AusgabeNr.01 Mai2007 FOOD&RECHTPRAXIS und Rec… · Marketinginstrumente,nämlichder...

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I m Bereich der Lebensmittelwer- bung kommen gravierende Ände- rungen auf Sie zu. Denn nachdem die neuen europäischen Regelungen im Amtsblatt der Europäischen Gemein- schaft Ende Dezember 2006 – bzw. in der korrigierten Fassung im Januar 2007 (ABI. L 012, S. 3 – 18, vom 18. 01. 2007) – veröffentlicht worden sind, ist die Health Claims-Verordnung Ende Januar 2007 in Kraft getreten. Damit erfolgte der Startschuss für grund- legende Umwälzungen im Bereich der Werbung mit nährwert- und gesund- heitsbezogenen Aussagen; ein Prozess, der sich über mehrere Jahre hinziehen wird. Worum geht es? Im Fokus stehen unter anderem Aus- sagen wie „fettarm“, „hoher Ballast- stoffgehalt“, „zuckerfrei“, „leicht“ oder „unterstützt und fördert den Stoffwechsel“, „zur Stärkung Ihrer Abwehrkräfte“. Ziel der Verordnung ist es, die Bewerbung von Lebens- mitteln mit solchen Aussagen zum Nährwert und gesundheitlichen Vorzü- gen von Lebensmitteln innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zu verein- heitlichen und diese somit in allen Mitgliedstaaten gleichen Regelungen zu unterwerfen. Insbesondere die wis- senschaftliche Bewertung nährwert- und gesundheitsbezogener Angaben soll europaweit einheitlich erfolgen. Nährwert- und gesundheits- bezogene Aussagen sind in der Zukunft grundsätzlich erst einmal verboten. So sehr diese Zielsetzung mit Beginn der Beratungen um diese Verordnung vor etwa drei Jahren auch erstrebens- wert gewesen sein mag, so hoch ist der Preis, den Sie als Lebensmittelunter- nehmen künftig für diese Vereinheitli- chung zu zahlen haben. Denn Sie werden in einem Ihrer wichtigsten Liebe Leserin, lieber Leser, endlich ist es soweit! Sie halten Ihre erste Ausgabe von „Food & Recht PRAXIS“, der neuen Kompaktzeit- schrift für die Lebens- mittelbranche, in Händen. Sie ergänzt die Kurznachrichten in „Food & Recht“ mit umfangreicheren Dar- stellungen, greift also Themen auf, die einer Vertiefung bedürfen. Sie als Abonnent von „Food & Recht“ erhal- ten diese Ausgabe zunächst kostenlos. Ab Herbst 2007 wollen wir Sie regelmäßiger über anwenderorientierte Problemlösun- gen mit weiteren Ausgaben von „Food & Recht PRAXIS“ informieren. Dieses Me- dium soll Sie ergänzend zu unserem Nachrichtendienst bei der Erledigung Ihrer täglichen Aufgaben unterstützen und Ihnen helfen, sich im lebensmittel- rechtlichen Vorschriftendschungel zu ori- entieren. Kompakt, auf den Punkt gebracht, verständlich und praxisnah. Das ist das Motto der Beiträge, so dass Sie das Gebotene unmittelbar verwerten können. Im Vordergrund stehen Tipps und Hinweise zu praktischen Problemlö- sungen lebensmittelrechtlicher Fragestel- lungen. Sie erfahren Hintergründe und erhalten Anleitungen und Ratschläge zur Umsetzung in der betrieblichen Praxis. Die erste Ausgabe beleuchtet aus unter- schiedlicher Sicht schwerpunktmäßig das Thema „Health Claims“. Wir möchten Sie an die Umsetzung der EU-Hygiene- anforderungen heranführen. Außerdem erhalten Sie wichtige Informationen zum Thema Verpackung. Wir wünschen Ihnen eine informative und angenehme Lektüre! Ihre Dieter Benecke • Dr. Sabine Görgen Lebensmittelrecht in der betrieblichen Anwendung Ausgabe Nr. 01 Mai 2007 Dieter Benecke Neue Rahmenbedingungen für das Werben mit der Gesundheit Die Health Claims-Verordnung erfordert Umdenken bei der Lebensmittelwerbung Von Sabine Görgen 1 4 7 9 12 15 18 21 Inhalt Schwerpunkt: Health Claims Neue Rahmenbedingungen Zulassungsverfahren Konsequenzen für die Produktgestaltung Interview mit G. Werner Überwachung: Konstruktive Mitarbeit Rückverfolgung in Lebensmittelunternehmen Weichmacher in Kunststoffverpackungen Flexibilität bei der Umsetzung des neuen Hygienerechts F OOD & R ECHT P RAXIS Sabine Görgen

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ImBereich der Lebensmittelwer-bung kommen gravierende Ände-rungen auf Sie zu. Denn nachdem

die neuen europäischen Regelungen imAmtsblatt der Europäischen Gemein-schaft Ende Dezember 2006 – bzw. inder korrigierten Fassung im Januar 2007(ABI. L 012, S. 3 –18, vom 18. 01. 2007)– veröffentlicht worden sind, ist dieHealth Claims-Verordnung EndeJanuar 2007 in Kraft getreten.Damit erfolgte der Startschuss für grund-legende Umwälzungen im Bereich derWerbung mit nährwert- und gesund-heitsbezogenen Aussagen; ein Prozess,der sich über mehrere Jahre hinziehenwird.

Worum geht es?Im Fokus stehen unter anderemAus-sagen wie „fettarm“, „hoher Ballast-stoffgehalt“, „zuckerfrei“, „leicht“oder „unterstützt und fördert denStoffwechsel“, „zur Stärkung IhrerAbwehrkräfte“. Ziel der Verordnungist es, die Bewerbung von Lebens-

mitteln innerhalb der Europäischen Ge-

mitteln mit solchen Aussagen zumNährwert und gesundheitlichen Vorzü-gen von Lebensmitteln innerhalb derEuropäischen Gemeinschaft zu verein-heitlichen und diese somit in allenMitgliedstaaten gleichen Regelungenzu unterwerfen. Insbesondere die wis-senschaftliche Bewertung nährwert-und gesundheitsbezogener Angabensoll europaweit einheitlich erfolgen.

Nährwert- und gesundheits-bezogene Aussagen sind in derZukunft grundsätzlich ersteinmal verboten.

So sehr diese Zielsetzung mit Beginnder Beratungen um diese Verordnungvor etwa drei Jahren auch erstrebens-wert gewesen sein mag, so hoch ist derPreis, den Sie als Lebensmittelunter-nehmen künftig für diese Vereinheitli-chung zu zahlen haben. Denn Siewerden in einem Ihrer wichtigsten

Marketinginstrumente, nämlich derWerbefreiheit, massiv beschränkt.

Liebe Leserin,lieber Leser,

endlich ist es soweit!Sie halten Ihre ersteAusgabe von „Food &Recht PRAXIS“, derneuen Kompaktzeit-schrift für die Lebens-mittelbranche, inHänden. Sie ergänztdie Kurznachrichten in„Food & Recht“ mitumfangreicheren Dar-stellungen, greift alsoThemen auf, die einerVertiefung bedürfen.

Sie als Abonnent von„Food & Recht“ erhal-ten diese Ausgabe zunächst kostenlos. AbHerbst 2007 wollen wir Sie regelmäßigerüber anwenderorientierte Problemlösun-gen mit weiteren Ausgaben von „Food &Recht PRAXIS“ informieren. Dieses Me-dium soll Sie ergänzend zu unseremNachrichtendienst bei der ErledigungIhrer täglichen Aufgaben unterstützenund Ihnen helfen, sich im lebensmittel-rechtlichen Vorschriftendschungel zu ori-entieren. Kompakt, auf den Punktgebracht, verständlich und praxisnah.Das ist das Motto der Beiträge, so dassSie das Gebotene unmittelbar verwertenkönnen. Im Vordergrund stehen Tippsund Hinweise zu praktischen Problemlö-sungen lebensmittelrechtlicher Fragestel-lungen. Sie erfahren Hintergründe underhalten Anleitungen und Ratschläge zurUmsetzung in der betrieblichen Praxis.

Die erste Ausgabe beleuchtet aus unter-schiedlicher Sicht schwerpunktmäßig dasThema „Health Claims“. Wir möchtenSie an die Umsetzung der EU-Hygiene-anforderungen heranführen. Außerdemerhalten Sie wichtige Informationen zumThema Verpackung.

Wir wünschen Ihnen eine informativeund angenehme Lektüre!

IhreDieter Benecke • Dr. Sabine Görgen

Lebensmittelrecht in der betrieblichen Anwendung

Ausgabe Nr. 01 Mai 2007

Dieter Benecke

Neue Rahmenbedingungen fürdas Werben mit der GesundheitDie Health Claims-Verordnung erfordert Umdenken beider Lebensmittelwerbung

Von Sabine Görgen

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InhaltSchwerpunkt: Health Claims

Neue RahmenbedingungenZulassungsverfahrenKonsequenzen für die ProduktgestaltungInterview mit G. WernerÜberwachung: Konstruktive Mitarbeit

Rückverfolgung in LebensmittelunternehmenWeichmacher in KunststoffverpackungenFlexibilität bei der Umsetzung des neuen Hygienerechts

FOOD & RECHT PRAXIS

Sabine Görgen

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Marketinginstrumente, nämlich derWerbefreiheit, massiv beschränkt.

Waren in der Vergangenheit die vonIhnen bzw. Ihrer Marketingabteilungentworfenen Aussagen mit nationalemLebensmittelrecht vereinbar und damitbislang erlaubt, ändert sich das künf-tig. Denn nährwert- und gesundheits-bezogeneAussagen sind in der Zukunftgrundsätzlich erst einmal verboten. Nurwenn sie den Bedingungen der Verord-nung entsprechen und nach den vorge-sehenen Verfahren zugelassen werden,sind sie erlaubt. Dabei geht es wohlge-merkt nicht umAussagen, die irrefüh-rend und/oder krankheitsbezogen sind.Daumenschrauben werden künftigvielmehr denjenigen Aussagen ange-legt, die zutreffende und wissenschaft-lich gesicherte Eigenschaften undWirkungen ausloben.

Was bedeutet das nun konkret?Sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten– also im Juli 2007 – ist die Verordnungvon allen Lebensmittelproduzenten an-zuwenden.Aufgrund ihrer Rechtsformals „Verordnung“ gelten die Regelun-gen in jedem Mitgliedstaat unmittel-bar. Nationales Recht ist daher nichtmehr anwendbar, soweit die Verord-nung diesbezüglich eine (entgegenste-hende) Regelung trifft.

Nach der Verordnung muss unterschie-den werden zwischen gesundheitsbe-zogenen Angaben und solchen Aus-sagen, die einen besonderen Nährwertdes betreffenden Lebensmittels heraus-stellen. Denn es gelten insoweit unter-

schiedliche Übergangsfristen und Zu-lassungsverfahren.

GesundheitsbezogeneAngabenDies sind unter anderemAngaben, diedie Bedeutung einer Substanz fürWachstum, Entwicklung und Körper-funktionen beschreiben (z. B. „beein-flusst Ihren Stoffwechsel positiv“).Für sie formuliert die Verordnung nurallgemeine Rahmenbedingungen undErmächtigungen, die in den kommen-den 3 – 4 Jahren erst noch ausgefülltwerden müssen.

Verordnung: leere Hülle

Insoweit ist die Verordnung eine weit-gehend leere Hülle. Diese Aussagensind in eine noch zu erarbeitende Ge-meinschaftsliste aufzunehmen. DieMitgliedstaaten haben hierzu ein JahrZeit, diese Listen mit den für sie gel-tenden Bedingungen und mit Hinwei-sen auf die entsprechende wissen-schaftliche Absicherung zusammenzu-stellen. Sodann wird nach Anhörungder Europäischen Behörde für Lebens-mittelsicherheit (EFSA) spätestensdrei Jahre nach Inkrafttreten der Ver-ordnung (etwa Januar 2010) die Ge-meinschaftsliste zulässiger gesundheits-bezogener Angaben verabschiedet.Nur die dort niedergelegten Aussagendürfen dann fortan noch verwendetwerden.

Bis zur Verabschiedung dieser Listedürfen die gesundheitsbezogenen An-gaben – wie bisher – weiter verwendet

werden. Es gelten also die schon heutezu beachtenden Maßstäbe und Grund-sätze, wie sie nach bestehendem natio-nalem Lebensmittelrecht entwickelt wur-den. Die Aussagen dürfen also nicht ir-reführend und nicht krankheitsbezogensein. Sie müssen den Anforderungendes § 11 Lebensmittel- und Futtermittel-gesetzbuch (LFGB) entsprechen, dem-zufolge also allgemein wissenschaftlichanerkannt sein und vom Durchschnitts-verbraucher richtig verstanden werden.

Daneben gibt es andere gesundheitsbe-zogene Angaben, die sich auf die Ver-ringerung eines Krankheitsrisikos be-ziehen (z. B. „hilft, Ihren Cholesterin-spiegel zu senken“). Für sie sieht dieVerordnung etwas anderes vor: Diebloße Meldung reicht hier nicht mehraus. Sie müssen demgegenüber eigensein besonderes Zulassungsverfahrendurchlaufen. Auch dafür sind mehrereJahre vorgesehen.

NährwertbezogeneAussagenLediglich für diese Aussagen besitztdie Verordnung bereits jetzt Relevanz.So regelt der Anhang (unter http://eur-lex.europa.eu im Internet abrufbar) derab Juli 2007 anzuwendenden Verord-nung die Bedingungen, unter denendie dort aufgeführten Aussagen oder

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Fakten + FristenFakten + Fristen• Veröffentlichung: Januar 2007

• Inkrafttreten: Januar 2007

• Anwendung: ab Juli 2007

• nährwertbezogene Angaben desAnhangs anzuwenden: ab Juli 2007Übergangsfrist: Ablauf des MHD,längstens bis Juli 2009

• gesundheitsbezogene Angaben:Erstellung einer Gemeinschaftslistebis Januar 2010, im Übrigeneigenständiges Zulassungsverfahren,voraussichtlich bis 2011, bis dahinAnwendung alten Rechts nach§§ 11, 12 LFGB

• Nährwertprofile zu entwickeln bisJanuar 2009.

B. BEHR’S...VERLAG, Hamburg

weniger FettCholesterinfrei mit Omega 3 und 6 Fettsäuren

Zuckerfrei kalorienreduziert

Harmonie fürKörper und SeeleLycopin in Tomaten stärkt die Abwehrkräfteenthält genauso viel Kalzium wie ein Glas Milch

verringert die Kalorienaufnahme

Hilft Ihrem Körper,mit Stress fertig zu werden

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gleichbedeutende Auslobungen ver-wendet werden dürfen. Beispielsweisedarf die Aussage „zuckerfrei“ nurverwendet werden, wenn das Produktnicht mehr als 0,5 g Zucker pro 100 gbzw. 100 ml enthält. MengenmäßigEntsprechendes gilt für die Auslobung„fettfrei“ oder „ohne Fett“. In diesemZusammenhang nicht mehr möglichist beispielsweise die Aussage „x %fettfrei“.

Allerdings bestehen zu Ihren Gunstenauch hier Übergangsfristen. Produkte,die vor Juli 2007 bereits in Verkehr ge-bracht oder gekennzeichnet worden sindund denVorgaben imAnhang nicht ent-sprechen, dürfen bis zumAblauf desMHD, längstens 30 Monate nach Ver-öffentlichung der Verordnung (also bisJuli 2009) noch mit der alten Auslo-bung in Verkehr gebracht werden.Danach hat eine Anpassung zuerfolgen.

Welche Bedeutung kommt den um-strittenen Nährwertprofilen zu?Betrachten Sie nun die so genanntenNährwertprofile. Was ist darunter zuverstehen? Der Verordnungsgeber istbeim Erlass der Regelungen davonausgegangen, dass Lebensmittel, diemit nährwert- und gesundheitsbezoge-nen Angaben beworben werden, vomVerbraucher grundsätzlich positiv be-wertet werden. Er wollte daher durchdie Formulierung vonVoraussetzungenfür die Nährstoffzusammensetzung derbeworbenen Lebensmittel sicherstel-len, dass die Verbraucher in dieser Er-wartungshaltung nicht getäuschtwerden, etwa weil ein Lebensmittel zu-viel Fett, Zucker oder Salz enthält. Umdiesem potenziell unerwünschten Effektentgegenzuwirken, sollen so genannteNährwertprofile entworfen werden.Anders ausgedrückt bedeutet dies: Nurwenn ein Erzeugnis das jeweilige Profil– wie auch immer es aussehen mag –erfüllt, darf es überhaupt mit nährwert-und gesundheitsbezogenenAussagenbeworben werden. Das kann nicht deut-lich genug gesagt werden.

Nährwertprofile sind künftigdas zentrale Thema.

Nur wenn ein Produkt künftig dieHürde der Nährwertprofile überwin-det, ist überhaupt noch Lebensmittel-werbung im vorgenannten Sinne –auch nach den Neuregelungen der Ver-ordnung – möglich. Allerdings lässtsich eine Ausnahme feststellen, die inder Verordnung bereits jetzt geregeltist: Die betreffende Werbung ist er-laubt, wenn nur ein einziger Nährstoffdas Nährstoffprofil übersteigt. Dafürmuss aber – quasi als Warnhinweis –auf diesen Nährstoff in unmittelbarerNähe zur nährwertbezogenen Angabehingewiesen werden, indem der beson-ders hohe Gehalt herausgestellt wird(z. B. „Hoher Gehalt an Zucker“).Weitere Ausnahmen können künftigfestgelegt werden.

Die Festlegung der Nährwertprofileliegt in den Händen von Kommission

und Mitgliedstaaten. Sie entscheidenauch über Ausnahmen. Die übrigenGruppen, wie EFSA, Lebensmittel-wirtschaft und Verbraucher werdenlediglich hierzu angehört. Es bleibtdaher abzuwarten, ob und für welcheLebensmittel/LebensmittelkategorienNährwertprofile vorgesehen werden.

Welche Überlegungen sollten Sieanstrengen?Auch wenn nach der Verordnung einerelativ lange Übergangszeit eingeplantist, sollten Sie sich schon jetzt einenÜberblick darüber verschaffen, wie Siekünftig im Bereich der Lebensmittel-werbung agieren wollen, um einerseitsden neuen rechtlichen Vorschriften ge-recht zu werden und andererseits nichtden Anschluss an den Markt zu verlie-ren.

Empfehlungen zurVorgehensweise:

1.Schritt:Verschaffen Sie sich einenÜberblick über die neuen gesetzli-chen Regelungen beispielsweisedurch Literatur und Seminarbesuche,oder durch Informationen IhresInteressenverbandes. Suchen Sie denErfahrungsaustausch mit Kollegen.

2.Schritt:Analysieren Sie den Be-stand der von Ihnen bislang ver-wendeten und künftig geplantenWerbeaussagen. Welcher Kategoriekönnen Sie diese zuordnen? Sinddie ausgelobten Eigenschaften undWirkungsweisen wissenschaftlichhinreichend belegt?

3.Schritt: Erstellen Sie vorab für dievon Ihnen beworbenen Produkteein eigenes Nährstoffprofil, indemSie – soweit möglich – die kritischenNährstoffe Fett, Zucker, Salz mitihrem Gehalt jeweils festhalten.

4.Schritt: Ziehen Sie bezüglich dieserkritischen Nährstoffe Alternativender Rezeptur in Erwägung.

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Sinnvolle Kriterienfür eine eventuelleProfilerstellung:

die Menge bestimmter Nährstoffeund anderer Substanzen, wie z. B.Fett, gesättigte Fettsäuren, Trans-Fettsäuren, Zucker und Salz/Na-trium,

die Rolle und Bedeutung des Le-bensmittels oder der Lebensmittel-kategorie,

der Beitrag, den diese Lebensmittelzur Ernährung der Bevölkerung all-gemein oder ggf. bestimmter Risi-kogruppen leistet,

die gesamte Nährwertzusammen-setzung des Lebensmittels,

das Vorhandensein von Nährstoffen,deren Wirkung auf die Gesundheitwissenschaftlich anerkannt ist.

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5. Schritt: Beteiligen Sie sich aktivan der Erstellung der betreffendenListen, indem Sie beispielsweisegesundheitsbezogene Angaben,deren Wirkung wissenschaftlichbelegt ist, weitergeben, z. B. anden BLL (Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V.).

Fazit:• Die Verwendung gesundheitsbezoge-ner Angaben richtet sich auch weiter-hin für einen Übergangszeitraum vonetwa drei Jahren nach den schon be-

stehenden Regelungen und Grund-sätzen der §§ 11, 12 LFGB.

• Nährwertbezogene Angaben müssenhingegen künftig den BedingungenimAnhang der Health Claims-Verord-nung entsprechen. Auch hier geltenallerdings Übergangsfristen vonmaximal zweieinhalb Jahren.

• Innerhalb eines Zeitraums von dreiJahren werden Nährwertprofile ent-worfen. Diese müssen – von wenigenAusnahmen abgesehen – eingehaltenwerden, damit Lebensmittel künftignoch mit nährwert- und gesundheits-

bezogenen Angaben beworben wer-den können.

Dr. Sabine Görgen

Rechtsanwältin, Bera-tung im Lebensmittel-recht, vorwiegend zuFragen der Lebens-mittelkennzeichnungund Hygiene sowie

Vertretung in lebensmittelrechtlichenOrdnungswidrigkeiten- und [email protected]

Seite 4B. BEHR’S...VERLAG, Hamburg

DieVerordnung (EG) Nr.1924/2006 über nährwert- undgesundheitsbezogene Anga-

ben über Lebensmittel (sog. „HealthClaims-Verordnung“) führt bei derKennzeichnung undWerbung mitHealth Claims das Verbotsprinzip mitErlaubnisvorbehalt ein. Danach dürfennur noch Angaben verwendet werden,die ausdrücklich durch die Verordnungzugelassen sind. Und da zukünftig, vonwenigen Ausnahmen abgesehen, zuge-lassene Claims von allen Lebensmittel-unternehmern genutzt werden dürfen,muss sich ein Lebensmittelunternehmen

genau überlegen, ob sich die notwendi-gen Investitionen für die Zulassungeiner Angabe wirtschaftlich lohnen.

Welche Zulassungsverfahrenwerden unterschieden?Die Verordnung legt für die verschiede-nen Arten von Claims unterschiedlicheZulassungsanforderungen fest (sieheAbbildung S. 5).

Während eine Liste zulässiger nähr-wertbezogener Angaben und die ent-sprechenden Anforderungen bereits imAnhang der Verordnung enthalten sind,

muss die Verordnung in Hinblick aufdie gesundheitsbezogenen Angabennoch mit Leben erfüllt werden.

1. Das „Listenverfahren“Das Gros der zulässigen gesundheits-bezogenen Angaben soll in den näch-sten drei Jahren über das so genannte„Listenverfahren“ zugelassen werden.Im Prinzip möchte man hier alle legalim Markt befindlichen Health Claimsnach wissenschaftlicher Prüfung durchdie Europäische Behörde für Lebens-mittelsicherheit (EFSA) auf einenSchlag zulassen. Dies sind vor allemAngaben zu (ernährungs-)physiologi-schen Eigenschaften von Nährstoffenoder anderen bioaktiven Stoffen (z. B.„Vitamin C und Vitamin E sind wich-tige Antioxidantien, die die Körperzel-len schützen“), aber auch zu psycho-logischen Funktionen (z. B. „Glukosesteigert die Konzentrationsfähigkeit“).Dazu sollen die Mitgliedstaaten biszum 31. Januar 2008 der EuropäischenKommission Listen von gesundheitsbe-zogenen Angaben übermitteln, die aufallgemein anerkannten wissenschaftli-chen Erkenntnissen beruhen und vomdurchschnittlichen Verbraucher richtigverstanden werden. Obwohl die Lebens-mittelindustrie bei diesemVerfahrenrein rechtlich nicht beteiligt werdenmuss, akzeptieren die MitgliedstaatenEingaben der betroffenen Unternehmen,die in die Länderlisten ggf. einfließenkönnen. Nach Anhörung der EFSA

Zulassung von Health Claims

Gesundheitsbezogene Angaben:künftig drei unterschiedlicheZulassungsverfahrenVon Bernd Haber

Gleich drei Verfahren sieht die Health Claims-Verordnung für die Zulas-sung gesundheitsbezogener Angaben vor. Die unterschiedlichen Ver-fahren basieren zwar auf dem gleichen Grundsatz, dass die Angabendurch allgemein anerkannte wissenschaftliche Nachweise abgesichertsein müssen, sind aber im Ablauf, in den zugrundezulegenden Daten undim zeitlichen Bedarf verschieden. Die Lebensmittelunternehmen müssendaher genau überlegen, welche Health Claims zukünftig für ihre Werbe-zwecke wichtig sind und inwiefern sie sich durch eigene Zulassungsak-tivitäten Werbemöglichkeiten eröffnen wollen.

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B. BEHR’S...VERLAG, HamburgSeite 5

FOOD & RECHT PRAXIS 01/07

wird dann nach demAusschussverfah-ren die Gemeinschaftsliste der zulässi-gen Angaben verabschiedet.

2. Das „beschleunigteVerfahren“Falls die so erhaltene Gemeinschafts-liste zulässiger gesundheitsbezogenerAngaben nicht vollständig ist, kann einLebensmittelunternehmer bei „neuen“wissenschaftlichen Nachweisen dieAufnahme von weiterenAngaben bean-tragen.Als „neu“ sind hier alle wissen-schaftlichen Nachweise zu verstehen,die nicht bereits Gegenstand der Prü-fung im „Listenverfahren“ waren. Fürsolche Health Claims ist ein beschleu-nigtes Zulassungsverfahren vorgese-hen, um Innovationen zu fördern. Nachwissenschaftlicher Prüfung des Antragsdurch die EFSA entscheidet die Kom-mission über die Aufnahme in dieGemeinschaftsliste der zulässigengesundheitsbezogenen Angaben. DieBeschleunigung in diesem Verfahrenliegt darin begründet, dass die Entschei-dung direkt von der Kommission ge-troffen wird und nicht, wie bei Anga-ben über die Verringerung von Krank-heitsrisiken, eine Einigung mit denMitgliedstaaten und dem Parlament er-zielt werden muss (sog. Ausschussver-fahren mit Kontrolle). Das gleiche ver-einfachte Verfahren wird angewendet,wenn ein Antrag auf Schutz von Stu-diendaten oder anderen schützenswer-ten Informationen gestellt wurde.

3. Das ZulassungsverfahrenDie bisher in der EU nicht zulässigenAngaben über die Verringerung vonKrankheitsrisiken unterliegen genausowie Angaben über die Entwicklungund Gesundheit von Kindern besonde-ren Anforderungen. Sie müssen dasumfassendste Verfahren durchlaufen.Die Anträge für die Zulassung dieserAngaben werden bei den Mitgliedstaa-ten gestellt. Nach eingehender wissen-schaftlicher Prüfung durch die EFSAund Vorschlag der Kommission füreine Entscheidung wird über das sogenannte Ausschussverfahren mit Kon-trolle über den Antrag entschieden.Diese „politische“ Einigung zwischenKommission und den Mitgliedstaatenmit Kontrolle durch das Parlament wirddas Verfahren im Vergleich zum „be-schleunigten Verfahren“ deutlich ver-längern.

Die Regelungen zu den Angaben überdie Entwicklung und Gesundheit vonKindern wurden auf Drängen des Par-lamentes in letzter Minute in die Ver-ordnung aufgenommen, ohne jedochklare Definitionen oder Übergangsvor-schriften für diese Angaben vorzuse-hen. Nach bisheriger Auslegung derKommission handelt es sich nur dannumAngaben über die Entwicklung undGesundheit von Kindern, wenn dasWort „Kinder“ in der Angabe auchverwendet wird.

WelcheAufgaben sind demnächstzu bewältigen?1. Eine der wichtigsten Aufgaben der

nächsten Monate wird die Erstellungder Gemeinschaftsliste der allge-mein anerkannten gesundheitsbezo-genen Angaben sein. Für die be-troffene Lebensmittelindustrie aberauch für die Zulieferindustrie ist esessenziell, dass diese Liste so um-fassend wie möglich sein wird.Letztendlich sollte sie ein Spiegel-bild dessen sein, was heute schonim Verkehr mit Lebensmitteln hin-sichtlich Gesundheit legal beworbenwird.

Liste so umfangreich wiemöglich.

Ein zu restriktiver Ansatz beider Prüfung durch die EFSA undbei der Festlegung der Gemein-schaftsliste durch die Mitgliedstaa-ten und die Kommission würde zuerheblichen Einschnitten bei beste-henden Produkten führen. Die betrof-fenen Unternehmen sollten sicher-stellen, dass ihre genutztenAngabenauf den von den europäischenDachverbänden der Lebensmittel-und Nahrungsergänzungsmittelin-dustrie und den daraus folgendenListen der nationalen Verbände(z. B. BLL) enthalten sind, oder siesollten eigene Eingaben bei denMitgliedstaaten planen.

2. Wenn absehbar ist, dass ein bestimm-ter Health Claim nicht auf der Ge-meinschaftsliste sein wird, da diewissenschaftliche Absicherung vorallem auf neuen, ggf. sogar aufeigenen noch nicht publiziertenDaten beruht, kann ab 1.7.2007 einAntrag auf Aufnahme der Angabein die Gemeinschaftsliste („be-schleunigtes Verfahren“) gestelltwerden. Taktisch wichtig kann essein, neue wissenschaftliche Erkennt-nisse für die Absicherung einer An-gabe zunächst nicht zu veröffentli-chen, um ggf. einen Antrag auf

Nährwert-bezogeneAngaben

ListezulässigerAngaben(Anhang)

Angaben zureduzier. Krank-

heitsrisiko

„Kinder-Claims“

Gesundheits-bezogene Angaben

Liste allg. anerkannterClaims/MS (Artikel 13)

Auf Basis allg. anerkannter

wissensch. Daten

Zulassungs-verfahren

EFSA & Ständ. LM-Ausschuss

(Artikel 15 ff.)

Andere (bas. auf neuen wiss. oder

geschützten Daten)

Nährwertprofile (Artikel 4)

Verbotene Angaben (Artikel 12)

beschleunigtesZulassungs-

verfahrenEFSA

(Artikel 18)

Übersicht zu den Zulassungswegen der verschiedenen Claims

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Viele offene Fragen –wenigeAntworten?

Die Verordnung wirft derzeit mehrFragen auf, als sie beantwortet.

• Wie wird z. B. die geplante Ge-meinschaftsliste der zulässigenHealth Claims einmal aussehen?Wann wird sie kommen? Reichendie personellen Kapazitäten bei derEFSA aus, um dieses Mammutpro-jekt zu bewältigen? Wird man sichnur auf den kleinsten gemeinsamenNenner zwischen umfassenderenund engen Listen einigen können?

• Welche Kriterien wird die EFSAbei der Überprüfung der wissen-schaftlichen Absicherung derHealth Claims anlegen? Werdennur Angaben zugelassen, bei denenKonsens innerhalb der wissen-schaftlichen Gemeinschaft bestehtoder wird man auch Angaben zu-lassen, die einen etwas tieferenGrad der wissenschaftlichen Absi-cherung haben?

• Sind die Anforderungen an die vor-zulegenden Daten für Angaben zurBedeutung eines Nährstoffes fürWachstum, Entwicklung und Kör-perfunktion genauso hoch anzule-gen wie für Angaben über die Re-duzierung eines Krankheitsrisikos?

Datenschutz stellen zu können.Falls dieser im Verfahren angenom-men wird, kann ein Antragstellerfür dieseAngabe eineAlleinstellungvon 5 Jahren erhalten.

UnternehmensinternerAustausch künftig nochwichtiger.

Daher ist es essenziell, dass sich dieverschiedenen Fachkompetenzeneines Unternehmens (z. B. Marke-ting, Wissenschaft, Zulassung) zu-künftig noch stärker austauschenund zusammenarbeiten, um ein opti-males Ergebnis für das Unterneh-men zu erlangen.

3.Die Verordnung eröffnet Lebens-mittelunternehmen zum ersten Maldie Möglichkeit, ZulassungsanträgezuAngaben über ein verringertesKrankheitsrisiko einzureichen (ab1.7.2007). Es deutet sich jetzt schonan, dass die Anforderungen an dieZulassung dieser Angaben amhöchsten sein werden. Man solltesich daher genau überlegen, ob essich wirtschaftlich wirklich lohnt,eine solche Angabe zuzulassen, danach erfolgreicher Zulassung desHealth Claims prinzipiell auch alleanderen Lebensmittelunternehmerdiese Angabe nutzen können.Darüber hinaus sollte man sich dieFrage stellen, ob überhaupt eine An-gabe über ein verringertes Krank-heitsrisiko benötigt wird. Verstehtder Verbraucher den Unterschiedzwischen den verschiedenen Artenvon Health Claims wirklich?

Wirtschaftlichen Nutzenkrankheitsbezogener Werbunggenau bedenken.

Eine Marketingstudie über das Ver-braucherverständnis zu HealthClaims kann hier eine sinnvolleInvestition sein, bevor man gegebe-nenfalls teure und langfristigehumane Interventionsstudien inAuftrag gibt.

Fazit:Ein Großteil der zukünftig zulässigengesundheitsbezogenen Angaben sollbis zum 31. Januar 2010 in Form einerGemeinschaftsliste erlassen werden.Damit wird das Ziel der Harmonisie-rung bei der Kennzeichnung undWer-bung mit gesundheitsbezogenen Anga-ben endlich erreicht werden. Da die zu-lässigen Health Claims von allen Le-bensmittelunternehmen gleichermaßengenutzt werden dürfen, werden vor al-lem auch kleine und mittelgroße Unter-nehmen, die keine kostspieligen Zulas-sungsverfahren finanzieren können,von dieser Gemeinschaftsliste profitie-ren. Für alle Unternehmen, die darüberhinausgehende Health Claims, insbe-

sondere auch Angaben zur Verringe-rung eines Krankheitsrisikos, nutzenwollen, stehen Einzelzulassungsverfah-ren zur Verfügung. Es gilt hierbei imVorfeld zu prüfen, ob man die Mög-lichkeit des Datenschutzes für Studiennutzen kann, um für eine begrenzteZeit von fünf Jahren einen zugelasse-nen Health Claim alleine nutzen zukönnen. Aber letztendlich können alleBemühungen zur Erlangung einesHealth Claims umsonst sein, wenn dasLebensmittel nicht den vorgegebenenNährwertprofilen entspricht. Und diesewerden wir erst 2009 erhalten. Wartenwir’s ab.

Dr. Bernd Haber

Staatlich geprüfter Le-bensmittelchemiker,BASF Aktiengesell-schaft, RegulatoryAffairs. Lebensmittel-rechtliche Betreuung

von Lebensmittelzusatzstoffen und er-nährungsphysiologisch wirksamen Stof-fen, Mitglied in verschiedenen natio-nalen und internationalenVerbändensowie wissenschaftlichen [email protected]

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B. BEHR’S...VERLAG, Hamburg

BEHR’S Seminar„Health and Nutrition Claims“Die Claims-Verordnung lässt erstmalig An-gaben mit einem Gesundheits- bzw. Krank-heitsbezug bei Lebensmitteln zu.Insbesondere die Ausgestaltung der Nähr-wertprofile wirft viele Fragen auf. Nur fürLebensmittel, die dem festgelegten Nähr-wertprofil entsprechen, darf mit gesund-heitsbezogenen Angaben geworben werden.Darüber hinaus muss immer eine Nährwert-kennzeichnung erfolgen und es dürfen nurdie in einer speziellen Liste hinterlegten For-mulierungen verwendet werden. „Prüfen Siejetzt welche Ihrer Produkte betroffen sindund ändern Sie ggf. die Zusammensetzung.Nur so haben Sie die Chance zukünftig ge-sundheitsbezogene Angaben verwenden zudürfen“, empfahl RAAndreas Meisterernstauf dem Behr’s Seminar „Health & NutritionClaims“.

Nächster Termin:am 12. Juni 2007 in Frankfurt/Main

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Galt bisher das Missbrauchs-prinzip für die Bewerbungvon Lebensmitteln, so wird

nun das Verbotsprinzip mit Erlaubnis-vorbehalt eingeführt. Dies klingt imersten Moment verwirrend oder unver-ständlich, ist aber im Lebensmittelbe-reich ein gängiges System. Danachsind alle Werbebehauptungen verbo-ten, es sei denn, sie haben eine aus-drückliche Zulassung. Diese Zulassungkann generisch durch Listen oder Ta-bellen oder durch Einzelzulassung aufAntrag erfolgen.

Claims im Stadium derBestandsaufnahme

Diese Listen der erlaubten Claims wer-den zurzeit mit allen betroffenen Krei-sen diskutiert und dann durch dieEuropäische Kommission erlassen.Dies ist nichts weiter als eine Bestands-aufnahme der gegenwärtigen Markt-situation mit vorgeschalteter Prüfungder wissenschaftlichen Substantiierungder einzelnen Werbeaussagen durchdie Mitgliedstaaten, die Kommissionund die EFSA (European Food SafetyAuthority).Über die Fachverbände und -organisa-tionen im Lebensmittelbereich erstelltdas Bundesamt für Verbraucherschutzund Lebensmittelsicherheit die „deut-sche Liste“ der anerkannten Werbebe-

hauptungen. Neue, bisher noch nichtgenutzte Werbebehauptungen könnenauf diesemWege keine Zulassung er-halten. In diesen Fällen ist das in derVerordnung festgelegte europäischeZulassungsverfahren im jeweiligen Ein-zelfall einzuleiten. Neben diesem Be-reich der Zulassung von Werbebehaup-tungen enthält die Verordnung aberauch eine Reihe von optionell-obliga-torischen Kennzeichnungsvorschriften.Dies bedeutet, dass je nach Art des ge-machten Claims verschiedene zusätzli-che Kennzeichnungselemente auf demEtikett aufzubringen sind. Bekannt istdieses Prinzip aus dem Bereich der

Nährwertkennzeichnung. Je nach Nähr-stoffbezug derWerbeaussage sind dieNährstoffe – Eiweiß, Kohlenhydrate,Fett und der Brennwert (Big 4) – oderzusätzlich dazu noch der Gehalt an ge-sättigten Fettsäuren, Salz, Zucker undBallaststoffen (Big 8) auf dem Etikettanzugeben. Die abschließenden Bedin-gungen für nährwertbezogene Anga-ben sind imAnhang der Verordnungbereits festgelegt. Zum Schluss, in sei-ner Bedeutung aber an erster Stelle ste-hend, ist die Neueinführung so genan-nter Nährwertprofile alsAusschlusskri-terium für jegliche nährwert- oder ge-sundheitsbezogeneWerbung zu nennen.

Maßnahmen bis Juli 2007

NährwertbezogeneAngabenDie Bedingungen für nährwertbezo-gene Angaben sind imAnhang derVerordnung festgelegt. Abweichungenvon diesen Bedingungen sind ab 31.Juli 2007 nicht mehr möglich. Ebensosind keine nährwertbezogenen Anga-ben mehr zulässig, die nicht ausdrück-lich im Anhang aufgeführt sind. EineÜberprüfung aller bisher genutztennährwertbezogenenAngaben auf Über-einstimmung mit den dort festgelegtenAnforderungen ist nötig. Eventuell er-forderliche Rezepturänderungen oderÄnderungen des Etiketts sind schnellst-möglich zu veranlassen.

Health Claims

Konsequenzen für die Produkt-gestaltung: Nährwertprofilesind entscheidendVon Michael Warburg

Im Januar 2007 ist die Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des EuropäischenParlaments und des Rates über nährwert- und gesundheitsbezogene An-gaben über Lebensmittel in Kraft getreten. Durch diese so genannte„Claims-Verordnung“ kommen erhebliche Mehrbelastungen auf die Le-bensmittelbranche zu. Ein erstes wichtiges Datum ist die Anwendbar-keit der Verordnung ab Juli 2007.

energiearm energiereduziert energiefrei

fettarm fettfrei/ohne Fett

arm an ges. Fettsäuren frei von ges. Fettsäuren

zuckerarm zuckerfrei ohne Zuckerzusatz

natriumarm/kochsalzarm sehr natriumarm/ natriumfrei/kochsalzfreikochsalzarm

Ballaststoffquelle hoher Ballaststoffgehalt

Proteinquelle hoher Proteingehalt

Vitamin/Mineralstoff- Vitamin/MineralstoffQuelle hoher Gehalt

enthält Nährstoff/ erhöhter Anteil an reduzierter Anteil anandere Substanz Nährstoff Nährstoff

leicht von Natur aus/natürlich

Tabelle 1: Abschließende Tabelle aller zulässigen nährwertbezogenen Angaben(Bedingungen für die Verwendung sind in der Anlage der Verordnung aufgeführt)

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Nährwertbezogene Angaben, die nichtin der Liste aufgeführt sind – wie An-gaben zum Cholesteringehalt – dürfennur noch während einer Übergangsfristbis 19. Januar 2010 genutzt werden.Besteht an einer weiteren Nutzung In-teresse, so ist durch die nationalen undeuropäischen Fachverbände eine Ergän-zung der Liste mit den nährwertbezo-genen Angaben zu initiieren.

GesundheitsbezogeneAngabenGesundheitsbezogene Angaben dürfenin ihrer bisher genutzten und den ein-zelstaatlichenVorschriften entsprechen-den Form weiter verwendet werden biszum Erlass der „Health Claims-Liste“nach Artikel 13 der Verordnung. Fürdie beiden anderen Kategorien derKrankheitsrisiko-Reduktions-Claimsund der Claims, die sich auf die Ent-wicklung und Gesundheit von Kindernbeziehen, sind keine Übergangsfristenvorgesehen. Bei gesundheitsbezogen-en Claims ist sicherzustellen, dass dieweiteren Kennzeichnungselemente, diebei Verwendung derartiger Claims vor-geschrieben sind, auch rechtzeitig in dasArtwork aufgenommen werden. Diessind insbesondere die Hinweise auf dieBedeutung einer ausgewogenen Ernäh-

rung, Informationen zur Menge desLebensmittels für die behauptete posi-tive Wirkung, die Big 8 und ggf. Warn-hinweise für bestimmte Personen oderPersonengruppen.

Angaben über das allgemeineWohlbefindenDerartige Angaben wie „hilft Dir, Dichfit zu fühlen“ oder „vital durch denTag“

müssen durch eine gesundheitsbezo-gene Angabe, wie zuvor beschrieben,ergänzt werden. Der kausale Zusam-menhang zwischen den allgemeinenWellbeing-Claims und der gesundheits-bezogenen Angabe ist nicht zwingend.

Angereicherte LebensmittelIn diesem Fall handelt es sich nicht umkennzeichnungsbezogene Regelungen.

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Gesättigte FettsäurenGehalt als Ausschlusskriteriumfür Claims (Bewertungsgrenze)

– % der Energie (generisch) oder (> 15)

– % an Gesamtfett (generisch) (> 33)

– g/100 g Kategorie Käse (> 15)

Salz

– mg/kcal (generisch) (> 1,6)

– mg/kg Kategorie Suppen (> 360)

– mg/kg Kategorie Soßen (> 540)

Zucker

– % der Energie (generisch) oder (> 25)– g/100 g zugesetzter Zucker (generisch) (> 7)

………

………

Mineralstoffe

- mg/100 ml Calcium in Milchprodukten (< 160)

Tabelle 2: Möglicher Aufbau eines Nährwertprofiles, welches auf Bewertungsgrenzen beruht

Nährwertbezogene Angaben:

• müssen den Vorgaben des Anhangsder Verordnung entsprechen.

• Der Nährstoff muss im Endprodukt– in signifikanter Menge enthalten sein,– im verzehrsfertigen Lebensmittel bio-verfügbar und in einer üblicherweiseverzehrten Menge des Lebensmittelsenthalten sein.

• Die Angaben dürfen– nicht falsch, mehrdeutig, irreführendsein,

– keine Zweifel über die Sicherheit/Eignung anderer Lebensmittel wecken,

– nicht zum übermäßigen Verzehrermutigen,

– keine Zweifel über den Wert einerausgewogenen Ernährung erwecken.

• Ein Vergleich mit anderen Lebensmit-teln ist nur innerhalb der gleichen Le-bensmittel-Kategorie entsprechend derNährwertprofile möglich.

Gesundheitsbezogene Angaben:

• müssen in einer Liste (sog. Art.13-Liste) enthalten sein, die noch zuerstellen ist.Bisher rechtlich zulässige Angabenkönnen bis zur Verabschiedung derArt.13-Listen bzw. der Nährwertprofileweiter angegeben werden (ca. 3 Jahre).

• Zusätzliche Kennzeichnungselementeerforderlich:– Hinweis auf die Bedeutung einer ab-wechslungsreichen und ausgewoge-nen Ernährung und einer gesundenLebensweise

– Information zur Menge des Lebens-mittels für die behauptete positiveWirkung

– ggf. Warnhinweise (für Personen, diedas Lebensmittel nicht verzehrensollten oder für die Risiken bei übermäßigem Verzehr bestehen)

– Angabe der Big 8

Angereicherte Lebensmittel:

Änderung derNährwertkennzeichnung

Angabe der Big 8

Angaben über allgemeinesWohlbefinden

müssen durch eine gesundheitsbezogeneAngabe ergänzt werden; Bedingungen fürderartige Angaben müssen erfüllt sein.

Tabelle 3: Bedingungen für Produkte, die ab Juli 2007 produziert werden

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Hier wird eine Kategorie von Lebens-mitteln mit einer zusätzlichen Kenn-zeichnungsverpflichtung belegt. Beiangereicherten Lebensmitteln ist abJuli 2007 die Angabe der Big 8 vorge-schrieben. Es ist nicht ausschlaggebend,ob eine nach bisheriger Regelung derNährwertkennzeichnung auslösendeWerbebehauptung gemacht wird.

NährwertprofileFür fast alle nährwertbezogenen undgesundheitsbezogenen Angaben ist dieErfüllung der Anforderungen der nochzu erstellenden Nährwertprofile Vor-aussetzung. Bei Nichterfüllen der Pro-file werdenWerbeaussagen nicht mehrmöglich sein.

Hürde: Nährwertprofile

„Durch die Anwendung der Nährwert-profile soll vermieden werden, dassWerbeaussagen den Ernährungsstatuseines Lebensmittels verschleiern undso den Verbraucher irreführen können,wenn dieser bemüht ist, sich ausgewo-gen zu ernähren. Die vorgesehenenNährwertprofile sollten einzig demZweck dienen, festzulegen, unter wel-chen Voraussetzungen nährwert- undgesundheitsbezogeneAngaben gemachtwerden dürfen. Sie sollten jedoch auchProduktinnovationen ermöglichen …“(Erwägungsgrund 11 der Verordnung).All diese Anforderungen zu erfüllenwird Aufgabe derer sein, die diese Pro-file zu erstellen haben. Zur Vorberei-tung der Arbeiten werden auf jeweilsnationaler Ebene Vorschläge und Kon-zepte erarbeitet. In Deutschland ist dasBundesinstitut für Risikobewertung inBerlin mit dieser Aufgabe betraut.

Konzipierung von „passenden“Nährwertprofilen.

Zum jetzigen Zeitpunkt zu prognosti-zieren, welches Konzept den zukünfti-gen Profilen zugrunde liegen wird, istkaum möglich. Eine Abwägung andieser Stelle sei aber erlaubt.

Um die Forderung nach Transparenz,Verständlichkeit, Angemessenheit undPraktikabilität zu erfüllen, dürfte nurein System in Frage kommen, welchesauf der Festlegung von Bewertungs-grenzen für Nährstoffe beruht, die zur-zeit in der öffentlichen Gesundheits-diskussion stehen. Dies sind insbeson-dere gesättigte Fettsäuren und Trans-fettsäuren sowie Zucker und Kochsalz.Die Werte sollten generisch für alleLebensmittel festgelegt werden mitder Option, für bestimmte Lebensmittel-kategorien abweichend Werte zuerlassen.

Fazit:Die ersten Änderungen aufgrund derRegelungen der „Claims-Verordnung“sind ab Juli 2007 umzusetzen. Die ta-bellarische Übersicht (Tabelle 3) sollteals Leitfaden zur Überprüfung des ei-genen Portfolios zugrunde gelegt wer-den. Hinsichtlich der Erstellung derNährwertprofile ist eine aktive Teil-nahme an den anstehenden Diskussio-nen auf nationaler und europäischerEbene erforderlich. Dies sollte vor-nehmlich durch die entsprechenden

Fachverbände erfolgen. Es kann nichtoft und deutlich genug auf die Bedeu-tung der „passenden“ Nährwertprofileaufmerksam gemacht werden. DieGrundsatzentscheidung über die mög-liche Bewerbung von Lebensmittelnwird hier getroffen.

Michael Warburg

Lebensmittelchemiker,Unilever Deutschland,Hamburg, AbteilungNutrition, Health andRegulatory Affairs.

Betreuung der Unilever Produkte inDeutschland insbesondere hinsichtlichder Etikettierung (Zutatenverzeich-nisse, Nährwerte, Claims), der jeweili-gen wissenschaftlichen Absicherungder Werbeaussagen sowie der fachli-chen Vertretung in externen [email protected]

Herr Werner, die EG-Claims-Verord-nung 1924/2006/EG ist seit dem 19.Januar 2007 in Kraft, welche Erwar-tungen verbindet die deutsche Milch-industrie mit der Verordnung?

G.Werner:Wir sehen die Verordnungmit einem lachenden und einem wei-

nenden Auge: Der Anhang der Verord-nung über die nährwertbezogenen An-gaben auf Lebensmitteln erweitert dieWerbung mit diesenAngaben für Milch-produkte. Gleichzeitig wird damit derweltweite Codex-Standard für Werbe-behauptungen in der EU angewendet.Dies ist ein großer Fortschritt gegen-

Health Claims

„Die Claims-Verordnung zurRegelung vonWerbebehauptun-gen ist nicht unproblematisch“Interview mit Rechtsanwalt Gernot Werner, Milchindustrie-Verband Bonn

Milcherzeugnisse stehen bei der gesundheitsbezogenen Werbung imVordergrund. Dies gilt vor allem wegen ihrer ausgewogenen Inhaltsstoffe,die in der Ernährung positive Wirkungen aufweisen. Rechtsanwalt Ger-not Werner, Milchindustrie-Verband, erläutert die Bedeutung der EG-Claims-Verordnung für die Milchindustrie.

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über der bisherigen Rechtslage. Ande-rerseits wird für die gesundheitsbezo-genen Claims eine Positivliste aufge-stellt und für darüber hinaus gehendegesundheitsbezogene Werbebehaup-tungen ein bürokratisches Verfahreneingeführt, das die Unternehmen einemerheblichen Aufwand für solche Wer-bebehauptungen unterwirft. Allerdingsbietet die Positivliste den Unterneh-men auch eine gewisse Chance fürgesundheitsbezogene Werbebehaup-tungen.

Damit scheint doch im Großen undGanzen die Claims-Verordnung Vor-teile für die Milchwirtschaft zu bieten?

G.Werner: Auf den ersten Blick siehtdies so aus. Tatsächlich aber wirft derVerordnungstext wegen seiner unkla-ren Formulierungen in Artikel 4 zurAnwendung der Nährwertprofile er-hebliche Probleme auf. Unverständlichist darüber hinaus, warumArtikel 2keine Definition der Nährwertprofileenthält. Damit hätten Unklarheitenvermieden werden können. Artikel 4enthält stattdessen nur eine vage Um-schreibung der Nährwertprofile undeine große Anzahl von unbestimmtenRechtsbegriffen. Die zentrale Frage,ob Nährwertprofile zwingend für jedesLebensmittel zu erstellen sind, umnährwert- oder gesundheitsbezogeneClaims verwenden zu können, ist nichtklar gelöst.

Welche Notwendigkeit sieht denn derMilchindustrie-Verband hinsichtlichder Festlegung von Nährwertprofilen?Teilen Sie die Auffassung, dass zumin-dest für bestimmte Naturprodukte –wie z. B. die Milch – keine Nährwert-profile festgelegt werden sollten?

G.Werner: Der Milchindustrie-Ver-band tendiert mit dem Bundesinstitutfür Risikobewertung (BfR) dahin, dieRegelung des Artikel 4 der Verordnungso zu interpretieren, dass nicht zwin-gend für jedes Lebensmittel Nährwert-profile aufgestellt werden müssen, umClaims angeben zu können. Wir mei-nen, dass Nährwertprofile für Lebens-

mittel natürlicher ZusammensetzungimWesentlichen überflüssig sind undinterpretieren Artikel 4 Abs. 1 auch inVerbindung mit den Ausnahmen so,dass nur für bestimmte LebensmittelNährwertprofile aufzustellen sind.

Für welche Milchprodukte könnten Siesich denn Nährwertprofile vorstellen?

G.Werner:Milch und Milcherzeug-nisse weisen in der Regel einen hohenGehalt an Proteinen und Mineralstof-fen auf, z. B. insbesondere Calcium.Der Fettgehalt wird jedoch beim Her-stellungsprozess unterschiedlich einge-stellt. Ein hoher Fettgehalt könntedeshalb problematisch sein und die Er-stellung von Nährwertprofilen rechtfer-tigen. Allerdings sieht Artikel 4 vor,dass die Abweichung eines problemati-schen Inhaltsstoffes hinnehmbar ist, so-fern hierauf hingewiesen wird. Deshalbhalten wir Nährwertprofile dann fürsinnvoll, wenn eine wesentliche Erhö-hung von mehreren problematischenoder ein Fehlen von notwendigen In-haltsstoffen vorliegen.

Wird es aus Ihrer Sicht gelingen, inner-halb des nach der Verordnung vorgese-henen Zeitraumes Nährwertprofilefestzulegen?Wie sehen Sie die Rolleder EG-Kommission hierbei?

G.Werner: In diesem Zusammenhangist der EG-Kommission der Vorwurf zumachen, dass sie zwar innerhalb von2 Jahren diese Nährwertprofile aufge-stellt haben will, aber in den vergange-nen 3 ½ Jahren der Verordnungs-beratung bis zur Verabschiedung esunterlassen hat, zumindest Muster für

solche Nährwertprofile zu entwickeln,um ihre Vorstellungen zu konkretisie-ren. Wir glauben im Übrigen nicht,dass es der EG-Kommission mit derEFSA gelingen wird, innerhalb von2 Jahren Nährwertprofile für alle Le-bensmittel aufzustellen.

Welche Schritte ergreift die Milchindu-strie, um vorbereitend für die Erstel-lung von Nährwertprofilen tätig zuwerden?

G.Werner: Trotz unserer zurückhal-tenden Auffassung zu Nährwertprofi-len arbeiten wir sowohl national alsauch im Europäischen Milchindustrie-Verband in Brüssel, EDA, an denGrundlagen für die Erstellung vonNährwertprofilen. EDA bereitet derzeiteine Liste von Milcherzeugnissen vor,die Claims tragen können und ist ander Erstellung europäischer Listen fürgesundheitsbezogene Claims beteiligt.

Können Sie uns vielleicht schon jetztimVorgriff auf diese Listen beispielhaftdaraus Milcherzeugnisse nennen, fürdie Claims relevant werden?

G.Werner:Milcherzeugnisse stehenbei der gesundheitsbezogenenWerbungimVordergrund. Dies gilt vor allemwegen ihrer ausgewogenen Inhaltsstof-fe, die in der Ernährung positive Wir-kungen aufweisen. Dementsprechendwerden voraussichtlich mit Mikroorga-nismenkulturen fermentierte Milchpro-dukte und Käse in dieser zweifachenHinsicht im Mittelpunkt stehen. Aberauch Konsummilch und Milchmisch-getränke haben solche Vorteile. DerKatalog wird sich sicher noch ausweiten.

Dennoch sehen wir ein Problem darin,vorauseilendWeichen für Nährwert-profile zu stellen. Im Detail wird dabeisichtbar, dass unterschiedliche wissen-schaftliche Bewertungen der Wirkungvon Inhaltsstoffen Diskussionen auslö-sen werden. Ziel müssen EU-einheitli-che Nährwertprofile sein. Dies ist inAnbetracht der unterschiedlichen Er-

„Der Verordnungsvorschlagwirft wegen seinerunklaren Formulie-rung insbesonderezur Anwendung derNährwertprofile er-hebliche Problemeauf.“

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nährungsgewohnheiten in den Mit-gliedsstaaten schwierig, wenn nichtsogar unmöglich.

Wo sehen Sie hier konkret Probleme fürdie Milchwirtschaft?

G.Werner: Als Beispiel könnenMilchprodukte mit einem höherenMilchfettanteil dienen. Hier ist zu-nächst zu klären, welche Bedeutungdem Milchfett mit einem wesentlichenAnteil an gesättigten Fettsäuren zu-kommt und wie dies imVerhältnis zuden anderen Milchinhaltsstoffen, z. B.Eiweiß, Calcium und anderen Mineral-stoffen zu sehen ist. Hier sind wir derAuffassung, dass zunächst die imAn-hang zur Verordnung festgelegten Ge-halte für nährwertbezogene Angabeneinen Maßstab für die Bewertung vonInhaltsstoffen setzen. Die wissen-schaftlichen Bewertungen der Bedeu-tung bestimmter Fette und ihrer Aus-wirkungen auf die Gesundheit sind imWandel begriffen. Zum anderen ist diehohe Energieaufnahme der Bevölke-rung insgesamt als kritisch zu sehen.Damit geht es aber um die Verwirkli-chung gesundheitspolitischer Ziele, diedie Verordnung kaum leisten kann. Wirsind derAuffassung, dass gleiche Sach-verhalte gleich zu behandeln sind unddamit gleiche Inhaltsstoffe, z. B. Fette,nicht gegeneinander ausgespielt wer-den können.

Können Sie schon jetzt bestimmteMilcherzeugnisse nennen, die aller Vor-aussicht nach ein ungünstiges Nähr-wertprofil aufweisen könnten?

G.Werner:Wie ich bereits oben dar-legte, wird bei Milcherzeugnissen vor-aussichtlich nur ein Milchinhaltsstoffhöhere Werte einnehmen und z. B. beiMilchfett damit gegebenenfalls proble-matisch sein. Beispiel hierfür ist Butter.Claims werden deshalb bei Butter nurbegrenzt zur Anwendung kommen.Parallel gilt dies auch für Margarine.Andererseits weist Hartkäse mit hohemFettgehalt in der Trockenmasse aucheinen hohen Eiweißgehalt auf. Außer-

dem sinkt in der Regel die tägliche Ver-zehrsmenge mit dem Gehalt an fett-freier Trockenmasse in Hartkäse. Auchdies ist in Verbindung mit Nährwert-profilen zu berücksichtigen. Dement-sprechend tritt der Vorteil des hohenEiweißgehaltes gegenüber dem Fettge-halt in den Vordergrund.

Wie sehen Sie die künftige Anwendungder Verordnung in der Praxis derWer-bung für Milchprodukte?

G.Werner: Zunächst einmal sindwegen der Übergangsfristen der Ver-ordnung die aktuellen Claims auf denVerpackungen in der Regel nicht anzu-passen. Ein Problem stellt allerdingsdie Anwendung des Anhangs der Ver-ordnung dar:Ist man der Auffassung, dass Nähr-wertprofile Voraussetzung für die Auf-nahme neuer Claims auf den Verpack-ungen sind, dann können die nährwert-bezogenen Angaben des Anhangs erstdann verwendet werden, wenn solcheNährwertprofile vorliegen. Dies würdezu einem jahrelangen Verzug bei derAnwendung dieser Angaben führen.Wir sind dagegen der Auffassung, dassdiese Angaben bereits heute verwendetwerden können, wenn die gestelltenBedingungen erfüllt werden.

Wie beurteilen Sie deshalb die Verord-nung insgesamt?

G.Werner: Einer Claims-Verordnungzur Regelung vonWerbebehauptungenhätte es nicht bedurft. Das vorliegendeWerk schafft sowohl für die Wirtschaftals auch für die Verwaltung erheblichenAufwand, ohne dass ein wesentlicherVorteil für den innergemeinschaftli-chen Handel zu sehen wäre. Nach wievor stehen die nationalen Gewohnhei-

ten der Verbraucher imVordergrund,die eine länderübergreifende Anwen-dung vonWerbebehauptungen be-schränken werden. Damit wird auch inZukunft jedes Unternehmen prüfenmüssen, ob die im Herkunftsland ver-wendete Kennzeichnung im Empfangs-land unverändert bleiben kann. Diesprachlichen und traditionellen Eigen-heiten in den Mitgliedstaaten solltensich durch diese Verordnung nicht be-seitigen lassen müssen.

Befürwortet die Milchindustrie eine ge-nerell verpflichtende Nährwertkenn-zeichnung?

G.Werner: Ja, der Trend des Gesetz-gebers scheint zum einen in dieseRichtung zu gehen. Zum anderen tragenbereits viele Milchprodukte die Nähr-wertkennzeichnung. Schließlich gibt esfür Milchprodukte eine zwingendeFettgehaltsdeklaration. Durch eine ver-pflichtende Nährwertkennzeichnungwerden die anderen Produkte daher fürden Verbraucher hinsichtlich der Nähr-wertgehalte künftig vergleichbar.

GernotWerner ist Rechtsanwalt undals Geschäftsführer beim Milchindu-strie-Verband e. V., Bonn, tätig. Dortbeschäftigt er sich schwerpunktmäßigmit Fragen des nationalen und interna-tionalen Rechts speziell zu Butter undMilchfetterzeugnissen sowie [email protected]

Interview: Dr. Sabine Görgen

Nährwertprofile sind für Lebensmit-tel natürlicher Zusammensetzung imWesentlichen überflüssig. Bei Milch-erzeugnissen könnten solche miteinem hohen Milchfettanteil proble-matisch werden.

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Esist bezeichnend für denWer-degang dieser Verordnung, dassdie zunächst veröffentlichte Ver-

sion nicht der vom Parlament und Ratverabschiedeten Fassung entsprach.Diese rechtsverbindliche Fassungwurde schließlich als „Berichtigung“imAmtsblatt der EU Nr. L 12 vom18. Januar 2007 publiziert.Ziel der Verordnung ist die Harmoni-sierung nationaler Vorschriften derMitgliedstaaten in Bezug auf nähr-wert- und gesundheitsbezogene Anga-ben für Lebensmittel. Die Verordnungleistet damit einen Beitrag zumAbbauvon Handelshemmnissen und zur wei-teren Stärkung des Binnenmarktes.Weitere Ziele sind die Verbesserungdes Verbraucherschutzes durch sachge-rechte und wahrheitsgetreue Informa-tion über die Zusammensetzung vonLebensmitteln und ihre Bedeutung fürdie Gesundheit des Menschen sowieeine hohe Rechtssicherheit bei der An-wendung der „Claims“, sowohl für dieWirtschaft als auch auf Seiten derÜberwachung.

„Verbotsprinzip mitErlaubnisvorbehalt“

Zum Erreichen dieser legitimen undzu unterstützenden Ziele sollen Listendienen, die – in der Regel abschlie-

ßend – die zulässigen nährwert- undgesundheitsbezogenen Angaben ent-halten. Dieses „Verbotsprinzip mitErlaubnisvorbehalt“ hat sich im Zu-satzstoffrecht bewährt, ist jedoch imBezeichnungsrecht bisher nicht üblichund schränkt die Kreativität in der Be-werbung von Lebensmitteln durchausein.

Obwohl veröffentlicht und ab dem01.07.2007 in Kraft, ist die Verord-nung „noch nicht richtig fertig“. Fürwesentliche Regelungen ist zwar dieRichtung vorgegeben, die Inhalte müs-sen jedoch noch erarbeitet werden.Dies betrifft vor allem die Auswahlkri-terien für diejenigen Lebensmittel, dievon der Verwendung der geregeltenAngaben ausgeschlossen werden sol-len (Nährwertprofile) sowie die inhalt-liche Gestaltung der gesundheitsbezo-genen Angaben. Für eine endgültigeBewertung der Vorschrift ist es deshalbnoch zu früh.

NährwertbezogeneAngabenNährwertbezogene Angaben sind alleAngaben, die zumAusdruck bringen,dass ein Lebensmittel besondere posi-tive Nährwerteigenschaften besitzt.Dies kann daraus resultieren, dass En-ergie, Nährstoffe oder andere Substan-zen enthalten, vermehrt oder vermindertenthalten oder nicht enthalten sind. Die

zulässigen nährwertbezogenen Anga-ben sowie die daran gebundenen Vor-aussetzungen sind abschließend imAnhang der Verordnung aufgeführt.Da diese Voraussetzungen in nahezuallen Fällen mit konkreten Zahlen un-terlegt sind, gibt es für die Verwendungdieser Angaben in der Regel keinenAuslegungsspielraum. Wenn beispiels-weise ein Lebensmittel nicht mehr als0,5 g Fett je 100 g (oder 100 ml) ent-hält, darf es als „fettfrei“ bzw. „ohneFett“ ausgelobt werden, ansonsten ebennicht. Das ist eindeutig, wenn mandavon ausgeht, dass es für diese abso-luten Werte keine „Toleranzen“ gibt.In zwei Fällen ist diese Eindeutigkeitso nicht gegeben.

Der Begriff der Lebensmittel-kategorie ist nicht definiert.

Der erste betrifft vergleichende nähr-wertbezogene Angaben (energieredu-ziert, erhöhter ...anteil, reduzierter...anteil). Dort muss die Zusammenset-zung des beworbenen Lebensmittelsmit einer Reihe von anderen Lebens-mitteln derselben Kategorie, die dieseBewerbung nicht verdienen (darunterauch Erzeugnisse anderer Marken),

Health Claims

Konstruktive Mitarbeit derÜberwachung im Umgang mitder Verordnung beabsichtigtVon Friedrich Gründig

Am 30. Dezember 2006 erschien im Amtsblatt der Europäischen Union dieVerordnung (EG) Nr. 1924/2006 vom 20. Dezember 2006 über nährwert-und gesundheitsbezogene Angaben über Lebensmittel. Damit wurde nachnahezu endlosen und sehr kontrovers geführten Diskussionen eine deram meisten umstrittenen lebensmittelrechtlichen Vorschriften der Ge-meinschaft veröffentlicht. Im Folgenden soll die Verordnung aus Sicht deramtlichen Lebensmittelüberwachung bewertet und auf mögliche Pro-bleme bei deren Anwendung hingewiesen werden.

Zu den „Nährstoffen“gehören

Proteine

Kohlenhydrate

Fette

Ballaststoffe

Vitamine

Mineralstoffe(einschließlich Natrium)

„Andere Substanzen“ sind Stoffe(außer Nährstoffe), die eine

ernährungsbezogene oder

physiologische Wirkung haben.

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verglichen werden. Nicht definiert istder Begriff „Lebensmittelkategorie“,also derjenigen Erzeugnisse oder Er-zeugnisgruppen, die in den Vergleicheinbezogen werden müssen. Hier wer-den vor allem warenkundliche Aspektezu berücksichtigen sein.

Nur allgemeine Anforderungenan die Bewerbung der „anderenSubstanzen“.

Problematisch ist zweitens die Angabe„enthält (Nährstoff oder andere Sub-stanz)“. Hier können naturgemäßkeine konkreten Zahlen aufgeführtwerden, da dieser Claim alle nicht spe-ziell genannten sonstigen „Nährstoffebzw. anderen Substanzen“ einbezieht.Eine derartige Angabe (z. B. „enthältPolyphenole“) muss sich an den allge-meinen Bedingungen des Art. 5 mes-sen lassen, d. h. der beworbene Stoffmuss im verzehrfertigen Lebensmittelvor allem in ausreichender Menge ent-halten und bioverfügbar sein. Und na-türlich muss er ein Nährstoff (dies isteindeutig) oder eine „andere Sub-stanz“ sein, also eine ernährungsbezo-gene (Was ist das?) oder physiolo-gische Wirkung haben.

GesundheitsbezogeneAngabenGesundheitsbezogene Angaben sindalle Angaben, die zumAusdruck brin-gen, dass ein Zusammenhang zwi-schen einem Lebensmittel (einerLebensmittelkategorie, einem Lebens-mittelbestandteil) einerseits und derGesundheit andererseits besteht. Alsbesondere Form gehören dazu auch

• „Angaben über die Reduzierungeines Krankheitsrisikos“. Daruntersind Angaben zu verstehen, die zumAusdruck bringen, dass der Verzehreines Lebensmittels (einer Lebens-mittelkategorie, eines Lebensmittel-bestandteils) einen Risikofaktor fürdie Entwicklung einer Krankheitdeutlich senkt. An diese Kategoriewerden besonders hohe Anforderun-gen gestellt.

• Die gleichen hohen Anforderungengelten auch für „Angaben über dieEntwicklung und die Gesundheitvon Kindern“. Für diese gibt es inder Verordnung jedoch keineLegaldefinition.

Gesundheitsbezogene Angaben sinddann zulässig, wenn sie in Gemein-schaftslisten aufgenommen wordensind. Letztlich werden also auch dieseAngaben abschließend geregelt.Dabei werden zwei Listen unterschie-den: einerseits die Liste für AngabennachArt. 13 (andere gesundheitsbezo-gene Angaben als Angaben zur Redu-zierung eines Krankheitsrisikos sowiedie Entwicklung und die Gesundheitvon Kindern) und andererseits dieListe für Angaben nachArt. 14 (An-gaben zur Verringerung eines Krank-heitsrisikos sowie Angaben über dieEntwicklung und die Gesundheit vonKindern).

DieAngaben nachArt. 13umfassen:

• die Bedeutung von Nährstoffenoder anderen Substanzen fürWachstum, Entwicklung undKörperfunktionen,

• psychische Funktionen oderVerhaltensfunktionen,

• schlankmachende oder gewichts-kontrollierende Eigenschaften vonLebensmitteln (Verringerung desHungergefühls, Verstärkung desSättigungsgefühls).

Grundsätzlich nicht zulässig sinddabeiAngaben

• die den Eindruck erwecken, durchden Verzicht auf das Lebensmittelkönne die Gesundheitbeeinträchtigt werden,

• über Dauer und Ausmaß derGewichtsabnahme,

• die auf Empfehlung von einzelnenÄrzten oder Vertreternmedizinischer Berufe beruhen.

Zur Erstellung dieser Liste übermittelndie Mitgliedstaaten bis zum 31. 01. 2008die entsprechenden nationalen Claimsmit Hinweisen auf deren wissenschaft-liche Absicherung an die Kommission.Nach Anhörung durch die EuropäischeBehörde für Lebensmittelsicherheit(EFSA) soll die Gemeinschaftslistespätestens am 31. 01. 2010 durch dieKommission verabschiedet werden.

Probleme in der Zuordnungbestimmter Aussagen sindvorprogrammiert.

Die weit gefasste und wenig konkreteDefinition der gesundheitsbezogenenAngabe – es reicht schließlich bereitsein „Suggerieren“ oder „mittelbar zumAusdruck bringen“ aus – wird Pro-bleme in der Zuordnung bestimmterAussagen zu diesem Begriff auslösen.Die Abgrenzung gesundheitsbezoge-ner Angaben von Angaben, die nichtdieser Verordnung unterliegen, mussErgebnis der Anhörung durch dieEFSA und ggf. bereits im Vorfeldstattfindender nationaler Auswahlver-fahren sein.

Es kann derzeit nur vermutet werden,dass eine sehr große Zahl unterschied-lich formulierter Angaben, die unterdie Liste nach Art. 13 fallen (könnten),zur Anhörung eingereicht werden.Welche davon letztlich Eingang in dieListe finden – und vor allem in wel-cher Formulierung – bleibt abzuwar-ten. Es ist allerdings kaum vorstellbar,dass die Claims in dieser Liste imWortlaut vorgeschrieben werden.

Die Angaben nach Art. 14 bedürfenvor der Aufnahme in die Gemein-schaftsliste einer expliziten Zulassungnach einem detailliert beschriebenenZulassungsverfahren, in dem derNachweis der behaupteten Wirkung zuerbringen ist. In Anbetracht der Be-deutung dieser Aussagen für den Ver-braucher ist der damit verbundeneAufwand durchaus gerechtfertigt.

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Die Liste der Angaben nach Art. 14wird mit Sicherheit weniger umfang-reich sein. Es ist durchaus denkbar,dass der Wortlaut dieser Claims ver-bindlich vorgeschrieben wird.

NährwertprofileVon der Möglichkeit, mit nährwert-oder gesundheitsbezogenen Angabenzu werben, sollen Lebensmittel miteinem ungünstigen Nährwertprofilausgeschlossen werden. Diese Vor-schrift ist bis heute sehr umstritten,klassifiziert sie doch nach Ansichtihrer Kritiker die Lebensmittel in dieKategorien „gut“ und „schlecht“.

Werbung mit Selbstverständlich-keiten zukünftig denkbar?

Lebensmittel sind per se jedoch nicht„schlecht“; erst im Rahmen einer fal-schen Ernährungsweise können sie dieGesundheit des Verbrauchers negativbeeinflussen. Befürworter der Rege-lung sehen ihren Sinn eben darin, die-ser falschen Ernährungsweise durchWerbebeschränkungen entgegen zuwirken. Auch diesemArgument kannman sich nicht völlig verschließen.

Über die Art und Weise der Ermittlungder Nährwertprofile ist noch nicht ent-schieden. Mit dieser Aufgabe wird dieEFSA betraut. Bis zum 19.01.2009sollen die Nährwertprofile festgelegtsein. Erst dann wird man sagen können,welche Lebensmittel(kategorien) vomAusschluss betroffen sein werden. Feststeht jedoch, dass Getränke mit einemAlkoholgehalt von mehr als 1,2 % volkeine gesundheitsbezogenen Angabenund nur sehr eingeschränkt nährwert-bezogene Angaben (Reduzierung desAlkoholgehaltes bzw. des Brennwer-tes) tragen dürfen. Dem ist uneinge-schränkt zu folgen.

Die Ausnahme, wenigstens nährwert-bezogene Angaben zuzulassen, wennnur ein Kriterium des Nährwertprofilsnicht eingehalten wird, dies aber mitder Pflicht zum Hinweis auf dieseNichteinhaltung zu koppeln, könntein der Praxis zu erstaunlichen Dekla-

rationen führen. Dies soll an einem –vielleicht etwas konstruierten – Bei-spiel gezeigt werden. Sollten Fetteund Öle auf Grund ihres Fettgehaltesein ungünstiges Nährwertprofil erhal-ten, dürfte auf den hohen Ölsäurege-halt im Olivenöl z. B. durch folgendenährwertbezogene Angabe hingewie-sen werden: „Olivenöl, enthält Öl-säure – Hoher Gehalt an Fett“. Daswäre bis vor kurzem noch eine Wer-bung mit Selbstverständlichkeiten ge-wesen.

AusblickNach Kenntnis der Nährwertprofileund nach Verabschiedung der Listenfür die gesundheitsbezogenen Anga-ben sollte weitestgehend Rechtsklar-heit hinsichtlich der Verwendung vonnährwert- und gesundheitsbezogenenAngaben herrschen. Bis dahin ist es

allerdings noch ein beschwerlicherWeg. Dies wird auch deutlich, an derVielzahl der nur schwer überschauba-ren Übergangsregelungen. Die Ver-bände der Lebensmittelwirtschaftsollten diesen schwierigen Prozessaktiv mitgestalten; die amtliche Le-bensmittelüberwachung wird ihn mitdem notwendigen Augenmaß kon-struktiv begleiten.

Friedrich Gründig

Staatlich geprüfterLebensmittelchemi-ker, Fachgebietsleiterin der Landesunter-suchungsanstalt für

das Gesundheits- und Veterinä[email protected]

BuchbesprechungPraxiskommentar

Health & Nutrition Claims

A. Meisterernst / B. Haber,1. Aufl. 2007, 1 OrdnerDINA5, ca. 400 SeitenBehr’s Verlag, Hamburg,ISBN 978-3-89947-355-1

Mit Behr’s NewsService129,50 Euro zzgl. MwSt.

Ohne Behr’s NewsService249,50 Euro zzgl. MwSt.

Am 19. Januar 2007 ist die „Health Claims-Verordnung“ nach langjährigen Gesetzge-bungsverfahren, kontroversen Diskussionenin der Öffentlichkeit und zähen politischenVerhandlungen endlich in Kraft getreten.Nahezu alle Bereiche der Lebensmittelwer-bung sind betroffen. Jedes Unternehmen, dasLebensmittel erfolgreich vermarkten will,kommt nicht ohne Werbung aus und musssich daher schnellstens mit den neuen Rege-lungen der Verordnung vertraut machen.

Ob Marketing-Abteilungen, Geschäftsführerund Produktentwickler der Unternehmen,Werbeagenturen oder die imWettbewerbs-und Lebensmittelrecht tätigen Juristen – siealle sind künftig gefragt, wenn es darumgeht, das neu strukturierte Recht der Lebens-mittelwerbung in der Praxis anwendbar zumachen.

Für sie ist der Kommentar von besonderemInteresse. Denn der neue Praxiskommentar„Health & Nutrition Claims“ ist ein zuverläs-siger Leitfaden, der Sie bei der Umsetzungder Vorschriften in der Praxis fachkundig un-terstützt. Neben demVerordnungstext erhal-ten Sie eine Kommentierung der neuenRegelungen, Übersichten, Checklisten undein Stichwortverzeichnis für das schnelle Auf-finden bestimmter Begrifflichkeiten. DieKommentierung befasst sich thematisch unteranderem mit den allgemeinen und speziellenwissenschaftlichenAnforderungen, den Nähr-wertprofilen, den besonderen Voraussetzun-gen für gesundheitsbezogene und nährwert-bezogeneAngaben sowie den Übergangsfri-sten und gibt Empfehlungen zur Beantragungeiner Zulassung sowie zur wissenschaftlichenAbsicherung gesundheitsbezogener Angaben.Der insoweit einzigartige Kommentar zeich-net sich insbesondere dadurch aus, dass hierrechtlicher und naturwissenschaftlicher Sach-verstand kombiniert wird.Damit ist sichergestellt, dass die Auswirkun-gen der Verordnung sowohl juristisch alsauch naturwissenschaftlich fundiert darge-stellt werden.

Der Kommentar ist ein absolutes Muss,damit Sie Lebensmittel auch morgen nocherfolgreich bewerben können.

BEHR'S...BEHR'S...VERLAG

A. Meisterernst/B. Haber (Hrsg.)Health & Nutrition ClaimsPraxiskommentarPraxiskommentar

Health & Nutrition ClaimsHealth & Nutrition Claims

Health & Nutrition ClaimsA. Meisterernst/B. Haber (Hrsg.)

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FOOD & RECHT PRAXIS 01/07

In den Anwendungsbereich derVerordnung (EG) Nr. 1935/2004fallen alle Materialien und Gegen-

stände, die mit Lebensmitteln unmit-telbar oder mittelbar in Berührungkommen. Dies sind solche Materialienund Gegenstände, die als Fertigerzeug-nis entwedera) dazu bestimmt sind, mit Lebens-

mitteln in Berührung zu kommen,b) bereits mit Lebensmitteln in Be-

rührung sind und dazu bestimmtsind oder

c) vernünftigerweise vorhersehenlassen, dass sie bei normaler odervorhersehbarer Verwendung mitLebensmitteln in Berührungkommen oder ihre Bestandteilean Lebensmittel abgeben.

Ein unmittelbarer Kontakt mit demLebensmittel ist nicht erforderlich,damit aus einem Material ein LKMwird. Es reicht vielmehr aus, dass einMaterial mit einem anderen Materialin Kontakt kommt, an dieses Stoffe ab-gibt, die auf diesemWege in oder anein Lebensmittel gelangen. Lässt sichein solcher mittelbarer Kontakt beinormaler Verwendung der Materialienund Gegenstände vorhersehen, handeltes sich um ein LKM. Auf die Persondes Verwenders der Materialien undGegenstände kommt es nicht an. So-wohl für den Endverbraucher als auch

für Industrie, Gewerbe und Handel be-stimmte Materialien und Gegenständefallen unter die Verordnung (EG) Nr.1935/2004.

Wann sind LKMs eindeutig zuidentifizieren?Feste Lebensmittel, wie z. B. Wurst,Käse, Gebäck, Süßigkeiten etc. wer-den mit Folien, kaschierten Papieren,Papiertüten, Verbundfolien etc. ver-packt. Flüssigkeiten, Pulver oder pa-stöse Produkte werden in Kunststoff-bechern, -flaschen, -eimern, Pappkar-tons, Glas, PET, Metalldosen oderTuben etc. abgefüllt. Alle Materialienkönnen innen beschichtet und außenbedruckt sein. Behältnisse haben ofteinen Verschluss oder Deckel, der ausanderem Material besteht und be-schichtet sein kann oder der eine Kunst-stoffdichtung/-membrane aus anderemMaterial enthält. Erst das verpackteflüssige, pulverförmige, feste oder pa-stöse Lebensmittel ergibt die Fertig-packungen.

Wann ist der Gebrauch vonLKM vorhersehbar?Zum Beispiel bei einem Lebensmittel,das in einer Folie/Tüte und einem Um-karton aus Pappe angeboten wird. Hierist die Folie/Tüte, die direkt mit demProdukt in Berührung kommt, LKM.

Wird jedoch zumVerzehr des Lebens-mittels die Folie/Tüte entfernt, nureine Teilmenge verzehrt und der Restdes Lebensmittels in den Umkartonzurückgegeben, dann wird der Umkar-ton aus Pappe LKM. Diese Vorgehens-weise ist vorhersehbar und sollte z. B.bei Tiefkühlpizzen in Folie und Um-karton, bei Gebäck in Folie und Um-karton oder bei Schokolade in Folieund Papier berücksichtigt werden.

Welche betrieblichenAbläufeundVerfahrensweisen werdenberührt?Die Verordnung regelt unter anderem:• wen die Pflicht zur Rückverfolgungtrifft und

• wie rückzuverfolgen ist.

Die Verordnung (EG) Nr. 1935/2004richtet sich an jeden, der LKM her-stellt, verarbeitet oder vertreibt. Weralso verpackte Lebensmittel vertreibt,muss deshalb neben den Anforderun-gen der Basisverordnung (EG) Nr.178/2002 auch diejenigen der Verord-nung (EG) Nr. 1935/2004 an die Rück-verfolgbarkeit erfüllen.

Für den Lebensmittelunternehmerbedeutet diese doppelte Pflicht nichtzwingend eine doppelte Arbeit und

Verpackung

Rückverfolgungin LebensmittelunternehmenVon Sylvia Wegner-Hambloch und Christian X. Meier

Die Unternehmen der Lebensmittelbranche haben seit dem letzten Jahrneue gemeinschaftsrechtliche Rahmenvorschriften für das Herstellenund Inverkehrbringen von „Materialien und Gegenständen, die dazu be-stimmt sind, mit Lebensmitteln in Berührung zu kommen“ (Lebensmit-telkontaktmaterialien – LKM) zu beachten. Was sich für den Lebens-mittelunternehmer unter dem Aspekt der neu zu erfüllenden Rückver-folgbarkeit ergibt, soll im Folgenden aufgeführt werden.

Fakten + FristenFakten + Fristen

Rechtsgrundlage:Verordnung (EG) Nr. 1935/2004 vom 27.Oktober 2004 über Materialien und Ge-genstände, die dazu bestimmt sind, mitLebensmitteln in Berührung zu kommenRegelungsbedarf:RückverfolgbarkeitZielgruppe:jeder, der LKM herstellt, verarbeitetoder vertreibtIn Kraft:seit 3. 12. 2004Rückverfolgbarkeit:ab 27. 10. 2006Anwendungsbereich:Lebensmittelkontaktmaterialien (LKM),Materialien und Gegenstände, die mitLebensmitteln unmittelbar in Berührungkommen.

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Kennzeichung, solange nur sowohl dasLebensmittel als auch der Lebensmit-telbedarfsgegenstand etwa aufgrundder Kennzeichnung rückverfolgbarsind.

Rückverfolgbarkeit für LKManders definiert als fürLebensmittel.

Dabei ist die Rückverfolgbarkeit vonLKM etwas anders definiert als dieje-nige für Lebensmittel nach der Basis-verordnung (EG) Nr. 178/2002. UnterRückverfolgbarkeit versteht man inder Bedarfsgegenstände-Verordnung„die Möglichkeit, ein Material odereinen Gegenstand durch alle Herstel-lungs-, Verarbeitungs- und Vertriebs-stufen zu verfolgen“. Es ist ausdrü-cklich bestimmt, dass die Rückver-folgbarkeit durch jede Stufe hindurchgewährleistet sein muss, wozu einestufeninterne Rückverfolgung erfor-derlich ist. Ziel der Rückverfolgbarkeitist es, Kontrollen, den Rückruf fehler-hafter Produkte, die Unterrichtung derVerbraucher und die Feststellung derHaftung zu erleichtern. Um diese Zielezu erreichen, ist es zumindest erforder-lich, die Lieferanten und Abnehmerder LKM ermitteln zu können.

Wie ist rückzuverfolgen?Dazu sind geeignete Verfahren undSysteme einzurichten. Wie diese Ver-fahren und Systeme auszusehenhaben, schreibt der Verordnungsgebernicht vor.

Es ist jeder vielmehr frei darin, dieRückverfolgbarkeit nach seinen Be-dürfnissen und betrieblichen Möglich-keiten zu organisieren. Erforderlich istaber zumindest, dass die physischeWarenbewegung und nicht etwa diebloß rechtliche Warenbewegung doku-mentiert wird. Deshalb sind Rechnun-gen im Gegensatz zu Lieferscheinenkeine geeigneten Dokumente, um dieRückverfolgbarkeit sicherzustellen.Zudem ist in der Dokumentation eineBeziehung zwischen LKM und Liefe-rant sowie eine Beziehung zwischen

LKM und Abnehmer herzustellen. Beider Abgabe an den privaten Endver-braucher kann diese Beziehung nichthergestellt werden, da sich hier die Ab-nehmer nicht individualisieren lassen.

Zu dokumentieren: physischeWarenbewegung.

Insoweit ist es dann auch nicht erfor-derlich, dass eine Beziehung zwischenLKM und Abnehmer hergestellt wird.Sofern der Abnehmer aber bekannt ist,etwa bei gewerblichen Endverbrau-chern wie der Gastronomie, ist dieRückverfolgbarkeit sicherzustellen.

Wie ist ein geeignetesRückverfolgbarkeitssystemaufzustellen?a) Unternehmen mit einem Qualitäts-managementsystem nach ISO 9001oder ISO 22000, IFS oder BRCmüssen – schon bedingt durch dieAnforderungen des Standards – eingeeignetes System der Rückverfolg-barkeit für Rohstoffe und Verpa-ckungsmaterialien vorhalten.

b) Andere Unternehmen erfüllen dieVoraussetzungen der Rückverfolg-barkeit durch die Anforderungendes Einkaufs an den Lieferantenund die Dokumentation in derProduktion:Der Einkauf bestellt LKM chargen-bezogen nur nach Spezifikation und

Eignung für den Lebensmittelkon-takt bei einem LKM-Hersteller miteinem (im Idealfall) zertifiziertenQualitätsmanagementsystem.Jeder Lieferschein und jede Paletteund sogar jedes Gebinde ist mit derChargennummer gekennzeichnet.Die angelieferten LKM-Chargenhaben die Chargenkennzeichnungmöglichst direkt auf den Gebindenoder der Papierrolle und auf demLieferschein dokumentiert. Bei derHerstellung des Lebensmittels wer-den neben der Rezeptur die verwen-deten LKMs mit Chargennummerdokumentiert. Im Markt kann dasLebensmittel über das Mindesthalt-barkeitsdatum (seine Chargennum-mer) identifiziert werden und überdie Produktionsdokumentation daseingesetzte LKM.

Ist eine chargengenaue Rückver-folgung erforderlich?Da dieVerordnung (EG) Nr. 1935/2004ausdrücklich verlangt, dass die Rück-verfolgbarkeit durch alle Stufen hin-durch gewährleistet sein muss, bedarfes auch einer stufeninternen Rückver-folgung. Wie detailliert diese ausfallenmuss, regelt die Verordnung nicht aus-drücklich. DerVerordnungsgeber hat diePflicht, die Rückverfolgbarkeit sicher-zustellen, u. a. als Schutzmaßnahmefür solche Fälle formuliert, in denenLKM ernsthafte Gefahren für diemenschliche Gesundheit darstellenkönnen.

Problem:

Eine neue Charge LKM beginnt nicht immer parallel zur Herstellcharge.Beispiel: eine neue Folienrolle für den Boden muss nicht unbedingt mit der fürden Deckel und der Rezepturcharge zusammenfallen.

Tipp:

• Ein elektronisches Dokumentationssystem, z. B. per Scan, ist für eine zeitnaheDokumentation immer besser und weniger fehleranfällig.

• Meist kann auch über eine Messung der Zeiten die Dauer des Chargenüber-gangs abgeschätzt werden.

• Führen die Überlegungen einer angemessenen Dokumentationseinführung nichtzu dem gewünschten Ziel, weil sich z. B. die Gebinde nicht kennzeichnen lassen,dann sollte der Hersteller eine Eingrenzung für den Krisenfall überlegen.Gegebenenfalls müssen mehrere ermittelte Chargen zurückgenommen werden.

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FOOD & RECHT PRAXIS 01/07

Die Ziele, welche mit der Rückverfol-gung erreicht werden sollen – etwa derRückruf fehlerhafter Produkte, die Un-terrichtung der Verbraucher und dieFeststellung der Haftung – beschreibenzugleich den Handlungsmaßstab unddie Sorgfaltspflichten.

Chargengenaue Kenntnis vomjeweiligen Verpackungsmaterialermöglicht normadäquatesVerhalten.

Diese sind im Rahmen des Verschul-dens nach den allgemeinen Haftungsre-geln zu berücksichtigen. Führt einemangelhafte interne Rückverfolgbar-keit z. B. dazu, dass ein fehlerhaftesProdukt nicht zurückgerufen werdenkann, so kann dies ein Mitverschuldenauslösen, welches sich auch in Scha-densersatzleistungen realisieren kann.Im Falle einer chargengenauen Rück-verfolgbarkeit wird jedoch in derRegel ein Mitverschulden zu widerle-gen sein, da ein solches System dazubefähigt, LKM, Abnehmer, Lieferantund Zeitpunkt der Abnahme bzw. Lie-ferung zu benennen.

Die chargengenaue Rückverfolgbar-keit gerade bei verpackten Lebensmit-teln ermöglicht es zudem, dengestuften Pflichten über Warenrück-nahme und Warenrückruf nach derBasisverordnung (EG) Nr. 178/2002gerecht zu werden.

• Befindet sich das aufgrund derVerpackung nicht sichere Lebens-mittel noch unter seiner Kontrolle,muss der Lebensmittelunternehmerlediglich dafür Sorge tragen, dassdieses nicht auf den Markt gelangt.

• Befindet es sich schon auf demMarkt und nicht mehr unter seinerKontrolle, so hat er eine Rücknahmezu veranlassen und die Behördenüber die Rücknahme zu informieren.

• Hat das Produkt aber bereits denVerbraucher erreicht, sind diese zuinformieren und gegebenenfalls dieWare zurückzurufen. In diesem Fallermöglicht die chargengenaue

Kenntnis des Verpackungsmaterialsein normadäquates Verhalten undvermeidet unnötige Maßnahmen.

Rückverfolgbarkeit durchKennzeichnungDie Rückverfolgbarkeit erfordertzudem ein System zur Identifizierungder LKM anhand einer Kennzeichnungoder einschlägiger Unterlagen und In-formationen. Dieses Identifizierungs-system stellt sozusagen das produkt-begleitende Element aller LKM dar.Hierbei handelt es sich entweder umdie Angabe des Inverkehrbringers/Her-stellers unmittelbar auf dem Produktoder den begleitenden Papieren oderaber auch um ein zusätzliches Elementeiner Codierung, etwa im Rahmen desEAN oder über einen RFID-Chip.

Rückverfolgbarkeit undMehrwegsystemeAuch Mehrwegverpackungen für In-dustrie, Gewerbe, Handel und Verbrau-cher, also etwaTransportkästen für loseLebensmittel und Mehrweg-Getränke-flaschen sind rückzuverfolgen. DieRückverfolgung von Mehrwegsystemenhat zyklusbezogen zu erfolgen. DerZyklus und damit die Rückverfolgungbeginnt bei demjenigen Unternehmen,welches den Reinigungs- und Kontroll-vorgang der Mehrwegverpackung vor-nimmt.

Fazit:Nach der immer wieder auftretendenAufdeckung von Kontaminationenergab sich für den Gesetzgeber Hand-lungsbedarf. Die mit der Verordnung

(EG) Nr. 1935/2004 in der Gemeinschaftgeltende Forderung der Rückverfolg-barkeit für Lebensmittelkontaktmate-rialien muss immer die Umsetzbarkeitim Unternehmen, die Verhältnismäßig-keit des Aufwandes und eine Risikobe-trachtung des gesamten Lebensmittelsberücksichtigen.Der Unternehmer muss eine Rückver-folgbarkeit von Verpackungsmateria-lien sicherstellen. Das lässt sich ge-meinsam mit dem LKM-Lieferanten,der seine Lieferungen eindeutig kenn-zeichnet, über die Dokumentation derChargennummer bei der Verpackungdes Lebensmittels lösen.

Dr. SylviaWegner-Hambloch

Lebensmittelchemike-rin, SLQ Systeme fürLebensmittelsicherheitund Qualität, berät seit2003 die Nahrungsmit-telindustrie zur Lebens-

mittel-Sicherheit, zuvor seit über 16Jahren im Qualitätswesen zweier nam-hafter Lebensmittelhersteller damit [email protected]

Christian X.Meier

Rechtsanwalt, Anwalts-büro Gorny, Frankfurt.Beratung und Vertre-tung in Fragen desLebensmittel-,Wettbe-

werbs-, Marken- und [email protected]

Empfehlungen:

• Eine Risikobetrachtung der Wahrscheinlichkeit, ob ein Risiko von demVerpackungsmaterial ausgeht, durchführen und bei der Erstellung desRückverfolgbarkeitssystems berücksichtigen.

• Die Bewertung von möglichen Risikomaterialien können gut anhand vonLabor- und/oder Literaturdaten bewertet werden (http://www.bfr.bund.de/cd/227).

Beispiel: Twist-Off-Deckel haben ein höheres Risikopotential als z. B. Glasgebindeoder reine Papierverpackungen.

• Eine komplette Chargendokumentation ist ratsam, wenn schon mehrereMigrationsfälle mit unerwünschten Stoffen aufgetreten sind. Der Unternehmersollte diese Entscheidung anhand seiner Risikobetrachtung treffen.

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Bei der Beurteilung von Le-bensmittelbedarfsgegenstän-den ist ein umfangreiches

Regelwerk zu beachten.

Allgemeine Kriterien zur Beur-teilung von BedarfsgegenständenDie grundlegenden Anforderungenwerden in Artikel 3 der Verordnung

(EG) Nr. 1935/2004 geregelt (Verord-nung über Materialien und Gegen-stände, die dazu bestimmt sind, mitLebensmitteln in Berührung zu kom-men – EU-BedGgstVO).§ 31 des Lebensmittel- und Futtermit-telgesetzbuches (LFGB) verweist aufArtikel 3 Abs. 1 der Verordnung undhat insoweit keine eigenständige Be-deutung. Es ist aber zu beachten, dassdas Bundesinstitut für Risikobewer-tung (BfR) zur Konkretisierung derVorgaben des § 31 LFGB „Kunststoff-Empfehlungen“ herausgibt. Diese sindzwar keine Rechtsnormen, stellen aberden derzeitigen Stand von Wissen-schaft und Technik für die Bedingun-gen dar, unter denen ein Verpackungs-material den Anforderungen des § 31Abs. 1 LFGB entspricht.

Kunststoffrichtlinie undnationale Bedarfsgegenstände-verordnungÜber die allgemeinen Anforderungender EU-BedGgstVO hinaus könnenEinzelmaßnahmen für Gruppen vonMaterialien getroffen werden. Dabeisteht die Richtlinie 2002/72/EWG

über Materialien und Gegenstände ausKunststoff, die dazu bestimmt sind,mit Lebensmitteln in Berührung zukommen (Kunststoffrichtlinie) im Mit-telpunkt der Diskussion. Die Richtliniewurde im Rahmen der (nationalen)Bedarfsgegenständeverordnung(BedGgstVO) in deutsches Rechtumgesetzt.

Der in der BedGgstVO festgelegteGlobalmigrationswert von 60 mg/kg(§ 8 Abs. 2) und die in der Positivlisteüber Monomere und sonstigeAusgangs-stoffe festgelegten Werte gelten fürBedarfsgegenstände aus Kunststoff.Diese werden in § 2 Nr. 3 BedGgstVOwie folgt definiert:

„Zur Verwendung als Lebensmittelbe-darfsgegenstände bestimmte Materia-lien und Gegenstände sowie Teiledavon, die ausschließlich aus Kunst-stoff oder aus zwei oder mehr Schich-ten bestehen, von denen jede aus-schliesslich aus Kunststoff besteht unddie durch Klebstoffe oder auf andereWeise zusammengehalten werden.“

Einige Lebensmittelüberwachungsbe-hörden gehen davon aus, dass Deckel-dichtungen als aus Kunststoff beste-hender Teil der Verschlüsse vomAn-wendungsbereich der Verordnung er-fasst sind.

Ob Kunststoffdichtungen in Me-talldeckeln von dieser Definitionerfasst sind, ist keineswegseindeutig.

Zur Auslegung wird insbesondere aufdie Kunststoffrichtlinie verwiesen, inderen Erwägungsgründen Kunststoff-dichtungen in Metalldeckeln ausdrück-lich erwähnt werden. Darüber hinaussehen Kunststoffrichtlinie undBedGgstVO in ihren aktuellen Fassun-gen für epoxidiertes Sojabohnenöl(ESBO) einen spezifischen Migrati-onswert (SML) von 60 ppm vor. FürPVC-Dichtungsmaterial, das z. B. zum

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Weichmacher aus Schraubdeckel-Dichtmassen in Lebensmitteln

Bevorstehende Änderung derKunststoffrichtlinie soll fürmehr Rechtssicherheit sorgenVon Markus Weck

Antipasti, Saucen und andere Köstlichkeiten in Gläsern mit Schraub-deckeln sind aus der Produktwelt der Lebensmittelindustrie eigentlichnicht wegzudenken – und doch könnte diese Verpackungsform für vieleLebensmittel künftig nicht mehr zu verwenden sein. Insbesondere in Öleingelegte Lebensmittel stehen derzeit im Fokus der Lebensmittelüber-wachung. Hintergrund: bei einigen der untersuchten Proben wurden Ge-halte an Weichmachern und eine Überschreitung der geltendenMigrationswerte für Bedarfsgegenstände aus Kunststoff festgestellt.Dabei ist umstritten, ob die Migrationswerte überhaupt auf Schraub-deckeldichtmassen in Metalldeckeln angewendet werden können. Zweieuropäische Gesetzgebungsvorhaben sollen Klarheit schaffen.

Die Kernvorschrift

Die Kernvorschrift findet sich inArtikel 3 Abs. 1b): danach sindMaterialien und Gegenstände imKontakt mit Lebensmitteln nachguter Herstellungspraxis so herzu-stellen, dass sie unter normalenoder vorhersehbaren Verwen-dungsbedingungen keine Bestand-teile auf das Lebensmittel abge-ben, die geeignet sind, die Ge-sundheit zu gefährden, eine un-vertretbare Zusammensetzung derLebensmittel herbeizuführen odereine Beeinträchtigung der organo-leptischen Eigenschaften der Le-bensmittel herbeizuführen.

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Abdichten von Glasgefäßen mit Säug-lingsanfangsnahrung verwendet wird,ist ein SML von 30 ppm vorgesehen.Hieraus wird der Schluss gezogen,dass die Kunststoffrichtlinie undBedGgstVO generell auf Kunststoff-dichtungen in Metalldeckeln anwend-bar sei.

Der Entwurf der EU-Kommission vom11. Dezember 2006 für eine Verord-nung mit übergangsweisen Migrations-werten für Weichmacher in Deckel-dichtungen (Draft Commission Regu-lation of laying down transitional mi-gration limits for plasticizers ingaskets in lids intended to come intocontact with foods – SANCO/4003/2006Rev. 1)1) lässt den gegenteiligen Schlusszu: Wäre der in der Kunststoffrichtli-nie festgelegte Globalmigrationswert-auf Weißblechverschlüsse mit Kunst-stoffdeckel anwendbar, bedürfte mander geplanten Verordnung nicht; eineschlichte Klarstellung innerhalb derBedGgstVO hätte ausgereicht.

Dementsprechend führt die Kommis-sion in Erwägungsgrund 6 des Ent-wurfs aus:

„Moreover, the legal situation of theseproducts is currently uncertain. Di-rective 2002/72/EC applies to materi-als and articles, and parts thereof,which consist exclusively of plastics[…]. Gaskets in metal lids could alter-natively be regarded as a plastic part ofa material or article and thus coveredby Directive 2002/72/EC or as a pla-stic coating on a metal substrate, andthus not covered by Directive2002/72/EC.“

Aus dieser Erwägung lässt sich auchder Schluss ziehen, dass ein Globalmi-grationswert für Weißblechverschlüssemit Kunststoffdeckel derzeit nicht exi-stiert.

Die aktuellenGesetzgebungsvorhabenSpätestens mit dem bevorstehendenInkrafttreten und der Geltung der obengenannten Übergangsverordnungsowie mit der Umsetzung der geplan-ten 4. Änderungsrichtlinie zur Kunst-stoffrichtlinie (Draft CommissionDirective of amending Directive2002/72/EC relating to plastic materi-als and articles intended to come intocontact with food […] – SANCO/1009/2006 Rev. 2) wird sich der Streit end-gültig erledigen.1)

Danach erstreckt sich der Anwen-dungsbereich der Kunststoffrichtliniekünftig ausdrücklich auf Kunststoff-materialien, die als Dichtungsmassenin Verschlüssen Anwendung finden.Entscheidend wird dann schlicht dieFrage sein, ob die vorgesehenen Mi-grationswerte eingehalten werden kön-nen. Während dies für einige fetthal-tige Füllgüter erwartet wird, stehenHersteller vor allem von ölbasiertenProdukten vor erheblichen Problemen.In der Praxis zeigt sich, dass geradebei diesen Lebensmitteln die zurzeit inder Kunststoffrichtlinie geregelten Mi-grationswerte nicht eingehalten werdenkönnten. Dies gilt insbesondere für in

Öl eingelegte Lebensmittel, bei denendas Öl im Glasbehältnis „schwappt“ undin unmittelbaren Kontakt mit der Dek-keldichtung tritt. Demgegenüber sindLebensmittel mit emulgierten Ölenund festerer Konsistenz weniger starkoder überhaupt nicht betroffen.

Die Kunststoffrichtlinie erfasstkünftig ausdrücklich Kunststoff-materialien, die als Dichtungs-massen in VerschlüssenVerwendung finden.

Der Europäische Gesetzgeber erkenntzumindest an, dass für fetthaltige Le-bensmittel besondere Regelungen er-forderlich sind. Die Entwürfe sehen imEinzelnen folgende Regelungen vor:

a) Neufassung der Kunststoffrichtlinie:

Mit der geplanten Neufassung derKunststoffrichtlinie soll ein „Fettre-duktionsfaktor“ eingeführt werden:

AbkürzungenESBO: epoxidiertes SojabohnenölFRF: FettreduktionsfaktorSML: spezifischer Migrationswert

1) Zum Zeitpunkt des Redaktionssschlusses standdie im April 2006 erfolgte Veröffentlichung vonÄnderungsrichtlinie und ÜbergangsverordnungimAmtsblatt der EU noch aus.

Der Fettreduktionsfaktor (FRF)

soll für Lebensmittel gelten, die einen Fettanteil von über 20 % aufweisen.

soll die spezifische Migration für bestimmte lipophile Weichmachersub-stanzen in Abhängigkeit vom Fettgehalt des Lebensmittels korrigieren. Diesführt zu einer individuellen Erhöhung des jeweiligen spezifischen Migrati-onswertes, maximal um den Faktor 5.

Beispielrechnung (nach Anhang 1 der Richtlinienentwurfs) für Mayonnaisemit einem Fettgehalt von 80 %:

[800 g Fett/kg Lebensmittel] dividiert durch 200 = FRG 4 oder:[80 % Fett (im Lebensmittel) x 5] dividiert durch 100 = FRF 4.

Dementsprechend ergibt sich der FRF direkt aus dem Fettgehalt des Lebens-mittels (Fettgehalt 20 % – keine Reduktion; Fettgehalt 40 % – Reduktion desSML um Faktor 2, etc.)

Keine Anwendbarkeit des FRF insbesondere bei Lebensmitteln, die fürSäuglinge und Kleinkinder bestimmt sind.

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b) Übergangsverordnung:Bis die geplante Änderungsrichtliniezur Kunststoffrichtlinie in Kraft tritt,soll eine Übergangsverordnung dieMigrationsgrenzwerte für bestimmteWeichmachersubstanzen in Dichtungs-massen (u. a. ESBO) auf 300 mg/kgLebensmittel oder 50 mg/dm2 festle-gen. Dies gilt allerdings nur für fett-haltige Lebensmittel. Die Über-gangsverordnung soll maximal füreinen Zeitraum von 14 Monaten nachihrer Veröffentlichung gelten.

Bereits jetzt zeichnet sich ab, dass derFRF bei in Öl eingelegten Lebensmit-teln nicht ausreichend ist: würde manden für ESBO maximal nachgewiese-nen Wert von rund 1200 mg/kg zuGrunde legen, wäre ein Migrations-Reduktionsfaktor von etwa 20 erfor-derlich. Freilich ist die Einhaltung vonGrenzwerten kein Selbstzweck; jedochhat die Forderung nach höheren Mi-grationsgrenzwerten nichts mit„Schönrechnerei“ zu tun:

• Generell kann für stark fetthaltigeLebensmittel von einer geringen Ver-zehrsmenge ausgegangen werden. Inseiner Stellungnahme Nr. 010/2005vom 14. Februar 2005 geht das BfRin Bezug auf ESBO von einer maxi-malen Aufnahme von 200 g pro Per-son und Tag aus und stellt fest, dassbei einer kurzfristigen Überschrei-tung des Tolerable-Daily-Intake(TDI)-Levels kein generelles gesundheitli-ches Risiko bestehe. Diese Einschät-zung hat das BfR in seiner aktuellveröffentlichten StellungnahmeNr. 007/2007 nochmals bekräftigt.

• In der Diskussion wird zudem nichtdem Umstand Rechnung getragen,dass sich Weichmacher bei den in Öleingelegten Lebensmitteln vor allemim Öl anreichern, nicht aber in deneingelegten Lebensmitteln. Das Ölwird nicht immer mitverzehrt,sondern oftmals weggeschüttet; esträgt häufig lediglich zum Geschmackund zur Haltbarkeit des eingelegtenFüllgutes bei. Die Weichmacherge-halte im abgetropften Füllgut sind

aber sehr niedrig bis nicht nachweis-bar. Den tatsächlichen Gegebenheitenwird der Richtlinienentwurf somitnur zum Teil gerecht.

Zudem zeichnet sich bereits jetzt ab,dass die im Verordnungs- und imRichtlinienentwurf vorgeschlagenenÜbergangsfristen (jeweils 14 Monate)sehr kurz bemessen sind. Herstellervon Metallgläserverschlüssen bezif-fern den zeitlichen Aufwand für dieEntwicklung neuer Technologien mitmindestens zwei bis vier Jahren.

Fazit:Hersteller von Metallgläserverschlüs-sen werden sich innerhalb kürzesterZeit auf die bevorstehenden gesetzli-chen Änderungen einrichten müssen,da ansonsten bestimmte Verpackungs-formen für bestimmte Gruppen vonLebensmitteln grundsätzlich nichtmehr in Betracht kommen.

AusblickGenerell kann festgehalten werden,dass die Neufassung der Kunststoff-richtlinie dazu führen dürfte, dass sichdie zur Verfügung stehende Auswahlan Verpackungsformen für die Herstel-ler stark fetthaltiger Lebensmittel ver-kleinert – zumindest in Bezug aufESBO ohne einen erkennbaren Gewinnan Sicherheit für den Verbraucher.

Dr. Markus Weck

Rechtsanwalt inmehreren Verbändender Ernährungs-industrie, Mitglied derWissenschaftlichen

Gesellschaft für Lebensmittelrecht e. V.(WGL)[email protected]

PraxistippPraxistippLebensmittelunternehmer sollten ihr erhöhtes Augenmerk auf detallierte Konformitäts-bescheinigungen von Lieferanten von Verpackungsmaterialien richten, wobei unerfüll-bare Forderungen an Packstofflieferanten freilich nicht hilfreich sind. Folgende Punktesollten dennoch beachtet werden:

• Rechtliche Zulassung des gesamten Packstoffs und jeder Einzelkomponente(Konformität mit der Verordnung (EG) Nr. 1935/2004);

• Spezifizierung der geeigneten Anwendungsbereiche (von Bedeutung vor allem:Abfülltemperatur, pH-Wert und Fettgehalt des Füllguts);

• Gesonderter Nachweis für die verwendeten Druckfarben;

• Hinweis auf Oberflächen-Volumenrestriktionen die zu einer Migrationswertüber-schreitung führen würden („vorhersehbarer Gebrauch“);

• Konformitätserklärung mit Richtlinie 94/62/EG (Schwermetall);

• Liste der mit SML bewerteten Stoffe (gemäß Kunststoffrichtlinie);

• Verzeichnis aller sonstigen Additive und Monomere;

• Unbedenklichkeitsbescheinigung hinsichtlich der spezifischen und der Gesamt-Migration;

• Bestätigung, dass wichtige untergesetzliche sowie ggf. Nicht-EU-Regelungen(BfR-Empfehlungen, Verordnung des EDI – Eidgenössisches Department desInneren – über Bedarfsgegenstände) eingehalten werden.

Gegebenenfalls kann die Beibringung der Konformitätsbescheinigung unterBeteiligung eines unabhängigen Untersuchungslabors erfolgen.

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Seit Inkrafttreten des neuen Hy-gienepaketes mit Wirkung zum01.01.2006 herrscht in den Be-

trieben aufgrund der breiten Ausle-gung der Vorschriften seitens der Vete-rinäraufsichten erhebliche Rechtsunsi-cherheit. Die neue Gesetzgebung defi-niert weniger Detailvorschriften, dafürmehr Ziele, deren Erreichung derGröße der Betriebe angemessen seinsoll. Aus diesem Grund sind seitensder Gesetzgebung Formulierungen wiez. B. „sachgerecht“, „angemessen“,„ausreichend“ zu finden, die aber bei-spielsweise in den unterschiedlichenKreisen Nordrhein-Westfalens nichteinheitlich ausgelegt werden.

Diese unterschiedliche Auslegung derVorschriften kann durchaus zu ernst-zunehmenden Wettbewerbsverzerrun-gen führen.

Weniger Details – mehr Ziele.

Von den Betrieben werden beispiels-weise standardisierte und nachvoll-ziehbare, in sich schlüssige Verfahrenzur betrieblichen Eigenkontrolle gefor-dert, wobei Veterinäraufsichten selbsteine standardisierte Vorgehensweiseeher seltener an den Tag legen. Stel-lenweise ist festzustellen, dass sich

Veterinäraufsichten offenbar immernoch nicht ganz von der ehemaligen„Zwei-Klassen-Denkweise“ (nationaleund EG-Gesetzgebung), die seit In-krafttreten des neuen Hygienerechtsquasi außer Kraft gesetzt wurde, ver-abschiedet haben.

Einheitliche Handhabung desneuen Hygienerechts dringendnotwendig.

Das zuständige Ministerium in Nord-rhein-Westfalen hat die dringende Not-wendigkeit erkannt, zur Vereinheit-lichung der Handhabung des neuenHygienerechtes Orientierungshilfen zuerstellen, nicht zuletzt deshalb, um er-hebliche Wettbewerbsnachteile der Be-triebe zu vermeiden.Solange die oben beschriebenen Leitli-nien noch nicht vorliegen, wäre es an-gezeigt, dass die Betriebe und diejeweils zuständigen Veterinäraufsich-ten miteinander in einen Dialog treten.

Was geschieht derzeit inder Praxis?Von Ausnahmen (die hier nicht näherbeschrieben werden sollen) abgesehen,gilt für Lebensmittel produzierendeBetriebe seit dem 01.01.2006 grund-

sätzlich eine EU-Zulassungspflicht.Nach der alten Rechtslage (vor dem01.01.2006) stufte die Fleischhygiene-verordnung in Anlage 2 (für regi-strierte Betriebe) und in Anlage 2a (fürzugelassene Betriebe) bei den hygieni-schen Anforderungen in der Weise ab,dass von den zugelassenen Betriebenein deutlich höheres Maß an baulicherund apparativer Hygiene gefordertwurde.

Seit Inkrafttreten des neuen Hygiene-paketes zum 01.01.2006 gibt es jedochdiese Differenzierung nicht mehr.Diese so genannte „Zwei-Klassen-Denkweise“, praktiziert und angewen-det von den Veterinäraufsichten gehörtnunmehr endgültig der Vergangenheitan. Bei der (Neu-) Zulassung von Be-trieben soll mehr Flexibilität Anwen-dung finden, und zwar dergestalt, dasslediglich vorgegebene Ziele erreichtwerden, ohne dass den Betrieben de-taillierte Vorgaben gemacht werdensollen, die zum Teil mit nicht unerheb-lichen Kosten verbunden wären.

In der Praxis werden jedoch teilweiseimmer noch detaillierte Anforderun-gen an die Betriebe gestellt.

Die zum Teil von der Lebens-mittelüberwachung gefordertenHygienemaßnahmen sind in denneuen Vorschriften nicht zwin-gend vorgeschrieben.

Nachfolgend sollen hierzu einige(Negativ-)Beispiele aus der Praxisvorgestellt werden:

1. „Es werden z. B. neue Personal-spinde zur Trennung der Privat- vonder Betriebskleidung gefordert.“Eine Rechtsgrundlage hierfür liegtnicht mehr vor. Es muss lediglich ge-währleistet sein, dass die Betriebsklei-dung von der Privatkleidung getrenntaufbewahrt wird, damit die Betriebs-kleidung von der Privatkleidung nichtnachteilig beeinflusst wird. Dies kannaber ohne (Doppel-)Spinde geschehen,

Neues Hygienerecht

Mehr Flexibilität bei derUmsetzungVon Thomas Sieweke

Lebensmittelproduzierenden Betrieben begegnet die Überwachung miteiner breiten Vollzugspalette. Der Beitrag schildert erste Erfahrungen imUmgang mit dem neuen Hygienerecht aus Sicht der Betriebe. Am Bei-spiel Nordrhein-Westfalens, das aber symptomatisch für die bundes-weite Überwachungspraxis steht, wird diesbezüglich die völligunterschiedliche Handhabung der neuen Vorschriften durch die Über-wachungsbehörden an einer Auswahl von Beispielen erläutert. Der Autorzeigt zugleich auf, dass sich die Zielsetzung der neuen Hygienevor-schriften anhand weniger einschneidender Maßnahmen ebenso sicherverwirklichen lässt.

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beispielsweise in unterschiedlichenRäumlichkeiten (z. B. mittels einfa-cher Hakenleisten). Eine andere Va-riante ist die „Trennung“ (also dasZiel, Kreuzkontaminationen zu ver-meiden) durch Umhüllung der Be-triebskleidung, was bei Dienstleistern(Waschen und zur Verfügungstellungvon Betriebskleidung) zum Standardgehört.

2. „Wände in Produktionsbereichensollen (zum Teil bis unter die Decke)gefliest sein.“Auch hier steht folgende Zielsetzungim Vordergrund: Wände sollen in an-gemessener (Arbeits-)Höhe hell, glatt,leicht zu reinigen, erforderlichenfallszu desinfizieren sein, aus nichttoxi-schem Material bestehen und keinelosen Materialteilchen aufweisen.Diese Forderung würde ein geeigneterFarbanstrich auch erfüllen.

3. „Türen dürfen nicht aus Holz seinund müssen ausgetauscht werden.“Auch hier kann ein geeigneter Farban-strich (s. Punkt 2) ausreichen.

4. „Maschinen müssen alle aus VA-Stahl sein.“Für ältere Maschinen (z. B. Kutter mitKutterschüssel aus Gusseisen) geltenÜbergangsfristen.

5. „Es müssen ausreichend Messer-Sterilbecken vorhanden sein.“Auch hier gilt der Grundsatz der Ziel-erreichung. Grundsätzlich darf ein ver-keimtes Messer nicht weiter benutztwerden. Dieses Ziel ist auch zu errei-chen, wenn verkeimte Messer z. B.einfach nur ausgetauscht/sachgerecht-zwischengelagert werden können,um dann gegen Arbeitsende ausrei-chend gereinigt zu werden.

6. „Eine Hygieneschleuse ist ein un-bedingtes Muss.“Abgesehen von der Frage, wie eineHygieneschleuse konzipiert sein muss,ist eine Realisierung (vorzugsweise imHandwerk) häufig nicht möglich. Diedafür erforderlichen Räumlichkeiten

fehlen und können auch nicht geschaf-fen werden (z. B. weil keine Bauge-nehmigung erteilt wird). Auch hierkönnen aber andere Wege gegangenwerden, z. B. durch den Tausch desSchuhwerkes als Alternative zur Soh-lenwaschmaschine, oder durch die Ver-wendung von Einmal-Schürzen anstatteiner Schürzen-Waschmaschine. Tech-nisch ist ziemlich alles möglich, z. B.Drehkreuze zur Personalzwangsfüh-rung. Es stellt sich allerdings die Frage,ob diese Forderungen auch an kleinereBetriebe gestellt werden sollten.Hygieneschleusen werden häufig aufKundendruck angeschafft und nicht,weil die Gesetzgebung diese ausdrück-lich fordert.

7. „Der Wareneingangsbereich mussüberdacht sein.“Diese weitere (Detail-) Vorgabe machtsicher Sinn, wenn der Wareneingangs-bereich beispielsweise unter Bäumensteht. Ware kann dann beimAblade-prozess durch Herabfallen von Schmutz,Blättern, Insekten, Vogelkot etc. ver-unreinigt werden. Dennoch kann zurZielerreichung das Umhüllen, Verpa-cken, Abdecken der Ware ausreichendsein.

8. „Das Personal darf nicht unterfreiem Himmel in Betriebskleidungden Hofbereich überqueren.“Zunächst ist gegen frische Luft nichtseinzuwenden. Formal kann das Perso-nal genauso wie die Ware beimAnlie-fern (siehe Punkt 7) durch „Herabfallenvon Fremdkörpern“ verunreinigt wer-den. Aus diesem Grund soll die Be-triebskleidung ja auch hell (ideal: weiß)sein, um Verschmutzungen (z. B.durch Vogelkot) sicher zu erkennen.Helle Kleidung dient – ganz im Sinnedes HACCP – der Registrierung unddamit der Überwachung: Verschmut-zungen werden durch helle Kleidungsofort deutlich sichtbar (Registrie-rung), die „visuelle Überwachung“kann dann Korrekturmaßnahmen ein-leiten (z. B. Austausch des Kleidungs-stückes). In diesem Fall kann also einTausch der Kleidung Abhilfe schaffen.Entsprechendes gilt hier im Übrigen

auch für den Tausch des Schuhwerkes,um eine Keimverschleppung zu ver-meiden. Eine Überdachung des Hof-bereiches sowie die Anschaffung einerDurchlauf-Sohlenwaschmaschine(siehe Hygieneschleuse) ist damitnicht zwangsläufig erforderlich.

9. „Die Decke muss gestrichen werden.“Veterinäraufsichten haben’s gerneweiß. Dennoch, auch ungestricheneBetondecken können hell, glatt, leichtzu reinigen und ohne lose Material-teilchen sein (Zielvorgabe; siehePunkt 2 „Wände“). Auch wenn ältereBetondecken vielleicht deren Alterentsprechend aussehen, ist es häufigsinnvoller, diese einfach nur „sauber“zu halten. Aus nichttoxischem Mate-rial bestehen Betondecken ohnehin.Wer sich trotzdem zu Malerarbeitenhinreißen lässt, muss sich darüber klarsein, dass sich jeder Pinselstrich lang-fristig auch wieder ablösen kann. Damitwäre dann das (Teil-)Ziel („keine losenMaterialteilchen“) auf Dauer trotzMühe und Kosten nicht erreicht. Esobliegt letztendlich dem Betriebsinha-ber, ob er z. B. Fliesen oder Verklei-dungen oder ggf. die günstigereLösung (Maler, Farbanstrich) anstrebt,natürlich unter Zielerreichung (keinelosen Farbpartikel). Die günstigereLösung geht natürlich mit einem nach-folgenden Pflegeproblem einher (z. B.Farbanstrich regelmäßig erneuern).

10. „Die Wandverkleidung muss er-neuert werden.“Natürlich sollte eine defekte Verklei-dung instand gesetzt oder erneuertwerden. Dennoch ergibt sich die Fra-ge, ob eine Wand – speziell im Feuch-traumbereich – überhaupt verkleidetsein muss. In vielen Fällen ist es sinn-voll, von Verkleidungen ganz abzuse-hen, da im Zwischenraum zwischenVerkleidung und Wand der Algen-bzw. Schimmelbildung etc. Vorschubgeleistet werden kann.

11. „Das betriebliche Eigenkontroll-system/HACCP muss erweitert/ange-passt werden.“

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HACCP-Konzepte können viele Ge-sichter haben. Dennoch haben diesealle eines gemeinsam: HACCP (Ha-zard Analysis Critical Control Point)definiert sich über die 7 Grundsätze.Sofern alle 7 Grundsätze erfüllt sind,sollte im Zuge der Erweiterung/An-passung über deren Verhältnismäßig-keit nachgedacht werden. Die Gesetz-gebung sieht hierzu vor, dass betriebli-che Eigenkontrollen/HACCP der Be-triebsgröße angemessen sein sollen.Dieses bedeutet zwar nicht, dass einKleinbetrieb ohne weiteres von derDefinition („7 Grundsätze“) abwei-chen sollte, da beim Fehlen auch nureines der 7 Grundsätze das System insich nicht mehr schlüssig ist. Es be-deutet aber wohl, dass beispielsweiseder Dokumentationsaufwand in klei-neren Betrieben entsprechend niedriggehalten werden sollte.

Tipps und Hinweise zurLösung der ProblematikDie Betriebe sollten nicht unkritischmit Forderungen von Veterinäraufsich-ten umgehen und diese ausreichendprüfen. Hilfestellung bieten externauch Verbände, die unter anderem prü-fen, ob im jeweiligen Fall eine Rechts-grundlage für die Vorgehensweise derBehörde vorliegt, oder ob die Flexibi-litätsregelung Anwendung findenkann.

Häufig können mit einfachen Mittelndie gleichen Ziele erreicht werden.Die Gefahr einer nachteiligen Beein-flussung von Lebensmitteln durchchemische, physikalische und/odermikrobiologische sowie ekelerregendeEinflüsse muss – ganz im Sinne desVerbraucherschutzes – vermieden wer-den, wobei an dieser Stelle die Fragezu stellen ist, ob die Zielerreichungmit einer „Nulltoleranz“ behaftet seinsollte. Dann dürfte man z. B. eineWurst nicht mehr in Scheiben schnei-den. Auch hier sollte seitens der Über-wachung eine angemessene Flexi-bilität an den Tag gelegt werden.

Als hilfreich für die Betriebe hat sichnachfolgende Vorgehensweise imUmgang mit Veterinäraufsichten er-wiesen:

• Forderungen der Veterinäraufsich-ten schriftlich erstellen lassen(„Mängelliste“)

• Prüfung, ob eine Rechtsgrundlagevorliegt bzw., ob die Flexibilitäts-regelung greifen kann

• (ggf. Prüfung durch externeBerater/Verbände/Juristen)

• ggf. Einspruch erheben (schriftlich)

Fazit:Die neue Gesetzgebung lässt den Be-trieben deutlich mehr Spielräume, damehr Ziele und weniger Details defi-niert wurden. Veterinäraufsichten wer-den leider viel zu oft noch von denalten Denkweisen gesteuert und lassenstandardisierte – also vereinheitlichte– Vorgehensweisen vermissen. Flexibi-lität ist genau dann nicht gegeben,wenn auf „alten Vorschriften“ bestan-den wird. Flexibilität sollte von allenVeterinäraufsichten angewandt werdenund eben nicht nur von einigen.

Die Gesetzgebung ist nicht nurfür Veterinäraufsichten, sondernauch für die Betriebe erarbeitetworden.

Die Flexibilitätsregelung dient dazu,Betriebe wirtschaftlich nicht zu über-fordern. Insofern sollen die vorange-gangenen Ausführungen die Betriebedazu ermutigen, nicht allzu unkritisch,sondern vielmehr „offen“ mit den zu-ständigen Veterinäraufsichten umzuge-hen, zumindest für die Dauer derÜbergangsphase, bis die beschriebeneeinheitliche Leitlinie durch das zustän-dige Ministerium in NRW entwickeltund implementiert wird, damit demVerbraucherschutz zu mehr Durchset-zungskraft verholfen werden kann undso Wettbewerbsnachteile für einzelneBetriebe vermieden werden.

Thomas Sieweke

Dipl.-IngenieurLebensmitteltechnolo-gie, FSK-Fachlaborzur Kontrolle vonLebensmitteln GmbH,

Betriebsberatung Lebensmittel mitSchwerpunkt: Qualitätswesen und Be-triebshygiene in Fleischwarenbetriebenvor [email protected]

IMPRESSUM

HerausgeberBehr’s…Verlag, Hamburg

RedaktionRechtsanwältin Dr. Sabine Görgen,Fasanenstraße 37, 45134 Essen

BeiratGabriele Beutner,Syndikusanwältin Unilever DeutschlandGmbH, Hamburg

Friedrich Gründig,staatlich geprüfter Lebensmittelchemiker,Fachgebietsleiter, Landesuntersuchungs-anstalt für das Gesundheits- und Veterinär-wesen Sachsen, Dresden

Angelika Mrohs,Rechtsanwältin, Geschäftsführerin Bund fürLebensmittelrecht und Lebensmittelkundee. V. (BLL), Bonn

Dirk Radermacher,Rechtsanwalt, Hauptgeschäftsführer Bundes-verband der deutschen Feinkostindustriee. V., Bonn

VerlagB. Behr’s Verlag GmbH & Co. KG,Averhoffstraße 10, 22085 HamburgTelefon: 040/ 227 00 80, E-Mail:[email protected], Internet: www.behrs.de

„Food & Recht PRAXIS“ ist ein Supplementzum Informationsdienst „Food & Recht“,Einzelverkaufspreis: € 10,00 zzgl. MwSt.

Alle Informationen wurden mit Sorgfalt er-mittelt und überprüft. Es kann jedoch keineGewähr übernommen werden, eine Haftungist ausgeschlossen. „Food & Recht PRAXIS“und alle darin enthaltenen Beiträge und Mel-dungen sind urheberrechtlich geschützt.Vervielfältigungen jeder Art sind nur mitausdrücklicher Genehmigung des Verlagsgestattet. Alle Rechte vorbehalten.

ISSN 1864-645X

© 2007 B. Behr’sVerlag GmbH&Co. KG, Hamburg.

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FOOD & RECHT PRAXIS 01/07

B. BEHR’S...VERLAG, Hamburg

BuchbesprechungFragen & Antworten

Health Claims-Verordnung

Florian Meyer1. Auflage 2007,DINA5, BR, 92 Seiten,39,50 Euro zzgl. MwStBehr’s Verlag, Hamburg,

ISBN 978-3-89947-348-3

Haben Sie noch Fragen zu Health Claims?Die Broschüre „Health Claims-Verordnung“aus der im Behr’s Verlag erscheinendenReihe „Fragen &Antworten“ gibt Ihnen Ant-worten auf eine Vielzahl von Fragen, die sichIhnen im Umgang mit der neuen Verordnungzum Thema nährwert- und gesundheits-bezogener Angaben stellen.

Nach der neuen Health Claims-Verordnungstehen Werbeaussagen wie „stärkt Ihre Ab-

wehrkräfte“, „zuckerfrei“, „ballaststoffreich“oder „ohne Fett“ auf dem Prüfstand.

Dürfen diese Aussagen auch künftig noch inder Werbung verwendet werden? Dieser undzahlreicher anderer dringendster Fragennimmt sich dieses Werk an. So wird bei-spielsweise auch die Rolle der höchst um-strittenen Nährwertprofile untersucht.

Mit etwa 60 Kurzbeiträgen werden in leichtverständlichen Antworten unter anderem Be-griffsbestimmungen, der Anwendungsbe-reich der Verordnung, die Anforderungen andie wissenschaftliche Absicherung bestimm-ter Wirkungsaussagen und das Zulassungs-verfahren erläutert. Die Broschüre klärtsomit die wichtigsten Begriffe und gibtTipps für die tägliche Praxis.

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