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2., aktualisierte und erweiterte Auflage, 2018. 128 S., mit 22 Abbildungen und 2 Karten. Broschiert. Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/5542 Unverkäufliche Leseprobe © Verlag C.H.Beck oHG, München Bernhard Maier Stonehenge Archäologie, Geschichte, Mythos

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2., aktualisierte und erweiterte Auflage, 2018. 128 S., mit 22 Abbildungen und 2 Karten. Broschiert.

Weitere Informationen finden Sie hier: https://www.chbeck.de/5542

Unverkäufliche Leseprobe

© Verlag C.H.Beck oHG, München

Bernhard Maier Stonehenge Archäologie, Geschichte, Mythos

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Stonehenge im südwestenglischen Wiltshire wenige Kilometernördlich von Salisbury gehört zu den bekanntesten und zugleichrätselhaftesten Denkmälern der europäischen Vorgeschichte.Seine Anfänge reichen ins 3. Jahrtausend v. Chr. zurück. Ähn-lich wie die großen Pyramiden von Gize ist Stonehenge weitüber die Grenzen der Fachwissenschaften hinaus zum Sinnbildeiner Kultur und einer Epoche geworden, und ähnlich wie diePyramiden von Gize gab und gibt auch Stonehenge Anlaß zuzahllosen Mutmaßungen, Theorien und Spekulationen. Dasvorliegende Buch bietet einen Überblick über die Erkenntnisseder modernen Archäologie, Vorgeschichtsforschung, Verglei-chenden Religions- und Geschichtswissenschaft und präsentiertsie in allgemeinverständlicher Form. Im Zentrum stehen sowohldie vorgeschichtliche Anlage und ihre Umgebung als auch derenkulturelles Umfeld. Darüber hinaus bietet es eine Übersichtüber das Nachleben dieser berühmtesten prähistorischen Stein-setzung in Kunst, Literatur und Film. Für die vorliegende Neu-ausgabe wurde der erstmals 2005 veröffentlichte Text über-prüft, in einzelnen Punkten revidiert und um ein Kapitel überdie seit 2003 durchgeführten neueren Forschungen ergänzt.

Bernhard Maier ist Professor für Allgemeine Religionswissen-schaft und Europäische Religionsgeschichte an der UniversitätTübingen. Im Verlag C.H.Beck sind unter anderem von ihm lie-ferbar: Die Kelten. Ihre Geschichte von den Anfängen bis zurGegenwart (32016); Die Religion der Kelten (32016); KleinesLexikon der Namen und Wörter keltischen Ursprungs (32010);Die Religion der Germanen (2003); Die Druiden (2009); Ge-schichte Schottlands (2015); Die Ordnung des Himmels. EineGeschichte der Religionen von der Steinzeit bis heute (2018).

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Bernhard Maier

S T O N E H E N G EArchäologie, Geschichte, Mythos

Verlag C.H.Beck

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Mit 22 Abbildungen und 2 Karten

Die erste Auflage dieses Buches erschien 2005.

2., aktualisierte und erweiterte Auflage. 2018

Originalausgabe© Verlag C.H.Beck oHG, München 2005

Satz, Druck und Bindung: Druckerei C.H.Beck, NördlingenUmschlagmotiv: Stonehenge; © akg-images, Berlin

Umschlagentwurf: Uwe Göbel, MünchenPrinted in Germany

isbn 978 3 406 71001 8

www.chbeck.de

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Inhalt

Vorwort 7

I. Das vorgeschichtliche Stonehenge 91. Die Anlage 92. Die Baugeschichte 213. Die Erbauer und ihre Kultur 344. Funktionen und Zweck 44

II. Stonehenge und andere Megalithbauwerke 561. Die ältesten Monumentalbauten Europas 562. Das Ende der Megalithbauweise 66

III. Der Mythos von Stonehenge 681. Von der Altertumskunde zur Archäologie 682. Schriftsteller und Maler, Visionäre und Grübler 82

IV. Neuere Forschungen in und um Stonehenge(2003–2017) 99

V. Rückblick und Ausblick 103

AnhangWeiterführende Literatur 108Register 110Bildnachweis 112

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Vorwort

Stonehenge im südwestenglischen Wiltshire wenige Kilometernördlich von Salisbury gehört zu den bekanntesten, meistzitier-ten, meistbesuchten, am häufigsten abgebildeten, am intensiv-sten diskutierten und zugleich rätselhaftesten Denkmälern dereuropäischen Vorgeschichte. Ähnlich wie die großen Pyramidenvon Gize ist Stonehenge weit über die Grenzen der Fachwissen-schaften hinaus zum Sinnbild einer Kultur und einer Epoche ge-worden, und ähnlich wie die Pyramiden von Gize gab und gibtauch Stonehenge Anlaß zu zahllosen Mutmaßungen, Theorienund Spekulationen.

Das vorliegende Buch sucht die Erkenntnisse der moder-nen Archäologie, Vorgeschichtsforschung, Vergleichenden Reli-gions- und Geschichtswissenschaft über Stonehenge zusammen-zufassen und in einer allgemeinverständlichen Form darzubie-ten. Es behandelt sowohl die vorgeschichtliche Anlage und ihreUmgebung als auch deren kulturelles Umfeld. Darüber hinausbietet es in einem Abriß der Rezeptions- und Forschungsge-schichte eine Übersicht über das neuzeitliche Nachleben die-ser berühmtesten prähistorischen Steinsetzung. Vollständigkeitwurde angesichts des geringen Umfangs des Bandes weder an-gestrebt noch erreicht. Ich hoffe jedoch, daß die Leser wennnicht alle, so doch die meisten der vielfältigen Vorstellungen, diesie mit Stonehenge verbinden mögen, in der einen oder anderenWeise berücksichtigt finden. Für diese Neuausgabe wurde dererstmals 2005 veröffentlichte Text durchgehend überprüft, ineinzelnen Punkten revidiert und um ein Kapitel über die seit2003 durchgeführten neueren Forschungen ergänzt.

Bernhard Maier

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I. Das vorgeschichtliche Stonehenge

In den vergangenen tausend Jahren, aus denen uns schriftlicheZeugnisse der Beschäftigung mit Stonehenge vorliegen, hat manvor allem folgende Fragen gestellt: Was ist Stonehenge? Wie istdie Anlage entstanden? Wer hat sie gebaut? Wozu diente sie?Diesen vier Fragen, von denen die erste am leichtesten und dieletzte am schwierigsten zu beantworten ist, widmet sich der er-ste Teil des vorliegenden Buchs.

1. Die Anlage

Stonehenge ist die heute allgemein übliche Bezeichnung einervorgeschichtlichen Anlage, die – umgeben von zahlreichen wei-teren prähistorischen Denkmälern – rund 130 Kilometer west-lich von London und knapp 50 Kilometer nördlich der Kanal-küste in dem als Salisbury Plain bekannten Kreidekalk-Hügel-land der Grafschaft Wiltshire gelegen ist. Der Name begegneterstmals im 12. Jahrhundert in den Schreibungen Stanheng,Stanhenge und Stanhenges. Er setzt sich zusammen aus den bei-den (alt-)englischen Wörtern für «Stein» und «hängen» und be-zieht sich entweder darauf, daß in der Anlage mehrere waage-recht liegende Decksteine über aufrecht stehenden Tragsteinenwie die Tür in einer Angel «hängen» oder daß die Verbindungvon zwei senkrecht stehenden Steinen mit einem darüber liegen-den waagerechten Stein den mittelalterlichen Betrachter von derForm her an einen der zu jener Zeit üblichen Galgen erinnerte.Tatsächlich findet man den Vergleich mit einem Galgen schonin der ersten ausführlichen Beschreibung der Anlage aus derzweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Im archäologischen Sprachgebrauch bezeichnet man heuteausgehend vom Namen Stonehenge auch andere kreisrundeoder ovale Erdwerke mit innen liegendem Graben als Henge-

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Denkmäler (henge monuments). So etwa entdeckte man 1925circa drei Kilometer nordöstlich von Stonehenge zwischen denheutigen Ortschaften Larkhill und Amesbury aufgrund vonLuftaufnahmen eine Vielzahl von Pfostenlöchern, die in sechsleicht ovalen Ringen angeordnet waren, weshalb die einst vonWall und Graben umgebene Anlage heute unter dem NamenWoodhenge bekannt ist. 1999 stieß man nach klimabedingtenÄnderungen der Sandformationen an der Nordseeküste beimDorf Holme-next-the-Sea im ostenglischen Norfolk auf Sea-henge, die durch Salzwasser konservierten Überreste eines Krei-ses aus 55 Eichenpfosten, deren Mittelpunkt eine umgedrehte,mit den Wurzeln nach oben in den Boden eingelassene Eiche bil-dete. Im Hinblick auf diese erweiterte Verwendung des WortesHenge sei hier ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die ur-sprünglich für den Namen verantwortliche Verwendung waage-rechter Decksteine eine Besonderheit von Stonehenge darstellt,die anderen vom Grundriß her vergleichbaren Anlagen fehlt.

Der Steinkreis

Für den heutigen Besucher – oder Betrachter – besteht Stone-henge in erster Linie aus einem Kreis von teils aufrecht stehen-den, teils umgestürzten Steinen. Seit den Untersuchungen desArchäologen Flinders Petrie gegen Ende des 19. Jahrhundertshat es sich eingebürgert, diese Steine mit fortlaufenden Num-mern zu bezeichnen, um eine möglichst präzise Beschreibung zuermöglichen (vgl. Abbildung 1).

Wer sich der Anlage von außen nähert, stößt zunächst auf dierechteckig zugehauenen Steine Nr. 1–30, die zusammen einenKreis von rund 30 Metern Durchmesser bilden. Jeder dieserSteine – mit Ausnahme des deutlich schmaleren und kürzerenSteins Nr. 11 – ist rund einen Meter dick, ungefähr zwei Meterbreit und erhebt sich rund vier Meter über den Erdboden. Zwi-schen den einzelnen Steinen klafft eine Lücke von ungefähreinem Meter. Auf allen diesen Tragsteinen lagen einst waage-rechte Decksteine, von denen sich jedoch nur sechs noch immerin ihrer ursprünglichen Lage befinden. Dabei handelt es sich um

10 Das vorgeschichtliche Stonehenge

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Die Anlage 11

Stations-Stein 93(aufrechtstehen-der Sarsen- Stein)

N

Gegenbösc

hung

Graben

Graben

Graben

GrabenGraben

GrabenGraben

Standort des Stations-Steins 94

nördlicherErdhügel D

E

STRASSEPfostenlöcher A

B

C

Avenue

Wall

Avenue

Graben

Vertiefungen im Boden zurAufnahme von Steinen

Avenue

Wall

Avenue

Graben

CausewayPfostenlöcher

Slaughter Stone(umgestürzterSarsen-Stein)

WallWall

Wall

Wall

Wall

Loch F

Loch G

Loch H

Vertiefungen im Bo-den zur Aufnahme von Steinen

Stations-Stein 91(umgestürzterSarsen-Stein)

Gegenböschung

Aubre

y-Löch

er

südlicher Erdhügel

Y-Löch

erZ-Löch

er

Standort des Stations-Stein 92

ACHSE

Z-Löch

er

Y-Löch

er

Aubre

y-Löch

er

N

0 30 60ft

0 10 20m

Heel Stone(aufrechtstehender

Sarsen-Stein)

aufrechtstehender Sarsen-Steinumgestürzter oder in mehrere Teile zerbrochener Sarsen-Steinnoch an seinem Ort befindlicher Sarsen-Decksteinnoch an seinem Standort befindlicher Blaustein (oder Teil davon)umgestürzter oder zerbrochener Blaustein

12

51

105

31

32

SCHLÜSSEL

0 10 20 30 40 50ft

5 10 15m0

1979 entdeckte Vertiefungfür einen weiteren Stein

Altar-Stein

Abb. 1: Plan von Stonehenge

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Nr. 122 (über Nr. 21 und 22) im Nordwesten, Nr. 105 und 107(über Nr. 4 und 5 bzw. 6 und 7) im Südosten sowie Nr. 130, 101und 102 (über Nr. 29 und 30, 30 und 1 sowie 1 und 2) im Nord-osten. Bei den Steinen handelt es sich um eine unter dem ört-lichen Namen Sarsen bekannte Sandsteinart. Ursprünglich rot-braun, haben die Sarsen-Steine von Stonehenge durch den Be-wuchs mit Flechten eine grau-grüne Färbung angenommen.

Unmittelbar innerhalb des Sarsen-Steinkreises befindet sichein nicht ganz regelmäßiger und unvollständiger Kreis aus zu-meist unbehauenen, sehr viel kleineren und aufrecht stehendenSteinen (Nr. 31–49 und 150) ohne darüber gelegte Decksteine.Die meisten davon sind ungefähr zwei Meter hoch, ungefähreinen Meter breit und rund 75 Zentimeter dick. Im Gegensatzzum äußeren Kreis der Sarsen-Steine bestehen die nach ihrervorherrschenden Färbung so bezeichneten Blausteine aus unter-schiedlichen Gesteinsarten, sogenanntem Eruptivgestein. Ur-sprünglich bestand der Kreis wohl aus rund 60 dieser Blau-steine, von denen jedoch nur noch sechs aufrecht stehen.

Innerhalb des Kreises aus Blausteinen befinden sich fünfrechteckig zugehauene, symmetrisch angeordnete und seit dem18. Jahrhundert so genannte Trilithe (griechisch «Dreisteine»)in der Form eines nach Nordosten offenen Hufeisens. Jeder die-ser Trilithe bestand ursprünglich aus zwei senkrecht stehendenTragsteinen mit einem darübergelegten Deckstein. Die Trag-steine sind im Hinblick auf ihre Breite und Dicke mit denen desäußeren Steinkreises vergleichbar, doch ist der Abstand zwi-schen den paarweise angeordneten Steinen deutlich geringer.Die Höhe der Trilithe ist uneinheitlich: Ist das Paar im Nord-osten und Südosten (an den beiden Enden des Hufeisens) rundsechs Meter hoch, so ist das nächste Paar bereits deutlich höher.Der Trilith im Südwesten, gegenüber der Öffnung des Huf-eisens, erhebt sich schließlich zu einer Höhe von über siebenMetern. Alle 15 Steine sind vor Ort erhalten geblieben, befin-den sich jedoch nur noch zum Teil in ihrer ursprünglichen Lage.Noch immer aufrecht mitsamt den darüber gelegten Deck-steinen stehen der Trilith am südöstlichen Ende des Hufeisens(Nr. 51, 52 und 152) sowie die beiden mittleren Trilithe (Nr. 53,

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54 und 154 sowie 57, 58 und 158). Von dem Trilithen am nord-östlichen Ende des Hufeisens steht nur noch einer der beidenTragsteine (Nr. 60), während der andere (Nr. 59) jetzt ebensowie der dazugehörige Deckstein (Nr. 160) in drei Teile zerbor-sten auf der Erde liegt. Von dem größten, der Öffnung des Huf-eisens gegenüberliegenden Trilithen steht ebenfalls nur nocheiner der beiden Tragsteine (Nr. 56). Der umgestürzte zweiteTragstein (Nr. 55) liegt in zwei Teile zerbrochen zusammen mitdem dazugehörigen Deckstein (Nr. 156) über dem zumeist «Al-tar-Stein» (Altar Stone) genannten Stein Nr. 80. Dieser stand ur-sprünglich wohl aufrecht, liegt inzwischen aber – ebenfalls inzwei Teile zerborsten – im Inneren des Hufeisens auf der Erde.Bei der Gesteinsart handelt es sich um einen blaugrauen Sand-stein, dessen Herkunft vermutlich in der Gegend von MilfordHaven in Südwestwales zu suchen ist. Innerhalb der fünfhufeisenförmig angeordneten Sarsen-Trilithe befindet sich einweiteres, unvollständiges Hufeisen aus einzelnen, aufrecht ste-henden Blausteinen (Nr. 61–72) ohne darüberliegende Deck-steine. Die Höhe dieser Blausteine nimmt ebenso wie die derSarsen-Trilithe nach Südwesten hin zu, wobei der größte erhal-tene Blaustein des Hufeisens ungefähr 2,40 Meter hoch ist.

Um die technische Leistung der Erbauer gebührend zu wür-digen, sei an dieser Stelle noch auf einige Details hingewiesen,die bei einer Begehung und auf vielen Fotos nicht auf den erstenBlick erkennbar sind. So etwa sind die aufrechtstehenden Sar-sen-Blöcke des Steinkreises und des Hufeisens nicht genaurechteckig zugehauen, sondern verjüngen sich leicht nach obenhin, möglicherweise um bei dem Betrachter vor Ort die optischeIllusion einer noch größeren Höhe zu erzielen. Auch die Längs-seiten der Decksteine des Steinkreises verlaufen nicht parallel,sondern sind genau der Krümmung des Kreises angepaßt. Wieman an einigen Stellen – etwa bei dem noch aufrechtstehendengroßen Tragstein des mittleren Trilithen und dem dazugehö-rigen, jetzt auf dem Boden liegenden Deckstein – sehen kann,liegen die Decksteine auch nicht einfach nur auf den Tragstei-nen auf, sondern sind wie in der Holzbauweise durch Zapfen(an den Tragsteinen) und entsprechende Zapfenlöcher (an den

Die Anlage 13

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Decksteinen) miteinander verbunden. Darüber hinaus greifendie Decksteine auch durch eine vertikale Spundung an ihrenSchmalseiten ineinander. Indem man Tragsteine mit leicht un-terschiedlicher Höhe mehr oder weniger tief in den Erdbodeneinließ, stellte man sicher, daß der Ring der Decksteine sichüberall in gleicher Höhe über dem Boden erheben würde.

Wälle, Gräben und weitere Steine

Wie man insbesondere auf Luftaufnahmen mit schräg einfallen-dem Sonnenlicht klar erkennen kann, befinden sich alle bisherbeschriebenen Steine im Mittelpunkt einer – inzwischen starkabgetragenen – kreisrunden Einfriedung aus Wall und Grabenmit einem inneren Durchmesser von über 100 Metern. ImNordosten, also dem größten Trilithen und der Öffnung derbeiden Hufeisen gegenüberliegend, werden Wall und Grabenvon einem ungefähr 10 Meter breiten Damm unterbrochen.Hier mündet die ungefähr 20 Meter breite, von parallelen Wäl-len und Gräben flankierte und als breite Straße von Nordostennach Südwesten verlaufende sogenannte Avenue in den Stein-kreis. Sie bildet auf dieser letzten Wegstrecke die Verlängerungder – durch die Öffnung und den Scheitelpunkt des Hufeisensbezeichneten – axialen Ausrichtung der Anlage, die augen-scheinlich entweder nach Nordosten auf den Sonnenaufgangzum Zeitpunkt der Sommersonnenwende hin oder – in genauentgegengesetzter Richtung – nach Südwesten auf den Sonnen-untergang zum Zeitpunkt der Wintersonnenwende hin orien-tiert war. Einige hundert Meter weiter knickt die Avenue dannerst nach Osten und später nach Südosten ab, um am Ufer desFlusses Avon zu enden.

Außerhalb des Kreises der Sarsen-Steine, aber innerhalb derEinfriedung und der Avenue befinden sich vier weitere markanteSteine, die – ebenso wie der «Altar-Stein» (Nr. 80) – seltener mitNummern als vielmehr mit phantasievollen, erst neuzeitlichbelegten Namen bezeichnet werden. An erster Stelle steht hierder Slaughter Stone, ein über 2 × 7 Meter großer, am südöst-lichen Rand des Dammes flach auf der Erde liegender Sarsen-

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Stein mit zahlreichen Vertiefungen. Seine neuzeitliche Deutungals «Opferstein» verdankt er zweifellos den zahlreichen Vertie-fungen in seiner Oberfläche, in denen sich nach Niederschlägendas Regenwasser gleich dem Blut von Opfertieren (oder mensch-lichen Opfern) sammelt. Tatsächlich dürfte jedoch auch dieserStein ursprünglich aufrecht gestanden haben, was eine Funktionals Opfertisch praktisch ausschließt. Ungefähr 30 Meter vomSlaughter Stone entfernt, steht nicht ganz in der Mitte der Ave-nue der sogenannte Heel Stone, ein über fünf Meter hoher, unbe-hauener Sarsen-Stein. Einer weit verbreiteten, doch ebenfalls erstneuzeitlich belegten Anschauung zufolge bezeichnete er den Ortan dem zum Zeitpunkt der Sommersonnenwende, vom Mittel-punkt der Anlage aus betrachtet, die Sonne aufging. Dies istjedoch zweifellos falsch, da die Sonne – ungeachtet der axialenAusrichtung der Anlage insgesamt – etwa zwei Meter weiternördlich aufgeht. Wie neuere archäologische Untersuchungenergaben, befand sich neben dem Heel Stone aber noch ein zwei-ter, heute verlorener Stein, so daß die Sonne zur Sommersonnen-wende vielleicht genau zwischen diesen beiden Steinen aufging.Parallel zur Achse der Anlage befanden sich unmittelbar an derInnenseite des Walles im Nordwesten und Südosten der Anlageje zwei der insgesamt vier sogenannten Station Stones. Von ihnensind jedoch nur zwei (Nr. 93 im Nordwesten aufrecht und – ihmschräg gegenüber – Nr. 91 im Südosten auf der Erde liegend)heute noch vorhanden.

Zwischen der Einfriedung und dem Ring der Sarsen-Steineentdeckte man bereits in der frühen Neuzeit drei konzentrischeKreise von Erdlöchern, die man heute – von außen nach innen –als Aubrey-Löcher, Y-Löcher und Z-Löcher bezeichnet. DiePosition der – nach dem Altertumsforscher John Aubrey be-nannten – Aubrey-Löcher wird an der Ostseite durch kreisrundeBetonmarkierungen im Boden bezeichnet. Dagegen sind die Y-und Z-Löcher heute im Gelände nicht mehr sichtbar und könnennur noch auf Plänen der Anlage eingesehen werden. Dies giltauch für einige weitere, von den modernen Archäologen mitlateinischen Großbuchstaben bezeichnete Vertiefungen im Bo-den, die von den Archäologen zwar nachgewiesen, aber nur teil-

Die Anlage 15

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weise gedeutet werden konnten. Soweit es sich um Löcher zurAufnahme hölzerner Pfosten handelt, könnte man bei ihnen viel-leicht an vorübergehend im Zuge der Bauarbeiten errichteteGerüste oder aber an – inzwischen vollständig vergangene – dau-erhafte hölzerne Einbauten denken.

Denkmäler der näheren Umgebung

Zu den bemerkenswertesten Ergebnissen der archäologischenForschung des 20. Jahrhunderts gehört die Einsicht, daß die Er-richtung der oben beschriebenen Anlage nicht zu einem be-stimmten Zeitpunkt, sondern über einen Zeitraum von vielenhundert Jahren hinweg erfolgte. Dies legt einen Vergleich mitmit den großen mittelalterlichen Sakralbauten nahe, die ja auchhäufig Vorgängerbauten aus der Antike oder gar aus der vor-christlichen Vergangenheit fortsetzen und in vielen Fällen nochimmer zu liturgischen Zwecken genutzt werden. Hilfreich fürdas Verständnis dieses Phänomens ist in den meisten Fällen einegenauere Betrachtung der Gesichtspunkte, die für die Wahleines bestimmten Standorts ausschlaggebend waren. Im Fallevon Stonehenge steht zu vermuten, daß diese Wahl unter ande-rem durch die räumliche Nähe weiterer, vorausgehender An-lagen mit einem rituellen oder zeremoniellen Hintergrund be-stimmt wurde. Bevor daher im folgenden Kapitel eine Übersichtüber die Entstehungsgeschichte von Stonehenge gegeben wer-den soll, sei der Blick an dieser Stelle auf die Denkmäler der nä-heren Umgebung gerichtet.

Als eines der ältesten vorgeschichtlichen Denkmäler aus derersten Hälfte des vierten Jahrtausends v. Chr. liegt auf einerleichten Anhöhe ungefähr fünf Kilometer nordwestlich vonStonehenge innerhalb eines militärischen Übungsgeländes dieheute als Robin Hood’s Ball bekannte vorgeschichtliche Wall-anlage. Dabei handelt es sich um eine sogenannte causewayedenclosure, bestehend aus zwei unregelmäßigen Ringen aus Wäl-len und Gräben, die ein Gelände von ungefähr drei Hektar um-schließen. Wie die Wahl des Standorts zeigt, sollte die Anlageaus südöstlicher Richtung möglichst weithin sichtbar sein, so

16 Das vorgeschichtliche Stonehenge

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daß der ursprüngliche Wald in dieser Gegend vermutlich bereitsdamals weithin gelichtet war. Wie Ausgrabungen in den 60erJahren des 20. Jahrhunderts ergaben, war das Gelände auf demHügel erst kurze Zeit vor der Errichtung der Anlage gerodetworden. Der innere Wall, der ein Gelände von ungefähr einemHektar umschließt, ist heute weitgehend eingeebnet und kaumnoch sichtbar. Besser erhalten ist der ungefähr 30 Meter davonentfernte äußere Wall mit vorgelagertem Graben. Zu den fest-gestellten Besiedelungsspuren zählen Keramikscherben, Feuer-steinwerkzeuge, Holzkohle sowie Knochen von Rindern, Scha-fen und Schweinen. Ein Vergleich der Keramik mit Funden ausCornwall läßt darauf schließen, daß die Menschen jener Zeitweitreichende Handelsverbindungen pflegten. Wie ein Blick aufdie prähistorische Landkarte des vierten Jahrtausends v. Chr.zeigt, ist Robin Hood’s Ball nur eine aus einer ganzen Reihe vonEinfriedungen, zu der außerdem noch Windmill Hill im Nordensowie Whitesheet Hill, Hambledon Hill und Maiden Castle imSüdwesten gehören.

Alle genannten Einfriedungen sind umgeben von sogenann-ten long barrows, langgezogenen und oftmals von Gräben flan-kierten Erdhügeln mit einer Länge von 20–80 Metern. Viele da-von erwiesen sich im Zuge der archäologischen Untersuchungals kollektive Grabstätten, gelegentlich versehen mit Einbautenaus Holz oder Stein. In einigen Fällen ließen sich jedoch keineGräber nachweisen, so daß diese Denkmäler auch eine reprä-sentative Funktion gehabt haben dürften. Dies geht nicht zu-letzt daraus hervor, daß ihre beeindruckende Größe oftmals inkeinem Verhältnis zu der vergleichsweise geringen Anzahl derdarin beigesetzten Personen steht. Grundsätzlich ist dabei da-von auszugehen, daß nur eine relativ kleine Auswahl von Perso-nen der Beisetzung in diesen Hügeln für würdig befunden wur-de. Die Verteilung der long barrows im Gelände und ihre oft ex-ponierte, weithin sichtbare Lage gab zu der Vermutung Anlaß,daß sie einerseits im Zusammenhang mit einer Art Ahnenkultstehen, andererseits zugleich den Besitzanspruch (der Nachfah-ren) auf ein bestimmtes Territorium dokumentieren sollten. Indieser Hinsicht unterscheidet sich das Grabbrauchtum der jung-

Die Anlage 17

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steinzeitlichen Ackerbauer und Viehzüchter deutlich von demder alt- und mittelsteinzeitlichen Jäger und Sammler, denen einevergleichbar enge Bindung an ein bestimmtes Territorium auf-grund ihrer völlig verschiedenen Wirtschaftsweise noch unbe-kannt war. Man vermutet, daß die längeren Hügel mit paralle-len Gräben an den beiden Längsseiten zuerst errichtet wurden.Später ging man dann zur Errichtung kürzerer Hügel über, beidenen die beiden Gräben an der einen Seite der Aufschüttungu-förmig miteinander verbunden wurden.

Nach Errichtung der großen long barrows, in der mittlerenJungsteinzeit, wurde der heute so genannte Cursus angelegt. Da-bei handelt es sich um eine rund 100 Meter breite und knapp dreiKilometer lange, aus Wall und Graben bestehende Einfriedung,die sich in west-östlicher Richtung rund 800 Meter nördlich vonStonehenge erstreckt und an ihrem östlichen Ende nur wenigeMeter vor einem long barrow endet. Heute im Gelände kaumnoch sichtbar und nur aus der Luft deutlich zu erkennen, war derGraben ursprünglich wohl drei Meter breit und einen Meter tief,der Wall ungefähr einen Meter hoch. Die heute übliche lateini-sche Bezeichnung wurde im 18. Jahrhundert geprägt, als man dieAnlage – etwa nach dem Vorbild des römischen Circus maximus– als eine Art Rennbahn ansah. Welchen Zwecken sie wirklichdiente, ist jedoch völlig unbekannt, da bislang keine archäologi-schen Funde gemacht wurden, die Hinweise auf ihre Nutzung er-gaben. Gleichwohl geht man heute ganz allgemein von einerrituellen oder zeremoniellen Funktion aus, wobei den beiden En-den des Cursus im Hinblick auf ihre erhöhte topographischeLage vielleicht eine besondere Bedeutung zukam. Nordwestlichvon Stonehenge und weniger als einen Kilometer Luftlinie vondem soeben beschriebenen Cursus entfernt, befand sich auf derKuppe eines niedrigen Hügels ein weiteres, kleineres Denkmaldieser Art. Es ist heute jedoch völlig eingeebnet und nur noch aufLuftaufnahmen zu erkennen. Wie daraus hervorgeht, war dieserzweite, kleinere Cursus ursprünglich etwa 400 Meter lang.

Aus der späten Jungsteinzeit, also aus dem dritten Jahrtau-send v. Chr., stammen die nach Stonehenge so genannten hengemonuments – Umfriedungen mit Wall und Graben, die sich im

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Unterschied zu den älteren long barrows durch ihre annäherndrunde oder ovale Form auszeichnen. Coneybury Henge, in dernäheren Umgebung die kleinste Anlage dieser Art, liegt in süd-östlicher Richtung kaum mehr als einen Kilometer Luftlinie vonStonehenge entfernt. Wie 1980 durchgeführte archäologischeAusgrabungen und geophysikalische Untersuchungen ergaben,wurde die Anlage mit Wall und Graben in der ersten Hälfte desdritten Jahrtausends v. Chr. inmitten einer Waldlichtung ange-legt. Zahlreiche Pfostenlöcher lassen auf hölzerne Einbautenschließen, und der Eingang lag – wie bei Stonehenge – im Nord-osten. 1980 entdeckte man im Zuge der geophysikalischen Un-tersuchung des Geländes unmittelbar neben der Anlage eineGrube, die im vierten Jahrtausend v. Chr. angelegt worden war.Hier förderte die archäologische Ausgrabung große Mengenvon Feuersteinwerkzeugen, Gefäßscherben sowie Knochen vonHaus- und Wildtieren zutage, die man als Überreste eines gro-ßen, vermutlich rituellen Festessens oder einer ganzen Serie sol-cher Veranstaltungen deutet.

Mit Coneybury Henge vergleichbar ist die Anlage von Wood-henge, deren Bedeutung erstmals 1925 durch Luftaufnahmenerkannt wurde. Sie ist ungefähr drei Kilometer nordöstlich vonStonehenge auf einer Anhöhe mit Blick über den Fluß Avongelegen. Im Inneren der annähernd kreisrunden Einfriedung,deren Eingang ebenfalls im Nordosten lag, stellte man im Zugeder archäologischen Untersuchung zahlreiche Pfostenlöcher mitunterschiedlichem Durchmesser fest, die in sechs nicht ganzregelmäßigen konzentrischen Kreisen angeordnet waren. IhrePosition wurde nach dem Abschluß der Ausgrabungen durchniedrige Betonklötze unterschiedlichen Durchmessers markiertund ist dementsprechend noch heute im Gelände gut sichtbar.In der Nähe des Kreismittelpunkts entdeckten die Archäologendas Skelett eines ungefähr dreijährigen Mädchens, dessen Schä-del entweder im Rahmen des Bestattungszeremoniells oder aber– was letztlich wahrscheinlicher ist – im Zuge eines Opferritualsgespalten worden war. Die Vermutung liegt nahe, daß es sichdabei um ein Bauopfer bei der Errichtung der Anlage handelte,wie dies aus vergleichbaren Zusammenhängen gut bezeugt ist.

Die Anlage 19

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Ob die einst vorhandenen hölzernen Pfosten unterschiedlicherGröße eine rituelle Bedeutung besaßen oder aber das Gerüsteines vielleicht strohgedeckten Gebäudes mit rundem Innenhofbildeten, entzieht sich unserer Kenntnis.

Unmittelbar nördlich von Woodhenge befindet sich mit einemDurchmesser von ungefähr 470 Metern noch die sehr viel grö-ßere, ebenfalls annähernd kreisrunde Einfriedung von Durring-ton Walls, die ein Areal von rund 12 Hektar umschließt. Wie diearchäologische Untersuchung ergab, war der heute nur mehreinen Meter hohe Wall ursprünglich wohl mindestens vier Meterhoch, der vorgelagerte Graben sechs Meter tief. Ins Innere ge-langte man durch zwei Eingänge, von denen der eine im Nord-westen und der andere ihm unmittelbar gegenüber im Südostenunweit dem Ufer des Flusses Avon angelegt worden war. Mög-licherweise besaß die Anlage zumindest teilweise zeremonielleoder rituelle Funktionen, doch hat man darüber hinaus aucheine profane Bedeutung als Siedlungsmittelpunkt in Erwägunggezogen. So stellte man im Inneren der Einfriedung an mehrerenStellen konzentrische Kreise von Pfostenlöchern fest, derenDurchmesser zum Kreismittelpunkt hin zunahm. Die Vermu-tung liegt nahe, daß die einst darin befindlichen Pfosten einestroh- oder riedgedeckte Dachkonstruktion trugen. Mög-licherweise diente die Einfriedung unter anderem als Verlade-platz von Gütern, die man mit leichten Booten auf dem FlußAvon transportierte.

Neben den bisher genannten jungsteinzeitlichen Denkmälernbefinden sich in der näheren Umgebung von Stonehenge schließ-lich noch zahlreiche Hügelgräber (round barrows), die man indas frühe zweite Jahrtausend v. Chr., also in die frühe Bronzezeitdatiert. Im allgemeinen unterscheidet man bei ihnen mehrereFormen, darunter die bowl barrows (einache, zumeist von einemGraben umgebene Erdhügel), bell barrows (Anlagen mit einerflachen Böschung zwischen Graben und Hügel) und pond bar-rows (kreisrunde, von einem umlaufenden Wall gesäumte Ver-tiefungen). Die meisten dieser Gräber wurden weithin sichtbarauf Höhenzügen und in Gruppen angelegt. Von Stonehenge ausbetrachtet zählen dazu im Osten die Gruppe der King Barrows,

20 Das vorgeschichtliche Stonehenge

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im Süden die Normanton Down Barrows und – weiter entfernt –Wilsford Barrows, im Westen die Winterbourne Stoke Cross-roads Barrows und im Norden – unmittelbar südlich des Cursus– die Cursus Barrows. Auffälligerweise fehlen diese Gräber inder unmittelbaren Nähe der Anlage, begegnen dann aber ineinem Abstand von 1,5–2,5 Kilometern in einer besonders ho-hen Konzentration, die in größerer Entfernung zu Stonehengewieder abnimmt. Im Unterschied zu den älteren long barrowsder Jungsteinzeit zeichnen sich die round barrows der frühenBronzezeit durch mitunter überaus reiche Grabbeigaben aus –früheste Belege für die Ausbildung eines Grabbrauchtums alsSpiegel einer hierarchischen Gesellschaftsordnung. Zu den be-kanntesten Gräbern dieser Art zählt der bereits 1808 entdeckteBush Barrow, ein Grabhügel aus der ungefähr einen Kilometersüdlich von Stonehenge gelegenen Normanton Down Gruppe.Es enthielt neben dem Skelett eines hochgewachsenen und kräf-tigen Mannes unter anderem die Überreste einer aus Holz undBronze gefertigten Kopfbedeckung, eine Bronze-Axt, zwei ausKupfer und Bronze gefertigte Dolche, eine goldene Gürtel-schnalle sowie eine Art Zeremonialstab oder Szepter.

Wie bereits aus dieser – keineswegs vollständigen – Aufzäh-lung hervorgeht, liegt Stonehenge also inmitten einer Land-schaft, in der man von der frühen Jungsteinzeit bis in die Bronze-zeit auf vergleichsweise engem Raum eine weit überdurch-schnittliche Zahl religiöser Denkmäler errichtete. Es steht daherzu vermuten, daß die Wahl des Standorts für das heute bekann-teste Monument jener Zeit weniger von irgendwelchen topo-graphischen Besonderheiten als vielmehr von der traditionellenrituellen Nutzung dieser Landschaft und ihrer anhaltenden Ver-bindung mit religiösen Denkmälern unterschiedlicher Art be-stimmt wurde.

2. Die Baugeschichte

Das vorige Kapitel beschrieb den heute sichtbaren Zustandvon Stonehenge, wie er sich seit den archäologischen Ausgra-bungen und denkmalpflegerischen Maßnahmen des 20. Jahr-hunderts dem Besucher darbietet. Wann und wie aber ist die

Die Baugeschichte 21

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