Arbeitszeiten in verschiedenen Lebensphasen gestalten

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Arbeitszeiten in verschiedenen Lebensphasen gestalten Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

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Arbeitszeiten in verschiedenen Lebensphasen gestalten

Vereinbarkeitvon Familie und Berufgestalten

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   1

1 . Konzept der Lebenslauforientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21 .1 Was heißt Lebenslauforientierung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   21 .2 Lebenslaufpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   51 .3 Europäische Lebenslaufpolitik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   71 .4 Widerstände gegen eine Lebenslauforientierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .   9

2 . Tarifpolitische Ansätze lebensverlaufsorientierter Arbeitszeitgestaltung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11

3 . Instrumente einer lebenslauforientierten Arbeitszeitgestaltung im Betrieb . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 .1 Phasen im Lebensverlauf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 .2 Zeitkonten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 .3 Vollzeitnahe Teilzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263 .4 Individuelle Zeitoptionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 283 .5 Umwandlung von Geld in Zeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 303 .6 Gestaltung von familienbewussten Rahmenbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 323 .7 Lebenslauforientierte Personalplanung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35

4 . Praxistipps . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 .1 Handlungsempfehlungen für die betriebliche Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 394 .2 Prozess der Umsetzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43

5 . Beispiele guter Praxis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

6 . Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53 Übersicht rechtliche Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55

7 . Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59

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Lebenslauforientierte Arbeitszeiten sind ein gutes Instrument, um den Herausforderungen einer zukünftigen familienbewussten Arbeitsgestaltung besser gerecht zu werden . Denn Arbeitszeiten, die sich an den unterschiedlichen Lebensphasen anpassen, sind in erster Linie dazu geeignet, die Arbeitszeiten im Sinne der Beschäf-tigten zu flexibilisieren . Längst hat sich die klassische männliche Berufsbiografie mit der starren Dreiteilung in Lernphase, Arbeits-phase und Ruhestand überholt . Auch die stärkere Anerkennung und Berücksichtigung von Kinderbetreuung und Pflegetätigkeiten rückt zunehmend in den Fokus der Diskussionen . Familien stehen angesichts von diskontinuierlichen Lebensverläufen vor der Aufgabe ihre gemeinsamen Zeiten zu gestalten . Und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft keinesfalls nur Familien mit kleinen Kindern . Alle Beschäftigten haben einen Anspruch auf eine gute Balance von Erwerbsarbeit und Privatleben . In allen Lebensphasen müssen die unterschiedlichen Lebensbereiche einen angemessenen Platz finden . Vereinbarkeit in der Mitte des Lebens muss anderen Anforderungen genügen als beim Berufseinstieg oder kurz vor der Rente . Längere Lebenserwartung, höhere Qualifikationen und eine größere Vielfalt von beruflichen und privaten Lebensabschnitten in einem längeren Lebenslauf bedürfen einer neuen Balance, die nicht zu Diskriminierungen führen darf .

Aktuell sind Erwerbsbiografien mit Unterbrechungen, Arbeitszeitre-duzierungen oder Brüchen in der Karriereentwicklung vor allem ein Thema bei Frauen und Männern mit Fürsorgetätigkeiten . Besonders problematisch sind die Übergänge zwischen zwei biografischen Phasen (z . B . bei der Geburt eines Kindes) . Hier entstehen Nachteile in der beruflichen Entwicklung, die selten im Laufe des Erwerbs-lebens ausgeglichen werden . Darüber hinaus tragen soziale Verun-sicherungen wie Leiharbeit oder befristete Beschäftigung dazu bei, die Zukunftsperspektiven von Beschäftigten zu schmälern . Prozesse der Entgrenzung von Erwerbsarbeit und Familie lassen die zeitlichen Spielräume in Familie schwinden . Hier sind Politik und Gewerkschaften gefordert, neben kollektiven Absicherungen indivi-duelle Optionen für eine flexible Arbeitszeitgestaltung im Lebens-verlauf zu ermöglichen .

Im Betrieb können lebenslauforientierte Arbeitszeiten so gestaltet sein, dass ein Mix aus verschiedenen Arbeitszeitmodellen und Zeitoptionen die individuelle Zeitsouveränität der Beschäftigten erhöht . Zeitkonten können für Sabbaticals, Blockfreizeiten oder

Vorwort

Familienzeiten verwendet werden . Wechselmöglichkeiten zwischen Vollzeit und Teilzeit, zwischen unterschiedlichen Arbeitszeit modellen oder Schichtlagen erhöhen die individuellen Wahl freiheiten . Eine vollzeitnahe Teilzeit könnte sich als neuer Arbeitszeitstandard für Beschäftigte mit Fürsorgetätigkeiten etablieren .

Mit der Verbreitung lebenslauforientierter Arbeitszeiten gewinnt die Vision einer Arbeitswelt erste Konturen, in der individuelle Arbeitszeitoptionen für Beschäftigte besser realisiert werden können . Schließlich ist mit lebenslauforientierten Arbeitszeiten auch die Hoffnung verbunden, dass die Fürsorgeaufgaben beider Geschlechter anerkannt werden und durch staatliche Absiche-rungen wie Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen unterstützt werden .

Das DGB-Projekt „Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten!“ hat sich mit dieser Broschüre das Ziel gesetzt, für das Thema lebensphasenorientierter Arbeitszeiten zu sensibilisieren und durch Informationen, Handlungsempfehlungen sowie Beispiele guter Praxis zu deren Verbreitung beizutragen . In diesem Sinne wünsche ich allen Betriebs- und Personalräten sowie Interessierten nun viel Erfolg bei der Umsetzung .

Ingrid Sehrbrock

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1.1 Was heißt Lebenslauf­orientierung?

Lebenslauforientierte Arbeitzeiten sind ein ambitioniertes Konzept für eine zukünftige Neugestaltung der Arbeitszeiten, um eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen . Mit einer Arbeitszeitpolitik, die den gesamten Lebenslauf der Beschäftigten zum Maßstab macht, verknüpfen sich viele Hoffnungen auf indivi-duelle Optionen zur Arbeitszeitgestaltung und eine geschlechter-gerechtere Verteilung der Arbeitszeiten . Noch ist die Arbeitswelt von einer Umsetzung weit entfernt, vieles ist Zukunftsmusik und lässt sich gut für politische Werbezwecke nutzen ohne einer Überprüfung in der Realität standzuhalten .

Hinter dem Konzept lebenslauforientierter Arbeitszeiten oder Arbeitszeiten in unterschiedlichen Lebensphasen stecken einerseits Maßnahmen zur individuellen Flexibilisierung der Arbeitszeiten

über den gesamten Erwerbsverlauf sowie eine Neuverteilung der Arbeitszeiten, die das Verhältnis von Gesamtarbeitsvolumen und Gesamtarbeitszeit der Beschäftigten über den Lebenslauf in den Blick nimmt .

Die Lebenslaufperspektive betrachtet das Ensemble von Faktoren, das Einfluss auf die unterschiedlichen Phasen in Lebens verläufen hat . Zu Beginn des Arbeitslebens stehen in der Regel andere Zeit interessen im Vordergrund als in der Phase von Familien-gründung oder Karriereentwicklung . Die Erwerbsbiografien sind meist nicht gradlinig, sondern durch berufliche Umorien tierungen, Brüche oder Ereignisse außerhalb der Erwerbsarbeit bestimmt . Erst in der langfristigen Betrachtung werden die Aus wirkungen von wechselnden Lebenssituationen und unterschiedlichen Erwerbs-verhältnissen deutlich . Das bislang vorherrschende Normalarbeits-verhältnis hat sich vorwiegend am männlichen Erwerbsverlauf mit seiner kontinuierlichen Vollzeit tätigkeit orientiert und die davon abweichenden Erwerbsbiografien der meisten Frauen diskriminiert . Denn auch die meisten Instrumente der Sozialpolitik, wie Arbeitslo-senversicherung oder Rente, sind auf den Vollzeitstatus ausgelegt und benachteiligen Frauen, die aufgrund von Kindererziehung oder Pflegetätigkeiten ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen oder reduzieren müssen .

Zudem sind moderne Gesellschaften durch „institutionalisierte“ Lebensläufe geprägt, d . h . eine Vielzahl individueller Entschei-dungen sind an Altersnormen gebunden, die den Lebenslauf in bestimmte Phasen einteilen (Schule, Ausbildung und Studium, Berufseinstieg, Karrierestufen, Rente usw .) . Auch hier sind indivi-duelle Abweichungen meist mit Nachteilen verbunden: Wer „zu spät“ bestimmte Qualifikationen erwirbt oder Karrieresprossen erreicht, kann diesen zeitlichen Rückschritt oft nicht mehr aufholen . Doch angesichts des schnellen gesellschaftlichen Wandels werden solche überholten Leitbilder immer fragwürdiger . Normale Biografien werden seltener, weil die Unwägbarkeiten in Familie und Beruf zunehmen . Familien werden immer heterogener, bunter und fallen aus dem klassischen Muster mit dem Mann als Hauptver-diener (oder Alleinverdiener) und der Frau als Zuverdienerin heraus . Die Ansprüche und Interessen von Frauen und Männern an Arbeit und Leben verändern sich: Immer mehr Männer wollen aktive Väter sein und nicht auf die eindimensionale Rolle im Erwerbsleben reduziert werden . Immer mehr Frauen melden auch in der Erwerbs-

1 Konzept der Lebenslauforientierung

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arbeit ihre Ansprüche an eine gleichberechtigte Teilhabe an und wünschen sich eine ausgewogene Arbeitsteilung in der Familien-arbeit . Damit geraten die Geschlechterverhältnisse in Bewegung und lassen sich immer weniger eindeutig „auseinander halten“ . Patchwork-Familien mit Kindern aus unterschiedlichen Beziehungen sind das Ergebnis von Trennungen; für diese Familienarrangements wie auch für zunehmend mehr Alleinerziehende wird die tägliche (Arbeits-)Zeitgestaltung zu einem permanenten Balanceakt .

Gleichzeitig werden die Arbeitszeiten in der beruflichen Welt immer flexibler . Mit der Auflösung der Normalarbeitszeit werden Arbeitszeiten stärker entstandardisiert: Sie fallen zunehmend aus dem Bestand formaler Regulierungen . Obwohl die Bedeutung der Arbeitszeit wächst, wird sie zunehmend weniger kollektiv gestaltet . Auch innerhalb des Normalarbeitsverhältnisses steigen unzuverlässige und nicht planbare Arbeitszeiten . Durch niedriges Einkommen wie Minijobs wird eine existenzsichernde Arbeitszeit-dauer innerhalb einer beruflichen Tätigkeit immer unwahrschein-licher bzw . verschwindet eine sichere Beschäftigungsperspektive . Leiharbeit und befristete Beschäftigung tragen weiter dazu bei, unsichere (prekäre) Beschäftigungsverhältnisse zu fördern .

Untersuchungen des Deutschen Jugendinstituts und der Techni-schen Universität Chemnitz zeigen eine doppelte Entgrenzung von Erwerbsarbeit und Familie mit ambivalenten Folgen für die Verein-

barkeit von Familie und Beruf (Jurczyk 2010, Jurczyk u . a . 2009) . Einerseits sind Chancen für eine selbstbewusste, selbstgestaltete Lebensplanung und neue Möglichkeiten für eine geschlechter-gerechte Arbeitszeit- und Aufgabenverteilung mit dem Aufbrechen alter Strukturen verbunden . Flexible Arbeitszeiten können für viele Frauen und Männer neue Chancen eröffnen für eine bessere Verein-barkeit von Familie und Beruf jenseits des männlich-zentrierten Modells einer lebenslangen Vollzeitarbeit . Unter günstigen betrieblichen Bedingungen wächst die Zeitautonomie der Beschäf-tigten und führt zu mehr Zeitwohlstand für Familien . Andererseits sind daraus entstehende Risiken mit weitreichenden Folgen für die Beschäftigten vorhersehbar . Das betrifft insbesondere eine mangelnde Selbstsorge der Eltern, die bei der Organisation und Gestaltung ihrer Familienzeit oft am Limit ihrer Leistungsfähigkeit sind und höhere gesundheitliche Risiken von Eltern, die durch die Doppelbelastungen von Erwerbs- und Familienarbeit verursacht werden .

So ist insgesamt eine „Deinstitutionalisierung“ des Lebenslaufs festzustellen, d . h . die klassische (männliche) Dreiteilung in Schule/Ausbildung, Erwerbsphase und Rente weicht auf und Phasen beruf-licher Umorientierung mit neuen Qualifikationszeiten oder Phasen neuer Lebenssituationen (Scheidung, neue Partner/in, Krankheit) nehmen zu .

Quelle: BMFSFJ 2006

Typische Lebensverläufe von Männern und Frauen in Deutschland 1960 und 2000 Vereinbarkeit

von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 ––––– 64 65

Männer

Frauen

1960Ausbildung Vollzeiterwerbstätigkeit im Ausbildungsberuf

Volksschul-abschluss

Heirat

Geburt des ersten Kindes

Familienpause Vollzeit oder nicht erwerbstätig

14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 ––––– 64 65

Männer

Frauen

2000Ausbildung

Vollzeiterwerbstätigkeit mit erhöhtem Arbeitslosigkeitsrisiko

Realschul-abschluss

Heirat

Erziehungs- urlaub

Teilzeit, Vollzeit oder nicht erwerbstätig

Alters-teilzeit

Unsicherer Arbeitsmarkteinstieg, Arbeitslosigkeit, weitere Ausbildungen,

befristete/Vollzeitbeschäftigung

Vermehrt 2 Bildungswege zum Studium, weniger Arbeitslosigkeit,

befristete/Vollzeiterwerbstätigkeit

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Auf betrieblicher Ebene können lebenslauforientierte Arbeitszeiten so gestaltet sein, dass ein Mix aus verschiedenen Arbeitszeit-modellen und Zeitoptionen die individuelle Zeitsouveränität der Beschäftigten erhöht: Zeitkonten und insbesondere Langzeitkonten könnten für Sabbaticals, Blockfreizeiten oder Familienzeiten verwendet werden . Wechselmöglichkeiten zwischen Vollzeit und Teilzeit und/oder unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen oder Schichtlagen könnten die individuellen Wahlfreiheiten erhöhen . Bereits kleinere Spielräume bei der täglichen Gestaltung der Arbeitszeit sind erste Schritte in eine Flexibilisierung im Sinne der Beschäftigten . Eine vollzeitnahe Teilzeit könnte sich als neuer Arbeitszeitstandard für Beschäftigte mit Fürsorgetätigkeiten etablieren . Schließlich ließen sich durch die Umwandlung von Zeit- und Geldwerten größere Spielräume für eine selbstbestimmte Zeitverteilung gewinnen .

Ziel einer lebenslaufsorientierten Arbeitszeitgestaltung ist es, den differenzierten Lebenswegen der Beschäftigten besser gerecht zu werden, ungleiche Lebens- und Erwerbsverläufe nicht weiter zu diskriminieren sowie unsoziale atypische Beschäfti-gungsverhältnisse abzubauen . Gleichzeitig soll die Eigenverant-wortung in der Lebensgestaltung gestärkt werden und riskante Erwerbsphasen und berufliche Übergänge abgesichert werden .

Lebenslauforientierte Arbeitszeiten führen in erster Linie dazu, die Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten zu flexibilisieren . Damit werden auch die Diskussionen um eine Neuformulierung von Normalarbeitszeitstandards wieder aufgenommen . Das tradi-tionelle, männlich dominierte Normalarbeitsverhältnis klammert Fürsorgearbeiten aus und schließt alternative Lebensentwürfe aus . Es ist damit strukturell frauendiskriminierend . Eine neue lebenslaufs orientierte Normalarbeitszeit könnte die Verschie-denartigkeit in den Lebensstilen, Einstellungen zu Familie und Beruf, sich ändernde Rollenbilder von Frauen und Männer sowie die unterschiedlichen Zeitanforderungen in den Lebensbereichen aufnehmen . Gerade berufliche und individuelle/familiäre Umbruch-situationen rücken in den Fokus . Flexible Lebensverläufe und schwindende soziale Absicherung haben dazu geführt, dass die Abhängigkeit von Arbeitsmarkt und Familie – auch für Männer – in wichtigen Lebensabschnitten zunimmt .

Mit der Verbreitung lebenslauforientierter Arbeitszeiten gewinnt die Vision einer Arbeitswelt erste Konturen, in der individuelle Arbeitszeitoptionen für Beschäftigte über Optionszeiten oder Wunscharbeitszeiten besser realisiert werden können . Auch müssen Erwerbsunterbrechungen und Arbeitszeitverkürzungen nicht automatisch das Karriereende bedeuten, wenn sie zum Normalfall geworden sind . Schließlich ist mit lebenslauforientierten Arbeitszeiten die Hoffnung verbunden, dass die Fürsorgeaufgaben

Quelle: Eigene Grafik

Instrumente lebenslauforientierter Arbeitszeitgestaltung im Betrieb Vereinbarkeit

von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

individuelle Arbeitszeitoptionen

lebenslauforientierte Arbeitszeiten

Zeitkonten, Langzeitkonten

Sabbatical, Blockfreizeiten, Freistellungen Teilzeit

Wahl zwischen Arbeitszeitmodellen

familienbewusste Rahmenbedingungen, Arbeitsorganisation, Unternehmenskultur

Spielräume bei der täglichen Arbeitszeitgestaltung

Umwandlung von Geld in Zeit

Wechsel zwischen Schichten

mehr Flexibilität und Zeitsouveränität im Lebenslauf

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beider Geschlechter anerkannt werden und durch staatliche Absicherungen wie Kinderbetreuungs- und Pflegeeinrichtungen unterstützt werden .

1.2 LebenslaufpolitikEin flexibler Erwerbsverlauf führt zu größeren zeitlichen und mate riellen Ungleichheiten sowie Unsicherheiten und erfordert deshalb eine stärkere Unterstützung durch sozialpolitische Maßnahmen . Von der engen Verzahnung unterschiedlicher Politik-felder wie Arbeitsmarkt-, Renten- und Gesundheitspolitik wird es abhängen, ob individuelle Ungleichheiten aufgefangen werden können und Benachteiligungen aufgrund von Fürsorgearbeit verhindert werden . Lebenslauforientierte Arbeitszeiten sind in besonderem Maße auf ein stimmiges sozialpolitisches Gesamt-konzept angewiesen, dass keine widersprüchlichen Anreize schafft, sondern die vielen Einzelmaßnahmen sinnvoll ergänzt . Auch wenn wir von einem einheitlichen Konzept noch ein gutes Stück entfernt sind, sind erste Schritte in die richtige Richtung erkennbar (Flexi II Gesetz, Elternzeitgesetz, Familienpflegezeit) . Ebenso hilft die neu entstehende Lebenslaufpolitik dabei, den Blick für die unter-schiedlichen Lebensphasen zu schärfen und hierfür verschiedene Instrumente zu entwickeln . Unter Lebenslaufpolitik wird ein Ansatz verstanden, der die unterschiedlichen Lebensphasen von Frauen und Männern zum Ausgangspunkt macht und staatliche Maßnahmen darauf abstimmt . Anders als im traditionellen Modell des männlich dominierten Normalarbeitsverhältnisses sollen sich diese Maßnahmen wechselseitig unterstützen .

Insbesondere der erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung setzt hier Maßstäbe, indem er die Lebenslauforientierung zum zentralen Leitbild einer künftigen Arbeitszeitgestaltung erklärt (vgl . Sachverständigengutachten 2011) . Aus der Verschränkung mit anderen Themenfeldern wie Bildungspolitik, Gesundheitspolitik oder Tarifpolitik wird eine aktive Lebenslaufpolitik gefolgert, in der die staatlichen Interventionen auf die unterschiedlichen Phasen des Lebensverlaufs abgestimmt sind und sich wechselseitig unter-stützen .

Lebenslaufsperspektive„Unter der Lebensverlaufsperspektive werden […] verschiedene kritische Übergänge und Lebensphasen betrachtet, die ein Leben prägen und sich im Sinne einer Pfadabhängigkeit gegen-seitig beeinflussen können . Besonders problematisch sind Abwärtsentwicklungen, die sich über unterschiedliche Lebens-phasen verstärken, sofern sie nicht durch zusätzliche Ressourcen im Rahmen einer „zweiten Chance“ korrigiert werden können .“ (Sachverständigengutachten 2011)

Leitbild Lebenslaufperspektive„Wir streben eine Gesellschaft mit Wahlmöglichkeiten an . Die Beschäftigungsfähigkeit von Männern und Frauen wird durch eine gute Ausbildung gesichert . Sie werden befähigt, für ihren Lebensunterhalt selbst zu sorgen und auch eine eigene soziale Sicherung aufzubauen . Die beruflichen Qualifikationen und Kompetenzen von Frauen und Männern werden gleichermaßen geschätzt und entgolten . Durch eine angemessene Infrastruktur für Kinderbetreuung, schulische Erziehung und Pflege sowie flexible Arbeitszeiten in den Unternehmen wird die Vereinbarkeit von Beruf und Familie gewährleistet . Die Erwerbsverläufe werden durch Optionen auf eine Unterbrechung der Erwerbs-tätigkeit oder eine vorübergehende und reversible Verkürzung der Arbeitszeit flexibilisiert . Die Gesellschaft unterstützt die Wahrnehmung dieser Optionen zur Kindererziehung und -betreuung, Pflege und Weiterbildung . Es werden besondere Anreize gesetzt, damit die Optionen in den gesellschaftlich gewünschten Feldern sowohl von Frauen als auch von Männern genutzt werden . Die Nutzung dieser Optionen darf nicht zu Nachteilen in der Alterssicherung führen .“ (Sachverständigen-gutachten 2011)

Die unterschiedlichen Einflussfaktoren auf die Lebenslaufgestaltung zeigen, an welchen Stellschrauben dieser komplexe Prozess beein-flusst werden kann .

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Deutlich wird aber auch, dass ganz unterschiedliche Ansprüche und Interessen an lebenslauforientierten Arbeitszeiten bestehen können . Wie das Beispiel der Zeitkonten demonstriert, sind die Perspek-tiven auf Flexibilität vielfach sehr unterschiedlich . Betriebe und Verwaltungen haben beim Thema Flexibilität in erster Linie Anpas-sungen an ökonomische Schwankungen oder Kundenströme im Visier und erhoffen sich Kostenreduzierung durch den Wegfall von Überstunden . Beschäftigte dagegen versprechen sich durch eine Arbeitszeitflexibilisierung eine bessere Abstimmung ihrer persön-lichen Zeitbedürfnisse, um die Vereinbarkeit von Familie, privaten Interessen und Beruf zu ermöglichen . In den einzelnen Betrieben und Verwaltungen entscheidet sich schließlich, wie ausgewogen die verschiedenen Zeitinteressen sind und in welche Richtung die Balance zwischen den zeitlichen Bedürfnissen von Beschäftigten und Flexibilisierungsinteressen der Arbeitgeber zeigt .

Gelingt es, die Zeitinteressen der Beschäftigten zusammen mit Interessenvertretungen, Gewerkschaften und Politik besser durch-zusetzen, dann verbinden sich mit der Lebenslauforientierung große Versprechen auf zukünftige Entwicklungen: eine größere Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern bei

der Arbeitszeitverteilung; individuelle Zeitoptionen sichern größere Entscheidungs-

freiheiten und mehr Arbeitszeitflexibilität für alle Beschäftigten; die Anerkennung von Fürsorgearbeit spiegelt sich in den

Arbeitszeitkulturen wider und führt nicht mehr automatisch zu Benachteiligungen;

die Arbeitszeitgestaltung entspricht besser den Bedürfnissen der Menschen und wird damit der sozialen Wirklichkeit besser gerecht;

das Thema Work-Life-Balance ist nicht auf Mütter und Väter beschränkt sondern alle Beschäftigten stehen vor der Heraus-forderung, ihr persönliches Zeitarrangement zu gestalten .

Quelle: Sachverständigengutachten 2011

Einflussfaktoren der Lebenslauforientierung Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vergangenheit Gegenwart Zukunft

STAAT MArKT

FAMILIe WerTe Individuelle Präferenzen Rollenbilder in Recht und

Institutionen Politische Leitbilder und rechtliche

Geschlechter- und Familienbilder

Haushaltskonstellation und -einkommen

Familiäre Förderung und Unterstützung

Demografie

Unternehmensstrategien Wirtschaftliche Situation

(Konjunktur) Demografie

Institutionelle Rahmen- bedingungen (Bildungs-, Beschäftigungs- und Sozialpolitik)

Recht

Politisches, Institutionelle und individuelle Vergangenheit, Kulturelles Erbe

Zukünftige Erwartungen und Hoffnungen

Kindheit, Jugend, Schule und Ausbildung

Arbeitsmarkt-eintrittsphase

Familiengründung,Elternschaft

Karriereentwicklung,„Rush Hour of Life“

Ältere Beschäftigte,„empty nest“-Phase

Übergang in die Rente

Nacherwerbsphase,Alter, Pflegebedürftigkeit

Typische Lebensphasen und Ereignisse

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1.3 europäische LebenslaufpolitikDurch einen Blick über den nationalen Tellerrand hinaus können weitere Anregungen für eine Lebenslaufpolitik bezogen werden . Je nach Art der Regulierung werden meistens drei verschiedene nationale Modelle unterschieden, in die staatliche Maßnahmen (Gesetze, Steuervorteile usw .), Angebote der Tarifpartner (Gewerk-schaften und Arbeitgeberverbände) und betriebliche Lösungen (Betriebsvereinbarung) einfließen . Für eine Lebenslaufpolitik, die stark auf staatlicher Ebene geregelt wird, stehen Schweden oder die Niederlande . In Deutschland und Frankreich wird traditionell auf eine Mischung von kollektivvertraglichen und betrieblichen Lösungen zurückgegriffen, um flexible Elemente in die Lebenslauf-gestaltung einzubeziehen . Ein drittes Modell schließlich setzt auf individuelle Lösungen, die ohne gesetzliche oder betriebliche Unter-stützung praktiziert werden, wie in Großbritannien oder Spanien .

Meist werden in der Lebenslaufpolitik zwei grundsätzliche Formen unterschieden, mittels derer die unterschiedlichen Lebensphasen gesteuert werden können . Das Phasenmodell geht davon aus, das es unterschiedliche Zeiten von Erwerbsarbeitszeit und Familien zeit gibt, die sich an konkreten Ereignissen orientieren . Hier werden den Beschäftigten Zeitoptionen gewährt, die an bestimmte Lebens-ereignisse gebunden sind . Die Geburt eines Kindes oder der Pflegefall sind solche klassischen Ereignisse, die bestimmte Rechts-ansprüche und Zeitoptionen begründen .

Im Kombinationsmodell werden dagegen unabhängig von der jeweiligen Lebensphase unterschiedliche Rechtsansprüche und Optionen gewährt . Diese können je nach beruflichen und privaten Anforderungen miteinander kombiniert werden und lassen individuelle Anpassungen der Arbeitszeit an die Bedürfnisse der Beschäftigten zu . Das Recht auf Teilzeit oder die Möglichkeit über Langzeitkonten die Arbeitszeit besser an die zeitlichen Erfordernisse der Beschäftigten anzupassen, sind Beispiele hierfür .

Länder mit einer langen Geschichte der Lebenslaufpolitik sind Belgien, Niederlande und Schweden, die kurz vorgestellt werden .

Beispiel BelgienSeit 1985 existiert ein Gesetz, das es Beschäftigten ermöglicht, die Arbeitszeit zu reduzieren oder ganz zu unterbrechen . Damit verbunden sind staatliche Ausgleichszahlungen und ein Rückkehr-recht auf den Arbeitsplatz . Die hohe Inanspruchnahme ist darauf zurückzuführen, dass Anpassungen der Arbeitzeit an Bedürfnisse im Lebensverlauf von den Beschäftigten als ein soziales Recht verstanden wird, auf das ein Anspruch besteht . In den 90er Jahren wurde das Gesetz um spezifische Auszeiten wie Palliativpflege, medizinische Pflege und Elternzeit ergänzt . Beschäftigte in der Privatwirtschaft können ohne Angabe von Gründen für ein Jahr aus dem Erwerbsleben aussteigen bzw . über einen fünfjährigen Zeitraum Teilzeit arbeiten . Anschließend besteht die Möglichkeit in Absprache mit den Betrieben die Auszeit auf bis zu fünf Jahre auszuweiten (sechs Jahre im öffentlichen Dienst) . Staatliche Zuschüsse berechnen sich über Inanspruchnahme, Haushalts-situation, Alter und Beschäftigungsdauer . Eine 40jährige Beschäf-tigte in einem privaten Betrieb mit zwei Kindern erhält in ihrer Freistellungsphase monatlich 399 Euro . Darüber hinaus können zusätzliche Mittel für Kinderbetreuung, Pflege oder Weiter-bildung in Anspruch genommen werden . Die Freistellungen/Arbeitszeitreduzierungen für Pflege- oder Elternzeit können sehr variabel tageweise (ein Tag pro Woche über einen Zeitraum von 15 Monaten) oder in einem Block genommen werden (vgl . Sach verständigen gutachten 2011) .

Beispiel NiederlandeAuch die Niederlande gehörten zu den ersten Ländern, die tradi-tionell starke staatliche Anreize setzen, um die Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Lebensverlauf zu ermöglichen . In Europa waren sie eines der ersten Länder, die den gesetzlichen Teilzeitanspruch für alle Beschäftigten inklusive Rückkehrrecht auf Vollzeit verankert haben und die Voraussetzungen für eine individuelle Arbeitszeit-reduzierung geschaffen haben . Die höchsten Teilzeitquoten in Europa belegen deren Akzeptanz bei den Beschäftigten . Mittler-weile bestehen gesetzliche Regelungen zum Ansparen von Zeit und Geld über den gesamten Erwerbsverlauf (vgl . Hildebrandt; Wotschack 2006, Wotschack u . a . 2008, 2011) .

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Seit 2006 gilt die Lebenslaufregelung (niederl .: levensloopre-geling), die es Beschäftigten erlaubt aus verschiedenen Gründen in eine Freistellungsphase zu gehen (Familienzeit, Weiterbildung, Sabbatical, Altersteilzeit) . In der vorangegangen Regelung (verlof-spaarregeling) war die Verwendung für den vorzeitigen Ruhestand ausgeschlossen, um Vereinbarkeitsthemen stärker zu unterstützen . Doch die Erfahrungen mit der zeitlich befristeten Gesetzesinitiative hatten gezeigt, dass in erster Linie alleinlebende Männer davon profitierten und nicht die Familien mit Fürsorgeaufgaben, für die das Gesetz eigentlich geschaffen wurde .

In der aktuell geltenden Regelung können neben aufgesparten Zeiten 12 Prozent des jährlichen Bruttolohns und weitere Entgelt-bestandteile in Zeit umgewandelt werden (vgl . Sach verständigen-gutachten 2011) . Maximal können bis zu 210 Prozent des Bruttojahresgehalts auf das Lebensarbeitszeitkonto zurückgelegt werden . Externe Finanzinstitute verzinsen und sichern die Zeiten gegen Insolvenz und gewährleisten die Übertragbarkeit der Konten von einem Betrieb zum anderen . Der Staat unterstützt dies durch steuerliche Vergünstigungen . Darüber hinaus werden im Fall von Elternzeiten weitere Steuervergünstigungen gewährt . Zusätzlich besteht die Möglichkeit in der Freistellungsphase, einen Teil des Einkommens in Zeit anzusparen . So wäre es z . B . möglich nach sechs Jahren maximaler Auslastung des Kontos und Einkommens-reduzierung von 70 Prozent in der Freistellung ein ganzes Jahr in eine Familienzeit zu gehen .

Insgesamt zeichnet sich das holländische Modell durch einen aktiven Staat aus, der viele Möglichkeiten schafft und es gleich-zeitig den Einzelnen überlässt, welche Instrumente aufgegriffen werden . Dabei werden immer neue Regelungen und Instrumente geschaffen, die ähnlich einer Toolbox, individuell genutzt werden können . Gleichzeitig reagiert der Staat sehr schnell und pragma-tisch auf Fehlentwicklungen . Wird wie im Fall der „Verlofspaarre-geling“ der Zweck der Flexibilisierung für Familien in der Lebens-mitte verfehlt, wird nach einer Testphase und Evaluierung das Gesetz auch schnell wieder verworfen .

Beispiel SchwedenDie schwedische Lebenslaufpolitik ist gekennzeichnet durch eine Kombination aus aktiver Gleichstellungspolitik, staatlicher Unter-stützung der Kinderbetreuung, niedrigen Arbeitszeiten und flexiblen Elementen auf der betrieblichen Ebene .

Die drei Säulen der schwedischen Familienpolitik sind erstens ein individualisiertes Steuersystem mit getrennter, individualisierter Besteuerung der Ehepartner, welches beide Elternteile ermutigt, gleichzeitig zu arbeiten und sich zu gleichen Teilen um die Kinder erziehung zu kümmern (vgl . Familienhandbuch 2011) . Im Unterschied zu Deutschland setzt Schweden keinen finanziellen Anreiz dafür, dass der Mann arbeitet und die Frau den Haushalt führt . Zweitens führt das vorbildliche Kinderbetreuungssystem dazu, dass die Arbeitszeiten weniger reduziert werden und

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Mütter weniger stark diskriminiert werden als in Deutschland . Ab dem ersten Lebensjahr des Kindes besteht ein allgemeiner Anspruch auf einen Betreuungsplatz . Die Betreuungsleistungen werden überwiegend von den Kommunen erbracht und bis auf einen geringen Eigenanteil öffentlich finanziert . Darüber hinaus übernehmen Tagesmütter sowie private und gemeinnützige Träger Betreuungs leistungen, die ebenfalls staatlich gefördert werden . Auch in die Qualität der Kinderbetreuung wird viel Geld investiert . Erzieher/innen in Kindertagesstätten sind gut ausge-bildet, über die Hälfte von ihnen hat einen Hochschulabschluss . Über zwei Drittel der ein- bis dreijährigen Kinder und 97 Prozent aller über Dreijährigen sind in Kinderbetreuungseinrichtungen untergebracht . Drittens wurde bereits 1974 das Eltergeld einge-führt, das nach einigen Modifikationen aktuell eine Elternzeit von 16 Monaten ermöglicht, wenn mindestens zwei Monate je Elternteil genommen werden . Die schwedische Elternzeit war auch Vorbild der deutschen Regelung . Die Inanspruchnahme von Vätern liegt in Schweden zur Zeit bei ca . 90 Prozent (vgl . Familien handbuch 2011) .

Weiter besteht seit langem der Anspruch auf eine Teilzeittätigkeit . Alle Eltern haben bis zum 12 . Lebensjahr ihres Kindes einen Anspruch auf reduzierte Arbeitszeit . Im schwedischen Durch-schnitt befindet sich das Teilzeitvolumen aber auf einem hohen Stundenniveau . Zusätzliche Optionen zum Ansparen auf einem Langzeitkonto tragen zu einer weiteren Flexibilität auf betrieb-licher Ebene bei . Gleichzeitig konnten die Tarifparteien mit relativ niedrigen Arbeitszeiten die Work-Life-Balance der Beschäftigten stark entlasten . Mit 38 Stunden tatsächlicher Arbeitszeit arbeiten schwedische Männer vier Stunden weniger als in Deutschland und die Frauen mit 32 Stunden pro Woche eine Stunde mehr als in Deutschland (vgl . Rüling; Kassner 2007) . Damit sind die Unterschiede bei den Arbeitszeiten zwischen den Geschlechtern europaweit am geringsten . Das hat dazu geführt, dass in Schweden mehr als die Hälfte der Frauen in Paarhaushalten mit Kindern Vollzeit beschäftigt sind .

1.4 Widerstände gegen eine Lebenslauforientierung

Auch wenn erste positive Ansätze für eine Lebenslauforientierung erkennbar sind, stehen in der Realität massive Widerstände einer stärkeren Verbreitung im Weg . Doch gerade diejenigen Beschäf-tigtengruppen, die von Maßnahmen der lebenslauforientierten Arbeitszeitgestaltung profitieren sollten – insbesondere Frauen und Männer mit Fürsorgeaufgaben, – bezahlen ihre individuelle Flexibilität oft mit sozialen Nachteilen . Mit der Differenzierung von Lebensläufen nimmt in wichtigen Lebensabschnitten die Abhän-gigkeit von Arbeitsmarkt und Familie zu . Das heißt, dass größere Unsicherheiten durch Marktschwankungen stärker durch die Familie oder soziale Netzwerke aufgefangen werden müssen . Wenn Beschäftigte gezwungen sind, räumlich und zeitlich mobiler zu sein, dann funktioniert die Kinderbetreuung oft nur dadurch, dass Großeltern oder Nachbarn einspringen, bzw . der/die Partner/in auf

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berufliche Mobilität und Flexibilität verzichtet .

Die große Komplexität des Themas bietet zwar einerseits die Chance verschiedene politische Themen zu bündeln, birgt aber ebenso Risiken, wenn es nicht gelingt, ein tragfähiges sozial-politisches Gesamtkonzept zu entwickeln . Noch werden in den Betrieben kaum Langzeitkonten angeboten, weil im Falle eines Betriebswechsels die Konten kaum in andere Betriebe übertragbar sind . In vielen Betrieben sind starke Widerstände festzustellen, die einer guten Vereinbarkeit entgegenstehen: Arbeitszeitintensivierung und Extensivierung durch Überstunden und Mehrarbeit lassen die Spielräume für Flexibilität verschwinden . Ebenso sind Produk-tionssysteme wieder auf dem Vormarsch, die sich weitgehend von humanen Gestaltungsprinzipien verabschieden . Hier werden gesundheitliche Risiken auf die einzelnen Beschäftigten übertragen . Arbeitszeiten werden oft rein nach betrieblichen Kriterien gestaltet und die Zeitinteressen der Beschäftigten bleiben auf der Strecke . Auch bei Erwerbsunterbrechungen oder beruflichem Wechsel tragen Beschäftigte bisher das Risiko von Einkommensverlusten und späteren Renteneinbußen .

Diese Risiken müssen sozialpolitisch abgefedert werden, damit Beschäftigte und Betriebe entlastet werden . Der politische Wille ein solch umfassendes Konzept zu entwickeln und umzusetzen, ist derzeit nicht erkennbar . Bisherige Lebenslaufpolitik ist Stückwerk und damit auf wenige mutige Betriebe beschränkt, die sich solche Luxusmodelle leisten können oder aufgrund des demografischen Wandels und fehlender Fachkräfte leisten müssen . Damit die Vision einer lebenslauforientierten Arbeitszeitgestaltung Wirklichkeit wird, müssen in einem Dreiklang Sozialpolitik, Tarifpolitik und die betrieblichen Akteure den Weg für individuelle Zeitoptionen im Lebensverlauf ebnen .

Unterschiedliche politische Anreize konterkarieren Vereinbar-keitsthemen . Das aktuelle Beispiel der Rentenpolitik zeigt, dass Betriebe überfordert werden, wenn sie zusätzliche sozialpolitische Aufgaben übernehmen müssen . Durch die Heraufsetzung des Renteneintrittsalters bei gleichzeitigem Auslaufen der Altersteilzeit setzen Betriebe viel Energie in die Umsetzung flexibler betrieb-licher Übergangsregelungen in die Rente . Beschäftigten wird zwar die Möglichkeit gegeben Zeit anzusparen, um früher aus dem Erwerbsleben auszuscheiden . Doch fehlt diese Zeit, um sie für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in der Mitte der Erwerbsphase zu verwenden . Beschäftigte müssen sich dann häufig für ein Ziel entscheiden und wählen die Option, die ihnen die größten Verwirk-lichungschancen bietet .

Lebensverlaufsorientierte Arbeitszeiten setzen langfristige Perspek-tiven und ein großes Maß an Planungssicherheit voraus . Gerade wenn Arbeitszeiten für zukünftige eigene Zeitbedarfe angespart werden sollen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die möglichen Risiken minimiert werden und Arbeitszeiten nicht verfallen dürfen . Vielfach zielen Maßnahmen lebenslauforientierter Arbeitszeiten auf Beschäftigtengruppen, die bereits im Fokus des

Personalmanagements stehen . Fachkräfte oder Beschäftigte aus Berufen mit großer Nachfrage werden bevorzugt mit innovativen Arbeitszeitkonzepten umworben . Aufgrund ihrer guten Ausstattung an Ressourcen sind diese auch besser in der Lage Zeit anzusparen oder Geld in Zeitwerte umzuwandeln als Beschäftigte mit niedrigen Einkommen . Wie bei den Diskussionen um Betriebskitas für Führungskräfte kommen nur bevorzugte Beschäftigtengruppen in den Genuss solcher familienbewussten Maßnahmen .

Die fehlende Planungssicherheit schließt weitere Beschäftigten-gruppen aus, besonders die in prekärer Beschäftigung in atypi-schen, befristeten Beschäftigungsverhältnissen oder in Minijobs . Hier besteht die Gefahr, dass Randbelegschaften oder Beschäftigte in Branchen mit schwierigen Bedingungen diskriminiert werden und die bestehende Kluft zwischen privilegierten Beschäftigten und benachteiligten Beschäftigten vergrößert wird .

Aber auch für die Stammbelegschaften gilt, dass betrieb-liche Vertrauensverhältnisse als Voraussetzung für langfristige Fest legungen immer mehr an Bedeutung gewinnen . Diese müssen teilweise erst geschaffen werden und können durch wenig familien-bewusste Unternehmenskulturen leicht zerstört werden . Auch muss damit gerechnet werden, dass wirtschaftliche Krisen mühsam aufgebaute Vertrauensbeziehungen in Frage stellen . Das Beispiel der Vertrauensarbeitszeit zeigt, dass solche Arbeitszeit modelle nur dann Beschäftigten Vorteile bringen, wenn das Vertrauen der Beschäftigten nicht einseitig zu Rationalisierungszwecken missbraucht wird, sondern ein gleichwertiges Geben und Nehmen zwischen Beschäftigten und Management praktiziert wird .

Lebenslauforientierte Arbeitszeiten scheitern oft auch an der fehlender Rückendeckung durch die betriebliche Personalplanung . Noch spielen Langzeitkonten in den meisten Betrieben und Verwal-tungen keine Rolle . Selbst in den Betrieben, wo solche Instrumente angeboten werden, herrscht oft Unkenntnis über deren Möglich-keiten, gesetzliche Grundlagen und Methoden . Familien bewusste Unternehmenskulturen sind ebenso wie betriebliche Gesund-heitsförderung und demografiefeste Personalentwicklung auf langfristige Strategien angewiesen, denen eine meist kurzfristige betriebswirtschaftliche Perspektive entgegensteht . Hier ist noch viel Informations- und Sensibilisierungsarbeit zu leisten, um die Arbeits-bedingungen familienbewusster zu gestalten .

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Dr. Hilde Wagner, Tarifpolitikerin beim IG Metall Vorstand:„Im Lebensverlauf verändern sich die Arbeits-zeitbedürfnisse der Beschäftigten . Deshalb benötigen wir Arbeitszeitmodelle, die es ihnen mehr als bisher ermöglichen, ihre Arbeits-zeiten entsprechend den eigenen Wünschenautonom zu gestalten . Tarifliche Rahmenregelungen können dafür wichtige Anspruchs- und Verfügungsrechte schaffen .“

Nach der arbeitszeitpolitischen Auseinandersetzung der achtziger Jahre um Arbeitszeitverkürzung und die Einführung der 35-Stunden-Woche veränderte sich die arbeitszeitpolitische Ausein-andersetzung . Unternehmen fordern wieder längere, flexiblere Arbeitszeiten mit Verweis auf den steigenden Kosten- und Effizienz-druck im globalen Wettbewerb . Und obwohl die Wirtschaftskrise 2008/2009 zeigte, dass kürzere Arbeitszeiten beschäftigungs-wirksam sind, ist es anschließend nicht gelungen, die Trends der Arbeitszeitverlängerung und unternehmensorientierten Flexibili-sierung umzukehren . Arbeitszeitpolitische Konflikte nehmen zu, denn längere, betrieblich flexible Arbeitszeiten und vermehrte Wochenend- und Nachtarbeit sind weder familienfreundlich noch gesundheitsförderlich .

Der arbeitszeitpolitische Handlungsbedarf in den Betrieben und in der Gesellschaft steigt und stellt den Gewerkschaften die Aufgabe, die Auseinandersetzung um Arbeitszeiten betriebs- und tarif-politisch wieder aufzunehmen . Der Arbeitszeitverlängerung und -flexibilisierung aus ökonomischen Gründen ist eine familienbe-wusste, gesundheitsförderliche, alters- und alternsgerechte Arbeits-zeitgestaltung im Interesse der Beschäftigten entgegenzustellen . Auch in der „Charta für familienbewusste Arbeitszeiten“ von 2011 haben sich Gewerkschaften und Arbeitgeber verpflichtet, „dass die Tarifpartner ausreichende Spielräume für familienbewusste betrieb-liche Arbeitszeitvereinbarungen gewähren“ .

Die Gestaltung der Lebensarbeitszeit wird auch in der Tarifpolitik diskutiert, allerdings vornehmlich noch mit Blick auf das Ende des Erwerbslebens bzw . den vorzeitigen Ausstieg, weil dort der Problemdruck mit der Erhöhung des Rentenalters auf 67, dem

Wegfall der Förderung der Altersteilzeit und den alternden Beleg-schaften in vielen Betrieben am größten ist . Die vorhandenen tarif-vertraglichen Regelungen unter dem Motto „Lebensarbeitszeit“ beziehen sich überwiegend auf Ansparmodelle zur Verkürzung der Lebensarbeitszeit durch Altersteilzeit- oder Vorruhestands-regelungen . Freistellungsleistungen ohne vorherige Arbeitsleistung sind hingegen selten . (Ein Beispiel für letzteres ist der hier später beschriebene Qualifizierungstarifvertrag der IG Metall) .

Die tarifpolitische Arbeitszeitpolitik für ältere Beschäftigte konzen-triert sich auf Vorruhestands- und Altersteilzeittarifverträge und somit auf zwei Regelungsvarianten: kürzere Arbeitszeiten für ältere Beschäftigte (z . B . Demografie-

Tarifvertrag Chemie), früherer Ausstieg aus dem Erwerbsleben .

Weiter erhalten ältere Beschäftigte je nach Alter oder Betriebszuge-hörigkeit längere Kündigungsfristen .

Die wenigen Regelungen zu altersgestaffelten Arbeitszeiten beziehen sich auf Wochen- und Jahresarbeitszeit sowie den Urlaub, zum Teil abhängig von Nacht-/Schichtarbeit . So werden z . B . in der chemischen Industrie ab dem 57 . Lebensjahr 2,5 Stunden Alters-freizeit pro Woche gewährt und im öffentlichen Dienst existiert ein altersgestaffelter Urlaubsanspruch . In der Energiewirtschaft NRW werden zusätzliche Freistellungstage im Alter bei Nachtschicht-arbeit geregelt . Doch insgesamt werden die besonderen Bedürf-nisse älterer Beschäftigter in Tarifverträgen bislang ungenügend berücksichtigt (vgl . Thurau-Vetter 2005) .

Lebensarbeitszeit als alternative Verteilung von Erwerbsarbeits-zeiten im Lebensverlauf – mit geschlechtergerechten Optionen zur Lebensgestaltung für jede/n Beschäftigten vom Eintritt ins Berufs-leben bis zum Ausstieg – ist bisher tarifpolitisch kaum umgesetzt .

Tarifverträge über Langzeitkonten gibt es z . B . in der Stahl- und Elektroindustrie in den Tarifgebieten NRW und Baden-Württem berg . Diese Vereinbarungen ermöglichen, früher aus dem Berufsleben auszusteigen oder Zeiten für Qualifizierung und Weiterbildung, Familien- und Pflegezeiten, Sabbaticals oder andere persönliche Freistellungszwecke zu nutzen . In beiden Tarifverträgen sind Langzeitkonten vorgesehen, bei denen einerseits die Beschäf-

2. Tarifpolitische Ansätze lebensverlaufsorientierter Arbeitszeitgestaltung

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tigten über ihre angesparten Arbeitszeitguthaben frei verfügen können und andererseits Flexi-Konten für betriebliche Flexi-bilitätsanforderungen eingerichtet werden können . Die konkreten Frei stellungs möglichkeiten bei Langzeitkonten sind jeweils per Betriebsvereinbarung zu regeln . Neben der Frage der Regelungsebene (tarifvertraglich oder betrieblich) ist der Regelungsbereich bei der passgenauen Gestaltung von Lebensarbeitszeiten entscheidend . So spielen z . B . im Bereich Gesundheit und Soziales Langzeitkonten keine Rolle, da ein Großteil der in Krankenhäusern erwerbstätigen Frauen vor Erreichen des Rentenalters aufgrund belastender Arbeits-bedingungen aus dem Erwerbsleben ausscheidet . Auch Block-freizeiten sind in diesem Bereich kein drängendes Thema, da indivi-duelle Auszeiten und der anschließende Wiedereinstieg hier keine Probleme darstellen .

Oft erweitern Tarifverträge die gesetzlichen Möglichkeiten . Derzeit nutzen Beschäftigte lebensphasenspezifische Arbeitszeit-anpassungen um z . B . die Elternzeit zu verlängern, Familien-pflegezeit zu regeln oder Teilzeit, tarifliche Weiterbildungsmög-lichkeiten sowie betriebliche Altersteilzeit in Anspruch zu nehmen . Oftmals sind die Übergänge zwischen den verschiedenen Lebens-phasen problematisch . So bleiben viele Frauen nach Familien-phasen langfristig in Teilzeit erwerbstätig, weil sie nicht zurück in ein Vollzeitarbeitsverhältnis wechseln können . Hier können tarif-liche Regelungen unterstützen, da ein gesetzliches Rückkehrrecht in Vollzeit fehlt .

Arbeitsgestaltung in Manteltarifverträgen (IG Metall 2011)In vielen Manteltarifverträgen ist ausdrücklich geregelt, dass Arbeits- und Leistungsbedingungen im Rahmen der betrieb-lichen Möglichkeiten so zu gestalten sind,   dass sie zu keiner gesundheitlichen Beeinträchtigung der

Beschäftigten führen,  dass die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb

Beschäftigten geschützt und gefördert sowie das Recht auf Menschenwürde geachtet wird,

  dass bei Vereinbarungen zu Lage und Verteilung der Arbeitszeit im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten dem Einzelnen Entscheidungsspielräume eingeräumt werden . Betreuende Eltern sollten bei der Lage und Verteilung der Arbeitszeit besonders berücksichtigt werden . So ist es bereits in einigen Tarifverträgen geregelt .

  In den Manteltarifverträgen finden sich Regelungen und Grenzen der Schichtarbeit, einschließlich Pausenregelungen und zum Teil auch Ausgleichsregelungen .

  Die Manteltarifverträge definieren besondere Arbeitszeiten wie Nacht-, Spät-, Sonn- und Feiertagsarbeit und die dafür zu zahlenden Zuschläge .

Individuelle rechte der Beschäftigten aus Tarif verträgen   Ausgleichzeitraum: Bei ungleichmäßiger Verteilung der

regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit muss ein Ausgleich innerhalb des Ausgleichszeitraums erfolgen .

  Bei Lage und Verteilung der Arbeitszeit sollen im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten dem Einzelnen Entscheidungs-spielräume eingeräumt werden .

  Beim Ausgleich der Arbeitszeit mit freien Tagen sind bei der Festlegung die Wünsche der Beschäftigten zu berücksichtigen .

  Bei Mehrarbeit ab der 16 . Stunde kann der/die Beschäftigte einen Freizeitausgleich verlangen .

  Beschäftigte mit einer verlängerten individuellen Arbeitszeit können in einigen Tarifgebieten einen Ausgleich zur tarif-lichen Arbeitszeit durch einen/ mehrere große Freizeitblöcke wählen .

regelungen zur Vereinbarkeit in Tarifverträgen  Bei Anordnung von Mehrarbeit sind berechtigte Wünsche der

Beschäftigten zu berücksichtigen . Zum Teil ist die Befreiung von Mehrarbeit aus persönlichen Gründen ausdrücklich im Tarifvertrag geregelt .

  In einigen Tarifgebieten sind Eltern mit Kindern in Betreuungs einrichtungen nach Möglichkeit flexible Beginn- und Endzeiten einzuräumen .

  Einige Manteltarifverträge regeln die Freistellung der Eltern bei Krankheit ihrer Kinder .

  Verlängerte Elternzeit: In allen Tarifgebieten haben Eltern in Betrieben mit mehr als 500 Beschäftigten nach fünfjähriger

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Betriebszugehörigkeit, wenn sie zwecks Kinderbetreuung ausscheiden, bis zum fünften Lebensjahr des Kindes einen Wiedereinstellungsanspruch .

  Bei Teilzeit soll nach Möglichkeit den Wünschen der Beschäf-tigten entsprochen werden . Gleiches gilt für den Wunsch von Teilzeitbeschäftigten nach höherer Arbeitszeit oder Vollzeit .

regelungen zu alter(n)sgerechter Arbeit in den Tarif­verträgen  In der Metall- und Elektroindustrie haben ältere Beschäftigte

Anspruch auf Verdienstsicherung .  Tarifverträge regeln z .B . auch, dass Beschäftigte nach

7 Jahren regelmäßiger Schichtarbeit bevorzugt bei der Besetzung einer Stelle mit günstigerem Schichtrhythmus berücksichtigt werden .

  Die Entgelt-Rahmentarifverträge sehen Regelungen zu Erholungszeiten vor .

Altersübergänge  Die Tarifverträge zum flexiblen Übergang in die Rente ermög-

lichen Modelle des vorgezogenen oder gleitenden Übergangs in den Ruhestand .

  In einigen Tarifgebieten kann mit Guthaben auf Langzeit-konten der Übergang in die Altersrente gestaltet werden .

Gute Beispiele lebensphasenorientierter Tarifverträge

1. Tarifvertrag Lebensarbeitszeit und Demografie der Chemischen Industrie

2008 wurde für ca . 550 .000 Beschäftigte in 1 .900 Betrieben der chemischen Industrie der erste Flächentarifvertrag zum Themen-bereich „Demografischer Wandel“ abgeschlossen und im Mai 2012 erweitert . Lebensphasenorientierung und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf werden darin als zentrale Handlungsfelder definiert . Mit dem Demografiebetrag erhalten die Betriebsparteien auch eine finanzielle Ausstattung zur betrieblichen Umsetzung .

Für die ostdeutsche chemische Industrie wird die Lebensphasen-orientierung in einem darauf aufbauenden Tarifvertrag „Lebens-phasengerechte Arbeitszeitgestaltung“ umgesetzt, der ab 1 . Januar 2013 in Kraft tritt . Auch hier wird ein Rahmen vorgegeben, der Spielraum für die individuelle betriebliche Ausgestaltung durch eine Betriebsvereinbarung lässt .

Diese Tarifverträge bietet den Unternehmen die neuartige Möglichkeit, mit unterschiedlichen Arbeitszeitmodellen betriebs-bezogen auf die konkrete Situation reagieren zu können . Dazu gehören flexible Teilzeitmodelle bis zum Eintritt in den Ruhestand ebenso wie Teilzeitmodelle, durch die Anforderungen im Berufs-leben, bei der Erziehung von Kindern sowie bei der Pflege von Angehörigen besser vereinbart werden sollen . Insgesamt werden

also Möglichkeiten geschaffen, die Arbeitszeit den verschiedenen Lebensphasen anzupassen .

Erstmals wurde die Lebensphasenorientierung als zentraler Baustein in einen Tarifvertrag integriert und mit dem Demografie-betrag ein neues Umsetzungsinstrument entwickelt . In allen Betrieben sind jetzt Demografie-Analysen zu Altersstruktur, Qualifi-kationsstruktur und zum Geschlechterverhältnis verpflichtend .

Der beschlossene betriebliche Demografiebetrag1 steht ab Januar 2013 zur Verfügung und kann neben der Altersteilzeit und den Langzeitkonten für die Gestaltung lebensphasenorientierter Arbeitszeit (die sogenannte RV 80: reduzierte Vollzeit mit 80% der Arbeitszeit, was einem Freizeitanspruch von 7,5 Stunden pro Woche entspricht) genutzt werden . Die konkrete Ausgestaltung wird in einer Betriebsvereinbarung geregelt . Mit dem Modell RV 80 kann eine flexible Arbeitszeitgestaltung in bestimmten Lebens-phasen und ein flexibler Übergang in den Ruhestand ermöglicht werden .

1 Der vereinbarte Arbeitgeber-Demografiebetrag von 300 € pro Tarifarbeitnehmer und pro Kalenderjahr wurde erstmals 2010 fällig und dann jeweils entsprechend der Tariferhöhung des Vorjahres erhöht .

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Als qualitative Handlungsfelder zur betrieblichen Gestaltung nennt der Tarifvertrag:1 . Betriebliche Weiterbildung2 . Familie und Beruf3 . Gesundheit und Prävention4 . Übergang in den Ruhestand/Vorsorge .

Peter Hausmann, Mitglied des geschäftsführenden Hauptvorstandes der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, energie:„Der neue Demografiebetrag ist die logische Weiterentwicklung unserer Tarifpolitik . Mit dem Start in den Beruf, einem hohenAusbildungsniveau und der Übernahme mit sicherer Perspektive haben wir nun gute Rahmenbedingungen für die betriebliche Gestaltung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen . Ich bin mir sicher, dass die Betriebsparteien dieses Instrument im Sinne einer besseren Balance von Arbeit und Leben nutzen werden .“ (www .demtv .info)

Joachim Nowak, Betriebsratsvorsitzender der InfraLeuna GmbH„Als verbandsgebundenes Unternehmen mit Haustarifvertrag konnten wir auf der Grund- lage des DemTV viele individuell auf unsere Betriebsstruktur als Chemiedienstleister passende Lösungen im Rahmen unserer Tarif- verträge und Betriebsvereinbarungen einfüh- ren . Dazu gehören solch wichtige Elemente, wie die Vereinbarkeit Beruf und Familie, soziale Unter-stützungs leistungen für Mitarbeiter/innen, Gesundheits-vorsorge/Prophylaxe, Arbeitsplatz/Arbeitszeitgestaltung und Arbeitsorganisation, Qualifizierung und Weiterbildung, sowie die Umsetzung einer modernen Leit- und Führungskultur als Basis für den Unternehmenserfolg . Wir interpretieren den DemTV mit seinen flexiblen Gestaltungsmöglichkeiten als Grundlagenpapier und wichtigen Meilenstein zur Implemen-tierung einer erfolgreichen demografiefesten Personalpolitik im Betrieb . Ein entscheidender Erfolgsfaktor zur Realisierung der im DemTV vereinbarten Handlungsfelder ist nach unserer Auffassung, eine qualifizierte und gelebte Sozialpartnerschaft im Betrieb unter Einbeziehung der Tarifvertragsparteien .“ (www .demtv .info)

2. Der Generationen­Tarifvertrag der Deutschen Post Das Kombinationsmodell aus Altersteilzeit und Zeitwertkonto ermöglicht eine Flexibilisierung der Arbeitzeiten im Erwerbsverlauf sowie eine Rente ohne Abschläge . In diesem Generationenvertrag von 2011 ist festgeschrieben, dass alle 2 .580 Auszubildenden der Post unbefristet übernommen werden . Betriebsbedingte Kündi-gungen und Änderungskündigungen sind bis 2015 ausgeschlossen; ebenso die Fremdvergabe von Briefdienstleistungen und weitere Fremdvergaben bei der Paketsparte .

Im Mittelpunkt des Haustarifvertrages steht ein Kombimodell bestehend aus Altersteilzeit und Zeitwertkonto, das auch zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf genutzt werden kann . Zurzeit gehen viele Postler/innen vor dem offiziellen Beginn in Rente und nehmen Abschläge in Kauf . Künftig haben sie die Möglichkeit, ohne Rentenabschläge rechtzeitig die Arbeitszeit zu halbieren oder sich freistellen zu lassen . Sparen können sie dafür in einem Zeitwertkonto, das insolvenzsicher verzinst wird . Eingezahlt werden können mindestens zwei Prozent und höchstens 30 Prozent des Bruttojahreslohns . Urlaubsgeld, 13 . Monatsentgelt und andere Entgeltbestandteile können ebenfalls angespart werden . Überstunden oder der nicht genommene Urlaub dürfen explizit nicht in das Zeitwertkonto eingezahlt werden . Denn über allem steht die Prämisse, möglichst gesund zu altern . Für eine Freistellung vor dem Rentenbeginn und aus der Altersteilzeit heraus müssen Beschäftigte Entgeltpunkte in ihrem Zeitwertkonto angespart haben; in der Freistellung vor der Rente wird das angesparte Geld als Entgelt ausgezahlt – plus einer Aufstockung auf 79 bis zu 87 Prozent des Vollzeitentgelts . Neben den flexiblen Entgeltbestand-teilen werden in der Freistellungsphase weiterhin Beiträge für die Rentenversicherung gezahlt, so dass es bei Renteneintritt zu keinen Abschlägen kommt .

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Genutzt werden kann das Zeitwertkonto aber auch für Frei stellungen nach der Elternzeit, für die Pflege von Familienan-gehörigen oder für ein Sabbatical . Scheiden Beschäftigte bei der Post aus, so kann das angesparte Geld zu einem neuen Arbeit-geber mitgenommen, bei der Rentenversicherung gutgeschrieben oder ausbezahlt werden . Letzteres gilt auch im Todesfall, dann geht das Geld an die Erben . Ab dem 59 . Lebensjahr können Postler/innen künftig darüber hinaus für mindestens zwei, höchstens sechs Jahre in Altersteilzeit gehen . Auch hier wird das 50-Prozent-Entgelt aufgestockt, durch Geld aus dem Demografie-fonds . Die Aufstockung richtet sich nach der Entgeltgruppe . Wer 2 .338,48 Euro oder weniger pro Monat verdient, erhält eine Aufstockung auf 87 Prozent des Bruttogehalts . Wer mehr als 4 .425,94 Euro verdient, erhält eine Aufstockung auf 79 Prozent . In den Demografiefonds hat die Deutsche Post AG zum 1 . November 2011 einmalig 20 Millionen Euro eingezahlt . Künftig wird sie jährlich 200 Euro pro Vollzeitbeschäftigten einzahlen .

Aus der Präambel zum Tarifvertrag „Alter(n)sgerechtes Arbeiten“: Die Tarifvertragsparteien stellen mit diesem Tarifvertrag ein geeignetes und innovatives Instrument zur Bewältigung des demografischen Wandels und zur Gestaltung alter(n)sgerechten Arbeitens bereit . Die Tarifvertragsparteien wollen mit diesem Tarifvertrag die körperliche Beanspruchung und die Belastung älterer Arbeit-nehmer spürbar reduzieren und somit den Verbleib dieser Arbeitnehmer bei der Deutschen Post AG in der Regel bis zum Erreichen der jeweiligen gesetzlichen Regelaltersgrenze fördern . Dieser Tarifvertrag stellt kein Instrument zur Beschleunigung des Personalabbaus dar .“

3. Tarifvertrag zur Qualifizierung der Metall­ und elektroindustrie

Mit den Tarifverträgen der Metall- und Elektroindustrie, die es seit 2006 bundesweit gibt, wurde ein Instrument dafür geschaffen, Belegschaften systematisch zu qualifizieren . Demnach müssen Arbeitgeber die Betriebsräte einmal jährlich über technische oder organisatorische Veränderungen informieren und die Auswir-kungen, Qualifizierungsbedarfe und -maßnahmen für die Beschäf-tigten mit ihnen beraten . Ist nichts anderes vereinbart, muss der Arbeitgeber jährlich mit jedem Beschäftigten ein individuelles Qualifizierungsgespräch führen . Den konkreten Bedarf legen beide Seiten gemeinsam fest . Der/die Beschäftigte kann selbst Vorschläge machen . Der Arbeitgeber muss dem Betriebsrat jährlich berichten, wie er die Maßnahmen umgesetzt hat . Der Tarifvertrag sieht vor, dass Ältere, An- und Ungelernte und Teilzeitbeschäftigte besonders gefördert werden .

Für Weiterbildungsmaßnahmen, die Beschäftigten befähigen sollen, veränderte Arbeitsanforderungen zu bewältigen, werden sie ganz von der Arbeit freigestellt . Der Arbeitgeber zahlt sowohl das Entgelt als auch die Kosten der Qualifizierung . Dasselbe gilt für Maßnahmen, die Beschäftigte für neue Arbeiten qualifizieren, wenn bisherige Tätigkeiten wegfallen . Soll die Qualifizierung den Beschäf-tigten helfen, höherwertige Aufgaben übernehmen zu können, wird er teilweise dafür freigestellt, in der Regel zu 50 Prozent .

FazitLebensphasenorientierte Tarifverträge legen nicht die Arbeitszeiten für bestimmte Lebensphasen fest, sondern bieten einen Rahmen und mögliche Instrumente bzw . Optionen für passgenaue betrieb-liche Lösungen . Die Gestaltung der Arbeitszeit erfolgt häufig im Konflikt zwischen den Flexibilisierungsinteressen der Arbeitgeber und den Arbeitszeitwünschen der Beschäftigten . Ziel gewerk-

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schaftlicher Tarifpolitik ist es dabei, eine einseitige Arbeitszeit-flexibilisierung abzuwehren und die Beschäftigten an der Arbeits-zeitgestaltung zu beteiligen . Beschäftigteninteressen sollen stärker aus der Lebenslaufperspektive berücksichtigt werden – durch mehr Wahlmöglichkeiten, eine Förderung (vollzeitnaher) Teilzeitarbeit und mehr sozialen Schutz für Teilzeitbeschäftigte, Anspruch auf Frei stellungen und die Ausgestaltung von Arbeitszeitkonten .

Auch die geschlechtergerechtere Verteilung von Arbeitszeit ist ein wichtiges Ziel lebensphasenorientierter, gewerkschaftlicher Tarif-politik . Männer und Frauen sollen Beruf, Fürsorgeaufgaben, Qualifi-zierung und Privatleben besser miteinander vereinbaren können .

Dafür ist selbstbewusstes Handeln der Betriebsräte und der Beschäftigten auf der Basis verbindlicher, tariflicher Ansprüche notwendig . Hierfür gilt es, die tarifpolitischen Voraussetzungen zu schaffen . Nur dann wird es gelingen, eine im Sinne des Wortes „gesunde“ Balance von Arbeit und Privatleben in den Betrieben für alle Beschäftigten zu gestalten und zu leben .

Tarifpolitik ist ein wichtiges Gestaltungsinstrument im demo grafischen Wandel . Arbeitszeit darf nicht nur als Lohn- und Kostenfaktor gesehen werden, sondern als Gestaltungsthema für unterschiedliche Arbeitsbedingungen und Lebensphasen . Lebens-phasenorientierte Arbeitszeiten sind dabei kein „Ersatz“ für Alter-steilzeit und sollten auch nicht auf den (vorzeitigen) Ausstieg aus

dem Erwerbsleben reduziert sein . Als Konsequenz der Verlängerung der Lebensarbeitszeit bei gleichzeitiger Arbeits verdichtung müssen neue Optionen zur Entzerrung und Gestaltung der Arbeitszeit im Lebensverlauf geschaffen werden . In der tarifpolitischen Arbeits-zeitgestaltung gilt es stärker die Wünsche der Beschäftigten aus der Lebensverlaufsperspektive zu berücksichtigen; unabhängig davon, ob sie Familienaufgaben übernehmen, sich weiterqualifizieren, früher aus dem Erwerbsleben aussteigen, eine Zeitlang pausieren oder privaten Interessen nachgehen wollen . Um den Beschäftigten größere Arbeitszeitsouveränität zu ermöglichen, werden Modelle gebraucht, die die Verfügungsrechte der Beschäftigten über die Zeitguthaben sichern . Dazu gehören Optionsmodelle, die Unter-brechungen im Lebens- und damit Erwerbsverlauf erleichtern und mehr Wahlmöglichkeiten bei Arbeitszeitmodellen bieten .

Für eine nachhaltige, lebenslauforientierte Arbeitszeitpolitik ist das Zusammenwirken verschiedener Politikfelder notwendig . Tarif-politische Regelungen für mehr Zeitsouveränität im Lebensverlauf können nur dann wirken, wenn sie gesellschafts- und sozialpolitisch flankiert und unterstützt werden . Die Regelungen zur Insolvenz-sicherung von Konten im Flexi II Gesetz reichen dafür nicht aus . Auch die sozialen Sicherungssysteme müssten so umgestaltet werden, dass Phasen kürzerer Arbeitszeitreduzierung nicht sanktio-niert werden, z . B . bei der Berechnung von Arbeitslosengeld und Rente . Auch die Übertragbarkeit von Zeitguthaben muss besser geregelt werden, um Lebensarbeitszeitkonten attraktiver zu machen .

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3.1 Phasen im LebensverlaufBerufliche und private Ereignisse im Lebensverlauf werden häufig in verschiedene Phasen unterteilt . Eine gängige Abfolge ist die Einteilung in schulische bzw . berufliche Ausbildung und ein mögliches Studium (Phase 1), Berufseinstieg und Karrierestart, der oft mit der ersten Familienphase parallel läuft (Phase 2), weitere Karriereentwicklung, die insbesondere von Frauen durch Familien-phasen (Kindererziehung, Pflege von Angehörigen) unterbrochen wird (Phase 3), einer möglichen berufliche Umorientierung, verbunden mit Weiterbildung und/oder einer Neuorientierung in der Familie (Phase 4) sowie einer flexiblen Überleitung in den Ruhestand (Phase 5) .

Bezogen auf die Erwerbstätigkeit können die Phasen im Erwerbs-verlauf unterschieden werden in berufliche Einführung (Phase 1), Professionalisierung (Phase 2), Reife (Phase 3), Vorbereitung auf den Austritt (Phase 4) und aktiver Ruhestand (Phase 5) .

Solche Phasenmodelle machen zum einen deutlich, dass berufliche und private Zeitanforderungen im Lebensverlauf stark wechseln können; zum anderen bieten sie ein Schema, an dem sich mögliche betriebliche Maßnahmen orientieren können .

Die untere Grafik macht gleichzeitig deutlich, dass die Wirklichkeit wesentlich bunter und komplexer aussehen kann . Berufliche und private Umorientierungen können in verschie-

3 Instrumente einer lebenslauforientierten Arbeitszeitgestaltung im Betrieb

Quelle: Eigene Darstellung

Private, familiäre und berufliche Ereignisse im Lebensverlauf Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Geburt eines

Kindes Hausbau

Ehrenamt Krankheit

Sport / Hobby Behinderung

Tod von Angehörigen /

Freunden

Single

Elternzeit Pflege

Kindererziehung Ausbildung der Kinder empty nest

Partnerschaft Scheidung neue Partnerschaft

privat / famliliär

beruflichKarrierepause

Berufseinstieg Arbeitslosigkeit Projektarbeit WeiterbildungÜbergang

in die Rente

Sabbatical berufliche Krise beruflicheUmorientierung

Ausbildung Karriere

späte Jugend frühes ––––– Erwachsenenalter ––––– spätes „Silverage“

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denen Altersphasen passieren . Die Vielzahl von möglichen Ereig-nissen lässt sich selten auf eine bestimmte Phase reduzieren . Ebenso kann die Dauer bestimmter Phasen unterschiedlich lang sein und schließlich laufen berufliche und private Lebensläufe selten synchron . Für die betriebliche Praxis bedeutet dies, dass ein umfassendes Angebot an flexiblen Arbeitszeitinstrumenten angeboten werden sollte, um den komplexen Anforderungen aus privaten/familiären und beruflichen Verpflichtungen gerecht zu werden .

3.2 ZeitkontenNeben der Verkürzung von Arbeitszeit (Freistellung, Teilzeit, allgemeine Arbeitszeitverkürzung) sind Zeitkonten das wichtigste Instrument, um zeitliche Anpassungen an die Erfordernisse der verschiedenen Lebensphasen vorzunehmen . Mittels Zeitkonten kann die Umverteilung von individueller Arbeitszeit erfolgen und damit Abweichungen von der Normalarbeitszeit reguliert werden . Zeitkonten sind nach dem Prinzip des Zeitausgleichs organisiert: Abweichungen von den vertraglich festgelegten Arbeitszeiten werden als Plus- oder Minusstunden auf dem Konto individuell (oder kollektiv) angespart und später entnommen . Wie dies konkret geregelt ist, welche Grenzen nicht überschritten werden dürfen und wer über die Zeiten verfügt („Kontobewirtschaftung“) sollte

unbedingt in einer Dienst- oder Betriebsvereinbarung verbindlich festgelegt sein .

KontoformenOft werden verschiedene Formen von Zeitkonten unterschieden, die jeweils eigene Grenzen, Anspar- und Entnahmemöglichkeiten besitzen und spezifischen Regeln folgen . Da es keine einheit-lichen Begrifflichkeiten gibt, herrscht in der Praxis ein sprachlicher Wirrwarr um Konten wie „Flexikonten“, „Optikonten“ usw . Zeitkonten werden einerseits nach verschiedenen Zeitdimensionen, andererseits nach Organisation der Arbeitszeitkonten unter-schieden:

(1 .) Bei den Zeitdimensionen werden üblicherweise zwei wesent-liche Kontoformen unterschieden:

Kurzzeit- und Gleitzeitkonten Langzeitkonten .

Im Kurzzeit- oder Gleitzeitkonto können relativ geringe Zeiten angespart werden, die in der Regel dazu dienen, tägliche, wöchent-liche oder monatliche Abweichungen auszugleichen . Auch die Ausgleichszeiträume sind auf eine kurze Zeitphase begrenzt und müssen häufig innerhalb von einem bis drei Monaten ausgeglichen werden .

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Langzeitkonten werden dagegen mindestens ein Jahr geführt und sie verzichten meistens auf einen Zeitpunkt, an dem die Konten auf Null gefahren werden müssen . Auf diese Weise können die Konten stark anwachsen und bedürfen deshalb Regeln für Höchst-grenzen bzw . Begrenzungen beim Ansparen der Zeit . Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, Geld in Zeitwerte umzuwandeln und auf das Konto zu transferieren . Meist können zwei Formen des Langzeitkontos unterschieden werden . Altersbezogene Langzeit-konten werden bis zum Ende des Erwerbslebens angespart, um einen früheren Übergang in die Rente zu erreichen . Optionale Langzeitkonten dienen den individuellen Zeitinteressen und können zu einem frei gewählten Zeitpunkt für private oder familiäre Bedürf-nisse genutzt werden .

Lebensarbeitszeitkonten schließlich werden über den gesamten Erwerbsverlauf geführt, wobei die Abgrenzungen zu den alters-bezogenen Langzeitkonten fließend sind . In der unteren Grafik des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB) werden z . B . nur die Konten als Lebenszeitkonten benannt, die einen schnelleren Übergang in die Rente ermöglichen . Eine besondere Form stellen die sogenannten Wertguthaben dar, die als Langzeitkonten den gesetz-lichen Bestimmungen des Flexi II Gesetzes entsprechen müssen (siehe ausführlicher unten) .

Werden verschiedene Zeitkonten im Betrieb geführt, ist es erfor-derlich diese gut voneinander abzugrenzen und die Möglich-keiten der Übertragung von einem Konto zum anderen zu regeln . Geschieht dies nicht, besteht die Gefahr, dass Überstunden von einem Konto zum nächsten überlaufen, mit der Folge schleichender Arbeitszeitverlängerungen, die kaum aufgehalten werden können .

Aktuelle Untersuchungen über die Verbreitung von Zeitkonten zeigen, dass der Anteil von Beschäftigten, die über ein Zeitkonto verfügen, von 35 Prozent (1999) auf 51 Prozent gewachsen ist (2010; vgl . IAB 2012) . Die überwiegende Mehrheit der Konten sind Kurzzeitkonten; 63 Prozent aller Betriebe mit Zeitkonten haben einen Ausgleichszeitraum unter einem Jahr . 31 Prozent aller Betriebe haben keine festgelegten Ausgleichszeiträume und ermöglichen damit Langzeitkonten . Diese Zeitkonten können auch betrieblichen Erfordernissen dienen . Nur 5 Prozent aller Betriebe mit Zeitkonten führen echte Wertguthaben im Sinne des Flexi II Gesetzes und sind Langzeitkonten, die explizit betriebswirtschaft-liche Verwendungen verbieten (vgl . Bericht der Bundesregierung 2012) . Bei großen Betrieben über 500 Beschäftigten liegt der Anteil von Langzeitkonten bei 13 Prozent . Gründe für diese geringe Inanspruchnahme sind organisatorische Probleme von Betrieben (z . B . Bildung von Rückstellungen) und die fehlenden Flexibilisierungs möglichkeiten der Wertguthaben für ökonomische Anpassungen .

Quelle: Hildebrandt; Wotschack 2006

Typen von Zeitkonten nach Zeitdimensionen Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Ansparen

Verwalten

entnahme

Kurzzeit­konto

optionales Jahres­ /Langzeitkonto

Lebenszeit­konto

Alltägliche Optionen

Freistellungen: Bildung Familie Freizeit, Erholung bürg . Engagement

Kurzarbeit

betriebliche Vorruhestand

Altersversorung

Störfälle

Abweichende alltägliche

Arbeitszeiten

MehrarbeitUrlaubsanteile

ZuschlägeZulagenPrämien

Entgeltanteile

Übertragungs­ regeln

Übertragungs­ regeln

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Quelle: Wotschack u . a . 2008

Bevorzugte Zeiteinteilung von männlichen und weiblichen Beschäftigten* (in Prozenten) Vereinbarkeit

von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Welche persönliche Zeiteinteilung bevorzugen Sie?

*n = 5 .300

Quelle: Auswertung des WZB einer standardisierten Befragung von 5 .300 Mitarbeitern eines großen Dienstleistungsunternehmens .

Möglichst jeden Tag eine gute Balance von Arbeit

und Leben erreichen

Auch kurze Zeit mal mehr arbeiten für kurzfristigen

Zeitausgleich

Längere Zeit mehr arbeiten und dafür längere Auszeiten

nehmen können

Längere Zeit mehr arbeiten und dafür vorzeitig

in den Ruhestand gehen

4747

3831

1113

48 Frauen

Männer

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(2 .) Organisation der ZeitkontenHierbei werden Zeitkonten in vier Modelle untergliedert, bei denen der Aufbau des Kontos auf unterschiedlichen Wegen zustande kommt . Im Gleitzeitmodell werden Arbeitszeiten durch tägliche Flexibilisierungen des Gleitzeitkontos aufgebaut . Im Überstunden-modell werden ausschließlich Überstunden erfasst; hier sind keine Zeitschulden vorgesehen . Das Bandbreiten- oder Korridor-modell erfasst Zeitabweichungen, die innerhalb eines tariflich fest gelegten Korridors möglich sind; wobei der Zeitausgleich zu einem bestimmten festgelegten Zeitraum erfolgen muss . Das Ansparmodell schließlich speist sich aus Überstunden, die für einen längeren Zeitraum verwendet werden können .

Quelle: IAB 2012

Typen von Zeitkonten nach Organisationsform

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Flexi II GesetzAm 01 . 01 . 2009 ist das so genannte Flexi II Gesetz2 in Kraft getreten, dass die Bedingungen für Langzeitkonten und ins besondere den Insolvenzschutz von Langzeitkonten verbessern soll . Gegenüber dem ersten Flexi Gesetz wurden verschiedene Präzisierungen vorgenommen . Kernpunkte des Gesetzes sind: engere Definition des Begriffs „Wertguthaben“ klare Abgrenzung der Langzeitkonten von anderen Flexibili-

sierungsformen besserer Schutz von Langzeitkonten (in den Sozialversiche-

rungsgesetzen) Verbesserung des Insolvenzschutzes Mitnahme der Wertguthaben bei Wechsel des Arbeitgebers

(so genannte Portabilität) Absicherung durch Regulierung der Anlageformen und

Nominalwertgarantie Einbeziehung geringfügig Beschäftigter (unter 400 Euro

monatlich)

2 „Gesetz zur Verbesserung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und anderer Gesetze“ (kurz Flexi II)

Begriff „Wertguthaben“Langzeitkonten werden mit dem Begriff „Wertguthaben“ bezeichnet, um deutlich zu machen, dass sowohl zeitliche als auch finanzielle Bestandteile in die Konten einfließen können . Der Begriff „Wertguthaben“ stammt aus dem SGB IV und ist ein Synonym für Arbeitszeitkonten, allerdings nur für solche, die auch unter die Definition der SGB IV Regelung fallen . Dies sind Langzeit- und Lebensarbeitszeitkonten, die auch in Tarif- und Betriebsvereinbarungen verwendet werden . Explizit ausge-nommen sind Zeitkonten, die durch Produktionsschwankungen bedingt sind und in erster Linie ökonomischen Interessen dienen .Im Gesetz werden verschiedene Verwendungszwecke für Wertguthaben aufgeführt, die allerdings nicht abschließend sind: Freistellungen für Pflegezeiten, Elternzeiten, Teilzeit, flexibler Übergang in die Rente und Weiterbildungszeiten . Darüber hinaus können auch weitere Zwecke vereinbart werden, die einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf dienen .

BestimmungenVoraussetzung für die Einführung dieses Langzeitkontos mit Wertguthaben ist eine betriebliche Vereinbarung zu Wertgut-haben .Zukünftig müssen alle Wertguthaben einheitlich als Entgeltgut-haben geführt werden . Die Führung als Arbeitszeitguthaben ist nicht mehr möglich . Eingebracht in das Wertguthaben wird das Bruttoarbeitsentgelt inklusive des Arbeitgeberanteils am Gesamtsozialversicherungsbeitrag . Bestehende Wertgut-haben müssen allerdings nicht umgestellt werden und können wahlweise als Zeit- oder als Entgeltkonto geführt werden (§ 116 I SGB IV) .Der Arbeitgeber hat gegenüber dem Arbeitnehmer die Pflicht, regelmäßig über den Stand des individuellen Wertguthabens zu informieren . Wechselt ein Beschäftigter den Betrieb kann der neue Arbeit-geber das Wertguthaben übernehmen; andernfalls erfolgt eine Übertragung an die Deutsche Rentenversicherung Bund .Die Möglichkeit bei einem Störfall das Wertguthaben beitragsfrei in die betriebliche Altersversorgung zu überführen (alte Regelung, Flexi I Gesetz), entfällt . Damit wird die Praxis unterbunden, Wertguthaben allein zum Zweck der späteren Überführung in die betriebliche Altersversorgung zu führen . Mit der Neuregelung sollen betriebliche Altersversorgung und Wertguthaben strikt getrennt bleiben .

Wertguthaben müssen von Dritten außerhalb des Betriebes treuhänderisch geführt und gegen Insolvenz geschützt werden . Dafür werden drei verschiedene Modelle zur Auswahl gestellt: a) treuhänderisch geführtes Anlagemodell, b) schuldrechtliches Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodell, c) verschiedene Versi-cherungsmodelle .

Arbeits­ zeitkonto

Gleitzeit­modell

Über­stunden­

konto

Band­ breiten­/Korridor­ modell

Anspar­modell

Kurzzeitkonto Langzeitkonto

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Hindernisse bei der einführung von Langzeitkonten

Mit der Ausweitung von Zeitkonten verändert dieses Instrument allerdings auch seinen Charakter . Während Kurzzeitkonten geringe zeitliche Abweichungen ausgleichen und deshalb relativ leicht zu managen sind, ergeben sich durch Langzeitkonten ganz andere Möglichkeiten z . B . für eine verlängerte Elternzeit, für lebenslanges Lernen, für Gesundheitsmaßnahmen, für Sabbaticals oder für Zeiten, die individuell genutzt werden können . Darüber hinaus können durch zusätzliche finanzielle Bestandteile die Spielräume für individuelle Zeitoptionen vergrößert werden . Damit besteht aber auch die Gefahr, dass das Instrument Langzeitkonten viele Anforde-rungen erfüllen soll und damit stark überfrachtet wird .

Der Aufbau von Langzeitkonten verringert zunächst die zeitlichen Spielräume, die für die alltägliche Work-Life-Balance notwendig sind . Auch können gesundheitliche Belastungen in der Ansparphase steigen und die Attraktivität von Zeitkonten insgesamt schmälern .

Bei der Entscheidung welcher Verwendungszweck im Vordergrund steht, sind deshalb verschiedene Abwägungen zu treffen und konkurrieren unterschiedliche Möglichkeiten miteinander: Soll ein großes Arbeitszeitvolumen angespart werden, um schneller in die Rente zu gehen oder ist eine variable Gestaltung der Arbeitszeit in der mittleren Lebensphase wichtiger?

Entscheidend für die Nutzung von Zeitkonten und die Auswahl des Verwendungszwecks sind neben den gesetzlichen Absicherungen die betrieblichen Rahmenbedingungen . Vor allem kommt es darauf an, Voraussetzungen zu schaffen, die eine hohe Planungssicherheit für die Beschäftigten schaffen . Eine langfristige Personalplanung ist eine wichtige Bedingung dafür, dass sich eine betriebliche Zeitpolitik etablieren kann, die den gesamten Erwerbsverlauf im Blick hat . Untersuchungen zeigen den direkten Zusammenhang von positiven Bedingungen und Inanspruchnahme von Langzeit-konten . In Betrieben, die eine langfristige Personalpolitik betreiben, die sich sozial engagieren und in denen ein gutes Betriebsklima herrscht, werden deutlich mehr Langzeitkonten geführt als in Betrieben mit schlechteren Rahmenbedingungen (vgl . Hilde-brandt; Wotschack 2006) . Lange Zugehörigkeit im Betrieb/in der Verwaltung und das Gefühl der Arbeitsplatzsicherheit sind wesent-liche Faktoren, um lebenslauforientierte Arbeitszeiten erfolgreich einzuführen .

Es gibt aber auch betriebliche Strategien, die einer Berücksich-tigung der Beschäftigteninteressen im Wege stehe . Oft dominieren ökonomische Anforderungen oder lassen sich die wirtschaftlichen Entwicklungen schwer abschätzen . So liegt ein Grund für die fehlende Inanspruchnahme von Wertguthaben nach dem Flexi II Gesetz darin, dass Arbeitgeber sich in ihren Handlungsspielräumen eingeengt sehen . Entsprechend gering ist die Planungssicherheit für die Beschäftigten . Nur wenn es gelingt langfristige Strategien der Personalentwicklung gegenüber kurzfristigen Perspektiven (Leiharbeit, Befristung usw .) durchzusetzen, können lebens-

BewertungDas Gesetz kann als Einstieg in eine lebenslauforientierte Arbeitszeitgestaltung bezeichnet werden . Dennoch weist die zögerliche Inanspruchnahme auf mögliche Schwachstellen . Nur 2 Prozent aller Betriebe in Deutschland haben Wertguthaben im Sinne des Gesetzes . Dies sind vor allem große Betriebe der Metall- und chemischen Industrie sowie im öffentlichen Dienst (7 Prozent der Verwaltungen) . Weiterhin sind knapp 20 Prozent der Betriebe mit Langzeitkonten nicht insolvenzgeschützt, was deren Attraktivität stark reduziert . Bei Kurzzeitkonten besteht seit der Gesetzesänderung keine Verpflichtung mehr zum Insolvenz schutz . Auch die Übertragung der Wertguthaben auf andere Betriebe erweist sich in der Praxis als schwierig: Nur ein Drittel der Betriebe mit Langzeitkonten bietet eine Übertragung der angesparten Zeiten auf einen anderen Betrieb an; in 14 Prozent erfolgt eine Übertragung an die Deutsche Renten-versicherung Bund; die meisten Betriebe (70 %) zahlen die Wertguthaben nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb aus (vgl . BMAS 2012) .

Darüber hinaus zeigt eine Untersuchung der Bundesregierung zur Nutzung von Wertguthaben, dass entgegen den gesetzlichen Absichten befristet Beschäftigte sowie geringfügig Beschäf-tigte in der betrieblichen Praxis überwiegend von Langzeit-konten ausgeschlossen sind . Auch leitende Angestellte nutzen Regelungen zu Wertguthaben kaum . Nur die Hälfte der Betriebe mit Langzeitkonten hat eine Vereinbarung im Sinne des Flexi II Gesetzes abgeschlossen . 90 Prozent der Beschäftigten nutzen die Wertguthaben überwiegend für einen schnelleren Einritt in den Ruhestand . Danach folgen die Nutzung von Teilzeit (50 %), Pflegezeit und Weiterbildung (jeweils 47 %), Sabbaticals und Ausgleich von Auslastungsschwankungen3 (jeweils 39 %) und Elternzeiten (33 %) (vgl . BMAS 2012) .

3 Wobei der betriebswirtschaftliche Verwendungszweck im Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen wird .

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lauforientierte Arbeitszeiten erfolgreich gestaltet werden, die eine demografiefeste Personalpolitik unterstützen .

Ebenso schwer lassen sich private und familiäre Entwicklungen in der Zukunft voraussehen, wenn sich z . B . die Partnerin oder der Partner beruflich verändert . In der betrieblichen Praxis führen diese Unsicherheiten dazu, dass das Ansparen von Mehrarbeit auf einem Langzeitkonto als wenig geeignetes Instrument wahr genommen wird, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern . In den überwiegenden Fällen werden Langzeitkonten für einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Erwerbsleben genutzt . Dies gilt besonders nach dem Auslaufen der Altersteilzeitregelungen und unterstreicht, dass Langzeitkonten bisher nur auf wenige Verwen-dungen bzw . einen Hauptverwendungszweck eingeschränkt sind . Insgesamt kann festgehalten werden, dass neben einer hohen Planungssicherheit für Langzeitkonten die Gefahr einer Überfrachtung verhindert werden muss, um dieses Instrument im Sinne der Beschäftigten zu gestalten . Viel wird davon abhängen, wie sich dieses Vertrauensverhältnis in Betrieben und Verwaltungen in der Praxis entwickeln und festigen wird . Und wie erfolgreich die

Lernprozesse mit einer größeren Flexibilität und Optionalität in der Zeitgestaltung verlaufen .

Schließlich treten bei der Einführung neuer Arbeitszeitinstrumente immer Anfangsschwierigkeiten auf, die darauf zurückzuführen sind, das Skepsis gegenüber Neuerungen bestehen, ausreichende Informationen fehlen und sich noch keine Nutzungspraxis einge-stellt hat . Gerade kleine Betriebe besitzen wenig Erfahrungen mit Zeitkonten und sind oft überfordert, wenn es z . B . um den Insolvenz schutz von Langzeitkonten geht . Aus diesen Schwierig-keiten lässt sich folgern, dass für eine erfolgreiche Implementierung eines Langzeitkontos zwingend eine gute betriebliche Regelung in Form einer Betriebs- bzw . Dienstvereinbarung empfohlen wird . Darin sollte auch explizit der Umgang mit möglichen Risiken wie dem frühzeitigen Ausstieg aus dem Unternehmen thematisiert werden . Hier bietet sich aber auch die Gelegenheit, Langzeit-konten mit weiteren Themen zu verknüpfen, die auf eine Langfrist-perspektive abzielen (wie eine demografieorientierte Personal-politik), die berufliche Entwicklungsmöglichkeiten oder eine alter(n)s gerechte Arbeitsorganisation vorsehen .

Alle Betriebe1–9

Beschäftigte10–49

Beschäftigte50–249

Beschäftigte250+

Beschäftigte

Weiterbildung 17 17 12 27 50

Sabbatical   6   2   9 17 27

Familienzeit 27 17 39 42 26

Temporäre Teilzeit 30 17 45 47 28

Altersteilzeit   7   6   1 23 69

Vorruhestand   6   6   1 20 54

Sonstiges 64 64 70 51 34

Nur Betriebe mit Langzeitkonto: n=204 .Quelle: Auswertungen der repräsentativen Betriebsbefragung der SFS Dortmund (2005) durch das WZB .

Tabelle 1: Verbreitung möglicher Verwendungen des Langzeitkontos nach Betriebsgröße (mit Mehrfachnennungen, in Prozenten)

Quelle: Wotschack u . a . 2008

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Durch Überstunden, Ausgleichszeiten, Gleitzeit usw . können Zeitguthaben aufgebaut und entweder tage-, wochen- oder stundenweise wieder abgebaut werden . Ein Grunddilemma der Zeitkonten kann nicht behoben werden: Durch die Logik der Kontoführung wird in aller Regel zunächst Zeit „angehäuft“, um dann die angefüllten Konten wieder abzubauen . Nur selten bauen Beschäftigte Minusstunden auf, weil vermeintliche Nachteile befürchtet werden oder das psychologisch ungute Gefühl entsteht, dem Arbeitgeber etwas zu schulden . Diese Mentalität fördert aber in der Regel Mehrarbeit und kommt einer betrieblichen Überstunden kultur zugute .

1. Zugriffsrechte der Beschäftigten auf ihre Zeitguthaben sichern.

Wenn Beschäftigte in Vorleistung gehen und dem Arbeitgeber ihre Zeit zur Verfügung stellen, müsste es selbstverständlich sein, dass die Beschäftigten größtmögliche Autonomie über ihre Zeitguthaben erhalten . Je größer die Verfügung über das Zeitkonto, desto mehr Zeitsouveränität besitzen die Beschäftigten .

2. Mitbestimmung über die Lage verlängerter Arbeits­zeiten

Bei der Einführung von Zeitkonten besteht immer die Tendenz, dass Zeitregeln gelockert werden oder ganz wegfallen . Damit eröffnen sich mehr betriebliche Spielräume, um Arbeitszeiten zu verlängern .

Hier ist es wichtig, Mitbestimmung und Zugriffsrechte über die Lage von verlängerten Arbeitszeiten zu erhalten .

3. Mindestankündigungsfristen festlegen und regeln. Um die Planbarkeit der Arbeitszeit zu gewährleisten und die betriebliche Verfügbarkeit einzuschränken sollten Mindest-ankündigungsfristen definiert werden . Hat der Arbeitgeber ein Interesse an kurzfristiger Flexibilität kann dies über Boni vergütet werden (z . B . durch Zeitaufschläge bei kurzfristigen Einsätzen) .

4. Höchstarbeitszeiten (Tag, Woche, Quartal) festlegen. Hier werden die Rahmenbedingungen der Arbeitszeit festgelegt . In bestimmten Branchen oder in Schichtbetrieben sind die besonderen Belastungen zu berücksichtigen und die gesetzlichen Arbeitszeit-standards zu erfüllen .

5. Kontobewirtschaftung regeln. Grenzen, Aufbau, Abbau und Ausgleichszeiten von Konten müssen geregelt sein . Die Kontogrenzen sollten festgelegt werden, da ansonsten ein ausufernder Berg von Überstunden droht . Auch der Zeitraum für den Abbau kann geregelt werden und die Möglich-keiten Zeiten zwischen verschiedenen Konten (Gleitzeitkonto, Langzeitkonto) hin und her zu schieben eingeschränkt bzw . verhindert werden . Wenn mehrere Konten geführt werden, ist es wichtig, diese klar voneinander abzugrenzen und ihnen eigene

Quelle: eigene Grafik

12 Regeln für Zeitkonten Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

1. Zugriffsrechte der Beschäftigten auf ihre Zeitguthaben

2. Mitbestimmung über die Lage verlängerter Arbeitszeiten

3. Mindestankündigungsfristen festlegen und regeln

4. Höchstarbeitszeiten (Tag, Woche, Quartal)

5. Kontobewirtschaftung (Grenzen, Aufbau, Abbau, Ausgleichszeiten)

6. Regelungsmodus bei Überschreiten der Höchstgrenzen

7. Regelungen zur Personalaufstockung

8. Mehrarbeit neu definieren

9. Flexibilitätsbonus als Zeitzuschlag

10. Verzinsung von Zeitguthaben

11. Entgeltverstetigung

12. Konfliktregelungsmodus

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Regeln zu geben . Um Konten zu fördern, die stärker für Vereinbar-keitsthemen genutzt werden, ist es hilfreich eigenständige Konten zu führen – also z . B . eine Konto nur für den frühen Ausstieg und ein weiteres Konto, das ausschließlich für Fürsorgetätigkeiten verwendet wird .

6. regelungsmodus bei Überschreiten der Höchstgrenzen bestimmen.

Wenn die Konten überzulaufen drohen, müssen Sanktions-maßnahmen greifen, damit ein Missbrauch der Konten verhindert wird . In der Praxis haben sich so genannte Ampelregelungen bewährt . Hier werden grüne, gelbe und rote Zeitzonen definiert und Maßnahmen beschrieben, die umgesetzt werden, wenn diese Zonen erreicht werden . Zum Beispiel könnte bei Erreichen der gelben Ampelphase ein Gespräch mit der/dem Vorgesetzten vorgeschrieben werden . In der Rotphase werden dann Verfahren nachdrücklich durchgesetzt bzw . Verhaltensweisen sanktioniert, um aus dem roten Bereich zu kommen .

7. regelungen zur Personalaufstockung beschließen. Wenn über längere Zeit mit knappen Personaldecken gearbeitet wird, sollten Regelungen greifen, um Neueinstellungen vorzu-nehmen . Sind die Personalreserven zu knapp kalkuliert, werden die Vorteile familienbewusster Arbeitszeitmodelle zunichte gemacht .

8. Mehrarbeit definieren. Bei kurzfristig angeordneten Arbeitszeiten, Sonderschichten oder wenn vereinbarte Kontogrenzen überschritten werden, können diese wie Mehrarbeit behandelt werden . Mit einer entsprechenden Regelung fallen diese dann unter die Mit bestimmungspflicht, sind nach dem Prinzip der Freiwilligkeit möglich und müssen – wie bei Überstunden üblich – zusätzlich vergütet werden .

9. Flexibilitätsbonus als Zeitzuschlag einführen. Auch andere Formen der Vergütung für arbeitnehmerseitiges Entgegen kommen sind möglich .

10. Verzinsung von Zeitguthaben vereinbaren. Werden über einen längeren Zeitraum Zeitkontingente zur Verfügung gestellt, sollten diese auch zusätzlich honoriert werden . Bei Langzeitkonten, die nach dem Flexi II Gesetz angespart werden, sind Verzinsungen der Wertguthaben gesetzlich vorgeschrieben .

11. entgeltverstetigung Mit den Zeitkonten besteht die Tendenz, dass sich Arbeitszeiten immer unregelmäßiger verteilen und nur noch über größere Zeiträume ausgleichen . Auch längere Freizeitblöcke oder mehr monatige Auszeiten wie Familienzeiten und Sabbaticals machen es erforderlich, dass die Entgeltzahlungen dagegen gleichmäßig ausgezahlt werden . Je mehr der Anteil an flexiblen Entgeltbestandteilen wächst, desto stärker müssen die zeitlichen Ungleichverteilungen bei der Berechnung des Entgeltes berück-sichtigt werden .

12. Konfliktregelungsmodus festlegen. In vielen Fällen haben sich Regelungen für Konflikte bewährt . Das kann die Absprache im Team oder die Aufteilung von Verfügungs-schichten betreffen (z . B . kann eine bestimmte Anzahl von Schichten vom Arbeitgeber festgelegt werden und über eine bestimmte Anzahl autonom verfügt werden) oder es wird ein Ausschuss gebildet, der in Arbeitszeitkonflikten zwischen Beschäftigten und Vorgesetzten eingesetzt wird (vgl . Klenner 1998) .

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3.3 Vollzeitnahe TeilzeitDie Reduzierung der Arbeitszeit ist ein weiteres wichtiges Instrument familienbewusster Arbeitszeitgestaltung . Besonders wenn es darum geht Fürsorgearbeit wie Kindererziehung oder Pflegetätigkeiten und Erwerbsarbeit unter einen Hut zu bringen, sind Teilzeitangebote gefragt . Auch Väter haben ein großes Teilzeit-bedürfnis während und nach der Elternzeitphase . Eine befristete Arbeitszeitverkürzung stellt somit eine wichtige Maßnahme dar, mehr Flexibilität im Verlauf der Erwerbsbiographie zu erreichen und die Arbeitszeiten stärker an die „Wechselfälle des Lebens“ anzupassen . Für die Ausgestaltung von Teilzeit ist es dabei wichtig, dass Beschäftigte möglichst viele Mitspracherechte (volle Optiona-lität) besitzen und Teilzeitbeschäftigte nicht diskriminiert werden . Auch ein angepasster Einstieg nach Elternzeit lässt sich über Teilzeit gut realisieren . Teilzeit ist in erster Linie eine individuelle Option, um die Balance zwischen Arbeit und Leben herzustellen .

Eine Schlüsselrolle für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf könnte in diesem Zusammenhang eine „kurze Vollzeit“ zwischen 30 und 35 Stunden pro Woche spielen . Für eine gerechtere Arbeits-teilung der Geschlechter könnte sie als neuer Arbeitszeitstandard fungieren, der Fürsorgepflichten/Familienarbeit der Erwerbstätigen besser anerkennt als der derzeitige Vollzeiterwerbsstandard . Darüber hinaus kommt die „kurze Vollzeit“ den Arbeitszeit-wünschen der meisten Menschen nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance entgegen .

Auch Teilzeit in Schichtsystemen ist längst kein Widerspruch mehr . Das zeigt die mittlerweile große Vielfalt von Teilzeitmodellen auch in Schicht- und Dienstplänen . Hieß es früher, dass in Schicht-modellen alles kollektiv geregelt ist und deshalb kaum Spielraum für individuelle Lösungen vorhanden sei, zeigt sich heute eine erstaunliche Kreativität für maßgeschneiderte Lösungen . In vielen Verkehrsbetrieben wie der üstra (Hannover), BOGESTRA (Bochum, Gelsenkirchen) oder der BVG (Berlin) wird mit zusätzlichen Freischichten Teilzeit angeboten, die von den männlich dominierten Belegschaften angenommen wird . Bei der BOGESTRA z . B . können alle Beschäftigten je nach Alter und/oder Betriebszugehörigkeit zwischen 15 und 26 zusätzliche freie Tage beantragen . Diese müssen mit einer Vorlaufzeit von drei Monaten mit den Personal-verantwortlichen abgestimmt werden, um die Arbeitsorganisation kurzfristig umstellen zu können . Werden darüber hinaus die Schichten auf gesundheitsförderliche Systeme umgestellt, werden zusätzliche Bonustage gewährt .

Eine weitere kluge Teilzeitvariante ist das so genannte „Vollzeit Select“ der BMW AG . Pro Jahr können Beschäftigte im Schicht-betrieb bis zu 20 zusätzliche freie Tage beantragen, ohne dass der Vollzeitstatus und die Ansprüche auf die betriebliche Alters-versorgung verändert werden . Bei entsprechend niedrigerem Entgelt und angepassten Zusatzleistungen (Erfolgsbeteiligung und Weihnachtsgeld) wird der Wunsch nach Arbeitszeitreduzierung einen Monat im Voraus gewährt .

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Ein gutes Beispiel für den Verzicht auf Einbringschichten – das sind zusätzliche Schichten, die geleistet werden müssen, um auf die tarifliche Arbeitszeit zu kommen – ist die Firma Rasselstein . Über 90 Prozent der Beschäftigten arbeitet hier Teilzeit in einem festen Schichtmodell mit 32 Wochenstunden (zwei Tage Früh-, zwei Tage Spät-, zwei Tage Nachtschicht, vier Tage frei) . Teilzeitbeschäftigte haben den Vorteil, dass die viertägigen Freizeitblöcke nicht durch Bringschichten unterbrochen werden . Außerdem wurden durch geschickte Planung die Schichten so gelegt, dass die Schichtzu-lagen optimal ausgeschöpft und die finanziellen Nachteile der Teilzeit begrenzt werden können .

Für den Betrieb ergeben sich durch Teilzeit Vorteile . Neben der hohen Leistungsbereitschaft von Teilzeitbeschäftigten lohnt sich Teilzeit trotz der Herausforderung für die Tätigkeitsbeschreibungen oder für die Schicht- und Dienstplanung . Damit besteht für das Management auch die Chance neue Wege zu gehen und neuen Schwung in die Zeitorganisation zu bringen . Der scheinbare Mehraufwand der Organisation am Anfang wird durch die Vorteile der Flexibilität schnell mehr als wettgemacht . Die Widerstände gegen Neueinführungen entpuppen sich häufig als Traditionsfallen („das haben wir schon immer so gemacht“) oder als Bequem-lichkeit der Planer .

Die größte Herausforderung stellen einheitliche Schichtsysteme dar, mit Schichtgruppengrößen, die sich nur wenig variieren lassen (z . B . Vollkontischicht mit 5 Schichtgruppen und gleichmäßiger Personalbesetzung) . Doch auch hierfür lassen sich Teilzeitlösungen finden (vgl . DGB 2011, Familienbewusste Schichtarbeit): zusätzliche Freischichten geteilte Schichten (Job-Sharing) Sonderschichten Verzicht auf Einbringschichten ausgedünnte Schichten versetzte Arbeitszeiten .

Diskussion um TeilzeitDie Einführung von Teilzeit in Schichtsystemen führt in den Betrieben immer wieder zu ähnlichen Diskussionen . Die Einführung von Teilzeit war in vielen Fällen ein wesentlicher Türöffner für die Bereitschaft zu größerer Flexibilität und individuellen Zeitoptionen . Darüber hinaus hat die Etablierung von Teilzeit dazu beigetragen, die Betriebs- oder Dienststellenkultur zu verändern und auch von der Norm abweichende Zeitvorstellungen zuzulassen . Oft werden diese Veränderungsprozesse mit Betriebsthemen verbunden . Im Krankenhaus Delmenhorst ging es z . B . auch um die Stärkung der Beschäftigteninteressen (ver .di Kampagne „Mein Frei gehört mir“) . In einem Chemiebetrieb wurden mittels eingeschränkter Leiharbeit, die Bedenken ausgeräumt, dass mit der Teilzeit Qualifikationen nicht mehr zur Verfügung stehen . Hier einige wichtige Argumente in der Diskussion um die Einführung von Teilzeit:

Management und ZeitkulturDie Unternehmensleitung musste in vielen Fällen davon überzeugt werden, dass Teilzeit in Schicht Vorteile für den Betrieb bringt . Ausgangspunkt sind fast immer einzelne Teilzeitanfragen von gesundheitlich oder familiär belasteten Kollegen/innen . Vielfach herrscht immer noch das Denken vor, dass Teilzeit auf gesund-heitlich belastete oder ältere Beschäftigte beschränkt ist . Erst langsam setzt sich die Erkenntnis durch, dass Teilzeit ein gutes Argument ist, um junge qualifizierte Schichtarbeiter/innen anzuwerben, Eltern zu unterstützen und Beschäftigte mit Familien-pflichten zu halten bzw . zu gewinnen .

Teilzeit und QualifizierungIn der Teilzeitdiskussion spielt die Frage der Qualifizierung eine wichtige Rolle . Mit jedem Teilzeitplatz muss entsprechendes Know-how ersetzt werden . Wenn eine Umverteilung der Arbeit innerhalb der Gruppe/des Teams nicht möglich ist, müssen entspre-chende Maßnahmen getroffen werden (Qualifizierung, Personal-ersatz), die die Personalabteilung realisieren muss .

Teilzeit und entgeltFür Beschäftigte sind vor allem Gehaltseinbußen ein wesentliches Hindernis für die Teilzeitbeschäftigung . In einem Betrieb der chemi-schen Industrie (Glasindustrie) macht sich jeder Tag Arbeitszeit-reduktion mit ca . 100 Euro netto für Beschäftigte im gewerblichen Bereich bemerkbar und ist bei einem Nettolohn von 2 .400 Euro für viele ein schmerzlicher Verlust . Hier lassen sich durch geschicktes Ausnutzen der Schichtzuschläge die Ausfälle minimieren .

Teilzeit und GesundheitAuch für belastete Schichtarbeitende und Beschäftigte mit langer Schichtpraxis ist die Teilzeit eine gute Möglichkeit weiterhin motiviert zu arbeiten und gleichzeitig Anerkennung zu erhalten, anstatt sich über Krankschreibungen den Belastungsausgleich zu „organisieren“ . Für die Beschäftigten ist es ein besseres Gefühl, wenn ein größerer Freizeitblock zur Verfügung steht und das Leben selbstbestimmt organisiert werden kann . Teilzeit ist aber auch eine Alternative für Schichtbeschäftigte, die aufgrund ihrer gesundheit-lichen Situation nicht mehr nachts arbeiten können . Auch wenn eine Umstellung auf die Tagschicht aus organisatorischen Gründen abgelehnt wird, hilft die Reduzierung der Arbeitszeit insgesamt .

Teilzeit und ArbeitsintensivierungIn vielen Arbeitsbereichen sind Arbeitszeitreduzierungen mit einer Intensivierung der Arbeitszeit verbunden . Gerade dort wo der Arbeitsablauf nicht auf vertaktete Arbeitsabfolgen angewiesen ist (wie in vielen Schichtsystemen) besteht die Gefahr, dass kein neues Personal eingestellt wird oder keine Veränderung des Aufgaben-zuschnitts vorgenommen wird . Meist müssen die Kollegen/innen dann die gleiche Arbeit in weniger Zeit und für weniger Geld erledigen . Um die Attraktivität von Teilzeitmodellen zu erhöhen, ist es deshalb unerlässlich das Thema der Personalressourcen zu klären .

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3.4 Individuelle ZeitoptionenWeiter kann es sehr hilfreich sein, den Wechsel zwischen verschie-denen Schichtmodellen mit unterschiedlichen Schichtrhythmen anzubieten . Selbst die Auswahl zwischen nur zwei Schicht-modellen kann eine große Erleichterung bedeuten und helfen, die Zeit interessen von verschiedenen Beschäftigtengruppen zu realisieren . Im Einzelhandel werden für Vollzeitbeschäftigte häufig zwei Grundmodelle angeboten – eine 5-Tage-Woche mit normalen täglichen Arbeitszeiten und eine 4-Tage-Woche mit langen täglichen Arbeitszeiten und längeren Freizeitblöcken . Für beide Modelle lassen sich Vor- und Nachteile anführen, so dass die Entscheidung von den Beschäftigten entsprechend ihren eigenen Bedürfnissen getroffen werden soll .

Unabhängig von einzelnen Arbeitszeitmodellen lassen sich überall individuelle Zeitoptionen und Regelungen in bestehende Arbeits-

zeitsysteme und Schichtmodelle integrieren . Inwieweit diese Möglichkeiten über Verträge wie Betriebsvereinbarungen oder Betriebsabsprachen festgeschrieben werden sollen, muss in der Praxis entschieden werden . In funktionierenden Teams sind infor-melle Absprachen in der Regel völlig ausreichend . Kommt es aller-dings zu Ungleichbehandlungen in den verschiedenen Teams/Abtei-lungen und/oder entscheiden Vorgesetzte nach unterschiedlichen Kriterien, dann haben sich festgelegte Vereinbarungen bewährt, auf die sich die Beschäftigten berufen können . Auch um normale Personalschwankungen aufgrund von Urlaub und Erkrankung abzudecken, sind individuelle Zeitlösungen nichts Unbekanntes und dürften den Personalplanern keine großen Schwierigkeiten bereiten .

Eine Möglichkeit, die individuelle Flexibilität zu erhöhen sind teamübergreifende Vertretungen, Springer und/oder die Option in ein anderes Arbeitszeitmodell zu wechseln . In Absprache mit den Kollegen/innen und Vorgesetzen sind solche Wechsel fast

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immer ohne Schwierigkeiten zu realisieren . Bereichs- oder abtei-lungsübergreifend können solche Vertretungen allerdings an den unterschiedlichen Anforderungen scheitern . Einige Betriebe versuchen daher über zusätzliche Qualifizierungsmaßnahmen die personelle Flexibilität zu erhöhen . Im Daimler-LKW-Werk in Wörth können sich zwei Beschäftigte einen Platz in der Schicht teilen, um ihre Arbeitszeit zu halbieren . In der Vergangenheit war die Suche nach der/dem geeigneten Teilzeit-Partner/in kompliziert, weil nicht genügend gleich ausgebildete Beschäftigte zur Verfügung standen . Jetzt können zwei Teilzeitkandidaten/innen über eine Qualifizie-rungsmaßnahme die Fähigkeiten der/des jeweils anderen erwerben und sich den Arbeitsplatz teilen (Job-Sharing) . Auch bei Boehringer in Ingelheim und Biberach wurde ein Qualifizierungsprojekt für alle Beschäftigten gestartet, um abteilungsübergreifende Einsätze zu ermöglichen und die personelle Flexibilität zu erhöhen .

In Schichtsystemen werden vielfach Springer eingesetzt, um die Flexibilität aufrecht zu erhalten . Bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) ist der Einsatz von Springern im Bereich der Straßenbahn so geregelt, dass die Springer selbst in einem festen, vorher sehbaren Dienstplan arbeiten und flexibel auf die Abteilungen verteilt werden . Das setzt allerdings ein relativ großes Spektrum an Fähig-keiten voraus .

Viele Teilzeit-Maßnahmen wie zusätzliche Freischichten, Sonder-schichten, ausgedünnte Schichten oder versetzte Arbeitszeiten lassen sich natürlich auch ohne Arbeitszeitreduzierungen realisieren und vergrößern die Optionen in der Arbeitsorganisation . Darüber hinaus sind gerade für Beschäftigte mit Fürsorgeaufgaben spezielle Schichtlagen besonders interessant . Zum Beispiel nur Früh- oder nur Spätschichten . Pflegende Beschäftigte bevorzugen vor allem die klassischen Normalarbeitszeiten, da viele Pflegedienste, Arzt- oder Behördentermine daran ausgerichtet sind .

Bei der Fraport AG, der Gesellschaft des Flughafens Frankfurt, die mit 8 .000 Schichtbeschäftigten den größten Flughafen Deutsch-lands betreibt, wird mit verschiedenen Maßnahmen versucht, einen individuellen Schichtdienst zu organisieren . Neben vielen Teilzeit-varianten und Einzeldienstplänen ist eine Tauschbörse für Schichten eingerichtet, die zukünftig auch elektronisch vom PC aus bedient werden kann . Darüber hinaus stellt der Arbeitgeber zwei „Joker-Tage“ pro Jahr zur Verfügung, an denen kurzfristige Freistellungen möglich sind . In bestimmten Abteilungen gibt es die Möglichkeit zur sogenannten „Wunschdienstplanung“: Beschäftigte planen in kleinen Gruppen gemeinsam ihre Wunschdienste für einen Zeitraum von sechs Wochen . Die Planer korrigieren gegebenenfalls in Absprache mit den Gruppenmitgliedern, wobei eine 85 bis 90ige Wunscherfüllung erreicht wird . Allerdings stoßen die Wunsch-dienste noch schnell an technische Grenzen, so dass die „Wunsch-dienstplanung“ auf wenige Abteilungen beschränkt bleibt . Auch im regulären Schichtdienst werden verschiedene Wunsch-Arbeits-zeitlagen berücksichtigt und zwischen Dauerwünschen (bestimmte Dienstplanmuster) und kurzfristigen Arbeitszeitwünschen unter-schieden . In anderen Abteilungen kommen ebenfalls autonome

Gestaltungskriterien zum Zuge . So werden u . a . unattraktive Schichten in Eigenregie verteilt . Um die Nachteile gleichmäßig zu verteilen und gleichzeitig individuelle Bedürfnisse zu berücksich-tigen, werden Gerechtigkeitskriterien zugrunde gelegt .

Eine autonome Arbeitszeitgestaltung kann auch betriebsweit eingeführt werden . Während im Frankfurter Flughafen einzelne Abteilungen ihre Schichten im Team festlegen, werden z . B . bei der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) alle Schichten in kollegialer Absprache festgelegt . Die Schichtgruppensprecher/innen sind hier für die Festlegung verantwortlich . Sie organisieren den Abstimmungsprozess im Team und sorgen dafür, dass es zu keinen Ungerechtigkeiten bei der Arbeitszeitfestlegung kommt .

Je größer der betriebliche Flexibilitätsspielraum, desto individueller können auch die Zeitarrangements vereinbart werden . So kann z . B . festgelegt werden, nur an bestimmten Tagen zu arbeiten oder in speziell festgelegten Zeiträumen (von 10:30 bis 18:45), in spezi-ellen Wechselverhältnissen (z . B . eine Woche vier Tage, eine Woche sechs Tage usw .) oder mit speziellen Schichtlängen (z . B . könnte die Nachtschicht kürzer als die Frühschicht sein) . Ebenso können bestimmte feste Auszeiten (z . B . mittags zwischen 12:00 und 14:00) vereinbart werden, um Pflegeaufgaben oder Kinderbetreuung zu organisieren .

Im Familienleben kommt es aufgrund von Erkrankung eines Kindes oder einer plötzlichen Verschlimmerung des Pflegefalls immer wieder vor, dass auch spontan reagiert werden muss . In vielen Fällen können solche Notfälle individuell über Team- oder Abtei-lungsabsprachen abgefangen werden . So werden z . B . bei BASF in Ludwigshafen solche Probleme im Team geregelt . In diesen besonderen Fällen sind die Springer besonders hilfreich bzw . die team- oder abteilungsübergreifende Vertretung . Auch im öffent-lichen Dienst sind solche Notfalllösungen mittlerweile kaum noch ein Thema . Bei der Polizei in Bremen werden für geplante Großein-sätze (Kirchentag, Castor-Transport) besondere Kinderbetreuungs-möglichkeiten angeboten, wenn die Kollegen/innen mehrere Tage im Sondereinsatz sind .

Familienbewusste Rahmenbedingungen wie das Vorhandensein einer Betriebskita mit Randöffnungszeiten, eines Eltern-Kind-Zimmers oder die Möglichkeit im Notfall auf externe Dienstleister zurückzugreifen, erleichtern die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ungemein . In einigen Betrieben und Verwaltungen werden kurzfristige Einsätze mit einem Bonus vergütet (z . B . wird die Arbeitszeit mit dem Faktor 1 .2 abgerechnet) . Damit wird ein Anreiz für betriebsbedingte Flexibilität gegeben und kurzfristige Flexibilität kann in beide Richtungen wirken .

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3.5 Umwandlung von Geld in ZeitEine weitere Möglichkeit die zeitlichen Spielräume zu vergrößern, besteht darin, Entgeltbestandteile in Zeit zu verwandeln und damit die Kontenstände zu vergrößern oder Ansparzeiten zu verkürzen . Darüber hinaus bieten die meisten Langzeitkonten den Vorteil einer dynamischen Anpassung im Lebensverlauf, d . h . steigende Gehälter wirken sich auch rückwirkend positiv auf die Zeitkonten bzw . die Wertguthaben aus .

Viele Tarifverträge haben mittlerweile eine große Bandbreite von Möglichkeiten zur Umwandlung von Geld in Zeit vorgesehen . Beispielhaft hierfür sind die Rahmenbedingungen der Tarifverträge aus dem Organisationsbereicht von ver .di . Neben den Zeitanteilen, die aus Überstunden oder Abweichungen von den vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten resultieren, können unterschiedliche Geldbestanteile zusätzlich angespart werden: bestimmter Anteil des Entgelts flexible Entgeltanteile wie Überstundenzuschläge, Schicht-

zulagen usw . Prämien und Zulagen (z . B . Weihnachtsgeld) Sonderzahlungen Arbeitgeberanteile Vermögenswirksame Leistungen .

Quelle: ver .di 2009

Beispiel für eine Familienzeit Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Beispiel: Halbjährige Auszeit trotz niedrigen einkommensKollege Müller ist 33 Jahre und möchte trotz seiner 1 .800 brutto (38 Std ./Woche) eine halbjährliche Familienzeit nehmen, weil die Familie gerade Zwillinge bekommen hat und er auch nach seiner sechsmonatigen Elternzeit mehr Zeit mit seinen Kindern verbringen möchte . Außerdem möchte er seine Frau in dieser Zeit unterstützen, die eine halbjährige Zusatz-ausbildung plant . Dazu spart er über einen Zeitraum von knapp zwei Jahren die wöchentliche Mehrarbeit von durch-schnittlich 1,5 Stunden (plus den Mehrarbeitszuschlägen) sowie 80 Euro seines Entgelts (das entspricht 4,44% des Entgelts) . Darüber hinaus werden seine vermögenswirksamen Leistungen und eine leistungsabhängige Zusatzgratifikation von 800 Euro auf das Zeitkonto transferiert . Über einen externen Finanzdienstleister wird ein Prozent erwirtschaf-teten Rendite an das Dienstleistungsunternehmen abgeführt, der restliche Gewinn fließt direkt an Herrn Müller (bei 4 % Gewinn: 3 %) . Nach knapp zwei Jahren kann Herr Müller – auch durch Zusammenlegung seines gesamten Jahresurlaubs – eine sechsmonatige Auszeit vom Beruf zu nehmen, um Zeit für die Familie zu haben . Quelle: ver .di 2009

Ansparl

eistun

g im Ze

itwert

konto

Abbau des Guthabens

Beginn Ende 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Ansparphase Verbrauchsphase

nach max. 12 MonatenWiedereinstieg

plus Jahresurlaub

+

Ansparleistung im Zeitwertkonto

VWL

Prämien

Urlaubs­/ Weihnachtsgeld

Sonderzahlungen

Arbeitszeitanteile (zweckgebunden)

Überstunden/Zulagen/ sonstige Zuschläge

(entfernungs­)Pauschalen

engeltbestandteil

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Quelle: ver .di 2009

Beispiel für Weiterbildungszeiten Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Beispiel WeiterbildungszeitDie Firma Knopp beabsichtigt ihr Tätigkeitsfeld auszudehnen und möchte dazu ihre Beschäftigten qualifizieren . Kollegin Wagner nimmt das Angebot gerne an und beginnt am 1 . Januar eine achtmonatige Ausbildung in einer Berufs-akademie . Während der Ausbildung zahlt der Arbeitgeber weiter die 2 .700 brutto (37,5 Std ./Woche) und unterstützt die Ausbildung durch einen zinsfreien „Kredit“ . Zusätzlich zahlt er auf jeden Euro Gehaltsverzicht weitere 50 Cent dazu . Frau Wagner macht hiervon Gebrauch und verzichtet

Beginn Ende der Qualifizierung

engeltbestandteil

Überstunden/Zulagen/ sonstige Zuschläge (entfernungs­)Pauschalen

Arbeitszeitanteile (zweckgebunden)

Urlaubs­/Weihnachtsgeld Sonderzahlungen

AG­Anteile als Zuschuss zum Konto

Prämien

VWL

Ausgleich durch Beschäftigte bzw. rückzahlung

Kostenausgleichmax. 12 Monate

Zeitwertkonto

Qualifizierungsphase nachträglich Zuführung

u.U. Kreditgewährung durch Arbeitgeber (Vorfinanzierung)

auf 10 Prozent des Einkommens (bzw . real 5 %) . Nach der erfolgreich absolvierten Ausbildung erhält Frau Wagner die neue Stelle im Betrieb und benötigt ca . eineinhalb Jahre um ihre Zeitschulden zurückzuzahlen . Um die Zeit zu verkürzen werden anfallende Mehrarbeit (durchschnittlich 2 Stunden pro Woche plus Zuschläge) und eine Sondergratifikation von 2 .000 Euro in das Konto eingezahlt . Darüber hinaus profitiert Frau Wagner von einer zwei prozentigen Lohnsteigerung und dem höheren Gehalt ihrer neuen Arbeitstätigkeit . Quelle: ver .di 2009

Auch ohne vorherige Ansparphase können Beschäftigte Zeiten für individuelle Zwecke nutzen . Ähnlich wie beim Familienpflegezeit-gesetz können die Zeitkonten als Negativkonto verwendet werden, dass zeigt das Beispiel der Weiterbildungszeiten .

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3.6 Gestaltung von familienbe­wussten rahmen bedingungen

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie betrifft keinesfalls nur Familien mit kleinen Kindern . Alle Beschäftigten haben einen Anspruch auf eine gute Balance von Erwerbsarbeit und Privatleben; unabhängig vom Geschlecht, Familienstand, Qualifikation und Arbeitsverhältnis bzw . -form . Außerdem müssen die unterschied-lichen Lebensbereiche in allen Lebensphasen einen angemessenen Platz finden . Vereinbarkeit in der Mitte des Lebens muss anderen Anforderungen genügen als beim Berufseinstieg oder kurz vor der Rente . Familienfreundlichkeit lässt sich als Kriterium der Arbeitszeit-gestaltung (soziale Kriterien) und über die Rahmenbedingungen in Betrieben und Verwaltungen realisieren . Mit Verbesserungen in der Arbeitsorganisation, Angeboten zur Kinderbetreuung und der Unterstützung von Eltern sowie pflegenden Beschäftigten lassen sich oft mit wenig Aufwand gute Resultate erzielen . Eine höhere Wertschätzung der Beschäftigten durch familienbewusste Maßnahmen und ein familienfreundliches Betriebsklima steigern zudem die Motivation der Beschäftigten . Dazu ist es erforderlich, die besonderen Lebenslagen der Beschäftigten zu kennen, um ihre Familienbedürfnisse in der Arbeitszeitgestaltung zu berücksichtigen .

ArbeitsorganisationEinen wichtigen Beitrag zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann die Gestaltung familienfreundlicher Arbeitsplätze leisten . Durch Teamarbeit und mehr Selbstorganisation kann flexibel auf den Fürsorgebedarf reagiert werden . Die Arbeits-organisation bietet eine Reihe von Möglichkeiten, ohne großen personellen und finanziellen Aufwand familienfreundliche Lösungen einzurichten . Die Firma Merz Pharma in Frankfurt z . B . hat für alle Beschäftigten in der Produktion eine private Telefon-, Internet- und Email-Nutzung bereitgestellt, um Beschäftigten mit Fürsorgeaufgaben die Kommunikation mit Zuhause und Ämtern/Einrichtungen zu erleichtern . Eltern-Kind-Zimmer, in denen Beschäftigte arbeiten und gleichzeitig ihre Kinder beauf-

sichtigen bieten eine Notlösung, wenn die Kinderbetreuung mal nicht funktioniert . So genannte Kontakthalteprogramme sind Maßnahmen, um während einer Elternzeit/Freistellung die Verbindung zum Betrieb oder zur Dienststelle nicht abreißen zu lassen . Das können begrenzte Teilzeittätigkeiten oder Urlaubs-vertretungen sein oder auch der Intranetzugang von zu Hause . In jedem Fall geht es darum, die freigestellten Beschäftigten über aktuelle Entwicklungen im Betrieb zu informieren und mögliche Qualifizierungsbedarfe zu realisieren . Ein wesentlicher Effekt ist zum einen die Wertschätzung, die Beschäftigte von ihrem Arbeit-geber erfahren, auch wenn sie nicht im Betrieb sind . Zum anderen bleibt das Wissen der Beschäftigten dem Betrieb erhalten und muss nicht wieder neu aufgebaut werden .

KinderbetreuungDie Organisation der Kinderbetreuung stellt für junge Familien ein zentrales Problem dar, das durch betriebliche Unterstützung abgebaut werden kann . Neben der großen Lösung „Betriebskita“ gibt es eine Reihe niederschwelliger Angebote . Denkbar sind Kooperationen mit wohn- oder dienstortnahen Kindertagesstätten durch die Sicherung von Belegrechten, um die Betreuungssituation während der Arbeitszeit zu verbessern . Auch die Unterstützung von Elterninitiativen oder die Zusammenarbeit mit Tagesmüttern sind sinnvolle Lösungen . Durch die Zusammenarbeit mit den unterschiedlichen Betrieben und Behörden vor Ort kann auch die gemeinsame Einrichtung einer überbetrieblichen Kita geprüft werden . Dadurch ist es möglich, die Betreuung der Kinder aller zu sichern . Beispielsweise wurde in München eine kooperative Behörden kita eingerichtet für Kinder von Beschäftigten der Landeshauptstadt München und des Freistaats Bayern . Insgesamt stehen fast 70 Plätze zur Verfügung, auf denen Kinder von der 9 . Lebenswoche bis zum Übertritt in die Schule betreut werden . Die Abbildung [auf der nächsten Seite] stellt eine Übersicht der betrieb-lichen Unterstützungsmöglichkeiten für Eltern dar und zeigt, wie wenig verbreitet diese Leistungen bisher sind .

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Beispiele für „schichtfreundliche“ Kinderbetreuung sind eine Kita der Charité in Berlin, die auch die problematischen Randzeiten abdeckt, in denen die Schichtwechsel stattfinden oder eine Kooperation von Arcelor Mittal Eisenhüttenstadt mit einem städtischen 24-Stunden-Kinderhotel . Kinderbetreuung beschränkt sich aber nicht auf die ersten Lebensjahre, sondern zieht sich durch alle Entwicklungsphasen eines Kindes . Bei der Telekom wird eine Hausaufgabenbetreuung für Schulkinder angeboten . Wünschenswert wären deshalb Programme für alle Lebensphasen . Angebote zur Ferienbetreuung und Entwicklung von Kinder-notfall betreuung (auch für Schulkinder) oder Eltern-Kind-Zimmer sind weitere denkbare Handlungsoptionen . So wurde z . B . beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) in Kooperation mit dem Betriebsrat eine Ferienbetreuung aufgestellt, die von ehemaligen Beschäftigten des Senders organisiert und betreut wird . Der große Enthusiasmus der Ruheständler/innen kommt bei den Kindern und Jugendlichen so gut an, dass die Ferienbetreuung immer ausge-bucht ist . Außerdem ist der Austausch von Eltern und Ehemaligen für beide Seiten bereichernd .

elternzeit und elterngeldElternzeit kann der Arbeitgeber weder ablehnen noch vertraglich ausschließen . In der Elternzeit gelten Teilzeitanspruch und Kündigungs schutz und es darf keine volle Erwerbstätigkeit ausgeübt werden . Zulässig ist aber eine Teilzeitbeschäftigung bis zu 30 Stunden wöchentlich . Grundsätzlich haben Beschäftigte nach Beendigung der Elternzeit einen Anspruch auf eine dem Arbeits-vertrag entsprechende, gleichwertige Tätigkeit . Eine grundsätzliche Garantie auf den alten Arbeitsplatz zurückzukehren, gibt es aber nicht . Im Wesentlichen müssen Entgelt, Arbeitszeit und Arbeitsort der Tätigkeit entsprechen, die vor Beginn der Elternzeit ausgeübt wurde . Alle davon abweichenden Wünsche seitens des Arbeit-gebers oder seitens der Beschäftigten können nur im gegenseitigen Ein vernehmen geregelt werden . Elterngeld wird für 14 Monate gewährt und kann unter den Partnern frei aufgeteilt werden, wobei ein Partner die Leistung nicht länger als 12 Monate beziehen kann . Anspruch auf Elternzeit haben Mütter und Väter, die in einem Arbeitsverhältnis stehen, also auch bei befristeten Arbeitsverträgen und bei Teilzeit . Alleinerziehende haben Anspruch auf die vollen 14 Monate Elterngeld .

Mit dem Elterngeld ist das betreuende Elternteil sozial besser abgesichert und weniger von Transferleistungen oder Partner-einkommen abhängig . Gerade auch Väter sollen ermutigt werden, Elterngeld zu beanspruchen . Ziel dieser Regelung ist es, für eine partnerschaftliche Aufteilung der Familienarbeit zu sorgen . Und die Zahlen zeigen den Erfolg . So steigt die Anzahl der Väter in Deutschland, die Elternzeit nehmen und Elterngeld beziehen seit der Einführung des Elterngeldes 2007 ununterbrochen an . Bundesweit beziehen 2012 ein Viertel der Väter in Deutschland Elterngeld (vgl . DIW 2012) . Doch bei der betrieblichen Umsetzung kommen auf die Betriebs- und Personalräte neue Beratungs- und Informationsaufgaben zu .

Quelle: WSI-Befragung, 2005

Betriebliche Sozialleistungen für Erziehende

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

„gibt es bei uns“1)

„auch für mich wichtig“2)

Sonderurlaub bei Krankheit des Kindes

Möglichkeiten der Notfallbetreuung

Geldleistungen wie Kinder zulage, Einmal-zahlungen zur Geburt

Vermittlung von Betreu-ungsplätzen oder Hilfe bei der Organisation

Freizeitangebote für Kinder der Beschäftigten

Hilfe bei der Vermittlung hauswirtschaftlicher

Dienstleistungen

Stillraum

Kinderspielzimmer im Betrieb

53% 91%

21% 83%

79%33%

65%

49%

49%

37%

36%

7%

8%

5%

5%

6%

1) Prozent der Beschäftigten mit diesen betrieblichen Leistungen,

2) Beschäftigte, in deren Betrieb es diese Angebote nicht gibt

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Wiedereinstieg in den BerufUm den Kontakt zum Betrieb/zur Dienststelle auch während der Elternzeit oder einer Freistellung aufgrund von Pflegetätigkeiten nicht abreißen zu lassen, bieten sich verschiedene Instrumente an, die mit relativ wenig Aufwand eingeführt werden können . Schon vor der Elternzeit sollte ein Personalgespräch mit den Beschäftigten stattfinden, in dem die beruflichen Perspektiven geklärt werden . Eine gute Möglichkeit, in der Elternzeit die Verbindung zum Betrieb/zur Dienststelle aufrecht zu halten, ist die regelmäßige Information über Aktuelles aus dem Betrieb . Einladungen zu Betriebsveran-staltungen, Festen oder Betriebsversammlungen tragen dazu bei, die Eltern auf dem Laufenden zu halten . Möglich ist auch die Benennung einer Elternzeitpatin/eines Paten, die oder der für einzelne Elternzeitler/innen verantwortlich ist und sie mit den neuesten Informationen versorgt .

Schließlich kann der Wiedereinstieg in den Betrieb unterschiedlich gestaltet werden . Schon während der Elternzeit ist ein schonender Einstieg über Teilzeitbeschäftigung oder die Übernahme einer Urlaubsvertretung möglich . Es hat sich gezeigt, dass durch die Inanspruchnahme von Teilzeit während der Elternzeit, die Dauer des Ausstiegs verringert und der frühere Einstieg in den Beruf erleichtert wird . Auch nach der Elternzeit möchten die Mütter und Väter oft ihre Arbeitszeit reduzieren, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erleichtern .

Neben der Aufrechterhaltung der Kommunikation in der Elternzeit ist der Erhalt der Qualifikation ein wichtiges Thema . Oft ist der Wiedereinstieg bereits nach wenigen Monaten mit Reibungen und Verlusten verbunden . Je länger die Pause ist, desto schwieriger gestaltet sich die Rückkehr . Fortbildungen, die an die Bedürfnisse der Eltern angepasst sind (z . B . mit Kinderbetreuung, Seminare mit kürzeren Einheiten) verhindern den Qualifikationsverlust in der Elternzeit . Besonders hilfreich sind interne Fortbildungen: Sie bieten den Vorteil der kurzen Anreise und verbinden den Besuch der Veranstaltung mit einem Wiedersehen im Betrieb/in der Dienst-stelle . Auch die Organisation der Kinderbetreuung ist hier wenig aufwendig .

Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die verschie-denen Möglichkeiten während der Elternzeit .

Vereinbarkeit von Pflege und BerufDie Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist ein besonders heikles Thema . Gegenüber dem Thema Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Kindererziehung wird dieses gesellschaftlich wie individuell nicht weniger wichtige Thema bisher vernachlässigt . Auch auf betrieblicher Ebene ist das Thema Pflegeverantwortung für ältere und/oder kranke Menschen vielfach noch tabuisiert . Der Umgang mit Pflegebedürftigen bringt weitaus weniger erfreuliche Erlebnisse mit sich als mit Kindern . Pflegende Angehörige müssen oft mit einem fundamentalen Rollenwechsel in der Familie umgehen (z . B . die Eltern, die von den Kindern gewaschen und gewickelt werden) . Sie müssen im Alltag und in der Freizeitgestaltung starke Einschrän-kungen in Kauf nehmen und es droht der Verlust sozialer Kontakte und der Lebensqualität . Die Tabuisierung des Themas und das fehlende Verständnis der Kolleginnen und Kollegen verstärken den Stress und die psychischen Belastungen für die Pflegenden .

Der Umgang mit Krankheit, Alter, Tod und dem Sterben eines nahe stehenden Menschen sind besonders schwierig und belastend . Die Auseinandersetzung mit dem Tod kann Angst erzeugen . Und wer nicht die Möglichkeit hat, sich darüber auszutauschen, bei dem/der können früher oder später körperliche und seelische Folgen entstehen . Wenn pflegende Beschäftigte dann zusätzlich beruflichem Druck ausgeliefert sind, weil die Personaldecke zu dünn ist oder Kürzungen drohen, könnten sie die ersten Opfer von Personaleinsparungen sein . Schon jetzt scheiden 10 % aller Haupt-pflegepersonen aus der Erwerbsarbeit aus und 11 % reduzieren ihre Arbeitszeit, wenn sie den Hauptteil der häuslichen Pflege übernehmen (vgl . Schneekloth 2006) .

Um die Tabuisierung dieses Themas aufzubrechen und Beschäftigte aus ihrer Sprachlosigkeit zu holen, sind einerseits Maßnahmen der Sensibilisierung wichtig und andererseits konkrete Angebote für Beschäftigte mit Pflegeaufgaben, wie zum Beispiel individuelle Arbeitszeitregelungen, ein/e Ansprechpartner/in im Betrieb sowie eine Infobox („Notfallkoffer“) mit Informationen zu staatlichen Leistungen, externen Dienstleistungen und Institutionen, an die sich Betroffene wenden können . Auch die Reform des Pflegegesetzes (2008) mit der Möglichkeit einer unbezahlten Freistellung oder das Familienpflegezeitgesetz (2012) bieten sich an, um das Thema auf die Agenda zu bringen und betrieblich zu gestalten .

Verlängerung der elternzeit

Verbindung zum Betrieb halten

Aktivitäten während der elternzeit

Vorbereitung Wiedereinstieg

Betriebliche Elternpause* Kontakt während der Elternzeit Weiterbildung Rückkehrgespräche

Elternzeit-Patenschaften Tätigkeiten während der Elternzeit Trainee-Programm**

* bei der betrieblichen Elternpause kann die bezahlte Freistellung über die gesetzliche Elternzeit verlängert werden;** das Trainee-Programm ist eine interne Qualifikation nach dem Wiedereinstieg und informiert v . a . über Veränderungen in der Dienststelle

Überblick Kontakthalteprogramme während der elternzeit

Quelle: Eigene Grafik

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Weil die Pflegesituationen sehr individuell sind und Pflegeverläufe häufig nicht vorhersehbar sind, helfen insbesondere kurzfristige Freistellungen und individuelle Arbeitszeitoptionen . In vielen Betrieben und Verwaltungen können pflegende Beschäftigte in Absprache mit dem Team und den Vorgesetzten auch kurzfristig ihre Arbeitszeiten ändern oder zwischendurch kurzfristig nach Hause fahren . Bei den Landesforsten Rheinland-Pfalz zum Beispiel besteht für alle Beschäftigten, die neu in eine Pflegesituation kommen, die Möglichkeit ein monatliches Freizeitkontingent zu nutzen, über das die Beschäftigten frei verfügen können, stunden-, tage, wochenweise oder am Stück (ausführlicher: DGB 2012, Pflegesensible Arbeitszeitgestaltung) .

3.7 Lebenslauforientierte Personalplanung

In Unternehmen und Verwaltungen gewinnen Überlegungen zu einer lebenslaufsorientierten Personalplanung immer mehr an Bedeutung . Gerade vor dem Hintergrund der demografischen

Entwicklung in Deutschland sind Maßnahmen zum Erhalt und zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit (Employability) im Lebens-verlauf wichtige Argumente im Wettbewerb um Fachkräfte . Eine Personalpolitik, die sich an Lebensphasen orientiert, nimmt die individuelle Berufs- und Lebensplanung der Beschäftigten stärker in den Blick und versucht, unterschiedliche Lebensphasen und Erwerbsbiografien bei der Ausrichtung und Gestaltung der personal politischen Handlungsfelder zu berücksichtigen . Dabei werden häufig verschiedene Handlungsfelder wie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und das Gesundheitsmanagement mitein-ander kombiniert, um die Kompetenzentwicklung und Eigenverant-wortung der Beschäftigten in den unterschiedlichen Lebensphasen zu stärken . Ziel ist es, die Beschäftigungsfähigkeit durch präventive Maßnahmen wie Gesundheitsmanagement und individuelle Spielräume bei der Zeitgestaltung und Work-Life-Balance zu erweitern . Die Implementierung einer an Lebensphasen orientierten Personalpolitik sollte systematisch und ganzheitlich geplant und durchgeführt werden und in die Strukturen und Prozesse des Unter-nehmens bzw . der Verwaltung integriert werden .

Quelle: Bundesministerium des Inneren (2012)

Herausforderungen einer lebenslauforientierten Personalplanung Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Fach­ und Nachwuchskräftemangel

Wissens­ und erfahrungsverlust durch Altersabgänge

steigende Aufgaben­ komplexität / ­verdichtung

generationsübergreifendeZusammenarbeit zunehmender Betreuungsbedarf

von pflegebedürftigen Angehörigen

zunehmende europäisierung

Personalabbau

lebenslanges Lernen

steigende Anforderungen an Innovationsfähigkeit

und Flexibilität

Haushaltskonsolidierung

flexible Arbeitszeiten und ­formen fortschreitende technologische entwicklung

Wertewandel und geänderte erwartungen z. B. „Work­Life­

Balance“, partnerschaftliche Familie

längere Lebensarbeitszeiten

alternde Belegschaften

Integration vielfältiger Beschäftigtengruppen (z. B. Beschäftigte mit

Migrationshintergrund)

Herausforderungen an das Personalmanagment

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Die Deka Bank entwickelte in Zusammenarbeit mit dem deutschen Institut für Wirtschaft ein Konzept demografieorientierter Personal-politik, das die verschiedenen Einzelmaßnahmen zusammen bringt . Das Ergebnis ist ein lebenszyklusorientiertes Personal-management bei dem sieben verschiedene Handlungsfelder auf sechs verschiedene Berufsphasen bezogen werden (vor dem Berufeinstieg, Berufeinstieg, Wachstumsphase, Reife, Sättigung und Ausstiegsphase) . Insgesamt wurden 59 Einzelmaßnahmen den Feldern zugeordnet und mit Kennziffern belegt, um eine zielgenaue Steuerung zu ermöglichen .

Handlungsfelder sind: Rekrutierung und Retention-Management: Wachsende

Gestaltungs anforderungen des Managements durch den biografischen Wandel erfordern passgenaue Personallösungen .

Arbeitsbedingungen: Flexibilität in der Arbeitsgestaltung und größere Zeitsouveränität kommen den individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten entgegen und stärken deren Motivation .

Wissenstransfers zwischen älteren und jüngeren Beschäf-tigten: Durch das Ausscheiden älterer Beschäftigter geht dem Unternehmen betriebliches „Know-how“ verloren, dass durch Wissensmanagement jüngeren Beschäftigten zugute kommt .

Qualifizierung: Lebenslanges Lernen durch Weiterbildung am und außerhalb des Arbeitsplatzes wird durch regelmäßige Bildungsbedarfsanalysen erfasst .

Work-Life-Balance: Unterstützung verschiedener familien-bewusster Maßnahmen fördert Mitarbeiterbindung und hat positive betriebswirtschaftliche Effekte .

Betriebliches Gesundheitsmanagement: Erhalt und Verbes-serung der Gesundheit der Beschäftigten über den gesamten Erwerbsverlauf .

Modelle zum Übergang in den Ruhestand: Langzeitkonten und Teilzeitmodelle in Verbindung mit Patensystemen sichern einen flexiblen Übergang in die Rente ohne finanzielle Einbußen .

Quelle: Büdel 2007

Lebensphasen und Handlungsfelder Tableau der DeKa Bank Vereinbarkeit

von Familie und Beruf gestalten

Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

Handlungsfelder

Phasen

Phase vor beruflichem

eintritt

Phase der beruflichen einführung

Phase des Wachstums Phase der reife

Phase der Sättigung

Phase des Austritts aus

dem Berufsleben

rekrutierung und rentention­Management

Arbeitsbedingungen

Wissenstransfer

Qulifizierung und Sensibilisierung

Work­Life­Balance

Gesundheitsförderung

Attraktive Modelle zum Übergang in den ruhestand

Definition von Maßnahmen

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Familienfreundlichkeit als betriebswirtschaftlicher erfolgsfaktorEntscheidend für die Gestaltung lebenslauforientierter Arbeitszeiten ist die Unterstützung durch die Betriebs- bzw . Dienstkultur . Hier sind vor allem die Arbeitgeber und Führungskräfte, Meister und Schichtgruppenleiter gefordert, für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu sorgen . Eine beschäftigten- und familien-orientierte Betriebskultur bringt auch für den Arbeitgeber viele Vorteile . Ein gutes Personalmanagement nimmt die Beschäftigten in ihrer Vielfalt, Verschiedenartigkeit und Ganzheit in den Blick und damit ihre unterschiedlichen Belange, Bedürfnisse und Besonder-heiten . Es ist offensichtlich, dass Beschäftigte mit Fürsorgeverpflich-tungen andere Interessen an Erwerbsarbeit haben als Beschäftigte ohne diese sozialen Aufgaben . Aber auch im Lebensverlauf ändern sich die Anforderungen an die Arbeit: Berufseinstieg, Familien-gründung, Karriere, Berufsetablierung, Pflege und Ausstieg aus dem Erwerbsleben bezeichnen verschiedene Phasen, die eine ganz spezifische Perspektive auf das Verhältnis von Beruf und Familie bzw . Privatleben bedingen .

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4.1 Handlungsempfehlungen für die betriebliche Umsetzung

Lebenslauforientierte Arbeitzeiten umfassen unterschiedliche Instrumente und Rahmenbedingungen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten im Sinne der Beschäftigten, die auf die verschiedenen Lebensphasen im Erwerbsverlauf ausgerichtet sind . Für Betriebe und Verwaltungen, die sich neu mit dem Thema befassen gilt, dass bereits einzelne Maßnahmen wie die Einführung von Teilzeit oder die Verbesserung von Schichtsystemen einen ersten Schritt in Richtung Lebenslauforientierung bedeuten . Auch wenn Instrumente wie z . B . Langzeitkonten relativ voraussetzungsvoll sind, sollen die schwierigen Rahmenbedingungen nicht davon abschrecken, die Arbeitszeiten Stück für Stück familienbewusster zu gestalten .

Gerade beim Thema Arbeitszeiten besitzen Betriebs- und Personal räte sehr gute Mitbestimmungsmöglichkeiten, um die Arbeitsorganisation aktiv umzugestalten . Aber auch in vielen anderen Bereichen wie z . B . im Arbeitsschutzgesetz oder im Schwerbehindertenrecht bestehen gute Ansatzpunkte, um die Durchsetzung familienbewusster Arbeitszeiten zu forcieren . Neben den konkreten Arbeitszeitinstrumenten spielt die Umsetzungsstra-tegie eine wichtige Rolle . Hier müssen die eigenen Möglichkeiten realistisch einschätzt werden, denn manchmal ist die kleinere Lösung, die intensiv genutzt wird, der schnellere und erfolgreichere Weg . Ebenso helfen Kooperationen mit weiteren Akteuren dabei, Verbündete zu finden und die Kräfte zu bündeln .

Passende Lösungen für den BetriebAuf den richtigen Mix an Arbeitszeitmodellen kommt es an . Um lebenslauforientierte Arbeitszeiten einzuführen müssen nicht unbedingt Langzeitkonten eingeführt werden . Arbeitszeitmodelle werden wird vor allem dann mit Leben gefüllt, wenn sie auch zum Unternehmen passen . Es ist daher wichtig, sich Klarheit darüber zu verschaffen, wo im eigenen Unternehmen der größte Handlungs-bedarf besteht und welche Bedarfe die Beschäftigten haben . Eine Betriebsanalyse oder eine Beschäftigtenbefragung kann hierzuverlässliche Informationen liefern .

Neues Arbeitszeitsystem oder einzelne ZeitelementeBei der Umstellung von Arbeitszeitmodellen stellt sich die Frage, wie umfassend die vorhandenen Zeitsysteme verändert werden sollen .

Ein komplett neues Schichtsystem für den ganzen Betrieb oder die Dienststelle einzuführen ist meist ein sehr aufwendiger Prozess, weil viele Faktoren zu berücksichtigen sind und die Umstellungen mit tiefen Einschnitten im Familienleben der Beschäftigten verbunden sein können . Erfahrungen zur Umstellung von traditionellen auf familienbewusste und gesundheitsförderliche Schichtsysteme zeigen fast immer ein großes Widerstandspotenzial, das erst im Laufe der Zeit durch positive Erfahrungen in Zustimmung verwandelt werden kann . Deshalb dauert ein solcher Umstellungsprozess sehr lange – meist ein Jahr – und bedarf einer guten Vorbereitung und schritt-weisen, transparenten Durchführung, in die möglichst viele betrieb-liche Akteure mit eingebunden werden .

Die andere Möglichkeit Veränderungen zu gestalten, besteht darin, Stück für Stück kleinere Neuerungen einzuführen und funktionierende Modelle weiterzuentwickeln . Nach dem Prinzip „auf Bekanntes aufbauen und dieses fortführen und entwickeln“ können immer mehr Elemente hinzugefügt werden . Die Einführung von Teilzeit in Schichten lässt sich beispielsweise durch individuelle Freischichten relativ einfach vornehmen ohne das ganze Schicht-modell umzukrempeln . Für welche Strategie man sich entscheidet, hängt von der Dringlichkeit der Probleme, den betrieblichen Bedin-gungen und den erwarteten Erfolgsaussichten ab .

Kleiner oder großer regelungsumfangEine weitere Frage bei der Arbeitszeitgestaltung betrifft den Regelungsumfang, also wie viel fest geregelt und verbindlich vorher bestimmt werden muss oder offen gelassen werden kann und in der Praxis zwischen Beschäftigten und Vorgesetzen bzw . zwischen den Kollegen/innen informell geklärt werden kann . Festlegungen bedeuten unter Umständen größere Klarheit, wenig Ungerech-tigkeiten und geringeren Planungsaufwand; aber auch größere Schwierigkeiten, wenn unvorhergesehene Umstände eintreffen . Informelle Regelungen haben dagegen den großen Vorteil, dass sie sehr individuelle und spontane Lösungen auch für kurzfristige Probleme bieten können . Größter Nachteil hierbei sind die Abhän-gigkeiten von den beteiligten Personen: Wenn Vorgesetzte oder Kollegen/innen nicht mitspielen oder Antipathien sehr groß sind, dann wird es unter Umständen schwierig die eigenen Zeitinter-essen durchzusetzen . Als generelle Empfehlung gilt: Je mehr der ökonomische Druck im Betrieb auf die Beschäftigten verlagert wird, desto besser fährt man mit verbindlichen Regelungen .

4. Praxistipps

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Personalbemessung im Auge behaltenNicht zu vergessen ist die zentrale Frage der Personalbemessung . Über allen Erwägungen zu lebenslauforientierten Arbeitszeiten stehen die personellen Kapazitäten . Wenn Flexibilisierung ausschließlich zur betrieblichen Rationalisierung eingesetzt wird, verpuffen die familienbewussten Maßnahmen . Ein nach arbeits-wissenschaftlichen Erkenntnissen erstelltes Schichtmodell nützt wenig, wenn ständig für Kollegen/innen eingesprungen werden muss, Freischichten nicht genommen werden oder die Zeitkonten nicht abgebaut werden können . Seriöse Arbeitsplanung kalkuliert immer einen bestimmten Prozentsatz an personellen Reserven ein und vermeidet eine Situation bei der die Personaldecke bis zum Zerreißen angespannt ist . Daimler Wörth z . B . mit 7 .000 Schicht-beschäftigten rechnet mit einer Personalreserve zwischen 22 Prozent und 30 Prozent und Rasselstein (Weißblechproduktion) mit ca . 1 .500 Schichtbeschäftigten hat einen Personalpuffer zwischen 18 und 20 Prozent .

Koalitionen schmieden und Verbündete suchenZusammen ist man erfolgreicher – dies gilt gerade bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf . Unterstützer/innen der Inter-essenvertretungen können sein: Frauen- bzw . Gleichstellungs-beauftragte, Geschäftsführung, Werksleitung, Personalabteilung, Abteilungsleiter/innen sowie die zuständigen Gewerkschafts-sekretär/innen . Aber auch Betriebs- bzw . Personalräte aus anderen Unternehmen, Bürgermeister/in, Frauenbeauftragte der Kommune oder Akteure aus der regionalen Infrastruktur wie den lokalen Bündnissen für Familie oder Pflegestützpunkten . Je nachdem mit welchen Themen die Arbeitszeiten verbunden werden, lassen sich z . B . im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung Schwer-behindertenvertreter/innen, Betriebsarzt/-ärztin, Fachkräfte für Arbeitssicherheit, Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und weitere betriebliche Beauftrage (z . B . Suchtbeauftragte/r, Mobbing- oder Konfliktbeauftragte/r) ins Boot holen . Nicht zuletzt können auf Grundlage des Betriebsverfassungsgesetzes bzw . Bundespersonal-vertretungsgesetzes externe Berater/innen hinzugezogen werden, die der Interessenvertretung wichtige Informationen liefern . Das Beispiel der Merz Pharma GmbH zeigt, wie der Betriebsrat im Rahmen des Frankfurter Bündnisses für Familien zusammen mit zehn weiteren Kooperationspartnern ein „Kompetenztraining Pflege“ auf den Weg gebracht hat . Hier werden in einer kosten-freien Schulungsreihe fünf bis sechs Veranstaltungen für alle Beschäftigten angeboten, um einen umfassenden Einblick in Pflegethemen zu erhalten .

Mit weiteren Themen verbindenLebenslauforientierte Arbeitszeiten und familienbewusste Arbeits-gestaltung sind wichtige strategische Themen, die eine hohe politische Brisanz besitzen, weil sie mit Zukunftsthemen wie der demografischen Entwicklung, Fachkräftemangel und Frauen-erwerbsbeteiligung, Gesundheitspolitik und Work-Life-Balance verbunden sind . Als betriebliches Querschnittsthema mit Bezügen zu den Handlungsfeldern Gesundheitsförderung, Personalent-wicklung, Arbeitsgestaltung, Entgeltpolitik und Gleichstellung

bietet das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf gute strate-gische Möglichkeiten . Es ist für die Interessenvertretung von großem Vorteil, sich in diesem wichtigen Themenfeld zu positio-nieren, das viele Querverbindungen zu weiteren Handlungsfeldern des Betriebes hat . Hier als anerkannter Experte wahrgenommen zu werden, verschafft größere Durchsetzungsmöglichkeiten . Zudem besitzen Vereinbarkeitsthemen viele Schnittmengen mit dem Management . Es ist deshalb ein eher konfliktarmes Terrain und bietet für die Interessenvertretung weitere strategische Möglich-keiten, um die Bedeutung, Gestaltbarkeit und Politikfähigkeit dieser Themen für die eigenen Interessen zu nutzen . In nahezu allen Betrieben und Verwaltungen lassen sich unter den Führungskräften Verbündete finden, die dem Thema positiv zugewandt sind . Diese Chancen sollten genutzt werden, um als Interessenvertretung zu punkten .

Arbeitgeber und Führungskräfte überzeugenAuch wenn Betriebs- oder Personalräte gute Möglichkeiten haben auch gegen starke Widerstände der Führung lebenslauforientierte Arbeitszeiten durchzusetzen, lohnt es sich, die Unternehmens-leitung mit ins Boot zu holen . Der Betrieb ist ein zentraler Akteur in der Vereinbarkeitsgestaltung . Wer sich aktiv mit dem Thema lebens-lauforientierte Arbeitszeiten auseinandersetzt, kann diesen Prozess gestalten, statt nur die Folgen einer mangelnden Vereinbarkeit zu verwalten . Die Erfahrungen zeigen, dass vor allem drei Argumente den Arbeitgeber überzeugen können, mehr Flexibilisierung für die Beschäftigten zu erzielen .

Erstens sprechen handfeste betriebswirtschaftliche Zahlen für die Einführung familienbewusster Maßnahmen . Studien der Universität Münster belegen den positiven Einfluss einer familienbewussten Personalpolitik (vgl . Schneider u . a . 2012) . In repräsentativen Unter-suchungen zeigen sich bei allen wesentlichen Zielen der Personal-politik diese Ergebnisse: Bei Mitarbeiterbindung und -gewinnung, Arbeitszufriedenheit, Motivation der Beschäftigten, Fehlzeiten, Qualifikation („Humankapitalakkumulation“), Kundenbindung, Kostensenkung und Mitarbeiterproduktivität gibt es einen positiven Zusammenhang zur Familienfreundlichkeit . Zusätzlich erreichen Betriebe und Verwaltungen mit hohem Familienbewusstsein ihre betriebswirtschaftlichen Ziele deutlich besser als nicht familien-sensible Unternehmen und Verwaltungen . Somit ist familien-bewusste Personalpolitik ein wichtiger Parameter für wirtschaft-lichen Erfolg (Schneider u . a . 2012) . Umgekehrt können Folgekosten aufgrund einer fehlenden Vereinbarkeit von Familie und Beruf vermieden werden . So belaufen sich die betrieblichen Kosten in Deutschland nur auf mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Pflege auf insgesamt 18,94 Milliarden Euro pro Jahr (das entspricht mehr als 14 .000 Euro pro Beschäftigtem mit Pflegeaufgaben) . Diese sind in erster Linie auf Fehlzeiten, (temporäre) Fluktuation und Reduzierung der Stundenzahl, erhöhten Supervisions-aufwand von Führungskräften sowie Präsentismus zurückzuführen (vgl . FFP 2011) .

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Zweitens erhöhen Arbeitgeber durch familienbewusste Maßnahmen ihre Attraktivität für Beschäftigte und mögliche Bewerber/innen . In Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel sind immer mehr Unternehmen und Verwaltungen gezwungen, ihre Wettbewerbssituation durch beschäftigtenfreundliche Angebote zu verbessern . Auch das Audit „berufundfamilie“ der gemeinnützigen Hertie-Stiftung gGmbH, ist ein sinnvolles Managementinstrument, um die Unternehmenskultur und Arbeitsorganisation familien-bewusster zu gestalten . Hierbei werden Betriebe und Verwaltungen durch einen unabhängigen Auditor auf ihre Familienfreundlichkeit hin durchleuchtet und Maßnahmen zur Verbesserung beraten und festgelegt . Anhand eines bestimmten Verfahrens werden in Koope-ration mit Personalabteilung, Personalrat und Betroffenen indivi-

duelle Lösungskonzepte entwickelt und zu einer Gesamtstrategie zusammengefasst . Reauditierungen tragen dazu bei, den Verbesse-rungsprozess am Laufen zu halten und das begehrte Zertifikat der Stiftung weiterhin nach außen tragen zu dürfen .

Drittens kann mit lebenslauforientierten Arbeitszeiten die Motivation der Beschäftigten erhöht werden und das Betriebsklima verbessert werden . Ein gutes Personalmanagement nimmt die Beschäftigten in ihrer Vielfalt, Verschiedenartigkeit und Ganzheit in den Blick und damit ihre unterschiedlichen Belange, Bedürfnisse und Besonderheiten . Die aktive Beteiligung der Leitung und die Unterstützung durch die Führungsebene ist ein entscheidender Faktor bei der Umsetzung einer familienbewussten Kultur . Sensi-

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bilisierung und Seminare für Führungskräfte sind ein erster Schritt in diese Richtung . Noch besser gelingt diese Aufgabe, wenn Familienfreundlichkeit als strategische Aufgabe der Unternehmens-führung ernst genommen wird . Das heißt, wenn familienbewusste Personal politik als Querschnittsthema betrachtet wird, das alle wichtigen Unternehmensbereiche berührt – als selbstverständliche Führungsaufgabe, die auch Bestandteil in Zielvereinbarungen und Mitarbeiter/innengesprächen ist und aktiv kommuniziert wird (Betriebszeitung, Intranet usw .) . Auf Dienst-/Betriebsversamm-lungen oder Workshops kann für das Thema geworben werden . Wo wird immer noch in Stereotypen gedacht? Was könnten neben strukturellen vor allem symbolische Hindernisse sein? Wie können wir den Abbau dieser Hindernisse vorantreiben, damit familiäre Verantwortung stärker anerkannt und unterstützt wird?

Beschäftigte überzeugenUm Zeitkonten, Teilzeitmodelle oder gesundheitsförderliche Arbeits-zeitsysteme attraktiv zu machen, müssen Beschäftigte von deren Nutzen überzeugt werden . Neue Arbeitszeiten sind oft mit betrieb-lichen Veränderungen verbunden, die Ängste verursachen . Infor-mationen und Aufklärung zu Themen wie Gesundheitsförderung oder familienbewusste Arbeitszeitgestaltung sind notwendig, um in Betriebsversammlungen oder in der Betriebsöffentlichkeit (z . B . Intranet) zu sensibilisieren . Dazu können auch Experten/innen aus den Gewerkschaften und anderen Bereichen (z . B . Kranken-kasse) eingeladen werden .

In jedem Fall ist es wichtig, dass diese Veränderungen von den Beschäftigten nicht als Rationalisierungsstrategien der Unter-nehmen wahrgenommen werden . Um solche Befürchtungen zu entkräften, können Betriebe und Verwaltungen neue Arbeitszeit-instrumente durch finanzielle Angebote attraktiver machen . Bei der Straßenbahn in Bochum und Gelsenkirchen (BOGESTRA) erhalten alle Beschäftigten, die in ein gesundheitsförderliches Arbeitssystem

wechseln zusätzliche Bonustage . Beschäftigten der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) erhalten Zuschüsse, wenn sie Zeiten auf das Langzeitkonto sparen . Auf diese Weise beteiligt sich der Arbeitgeber aktiv am Kontoaufbau und fördert Akzeptanz und Inanspruchnahme des neuen Langzeitkontos .

Untersuchungen zu Langzeitkonten4 zeigen, dass die Einführung solcher betrieblicher Instrumente immer mit Lernprozessen verbunden ist und Zeit benötigt (vgl . Wotschack u . a . 2011) . Meist steht am Anfang keine bewusste Entscheidung für den Verwendungszweck eines Langzeitkontos . Solche Konten werden in der Regel so aufgebaut, dass sich entweder Überstunden auf anderen Konten ansammeln und in das Langzeitkonto überführt werden oder Beschäftigte sich finanzielle Vorteile durch das neue Konto versprechen . Erst im Laufe der Zeit entwickelt sich eine Nutzungspraxis, die die Beschäftigten von den Vorteilen des Kontos überzeugt, z . B . wenn bei einem plötzlichen Pflegefall die angesparte Zeit für eine Auszeit genutzt werden kann . Auch die Erfahrungen in der Finanzkrise haben trotz der ökonomischen Nutzung eher zu einer Stärkung des Vertrauens in Zeitkonten geführt . Beschäftigte haben gesehen, dass in kollektiven Notzeiten mehr Spielräume zur Verfügung standen .

Bei der Einführung von Zeitkonten hat sich oft eine Arbeitsteilung zwischen Management und Interessenvertretung herausgebildet, bei der das Management zunächst nur die höher qualifizierten Fachkräfte im Auge hat und der Betriebs- bzw . Personalrat dann eine Ausweitung der Regelung für alle Beschäftigtengruppen herbeiführt .

Information und KommunikationIn jedem Fall ist die betriebliche Kommunikationskultur ein ganz entscheidendes Kriterium für eine erfolgreiche Umsetzung von familienbewussten Arbeitszeiten . Dies gilt besonders beim Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf . Wer sich noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt hat, übersieht leicht die Problme, die damit verbunden sind, es auch auf die betriebliche Agenda zu setzen . Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, dass das Thema in den Betrieben tabuisiert wird und eine sensible Herangehensweise erfordert . Viele Beschäftigte befürchten Nachteile, wenn sie sich als Pflegende zu erkennen geben . Pflege ist mit Krankheit und Tod verbunden und weckt so negative Emotionen, auf die man gefasst sein muss . Unternehmensleitung, Führungskräfte und Interessen-vertretung sind deshalb aufgefordert ein Betriebklima zu schaffen, in dem ein solch „schwieriges“ Thema offen kommuniziert werden kann . Neue Gesetze wie das Familienpflegezeitgesetz helfen ebenfalls dabei, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und lassen sich als Türöffner nutzen . Die betriebliche Umsetzung des Gesetzes könnte mit einer Bedarfsanalyse verbunden werden und ein erster Schritt zur Sensibilisierung sein .

4 Projekt des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (12/2009 – 12/2012), „Betriebliche Arbeitszeit- und Qualifizierungspolitik im Lebensverlauf“, Leitung: Prof . Dr . Heike Solga

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4.2 Prozess der Umsetzung Für den Umsetzungsprozess eines Arbeitszeitmodells oder die Einführung einzelner Elemente lebenslauforientierter Arbeitszeiten wird ein systematisches Vorgehen vorgeschlagen . Dies ist vor allem dann empfehlenswert, wenn Arbeitszeiten grundsätzlich verändert werden sollen wie z . B . bei der Umstellung eines Schichtsystems . Umstellungen müssen auch deshalb gut vorbereitet werden, weil sie tief in die individuellen Zeiten und Rhythmen der Beschäftigten eingreifen .

1. BestandsaufnahmeZu Beginn der Überprüfung oder der Einführung eines neuen Arbeitszeitsystems sollte eine kritische Bestandsaufnahme der aktuellen Arbeitszeiten stehen . In einem Dialog mit den betrieb-lichen Akteuren (Arbeitgeber, betroffene Beschäftigte, Betriebsärzte, Fachkraft für Arbeitssicherheit usw .) sollen die unterschiedlichen Interessen, Sichtweisen und Prioritäten von Beschäftigten-gruppen und Management erörtert werden . Am Ende der ersten Phase stehen einerseits grundsätzliche Entscheidungen, welche Ziele erreicht werden sollen und andererseits eine gemeinsame Verständigung über die weiteren Schritte (Zeitplanung, Methoden, Zuständig keiten) .

2. Planung des VorgehensIn Phase zwei steht die konkrete Umsetzung und Organisation der Umstellung im Vordergrund . Je nach Ausmaß der Umstellung ist es ratsam, den Prozess über eine Arbeits- oder Projektgruppe zu steuern, an der die wichtigsten betrieblichen Experten/innen und Entscheidungsträger beteiligt sind . Dies gilt besonders für die Umstellung von kompletten Schichtsystemen: Hier hat sich auch die Mitwirkung von betroffenen Beschäftigten aus verschiedenen Schichtmodellen in diesen Arbeitsgruppen bewährt (siehe ausführ-licher dazu DGB-Broschüre „Familienbewusste Schichtarbeit) . Weiter sollten die inhaltlichen Planungen konkretisiert werden: Auf welche Beschäftigtengruppen sollen die Maßnahmen zielen? Welche Prioritäten werden festgelegt? Was soll auf jeden Fall verändert werden, was könnte zusätzlich verändert werden? In welchen Bereichen oder Abteilungen sollen Veränderungen zuerst eingeführt werden? Diese Planungen können über eine Zielvereinbarung und einen Zeitrahmen (Test-, Umsetzungs-, Evaluationsphase) festgeschrieben werden .

Spätestens an dieser Stelle sollten auch die Beschäftigten über die verschiedenen Betriebsmedien informiert werden bzw . im Betriebsrats- oder Personalratsgremium entschieden werden, in welcher Form die Belegschaft am Prozess beteiligt werden kann .

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3. InformationsbeschaffungNach Klärung der grundsätzlichen Ziele und Vorgehensweisen beginnt die Feinarbeit . Erstens soll ein möglichst umfassendes Informationspaket zusammengestellt werden, über das, was überhaupt möglich ist und realistisch erscheint . Zweitens verhilft der Blick über den Tellerrand mit Beispielen guter Praxis zu neuen Ideen und Anregungen . Und drittens sind umfassende Informa-tionen über die eigene Belegschaft und die verschiedenen Beschäf-tigtengruppen notwendig, um die Arbeitszeitmodelle an deren Bedürfnisse und Interessen anzupassen .

Wichtige Punkte sind unter anderem: Gesetzliche Rahmenbedingungen (Arbeitszeitgesetz, Tarif-

verträge, siehe Kapitel 2 und 6); aktuelle arbeitswissenschaftliche Empfehlungen in Bezug auf

gesundheitliche und sozialverträgliche Arbeitszeitgestaltung; Praxisbeispiele guter Arbeit; Austausch und Information über Literatur, Seminare, Gewerk-

schaften; Verbände, Institutionen und andere Beratung .

Meistens stehen unterschiedliche betriebliche Orientierungs- und Analyseinstrumente zur Verfügung, um sich Informationen über die Beschäftigten zu organisieren . Dazu gehören die Leistungs- und Qualifikationsprofile der Beschäftigten und die verschiedenen Tätigkeitsanforderungen der jeweiligen Arbeitsstelle . Auf dieser Grundlage lassen sich Maßnahmen zur Arbeitsgestaltung bzw . zur Qualifikation auch für spezielle Beschäftigtengruppen (Eltern, Pflegende, ältere oder behinderte Beschäftigte) ableiten . Hier eine Übersicht über Orientierungs- und Analyseinstrumente: Altersstrukturanalyse Belegschaftsbefragung Gefährdungsbeurteilung (im Rahmen der betrieblichen Gesund-

heitsförderung) Gesundheitsberichte Arbeitsbewältigungsindex (ABI) .

4. Modellentwicklung und TestphaseErst nach der Informations- und Klärungsphase sollten die neuen Arbeitszeitmodelle entwickelt und getestet werden . Die Projekt- oder Steuerungsgruppe kann ein Modell oder mehrere mögliche Modellalternativen zur Diskussion stellen . Die Beschränkung auf wenige Testmodelle hat den Vorteil, dass die Vor- und Nachteile des jeweiligen Modells sich stärker heraus kristallisieren und das Stimmungsbild für oder gegen ein Modell deutlicher hervortreten lassen . Dies erleichtert die Entscheidung in der Belegschaft für das endgültige Modell .

Die Testphase dient vor allem der Überprüfung der Alltags-tauglichkeit . Da die Umstellungen im sozialen Leben erst allmählich gelingen und gesundheitliche Auswirkungen meist nach mehreren Monaten feststellbar sind, ist ein langfristiger Zeitraum für die Testphase einzuplanen . Um eine realistische Beurteilung der neuen Schichtsysteme zu erhalten ist eine Mindestdauer von einem halben

Jahr unbedingt erforderlich, noch besser sind einjährige Testphasen . Darüber hinaus ist es wichtig, dass im Testlauf keine Verände-rungen am Modell vorgenommen werden, da diese die Ergebnisse ver fälschen und die abschließende Bewertung erschweren würden .

Erfahrungen bei der Einführung neuer Arbeitszeitmodelle zeigen, dass die Bereitschaft zu Neuerungen wächst, wenn Pilotprojekte zugelassen werden und die Erfahrungen der Betroffenen dazu kommuniziert werden . Diese Pilotprojekte sind einerseits Türöffner für Veränderungen und andererseits können sie bestimmte Fehl entwicklungen verhindern, die bei einer flächendeckenden Einführung wesentlich negativere Folgen hätten und womöglich das ganze neue System gefährden würden .

5. Bewertung und endgültige entscheidungDie letzte Umsetzungsphase sollte zu einer ausführlichen Bewertung der Testergebnisse genutzt werden . Hier fließen die Rückmeldungen zu den Auswirkungen, Problemen und Erfah-rungen an die Arbeitsgruppe ein . Danach erfolgt die Information der Betriebsöffentlichkeit sowie gegebenenfalls die endgültige Umsetzung des neuen Schichtmodells .

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Berliner Verkehrs­betriebe (BVG)Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) sind eine Anstalt des öffentlichen Rechts und betreiben die U-Bahn, Straßenbahn, Busse und den Fährverkehr in Berlin . Mit über 10 .000 Beschäftigten ist die BVG einer der größten Arbeitgeber der Stadt und das größte kommunale Nahverkehrsunternehmen Deutschlands . Der Anteil der weiblichen Beschäftigten beträgt 18 Prozent; der überwiegende Teil davon ist in der Verwaltung beschäftigt .

Eine wirtschaftlich schwierige Phase hat die BVG nach der Wende durchgemacht, als in den 90er Jahren bis Anfang der 00er Jahre das Personal um 18 .000 Beschäftigte abgebaut wurde . Nach einem Jahrzehnt von Stellenabbau und Beschäftigungsstopp wird seit 2005 wieder vermehrt aus der eigenen Ausbildung eingestellt, um die betriebliche Fluktuation auszugleichen . Der Altersdurchschnitt ist entsprechend hoch und liegt unternehmensweit bei 48 Jahren . Mittlerweile macht sich auch bei der BVG der Fachkräftemangel bemerkbar, so konnten z . B . bei Ausschreibungen für die Straßen-bahnfahrerer/innen nicht alle Stellen neu besetzt werden . Auch in den anderen Bereichen kommt es zu Engpässen, so dass Ausschrei-bungen wiederholt werden müssen . Ein weiteres Ergebnis der Umstrukturierung ist die Trennung zwischen Altbeschäftigten und neuen Beschäftigten, die weniger Geld verdienen und zweieinhalb Stunden mehr arbeiten müssen . Dafür hat ver .di 2005 einen wegweisenden Branchentarifvertrag mit einer Beschäftigungs-garantie und Einkommenssicherheit über einen Zeitraum von 15 Jahren abgeschlossen .

Das Thema lebenslauforientierte Arbeitszeitgestaltung spielt im Unternehmen eine große Rolle . Mit verschiedenen Zeitkonten-regelungen, Teilzeitmodellen und weiteren familienbewussten Maßnahmen versuchen Personalräte gemeinsam mit den anderen Arbeitnehmervertretungen und der Unternehmensleitung den Beschäftigten Arbeitszeitmodelle anzubieten, die viele Flexibi-lisierungsspielräume ermöglichen . In dem großen Betrieb, der weitgehend in Schichtarbeit rund um die Uhr organisiert ist und unterschiedliche Abteilungen mit besonderen Anforderungen und eigenen Abteilungskulturen hat, wird viel Wert auf Eigenständigkeit

gelegt . Hier stellt die Balance zwischen kollektiven Arbeitszeit-regelungen und individuellen Arbeitszeitvariationen eine große Herausforderung dar .

Bei den Schichtmodellen stehen in den meisten Bereichen zwei Hauptvarianten zur Auswahl: Eine 6-TageWoche mit kurzen Schichtwechseln und anschließenden zwei bzw . drei Tagen frei sowie ein Schichtsystem ohne Wochenende von Montag bis Freitag . Darüber hinaus fährt die U-Bahn traditionell in einem 4-2 System, bei dem an vier Tagen gearbeitet wird und dann zwei freie Tage folgen . Durch die längeren täglichen Arbeitszeiten entstehen größere Freizeitblöcke . Um bei personellen Engpässen wie Urlaub und Krankheit das Schichtmodell normal fahren zu können, werden bei der U-Bahn und den Bussen Personalreserven vorgehalten . Bei der Straßenbahn existiert ein Springerpool, der eine andere Dienstfolge hat und den Beschäftigten alle 14 Tage ein freies Wochenende gewährleistet .

Eine Besonderheit ist die Automatische Personenbezogene Dienst-folgeplanung (APD), bei der die Beschäftigten die Möglichkeit haben, innerhalb ihres Turnus selbst die Lage ihrer Dienste auszu-wählen . Dieses funktioniert folgendermaßen: Zunächst werden diejenigen Beschäftigten eingeteilt, die keine längerfristigen Wünsche haben; anschließend kommen diejenigen zum Zug, die besondere Wünsche haben . Über ein Computerprogramm wird dann aus den verbleibenden Diensten passend zur Dienstlage ausgewählt . Dabei ist die Wunscherfüllung mit ca . 80 Prozent relativ hoch . Gleichzeitig verteilt das Computersystem im Hinter-grund Punkte, um ungerechte Verteilungen weitestgehend auszuschließen . Kleiner Nachteil der Wunschturnusdienste ist ihre kurz fristige Festlegung: Die Wünsche müssen drei Wochen vor Beginn an einem Terminal eingegeben werden und können frühe-stens zwölf Tage vor Schichtbeginn bestätigt werden . Insgesamt profitieren sowohl diejenigen Beschäftigten, die großen Wert auf Vorhersehbarkeit legen und im gewohnten Schichtturnus bleiben wie auch diejenigen, die individuelle Abweichungen wünschen . Aber auch für eine kurz fristige Flexibilität besteht die Möglichkeit über ein „Wunschbuch“ Änderungen zu berücksichtigen . Der Wunschturnusdienst wurde zunächst bei der Straßenbahn als Test eingeführt und wurde mittlerweile auch auf den Bereich Omnibus übertragen .

5. Beispiele guter Praxis

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Weiter besteht die Möglichkeit bei „sozialen Härtefällen“ außerhalb der üblichen Dienste einen speziellen individuellen Dienstplan, der auf die Bedürfnisse der/des Einzelnen abgestimmt ist zu entwickeln . In solchen Fällen wird mit der/dem Beschäf-tigten, der Dienststelle und dem Personalrat eine Vereinbarung abgeschlossen, deren Regeln in einer Dienstvereinbarung festge-halten sind .

Eine weitere Flexibilisierung der Arbeitszeiten wird durch unter-schiedliche Teilzeitmodelle ermöglicht, die mit den verschiedenen Schichtmodellen kombiniert werden können oder sich nur auf einzelne Schichtlagen beziehen . Teilzeit wird in erster Linie über zusätzliche Freischichten erreicht und nicht durch verkürzte Schichten . Das hat für die Arbeitsorganisation den Vorteil, dass Teilzeit einfacher zu gestalten ist und die täglichen Mindest-arbeitszeiten (fünf Stunden) der Tarifvereinbarungen eingehalten werden können . Ein stetig wachsender Anteil von Teilzeit – auch bei Männern – zeigt die Attraktivität der Arbeitszeitverkürzung . Innerhalb des Betriebes gibt es viele Lebenspartnerschaften, die sich untereinander absprechen und diese Lösung für ihr zeitliches Familienarrangement nutzen .

Damit gelingt insgesamt die Kunst, zwischen Zeitmodellen auszu-wählen zu können, die Planbarkeit für eine Beschäftigtengruppe gewährleisten und individuelle Optionen für andere Beschäftigten-gruppen anbieten ohne die Arbeitsorganisation zu überfordern . Individuelle Bedürfnisse können weitgehend realisiert werden, indem zwischen täglichen kurzen Arbeitszeiten (bis 5 Stunden) und langen Arbeitstagen mit größeren Freizeitblöcken ausgewählt werden kann .

Auch beim Thema Zeitkonten ist die BVG kreativ und bietet den Beschäftigten unterschiedliche Optionen zur Flexibilisierung der Arbeitszeiten . Mit Hilfe von Zeitkonten werden Abweichungen der tatsächlichen Arbeitszeiten von den vertraglich vereinbarten Arbeitszeiten ausgeglichen (z . B . können im Fahrdienst die täglichen Arbeitszeiten zwischen 5 Std . und 8,5 Std . liegen) . Bei der BVG stehen zwei Formen von Zeitkonten zur Verfügung . Das Kurzzeit-konto dient dazu Zeiten kurzfristig anzusparen; spätestens nach einem Jahr muss ein Ausgleich des Kontos erfolgen . Hier können maximal 78 Plus- oder Minusstunden angesammelt werden, die nach einem Jahr wieder ausgeglichen werden bzw . auf das Langzeitkonto übertragen werden können . Das Langzeitkonto wurde im Jahr 2005 eingeführt und wird sowohl für individuelle Zwecke in der Mitte des Lebenslaufs (Familienzeit, Langzeiturlaub) als auch für einen schnelleren Ausstieg in die Rente genutzt . Für das Langzeitkonto bestehen keine zeitlichen Grenzen . Ebenfalls können flexible Lohnbestandteile wie z . B . Schichtzuschlage oder das Weihnachtsgeld in Zeit umgewandelt und auf das Konto trans-feriert werden . Dies fällt den Altbeschäftigten wegen der höheren Einkommen leichter als neuen Beschäftigten . Attraktiv ist dieses Konto vor allem auch deshalb, weil eine dynamische Anpassung im Erwerbsverlauf erfolgt, d . h . betriebliche Aufstiege wirken sich positiv auf die Bestände der Konten aus . Auch die zeitlichen

Perspektiven bei der BVG tragen dazu bei, das Instrument der Langzeitkonten zu nutzen: Als ein öffentliches Unternehmen, das nicht insolvenzfähig ist und durch die lange Geschichte der BVG sowie die Tarifvereinbarungen zur Beschäftigungssicherung haben die Beschäftigten großes Vertrauen in den zukünftigen Bestand des Unternehmens . Schwierigkeiten mit dem Langzeitkonto hat lediglich der Arbeitgeber, der aufgrund der steigenden Inanspruch-nahme immer größere Rücklagen bereitstellen muss .

Beide Kontoformen werden in Zeit geführt – das Langzeitkonto fällt nicht unter das Flexi II Gesetz – und bei beiden Konten verfügen einzig die Beschäftigten über Kontoaufbau und Kontoentnahme . Überstunden entstehen laut Tarifvertrag wenn Arbeitszeiten über einen Arbeitszeitkorridor hinausgehen . In der Verwaltung und in den Werkstätten (außer im Fahrdienst) erlaubt der Korridor eine individuelle Flexibilität bis zu 45 Stunden in der Woche ohne Überstundenzuschläge (nach unten sind keine Grenzen gesetzt) . Zeitguthaben, die hier entstehen werden auf das Kurzzeitkonto geschrieben . Im Fahrdienst werden alle Stunden, die über den Dienstplan hinausgehen als Überstunden vergütet . Beschäftigte haben die Möglichkeit sich die Überstunden plus Überstunden-zuschläge auszahlen zu lassen oder in Zeit umzuwandeln und gutschreiben zu lassen .

Die verschiedenen familienbewussten Arbeitszeitregelungen werden unterstützt durch weitere familienfreundliche Maßnahmen des Unternehmens . Bereits nach der Wende hatte sich ein Verein gegründet aus ehemaligen Beschäftigten des Ostberliner Schwester betriebes BVB, der seitdem mit ehemaligen und aktiven Kollegen/innen eine Ferienbetreuung für Kinder organisiert . Diese wird während der gesamten Sommerferien angeboten und erfreut sich bei den Eltern großer Beliebtheit . Auch das Thema der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ist im Betrieb angekommen . Dazu werden regelmäßige Informationstreffen mit pflegenden Beschäftigten organisiert, zu denen verschiedene Gäste eingeladen werden . Die BVG zeigt sich als Arbeitgeber, der sich um Kollegen/innen kümmert, die Vereinbarkeitsprobleme haben und leistet gegebenenfalls durch Anpassung der Arbeitszeiten Hilfe .

Seit 2009 ist die BVG als familienfreundliches Unternehmen im Rahmen des Audits berufundfamilie zertifiziert und wurde 2012 reauditiert . Dabei wurden verschiedene Maßnahmen umgesetzt wie die Unterstützung von Beschäftigten in Elternzeit, die Ausweitung des Mutterschutzes (vier Wochen zu den gesetzlichen sechs Wochen vor der Entbindung), die Einrichtung von Infoter-minals mit Zugang zum Intra- und Internet für die Beschäftigten im Fahrdienst und in den Werkstätten, eine Hoftauschbörse für den wohnortnahen Einsatz der Beschäftigten im Fahrdienst und ein Familienportal im Intranet sowie die Durchführung eines Familien-tages, um für das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu sensibilisieren . Nach Einschätzung des Personalrats Frank Kulicke ist das Audit ein gutes Instrument um Vereinbarkeitsthemen voran-zutreiben und Vorgesetzte stärker in die Pflicht zu nehmen . Auch wenn das Verhältnis zwischen Personal rat und Geschäftsleitung

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solche familienbewussten Maßnahmen möglich macht, bleibt auf Seiten des Managements das kurzfristige betriebswirtschaftliche Denken ein großes Ärgernis . Die Orientierung auf Drei-Jahres-Zeiträume verhindert langfristige Strategien, bei denen jetzt mehr Geld in die Hand genommen werden müsste, das sich in mehreren Jahren auszahlen würde . Hier ist der Personal rat gefragt, um

mit beharrlicher Arbeit die Interessen der Kollegen/innen durch-zusetzen . Die erfolgreiche Arbeit des Personal rates ist auch das Resultat guter Kooperationen mit anderen betrieblichen Akteuren wie der Frauenvertreterin bei der BVG, wodurch Verbündete gefunden und die Kräfte gebündelt wurden .

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Polizei BremenDie Polizei Bremen beschäftigt als kommunale Polizeibehörde ca . 2 .500 Beschäftigte . Der Anteil weiblicher Beschäftigter liegt bei etwa 22 Prozent . Nur ein kleiner Anteil arbeitet in Teilzeit (vorwiegend Frauen) und der über wiegende Anteil ist Vollzeit beschäftigt .

Wie in anderen Polizeibehörden in Deutschland leidet die Polizei in Bremen stark unter der knappen Personalbesetzung . Als Finanz-nehmerland, das Geld aus anderen Bundesländern erhält, ist Bremen in einer ungünstigen Situation, um die generelle perso-nelle Unterbesetzung zu verändern . Das führt dazu, dass häufig Überstunden geleistet werden müssen an Wochenenden und zu sozial wertvollen Zeiten . In dienstlichen Notsituationen kommt es immer wieder mal vor, dass Kollegen/innen aus ihrer freien Zeit geholt werden müssen, weil kaum personelle Reserven vorhanden sind . Schließlich tragen auch andere Rahmenbedingungen dazu bei, die Attraktivität für den Polizeiberuf zu mindern und die Nachwuchssorgen zu vergrößern . Somit sah sich die Polizei Bremen zwischen 2005-2007 zu einer großen Reform veranlasst, die neben organisatorischen Veränderungen auch zu verstärkten familienbewussten Aktivitäten geführt haben . Neben der Umorga-nisation einzelner Polizeibereiche wurde eine stärkere Trennung von Aufgaben- und Zeitstrukturen vorgenommen, um eine größere Effektivität zu erreichen . Gleichzeitig wurde mit der Auditierung zur familienbewussten Behörde versucht, die Vereinbarkeitssituation der Beschäftigten zu verbessern . Die größte Herausforderung für die Arbeitszeitorganisation ist es, eine Balance zu finden zwischen den schwierigen Bedingungen wie Personalknappheit und nicht vorhersehbaren Arbeitsanforderungen (wie z . B . nicht planbare Großeinsätze) auf der einen Seite und Flexibilität und individuelle Gestaltungsfreiräume für die Beschäftigten auf der anderen Seite .

Lebenslauforientierte Arbeitszeiten werden bei der Bremer Polizei vor allem in vier verschiedenen Handlungsfeldern umgesetzt . Unter-schiedliche Schichtmodelle, Teilzeitmodelle, Arbeitszeitkonten sowie familienbewusste Rahmenbedingungen, zu denen insbesondere eine familienbewusste Dienstkultur zählt .

Bei ca . 1 .350 Kollegen/innen, die in Wechselschicht- oder Schicht-diensten arbeiten, besteht die Kunst der Dienstplangestaltung darin, feste und variable Bestandteile sowohl auf Organisations-ebene als auch von Seiten der Beschäftigten in einem ausgewo-genen Verhältnis zusammenzusetzen . Ein festes Schichtmodell gewährleistet in einigen Bereichen hohe Verlässlichkeit und Planbarkeit, da die Dienstzeiten schon lange im Voraus feststehen . Je nach Bereich wird variabel auf die zeitlichen Anforderungen reagiert . Bei der Schutzpolizei, die mit ca . 650 Beschäftigten die größte Gruppe unter den Schichtbeschäftigten stellt, wird durch feste Arbeitszeiten in einem festgelegten Dienstplan mit einem Rhythmus, der sich nach fünf Wochen wiederholt hohe Planbarkeit

hergestellt . Der Kriminaldauerdienst hat dagegen einen eigenen Schichtrhythmus mit längeren täglichen Schichten und größeren Freizeitblöcken . Im Lagezentrum, das die Notrufe der Polizei und den Soforteinsatz koordiniert, wurde erstmals in einem Pilotprojekt ein bedarfsorientierter Dienstplan eingeführt und getestet . Hierbei werden feste Zeitfenster vorgegeben und die Kollegen/innen haben die Möglichkeit, durch freie Dienstwahl ihre individuellen Zeitbedürfnisse zu berücksichtigen . Gerechtigkeitspunkte und die Steuerung durch die/den Disponenten/in sorgen dafür, dass es keine Benachteiligungen gibt .

Darüber hinaus gibt es Beschäftigte mit verschiedenen Tätig-keitsfeldern, die z . B . in Bereichen mit Bürgerservice und Sonder-einsätzen arbeiten und ihre Arbeitszeiten in einer Mischung aus festen Dienstplänen und flexibler Zeitgestaltung organisieren . Und schließlich existiert der so genannte einfache Tagesdienst mit normalen Arbeitszeiten (vorwiegend in der Verwaltung), bei dem Gleitzeit mit Kernarbeitszeiten relativ viel Flexibilität ermöglicht . So genannte „Beton-Wochenenden“ in den Arbeitsbereichen mit Wechselschicht- und Schichtdiensten stellen sicher, dass zwei Wochenenden im Jahr Wochenenden für private Zwecke geblockt sind .

Im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung wird darüber hinaus versucht, eine altersgerechte Schichtgestaltung zu verwirk-lichen . Für Polizisten/innen mit regelmäßigem Wechselschichtdienst und hohem Einsatz- und Gefährdungspotenzial besteht demnächst die Möglichkeit, im Alter von 45 Jahren auf eine Stelle mit gerin-geren physischen Belastungen zu wechseln (z . B . in Bereiche, die mit Bürgerservice befasst sind) .

Neben den unterschiedlichen Schichtmodellen, die immer auch bei Bedarf individuelle Lösungen für den Notfall vorsehen, tragen unterschiedliche Teilzeitmodelle wesentlich dazu bei, die Arbeits-zeiten individuell an private bzw . familiäre Bedürfnisse anzupassen . Gerade vor dem Hintergrund der Personalknappheit versuchen die Vorgesetzen durch individuelle Absprachen nach passgenauen Lösungen zu suchen . Auch Arbeitszeiten von 8 Stunden pro Woche, sind immer noch besser als ganz auf die/den Kollegen/in zu verzichten . Die Bremer Polizei ist hier Vorreiter und hat das Thema Teilzeit schon seit längerer Zeit auf ihre betriebliche Agenda gesetzt . Initiiert durch die Frauenbeauftragte wurde das Thema sehr stark gefördert und in Frauenförderplänen verankert . Aber auch Männer profitieren von diesem Engagement: In einer Handlungs-anleitung wurde festgeschrieben, dass jede Stelle in der Bremer Polizei – auch die des Polizeipräsidenten – grundsätzlich Teilzeit geeignet ist . Mittlerweile hat sich ein gegenseitiges Geben und Nehmen zwischen Führungskräften und Beschäftigten eingespielt . Personalverantwortliche haben den hohen Motivationsfaktor von Teilzeit erkannt und kommen den Beschäftigten trotz personeller Engpässe entgegen .

Gleichwohl bleibt der Umfang der Teilzeit abhängig von den Funktions stellen; auch im Schichtdienst kann Teilzeit nur durch

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zusätzliche Freischichten realisiert werden und eine vorausset-zungslose Teilzeit – also eine Arbeitszeitreduzierung ohne Angabe von Gründen – wird derzeit nicht gewährt . Wird dieser Teilzeit-wunsch abgelehnt, beraten Vorgesetzte und Betroffene über Alternativen z . B . ob in anderen Bereichen vorübergehend Teilzeit gearbeitet werden kann . Gleichzeitig wird über weitere Angebote und Hilfen zum Thema Vereinbarkeit informiert z . B . beim Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf . Sind auch diese Versuche nicht erfolgreich, bemühen sich Vorgesetzte, Personalrat und Frauenbe-auftragte, um eine gemeinsame Lösung .

Eine weitere Maßnahme zur stärkeren Flexibilisierung im Sinne der Beschäftigten stellen Arbeitszeitkonten dar . Mittlerweile können Polizisten/innen in Bremen ein Jahresarbeitszeitkonto führen . Durch die Personalknappheit und die damit verbundene Gefahr von ausufernden Kontoständen wurden die zeitlichen Spielräume des Jahresarbeitszeitkontos allerdings eng begrenzt . So sind maximal 48 Plusstunden und 24 Minusstunden erlaubt . Auf- und Abbau der Konten erfolgt in Abstimmung mit den Vorgesetzten . Bei früh zeitiger Ankündigung kann ein Teil des Resturlaubes ins nächste Jahr übertragen werden, um mehr zeitliche Flexibilität zu erhalten . In sehr begrenztem Umfang ist es auch möglich, für eine längere Auszeit wie z . B . ein Sabbatical Zeit anzusparen . Pro Jahr können nur maximal zwei Beschäftigte von dieser Möglichkeit Gebrauch machen .

Schließlich sind in einer Zielvereinbarung weitere Arbeitzeit-maßnahmen geplant wie eine Reduzierung von Kernarbeitszeiten, Variationen bei der Länge der Schichten oder einer variablen Arbeitszeitverteilung über die Woche (4- oder 5-Tage-Woche) .

Seit diesem Jahr läuft bei der Kriminalpolizei ein Erfolg verspre-chender Probelauf zu alternierender Telearbeit, der auf große Resonanz gestoßen ist und nach einem Jahr ausgewertet und auf eine mögliche Ausdehnung hin überprüft werden soll .

Ganz wesentlich für den Erfolg lebensphasenorientierter Arbeits-zeiten sind die Rahmenbedingungen und das Dienststellenklima

der Polizei, das von einer familienbewussten Dienstellenkultur unterstützt wird . Hier haben die Aktivitäten des Audits Beruf und Familie bereits Früchte getragen und für ein bundesweites Aufsehen gesorgt . Mittlerweile ist ein großes Netzwerk zu familien-bewussten Themen entstanden, das eine rege Kommunikation nach innen und außen betreibt . In der Konkurrenz um den polizeilichen Nachwuchs konnte die Bremer Polizei damit auch ihre Attraktivität als familienbewusster Arbeitgeber steigern .

In der betriebseigenen Einrichtung „Streifenhörnchen“ werden Kinder unter drei Jahren jeweils bis zu acht Stunden täglich fach gerecht betreut . Außerdem hat die Bremer Polizei in einem externen Betriebskindergarten Belegplätze reserviert . In Koope-ration mit anderen Unternehmen und Behörden wird eine drei wöchige Ferienbetreuung für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren angeboten . Ein Eltern-Kind-Kind-Arbeitszimmer in verschiedenen Dienststellen kann in Notfallsituationen in Anspruch genommen werden . Bei Großeinsätzen (wie z . B . Kirchentag) kann eine Notfall-Kinderbetreuung eingerichtet werden . Auch während der Elternzeit lässt die Bremer Polizei ihre Beschäftigten nicht allein . Durch regelmäßige Informationen werden Eltern (und Beschäftigte in Freistellung) über Veränderungen in der Dienststelle informiert . In zusätzlichen Seminaren werden Beschäftigte auf ihre Rückkehr in den Beruf vorbereitet .

Das Thema der Vereinbarkeit von Pflege und Beruf spielt eine zunehmend wichtigere Rolle und wird von der Polizei aktiv aufge-griffen . Neben Informationsveranstaltungen zum Thema wurde ein besonderer Service für den Pflegenotfall ins Leben gerufen . Ehemalige Polizisten/innen, die sich jetzt im Ruhestand befinden und eigene Erfahrungen mit dem Thema Pflege von Angehörigen gesammelt haben, wurden beim Bremer Pflegestützpunkt zu Beratern/innen für den Pflege-Notfall geschult und stehen nun als Ansprechpartner/innen in der Polizei und bei der Vermittlung von individueller Hilfe zur Verfügung . Auch diese bemerkenswerte Initiative ist das Ergebnis der langen Beschäftigung mit dem Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf .

Schließlich ist die Sensibilisierung der Führungskräfte ein entschei-dender Faktor für die Etablierung einer familienbewussten Dienststellenkultur . Die Schulung der sozialen Kompetenzen von Führungskräften gewinnt vor dem Hintergrund einer flexiblen Arbeitszeitgestaltung und – damit verbunden – einer schwerer herzustellenden Work-Life-Balance an Bedeutung . Auch an der Hochschule für öffentliche Verwaltung sind Vereinbarkeitsthemen in verschiedenen Modulen als feste Bestandteile der Ausbildung von Führungskräften integriert . Über die Schulung von recht-lichen Möglichkeiten hinaus wird über konkrete familienbewusste Instrumente informiert . Trotz dieser Erfolge gibt es aber noch weiteren Sensibilisierungsbedarf wie Gerhard Rippe von der Personal abteilung der Bremer Polizei berichtet . Einige Führungs-kräfte wissen noch zu wenig über die persönlichen Verhältnisse der Beschäftigten, um deren Arbeitszeitbedürfnisse entsprechend sensibel zu berücksichtigen .

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Forschungsprojekt am Wissen­schaftszentrum Berlin für Sozial­forschung (WZB) – Beitrag von Philip Wotschack5

Ein aktuelles Forschungsprojekt6 am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozial-forschung (WZB) untersucht Best-Practice Beispiele der betrieblichen Arbeitszeit-gestaltung und Weiterbildung . Leitend sind dabei zwei Untersuchungsfragen: Welche Handlungsansätze einer lebensverlaufsorientierten Arbeitszeitgestaltung und Weiter-bildungspolitik finden sich in den untersuchten Betrieben? Unter welchen Voraussetzungen wurden diese Handlungsansätze einge-führt und funktionieren sie in der Praxis?

Um diese Fragen zu beantworten, wurden zehn „Vorreiterbetriebe“ ausgewählt, die eine langfristige, auf den gesamten Erwerbsverlauf ausgerichtete, Arbeitszeit- und Weiterbildungspolitik aufweisen und dabei auch typischerweise benachteiligte Gruppen, wie gering qualifizierte oder weibliche Beschäftigte in der Familienphase, einbeziehen . Eine solche Arbeitspolitik bezeichnen wir als lebens-verlaufsorientiert, da sie in allen Phasen des Erwerbsverlaufes passende Arbeitszeitoptionen und Weiterbildungsmöglichkeiten für die Beschäftigten bereitstellen, und damit langfristige Kosten und Risken, die durch zeitliche Überlastung, Erwerbsunterbrechungen oder Qualifizierungsdefizite entstehen können, vermeidet .

Von April 2010 bis April 2012 wurden im Rahmen von zehn Fallstudien die unterschiedlichen betrieblichen Lösungsansätze und ihre Entstehungskontexte detailliert erfasst . In fünf Betrieben wurden zudem vertiefende Fallstudien durchgeführt, die neben Gesprächen mit der Personalleitung und den betrieblichen Arbeit-nehmervertretungen auch Interviews mit Beschäftigten umfassten . Teilergebnisse aus den zehn Fallstudien wurden bereits veröffent-licht (vgl . Wotschack u . a . 2011, 2012) . Die vollständigen Befunde, die auch eine Auswertung von repräsentativen Unternehmensdaten umfassen, werden im Sommer 2013 vorliegen .

Die bisherigen Auswertungen zeigen, dass in den untersuchten Vorreiterbetrieben eine große Bandbreite an Instrumenten der lebensverlaufsorientierten Arbeitszeitgestaltung besteht, die zum Teil auch in Kombination auftreten . Einige Betriebe setzen vorrangig auf Teilzeitoptionen, auch im Schichtsystem und im (tradi-tionell männlichen) gewerblichen Bereich . Andere Betriebe nutzen differenzierte Arbeitszeitkontensysteme, die Optionen für kurz-, mittel- und langfristige Zeitpräferenzen der Beschäftigten eröffnen . Wir finden auch Sabbatical-Modelle, die auf Basis von Resturlaub, Arbeitszeitguthaben und angepasster Entgelte bezahlte Auszeiten

im Umfang von mehreren Monaten ermöglichen . Als eine wichtiger Baustein für lebensverlaufsorientierte Arbeitszeiten erweist sich den untersuchten Betrieben eine mitarbeiterorientierte Dienst- und Schichtplangestaltung . In dem folgenden Praxisbeispiel aus dem Bereich der chemischen Industrie werden Arbeitszeitanpassungen im Lebensverlauf vor allem durch Teilzeitoptionen im Schichtsystem eröffnet . Flankierend dazu können kurz- und mittelfristige Arbeits-zeitanpassungen über ein Arbeitszeitkonto vorgenommen werden .

5 Dr . Philip Wotschack ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB)

6 Projekt „Betriebliche Arbeitszeit- und Qualifizierungspolitik im Lebensverlauf“, Leitung: Prof . Dr . Heike Solga, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (12/2009-12/2012), gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung .

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Beispiel aus der chemischen IndustrieDer untersuchte Chemie-Betrieb verfolgt mit einer lebensverlaufs-orientierten Arbeitszeitgestaltung zwei strategische Ziele . Zum einen sollen hohe Arbeitsbelastungen reduziert und die langfristige Beschäftigungsfähigkeit der Beschäftigten erhöht werden . Zum anderen wurde auf eine zunehmende Feminisierung der traditionell männlichen Belegschaft im gewerblichen Bereich reagiert sowie ein auch bei den Männern zunehmendes Interesse an mehr Zeit für Kinder und Familie .

Die Regelarbeitszeit ist aufgrund des 3-Schicht-Systems mit regel-mäßiger Spät-, Nacht- und Wochenendarbeit und wechselndem Dienstplan als belastend und eher familienunfreundlich einzu-stufen . Demgegenüber wird vor allem durch (meist vollzeitnahe) Teilzeitoptionen und Arbeitszeitkonten eine Reduzierung von Arbeitsbelastungen und Anpassung der Erwerbsarbeitszeit an außerberufliche oder persönliche Interessen ermöglicht .

Die vertragliche Wochenarbeitszeit beträgt bei einer Vollzeit-beschäftigung 37,5 Stunden . Das Drei-Schicht-System bei der Wacker-Chemie bietet dabei grundsätzlich die Möglichkeit einer Teilzeit beschäftigung . Etwa ein Drittel der Beschäftigten (vor allem Männer) nutzt diese Option in vollzeitnahen 96-, bzw . 92-Prozent-Modellen, bei denen durch regelmäßige Arbeit im Umfang von 100 Prozent ein Zeitkontingent aufgespart wird, dass dann im Block als Freizeit ausgeglichen werden kann . Ein wichtiges Motiv stellt dabei die Reduzierung bzw . Vermeidung sogenannter „Einbringertage“ dar . Arbeitszeitreduzierungen in höherem Umfang finden sich häufiger bei Frauen, allerdings auch bei einer zuneh-menden Anzahl der Männer, die nach einer leichten Verkürzung der Arbeitszeit weiter reduzieren möchten . Der Umfang der Arbeitszeit-reduzierung ist individuell wählbar . Die Art der Verkürzung orien-tiert sich (soweit es die Arbeitsorganisation zulässt) am Interesse der Beschäftigten und kann in Form freier Wochen und freier Tage, nicht jedoch in Form von verkürzten Schichten erfolgen . Die Wiederaufstockung und Rückkehr zur Vollzeitbeschäftigung wird vom Betrieb nach Kräften unterstützt, ein allgemeines Rückkehr-recht besteht jedoch nicht . Nach Aussage von Beschäftigten und Experten findet sich dennoch in fast jedem Fall eine einvernehm-liche Lösung .

Um die Belastung durch die Schichtarbeit noch weiter zu senken, plant der Betrieb in einem Pilotversuch sechs statt fünf Schicht-gruppen einzusetzen und so die Arbeitszeit bei linearer Entgelt-anpassung um 20 Prozent zu senken . Als Ersatz für das Auslaufen der staatlich geförderten Altersteilzeit wird eine betriebliche Nachfolgeregelung verhandelt, die aber noch nicht in Kraft ist .

Bis 2009 bestand die Möglichkeit einer bezahlten Freistellung im Rahmen einer zweijährigen Teilzeitvereinbarung (1,5 Jahre verringertes Entgelt, dafür 0,5 Jahre bezahlte Freistellung) . Mit dem Flexi-II-Gesetz war diese Regelung aufgrund des fehlenden Insolvenz schutzes nicht mehr zulässig und soll durch ein Langzeit-konto ersetzt werden .

Für ältere Beschäftigte, oder solche mit gesundheitlichen Beein-trächtigungen besteht die Möglichkeit, dauerhaft in Frühschicht zu arbeiten, sofern eine ausreichende Besetzung der anderen Schichten gewährleistet ist . Ein Jahresarbeitszeitkonto bietet für die Beschäftigten die Möglichkeit eines kurzfristigen Zeitausgleichs . Für einen mittel und langfristigen Zeitausgleich zum Zwecke des vorzeiten Ausstiegs aus dem Erwerbslebens oder der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist ein Langzeitkonto geplant . Bis das Konzept des Langzeitkontos greift, wird die Förderung der Altersteilzeit fortgeführt und der ausgelaufene staatliche Förde-rungsbeitrag vom Arbeitgeber übernommen .

Die befragten Beschäftigten nutzen die bestehenden Arbeitszeit-optionen in Abhängigkeit von der Lebensphase und außerberuf-lichen Interessen, was als Ausdruck einer lebenslauforientierten Arbeitszeitgestaltung interpretiert werden kann . Der Schichtplan gewährt eine hohe Verlässlichkeit der Arbeitszeiten; Spielräume entstehen über das Jahresarbeitszeitkonto, in Form zusätzlicher freier Tage, auch in Kombination mit Urlaubstagen . Bei Tagschicht gibt es über das Gleitzeitsystem zusätzlich die Möglichkeit die tägliche Arbeitszeitdauer zu variieren . Die Nutzung der Teilzeitop-tionen weist ein geschlechtstypisches Muster auf: Nach Angaben der Experten reduzieren Frauen ihre Arbeitszeiten vor allem in der Familienphase und in größerem Umfang . Auch Männer im gewerblichen Bereiche weisen jedoch eine im Vergleich zu anderen Betrieben hohe Teilzeitquote auf . Sie reduzieren ihre Arbeitszeiten aber eher in geringem Umfang und verfolgen vor allem das Ziel, die hohen Arbeitszeitbelastungen zu reduzieren . Außerberufliche Gründe (wie Kinderbetreuung) spielen eine untergeordnete Rolle . Die Entlastung beim 96-Prozent-Modell wird von den Befragten als eher gering, beim 92-Prozent-Modell als merklich beschrieben . Von einer befragten Beschäftigten wird die Arbeitszeitreduzierung mit der Meisterausbildung kombiniert . Es wird durchaus ein Interesse an mehrmonatigen Freistellungen für Weiterbildung oder die Familien-phase geäußert . Allerdings finden sich auch Hinweise darauf, dass diese Optionen phasenweise durch hohen Arbeitsanfall und Perso-nalengpässe nicht genutzt werden können . Hier zeigt sich erneut, dass lebensverlaufsorientierte Arbeitszeitoptionen nur dann wirksam werden können, wenn Personal bemessung, Leistungsanforderungen und Entgeltbedingungen ausreichende Spielräume für Arbeitszeit-variationen zulassen .

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Dem Betriebs- oder Personalrat steht eine Reihe von Gesetzen zur Verfügung, um lebenslauforientierte Arbeitszeiten einzuführen und den Betrieb/ die Dienststelle familienfreundlicher zu gestalten . Diese Gesetze legen verpflichtende Ziele fest, die die Geschäfts-leitung berücksichtigen muss und über deren Einhaltung der Betriebs-/Personalrat wacht .

Neben dem Grundgesetz, dem Arbeitszeitgesetz und dem Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie dem allgemeinen Gleich-behandlungsgesetz sind vor allem drei juristische Handlungsfelder interessant, weil sie in der betrieblichen Praxis die größten Durch-setzungschancen versprechen: a) Betriebsverfassungsgesetz bzw . Bundespersonalvertretungsgesetz, b) Arbeitsschutzgesetz und c) Betriebliches Eingliederungsmanagement im Rahmen des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) .

a) Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG), Bundespersonalvertretungsgesetz (BPersVG)

Bei der Arbeitszeitgestaltung besteht für Betriebs- und Personalräte echte Mitbestimmung . Anders als bei vielen anderen betrieblichen Handlungsfeldern haben Betriebs- und Personalräte bei Arbeits-zeiten sehr gute Durchsetzungsmöglichkeiten (§ 87 Abs . 1 Nr . 2 und 3, BetrVG bzw . § 75 Abs . 3, BPersVG) . Interessenvertretungen haben hier jederzeit die Möglichkeit initiativ zu werden und bestehende Betriebs- oder Dienstvereinbarungen zur Arbeitszeit zu kündigen und neue Vorschläge einzubringen, die mit dem Arbeitgeber verhandelt werden müssen . Besonders im Betriebs-verfassungsgesetz besteht mit der Einigungsstelle ein Gesetzes-organ, das genügend Druck auf den Arbeitgeber ausüben kann . Denn die Kosten für das Einigungsstellen trägt der Arbeitgeber und die können je nach Verhandlungsgegenstand und Dauer der Verhandlungen bzw . Zusammensetzung der Einigungsstelle in die Höhe gehen7 .

Da zu Arbeitszeiten viele Querverbindungen bestehen, können diese Bezüge von der Interessenvertretung instrumentalisiert werden . So kann z . B . über die Wahl des Arbeitszeitsystems unmittel bar Einfluss auf die Personalpolitik ausgeübt werden, die

nicht unter die echte Mitbestimmung fällt . Auf diese Weise können die Handlungsspielräume der Interessenvertretung auf andere Themenfelder ausgedehnt werden .

b) Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG)Eine sehr gute Möglichkeit die Interessen der Beschäftigten beim Thema Gesundheitsschutz durchzusetzen bietet das seit 1996 in Kraft getretene Arbeitsschutzgesetz . Über die Handlungsfelder Arbeitsorganisation und Vermeidung von Stress und psychischen Belastungen besteht ebenfalls ein unmittelbarer Zusammenhang zum Thema Arbeitszeitgestaltung . Das Arbeitsschutzgesetz stellt insofern eine bedeutende Neuerung dar, als es gegenüber der alten Gesetzgebung eine völlig andere Handlungsweise beim Thema Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten auferlegt . Arbeitgeber sind beim Arbeitschutz zu einer kontinuier-lichen Verbesserung des Gesundheitsschutzes der Beschäftigten verpflichtet . Neben der Verhütung von Unfällen, sind arbeits-bedingte Gefahren an der Quelle zu bekämpfen und jeweils die aktuellen arbeitswissenschaftlichen Erkenntnisse zu berück-sichtigen . Ziel des Gesetzes ist es, einerseits durch präventive Maßnahmen Krankheiten und Unfälle gar nicht erst entstehen zu lassen und andererseits durch eine ganzheitliche Betrachtung von Ursachenkomplexen grundsätzlich auf Gefährdungslagen reagieren zu können . Dies schließt ein, dass auch weiche Faktoren wie psychische Belastungen in ihrer ganzen Komplexität untersucht und reduziert werden müssen . Das wesentliche Handlungsinstrument dieses umfassenden Arbeits- und Gesundheitsschutzes ist die Gefährdungsbeurteilung, die in Betrieben und Verwaltungen mit mehr als zehn Beschäftigten verpflichtend ist . Der Arbeitgeber hat die Verantwortung dafür, dass der kontinuierliche Prozess mit regel-mäßigen Gefährdungsbeurteilungen und Verbesserungen in Gang gehalten wird .

c) Betriebliches eingliederungsmanagement, BeM (§ 84 Abs. 2, SGB IX)

Durch die Reform des Behindertenrechts wurde auch hier der Präventionsgedanke gestärkt . Um Behinderungen und arbeits-bedingte Erkrankungen bereits im Vorfeld zu verhindern wurden die Rechte der Schwerbehindertenvertretung ausgeweitet und die Fürsorgepflichten des Arbeitgebers für nicht behinderte Beschäftigtengruppen erweitert . Sind Beschäftigte – unabhängig von einer Behinderung – innerhalb eines Jahres länger als sechs

6. recht

7 Im Bundespersonalvertretungsgesetz ist zwar auch eine Einigungsstelle installiert, aber ohne das finanzielle Druckmittel der Bezahlung durch den Arbeitgeber . Einigungen sind hier stärker auf einen Kompromiss angewiesen .

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Wochen arbeitsunfähig, ist der Arbeitgeber dazu verpflichtet ein betriebliches Eingliederungsmanagement durchzuführen . Wie beim Arbeitsschutzgesetz sollen durch Prävention bzw . Rehabilitation die Arbeitsunfähigkeit überwunden und vorgebeugt werden sowie organisatorische Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsfähigkeit durchgeführt werden . Veränderungen in der Arbeitsorganisation und der Arbeitszeitgestaltung können dazu genutzt werden, die Themen Demografie, betriebliche Gesundheitsförderung mit dem Thema der Lebenslauforientierung zu verbinden .

Schließlich sind neue Gesetze ein Anlass, um sich intensiver mit deren betrieblicher Umsetzung zu beschäftigten . Aktuelle Gesetzes-initiativen wie das Familienpflegezeitgesetz bieten darüber hinaus willkommene Gelegenheiten, um stärker für das Thema zu sensibili-sieren . Mit einer betrieblichen Kampagne zum Thema Vereinbarkeit von Pflege und Beruf könnten z . B . eine Bedarfsanalyse, Workshops und eine Betriebsvereinbarung initiiert werden .

Flexi II GesetzAm 01 .01 .2009 ist das so genannte Flexi II Gesetz8 in Kraft getreten, dass bessere Bedingungen für Langzeitkonten schaffen und insbesondere den Insolvenzschutz von Langzeitkonten verbessern soll . Hier der Wortlaut zur Vereinbarung von Wertgut-haben und möglichen Verwendungszwecken . Eine ausführliche Darstellung und Bewertung findet sich in Kapitel 3 . 3 (Zeitkonten) .

„Eine Wertguthabenvereinbarung liegt vor, wenn 1 . der Aufbau des Wertguthabens aufgrund einer schriftlichen Vereinbarung erfolgt,2 . diese Vereinbarung nicht das Ziel der flexiblen Gestaltung der werktäglichen oder wöchentlichen Arbeitszeit oder den Ausgleich betrieblicher Produktions- und Arbeitszeitzyklen verfolgt […] .“ (§ 7b Flexi II)

Verwendungszweck der Wertguthaben:Gesetzlich vorgesehen ist die Inanspruchnahme des Wertguthabens für: die Freistellung für die Pflegezeit nach § 3 PflegeZG, also für

die Pflege eines nahen Angehörigen in häuslicher Umgebung (§ 7c I Nr . 1a SGB IV) .

die Wahrnehmung des Anspruchs auf Elternzeit nach § 15 BEEG, für die Betreuung und Erziehung eines Kindes durch den Arbeitnehmer / die Arbeitnehmerin (§ 7c I Nr . 1b SGB IV) .

die Verringerung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit nach § 8 TzBfG (§ 7c I Nr . 1c SGB IV) .

Vertraglich vereinbart werden können außerdem weitere Entnahme möglichkeiten, wie etwa für Zeiträume vor dem Bezug einer Altersrente, in denen die

Arbeitnehmerin / der Arbeitnehmer nicht mehr erwerbs-tätig ist / sein möchte, der Zeitpunkt für den Bezug einer Altersrente aber noch nicht erreicht / nur mit Abschlägen möglich ist . Auch Alters teilzeit vereinbarungen fallen darunter . (§ 7c I Nr . 2a SGB IV)

Zeiten für die Teilnahme an beruflichen Weiterbildungen / Qualifizierungen . (§ 7c I Nr . 2b SGB IV)

Diese Aufzählung ist nicht abschließend, die Parteien können grundsätzlich auch beliebige andere Verwendungen für das Wertguthaben individuell vertraglich vereinbaren (§ 7c II SGB IV) . Haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer schon eine Vereinbarung getroffen, in der sie sich auf einen anderen Verwendungszweck geeinigt haben, dann besteht diese abweichende Regelung fort (§ 116 SGB IV) .

8 „Gesetz zur Verbesserung zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen und anderer Gesetze“ (kurz Flexi II)

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Die folgende Übersicht bietet einen guten Überblick über die beste-henden Rechtsgrundlagen, die Anknüpfungspunkte für familien-bewusste Maßnahmen und insbesondere lebenslauforientierte Arbeitszeiten bieten .

Weitere ausführliche Hinweise zu den Personalvertretungsgesetzen der Länder sowie zu den Landesgleichstellungsgesetzen finden sie in der DGB-Broschüre „Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Personalräte“ (DGB 2009) .

Übersicht rechtliche Grundlagen

Themen rechtsgrundlage Bemerkungen

Vereinbarkeit von Familie und Beruf

Grundgesetz (GG) „Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ord­nung.“ (Art. 6 Abs. 1)

Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

„Der Betriebsrat hat folgende allgemeine Aufgaben […] die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit zu fördern […].“ (§ 80 Abs. 1 Nr. 2b)

Bundesgleichstellungs­gesetz (BGleiG)

für Beschäftigte im öffentlichen Dienst Ziel des Gesetzes: u. a. „die Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für

Frauen und Männer zu verbessern.“ (§ 1 Abs. 1)Besonders Abschnitt 3 Vereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit für Frauen und Männer Familiengerechte Arbeitszeiten und Rahmenbedingungen (§ 12) Förderung von Teilzeit, Telearbeit und familienbedingter Beurlaubung

(§ 13 und 15)Wechsel von Teilzeit nach Vollzeit, beruflicher Wiedereinstieg (§ 14)

Allgemeines Gleichbehand­lungsgesetz (AGG)

Ziel: Benachteiligung aufgrund von ethnischer Herkunft, Religion, Behinderung, Alter oder Geschlecht zu verhindern. dazu gehört die Benachteiligung wegen Schwangerschaft oder Mutterschaft

Tarifverträge zurFamilienfreundlichkeit

Freistellung von der Arbeit wegen Betreuung von Kindern und Angehörigen Arbeitszeitflexibilisierung Teilzeit Telearbeit Elternförderung Ausgestaltung der Elternzeit Weiterbildungsangebote während der Elternzeit Vertretungseinsätze/Projektbeteiligungen während der Elternzeit Kinderbetreuung Sozialzulagen/Familienzulagen (vgl. Flüter­Hoffmann 2005 und Bispinck 2005)

Arbeitszeit Arbeitszeitgesetz (ArbZG) fixiert den rechtlichen Rahmen von Arbeitszeitflexibilisierung: Sicherheit und Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer/innen Verbesserung der Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten Schutz von Sonn­ und Feiertagen Beschränkung von Mehr­, Schicht­ und Nachtarbeit Definitionen von Arbeitszeit, Nachtarbeit, Arbeitsbereitschaft usw. Öffnungsklauseln bei Arbeitsbereitschaft und Rufbereitschaft

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Arbeitszeit Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG)

Initiativrecht„Der Betriebsrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, in folgenden Angelegenheiten mitzubestimmen: […]2. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie

Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage;3. vorübergehende Verkürzung oder Verlängerung der betriebsüblichen Arbeitszeit

[…].“ (§ 87 Abs. 1 Nr. 2 und 3) Betriebsvereinbarung (§ 77 BetrVG) und Möglichkeit einer Einigungsstelle

(§ 76 BetrVG)

Bundespersonalvertretungs­gesetz (BPersVG)

„Der Personalrat hat, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht, gegebenenfalls durch Abschluss von Dienstvereinbarungen mitzubestim­men über 1. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung

der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage […]3. Aufstellung des Urlaubsplanes, Festsetzung der zeitlichen Lage des Erholungs­

urlaubs für einzelne Beschäftigte, wenn zwischen Dienststellenleiter und den beteiligten Beschäftigten kein Einvernehmen erzielt wird […].“ (§ 75 Abs. 3) Ablehnung von Teilzeitanträgen (§ 76 Abs. Abs. 1 Nr. 8) Personalvereinbarung (§§ 73, 74) und die Möglichkeit einer Einigungsstelle

(§ 71)

Teilzeit­ und Befristungsge­setz (TzBfG)

Anspruch auf Verkürzung der Wochen­, Monats­, Saison­ und/oder Jahres­arbeitszeit (§ 8), soweit keine betrieblichen Gründe entgegenstehen auch befristete Teilzeit oder Teilzeit auf Probe sind möglich (allerdings ohne

Rechtsanspruch) Mindestankündigungsfrist 4 Tage (§ 12)

Altersteilzeitgesetz (AltTZG) möglich für alle Beschäftigten, die vor dem 1.1.2010 das 55. Lebensjahr vollendet haben Bedingung: Tarifvertrag, Betriebsvereinbarung oder schriftliche Vereinbarung

zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber

Arbeitsschutzgesetz (Arb­SchG)

Arbeitsorganisation und Arbeitszeitgestaltung als Bestandteil eines dynamischen, ganzheitlichen und präventiven Arbeits­ und Gesundheitsschutzes.Ziele des Gesetzes: menschengerechte Gestaltung der Arbeit kontinuierliche Verbesserung des Arbeits­ und Gesundheitsschutzes Beseitigung von arbeitsbedingten Erkrankungen Grundsatz der präventiven Gefahrenbekämpfung an der Quelle Pflicht zur Gefährdungsbeurteilung

Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)

Anspruch auf Anpassung der Arbeitszeit: (§ 611) Anspruch auf Arbeitszeitänderung: (§ 315)

Sozialgesetzbuch IV (SGB IV) Insolvenzschutz für Zeitkonten (§ 7d)

Flexi II Gesetz Gesetz zur sozialrechtlichen Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen sowie Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen:Sicherung und Übertragbarkeit von (Zeit­)Wertguthaben v. a. Anpassungen in SGB III­VI sowie X­XI

Tarifvereinbarungen zur Schichtarbeit: Arbeitszeitkorridore Zuschläge für Nacht­ und Schichtarbeit Sonderleistungen Ausnahmeregelungen für Beschäftigtengruppen (Eltern, ältere Beschäftigte)

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Arbeitszeit Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen:Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) (§ 84 Abs. 2) menschen­ und behindertengerechte Arbeitsgestaltung (§ 81 Abs.4) Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen (§ 81 Abs. 5) Anspruch auf Einhaltung einer 5­Tage­Woche Befreiung von Nachtarbeit (§ 81 Abs. 4 Ziffer 4) Freistellung von Mehrarbeit (§ 124)

Elternzeit, ­geldMutterschutz

Bundeselterngeld­ und Elternzeitgesetz (BEEG)

12 Monate, bzw. 14 Monate (beide Eltern) 65% des Nettoeinkommens (max. 1.800 Euro) freie Entscheidung, welcher Elternteil Elternzeit nimmt bis zum 3. Geburtstag des Kindes (8. Geburtstag mit Zustimmung des

Arbeitgebers) Teilzeit bis zu 30 Stunden wöchentlich möglich Geschwisterbonus für schnelle Geburtenfolge Mindestelterngeld: 300 Euro

Kinderbetreuung Mutterschutzgesetz (MuSchG)

Verbot von Mehrarbeit, Nacht­, Sonn­ und Feiertagsarbeit (§ 8 Abs. 1) Beschäftigungsverbot für einzelne Tätigkeiten, wenn Gesundheitsgefahren für

Mutter und/oder Kind drohen (§ 3) Schutzfristen: 6 Wochen vor der Entbindung; 8 Wochen nach der Geburt (12

Wochen bei Früh­ und Mehrlingsgeburten) (§ 6) Stillzeiten während der Arbeitszeit besonderer Kündigungsschutz

Sozialgesetzbuch V (SGB V) Freistellung zur Betreuung kranker Kinder und Krankengeld (§ 45) Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder

Sozialgesetzbuch VIII (SGB VIII)(KJHG)

Kinder­ und Jugendhilfe (KJHG) Insbesondere dritter Abschnitt: Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen

und in Kindertagespflege (Tagesbetreuungsausbaugesetz TAG) steuerliche Begünstigungen von Kinderbetreuungskosten

Ländergesetze zur Kinder­betreuung: z.B. Kinderta­gesstättengesetz (KiTaG)

Rechtsansprüche auf öffentliche Kinderbetreuung oder auf Betreuungs­möglichkeiten für unter Dreijährige sind auf Länderebene geregelt.

Pflege Sozialgesetzbuch IX (SGB IX)

Soziale Pflegeversicherung

Pflegezeitgesetz (PflegeZG) Möglichkeiten zur Freistellung aus Pflegegründen: 10 Tage (Kurzzeit) 6 Monate Pflegestützpunkte und wohnortnahe Beratung Erhöhung des Pflegegeldes

Familienpflegezeitgesetz (FPfZG)

Teilzeit über einen Zeitraum von zwei Jahren auf max. 15 Stunden Arbeitgeber gewährt Kredit, der später nachgezahlt wird

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Bundesministerium des Inneren (Hg .) (2012): Demografie-sensibles Personalmanagement in der Bundesverwaltung, Leitfaden zur Ausgestaltung einer lebensphasenorientierten Personalpolitik, Berlin

Büdel, Oliver (2007): Der Lebenszyklus gibt den Ton an . In: Zeitschrift Personalwirtschaft 12/2007, S . 28–30

Bundesministerium für Arbeit und Soziales (Hg .) (2011): Evaluation des Gesetzes zur Verbesserung der Rahmen-bedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeit-regelungen („Flexi II“-Gesetz) . Forschungsbericht 418, durch-geführt von Arnold Riedmann (TNS Infratest Sozialforschung, München), Dr . Angelika Kümmerling (Institut Arbeit und Qualifi-kation, Duisburg-Essen), Dr . Hartmut Seifert, Berlin (http://www .bmas .de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Publika-tionen/fb418-flexi-II-gesetz-studie .pdf;jsessionid=21853C3C2B466EDC4227080A7E325EF6?__blob=publicationFile)

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg .) (2006): Familie zwischen Flexibilität und Verlässlichkeit . Perspektiven für eine lebenslaufbezogene Familienpolitik, Siebter Familienbericht der Bundesregierung, Berlin (http://www .bmfsfj .de/RedaktionBMFSFJ/Abteilung2/Pdf-Anlagen/7 .-familienbericht,property=pdf,bereich=bmfsfj,sprache=de,rwb=true .pdf)

DGB Bundesvorstand (Hg .) (2009): Neuregelungen zum Insolvenzschutz von Arbeitszeitkonten, Flexi II Gesetz, Bereich Arbeits- und Sozialrecht, Berlin (https://www .dgb-bestellservice .de/besys_dgb/auswahl .php?volltext=DGB31097&suchen .x=0&suchen .y=0&suchen= Nach+diesen+Stichworten+suchen!)

DGB Bundesvorstand; Meissner, Frank; Stockfisch, Christina (2011): Familienbewusste Schichtarbeit, Berlin (https://www .dgb-bestellservice .de/besys_dgb/pdf/DGB301009 .pdf?DGBBSSESSID=c2f10e829add5c9b430f69a904d70b8b

DGB Bundesvorstand; Stockfisch, Christina; Meissner, Frank (2012): Pflegesensible Arbeitszeitgestaltung . Ein Handlungsfeld für Betriebs- und Personalräte, Berlin (http://familie .dgb .de/++co++77ada956-e855-11e1-86e1-00188b4dc422) .

DGB Bundesvorstand; Frank Meissner (2009): Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Personalräte, Berlin, (http://familie .dgb .de/service/bildungsarbeit/dgb-broschuren/++co++025d1a26-4e3f-11e0-568a-00188b4dc422)

Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) (2012): Elterngeld Monitor, Berlin (http://www .diw .de/documents/publikationen/73/diw_01 .c .393652 .de/diwkompakt_2012-061 .pdf)

Familienhandbuch 2011: Vorbildliche Familienpolitik . Das schwedische Doppelverdiener-Modell, erstellt am 13 . April 2011, zuletzt gesehen 29 . 11 . 2012, (https://www .familienhandbuch .de/familienpolitik/familien-politik-international/vorbildliche-familienpolitik-das-schwe-dische-doppelverdiener-modell)

Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik (FFP) (2011): Betriebliche Folgekosten mangelnder Vereinbarkeit von Beruf und Pflege“ . Expertise im Rahmen des Projektes Carers@Work – Zwischen Beruf und Pflege: Konflikt oder Chance? (www .carersatwork .tu-dortmund .de/download/ Expertise_fi nal .pdf)

Hildebrandt, Eckart; Wotschack, Philip (2006): Langzeitkonten und Lebenslaufpolitik . In: WSI Mitteilungen, Heft 11/2006, S . 592–600

IG Metall (2011): Meine Arbeit – meine Zeit – mein Leben . Arbeitszeitpolitische Herausforderungen und Gestaltungs hinweise . Arbeitshilfe des IG Metall Vorstandes, Fachbereich Tarifpolitik in der Reihe „Zur Praxis“, Frankfurt

IG Metall (2010): Arbeitspolitik und Beschäftigungssicherung . Broschüre des IG Metall Vorstandes, Fachbereich Tarifpolitik, Dresden (http://netkey40 .igmetall .de/homepages/messeblitz/hoch geladenedateien/Dateien/PDF/docs_ig_metall_xcms_161097__2 .pdf)

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) (2012): Flexibilität am Arbeitsmarkt durch Überstunden und Arbeits-zeitkonten . Messkonzepte, Datenquellen und Ergebnisse im Kontext der IAB-Arbeitszeitrechnung, Forschungsbericht 3/2012, Nürnberg (http://doku .iab .de/forschungsbericht/2012/fb0312 .pdf)

Jurczyk, Karin; Schier, Michaela; Szymenderski, Peggy; Lange, Andreas; Voß, G . Günter (2009): Entgrenzte Arbeit – entgrenzte Familie . Grenzmanagement im Alltag als neue Herausforderung . Berlin .

Jurczyk, Karin (2010): Entgrenzte Arbeit – entgrenzte Familie . Arbeitszeitpolitische Herausforderungen aus der Lebenswelt .

7 Literatur

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Klenner, Christina (1998): Diktat der Ökonomie oder mehr Selbstbestimmung . Eine Analyse neuer betrieblicher Regelungen und Ansatzpunkte für eine sozialverträgliche Gestaltung von Zeitkontenmodellen . In: Christina Klenner; Hartmut Seifert (Hg .): Zeitkonten, Arbeit à la carte? Neue Modelle der Arbeitszeitgestaltung . Hamburg, S . 111–139 .

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Thurau-Vetter, Kristina (2005): Lebensarbeitszeitgestaltung in der Diskussion . Herausgegeben vom IG Metall-Vorstand, Funktionsbereich Tarifpolitik, Diskussionsbeiträge zur Tarifarbeit im Betrieb, Grüne Reihe Nr . 14, Hannover

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Wotschack, Philip; Hildebrandt, Eckart; Scheier, Franziska (2008): Langzeitkonten . Neue Chancen für die Gestaltung von

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Wotschack, Philip; Scheier, Franziska; Schulte-Braucks, Philipp; Solga, Helga (2011): Zeit für Lebenslanges Lernen . Neue Ansätze der betrieblichen Arbeitszeit- und Qualifizierungs-politik . WSI-Mitteilungen, Heft 10/2011, S . 541–547

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Link zu ver .di-Material lebenslauforientierten Arbeitszeit: http://arbeitszeit .verdi .de/material

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Verfasser/in:Frank MeissnerDr . Christina Stockfisch

Redaktion:Frank MeissnerDr . Christina Stockfisch

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Vereinbarkeit von Familie und Beruf gestalten

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Arbeitszeiten in verschiedenen Lebensphasen gestalten

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