Beobachtungen an einer Brut des Bruchwasserläufers(Tringa glareola L.)

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340 [J. Orn. 101 Beobachtungen an einer Brut des Bruchwasserl~iu{ers (Tringa glareola L.) Von Heinri,ch Kirchner Am 31. Mai 1959 gelang e s meinem ~Sohne KLAUS im Butterbargsmoor bei Wedel in Holstein das Gelege eines Bruehwasserl~iufers, Tringa glareola, zu find- den. Das Gelege war in einer Wollgrasstaude abgelegt. Da die Oberfl~iche des Moores bei der herrschenden Dfirre stark zusammengesunken war, lagen die Eier etwa 10 cm fiber Niveau. Der auf das Nest gehende Vogel mul]te nach oben klettern. Wir ,sch~tzten am 1. Juni, dab das Gelege etwa eine Woche bebrfitet war. Bei der Sehwemmprobe standen die Eier mit dem stumpfen Pol senkrecht nach oben im Wasser. Mit den MaJ3en: 35,4 X 27,3 mm ---- 13,20 g -- 36,3 X 27,7 mm :- 13,52 g -- 36,3 X 27,2 mm = 13,70 g - 35,4 X 28,5 mm -- 13,65 g waren sie urn etwa 2 mm kfirzer als ~lle von uns bisher gefundenen 12 Eier (KIRCttNER 1956). 28,5 mm ~st dagegen das bisher grSl]te von uns festgestellte BreitenmaB. Auch in der FErbung unterschied sich das 1959 gefundene Gelege. Die sehoko- ladenfarbenen Flecken waren am stumpfen Pol noch stiirker flatschenfSrmig ge- h~uft als sonstl). Am 4. Juni konnte mein Sohn eine BrutablSsung beobachten. Um 15.40 Uhr fliegt ein Brutpartner ,,gip gip..." rufend voriiber und 1/il]t sich auf einer etwa 30 Meter vom Nest weit und broit alleinstehenden niedrigen Krfippelkiefer nie- der. Von hier ruft er ,,gi'ebip" gi'ebip ..." (an Brachvogelrufe erinnernd), auch ,,gip gip di~del di~del diidel", aueh ,,di~t di~t". ,Der brfitende Vogel erhebt sich und l~uft lautlos vom Nest. Der Partner fliegt in die N~ihe des Nestes und kommt laufend auf die Eier. Bei neuerlichem Verlassen des Geleges nach kurzem Briiten und Abfliegen kommt der Partner aus dem Moore herangeflogen und beid~ ,,ti~deln". Eine in gleicher Weise verlaufende AblSsung konnte auch am 16. Juni um 16.10 Uhr beobachtet werden. Als ich am 8. Juni in das Moor komme und mich dem Nest nEhere, fliegt der brtitende Vogel mit Schreckschreien vom Nest. Dieses Schreien geht dann in das ,,Ttideln" fiber. Ich fange um 9.30 Uhr den einen Brutvogel (vermutlich das ~), beringe ihn 1 i n k s mit Helgoland 8 536 474 un.d f~irbe ihn an den Weichen und auf dem Biirzel mit Placka-Rot. Das Gewieht be- trug 55 g. Als ich ihn dann wieder unter die fiber dem Neste stehende Reuse sehiebe, fliegt der Partner voriiber und ,,ti~delt". 12.30 Uhr fange ich den zweiten Vogel (vermutlich das 9), las.se ihn ungef/irbt und beringe ihn re e h t s mit Helgoland 8 536 475. Sein Gewieht betrug 60 g. 1) Ein Ei mit erstaunlich geringen Mal]en land mein Sohn am 25. Mai 1957 im Ohe-Moor bei Hamburg. Es mall 30,0 X 20,2 mm = i1 g. Es war und b]ieb das einzige im Nest und gehSrte zu einem 1954 yon uns beringten M~nnehen,das es bis zum 1. Juni alleine bebriitete. Ein Partner wurde nicht am Nest bcobachtet. Dann wurde es yon einer Kr~he geraubt. Ein als Ersatz in die Nestmulde gelegter, dem Ei an GrSl]e etwa glei,chender Gummiball wurde zun~chst angenommen, darm aber nach l~urzer Zeit aufgegeben.

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340 [J. Orn. 101

Beobachtungen an einer Brut des Bruchwasserl~iu{ers (Tringa glareola L.)

Von Heinri,ch Kirchner

Am 31. Mai 1959 gelang e s meinem ~Sohne KLAUS im Butterbargsmoor bei Wedel in Holstein das Gelege eines Bruehwasserl~iufers, Tringa glareola, zu find- den. Das Gelege war in einer Wollgrasstaude abgelegt. Da die Oberfl~iche des Moores bei der herrschenden Dfirre stark zusammengesunken war, lagen die Eier etwa 10 cm fiber Niveau. Der auf das Nest gehende Vogel mul]te nach oben klettern.

Wir ,sch~tzten am 1. Juni, dab das Gelege etwa eine Woche bebrfitet war. Bei der Sehwemmprobe standen die Eier mit dem stumpfen Pol senkrecht nach oben im Wasser. Mit den MaJ3en: 35,4 X 27,3 mm ---- 13,20 g - - 36,3 X 27,7 mm :- 13,52 g -- 36,3 X 27,2 mm = 13,70 g - 35,4 X 28,5 mm -- 13,65 g waren sie urn etwa 2 mm kfirzer als ~lle von uns bisher gefundenen 12 Eier (KIRCttNER 1956). 28,5 mm ~st dagegen das bisher grSl]te von uns festgestellte BreitenmaB. Auch in der FErbung unterschied sich das 1959 gefundene Gelege. Die sehoko- ladenfarbenen Flecken waren am stumpfen Pol noch stiirker flatschenfSrmig ge- h~uft als sonstl).

Am 4. Juni konnte mein Sohn eine BrutablSsung beobachten. Um 15.40 Uhr fliegt ein Bru tpar tner ,,gip g ip . . . " rufend voriiber und 1/il]t sich auf einer etwa 30 Meter vom Nest weit und broit al leinstehenden niedrigen Krfippelkiefer nie- der. Von hier ruft er ,,gi'ebip" gi'ebip . . . " (an Brachvogelrufe er innernd), auch ,,gip gip di~del di~del diidel", aueh ,,di~t di~t". ,Der brfitende Vogel erhebt sich und l~uft lautlos vom Nest. Der Par tner fliegt in die N~ihe des Nestes und kommt laufend auf die Eier. Bei neuerlichem Verlassen des Geleges nach kurzem Briiten und Abfliegen kommt der Par tner aus dem Moore herangeflogen und beid~ ,,ti~deln". Eine in gleicher Weise verlaufende AblSsung konnte auch am 16. Jun i um 16.10 Uhr beobachtet werden. Als ich am 8. Juni in das Moor komme und mich dem Nest nEhere, fliegt der brti tende Vogel mit Schreckschreien vom Nest. Dieses Schreien geht d a n n in das ,,Ttideln" fiber. Ich fange um 9.30 Uhr den einen Brutvogel (vermutlich das ~), beringe ihn 1 i n k s mit Helgoland 8 536 474 un.d f~irbe ihn an den Weichen und auf dem Biirzel mit Placka-Rot. Das Gewieht be- t rug 55 g. Als ich ihn dann wieder un te r die fiber dem Neste stehende Reuse sehiebe, fliegt der Par tner voriiber und ,,ti~delt". 12.30 Uhr fange ich den zweiten Vogel (vermutlich das 9), las.se ihn ungef/irbt und beringe ihn r e e h t s mit Helgoland 8 536 475. Sein Gewieht betrug 60 g.

1) Ein Ei mit erstaunlich geringen Mal]en land mein Sohn am 25. Mai 1957 im Ohe-Moor bei Hamburg. Es mall 30,0 X 20,2 mm = i1 g. Es war und b]ieb das einzige im Nest und gehSrte zu einem 1954 yon uns beringten M~nnehen, das es bis zum 1. Juni alleine bebriitete. Ein Partner wurde nicht am Nest bcobachtet. Dann wurde es yon einer Kr~he geraubt. Ein als Ersatz in die Nestmulde gelegter, dem Ei an GrSl]e etwa glei,chender Gummiball wurde zun~chst angenommen, darm aber nach l~urzer Zeit aufgegeben.

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Heft3 ] 1960 Brut des Bruchwasserl~ufers 341

B e i m Ansitz am Nest auf kurze Entfernung konnte dann festgestellt werden, dab ein Wenden der Eier mit dem Schnabel nicht stattfand. Der jeweils briitende Vogel erhob sich und scharrte, nachdem er sich nach vorne weit fiber das Gelege hinausgeschoben und niedergedrfickt hatte, mit den Beinen zwischen den Eiern so stark, dal3 man um diese besorgt sein konnte. ,Sprechen und lautes Hantieren im Ansitzzelt wurde ohne Reaktion ausgehalten, Pfeifen durch Kopfdrehen belauscht. Mehrfach stocherte der gerade brfitende Vogel mit dem Schnabel riickw~rts im Gefieder. Dies schien weniger der Reinigung zu dienen, machte vielmehr den Ein- druck von Nervosit~it oder Verlegenheit. Beide Partner wurden zu verschiedenen Zeiten auf dem Gelege angetroffen. Linksring hatte eine tiefere Stimme als Rechtsring, dessen Rufe diinn und hell klangen. Die VSgel konnte ich auBerdem -- mindestens linksseitig -- am Zfigelstreif unterscheiden: bei Linksring war er breiter und geschlossener, bei Rechtsring durch eine Aufhellung unterbrochen.

Am 17. Juni, 8.45 Uhr ist das erste Ei angepickt, 10.05 Uhr das zweite und 12.30 Uhr das dritte. 13.00 Uhr, 14.30 Uhr und 14.45 Uhr ist Linksring auf dem Nest. 19.00 Uhr geht Rechtsring (---- 9?) auf das Gelege, bis dahin ist noeh keines der Jungen geschlfipft. Bei der herrschenden Hitze und Dfirre wurden die Eier vorsorglich mehrmals mit Wasser besprengt. Am 18. Juni um 6.15 Uhr ist ein Junges geschlfipft. 7.00 Uhr geht Linksring ( = ~ ?) auf das NEst. Rechtsring wurde an diesem Tage nur noch einmal an einem Moorteieh (Nahrungsbiotop)

Abb. I. l)i~' vh~r I~h~v des l~ru,:~hwasscrlihd'ers, t~utl¢~rb~rgsnloor ])~i Wcdel. -- KL. KIJ~CH~];I~.

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Abb. 2. Rechtsring briitet. I1 . Juni 1959. -- KL. KIRCHNER.

Abb. 3. Linksr ing hat die E£schale erfal3t. Kurz danach fliegt er mit ihr vom Nest. 18. Juni 1959, 10.25 Uhr. -- J. AnL und K L KI~CHr~ER.

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Heft 3] 1960 J Brut des Bruchwasserliiufers 343

,,\bh. I. I , i nks r ing mit . lungl 'n . IN. . lun i 1!15!1. KL. I,h]wJ~x~.m.

Al)b. 5. , \ l ie vi( 'r , lung('n s ind gesdl l i ip l t . I S . . h m i 1!//3!), 12 .30 Uhr . - KI.. Ki I ) (nNIn .

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[J. Ore. 344 HEINRICH KmCHNER [ 101

etwa 300 m vom Nest entfernt und von da an fiberhaupt nicht mehr beobachtet. 7.50 Uhr ist das zweite Junge geschliipft. 9.15 Uhr wollen zwei der Jungen unter dem briitenden Lir~ksring aus dem Nest, ohne es zu schaffen. 9.25 Uhr fliegt Linksring ohne Grund auf. Ein Junges, das bereits abgetrocknet ist, krabbelt aus dem Nest. Linksring kommt nach kurzer Zeit zuriick und lockt mit ,,gib g ib . . . " . Das Junge kriecht wieder in das Nest und unter den Elternvogel. 9.50 Uhr beginnt Linksring ohne ersichtlichen Grund minutenlang zu schreien und £ugt schr/~g nach oben (zum Photographieren ist die Deckung des Nestes durch Abschneiden der Wollgrashalme stark gelichtet). 9.55 Uhr Abflug ohne Grund und sofortige Rfickkehr. 10.10 Uhr ist das dritte Junge geschliipft. Links- ring knabbert mit der Schnabelspitze an dem eben geschlfipften Jungen. 10.15 Uhr schlfipft das vierte Junge, steckt aber noch halb in der Schale. 10.25 Uhr greift Linksring mit dem Schnabel die Eischale des dritten Jungen und tr~igt sie fliegend fort. Er l~il]t sie etwa 50 m vom Nest fallen, dann kehrt er zum Nest zurfick und ruft lange. 10.55 Uhr fliegt Linksring vom Nest, kehrt so- fort zuriick und tr/igt die Eischale des letzten, jetzt geschlfipften Jungen fliegend fort. Er kehrt dann sofort zuriick. Ein Junges verl~iBt das Nest und stolpert durch die n~ichste Umgebung des Nesthiigels. 11.05 Uhr sieht Linksring nach dem Jungen, das sich aus dem Nest entfernt hat. 12.20 Uhr erhebt sich Linksring, l~uft aus dem Nest und lockt mit ,,gib gib gib ffib". Alle Jungen verlassen das Nest und folgen in das Moor. 16.00 Uhr ist Linksring mit den Jungen 60 m vom Nest entfernt. Bis zum 30. Juni wird nur Linksring in Begleitung der Jungen beobachtet, am 4. Juli von den Bruchwasserl£ufern im Moor nichts mehr be- merkt. Das aus dem Nest entfernte Nistmaterial wog diesmal nur 2,8 g. Das geringe Gewicht (sonst 7--7,5 g) fiihre ich auf die Dfirre zuriick.

,Bis zum Tage vor .dem Ausschliipfen der Jungen wurden also noch beide Brut- partner am Nest beobachtet. Am Tage des Schliipfens selber und beim Fiihren blieb nur L i n k s r i n g (-- ~?) bei den Jungen zuriick. In ihm vermute ich aus folgenden Gr/inden das M i~ n n c h e n : Linksring ist um 5 g leiohter als Rechtsring. GROSSKOPF (1959) stellte bei zwei dem Gewicht nach kontrollierten Paaren des Rotschenkels (Tringa totanus L.) ein geringeres Gewicht der M~nn- chen sowie geringere FliigelmaBe fest. Linksring hatte eine tiefere Stimme als Rechtsring. Im Ohe-Moor haben wir festgestellt, dab der 1954 von uns beringte Vogel, der sich mehrfach als M/innchen bet~tigt hatte, ebenfalls e4ne tiefere Stimme als seine Partnerin hatte. Ich mSchte aber feststellen, daB das Verschwin- den eines Brutpartners am Tage des Schliipfens und das alleinige Fiihren der Jungen durch einen Elternvogel gleich vom Verlassen des Nestes an nicht die Regel ist. Wie schon friiher beobachtete ich am 8. Juni 1959 im Butterbargsmoor ein zweites Paar Bruchwasserliiufer, dessen beide AltvSgel sich um frischge- schliipfte Junge besorgt zeigten. Stimmt unsere Schiitzung, dab die Eier am 1. Juni 6--7 Tage bebrfitet waren, so ergibt sich eine vielleicht durch die StSrun- gen etwas verl/ingerte Brutdauer von 22--23 Tagen. Der Brutvogel entfernte die Eischalen nach dem Schliipfen und trug sie fliegend fort. Bei allen bisher beobach-

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teten Nestern waren diese nach dem Verlassen durch die Brut bis auf kleine Schalensplitter leer. Nur im Jahre 1933 fand ich in einem Neste vom Vorjahre einen grol3en Tell der oberen Kalotte einer Schale. Nach DEMENTJEW (1951) l~iBt der Bruchwasserl/iufer die Schale der Eier nach dem Ausschliipfen der Jungen angeblich im Nest oder neben ihm. Das wiirde aber bei der GrSl3e der Eier die Jungen gefihrden.

Zusammen{assung

1. Das Gewicht des Brutpz~ares betrug 55 g und 60 g. 2. Die Brutpartner unterschieden sich durch die StimmhShe. 3. Bcide Geschlechter brfiteten und liel3en das ,Tiidcln" h5ren. 4. Eine BrutablSsung wird beschrieben. 5. Das Wenden der Eier geschieht durch Scharrcn mit den Beincn. 6. Die Eicr watch fast 24 Stunden vor dem Schliipfen angepickt.

Das Schliipfen selber dauerte etwa 4--5 Stunden. 7. Am Tagc des Schltipfens und beim Fiihrcn war nur eft1 Elternvogel bei den Jungcn,

vermutlich das M~nnchen. 8. Die Eischalen wurden aus dem Nest entfernt und fliegend fortgetragen. 9. Die Brutdauer wird auf 22--23 Tage gesch£tzt.

Literatur DEMENT,1EW / GLAI)KOW (1951): Die VSgel der Sowjetunion, Band 3. Moskau GROSSKOVF, G. (1959): Zur Biologic des Rotschenkels (Tringa t. to&thus L.) I1; J. f.

Orn. 100, S. 210--236. KraCHNER, 11. (1956): Zur ()kologic und Brutbiologie des Bruchwasscrl£ufevs (Trin~la

ghzreola) in Schlcswig-llolstein; J. f. Orn. 97, S. 21--30.