Berliner Extrablatt 04 2012

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BERLINER EXTRABLATT Ständig aktualisiert: Die Schloss-Präsentation im Internet unter www.berliner-schloss.de NEUESTE UND GRÜNDLICHE INFORMATIONEN ZUM BAU DES HUMBOLDTFORUMS IN DER ÄUSSEREN GESTALT DES BERLINER SCHLOSSES 76. Auflage · Aktualisiert · Gesamtauflage 2.830.000 · Nr. 2 · April 2012 Mitteilungsblatt des Fördervereins Berliner Schloss e.V. GRATISEXEMPLAR BITTE WEITERGEBEN! Nun also doch: Schlüters berühmtes Eckrondell, der Abschluss der Schlossplatzfassade zur Langen Brücke hin, kommt! Im letzten Jahr hat der Haushaltsaus- schuss des Bun- destages end- gültig grünes Licht gegeben: Nun beginnen erste bauvorbe- reitende Maßnahmen auf dem Bau- feld für das Berliner Schloss – Hum- boldtforum. Die erhaltenen Keller- ruinen des geplanten „Archäologi- schen Fensters“ werden baulich gesichert. Bevor nächstes Jahr die Berliner Verkehrsbetriebe mit dem Tunnelbau quer unter dem Baufeld beginnen, muss noch in diesem Jahr der Baugrund verdichtet und aus- reichend tragfähig gemacht wer- den. Auf dem Baufeld wird derzeit eine Musterfassade errichtet. In Spandau ist die Schlossbauhütte in Betrieb. Die Rekonstruktion der barocken Fassaden des Berliner Schlosses für den Bau des Humboldtforums um- fasst einen Baukörper von fast 200m Länge und ca. 130m Breite. Im östli- chen Bereich wird das Bauvorhaben auf der noch vorhandenen soge- nannten „Palastwanne“, der Grün- dungssohle des 2008 abgerissenen Palastes der Republik, gebaut. Diese Gründungssohle liegt tief genug für das geplante Kellergeschoss und bietet ausreichend Tragfähigkeit für das Bauvorhaben und die darunter geplanten U-Bahn-Tunnelröhren. Im westlichen Bereich, dort wo man zurzeit von der Dachterrasse der Humboldt-Box die ausgegrabe- nen Kellerreste des Berliner Schlos- ses sehen kann, sind umfangrei- chere Baumaßnahmen vorgesehen. Wegen des Baus der U-Bahn müs- sen im nordwestlichen Teil die his- torischen Gründungspfähle des Schlosses gezogen werden. Dann wird hier die Baugrube für das neue Kellergeschoss ausgehoben, das flach auf einer Bodenplatte gegrün- det wird. Die Bohrpfähle im Baugrund stammen noch von der Gründung des historischen Münzturms, den der barocke Schlossbaumeister An- dreas Schlüter von 1701 an auf eine Höhe von über 100 Metern aufsto- cken sollte. Wegen des schlechten Baugrundes neigte sich der Turm aber schon 1704 bedrohlich zur Seite, wurde nach vergeblichen Stützungsmaßnahmen teilweise abgetragen und fiel 1706 schließlich ganz in sich zusammen. Das war das Ende der Karriere von Andreas Schlüter am preußischen Königs- hof. Der Vorfall ist für uns auch heute noch Warnung vor dem schlechten Baugrund auf dem Schlossplatz. Fortsetzung auf Seite 2 Faltwerkmodell der Gründung des Untergeschosses des neuen Berliner Schlosses - Humboldt- forum. Wir sind tatsächlich angekom- men. Im April beginnen die ersten Erdarbeiten für den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Hum- boldtforum. Der sehr unsichere Baugrund wird für den U-Bahn- Bau und zu- gleich für die Fundamente des neuen Schlos- ses ertüchtigt, beide Arbeiten laufen syn- chron, um den engen Kostenrah- men einzuhalten. 2013 erfolgt die Grundsteinlegung und dann geht es zügig weiter, bis im Laufe des Jahres 2017 das Gebäude bezugsfertig sein wird. Die Motivation aller Beteilig- ten am Bau aber auch im Förderver- ein Berliner Schloss ist entspre- chend großartig. Und es gibt noch mehr Rückhalt. Bundestagspräsident Prof. Dr. Norbert Lammert äußert sich zur Schlossdebatte: „Dafür ging aber mit der jahrelangen Auseinander- setzung um das Schloss eine zeitli- che Tiefenschärfung im Geschichts- bewusstsein unseres Landes einher, und das ist kein kleines Verdienst Fortsetzung auf Seite 2 von Wilhelm von Boddien mehr dazu auf Seite 3 Glücksmomente Beginn von bauvorbereitenden Maßnahmen auf dem Baufeld für das Berliner Schloss – Humboldtforum von Manfred Rettig

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Berliner Extrablatt 04 2012

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  • BERLINER EXTRABLATT

    Stndig aktualisiert: Die Schloss-Prsentation im Internet unter www.berliner-schloss.de

    N E U E S T E U N D G R N D L I C H E I N FO R M AT I O N E N Z U M B AU D E S H U M B O L DT FO R U M S I N D E R U S S E R E N G E S TA LT D E S B E R L I N E R S C H LO S S E S

    7 6 . A u f l a g e A k t u a l i s i e r t G e s a m t a u f l a g e 2 . 8 3 0 . 0 0 0 N r . 2 A p r i l 2 0 1 2M i t t e i l u n g s b l a t t d e s F r d e r v e r e i n s B e r l i n e r S c h l o s s e .V .

    GRATISEXEMPLARBITTE WEITERGEBEN!

    Nun also doch: Schlters berhmtes Eckrondell, der Abschluss der Schlossplatzfassade zur Langen Brcke hin, kommt!

    Im letzten Jahr hat der Haushaltsaus-schuss des Bun-destages end-gltig grnes Licht gegeben: Nun beginnen erste bauvorbe-

    reitende Manahmen auf dem Bau-feld fr das Berliner Schloss Hum-boldtforum. Die erhaltenen Keller-ruinen des geplanten Archologi-schen Fensters werden baulich gesichert. Bevor nchstes Jahr die Berliner Verkehrsbetriebe mit dem Tunnelbau quer unter dem Baufeld beginnen, muss noch in diesem Jahr der Baugrund verdichtet und aus-reichend tragfhig gemacht wer-den. Auf dem Baufeld wird derzeit eine Musterfassade errichtet. In Spandau ist die Schlossbauhtte in Betrieb.

    Die Rekonstruktion der barocken Fassaden des Berliner Schlosses fr den Bau des Humboldtforums um-fasst einen Baukrper von fast 200m

    Lnge und ca. 130m Breite. Im stli-chen Bereich wird das Bauvorhaben auf der noch vorhandenen soge-nannten Palastwanne, der Grn-dungssohle des 2008 abgerissenen Palastes der Republik, gebaut. Diese Grndungssohle liegt tief genug fr das geplante Kellergeschoss und bietet ausreichend Tragfhigkeit fr das Bauvorhaben und die darunter geplanten U-Bahn-Tunnelrhren.

    Im westlichen Bereich, dort wo man zurzeit von der Dachterrasse der Humboldt-Box die ausgegrabe-nen Kellerreste des Berliner Schlos-ses sehen kann, sind umfangrei-chere Baumanahmen vorgesehen. Wegen des Baus der U-Bahn ms-sen im nordwestlichen Teil die his-torischen Grndungspfhle des Schlosses gezogen werden. Dann wird hier die Baugrube fr das neue Kellergeschoss ausgehoben, das flach auf einer Bodenplatte gegrn-det wird.

    Die Bohrpfhle im Baugrund stammen noch von der Grndung des historischen Mnzturms, den

    der barocke Schlossbaumeister An-dreas Schlter von 1701 an auf eine Hhe von ber 100 Metern aufsto-cken sollte. Wegen des schlechten Baugrundes neigte sich der Turm aber schon 1704 bedrohlich zur Seite, wurde nach vergeblichen Sttzungsmanahmen teilweise

    abgetragen und fiel 1706 schlielich ganz in sich zusammen. Das war das Ende der Karriere von Andreas Schlter am preuischen Knigs-hof. Der Vorfall ist fr uns auch heute noch Warnung vor dem schlechten Baugrund auf dem Schlossplatz. Fortsetzung auf Seite 2

    Faltwerkmodell der Grndung des Untergeschosses des neuen Berliner Schlosses - Humboldt-forum.

    Wir sind tatschlich angekom-men. Im April beginnen die ersten Erdarbeiten fr den Wiederaufbau des Berliner Schlosses als Hum-boldtforum. Der sehr unsichere Baugrund wird fr den U-Bahn-Bau und zu-gleich fr die Fundamente des neuen Schlos-ses ertchtigt, beide Arbeiten laufen syn-chron, um den engen Kostenrah-men einzuhalten. 2013 erfolgt die Grundsteinlegung und dann geht es zgig weiter, bis im Laufe des Jahres 2017 das Gebude bezugsfertig sein wird. Die Motivation aller Beteilig-ten am Bau aber auch im Frderver-ein Berliner Schloss ist entspre-chend groartig. Und es gibt noch mehr Rckhalt.

    Bundestagsprsident Prof. Dr. Norbert Lammert uert sich zur Schlossdebatte: Dafr ging aber mit der jahrelangen Auseinander-setzung um das Schloss eine zeitli-che Tiefenschrfung im Geschichts-bewusstsein unseres Landes einher, und das ist kein kleines Verdienst Fortsetzung auf Seite 2

    von Wilhelm von Boddien

    mehr dazu auf Seite 3

    GlcksmomenteBeginn von bauvorbereitenden Manahmen auf dem Baufeld fr das Berliner Schloss Humboldtforum

    von Manfred Rettig

  • SE ITE 2 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Berliner Schloss-Humboldtforum

    Der Frderverein Berliner Schloss e.V. fhrt

    seit dem 7. Dezember 2007, als erster Kultur-

    Frderverein in Deutschland berhaupt,

    das vom Deutschen Zentralinstitut fr

    soziale Fragen (DZI), Berlin, verliehene

    DZI Spenden-Siegel:

    Zeichen fr Vertrauen.

    BERLINER SCHLOSS-

    HUMBOLDTFORUM S 1-6

    NEUES VOM

    ALTEN SCHLOSS S 7-8

    NEUES VON DER

    HUMBOLDT-BOX S 9-11

    ESSAY S 12-17

    SCHLOSS-

    ARCHOLOGIE S 18-19

    SCHLOSSBAUHTTE S 20-28

    DAS HUMBOLDTFORUM S 29-30

    DIES UND DAS S 31-33

    FREUNDESKREISE UND

    SPENDER S 34-36

    DANK! DANK! DANK! S 37

    DANK AN

    DIE FRDERER S 38-39

    SPENDENSTAND S 40

    SPENDEREHRUNG S 41

    BAUSTEINE S 42-43

    ANKREUZEN UND

    ABSCHICKEN S 44

    I N H A LT

    Wenn Du ein Schiff bauen willst,

    so trommle nicht Leute zusammen, um Holz

    zu beschaffen, Werkzeuge

    vorzubereiten, Aufgaben zu vergeben

    und die Arbeit einzuteilen,

    sondern wecke in ihnen die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer!

    (Antoine de Saint- Exupry)

    Im sdwestlichen Bereich des Baufeldes ist eine Flachgrndung nicht mglich, denn hier sollen die historischen Kellerreste und Bo-

    dendenkmale erhalten und spter sogar teilweise vom Neubau aus begehbar sein. Um aber die Neu-baugeschosse darber konstruktiv

    abzufangen, werden sie auf Betonpfhlen gegrndet, die in einem grozgigen Raster die histori-schen Keller durch-dringen. Diese Bohr-pfhle werden eine Lnge von ber 40 Metern haben und damit die Lasten des Berliner Schloss Humboldtforums si-cher abtragen.

    Im bergangsbe-reich zwischen der Palastwanne im Osten und der neuen Flach-grndung im Westen sind komplizierte An-schlussstellen der Grndungskonstruk-tion notwendig. Es muss verhindert wer-den, dass sich der Bau spter in den beiden Bereichen unter-schiedlich setzt. berhaupt sind viel-fltige Beweissiche-rungsvorkehrungen geplant, damit spter genau dokumentiert werden kann, ob und wie sich der Baugrund durch die Bauma-nahmen verndert und wie darauf ggf. baulich reagiert wer-den kann.Die bauvorbereiten-

    den Manahmen be-ginnen im Mrz und sollen mit der Herstellung der Baugrube bis zum Mai nchsten Jahres abgeschlossen sein. Wenn die Baugrube ausgeho-

    ben ist, wird die Bauherrin, die Stif-tung Berliner Schloss Humboldt-forum, im Beisein von Spitzenpoli-tikern des Bundes- und des Landes Berlin den Grundstein fr das be-deutendste Kulturbauvorhaben in der Mitte der Hauptstadt setzen. Damit wird ein erster Meilenstein fr die Wiedererstehung der histori-schen Mitte Berlins erreicht sein.

    Aber auch die Bildhauerarbeiten in der Schlossbauhtte in Spandau fr die Rekonstruktion der barocken Schlossfassaden kommen dank der bislang schon eingegangenen Spen-den gut voran. Die Schlossbauhtte wird seit Beginn des Jahres von Ber-told Just geleitet, ein ausgewiesener Fachmann, der vorher in der Gips-formerei der Staatlichen Museen Berlin leitend ttig war. Derzeit sind bereits mehr als ein halbes Dutzend Bildhauer in Spandau an den histori-schen Schmuckelementen ttig. Wenn die Spenden weiterhin wie er-hofft flieen, ist sichergestellt, dass die Arbeiten termingerecht fertig werden knnen.

    Auf dem Schlossplatz selbst kann man das Ergebnis der Bildhauerar-beiten auch schon ganz konkret an einer Musterfassade bewundern, die dort bis zum Frhjahr errichtet wird. Die Musterfassade steht direkt gegenber dem Berliner Dom auf dem Baufeld. Sie soll die Detailkon-struktion erproben helfen, also wie im Einzelnen die historische Fas-sade mit Fenstern, Fenstergiebeln, Mauerwerk und Sandsteinvorlagen entstehen wird.

    Manfred Rettig ist Sprecher des Vorstands der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum, des Bau-herrn des Schlosses und Humboldt-forums

    Glcksmomente Fortsetzung von Seite 1derjenigen gesellschaftlichen Krfte, die mit beharrlichem Nach-druck fr das Projekt geworben haben. Der Regierende Brger-meister von Berlin, Klaus Wowereit, schreibt: Ein Traum kann Wirklich-keit werden, wenn sich starker Wille mit persnlichem Engagement und groer Tatkraft verbindet. Ihr Ein-satz ist nicht allein fr die Wieder-herstellung der historischen Mitte

    Berlins ein Glcksfall, sondern fr die Kulturlandschaft unserer Hauptstadt insgesamt, hren wir vom Staatsminister fr Kultur und Medien bei der Bundeskanzlerin, Bernd Neumann.

    Solche Worte tun gut, gerade nach den langen Jahren auch schrfster Auseinandersetzungen um das Schloss. Wir mchten sie Ihnen nicht vorenthalten, gelten sie doch vor allem Ihnen, unseren unzhli-

    gen Mitgliedern und Spendern, die sich alle den Wiederaufbau des Ber-liner Schlosses nach besten Krften zu Eigen gemacht haben.

    Wie der groe, unbenannt sein wollende Mzen, der mit einer grozgigen Spende nun sogar den bislang nicht fr mglich gehalte-nen Bau des Eckrondells zur Langen Brcke hin erreichte. Ihnen allen gebhrt hierfr unser innigster Dank.

    Wir wollen Sie teilhaben lassen an unserer Freude und bringen Ihnen heute ein umgestaltetes Berliner Extrablatt, aktueller denn je und zuknftig vor allem als Berichtsblatt ber den Stand des Wiederaufbaus des Schlosses. Die Schlossdebatte um das ob und wie ist vorbei. Die Vergangenheit haben wir archi-viert und in einer Sonderbroschre fr Sie festgehalten. Diese knnen Sie kostenlos bei uns anfordern.

    Ausschreibungsplanung Rohbau: Neubau U5-Bahnhof Museumsinsel.Rechts schraffiert der Grundriss des Berliner Schlosses.

    Historische Schlossfundamente integriert in das Untergeschoss und Ver-lauf der U-Bahn unterhab des Schlosses Richtung Rathaus.

    Schlossburg Vilnius, Litauen. Auch hier wurde das neue Schloss ber den historischen Fundamenten errichtet. Um die Tragfhigkeit zu sichern, wurden die Grundmauern mit Betonpfhlen durchbohrt und der Neubau auf diese gestellt. Vorbild fr Berlin.

    Einer Teilauflage liegt ein Prospekt der Kniglichen

    Porzellanmanufaktur (KPM) bei. Wir bitten um freundliche

    Beachtung.

  • BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 3

    Berliner Schloss-Humboldtforum

    Der Hauptkritikpunkt an den neuen Plnen von Franco Stella fr das Schloss und Humboldtforum war der stliche Abschluss der Schlossfassade hin zu seiner Belve-dere genannten Ostfassade. Es fehlte der harmonische bergang und zu-gleich einer der markantesten Punkte des historischen Schlosses, Andreas Schlters berhmtes Eck-rondell, das gerade den Blick von der Langen Brcke auf das Schloss zu einzigartig betonte. Angesichts der uerst knappen Baukostenkalkula-tion waren die damit verbundenen Mehrkosten nicht darstellbar.Dies machte Viele unzufrieden

    mit dem Entwurf, aber auch unsere Kalkulation hatte angesichts unse-rer einzulsenden Zusage, 80 Milli-onen Euro fr die Fassaden aufzu-wenden, keine Reserven. Da in die-sen Tagen die gesamte Schlosspla-nung fr das Tragwerk und den Grundaufbau abgeschlossen wer-

    den musste, um den Terminplan einzuhalten, war Holland in Not! Dann erreichte uns der erlsende

    Anruf: Was muss ich aufwenden, damit das Eckrondell doch noch mglich wird? Rckfragen bei der Stiftung und

    im Planerhaus ergaben einen Mehr-aufwand fr Umplanung und Roh-bau des Eckrondells von einer Mil-lion Euro. Wieder Resignation bei uns. Wer gibt schon so viel Geld? Und schlielich die fast mrchen-hafte Nachricht: Ich berweise Ihnen sofort die Million, mit der Verpflichtung, sie zurckzuzahlen, wenn das Eckrondell doch nicht gebaut wirdDas Geld kam und hektische

    Betriebsamkeit setzte ein, da die Planung im Prinzip bereits abge-schlossen war. Dann die erlsende Nachricht. Es ist machbar! Der Stif-tungsrat stimmte zu. Damit waren alle Hrden beseitigt.

    Kurzer Rckruf beim Mzen ergab dessen Antwort: Ich vertraue Ihnen! Bitte berweisen Sie die Million an die Stiftung. Das Geld ist nun dort und das

    Eckrondell wird wirklich gebaut!Uns kommt das wie ein Wunder

    vor, wir jubelten! Ein befreiendes Dankeschn dem bewundernswer-tem Spender. Um neugierigen An-frage abzuhelfen: Wir bitten Sie, zu verstehen, dass er z.Z. nicht ge-nannt werden will.Es gibt noch viel zu tun finden

    wir Nachahmer?

    Fast wie im Mrchen: Mzenatische Leistung eines Unbekannten

    H U M B O L D T F O R U M

    RR

    Rin

    ne

    Rin

    ne

    Rin

    ne

    Rin

    ne

    Rin

    ne

    Rin

    ne

    7.01

    8.1

    08.0

    98. 0

    88.1

    1

    7.02

    11

    45

    6

    g14.0/37.0

    RampeNeigung 15%

    Rampe 6%

    10 Stg18.3/28.0

    10 Stg18.3/28.0

    Gef

    lle 1

    5%

    14

    .02

    14

    .03

    14.0

    41

    4.0

    51

    4.0

    614

    .07

    RRFR

    FR

    FR

    FR

    RR

    18 Stg18.0/28.0

    15 Stg18.0/28.0

    OKFF 3.OG

    OKFF 2.OG

    OKFF 1.OG

    28.5

    8

    OK Belvedere-Fassade

    5.7

    01.5

    05.5

    21.5

    04.7

    01.5

    04.3

    73.7

    9

    OKFFDachgeschoss

    Ansicht Nordfuge

    Stand 15.02.2012

    Orthogonale Ansicht des Schlosses von Sden, rechts Schlters Eckrondell als Abschluss der historischen Fassade. Damit ist der bergang wesentlich harmonischer als zuvor.

    Orthogonale Ansicht des Schlosses von der Spree aus. Stella verkrzte seine Fassade um eine Fensterachse zugunsten des Eckrondells.

    Grundriss des bergangs der historischen Schlossplatzfassade mit Eckrondell in die Ostfassade Franco Stellas.

    Lustgarten-Fuge

    Auch der bergang der histori-schen Fassade ber die Fuge in Stellas Belvedere wurde berar-beitet. Durch die in der Fuge sicht-baren schmalen Fenster und den groen Putzspiegel am Abschluss der historischen Fassade wirkt auch dieser bergang wesentlich harmonischer als im ursprngli-chen Entwurf.

    Durch den Wegfall einer Fensterachse und einen neuen Eingangsbereich wirkt die Ostfassade harmonischer.

    Was Ihre Spenden bewirken knnen:

    Schlters berhmtes Eckrondell kommt doch!

  • Berliner Schloss-HumboldtforumSE ITE 4 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Musterhafte Fassade

    Im Frhjahr 2012 wird ein erstes Werkstck des neuen Berliner Schlosses fertiggestellt. Eine Muster-fassade wird gegenber dem Berli-ner Dom, neben der Liebknechtbr-cke gebaut.

    Die obere Hlfte der Schlter-schen Fensterachse, bestehend aus Paradegeschossfenster, Mezzanin, Kranzgesims und Balustrade wird vollstndig rekonstruiert, mit allen Schmuckelementen wie z.B. dem

    Adler, der Initialenkartusche oder den Widderkpfen und den Lorbeer-festons. Aus statischen und auch aus Kostengrnden wird auf die untere Hlfte verzichtet, was fr die Bemus-terung auch entbehrlich ist.Die Fas-

    sade wird im wahrsten Sinne des Wortes musterhaft. Der gesamte Wandaufbau entspricht dem spte-ren Schloss.

    Vor einer Betonschale im Inneren liegt die Dmmschicht, dann folgt ein ca. 80 cm dickes Ziegelmauer-werk, in das die Fassadenelemente aus Sandstein eingelassen werden. In der Ziegelwand liegt auch ein di-ckes, verzinktes Rohr, die Innenent-wsserung des Schlossdachs.

    Die Befestigung der Sandsteinele-mente wird nach der alten Tradition

    vorgenommen, nur dass kaum noch Vergussblei eingesetzt wird, dafr aber entsprechende Wandanker aus rostfreiem Edelstahl.Sandstein ver-schiedener Provenienzen wird ver-baut, um auch damit zu testen, wel-che Arten wirklich optimal sind, nicht nur in Bezug auf das Aussehen, sondern auch der Witterungsbe-stndigkeit.

    Bei Ihrem nchsten Besuch in der Humboldt-Box sollten Sie sich die Fassade unbedingt anschauen, sie ist gleich nebenan.

    Die Musterfassade von der Humboldt-Box aus gesehen

    Das Paradegeschossfenster

    Die Initialenkartusche Einarbeitung des Lorbeerfestons in die Fassade

    Lorbeerfeston des Mezzasninfensters. Hinten der Rohling des Adlers

    Eine meisterhaft geschlagenes Gesimsstck von Steinmetz Stefan Gdke, der sich an der Seite fr alle Zeit verewigt hat.

    Adler des Mezzanin, links 1/1 Gipsmodell, oben einbaufertig in Sandstein

  • Berliner Schloss-HumboldtforumBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 5

    Die Westkante des Schlossplatzes reicht dafr das Auenministerium am anderen Ufer des Spreekanals?

    Berliner Diskussion, Ihre Meinung ist gefragt!

    Man kann fast schon sagen, wie blich, ist an der Planung von Thyssen-Krupp vielleicht einen glsernen Kubus vor der Westfassade des Staatsratsgebudes zu errichten, in Berlin eine heftige Diskussion entbrannt. Uns interessiert Ihre Meinung, ist die Gestalt des Schlossplatzes fr die Wirkung des Schlosses nicht ohne Bedeutung. Hier die Bilder des 1. Preistrgers des Thyssen-Wettbewerbs, ein glserner Kubus von den Hamburger Architekten Schweger und Partner und zwei spannende, kontroverse Beitrge von Autoren Dr. Dieter-Hoffmann-Axthelm und Florian Mausbach mit auerordentlicher Kompetenz, beide geleitet von ihrer Zuneigung zu Berlin.Was meinen Sie, wollen Sie es so oder so oder sehen sie einen bislang noch nicht diskutierten Kompromiss? Bitte schreiben Sie uns: [email protected]

    An der Stechbahn

    Die planerische Ausweisung eines quadratischen Grundstcks dicht vor dem ehemaligen Staats-ratsgebude der DDR scheint sim-pel genug, ja fr den, der die Stadt-geschichte nicht kennt, sogar will-krlich. Doch da tusche man sich nicht. Es war unauffllig genug, um alle Revisionen und Raubzge durch Verwaltung und Politik zu berstehen. Zur Begrndung ist aber auf mindestens drei Ebenen zuzugreifen, die stadtplanerische, die stadthistorische und die stdte-bauliche Ebene - um nur davon zu reden: da die politische nicht ab-wesend war, wird man sich ohnehin denken, die wirtschaftliche war oh-nehin Konzept. Die stadtplanerische Ebene: Wir

    reden von einem Platz. Seit es Schinkels Durchbruch von der Franzsischen Strae zum Werder-schen Markt gab, wuchs die Versu-chung zur Ost-West-Trasse. Also Durchgangsverkehr statt Platz. Von den zwanziger Jahren ber die Vor-gaben zum Hauptstadtwettbewerb von 1959 bis in den letzten General-plan der DDR reichen die Planun-gen. Das Planwerk Innenstadt htte sich selbst widersprochen, wenn es hier nicht ein Stopzeichen gesetzt htte, Platz statt 80 m Trasse.Die stadthistorische Ebene: Der

    Schloplatz ist bislang nur ein Name. Es fehlt aber nicht nur das Schlo, sondern vor allem die histo-rische Planfigur, die den Platz ab-schlo: die Stechbahn. Vom kur-frstlichen Turnierplatz ging der

    Namen an die begleitenden Kauf-buden ber, schlielich auf eine dreigeschossige Huserreihe, in den Arkaden des Erdgeschosses Kauflden. Es gibt ein berhmtes Bild von

    Hummel: die Sngerin Henriette Sonntag beim Verlassen des Eckla-dens. 1866 ersetzte man das baro-cke Bauwerk durch ein groes Ge-schftshaus, das Rote Schlo, wenig schn, aber pagenau. Bom-benbereinigt, blieb seitdem nur eine leere Flche. Das Staatsratsge-

    bude von 1964 verstellte dann nicht nur die Brderstrae, sondern auch jeden Gedanken an Raum und Begrenzung, eben das, was einmal die Stechbahn leistete. Ohne sie schwebte jedoch auch der Wieder-aufbau des Schlosses im Ungefh-ren.Die stdtebauliche Ebene: Was

    kann heutige Architektur in dieser Lage leisten? Der quadratische Bau-platz verwies bewut auf einen Mo-nolithen: einen Kubus, der nach allen Seiten Beziehungen bildet.

    Erstens ber die Diagonalbezie-hung zum Schloneubau, zweitens als westliche Begrenzung des Schloplatzes, der sonst auf Dauer nach Westen ausgelaufen wre, drittens, betont, zum Staatsratsge-bude. In seiner architektonischen Drftigkeit hat es Begleitschutz ja dringend ntig: Geplanter Kubus und vorhandenes Gebude sollten sich aneinander reiben, der Kubus dem Staatsgebude das geben, was es von sich aus nicht hat, Anschlu, Beziehbarkeit, Verankerung.

    Planung kann nur Chancen her-stellen. Ob sie genutzt werden, ent-scheidet sich woanders, es gibt kei-nerlei Absicherung, ob, wann und an wen, zu welchem Preis und zu welchen Konditionen verkauft und gebaut wird. Um so besser, wenn der Siege-

    rentwurf des Wettbewerbs recht genau das erfllt, was ich mir vorge-stellt habe, als ich das simple Quad-rat in den Plan einzeichnete. In diesem Falle ist die Sache wohl ein-mal gut gegangen.

    Dieter Hoffmann-Axthelm

    Luftaufnahme des Entwurfs von Schweger und Partner mit Auenministerium

    Seitenansicht

  • Berliner Schloss-HumboldtforumSE ITE 6 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    ThyssenKrupp in die Bauakademie!von Florian Mausbach

    Nebenan mahnen Kulissen an den Wiederaufbau der Bauakade-mie. Jetzt soll vor dem Staatsratsge-bude ein mchtiger Glaskubus entstehen. Der Stahlkonzern Thys-senKrupp will sich in der Haupt-stadt mit einem glsernen Wrfel als innovativer Technologiekonzern prsentieren. Es wre ein Fremd-krper in der historischen Mitte Berlins.Das Staatsratsgebude der DDR

    sollte als historisches Baudenkmal unverstellt erhalten bleiben. Es fgt sich in Dimension, Stellung und Haltung wie selbstverstndlich ein in das Ensemble der Staats- und Kulturbauten der Schloss- und Mu-seumsinsel, das in gewandelter Ge-stalt seine Wiederauferstehung er-lebt. Die von groen Baumeistern ber

    Jahrhunderte geschaffene Raum-komposition ist ein zeremonielles Schauspiel hierarchischer Bauten: das Humboldtforum im Schlossge-wand mit Schlossplatz, neuer Schlosspassage, Kuppel und Natio-naldenkmal, das Alte Museum und der Berliner Dom am Lustgarten, Zeughaus und Bauakademie am Kupfergraben. Das Staatsratsge-bude, in einen modernen Klassi-zismus gekleidet, maskiert mit dem

    Eosander-Portal des Schlosses, von dem Karl Liebknecht die freie sozi-alistische Republik ausrief, ist heute ein Mitspieler in diesem The-ater historischer Haupt- und Staats-bauten. Es braucht einen freien un-verstellten Vorplatz als Bhne. Im Stadtbild Berlins zeugt das palastar-tige Gebude von der 40jhrigen Geschichte des deutschen Teilstaa-tes und vom Streben nach Anerken-nung als Berlin-Hauptstadt der DDR. Nach dem Mauerfall wurde das

    Staatsratsgebude mit seinen weit-lufigen Foyers und groen Slen revolutionr umfunktioniert zum ffentlichen Brgerforum, wo die Debatten zur Zukunft des wieder vereinten Berlins stattfanden, Ar-chitektur- und Stdtebau-Wettbe-werbe ausgestellt und unter groer Anteilnahme errtert wurden. Der Bundesbauminister organi-

    sierte vom Staatsratsgebude aus den Parlaments- und Regierungs-umzug, dann residierte dort der Bundeskanzler, bis er ins neue Kanzleramt zog. Heute werden ka-pitalistische Manager ausgebildet in der groen Treppenhalle kndet ein buntes Glaspanorama noch vom unaufhaltsamen Sieg des Sozi-alismus. Eines Tages sollte es wieder

    ein ffentliches Gebude werden. Die Vorstellung, mit dem Baukrper vor dem Staatsratsgebude knn-ten vergangener Mastab und ver-lorene Fluchten rekonstruiert wer-den, verkennt den stndigen Wan-del der historischen Mitte schon vor der barbarischen Sprengung von Schloss und Bauakademie. Hier schiet das Planwerk Innenstadt ber sein Ziel hinaus. Wie abson-derlich ist es, die Strae An der Stechbahn, die einst Ritterspielen diente, durch einen glsernen Bau-klotz in Erinnerung rufen zu wollen.Die Stechbahn ist in den vergan-

    genen Jahrhunderten wechselnden Reprsentationsbauten gewichen, bis das Staatsratsgebude endgltig neue Respekt verdienende Tatsa-chen geschaffen hat. Der jetzt geplante Glaswrfel ver-

    spielt die gewonnene Grozgigkeit und tritt in eine unheilvolle Konkur-renz zu Mastab und Kubus der Bauakademie. Aus gewelltem Guss-glas, tags undurchsichtig trbe, nachts grell leuchtend, bietet er das Bild eines seltsam auerirdischen Fremdkrpers. David Chipperfield hat, als seine Idee eines Glaskrpers als Eingangsbau zur Museumsinsel auf hnliches Befremden stie, ein neues Gebude entworfen. Hier vor

    dem Staatsratsgebude hilft nur der Verzicht.Denn es ist mehr als eine

    Bausnde, dass auf der Museums- und Schlossinsel Baugrund-stcke abgesteckt und versteigert werden. Die historische und kulturelle Mitte der Stadt ist Allgemeingut. Es ist Weltkulturerbe, das nicht ver-schleudert, und heiliger Bezirk, der nicht durch Kommerzialisierung und Privatisierung entweiht werden darf. Der Verzicht auf den geplanten

    Bau muss nicht der Verzicht auf eine Hauptstadt-Reprsentanz des gro-en deutschen Unternehmens be-deuten, das sich als innovativer Technologiekonzern neu erfindet und architektonisch darstellen will. Was liegt nher als die Bauakademie gegenber der Schlossinsel und der Gedanke ihres Wiederaufbaus als ThyssenKrupp-Reprsentanz. Das Grundstck der Bauakademie ist im Eigentum des Landes, das, so wn-schenswert es wre, in absehbarer Zeit nicht zum Wiederaufbau der Bauakademie in der Lage sein wird. Schinkels Bau, in seiner nchtern sparsamen Ziegel-Architektur von frhen englischen Fabrikbauten angeregt, entstammt der Zeiten- und Energiewende des Dampf- und

    Eisenzeitalters, das auch Thyssen und Krupp gro gemacht hat. Heute ist der Technologiekonzern

    im Aufbruch in eine neue Zeit der Energiewende und der Nachhaltig-keit. Das ThyssenKrupp Quartier in Essen ist mit dem Deutschen Gte-siegel fr Nachhaltiges Bauen aus-gezeichnet worden. Die Gestaltung der Energiewende durch innovative Technologie ist ein Thema, ange-messen der historischen Bedeutung der Bauakademie und in seiner weltweiten Tragweite auch der Nachbarschaft des Humboldt-Fo-rums. Eine Hauptstadt-Reprsen-tanz von ThyssenKrupp in der origi-nalgetreuen historischen Gestalt der Bauakademie mit einem ffent-lichen Schinkel-Forum, mit Aus-stellungen und Veranstaltungen zur Meisterung der Energiewende und Gestaltung nachhaltigen Bauens wre wie die Rekonstruktion des Kommandantenhauses Unter den Linden durch die Bertelsmann-Stif-tung ein willkommener mzenati-scher Beitrag zur Rckgewinnung der historischen Mitte Berlins.

    Florian Mausbach war frher Prsident den Bundesamts fr Bauen und Raumordnung (BBR), Berlin

    Ansicht bei Nacht mit Staatsratsgebude und Spreekanal Ansicht bei Tag vom Lustgarten aus, links der Kubus des Schlosses

  • Neues vom alten SchlossBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 7

    Das Schloss schon im Mai 1944 erheblich schwerer getroffen!

    Sensationelle Bilder, noch nie verffentlicht

    Aus Wien schickte uns Dr. Arno Tertschnig vllig unbekannte Bilder von den ersten Zerstrungen des Berliner Schlosses, aufgenommen im Mai 1944. Es war erstmals bei einem Angriff Ziel alliierter Bomber. ber den Fotografen wei man nichts. Von diesem Angriff war bis-her nur der Volltreffer einer Spreng-bombe im Eosander-Risalit des Lustgartenflgels bekannt, der die-sen von der Groen Bildergalerie bis in das Erdgeschoss aufriss. In den Archiven gibt es davon nur wenige Aufnahmen. Da auch Bilder des Nord- und Ostflgels des Schlter-hofs mit kaputten Glasfenstern, aber sonst ohne erkennbare Schden aus diesen Tage existieren, gingen wir davon aus, dass diese nur vom Luft-druck der groen Sprengbombe ge-platzt waren. Auf den neuen Bildern sieht man

    an den Splitterschden des Sdfl-gels und des Quergebudes im Schlterhof, dass in diesem offen-sichtlich auch eine Sprengbombe niedergegangen sein muss und die-sen Abschnitt in der Erdgeschoss-zone erheblich beschdigte. Fotos der Dach Zone des Schlossplatzfl-gels und des Quergebudes zeugen zudem von einem gelschten, hefti-gen Brand, ausgelst durch Brand-bomben. Damals wurde das Feuer noch ge-

    lscht. Die meisten Menschen in Berlin hatten noch nicht resigniert, ganz anders als bei dem Vernich-tungsangriff auf die Berliner Mitte am 3. Februar 1945. Die sowjeti-schen Truppen hatten schon die Oder bei Kstrin erreicht und Br-ckenkpfe auf dem Westufer gebil-det, ganze 70 km vom Stadtrand Berlins entfernt. Kein Wunder, dass es diesmal keine Lschversuche mehr gab und das Schloss vier Tage lang lichterloh brannte. In dieser Endphase des Krieges versucht jeder nur noch das Leben seiner Familie und seine Habseligkeiten zu retten. Die tglichen Angriffe auf Berlin hatten die Bevlkerung weitgehend zermrbt. Warum ein Schloss heute noch lschen, wenn die alliierten Bomber morgen schon ihr Zerst-rungswerk fortsetzten?

    Wer wei mehr?

    Das Umfeld des Schlosses im Mai 1944

    Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal Der zerstrte Marsstall am Schlossplatz

    Blick vom Schloss auf Kommandantur und Zeughaus Blick vom Schloss ber die Spree zum Roten Rathaus

    Das Dach der Schlossplatzfassade nach dem Brand nach Osten Das Dach der Schlossplatzfassade nach dem Brand nach Westen

    Uns interessiert nun: Gibt es noch Augenzeugenberichte, Ar-chivmaterial, Schriften, Briefe, Zeitungsartikel aus denen wir noch mehr ber diese Zeit erfah-ren knnen?Bitte melden Sie sich doch bei uns, wenn Sie mehr darber wissen!

  • Neues vom alten SchlossSE ITE 8 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Die Zerstrung der Groen Bildergalerie

    Blick aus der zerstrten Bildergalerie zum Zeughaus

    Die Wirkung des Volltreffers im Schlterhof

    Der Volltreffer riss das Schloss bis in das Erddgeschoss auf

    Die zerstrte Bildergalerie nach Westen

    Die Bildergalerie dicht am Bombeneinschlag Die Bildergalerie vom Weien Saal aus nach Osten

    Blick in die Bildergalerie von der Terrasse aus Nahaufnahme des Einschlags

    Der beschdigte Portalbau I und das Quergebude mit verbranntem Dachstuhl

    Details der Beschdigungen im Erdgeschoss des Quergebudes

    1945: Die Ruinen des Portalbaus I und des Quergebudes1945: Nach dem Bombenangriff vom 3. Februar ist das Quergebude vllig ausgebrannt Der Portalbau V blieb 1944 noch weitgehend unversehrt

  • Neues von der Humboldt-BoxBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 9

    Der Student Christian Franzke, aus Berlin, Prenzlauer Berg ist der glckliche, 250.000. Besucher der Humboldt Box. Am 15. Februar ber-gab ihm der Regierende Brgermeis-ter von Berlin, Klaus Wowereit, eine Dauereintrittskarte und einen Blu-menstrau. Zuvor hatte sich Klaus Wowereit bei seinem ersten offiziel-len Besuch in der Box von der Quali-tt der Ausstellungen und der gro-en Attraktivitt der Humboldt-Box berzeugen knnen. Auch viele weitere prominente po-

    litische Besucher sind seit der Erff-nung am 30. Juni 2011 in die Hum-boldt-Box gekommen, so Bundes-bauminister Ramsauer, die Mitglie-der des Kulturausschusses des Deutschen Bundestags, zahlreiche Abgeordnete des Deutschen Bun-destags und des Berliner Abgeordne-tenhauses und Botschafter, neben vielen Journalisten, Wirtschaftsfh-

    rern, Wissenschaftlern, Knstlern und hunderttausenden interessier-ten Brgern aus aller Welt. Zahlrei-che Firmen buchten Veranstaltun-gen und ungezhlte Fhrungen wur-den von uns durchgefhrt. Unsere Ausstellung wurde inzwischen ber-arbeitet, die Tafeln sind jetzt durch-gehend zweisprachig deutsch und englisch beschriftet. Das groe Stadtmodell wchst und ist der groe Blickfang der Ausstellung.Schon ber 350.000 Euro wurden

    allein in der Humboldt-Box an klei-neren und greren Spenden von unseren hoch motivierten Mitarbei-tern gesammelt! Neu in der Ausstel-lung ist ein groes, steinernes Mo-dell von Portal III und der Kuppel des Berliner Schlosses, gebaut von dem bekannten Akustiker Prof. Georg Plenge, Berlin, und Freunden aus den berhmten Anker-Kinderbau-steinen aus Rudolstadt /Thringen.

    Hier knnen Sie sich ber eine Spende von 20 Euro, eingezahlt in den Spendenautomaten, mit einem roten Klebepunkt auf einem der Bausteine verewigen und so auch einen Beitrag zum Wideraufbau des groen Schlosses leisten. Der auerordentlich komfortabel

    ausgerstete Spendenbus im Besitz des Frdervereins fhrt z.Z. an drei Tagen in der Woche mehrfach von der Box aus zur Fhrung durch die Bildhauerwerkstatt nach Spandau, die Mitfahrt ist nur fr Schlossspen-der nach Voranmeldung kostenlos mglich. Melden Sie sich bitte recht-zeitig an, da nur sechs Fahrgste pro Fahrt mitgenommen werden kn-nen. Telefon: 030 / 2067 3093.250.000 Besucher beweisen die

    groe Attraktivitt des Ausstellungs-zentrums Humboldt-Box. Wir freuen uns auch auf Ihren Besuch! Wann kommen Sie?

    Die Humboldt-Box schlgt Besucherrekorde

    Schon 250.000 Besucher in einem dreiviertel Jahr:

    Humboldt-Box ImpressionenDer glckliche Gewinner (v.l. Dorothea Vogel, Megaposter, Christian Franzke, Klaus Wowereit, Gerd Henrich, Megaposter)

    Die berarbeitete Ausstellungswand mit der Geschichte des Ortes

    Der Regierende Brgermeister spendete am Automaten und erhielt die Spendenurkunde Manfred Rettig erlutert die Ausstellung

  • Neues von der Humboldt-BoxSE ITE 10 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Bundesbauminister Dr. Peter Ramsauer, MdB, lie es sich nicht nehmen, den Spendenbus des Fr-dervereins persnlich zu begutach-

    ten. Sein Urteil: Eine prima Idee! Der Bus pendelt mit Spendern regelm-ig zwischen der Humboldt-Box und der Bildhauerwerkstatt in

    Spandau. Meistens fhrt ihn Stefan Grlich, der als kompetenter haupt-amtlicher Mitarbeiter in unserer Ausstellung ber das ntige Fach-

    wissen verfgt, die Besucher vor Ort zu begeistern.Nebenbei: natrlich kann man in

    dem Bus auch ganz normal von den

    Passagierpltzen nach drauen schauen. Das Geheimnis: Im Fens-terbereich ist die Schlossfolie perfo-riert.

    Fr Ihre Fahrt zur Bildhauerwerkstatt:

    Der Spenden-Shuttlebus

    Minister Ramsauer und das Schlossteam (v.l.: Stefan Grlich, Minister Ramsauer, Wilhelm v. Boddien, Marc Schnurbus. Grlich und Schnurbus sind die beiden hauptamtlichen Mitarbeiter der Humboldt-Box. Ihnen zur Seite stehen mehr als 70 ehrenamtliche Helfer des Freundeskreises Berlin!)

    Albert Geyer, ein Enkel des be-rhmten letzten kaiserlichen Schlossbaumeisters Albert Geyer, dem das Schloss die kaiserliche

    Wohnung und viele andere Rume verdankte und der zugleich auch in den dreiiger Jahren die bedeu-tendste Schlosschronik verfasste,

    besuchte die Humboldt-Box. Zu unserer Freude spendete er spon-tan fr den Wiederaufbau und wurde Mitglied des Frdervereins!

    Schlossgeschichte zu Besuch

    Albert Geyer, sein Enkel, in der Humboldt-Box, mit dem Buch seines Grovaters

    Schlossbaumeister Albert Geyer im Berliner Lustgarten (1927)

    Bald ist das Eosanderportal voller roter Punkte, als Beweis groer Spen-denbereitschaft

  • Neues von der Humboldt-BoxBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 1 1

    Die Arbeitsgruppe Verkehr, Bau und Stadtentwicklung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bergab im September eine private Spende ihrer Mitglieder an die Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum. Dazu erklrte der Vorsitzende der Arbeitsgruppe und baupolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundes-tagsfraktion, Dirk Fischer:Der Wiederaufbau des Berliner

    Schlosses ist das bedeutendste nati-onale und internationale Kultur-projekt der nchsten Jahre. Mit der Erffnung der Schlossbauhtte ist ein weiterer Schritt zur Realisierung des Projektes unternommen wor-den. Die Arbeitsgruppe Verkehr, Bau

    und Stadtentwicklung der CDU/CSU-Fraktion nimmt das zum An-lass, eine kollektive Privatspende

    ihrer Mitglieder zu bergeben. Wir finanzieren damit einen Widder-kopf als Teil der historischen Fas-sade. Wir freuen uns darauf, ihn baldmglichst am fertigen Gebude wiederzuentdecken. Damit unter-sttzen wir symbolisch die Arbeit der verschiedenen Vereine und Bndnisse, wie z. B. den Frderver-ein Berliner Schloss e. V., die um

    Spenden fr das Projekt werben. Es wird immer wichtiger, dass sich die Bevlkerung, Firmen, Verbnde, Stiftungen und besonders leis-tungsfhige Persnlichkeiten mit ihrer Zuwendung fr diesen groen kulturellen Schlussbaustein der Berliner Museumsinsel, die in der Welt immer ganz einmalig sein wird, konkret engagieren.

    CDU/CSU-Bundestagsarbeitsgruppe bergibt private SpendeSignal fr Berliner Schloss:

    Der grte Anziehungspunkt un-serer Ausstellung ist das wunder-bare Stadtmodell Berlins, das die Mitte um 1900 zeigt. Wir verdanken es der Initiative des leider zu frh verstorbenen Horst Dhring und einem Kreis Modellbau begeisterter Damen und Herren aus Berlin. Alle haben eine Gemeinsamkeit: Sie

    sind waschechte Amateure und haben ehrenamtlich, nur aus Freude an der Sache, mit groem Zeitaufwand liebevoll dieses Modell in vielen Jahren gebaut. Und es wchst immer noch im

    Bereich um den Hausvogteiplatz nahe dem Genarmenmarkt und zwischen der Staatsbibliothek und

    der Museumsinsel in nrdlicher Richtung. Die Modellbaugruppe besteht

    heute noch aus Christa Jahrmarkt, Christel Pilling und Herrn Klaus Engnath. Gebaut wurden die Huser vor-

    nehmlich aus Papier, Pappe und Balsaholz zur Verstrkung von

    innen. Jedes Haus ist nach alten Fotos der jeweiligen Strae und nach Luftaufnahmen so nahe am Original wie mglich gestaltet wor-den. Das Papier ist individuell mit der Fassade gezeichnet und ausge-schnitten worden. Erker und andere Vorsprnge wurden fein modelliert hinzugefgt, so dass das Stadtmo-

    dell durch seine groe Plastizitt besticht.Allen Modellbauern mchten wir

    hier noch einmal von ganzem Her-zen danken, ohne ihre Arbeit wre unsere berzeugungsarbeit zum Berliner Schloss erheblich mhsa-mer gewesen. Der Mensch begreift richtig, wenn er auch sieht!

    Das Stadtmodell Berlins in der Humboldt-Box

    Die Schnheit des Stadtmodells muss man gesehen haben! Christel Pilling, Dieter Rohrwick, Horst Dhring, Lucie Hillel, Klaus Engnath

    Lucie Hillel, Horst Dhring, Daniel Thomas, Christa Jahrmarkt

    Der Stiftungsrat der Stiftung Berliner Schloss-Hum-boldtforum informierte sich in der Humboldt-Box. Rechts Prof. Monika Grtters, MdB, Vorsitzende des Kulturausschusses

    Aufmerksame Zuhrer. Rechts Bundestags Vizeprsident Dr. Wolfgang Thierse, MdB, SPD

  • EssaySE ITE 12 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Vom Schloss der Knige zum Forum der Republik

    ber die Haltbarkeit des Inspirierten

    von Friedrich Dieckmann

    Vernunftstaat mit Krone

    Als der aus Danzig stammende Andreas Schlter, ein Mann von vierzig Jahren auf der Hhe einer schier michelangelesken Arbeits- und Schpferkraft, 1699 die Baulei-tung des Residenzschlosses ber-nahm, lag der Dreiigjhrige Krieg ein halbes Jahrhundert zurck. 1648 war es nach jahrelangen Ver-

    handlungen zu einem Friedens-schluss gekommen, der Frankreich und Schweden, die den Krieg nach Krften in die Lnge gezogen hatten, groe Stcke vom deutschen Ku-chen zuschlug; zugleich hatte dieser

    Friedensschluss den deutschen Reichsstnden zu ihnen gehrten auer Frsten und Herzgen auch Reichsstdte und Reichsgrafen die volle Landeshoheit zugesprochen, einschlielich der Befugnis, die Staatsreligion des eigenen Territori-ums zu bestimmen. Cuius regio, eius religio, wessen das Land, dessen der Glaube dieser Grundsatz, der 1555 den Augsburger Religionsfrieden besiegelt hatte, war am Ende eines Krieges bekrftigt worden, der die Einwohnerschaft Deutschland vie-lerorts um mehr als die Hlfte dezi-miert hatte. Verschont geblieben waren die

    Erblande jenes Kaisers, dessen Ver-tragsbruch die protestantischen Bhmen 1618 zu einem Krieg provo-ziert hatte, der sich zum Flchen-brand auswuchs. Aber die Nachfol-ger jenes Ferdinands II., der sich Bhmen unterworfen hatte, hatten nun die Trken auf dem Hals, die 1683 einen Belagerungsring um Wien zogen. Mit polnischen, schsi-schen und bayerischen Truppen ge-lang es Leopold I., einen Feind abzu-wehren, der schon den Halbmond

    auf dem Stephansdom gesehen hatte; an seiner Verfolgung nach Ungarn waren auch achttausend Mann brandenburgischer Truppen beteiligt. Schlters zweiundzwanzig Masken sterbender Krieger ber den Bogenfenstern des Berliner Zeug-haushofes kndeten von diesem Krieg, der wenige Jahre zurcklag; sie vermenschlichten den geschla-genen Feind auf eine Weise, die den Krieg als solchen anklagte. Dass und wie man es anders machen konnte, zeigten die steinernen Masken ber den Fenstern des kurschsischen

    Kriegsministeriums, das als Block-haus den Eingang der Dresdner Neustadt bewacht; sie zeigen acht stereotype Groteskbilder des Schre-ckens.

    Als die Brandenburger das Heer des Sultans zurckschlagen halfen, lag ihr Sieg ber eine schwedische Armee, deren Einfall die franzsi-

    sche Politik in Stockholm angeregt hatte, zehn Jahre zurck; der Kur-frst selbst, Friedrich Wilhelm, hatte seine in Eilmrschen herangefhr-ten Truppen befehligt. Andreas Schlter hat diesem Frs-

    ten mit einem bronzenen Reiter-denkmal gehuldigt, das zweieinhalb Jahrhunderte lang die Spreebrcke am Residenzschloss beherrschte; es war die barocke Steigerung eines Denkmaltypus, der von Roms Mar-cus Aurelius zu den Condottieres von Padua und Venedig reichte und sich nach Schlter mit Petersburgs ehernem und Dresdens goldenem Reiter fortsetzte. In Berlin Unter den Linden folgte 1851 Rauchs reitender Friedrich II.Friedrich Wilhelm, schon zu Leb-

    zeiten der Groe Kurfrst genannt, kann fr den eigentlichen Grnder jenes Staates gelten, den man spter den preuischen nannte, nach einem Gebiet im Nordosten Euro-pas, das jahrhundertelang unter der Herrschaft des Deutschen Ordens gestanden hatte und im Jahre 1525 als lutherisch skularisiertes Her-zogtum unter polnische Lehensho-heit geraten war. 1618 war es auf komplizierten Erbwegen an das Haus Hohenzollern gefallen, so war der Kurfrst von Brandenburg Her-zog in Preuen geworden in und nicht von Preuen, da das westliche Preuen nach wie vor polnisch re-giert wurde. Der calvinistisch erzo-gene Friedrich Wilhelm war ein Mann von militrischem und politi-schem Genie; gegen Widerstnde aller Art gelang es ihm, das nach den Verheerungen des Dreiigjhrigen Krieges darniederliegende Land ide-ell und materiell wieder aufzurich-ten, durch eine Auenpolitik, die das

    zwischen Cleve und Knigsberg, zwischen Halberstadt und Bayreuth zerstreute Herrschaftsgebiet teils durch Siege, teils durch Bndnisse und Bndniswechsel sicherstellte, durch eine Innenpolitik, die die wi-

    derspenstigen Stnde, den Adel vor allem, in Schranken hielt und sich in einem Groen Rat das Regierungs-organ sinnvoller Zentralisierung schuf, und durch eine Wirtschafts-politik, die, an den Erfahrungen ge-schult, die er in jungen Jahren in Holland hatte machen knnen, die allmhliche Erholung seines schwer versehrten Gebiets bewirkte. Eine kluge Ansiedlungspolitik

    machte sich die massenhafte Ver-treibung der Hugenotten aus Frank-reich zunutze. Fachkrfte von Kom-petenz und Kultur kamen von Wes-ten, auch aus der Schweiz und der Kurpfalz, nach Berlin und Branden-burg und wurden unter dem Schutz des Landesherrn sesshaft; eine reli-gise Toleranz, die dadurch vorgege-ben war, dass das Frstenhaus dem reformierten Bekenntnis, die Lan-deskirche dem lutherischen anhing, befrderte ihre Ansiedlung. 1613 hatte der Kurfrst Johann Sigismund seinem Land eine zweite Reforma-

    Das wohl einzige echte Portrt Andreas Schlters (Kopf ganz rechts), gefunden im Deckengemlde des Schlosses. Es stellt einen Architekten dar, der das Schlossmodell auf seinen Hnden prsentiert.

    Schlters sterbende Krieger im Zeughaus heroisieren nicht, son-dern zeigen das tiefe menschliche Leid in einem unsinnigen, nur dem Krieg gewidmeten Tod

    Der Groe Kurfrst Friedrich Wilhelm I., Reiterstandbild von Andreas Schlter

    Der Groe Kurfrst Friedreich Wilhelm von Brandenburg

  • EssayBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 13

    tion verordnen wollen, nachdem er aus Opposition gegen die lutheri-sche Orthodoxie zum reformierten Bekenntnis bergetreten war. Das Gleiche wollte er seiner im Luther-tum verwurzelten Bevlkerung auf-erlegen; schwere Zerwrfnisse in fast allen Landesteilen waren die Folge gewesen. Denn die beiden protestantischen Glaubensrichtun-gen waren untereinander kaum we-niger verfeindet als beide mit dem Katholizismus; um die Reformierten in die Toleranzbestimmungen des Westflischen Friedens einzubezie-hen, hatte es des vollen Einsatzes des Kurfrsten Friedrich Wilhelm be-durft. Schon Johann Sigismund hatte davon ablassen mssen, die Lutheraner, die den Reformierten als Beinahe-Katholiken galten, zu der Bilder und Symbole verachtenden Religionsausbung der Reformier-ten zu bekehren; unter seinem Enkel, der die Polemik der beiden Konfessi-

    onen 1664 durch ein Toleranzedikt unterband, begriff sich Branden-burg-Preuen mehr und mehr als ein bikonfessionelles Land. Wie schwierig das war, zeigte die Emigra-tion des bedeutendsten Dichters nicht nur der brandenburgischen Lande, Paul Gerhardts, der als luthe-rischer Pastor sich der kurfrstlichen Auflage verweigerte.

    Dieses zwiefach protestantische Kurfrstentum, der Flche nach seit 1648 der zweitgrte Staat im Deut-schen Reich, hatte im nrdlichen Deutschland einen Konkurrenten, der sich selbst schwchte, indem er seine Macht auswrts vergrerte: 1697 wurde der Kurfrst von Sach-sen, August der Starke, Knig von Polen und bezahlte diesen Zuwachs mit der Konversion zum Katholizis-mus. Damit fand sich das Haus Ho-henzollern fast automatisch in die Rolle einer Vormacht des deutschen Protestantismus gedrngt, und es

    war nur folgerichtig, dass auch der regierende Hohenzoller nach einer Knigswrde strebte, die nur auer-halb des entmachteten, aber fortbe-stehenden Deutschen Reiches zu gewinnen war.

    Dieser regierende Hohenzoller war seit 1688 Friedrich III.1; als Ein-unddreiigjhriger hatte er die Nachfolge seines Vaters angetreten, gegen dessen dritte Gemahlin mit ihren drei nachgeborenen Shnen er einen schweren Stand gehabt hatte. Er hatte im Kindesalter einen schwe-ren krperlichen Schaden davonge-tragen, der ihm nicht erlaubte, zu Pferde zu sitzen und eine Schwadron zu befehligen; dem Meister der Kriegs- wie der Staatskunst folgte ein Mann, dessen Force die Knste des Friedens waren. Von seiner zweiten Gemahlin, Sophie Charlotte, einer braunschweigischen Prinzessin, wurde er darin wirkungsvoll unter-sttzt.

    Das war die Situation, in die An-dreas Schlter eintrat, als er seine Werkstatt im Jahre 1694 von War-schau nach Berlin verlegte. Friedrich III., dessen Erscheinung sein Hof-bildhauer alsbald in einer Bron-zestatue festhielt, die 1945 in Knigs-berg verlorenging, war kein starker Regent; eine Verschwendungssucht, die in den Benachteiligungen seiner Jugend wurzeln mochte, verdarb vie-les von dem, was sein Vater aufge-baut hatte. Aber er setzte dem, was man die Bestimmung, wohl gar die Sendung des Landes nennen konnte, tatschlich die Krone auf, indem er sein ganzes Streben, Finanzen und Soldaten, darauf richtete, dem von seinem Vater hinterlassenen Staat die Knigswrde und damit ein wirksames Symbol des Zusammen-halts zu gewinnen. Das sollte vermit-tels jenes Ostpreuens geschehen, das sein Vater 1660 aus der polni-schen Lehenshoheit hatte auslsen knnen, und war schwer genug; um die Bestimmung des in Wien residie-renden Kaisers zu gewinnen, musste Friedrich seine Armee im Dienst habsburgischer Interessen auf entle-gene europische Schaupltze schi-cken. Zugleich betrieb er in seiner Hauptstadt Bauvorhaben groen Stils. Wer Knig werden wollte, musste durch einen ganz Europa beeindruckenden Aufwand bekun-

    Der Entwurf Andreas Schlters fr die Umgestaltung des Berliner SchlossesDas Berliner Schloss mit dem Dom und der Langen Brcke vor dem Umbau um 1688

    Der festliche Einzug des neuen Knigs Friedrich I. in Preuen in sein neues Schloss in Berlin nach seiner Krnung in Knigsberg

    Knig Friedrich I in Preuen im Krnungsornat

    Der Kleine Schlosshof, der als Schlterhof zu den bedeutendsten Hfen in Europa gehrte

    Ansicht des Schlosses von Unter den Lin-den mit dem Mnzturm Schlters nach Goerd Peschken

    Der Schlossplatzflgel des Berliner Schlosses im der Architektur Andreas Schlters

  • EssaySE ITE 14 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    den, dass er der Rolle gewachsen war, Friedrich aber war ein Meister des Aufwands; Kultur, also Luxus, war seine Leidenschaft.

    Beglaubigung durch Form

    Dazu kam ihm der Danziger Schlter gerade recht, und whrend seine Frau, eine veritable Intellektu-elle, sich auf die Frderung der Wis-senschaften konzentrierte und eine Hauptgestalt des geistigen Europa, Gottfried Wilhelm v. Leibniz, in die Lage versetzte, in Berlin eine Soziett der Wissenschaften zu grnden, legte der Kurfrst sein wichtigstes Bauprojekt in die Hand eines Man-nes, den die Kunstgeschichte als Bildhauer und als Architekt in die erste Reihe dieses an schpferischen

    Geistern berreichen Zeitalters stellt. Zwei Mnnern von Genie (an-dere kamen hinzu) bedeutende Wir-kungsfelder erffnet zu haben was braucht es mehr zur Beglaubigung vor der Nachwelt? Aber das offizielle Preuen dachte in andern Katego-rien und hat immer mit Indignation auf Friedrich III. geblickt, der sich am 18. Januar 1701 in dem Audienz-zimmer des Knigsberger Schlosses selbst die neu gefertigte Krone aufs Haupt setzte und fortan als Friedrich I. firmierte. Die Krone, die er danach seiner

    Gattin in deren Gemchern aufs Haupt drckte, hatte 300 000 Taler gekostet; seine eigene war viel billi-ger gewesen. Danach ging es zur Salbung durch den reformierten Bi-

    schof in den Knigsberger Dom. Zu diesem Zeitpunkt war das von

    den Architekten Nering und Grn-berg begonnene und von Schlter fortgefhrte Zeughaus ebenso im Bau wie das neue Schloss, die Umge-staltung eines Renaissance-Baus aus dem 16. und 17. Jahrhundert, die bald nach Friedrichs Regierungsan-tritt eingesetzt hatte, nach den Zeichnungen eines Architekten, Ni-codemus Tessin, der zu dieser Zeit das Stockholmer Knigsschloss als einen machtvoll und anmutig aus dem Wasser aufsteigenden Quader errichtete. Im November 1699 ber-nahm Schlter den Umbau des kur-frstlichen zum Knigsschloss; bin-nen eines Jahres war der Bau soweit gediehen, dass das frischgebackene Knigspaar in einigen grandios aus-staffierten Rumen wohnen und Hof halten konnte; etwas spter kam ein Treppenhaus dazu, das zu den gro-artigsten Baugestalten der Zeit zhlte. In das Innere des werdenden Baus gelangte man durch ein der sdlich gelegenen Brgerstadt zuge-wandtes Monumentalportal, in dem die Architekturgeschichte eine Syn-these rmischer und Pariser Vorbil-der erkannt hat.2 Anregungen hatte auch das Bauwerk gegeben, mit dem um 1680 der Barockstil im nrdli-chen Deutschland Einzug gehalten hatte, das Palais in Dresdens Gro-em Garten; mit dem Entree freiste-hend vorgelagerte Sulen hatte Jo-hann Georg Starcke dort besondere Akzente gesetzt. Schlter wendet das Motiv ins

    Monumentale, auf einem Sockel von der Hhe des Erdgeschosses fhrt sein Portalbau vier Kolossalsulen ber zwei Geschohhen; sie tragen ein Geblk, das, figurengekrnt, die Hhe des Mezzaningeschosses ein-nimmt. In dem Innenhof des Schlosses,

    der spter der kleine (oder auch Schlterhof) genannt wurde, fhrte der Architekt eine hnliche Disposi-tion zu gesteigerter rumlicher Wir-kung; die den beiden unteren Ge-schossen vorgelagerten Sulen tra-gen in der Hhe des dritten antike

    Gtterfiguren von groer plastischer Intensitt. Der geistig-politische An-spruch des neuen Knigtums fand in dem neuen Bau eine sthetisch be-zwingende Gestalt; die Kolossalsu-len erschienen wie der Fassade der alten stndischen Privilegien vorge-setzte Verkrperungen einer Staats-gewalt, die, im gesalbten Monarchen konzentriert, als Instanz einer neuen gesellschaftlichen Ratio agierte, be-fugt, jene stndischen und klerika-len Interessen zu zhmen, deren Beharrungsvermgen dem Reform-geist der Aufklrung im Wege stand. Es war die Zeit, da ein britischer Philosoph, der mit Leibniz um die Prioritt der von beiden erfundenen

    Differentialrechnung stritt, heraus-gefunden hatte, dass die Kraft pro-portional der Beschleunigung sei, der sie eine trge Masse zu unterwer-fen vermge; er definierte sie als Produkt beider. Das war wie eine politische Handlungsanweisung: die trge Masse, das waren die alten feudalen Partikulargewalten, die Kraft aber, die sie einer beschleunig-ten Bewegung unterwarf, war die des sich als absolut denkenden Herr-schers. Architektur hat es a priori mit tr-

    gen Massen zu tun; wie Schlter sie mit Akzenten durchdrang, die den geformten Stein von den Auen-mauern des Bauwerks ablsten, war von einer Knnerschaft, deren In-ventionen das Wort von der gefrore-nen Musik einlsten, die, nach Goe-the und Schelling, die Architektur sei.Brandenburg-Preuen, dieses von

    einem berragenden Frsten unter drckenden Umstnden behaup-tete und von seinem Sohn mit hohem symbolischen Anspruch ausgestattete Staatsgebilde, war zu dieser Zeit wahrscheinlich der fort-schrittlichste, wie man frher, oder der modernste, wie man heute sagt, Staat Europas. Seine geistige Offen-heit war durch die bikonfessionelle Situation gleichsam vorgegeben; der Katholizismus, allerorten ein Hemmschuh auf den Wegen geisti-gen Fortschritts, blieb vor der Tr, bis die Eroberung des berwiegend ka-tholischen Schlesiens unter Fried-richs I. kriegerischem Enkel auch dieser Konfession eine Duldung ge-

    whrte, die sich in einem Kirchen-bau inmitten der Hauptstadt mani-festierte.Schlters Bauherr hatte die Abnei-

    gung seiner Vorfahren gegen die in Sachsen herrschende lutherische Orthodoxie in Halle, der Brgerstadt inmitten des seinem Vater zugefalle-nen Herzogtums Magdeburg, 1691 durch die Grndung einer Universi-tt bekrftigt, die im Zeichen der Aufklrung und der Toleranz stand. Hier wirkte als Rechtsprofessor Christoph Thomasius, ein deut-scher Gelehrter ohne Misere, wie Ernst Bloch seinen Essay ber diesen Theoretiker des Naturrechts ber-schrieb, ein Aufklrer groen kmp-ferischen Stils und Formats, der als erster deutscher Professor Vorlesun-gen in deutscher Sprache hielt. Aus Leipzig, wo er mit den Teutschen Monaten die erste gebildete Zeit-schrift seines Landes3 herausgege-ben hatte, war Thomasius 1690 vor den Nachstellungen der schsischen Obrigkeit nach Berlin geflohen, unter den Schutz Friedrichs I., der im Jahr darauf einen andern Sachsen-flchtling aufnahm und in wichtige mter berief, den Dresdner Ober-hofprediger Philipp Jacob Spener, der eine evangelische Erweckungs-bewegung ins Leben gerufen hatte, die bald den Namen des Pietismus erhielt. Ihre Hinwendung zu einer mit t-

    tiger sozialer Frsorge verbundenen Herzensfrmmigkeit bereitete der Freiheit des Fhlens, des Empfin-dens die Bahn eines neuen Individu-alismus; in Halle verband sie sich durch das Wirken August Hermann Franckes mit einer alle Schichten umfassenden Bildungsarbeit. Auch Francke, ein Leipzig-Vertriebener wie Thomasius, war Professor an der neuen Musteruniversitt geworden; er machte die Stadt zu einer Hoch-burg der pietistischen Bewegung.4 Von der Amtskirche als subversiv mit allen Mitteln bekmpft, galt der der sich selbst als lutherisch verste-hende Pietismus dem reformierten Monarchen als ein wirksamer Ver-bndeter bei der Verbreitung ber-konfessioneller Toleranz. Die Grn-dung und Frderung dieser neuen Kurbrandenburgischen Universitt korrespondierte mit dem Berliner Wirken Andreas Schlters ebenso wie mit der Grndung der Soziett (spter Akademie) der Wissenschaf-ten im Krnungsjahr 1701 durch Leibniz. Die Grndung einer Akade-mie der Knste war vorangegangen; Andreas Schlter, der zugleich der Wissenschaftsakademie angehrte, fungierte einige Jahre als ihr Direk-tor.Den Primat des Staates ber wi-

    derstreitende kirchliche Ansprche, den der Jurist Thomasius theoretisch untermauerte, versuchte der in sei-ner Doppelfunktion als Bildhauer und Baumeister rastlos ttige Schl-ter durch die Errichtung eines Schlossturms zu bekrftigen, der alle Kirchtrme der Stadt berragen sollte. Aber der Berliner Boden, Der Schlterhof im 19. Jahrhundert, Gemlde von Eduard Grtner

    Mnzportrt von Kurfrst Friedrich III. Statue Kurfrst Friedrich III. von Andreas Schlter, Kriegsverlust 1945 in

    Knigsberg. Ein Zweitguss des Denkmals steht jetzt im Park von Schloss Charlottenburg vor dem Knobelsdorff-Flgel

  • EssayBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 15

    sumpfig unterminiert, wie er war und ist, Pfahlgrndungen erhei-schend, die noch heute die Architek-ten bei der Stabilisierung der groen Kulturbauten vor schwierige Aufga-ben stellen, widersetzte sich dem ehrgeizigen Vorhaben.

    Der Turmbau, fast fertig, neigte sich zur Seite, und Schlters Versuch, ihn durch eine massive seitliche Sttzung zu stabilisieren, schlug fehl; unergrndliche Bodenschich-ten machten das Vorhaben zunichte. Es trat ein, was die Statiker als Grundbruch bezeichnen5, und in seiner Verzweiflung begann der Bau-leiter mit dem Abbruch des Turms, ohne den Befehl des Knigs abzu-warten; 1706 musste ihn dieser als Schlossbaumeister entlassen. Aber der notorisch misstrauische Invalide auf dem selbstgeschaffenen Thron hielt dem erschtterten Genius die Treue; als Bildhauer blieb Schlter fr ihn ttig, baute ein eminentes Stadtpalais, die Villa Kamecke, mo-dellierte groartige Sarkophage, und verlie Berlin erst 1713 nach dem Tod seines Knigs, dessen Sarko-phag seine letzte Berliner Arbeit war. Er folgte einem Ruf Peters des Gro-en nach St. Peterburg, wo er nur noch ein Jahr lebte und wirkte.

    Sein Nachfolger als Schlossbaudi-rektor wurde der aus einer schwedi-schen Familie stammende Johann Friedrich Eosander (1669-1728), der eigentlich Gthe hie und sich Eo-sander v. Gthe nannte;6 er war 1692 in brandenburgische Dienste getre-ten und 1699 zum Hofbaumeister berufen worden. 1707 bernahm er den Weiterbau des halbfertigen Schlosses und verlngerte es nach

    Westen hin in einer Weise, die das auf der Lustgartenseite von Schlter ge-schaffene Portal im Abstand von sechs Fensterachsen wiederholte ein Akt schpferischer Demut vor der Leistung des Vorgngers, der sich auf dieser Parkseite der monumen-talen Gebrde enthalten hatte. Schlters dreiachsiger Portalbau folgte der viergeschossigen Fassade mit eingestellten toskanischen Su-len im Erdgescho und zwei balkon-tragenden Atlanten in der Hhe des zweiten; ein flacher Bogen wlbte sich ber dem groen Fenster unter-halb der statuengekrnten Attika und bot nebst einer Wappenkartu-sche zwei trompeteblasenden En-geln Raum. Eosander lie sie, Schl-ters Muster wiederholend, von kei-nem Geringeren als Balthasar Per-moser ausfhren.

    Die dergestalt nach Westen ver-lngerte Nordfront fhrte nach sechs weiteren Fensterachsen auf einen risalitartig vorspringenden Eckbau, der den bergang zu der Westseite des Gebudes bildete. Eo-sander setzte, mit einigen Abwand-lungen, auch hier die Schltersche Geschogliederung fort; seine ei-gene Schpfung war ein in die Mitte eingelassener Torbau, der das Vier-Sulen-Motiv des Vorgngers mit drei Rundbogenffnungen verband, die den altrmischen Titusbogen zum Vorbild hatten.

    Das Ganze, binnen zehn Jahren zu riesigen Dimensionen aufgewach-sene Schloss bezog sich auf rmi-sche Palastvorbilder, die ihrerseits in der Baukunst der Antike wurzelten; Eosanders Triumphportal stellte diesen Bezug explizit her. Der viel-

    gliedrig aufsteigende Turm, den der Architekt entworfen hatte, blieb die-sem Portal versagt; erst anderthalb Jahrhunderte spter wurde ihm auf achteckigem Grundriss ein klassizis-tisch gestimmter Kirchenraum auf-gesetzt, dessen berkuppelung sich stimmig ber Eosanders Attika erhob.

    Bis zu der Vollendung der West-front mit dem Triumphtor war der Schlossbau gediehen, als der Tod Friedrichs I. seinem ltesten Sohn das Feld freigab, der der zerrtteten Staatskasse alsbald ein drakonisches Sparprogramm auferlegte. Fast der gesamte Hofstaat wurde entlassen; die kulturellen Unternehmungen des Vaters wurden aufgegeben oder aufs uerste beschnitten. In seinem Preuenbuch hat Sebastian Haffner dem friedliebenden Bauherrn des Berliner Schlosses eine wichtige Er-oberung attestiert: Als preuischer Knig hatte er das Bewusstsein sei-ner Untertanen besetzt. Und erst das lie seinem Sohn gelingen, woran sein Vater gescheitert war: aus zer-streuten Herrschaften einen wirkli-chen, funktionierenden Staat zu ma-chen.7 Dem 1688 im Schloss gebo-renen Friedrich Wilhelm I. gelang dies in einer Weise, die reich an pa-thologischen Zgen war; seinem auf den zentralisierten Militr- und Be-amtenstaat ausgerichtetes Moderni-sierungsprogramm lag die Einsicht zugrunde, dass das zersplitterte K-nigreich Preuen, wie nun das ganze Staatswesen hie, nur mit einer star-ken Armee wrde berleben kn-nen. Dass dieses Programm von dem Geist der Staatsvernunft, der Staats-raison, der damals in ganz Europa

    herrschend wurde, begnstigt wurde, hat Haffner ebenfalls konsta-tiert: Preuen ... war nicht nur neu, es war modern, beinahe knnte man sagen: Es war schick.8

    Auch Eosander v. Gthe, der Bau-meister der Schlossverlngerung, war von dem fnfundzwanzigjhri-gen Knig entlassen worden, aber der Schlossbau ging weiter, nun unter der Leitung des Schltersch-lers Martin Heinrich Bhme (1676-1725). Dieser schloss die zwischen Schlters sdlichem und Eosanders westlichem Trakt verbliebene Lcke, indem er ebenso verfuhr wie Eosan-der mit der Lustgartenfassade: er verlngerte Schlters der Brger-stadt zugewandte Front und fgte ihr vor der Einmndung der Breiten Strae (und in der Achse des zweiten Lustgartenportals) eine bescheide-nere Wiederholung des Hauptpor-tals mit den vier Kolossalsulen ein. Durch eine Haltung ostentativer Demut sicherte er die Einheit und ermglichte die Vollendung des Baus.

    Als Bhme 1716 die Arbeit ein-stellte, war ein viergeschossiger Bau von 192 m Lnge und (an der West-seite) 116 m Breite entstanden, des-sen Hfe durch fnf Portalffnungen erschlossen wurden.

    Der Schlterhof stand dem Publi-kum offen und bildete ein schnes Gemlde von Eduard Gaertner zeigt es den Hintergrund einer lebendi-gen stdtischen Szene. Nur an der stlichen, unmittelbar an der Spree gelegenen Schmalseite hatte das alte Renaissanceschloss mitsamt einer Apotheke und eines gotischen Turms berdauert; diese stehengebliebe-

    nen Teile nahmen sich wie ein stein-gewordener Einspruch jener alten gegenber der neuen Zeit aus, deren Architektur die rationale Ambition durch einen sinnlich-dekorativen Reichtum balancierte, der sich im Inneren denkwrdig steigerte. Er riss einen Kirchenmann, der im Ritter-saal auf den Knig wartete, einmal zu dem Ausruf hin: Gott, wie herrlich ist es hier! Wie wird es erst im Him-mel sein!9 Irdisches Vergngen in Gott so war ein von dem Hambur-ger Ratsherrn Brockes zu dieser Zeit verfasstes Versepos berschrieben, das der deutschen Literatur neue Wege wies; der Titel korrespondierte mit der gestaltmchtigen Weltlust, die dieser Schlossbau ber Decken und Wnde, Tore und Treppen aus-gegossen hatte. Sie war die Frucht eines historischen Optimismus, der sich an das Wirken des die Staatsver-nunft verkrpernden Regenten hef-tete; Herkules und Apoll waren seine mythologischen Gewhrsmnner, aber auch die Allegorien der Weisheit und des Friedens hatten auf Schl-ters Sulen Platz genommen.

    Wechselnde Nutzer und ein

    neuer Titel

    Das Schloss als Wohnstatt und Reprsentationssttte der preui-schen Knige hat in den folgenden Generationen Umgestaltungen er-fahren, die bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts stilbildend wurden. Friedrich II., auch der Groe ge-nannt, obschon er die Existenz des Staates durch aberwitzige Kriege aufs Spiel setzte, bevorzugte Pots-dam und nahm nur einmal im Jahr,

    Konstruktionszeichnung Andreas Schlters fr den Mnzturm mit seiner Grndung

    Ansicht des Eosanderportals mit der von ihm entwor-fenen hohen Kuppel. Diese kam wegen des Tods Fried-rich I. 1713 aus finanziellen Grnden nicht mehr zur Ausfhrung

    Der Entwurf Andreas Schlters fr den Mnzturm

  • EssaySE ITE 16 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    jeweils im Januar, Wohnung in sei-nem Berliner Schloss, lie sich aber von eminenten Innenarchitekten Johann August Nahl und die Brder Hoppenhaupt wundersam ausge-stattete Rume errichten. Sein Neffe und Thronfolger, Friedrich Wilhelm I., der, anders als sein Vorgnger, der deutschen Literatur seiner Zeit auf-geschlossen gegenberstand und seinem Hofarchitekten Carl Gott-hard Langhans einen Bau von gro-artiger Symbolkraft in Auftrag gab, das Brandenburger Tor (auch schloss er einen Friedens- und Freund-schaftsvertrag mit dem republikani-schen Frankreich, das er zuvor im Bund mit sterreich mit katastro-phalem Ergebnis bekriegt hatte), betraute zwei Gromeister, die Ar-

    chitekten Carl v. Gontard und Fried-rich Wilhelm v. Erdmannsdorff, mit der Ausgestaltung seiner Wohn-rume im Schloss, whrend ihr Kol-lege Langhans den Rumen der K-nigin jene orthogonale Noblesse gab, die die Rankenwerke des Ro-koko abgelst hatte.

    Da schieden sich, schreibt Goerd Peschken, wie kaum ein anderer in der Beschaffenheit des Bauwerks zu Hause, zwei groe Epochen unserer Kunstgeschichte. Die ltere, von der Renaissance bis zum Rokoko, bezog ihre Ausgestaltungen immer auf den

    unmittelbaren optischen Eindruck, ... man komponierte perspektivisch. Unsere Zeit, beginnend mit der Auf-klrung, setzt ein Vorstellungsver-mgen voraus, mit dem wir von un-serm Standort abstrahieren, man komponiert seitdem aperspekti-visch.10

    Friedrich Wilhelm III., der 1798 der Nachfolger seines Vaters wurde, ein friedliebender Knig, der von dem Feldzug gegen Frankreich, den er als blutjunger Kronprinz hatte mitma-chen mssen, ein bleibendes Entset-zen vor den Grueln des Krieges da-vongetragen hatte, wurde 1806 von der mit seiner Gemahlin, der sch-nen und geistvollen Louise, verbn-deten Kriegspartei seines Hofes gegen Napoleon in ein militrisches

    Abenteuer gestrzt, das nur katast-rophal enden konnte. Er hatte es, Knig geworden, seiner Frau ber-lassen, eine Wohnung im Schloss zu beziehen, und betrat dessen Emp-fangssle nicht mehr, nachdem der franzsische Kaiser dort Einzug ge-halten hatte.

    Anders sein Sohn, der architek-tonisch begabte Friedrich Wilhelm IV. Schon als Kronprinz war er ins Schloss gezogen (seine Eltern wohn-ten im Kronprinzenpalais); auf den Thron gelangt, lie er sich von sei-nem Leibarchitekten Schinkel Zim-

    merfluchten von strenger Pracht einrichten; hier nahm er zuweilen den Tee mit dem betagten Alexander v. Humboldt.

    Er war es, der dem Eosanderportal auf der Westseite des Baus in den Jahren 1844-1852 durch August St-ler jene laternenbekrnte Kuppel aufsetzen lie, unterhalb derer die neue Schlosskapelle Raum griff; in der politisch aufgewhlten Zeit des Vormrz setzte er das Zeichen eines Gottesgnadentums, das er sich auch durch die whrend des Kuppelbaus ausbrechende Revolution nicht ver-kmmern lie. Dass das am Schloss aufgezogene Militr am Nachmittag des 18. Mrz 1848 mit gezogenem Sbel gegen die dort versammelte Menschenmenge vorging, die kurz zuvor dem einen deutschen Bundes-staat mit Pressefreiheit und Volks-vertretung proklamierenden Knig zugejubelt hatte, fhrte zum Aus-bruch von Barrikadenkmpfen, die blutig niedergeschlagen wurden; Friedrich Wilhelm war entsetzt und erwies den dreihundert zivilen To-desopfern, die anderntags aufge-bahrt an ihm vorbergetragen wur-den, mit schwarzrotgoldener Schrpe seine Reverenz. Doch seine Erschtterung hielt umso weniger vor, als die opponierenden politi-schen Krfte nach ihrem Sieg in mehrere Lager zerfielen. Im Novem-ber 1848 lie der Knig die im Natio-naltheater tagende preuische Nati-onalversammlung mit Militrgewalt schlieen, nachdem diese zuvor von aufrhrerischen Volksmassen be-drngt worden war. Im Dezember gab er seinen Landen dann aus eige-ner Vollmacht eine Verfassung und empfing die auf dieser Basis gewhl-ten Abgeordneten am 26. Februar 1849 im Sternsaal des Schlosses.

    In dessen Rittersaal, der hinter Schlters Gartenportal lag, trugen ihm sechs Wochen spter die Abge-sandten der seit dem Juni 1848 in Frankfurt am Main tagenden Deut-schen Nationalversammlung auf der Grundlage der von ihr erarbeiteten Verfassung die Kaiserwrde des neuen deutschen Reiches an. Aber Friedrich Wilhelm, der fr einen Ro-mantiker galt, hatte sie nur empfan-gen, um die Erwhlung von Volkes Gnaden zurckzuweisen. In kleine-rem Kreis sprach er von einem Reif aus Dreck und Letten, also Kot; die Revolution hatte versumt, sich eine Armee zu schaffen. In den folgenden Wochen sandte die preuische Re-gierung Kampftruppen in alle jene deutschen Lnder aus, deren ge-whlte Parlamente noch nicht kapi-tuliert hatten; an einer Weichenstelle der Geschichte hatte Preuens Knig folgenschwer versagt.

    Sein stockreaktionrer Bruder, der sich 1848 den Beinamen Kartt-schenprinz verdient hatte, wurde 1860 als Wilhelm I. der Nachfolger des zuletzt von einer Geisteskrank-heit befallenen lteren. Bei seinem Berlin-Besuch im Mai 1804 hatte Schiller die beiden Shne der Kni-gin Louise als Kinder kennengelernt.

    Wilhelm, der Jngere, heiratete eine Weimarische Prinzessin, die nach 1862 die entschiedene Widersache-rin eines preuischen Ministerprsi-denten wurde, der sich vorgenom-men hatte, die deutschen Lande mit Blut und Eisen zu dem Nationalstaat zusammenzufgen, der auf der Ta-gesordnung der Geschichte, nicht zuletzt ihrer wirtschaftlichen Erfor-dernisse, stand.

    Dazu galt es zunchst den sterrei-chischen, dann den franzsischen

    Widerstand zu brechen; beides ge-lang in zwei militrisch und diplo-matisch meisterhaft vorbereiteten Kriegen. Deren zweiter, gegen das franzsische Kaiserreich, schweite Deutschland in einer Weise zusam-men, wie es die Revolution nicht vermocht hatte.

    Von da an war das Berliner Schloss nicht mehr nur der Reprsentations-ort des Knigs von Preuen, der das in lngst abgestreift hatte, sondern zugleich der eines deutschen Kai-

    Das Angebot der deutschen Kaiserkrone an Friedrich Wilhelm IV. im April 1849 durch die Kaiserdeputation des Frankfurter Paulskirchenparla-ments unter der Leitung ihres Prsidenten Eduard von Simson

    Paradeaufstellung im Lustgarten nach dem Sieg im sterreichischen Krieg 1866

    Der Parolesaal der Knigskammern Friedrich Wilhelms II.

    Der Teesalon Friedrich Wilhelms IV. am Schlossplatzflgel des Berliner Schlosses

  • EssayBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 17

    sers, der als Vorsitzender eines fde-ralen Frstenrats einem Gesamt-staat vorstand, dessen Parlament auf freien, gleichen und geheimen Wah-len beruhte. Aber dieser Reichstag war mehr Feigenblatt als Machtor-gan, und Wilhelms I. Reichsbefug-nisse beruhten auf seiner Macht in Preuen, wo er, auf Bismarck ge-sttzt, nach wie vor beinahe absolut regierte; dieser Geburtsfehler wurde dem sich zu staunenswerter Blte entwickelnden Nationalstaat zum Verhngnis. Denn die nchste Gene-ration, in Gestalt eines liberal ge-sinnten Kronprinzen, kam nicht zum Zuge. Wilhelm I. wurde mehr als neunzig Jahre alt, nach kurzem Zwi-schenspiel gefolgt von einem ju-gendlichen Enkel, der Unsicherheit durch Forschheit berdrhnte.

    Whrend der Grovater, Knig und Kaiser geworden, seine Woh-nung in dem klassizistisch schlich-ten Palais Unter der Linden beibe-halten hatte, an dessen Eckfenster er sich zuweilen den beglckten Unter-tanen zeigte, verlegte der Enkel seine Wohnung ins Schloss, dessen Pracht seinen barocken Neigungen entge-genkam, einem monarchischen Schaustellertum, das sich in immer neuen Uniformen, Auftritten, Deko-rationen gefiel.

    Neidvoll blickte der Enkel der Queen Victoria auf das Weltreich seiner britischen Vettern, deren im-perialer Hauptkirche, der St. Pauls Cathedral, er neben dem Schloss durch einen Dom nacheiferte, der sich erst nach dem Neubau seiner Kuppeln im Jahre 1980 dem Bild der

    Stadt einfgte. Mit dem Tode Kaiser Wilhelms I., der ein vollkommener Kavalier gewesen war, so Goerd Peschken, endete die kulturelle Spitzenstellung des Hofes.

    Die Monarchie muss innerlich vollkommen verunsichert gewesen sein, Wilhelm II. eine grauenhafte Erziehung genossen haben: ein Kai-ser mit schlechtem Geschmack und schlechtem Benehmen. Sein Hof war unelegant.11

    Schlimmer war, dass dieser Mann, in seiner jovialen Aufdringlichkeit eine denkbar unpreuische Gestalt, die Politik dominierte; es gelang sei-ner Gromannssucht, das Staats-kunstwerk dreier Jahrhunderte bin-nen eines Vierteljahrhunderts zu-grunde zu richten. Am Ende des Weltkriegs, im November 1918, setzte er sich Hals ber Kopf in ein Schloss im neutralen Holland ab und lie sich Mbel, Hausrat, Kleinodien in fnfzig Gterwagen hinterher-schicken; die Republik tat ihm den Gefallen.

    Seit jenem November war das Ber-liner Schloss kein Staatsort mehr; es wurde zu einer Kultursttte, in der nicht nur das Kunstgewerbemu-seum seinen Platz fand (der ganze Bau strotzte von edelstem Kunstge-werbe), sondern auch ein Museum fr Leibesbungen und ein Theater-museum, zu dem es Berlin bis heute nicht wieder gebracht hat. Das weit-lufige Bauwerk, von jeher ein Mehr-zweckbau, nahm Institute der Uni-versitt und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft auf, aber auch den Deutschen Akademischen Aus-

    tauschdienst und die Mexiko-B-cherei; auch gab es in seinem Innern zahlreiche Privatwohnungen.

    1 Der Dritte, da man die Kurfrsten

    Joachim Friedrich und Kurfrsten

    Friedrich Wilhelm mit den Ziffern 1 und

    2 belegte.

    2 Erich Hubala: Die Kunst des 17.

    Jahrhunderts, Berlin 1970, S. 295.

    3 Ernst Bloch: Christian Thomasius / En

    deutscher Gelehrter ohne Misere, Berlin

    1953, S. 8.

    4 Christopher Clark: Preuen, Mnchen

    2008, S. 158.

    5 Goerd Peschken und Hans-Werner

    Klnner: Das Berliner Schloss, Berlin

    und Frankfurt am Main 1991, S. 56.

    6 Uwe Kieling: Berlin Baumeister und

    Bauten, Leipzig 1987, S. 166.

    7 Sebastian Haffner: Preuen ohne

    Legende, Hamburg 1982, S. 71.

    8 Ebda. S. 80.

    9 Nach Goerd Peschken in: Das Schloss? /

    Eine Ausstellung ber die Mitte Berlins,

    Berlin 1993, S. 39.

    10 Das Schloss, a.a.O., S. 49f.

    11 Goerd Peschken in: Das Schloss?,

    Berlin 1993, S. 52.

    9. November 1918 Karl Liebknecht ruft die Sozialistische Deutsche Republik vom Balkon des Schlosses aus

    Revolution in Berlin 1918

    Fortsetzung folgt in der nchsten Neuausgabe des Berliner Extrablatts, voraussichtlich im Sptsommer 2012

    Erffnung des Reichstags 1888 im Weien Saal des Schlosses. Gemlde von Anton von Werner

    Die kaiserliche Familie auf dem Balkon des Schlosses 1914

  • Schloss-ArchologieSE ITE 18 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Ein Blick in die Geschichte des Berliner Schlosses

    Im voll besetzten Krnungskut-schensaal der Hochschule fr Musik Hanns Eisler Berlin im ehe-maligen Marstall diskutierten An-fang Mrz Landesdenkmalpfleger Prof. Dr. Jrg Haspel und der Lan-desarchologe Prof. Dr. Matthias Wemhoff mit dem Publikum ber die Erhaltung der berreste des Berliner Schlosses und das geplante archologische Fenster im Hum-boldtforum. Die Podiumsdiskus-sion wurde moderiert von Manfred Rettig, dem Sprecher des Vorstands der Stiftung Berliner Schloss Humboldtforum.

    Die Ausgrabungen auf dem Schlossplatz geben zusammen mit den Grabungen auf dem Petriplatz und vor dem Roten Rathaus Auf-schluss ber das historische Berlin seit dem 13. Jahrhundert. Bei den Grabungen wurden die Kellerreste des gesprengten Berliner Schlosses freigelegt.

    Diese Kellerreste werden fr die Besucher des Berliner Schloss Humboldtforum erlebbar werden. Auf einer Flche von ca. 1.800 Qua-dratmetern wird so der Landesar-chologe Wemhoff - ein archolo-gisches Fenster entstehen. Ein

    Rundgang durch das Kellergeschoss wird u.a. durch die ehemalige Wach-stube des Schlosskommandanten und durch barocke Kellergewlbe fhren.

    Auch die Sprenglcher von der Zerstrung des Schlosses im Jahr 1950 werden zu sehen sein. Schlie-lich soll auch ein Blick in die Keller-gewlbe des um 1300 errichteten Cllner Dominikanerklosters er-mglicht werden, das im Zuge der Schlosserrichtung Anfang des 18. Jahrhunderts abgerissen wurde. Ich freue mich ber diesen Kom-promiss zur Erhaltung eines Teils

    der historischen berreste des Ber-liner Schlosses, den wir mit dem archologischen Fenster sogar f-fentlich zugnglich machen wer-den, sagte Stiftungsvorstand Man-fred Rettig.

    Ziel von Denkmalpflege und Ar-chologie sei es, die mittelalterli-chen Funde in der Berliner-Mitte zu verbinden. Wir wollen den Berline-rinnen und Berlinern und den Besu-chern der Stadt das mittelalterliche Zentrum der Stadt wieder vor Augen fhren und erlebbar machen, sagte Haspel. Fr die Prsentation des reichen Schatzes an Bodendenkma-

    len im ltesten Teil Berlins brau-chen wir das geplante archologi-sche Zentrum am Petri-Platz, ap-pellierte Wemhoff an den Berliner Senat.

    Fr den Bau des unter dem zu-knftigen Berliner Schloss Hum-boldtforum verlaufenden U-Bahn-Tunnels mssen Teile der berreste des Schlosses aus dem Baugrund entfernt werden. Alle Funde sind jedoch von den Archologen umfas-send dokumentiert worden und werden zur Zeit in der Ausstellung Von den letzten Dingen im Neuen Museum gezeigt.

    Der Bauplatz des Berliner Schlosses-Humboldtforum. Die Rasenflche entspricht dem Standort des Palastes der Republik. Dieser war tiefer gegrndet des Schlosses, deswegen findet man dort keine berreste des Schlosses mehr.

    Sdlich vom Eosanderportal fhrte eine Wendeltreppe bis hinauf zur Kuppel. Hier der ausgegrabene Keller mit der Mittelsule, die diese Treppe trug. Die Basis war ist mit Grafitti aus dem 19. Jh. von Handwerkern graviert, die dort ihre Namen in durchaus ele-ganter Schrift einritzten

  • Schloss-ArchologieBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 19

    durch das archologische Fenster

    Diese z.Z. berdachten Kellerbereiche werden als begehbares archologisches Fenster in den Neubau integriert

    Das Pflaster des Groen Schlosshofs wurde wieder freigelegt. Es wurde ausgebaut und soll nun als Pflaster im Schlterhof wieder-verwendet werden.

    Aus dem Trmmerschutt bei den Grabungen geborgen: eineMetope aus dem Hauptgesims des Groen Schlosshofs

    Der Nord-Sd-Gang im Keller unter dem Eosanderportal wurde durch die Sprengung des Portals mit seiner Kuppel regel-recht zerfetzt. Mehrere lfsser voll Dynamit brachten bei ihrer Explosion das riesige Por-tal zum Einsturz. Die Spren-gung hinterlie tiefe Krater im Boden des Kellergangs.

    Diese Grundmauern und Kel-ler knnen wegen des U-Bahn-baus nicht erhalten werden. Sie sind nicht mehr tragfhig und knnen auch nicht mehr er-tchtigt werden. Die Spren-gung hat sie ebenfalls instabil gemacht. Im Hintergrund das Dach ber dem knftigen Ar-chologischen Fenster w

  • SchlossbauhtteSE ITE 20 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Impressionen aus der Spandauer Bildhauerwerkstatt Berliner Schloss

    Bildhauerwerkstatt Spandau zeigt breites Spektrum der Schlossfassaden

  • SchlossbauhtteBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 21

    Der Umzug von Marienfelde nach SpandauDas gesamte Lager Marienfelde ist nun in Spandau. Der Transport war eine erhebliche nervliche Belastung aller Mitarbeiter und vor allem von Eckart Bhm, der den Lwen (Herkulesmantel), das Unterteil der groen Kartusche von Portal I, die er in Sandstein ausgearbeitet hat. Er begleitete sein Kunstwerk die ganze Reise lang. Ein Stein fiel ihm vom Herzen, als schlielich alles gelungen war.

    Glcklich angekommen. Eckard Bhm (rechts) ist erleichtertVor der groen Reise

    Der Transport des Lwen: Verladung in Marienfelde

    Unterwegs in Berlin

    Die Abnahmekommission

    Kathrin Lange (Stiftung Preuische Schlsser und Grten) York Stuhlemmer und Peter Westermann (Franco Stella Arch.)ten)

    nicht abgebildet, aber Mitglied der Kommission: Dr. Hans-Ulrich Kessler (Bodemuseum-SMB-SPK), Detlef Krug (Franco Stella Architekten), Nikolaus Mlders (BBR)

    Matthias Krner, Dr. Fritz-Eugen Keller (HU), Andreas Wycislok (BBR), Manfred Rettig(Vorstandssprecher SBS-HF), Franco Stella

    Prof. Dr. Bernd Wolfgang Lindemann (Direktor der Gemldegalerie und Skulpturensammlung, SMB-SPK, Mitte)

    Norbert Heuler (LDA, links), Karl Heinrich Mohr (SBS-HF, 4.v.r.)Volker Grbener (BBR, Mitte),

  • SchlossbauhtteSE ITE 22 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    GtterreiseZahlreiche historische Fragmente des Schlosses kamen inzwischen nach Spandau. Freuen Sie sich mit uns an den z.T. wohl einmaligen Bildern, denn wann schon fuhren Jupiter, Merkur, Meleager, Apoll, Antinous und andere Gtter, Halbgtter und Allegorien auf wer-wei-was-alles-mal-eben, wohlverzurrt mit Tiefladern mitten durch Berlin in ein neues Quartier und machten einen Zwischen-

    stopp an ihrem frheren Heimatort, dem Schlossplatz. Nein, nicht der Olymp war ihr neues Ziel, sondern fast schnde die groe Halle der Bildhauerwerkstatt der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtfo-rum in Spandau. Dort warten Sie nun gemeinsam mit den neuen Fassadenelementen auf die Rckkehr ins Schloss wenn man sie lsst. Sie wrden es sicherlich sehr gern tun!

    Gttliche Reise: Herkules auf zu neuen UfernGruppenbild mit Damen

    Ankunft vor der Humboldt-Box am Schlossplatz Manfred Rettig, Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum und Damen des diplomatischen Corps begren die Gtter

    Endlich wohlbehalten in Spandau angekommen

  • SchlossbauhtteBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 23

    Neuartiges Verfahren fr die Rekonstruktion von Portal IV

    Als einzige Grospolie des alten Schloss ist das Portal IV erhalten. Es wurde zur sozialistischen Reliquie und als Liebknechtportal 1963 in das Staatsratsgebude eingebaut, allerdings nicht vollstndig, original ist nur der Skulpturenschmuck. Die Wnde aus Sandstein wurden da-mals nach den Originalsteinen ko-piert, da diese in den Endkmpfen im April 1945 von Gewehrschssen und MG-garben durchsiebt waren.Der skulpturale Schmuck wurde in

    einem neuartigen Verfahren mit einem 3D-Scanner abgetastet und im Computer gespeichert. Dieses Datenmaterial soll nun

    ber einen Roboter in einem Kunst-stoff-Spritzgussverfahren in die 1:1 Modellvorlagen in plastische For-men gebracht werden, die dann von Bildhauern in Sandstein zum Einbau in das Schloss kopiert werden. Zuvor werden die Spritzgussfor-

    men von Bildhauern noch berar-beitet und teilweise aufmodelliert, da die Skulpturen des Liebknecht-

    portals ursprnglich auch Ein-schsse aufwiesen. Diese wurden damals entweder geflickt, wenn sie grer waren oder bei kleineren Einschssen berschliffen. Damit sind die Skulpturen des

    Portals nicht mehr in dem Vorkriegs-zustand, der fotografisch hervorra-

    gend belegt ist. Auch die Ideologie spielte mit: Aus der groen Adlerkartusche in

    der Serliana des Portals wurde der Preuenadler entfernt und stattdes-sen die ohne jeden Bezug stehenden Jahreszahlen 1713 1963 eingesetzt. 1963 wurde das Staatsratsgebude

    eingeweiht. Stehen die Zahlen etwa fr 250 Jahre Geschichte der DDR? Durch die historischen Fotos sind

    solche Vernderungen erkennbar und knnen mit der berarbeitung der Modelle rckgngig gemacht werden. Damit entspricht die Kopie der

    Kopie wieder dem eigentlichen Por-tal IV.Notabene: Berlin wird dann in

    Zukunft zweimal das Portal IV haben, eins im denkmalgeschtzten Staatsratsgebude und eins wieder am alten Standort in der Lustgarten-fassade des Schlosses.

    Computergesttzter 3-D-Scan

    Portal IV (Liebknechtportal) im Staatsratsgebude

    Historische Aufnahme der Kartusche mit dem 1963 entferntem Adler

    Serliana im Portal IV bestehend aus Bogen, Genien und Adlerkartusche

    Fama, der Ruhmverknder, links in der Serliana Detail dazu

  • SchlossbauhtteSE ITE 24 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Fama, rechts in der Serliana

    Hermenpilaster unter dem Paradege-schossbalkon: Allegorie auf den Herbst von Balthasar Permoser

    Hermenpilaster unter dem Paradege-schossbalkon: Allegorie auf den Winter vonBalthasar Permoser

    Detail des Pilasters Herbst

    Korinthisches Pilasterkapitell oben links im Portal

    Korinthisches Kapitell der eingestellten Sulen im Paradegeschoss

  • SchlossbauhtteBERL INER SCHLOSS EXTRABLATT | SE ITE 25

    Der Modellbau der Fassadenelemente ist weit fortgeschritten

    Die Mhen der Rekonstruktion der weitestgehend verlorenen Fassadenelemente und Kunst-werke am Berliner Schloss lsst sich am Besten in Bildern beschrei-ben. Es ist die Geschichte einer un-glaublichen Detektivarbeit. Es sind bewegende Bilder, Dokumente des Suchens, Versuchens, Verbesserns. Bilder ohne Lrm, aber sie zeigen die Passion der Bildhauer und ihre Auseinandersetzung mit dem fast Unmglichen.

    Unsere Bildhauer sind sensible Knstler, ernsthaft, zurckhaltend im Aufritt, gebildete Knner und doch voller Lust und kmpferischen Engagements fr ihre Arbeit, die sich nun schon seit Jahren immer mehr dem Schloss angenhert haben. Sie befassten sich mit dem rmischen Barock, der Schlters Vorbild war. Sie studierten die klas-

    sische Antike, die Vorbild fr den rmischen Barock war. Sie lernten die Sehnsucht der Knstler frherer Epochen kennen, die fr die Ewig-keit ihre Kunstwerke schufen. Die Erkenntnis der Gre der Kunst am alten Schloss machte sie beschei-den. Sie wissen, dass die unersetzli-chen Originale nicht wiederholt werden knnen.

    Aber ihr ganzer Ehrgeiz geht dahin, sich dem Vorbild soweit wie mglich anzunhern. Diese Auseinanderset-zung mit den Steinbildhauern und Steinmetzen des frhen 18. Jh. dau-ert nun schon seit Jahren, und wir sind immer wieder erstaunt darber, welche Kenntnisse darber wir heute noch gewinnen knnen.

    Vieles musste schpferisch nach-empfunden werden, da auch die Fotovorlage zu unscharf war. Gr-

    ere und kleinste Bruchstcke, ge-borgen aus dem Sprengschutt und in den verschiedensten Depots ein-gelagert, halfen, die genauen Mae zu gewinnen, auch die der dritten Dimension. Historische Bilder aus unterschiedlichen Perspektiven aufgenommen, halfen die ber die Interpretation von Schattenlngen die rumliche Tiefe zu erkennen. Nicht selten war es dennoch ntig, sich dem Original auch interpretie-rend anzunhern, weil es nur mehr oder weniger unscharfe Bilder des ursprnglichen Details gab. Nie-mals machten dies unsere Bildhauer jedoch in einer modernen bildli-chen Sprache wie es anderswo ver-sucht wird, und die damit doch nur Brche sichtbar macht.

    Wir bewegen uns in der Art der Restaurateure, die abgewitterte De-tails schon immer nachempfinden

    mussten und die in Erkenntnis der Bedeutung des Gesamtkunstwerks demtig sich dem Original ann-herten. Aber sehen Sie doch bitte selbst!

    Der Frderverein hat die unter seiner Regie entstandenen Bau-plne und Fassadenmodelle des Berliner Schlosses an seinen Part-ner, die Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum berfhrt. Diese wird in der Bildhauerwerkstatt in Spandau unsere Arbeit fortsetzen und auf dem wunderbaren Engage-ment der von uns beschftigten Bildhauer weiter aufbauen.

    Wir haben unsere Arbeitsergeb-nisse nicht ohne Stolz bergeben drfen, weil die mit Kunst- und Sachverstand von der Stiftung ein-gesetzten, hervorragenden Fach-leute von ihnen beeindruckt waren

    und mit Lob fr unsere Architekten und Knstler nicht sparten.

    Stolz sind wir aber auch auf das Vertrauen unserer Spender, die in einer Zeit als es immer wieder ffent-liche Zweifel am Wiederaufbau des Schlosses gab, uns mit ihren Spen-den grozgig untersttzt haben. Ohne ihr wunderbares Engagement wre das alles nichts geworden.

    Mit der fr den Sptsommer geplanten Erffnung der Bildhau-erwerkstatt der Stiftung Berliner Schloss-Humboldtforum in Span-dau treten wir in die Phase der Umsetzung ein. Ihre Hilfe und die vieler neuer, engagierter Spender wird dafr sorgen, dass die ehrgei-zigen Bautermine zu halten sein werden. Dafr sagen wir Ihnen schon jetzt unseren tief empfunde-nen, herzlichen Dank!

    Bildhauer Eckhart Bhm modelliert aus Ton ein Bukranion, den Schmuck der Fensterverdachung des 1. Stockwerks des Schlterbaus

  • SchlossbauhtteSE ITE 26 | BERL INER SCHLOSS EXTRABLATT

    Das Kunstwerk Schloss entsteht in der jahrhunderte alten Tradition des Steinbildhauerhandwerks ...

    Bernhard Lankers

    Der Schlterhof im Berliner Schloss war nicht nur eine Steige-rung der Auenarchitektur der Schlossfassaden, seine einzelnen Elemente waren ebenfalls noch kunstvoller und damit noch kom-plizierter als Herausforderung fr die Rekonstruktion.

    Bei dem Bombenangriff 1945 blieben seine Fassaden in ihren wichtigsten Bestandteilen weitgehend unzerstrt erhalten. Den-noch ist auer seinem Skulpturenschmuck nichts erhalten. Zwar wurden viele Details vor der Sprengung ausgebaut, aber in den Jahren danach vllig vernichtet. Ulbricht hatte keinen Bedarf fr die Schlossfragmente bis auf das Portal IV, das heute als Lieb-knecht-Portal das Staatsratsgebude ziert.

    Unser kleines Bildhauerteam, zusammen mit dem Architekten Stuhlemmer, hatte so nur Fotovorlagen, die ber die Photogram-metrie im Computer mahaltig berechnet wurden, wie wir spter an aufgefundenen Originalmaen feststellen konnten, mit einer Abweichnung von unter 1 Prozent zum Original. Anhand des so gewonnenen Aufmaplans konnte Bernhard Lankers, ein Spezia-list fr dekorative Plastik und eigentlich Holzbildhauer und Res-taurator mit barockem Schwerpunkt das Kolossalkapitell der gro-en Sulenordnung des Schlterhofs mit dem besonders dafr geeigneten Plastilin modellieren. Nach der Fertigstellung dieses 1:1 Modells durch die Sachverstndigen der Staatlichen Museen Preu-ischer Kulturbesitz wurde es ber eine Negativform aus Silikon, die mit einem Gipskorsett verstrkt wurde, abgeformt und schlie-lich das Positiv in Gips gegossen. Dies dient