x) berechnet sich über die Formfunktion f (r) nach

Mit Ausnahme des Profils eines flachen, zylindrischen Stempels ist der Kontaktradius a in den obigen Gleichungen nicht bekannt; seine Berechnung bedarf einer zusätzlichen Bedingung, die wir später diskutieren.

Indem wir rechterhand in (17.7) die Eindrücktiefe d über (17.3) ausdrücken, ergibt sich ein für die Reduktion wesentlicher Zusammenhang

(17.3)d = a

a∫

0

f ′(r)√

a2 − r2dr +

π

2χ(a)

(17.4)FN = πE∗a∫

0

χ(x) dx

(17.5)

σzz (r,0) =E∗

2

1

r

d

dr

a�

r

χ(x) x√x2 − r2

dx =E∗

2

a�

r

χ ′(x)√x2 − r2

dx −χ(a)√a2 − r2

, 0 < r < a

(17.6)uz (r,0) =a∫

0

χ(x)√r2 − x2

dx, r > a.

(17.7)χ(x) =2

π

d

dx

x�

0

r (d − f (r))√x2 − r2

dr =2

π

d − x

x�

0

f ′(r)√x2 − r2

dr

.

(17.8)χ(x) = χ(a) +2

π

[g (a) − g (x)

],

Abb. 17.1 a Kontakt eines starren, axialsymmetrischen Indenters mit dem elastischen Halbraum, b das äquivalente eindimensionale Ersatzsystem

229

Unter Berücksichtigung von (17.8) lässt sich die Bestimmungsgleichung für die Normalkraft (17.4) dann in der Schreibweise

formulieren. Diese Gleichung können wir physikalisch neu deuten, wenn wir den Inte-granden als Verschiebung innerhalb eines Ersatzsystems auffassen

welches in Abb. 17.1b skizziert ist. Es besteht aus einer Reihe äquidistant angeordneter Längsfedern der Steifigkeit ∆kz = E∗

∆x, in die ein starres Profil gemäß (17.9) gedrückt wird. Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass streng genommen die achsensym-metrische Fortsetzung gemeint ist

die wir zusätzlich um g (0) := limx→0

g (x) = 0 ergänzt haben.

Der Beitrag einer einzelnen Feder an der Stelle xi zur Normalkraft entspricht

Aufsummieren der Kraftanteile in den beanspruchten Federn und anschließende Grenzwertbildung ∆x → 0 führen dann auf die Gl. (17.10), also

Aus (17.11) mit Hilfe von (17.3) ergibt sich die Gleichung

aus der wir unter Hinzunahme der im Anschluss diskutierten Bedingungen sowohl für Kontakte mit als auch ohne Adhäsion je die Eindrücktiefe als Funktion des Kontaktradius berechnen können. Die aus dem vorgestellten reduzierten Kontakt resultierenden Abhän-gigkeiten zwischen der Eindrücktiefe, dem Kontaktradius und der Normalkraft sind alle-samt exakt jene, die sich im axial-symmetrischen Kontakt einstellen werden.

(17.9)mit g(x) = x

x∫

0

f ′(r)√

x2 − r2dr fur x > 0.

(17.10)FN = 2E∗a∫

0

[g (a) +

π

2χ(a) − g (x)

]dx = 2E∗

a∫

0

[d − g (x)

]dx

(17.11)uz,1D (x) :=π

2χ(x) = g (a) +

π

2χ(a) − g (x) = d − g (x) ,

(17.12)g (x) = |x ||x |∫

0

f ′ (r)√x2 − r2

dr fur x ∈ R,

(17.13)fN (xi) = E∗∆x · uz,1D (xi) .

(17.14)FN = E∗a∫

−a

uz,1D (x) dx = E∗a∫

−a

[

d − g (x)]

dx.

(17.15)uz, 1D (a) = d − g (a) =π

2χ(a) ,

17.1 Einführung

230 17 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt

So wie die Verschiebung an der Stelle r = 0 im dreidimensionalen Problem die Eindrücktiefe ausmacht, gilt dies auch im eindimensionalen Abbild:

Dennoch existiert ein wesentlicher Unterschied, da im Ersatzmodell Eindrücktiefe und kon-taktgebende Eindrücktiefe identisch sind, was eine wesentlich einfachere Berechnung zulässt.

Hier sei bemerkt, dass grundsätzlich auch Kontakte mit konkaven Profilen abgebildet wer-den können, wenn wir wie oben erwähnt ein einfach zusammenhängendes Kontaktgebiet unterstellen und anstelle der am Kontaktrand auftretenden Eindrücktiefe wiederum die Verschiebung in der Mitte als charakteristisches Maß ansehen (siehe Aufgabe 6 aus Kap. 3).

17.2 Normalkontakt ohne Adhäsion

Zunächst sollen nur Kontakte ohne Adhäsion behandelt werden. Wir werden später sehen, dass die Dimensionsreduktion solcher Kontakte zugleich den Grundstein für die Abbildung adhäsiver Kontakte legt. Bereits Boussinesq [3] wies darauf hin, dass die Normalspannungen am Rande des Halbraumkontaktes konvex geformter Indenter verschwinden müssen. Sneddon [1] zeigte, dass diese Eigenschaft auf

führt, wenn man die Spannungen nach Gl. (17.5) am Kontaktrand untersucht. Für Kontakte ohne Adhäsion ist damit die zur Berechnung des Kontaktradius fehlende Gleichung gefunden. Das gilt gleichermaßen für das eindimensionale Modell, denn nach Einsetzen von (17.17) in (17.15) verbleibt eine triviale Bedingung zur Bestimmung der Eindrücktiefe im Rahmen der Reduktion

Mit diesem Zusammenhang kann die Berechnungsgleichung für die Normalkraft noch weiter vereinfacht werden

Die Berechnung des Ersatzprofils aus dem Original nach Gl. (17.12) und eine anschließende Auswertung der Gl. (17.18) und (17.19) bilden den zentralen Weg zur exakten Lösung von dreidimensionalen Kontaktproblemen mithilfe der Dimensionsreduktionsmethode.1 In Kap. 3 wird die Vorgehensweise anhand vieler Beispielaufgaben erläutert. Wenn überhaupt liegt die einzige Schwierigkeit in der Berechnung des Ersatzprofils aus dem Original gemäß

(17.16)uz,3D (r)∣∣r=0

= d = uz,1D (x)∣∣x=0

.

(17.17)χ(a) = 0

(17.18)uz,1D (a) = 0 ⇒ d = g (a) .

(17.19)

FN = E∗a∫

−a

uz,1D (x) dx = E∗a∫

−a

[

g (a) − g (x)]

dx = 2E∗a∫

0

[

g (a) − g (x)]

dx.

1 Konvexe Profile werden vorausgesetzt.

231

(17.9) bzw. (17.12). Je nach Art der Profilfunktion kann selbst dieser Schritt noch verein-facht werden, was wir im Folgenden erläutern möchten.

17.2.1 Eingliedrige Profilvorgabe – Potenzfunktion

Nehmen wir zunächst einen Indenter an, dessen Profil durch eine Potenzfunktion gemäß

vorgegeben ist, wobei der Exponent n eine beliebige positiv-reelle Zahl sein darf. Einsetzen von (17.20) in (17.12) mit anschließender Integration ergibt

Für den eingeführten vom Exponenten n der Potenzfunktion abhängigen Koeffizienten κn gilt

worin Γ (n) die Gamma-Funktion bezeichnet. Nach (17.21) geht die Funktion g und damit das Ersatzprofil aus einer einfachen vertikalen Streckung um den Faktor κn aus dem Originalprofil hervor. Den Streckfaktor können wir physikalisch genau interpretie-ren, wenn wir die Eindrücktiefe aus der Bedingung (17.18) berechnen:

Nach Gl. (17.23) gibt der Streckfaktor genau das Verhältnis aus Eindrücktiefe d und kon-taktgebender Eindrücktiefe dc an. Damit können wir die Oberflächennormalverschiebung im eindimensionalen Modell nach (17.11) wie folgt notieren:

Der Klammerung entnehmen wir, dass die eindimensionale Verschiebung aus einer entsprechenden Streckung der dreidimensionalen Relativverschiebung gemessen vom Kontaktrand gebildet wird, was ein Vergleich der Teilabbildungen in Abb. 17.1 gra-phisch untermauert. Die Geometrie des Ersatzmodells verlangt also lediglich eine einfa-che Modifikation des Originalprofils (Regel von Heß [4]):

(17.20)z = f (r) = cnrn

(17.21)g (x) = ncn |x||x|∫

0

rn−1

√x2 − r2

dr = κncn |x|n = κnf (|x|)

(17.22)κn := n

π/2∫

0

(sin u)n−1du =

√π

2

nΓ( n2)

Γ( n+12

),

(17.23)d = κnf (a) = κncnan = κndc.

(17.24)uz,1D (x) := d − g (x) = κn (f (a) − f (x)) = κn (dc − f (x)) .

(17.25)

f (r) = cnrn �→ g (x) = cn |x|n mit cn = κncn und κn =√

π

2

nΓ( n2)

Γ( n+12

).

17.2 Normalkontakt ohne Adhäsion

232 17 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt

Abbildung 3.3 aus Kap. 3 zeigt den graphischen Verlauf der Änderung des Streckfaktors κn mit dem Exponenten n.

17.2.2 Der Sonderfall des flachen zylindrischen Stempels

Im Falle der Indentierung des elastischen Halbraums durch einen flachen zylindrischen Stempel ist die Differenzierbarkeit der Normalverschiebung am Kontaktrand nicht gege-ben und damit die Boussinesq-Bedingung (17.17) verletzt. Folglich dürfen wir auch kei-nen Gebrauch von (17.18) bzw. (17.19) machen. Allerdings ist der Kontaktradius a von vornherein bekannt und das Profil genügt der simplen Vorgabe

die nach Einsetzen in Gl. (17.12) auf

führt. Für die Normalkraft greifen wir auf Gl. (17.14) zurück

bei deren Berechnung bewusst ein integraler Zwischenschritt eingebaut wurde, der die exakte Abbildbarkeit durch den Kontakt des Profilschnittes mit einer Winklerschen Bettung unterstreicht.

17.2.3 Superpositionsprinzip und mehrgliedrige Profilvorgabe

Für Profile in Gestalt von Potenzfunktionen (mit beliebig positiv reellem Exponenten) führte die Anwendung der allgemeinen Transformationsformel (17.12) auf konstante Streckbeziehungen. Aufgrund des Superpositionsprinzips können wir die besonders ein-fachen Abbildungsregeln auch für mehrgliedrige Ansätze nutzen. Nachfolgend betrach-ten wir eine mehrgliedrige Profilfunktion in Form einer Potenzreihe gemäß

Einen solchen Ansatz nutzte beispielsweise Segedin [5], als er den Kontakt eines kugel-förmigen Indenters mit dem elastischen Halbraum untersuchte. Im Gegensatz zur Hertzschen Näherungslösung entwickelte er dabei das Kugelprofil in eine Taylor-Reihe.

(17.26)z = f (r) = 0,

(17.27)z = g (x) = 0

(17.28)FN = 2E∗a∫

0

d dx = E∗a∫

−a

d dx = 2E∗ad,

(17.29)z = f (r) = c1r1

︸︷︷︸

f1(r)

+ c2r2

︸︷︷︸

f2(r)

+ . . . + ckrk

︸︷︷︸

fk(r)

+ . . . =∞∑

n=1

cnrn.

233

Einsetzen von (17.29) in (17.11) unter Berücksichtigung von (17.12) führt auf die Normalverschiebung im Ersatzmodell

Dabei haben wir in einem ersten Schritt das Integral und die Summe vertauscht und anschließend die Integration analog Gl. (17.21) ausgeführt. Nach (17.18) müssen die Verschiebungen im Ersatzmodell an den Stellen x = ±a für nicht-adhäsive Kontakte verschwinden, wodurch die Eindrücktiefe gefunden ist:

Sie stellt nichts anderes als eine Superposition der Eindrücktiefen dn dar, die jedes Glied der Profilvorgabe einzeln hinterlassen würde. Wie in Kap. 3 bereits erläutert, verlangt die Anwendbarkeit des Superpositionsprinzips allerdings identische Wirkungsgebiete, was hier der Fall ist (Kreisfläche mit Radius a). Da im Rahmen eines eingliedrigen Ansatzes jedes einzelne Glied der Dimensionsreduktion genügt, muss dies auch für deren Summe und damit dem Potenzreihenansatz gelten, was die Summendarstellung rechter Hand in (17.31) zum Ausdruck bringt. Das Gesagte gilt selbstverständlich auch für die Abbildung der Normalkraft als Funktion des Kontaktradius. Wenn wir zuerst (17.31) in (17.30) ein-setzen und das Ergebnis dann in der Bestimmungsgleichung (17.19) für die Normalkraft verwenden, erhalten wir

Die Abbildung von Profilen in Form von Potenzreihen ist noch unter einem ganz ande-ren Aspekt wertvoll. Immer dann, wenn nämlich für das Integral in der allgemeinen Umrechnungsformel (17.12) keine geschlossene Lösung existiert, das Originalprofil aber in eine Reihe entwickelbar ist, können wir derart auf das Ersatzprofil schließen. Einzig abschnittsweise definierte, rotationssymmetrische Profile erfordern die explizite Anwendung der Transformationsformel.

17.3 Normalkontakte mit Adhäsion gemäß verallgemeinerter JKR-Theorie

Die folgenden Beweise gelten den in Kap. 4 angewandten Reduktionsansätzen zur exak-ten Abbildung der Adhäsionstheorie von Johnson, Kendall und Roberts [6] einschließ-lich deren Verallgemeinerung auf beliebige rotationssymmetrische Kontakte. Dabei

(17.30)uz,1D (x) = d − |x||x|∫

0

∞∑

n=1

ncnrn−1

√x2 − r2

dr = d −∞∑

n=1

κnfn (|x|).

(17.31)d =∞∑

n=1

κnfn (a) =∞∑

n=1

dn (a) =∞∑

n=1

gn (a).

(17.32)FN =∞∑

n=1

E∗a∫

−a

[

gn (a) − gn (x)]

dx =∞∑

n=1

Fn (a).

17.2 Normalkontakt ohne Adhäsion

234 17 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt

bedienen wir uns einer auf Maugis und Barquins [7] zurückgehenden eleganten Methode, die die Analogie zur linear elastischen Bruchmechanik ausnutzt. Ausgangspunkt sind die Gl. (17.5) und (17.6) von Sneddon, die in der unmittelbaren Umgebung des Kontaktrandes entwickelt werden

worin ∆uz (r) := f (r) − d + uz (r) die Differenz der Normalverschiebungen zwi-schen Indenter- und Halbraumoberfläche außerhalb des Kontaktgebietes widerspiegelt und wie üblich ε ≪ 1 gilt. Diese Beziehungen entsprechen aber gerade den Nahfeldern in der Umgebung eines Risses mit Öffnung im Modus I, deren Stärke einzig und allein über den sogenannten Spannungsintensitätsfaktor KI ausgedrückt wird. Letztere Erkenntnis veranlasste Irwin [8], ein Bruchkriterium zu definieren. Nach diesem wird eine Rissausbreitung erst dann einsetzen, wenn der im Allgemeinen vom Material sowie der Geometrie, Länge und Belastung des Risses abhängende Spannungsintensitätsfaktor die sogenannte Bruchzähigkeit des Werkstoffs erreicht, die wiederum experimentell aus genormten Bruchversuchen ermittelbar ist. Zwischen KI (a) und der noch unbekannten, modifizierten Starrkörpertranslation χ(a) gilt der Zusammenhang

dessen rechte Seite unter Beachtung von (17.15) entsteht.Irwin erkannte nicht nur, dass die Beschreibung der singulären Spannungsfelder über

Intensitäten gleichermaßen für alle Grundformen des Risses gilt, sondern stellte auch die Verbindung zum energetischen Ansatz von Griffith [9] her. Zwischen der elastischen Energiefreisetzungsrate G und dem Spannungsintensitätsfaktor für einen Riss der Mode I im ebenen Verzerrungszustand gilt demnach

dessen Form nach Einsetzen von (17.35) in

mündet.Im Gleichgewicht muss die elastische Energiefreisetzungsrate gleich der Dupréschen

Adhäsionsenergie ∆γ sein

Letztere stellt eine relative Oberflächenenergie dar, die gemäß

(17.33)σzz (r = a − εa) ≈ −E∗

2a

χ (a)√

(17.34)∆uz (r = a + εa) ≈ −χ (a)√

2ε,

(17.35)KI (a) = limε→0

√2πaε · σzz (a − εa) = −

√πE∗χ(a)

2√

a= −

E∗√

πauz,1D (a) ,

(17.36)G =K2

I (a)

2E∗ ,

(17.37)G =E∗

2πau2

z,1D (a)

(17.38)G = ∆γ .

(17.39)∆γ := γ1 + γ2 − γ12

235

von den Oberflächenenergien γ1 und γ2 der beiden Körper sowie der Grenzflächenenergie γ12 abhängt. Nach Einsetzen von (17.37) in (17.38) ergibt sich

Diese Beziehung nimmt den Platz der Boussinesq-Bedingung (17.17) für Kontakte mit Adhäsion ein. Mit ihrer Hilfe kann zunächst die (Gleichgewichts-)Verschiebung im ein-dimensionalen Modell nach Gl. (17.11) in der Form

angegeben werden. Im Unterschied zum nicht-adhäsiven Fall werden im Gleichgewicht alle kontaktierenden Federn zusätzlich um ∆ℓmax (a) verlängert, was wir besonders einfach an den Randfedern ablesen können (siehe Abb. 17.2b). Die Eindrücktiefe ist die Verschiebung an der Stelle x = 0, für die aus (17.41) eine zentrale Forderung für das Ersatzmodell abfällt:

Die Normalkraft geht entsprechend (17.14) weiterhin aus der Summe der einzelnen Federkräfte hervor:

Aufgrund der „neuen“ Definition der Eindrücktiefe (17.42), die um eine zusätzliche Starrkörpertranslation ergänzt wurde, wird die Normalkraft gegenüber dem Kontakt ohne Adhäsion einen (Entlastungs-)Anteil enthalten, wie er bei der Indentierung mit einem flachen zylindrischen Stempel auftritt. Kennzeichnen wir die scheinbaren Größen, die im Kontakt ohne Adhäsion zum gleichen Kontaktradius a führen würden, wie er sich im Kontakt mit Adhäsion einstellt, mit dem Index „n.a.“, können wir (17.42) und (17.14) alternativ formulieren

(17.40)uz,1D (a) = −∆ℓmax (a) mit ∆ℓmax (a) :=√

2πa∆γ

E∗ .

(17.41)uz, 1D (x) = g (a) − g (x) − ∆ℓmax (a)

(17.42)d := uz, 1D (0) = g (a) − ∆ℓmax (a) .

(17.14)FN := E∗a∫

−a

uz, 1D (x) dx = E∗a∫

−a

[

d − g (x)]

dx.

(17.43)d (a) = dn.a. (a) − ∆ℓmax (a)

(17.44)FN (a) = Fn.a. (a) − 2E∗a ∆ℓmax (a) .

Abb. 17.2 Qualitative Darstellung des Andruck- a und Abziehvorgangs b innerhalb der Reduktionsmethode am Beispiel eines kegelförmigen Kontaktes

17.3 Normalkontakte mit Adhäsion gemäß verallgemeinerter JKR-Theorie

236 17 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt

Ihre Verschachtelung führt auf den fundamentalen Zusammenhang

der, wie oben bereits erwähnt, die gleiche Struktur besitzt, die den Flachstempelkontakt charakterisiert (siehe Abschn. 17.2.2 speziell Gl. (17.28)). Mithilfe der „scheinba-ren Größen“ ist das Verfahren zur exakten Abbildung des Kontaktes mit Adhäsion schnell erklärt. In einem ersten Schritt muss das Ersatzprofil nach (17.12) bestimmt und anschließend in die uniaxiale Federschicht gedrückt werden. Die zu einem Kontaktradius a führende Belastung folgt dabei dem Kontakt ohne Adhäsion. Die zugehörige Normalkraft und Eindrücktiefe nennen wir Fn.a. bzw. dn.a.. In einem zwei-ten Schritt nehmen wir nun an, dass alle kontaktierenden Federn am Indenter adhieren und wir die Normalkraft sukzessive reduzieren, dann werden vom Kontaktrand nach innen laufend immer mehr Federn auf Zug beansprucht – der Kontaktradius bleibt dabei unverändert. Sobald die Randfedern die Längenänderung ∆ℓmax (a) erreichen, liegt ein indifferenter Zustand zwischen Haften und Abreißen vor. Dieser über das Tripel FN-d-a definierte Gleichgewichtszustand stimmt exakt mit dem des dreidimen-sionalen Kontaktes mit Adhäsion überein. Am Beispiel eines kegelförmigen Kontaktes zeigt Abb. 17.2 den nicht-adhäsiven Andruck- und den anschließenden Abziehvorgang. Es sei betont, dass die den quasistatischen Zustand kennzeichnende Verschiebung am Kontaktrand nach (17.40) von der Kontakthalbbreite a abhängig ist und mitunter als Regel von Heß für Kontakte mit Adhäsion bezeichnet wird [4].

Die Implementierung von Adhäsion im Rahmen der Dimensionsreduktionsmethode bedarf nach obigen Ausführungen nur der Untersuchung des Kontaktrandes. Aufgrund der Abhängigkeit der Abreißbedingung vom Kontaktradius sollte eine numerische Umsetzung die Stabilität des Kontaktes korrekt wiedergeben. Dennoch möchten wir ein weiteres Kriterium ableiten, welches für die explizite Berechnung der kritischen Größen hilfreich erscheint und unterscheiden diesbezüglich zwischen den üblichen Bedingungen fixed-load und fixed-grips, je nachdem, welche Größe einer Steuerung unterliegt. Ausgangspunkt der Betrachtungen ist die elastische Energiefreisetzungsrate in der Form (17.37). Die Stabilität der Gleichgewichtslage verlangt, dass die Änderung der Energiefreisetzungsrate mit der Kontaktfläche größer Null sein muss [10]

In diesem Fall wird sich der Riss bei Variation/Störung der Kontaktfläche stets wieder schließen. Anwendung von (17.46) auf (17.37) liefert

(17.45)∆F := Fn.a. − FN = 2E∗a (dn.a. − d) = 2E∗a ∆d,

(17.46)∂G

∂A

∣∣∣∣FN

> 0 bzw.∂G

∂A

∣∣∣∣d

> 0.

(17.47)uz,1D (a)

a> 2

∂uz,1D (a)

∂a

∣∣∣∣FN

bzw.uz,1D (a)

a> 2

∂uz,1D (a)

∂a

∣∣∣∣d

.

237

Die Ableitungen in (17.47) können wir aus den Gl. (17.14) und (17.15) ermitteln. Für die Auswertung bei konstanter Normalkraft schreiben wir (17.14) dazu zunächst um

und differenzieren beide Seiten bei konstanter Normalkraft nach a. Dann verschwindet die linke Seite und wir können nach der gesuchten Ableitung umformen. Für die ver-schiedenen Randbedingungen folgen

Rückwärtiges Einsetzen in (17.47) führt zunächst auf die Ungleichung

die unter Berücksichtigung der Regel von Heß (17.40) in ein Stabilitätskriterium für das Gleichgewicht mündet:

Die kritischen Kontaktradien, unter denen sich die maximale Abzugskraft und die mini-male Eindrücktiefe einstellen, gehören zum grenzstabilen Zustand. Indem wir in (17.51) das „<“ durch ein „=“ austauschen, sind die Bestimmungsgleichungen für die kritischen Kontaktradien gefunden:

Demnach ist die (gewichtete) Steigung des Ersatzprofils am Kontaktrand mit dem Quotienten aus Abreißlänge und Kontaktradius zu vergleichen, was sich problemlos numerisch umsetzen lässt.

17.4 Die Abbildung von Spannungen

Während im dreidimensionalen Kontakt die Normalverschiebung eines Punktes der Kontaktfläche von der Druckverteilung innerhalb des gesamten Berührungsgebietes abhängt, zeichnet sich der Kontakt mit einer Winklerschen Bettung durch eine direkte Proportionalität zwischen der Federkraft und der Verschiebung an der Stelle x aus.

(17.48)FN (a) = 2E∗a∫

0

[

g (a) − g (x)]

dx + 2E∗a uz,1D (a)

(17.49)

∂uz,1D (a)

∂a

∣∣∣∣FN

= −uz,1D (a)

a−

∂g (a)

∂abzw.

∂uz,1D (a)

∂a

∣∣∣∣d

= −∂g (a)

∂a.

(17.50)uz,1D (a)

a> −k

∂g (a)

∂amit k =

{2/3 fur FN = const .

2 fur d = const .,

(17.51)∆ℓmax (a)

a< k

∂g (a)

∂amit k =

{2/3 fur FN = const .

2 fur d = const ..

(17.52)∆ℓmax (a)

a= k

∂g (a)

∂amit k =

{2/3 fur FN = const .

2 fur d = const ..

17.3 Normalkontakte mit Adhäsion gemäß verallgemeinerter JKR-Theorie

238 17 Anlage 1: Exakte Lösungen in drei Dimensionen für den Normalkontakt

Berücksichtigen wir den „Liniencharakter“ der Bettung, so lässt sich für das Ersatzmodell eine Streckenlast definieren:

Es ist naheliegend, dass sich der Verlauf der Normalspannungen σzz (r) im realen Kontakt-problem und jener der linearen Kraftdichte q (x) im Ersatzmodell unterscheiden müssen. Dennoch existiert mit Gl. (17.5) eine Möglichkeit, die exakte Spannungsverteilung aus den „Federkräften“ zurückzugewinnen. Gl. (17.7) können wir auch folgendermaßen schreiben

Nach Einsetzen von (17.54) in (17.5) unter Berücksichtigung von (17.53) ist eine Bestim-mungsgleichung für die Normalspannungsverteilung gefunden, die allein die Kenntnis der Streckenlast im Ersatzsystem voraussetzt:

Diese Formel gilt sowohl für Kontakte mit als auch ohne Adhäsion, da (17.54) durchaus noch einen zusätzlichen Starrkörperverschiebungsanteil enthalten kann. Nach partieller Integration und anschließender Ausführung der Differentiation nach r erhalten wir eine zu (17.55) äquivalente Formulierung, die in unseren Aufgabenbeispielen zumeist ange-wendet wurde2

Der erste Term in Gl. (17.56) gibt die Abel-Transformation (2. Art) von q′ (x) an. Der zweite Term hingegen beschreibt den Einfluss einer überlagerten Starrkörperverschiebung. Sie führt zu einem Sprung der Streckenlast am Kontaktrand und damit zu einem Span-nungsanteil, wie er sich unter einem flachen, zylindrischen Stempel einstellt.

Literatur

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(17.53)q (x) = E∗uz, 1D (x) = E∗ [

d − g (x)]

.

(17.54)χ(x) =2

π

[d − g (x)

].

(17.55)σzz (r) =1

π

1

r

d

dr

a∫

r

x · q (x)√

x2 − r2dx.

2 Für abschnittsweise definierte Profilfunktionen muss die Gleichung ggf. modifiziert werden.

(17.56)σzz (r) =1

π

a∫

r

q′ (x)√x2 − r2

dx −1

π

q (a)√

a2 − r2.

239

3. Boussinesq, J.: Application des Potentiels a L’etude de L’equilibre et du Mouvement des Solides Elastiques (1885)

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Literatur