Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers...

15

Transcript of Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers...

Page 1: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).
Page 2: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

PETER DINZELBACHER

BERNHARD VON CLAIRVAUX

Leben und Werkdes berühmten Zisterziensers

Page 3: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikationin der Deutschen Nationalbibliografie;

detaillierte bibliografische Daten sind im Internet überhttp://dnb.d-nb.de abrufbar.

Das Werk ist in allen seinen Teilen urheberrechtlich geschützt.Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig.

Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen,Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung in

und Verarbeitung durch elektronische Systeme.

Sonderausgabe2., durchgesehene Auflage 2012

© 2012 by WBG (Wissenschaftliche Buchgesellschaft), Darmstadt1. Auflage 1998

Umschlaggestaltung: Peter Lohse, HeppenheimUmschlagabbildung: Bernhard predigt Gehorsam. Aus der Benediktinerabtei Liesborn:

Bernhard von Clairvaux, Sermones super Cantica, um 1180.Quelle: Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz

Die Herausgabe des Werkes wurde durchdie Vereinsmitglieder der WBG ermöglicht.

Gedruckt auf säurefreiem und alterungsbeständigem PapierPrinted in Germany

Besuchen Sie uns im Internet: www.wbg-wissenverbindet.de

ISBN 978-3-534-24904-6

Die Buchhandels-Ausgabe erscheint beim Primus VerlagUmschlaggestaltung: Christian Hahn, Frankfurt a. M.

Umschlagabbildung: Kopf des Heiligen Bernhard von Clairvaux.Fresko von Fra Angelico (1387–1455)

www.primusverlag.de

ISBN 978-3-86312-310-9

Elektronisch sind folgende Ausgaben erhältlich:eBook (PDF): 978-3-534-72668-4 (für Mitglieder der WBG)eBook (epub): 978-3-534-72669-1 (für Mitglieder der WBG)

eBook (PDF): 978-3-86312-822-7 (Buchhandel)eBook (epub): 978-3-86312-823-4 (Buchhandel)

Page 4: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Inhaltsverzeichnis

Vorwort des Reihenherausgebers

Einleitung . . . .

1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111) . . Konversion (1111-1112)

H. In Citeaux und Clairvaux Noviziat (1113-1114) Profeß (1114) . . . Clairvaux (1115) . . Der junge Abt (1116-1118) Zisterzienser und Cluniazenser Tescelin und Humbeline . . Fragen des Klosterlebens . . "Über die Stufen der Demut und des Stolzes" (1124) Predigten, Sentenzen und Parabeln Der Thaumaturg . . . . . Bernhards erstes Eingreifen (1124) Norbert von Xanten "Marienlob" . . . . . . Clairvaux oder Cluny? . Prädestination und Heilsweg . "Apologie" (1124/25) . . Bernhard und die Kunst Aktivitäten in der Kirche (seit 1125) Reise zur Grande-Chartreuse (1127) Suger von Saint-Denis. . . . Die Anziehungskraft des Ordens "Über das Bischofsamt" (1127/28) "Über Gnade und Willensfreiheit" (1128) . "Über die Taufe" (1127/28) Die Synode von Troyes (1129)

IX

1

3 3 6

15

20 20 27 30 37 39 44 46 49 55 59 65 69 71 75 79 81 90 97 99

101 103 105 109 112 114

Page 5: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

VI Inhaltsverzeichnis

Werbung für die Tempelritter 116 Französische Kirchenpolitik (seit 1128) 125

III . Im Kampf gegen Anaklet . . . . . 129 Die Kirchenspaltung (1130) . . . . 129 Bernhard und Frankreich ergreifen Partei (1130-1131) 132 Erste Kontroverse mit Abaelard (1131) 138 Bernhard und König Lothar (1131) . 141 In Clairvaux (1131) . . . . 143 Das Konzil von Reims (1131) 145 Bernhard in Aquitanien (1132) 146 Päpstliches Lob (1132) . 148 Die Konversen . . . . . 149 Erste Italienreise (1133) 151 Strittige Bischofswahl in Tours (1133) 154 Der Tod eines Reformers (1133). . 156 Bernhard beendet das aquitanische Schisma (1134-1135) . 158 Bernhard in Bamberg (1135) 161 Zweite Italienreise (1135) . . . . 163 Heimkehr (1135) . . . . . . 168 Der Neubau von Clairvaux (seit 1135) 171 Die "Predigten über das Hohe Lied" (1135-1153) 175 "Über die Gottesliebe" (1130-1138) 186 Dritte Italienreise (1136-1138) 191 Salerno (1137) . . . . . . . . 196 Die Bischofsnachfolge in Langres (1138) 199 Gerhard von Fontaines 202 Die Kommune Reims (1139) . 204 Das zweite Lateranum (1139) 207 Italienische Zisterzienser 209

IV. Wider die neuen Ketzer 212 Die Liturgiereform (1134/46) 212 Mariologie (1137/39) 214 "Über Vorschrift und Dispens" (1140) 215 Die 'Causa' Abaelard (1140/41) . . 222 Die Rede an die Pariser Kleriker (1140) 231 Das Konzil von Sens (1141) . . . . 236 Abaelards Ende (1141-1142) . . . . 248 Gegen den Bischof von York (1142-1147) . 251 Ludwig VII . und Theobald von der Champagne (1142) 252 Bernhard zwischen dem König und dem Grafen der Champagne

(1142/43) . . . . . . . . . . . . . . . . . 256

Page 6: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Inhaltsverzeichnis VII

Arnold von Brescia . 260 Saint-Denis (1144) . 263 Ketzerprobleme . 265 Der erste Zisterzienserpapst und Bernhard (seit 1145) 270 Der Häretiker Heinrich von Lausanne 275 Bernhard in Südfrankreich (1145) 278 Ordenserweiterung (seit 1145) 281

V. Krieg gegen die Heiden, Friede unter den Christen 284 Kreuzzugspredigt (1146-1147) 284 Judenverfolgung (1146) 289 Bernhard und die Juden . . . 291 Deutschland im Kreuzzugsfieber (1146-1147) 293 Apokalyptik? . . . . . 296 Kreuzzugsvorbereitungen (1147) 299 Der Wendenkreuzzug (1147) 301 Der gescheiterte Kreuzzug 305 Gilbertus Porreta 307 Erneute Ordenserweiterungen 310 Hildegard von Bingen . . . 311 Das Konzil von Reims (1148) 313 Malachias von Armagh 319 Die "Vita Malachiae" (1148/49) 321 Nach dem Scheitern der Kreuzfahrt (1149) 327 Ein neuer Kreuzzug? (1150) . . . 331 Ein verhinderter Bruderkrieg und eine königliche Scheidung

(1149-1151) . . . . . . . . . . . 333 "Ich bin die Chimäre meiner Generation" (1150) 336 Verluste . . . . . . . . . . 337 Der Papstspiegel "De Consideratione" 339 Die Bischofswahl in Auxerre (1151) 356 Ruhelose letzte Jahre (1152/53) 358 Vermittlung in Metz (1153) 359 Der Tod (1153) . . . . 359

Nachwort zu Quellen und Literatur 363

Anmerkungen . 371

Bibliographie . 465

Personen- und Sachregister 487

Page 7: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Vorwort des Reihenherausgebers

Während die bisherigen Bände dieser Reihe vornehmlich deutschen Herr­schern galten, handelt der vorliegende zum ersten Male über eine der großen sowohl geistigen als auch politischen Gestalten des Mittelalters. Es geht um Bernhard von Clairvaux, die "Chimäre" seiner Generation. Die Literatur über ihn ist kaum mehr zu überblicken, die Zahl der wissenschaft­lichen Synthesen über sein Leben und W erk hingegen eher gering. Bisherwar das 1895 in zwei B änden erschienene Werk des Abbe Vacandard maßgeblich und an Vollständigkeit und Detailkenntnis unübertroffen, obschon bereits bei seinem Erscheinen kritische Stimmen laut wurden, die bei aller Aner­kennung der wissenschaftlichen Leistung die hagiographischen Tendenzen mißbilligten. Seitdem sind bis in neueste Zeit zumeist kürzere Gesamtdar­stellungen erschienen, aber auch die epochale, von Dom Jean Lec1ercq ge­leitete Edition seiner Werke führte bislang zu keiner umfassenden neuen Monographie über Bernhard, die das Werk von Vacandard hätte ablösen können. Lec1ercq selbst publizierte 1989 nur eine mehr populär-erbauliche Biographie des Heiligen, keineswegs eine grundlegende Synthese, in der das in zahlreichen Einzeldarstellungen und Aufsätzen niedergelegte profunde W issen des Autors eingegangen wäre. Großen Einfluß im Sinne einer aus dem Bereich der frommen Erbauung herausführenden Neubewertung der Persönlichkeit Bernhards haben in den letzten Jahrzehnten besonders die kritischen Quellenstudien von Adriaan H. Bredero vor allem über die "Vita prima" und die daraus gezogenen Folgerungen über das "Doppelleben" der "vita contemplativa" und der keineswegs von Schatten freien "vita activa" ausgeübt, deren Ergebnisse im vorigen Jahr auch in deutscher Übersetzung erschienen sind. Ihnen folgtPeter Dinzelbacher jedoch keineswegs überall. Er ist bereit, vor allem der "Vita prima" größeres Vertrauen entgegenzubringen als der niederländische Mediävist, auch wenn er gegenüber der Masse der Bernhard freundlich gesonnenen zisterziensischen Überlieferung die we­nigen kritischen zeitgenössischen Stimmen über problematische Züge in dessen Charakterbild hinreichend ßerücksichtigt. Auf jeden Fall läßt der ge­genwärtige Stand der Historiographie eine neue Darstellung Bernhards sehr berechtigt, ja erforderlich erscheinen. Sie kann zwar schon aus Platzgründen den Detailreichtum Vacandards nicht anstreben, ist aber dennoch ausführ­lich genug, um über alle wichtigen Aspekte von Bernhards Leben und Werk

Page 8: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

x Vorwort des Reihenherausgebers

in ständigem Zugriff auf die Quellen und unter Auswertung der neueren For­schung umfassend Auskunft zu geben. Dafür ist der Verfasser als Redakteur des ersten Bandes der lateinisch-deutschen Gesamtausgabe der Werke Bern­hards hervorragend ausgewiesen. Entsprechend der Zielsetzung der Reihe soll der Band sowohl dem Fachmediävisten als auch dem an Geschichte in­teressierten Leser eine fundierte , auf dem Stand der Forschung stehende, aber durch genaues Quellenstudium darüber hinausführende Darstellung bieten. Zu Recht hat der Autor dafür im wesentlichen das chronologische Schema gewählt, um die Persönlichkeit in der ganzen Vielfalt und Komple­xität ihres Denkens und Handeins zu erfassen. Damit entgeht er der Gefahr, der so manche Darstellungen bis in die Gegenwart erlegen sind, in Berhard im wesentlichen den theologischen Schriftsteller zu sehen und aus den ein­zelnen Elementen seines Denkens systematisierend "Summen" über be­stimmte theologische Fragen zu konstruieren, die er selbst nie anstrebte. In diesem Sinne wird das Buch sicher die weitere historische und theologische Forschung befruchten.

Würzburg, im September 1997 Peter Herde

Page 9: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Clementi filiolo

Einleitung

,,'Breves dies hominis sunt. ' Fugiunt, nec recedunt. Ve­stigia eorum nulla retrorsum. Labitur miser homo more fluctuentis aquae, cum ipsis, et praecipiti cursu, ad finem, quem nescit, excurrit.

Kurz sind die Tage des Menschen. Sie fliehen ohne wie­derzukehren. Keine Spuren bleiben von ihnen zurück. Mit ihnen entschwindet der arme Mensch wie verflie­ßendes Wasser und eilt in überstürztem Lauf einem Ende zu, um das er nicht weiß. "

Beginn eines Briefes des Abtes Petrus von Cluny vom

Herbst 1149 an seinen Freund Bernhard von Clairvaux.

(Epistola 150, ed. Constable 1, 367)

Im zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts durchzog ein hagerer Mann in heller Mönchskleidung halb Europa, gefolgt von Scharen von Kranken und Besessenen, die ihn , der selbst leidend war, um Heilung anbettelten . Er reiste nie allein, eine Gruppe von Mönchen umringte ihn, und oft genug eine Menge anderer geistlicher Würdenträger. Meist sah der Mann nichts von seiner Umgebung, da er , auch auf dem Rücken seines Pferdes, in tiefe Medi­tation Über die Liebe zwischen Gott und der Seele versunken war.

Wandte der Mann aber seine Aufmerksamkeit auf die Menschen, die ihn umgaben, dann begann er eine Faszination auszustrahlen, der sich nur we­nige zu entziehen vermochten. Liebe und Haß, die Klugheit der Schlange und die Einfalt der Taube waren in seinen Worten . Diese Worte ließen Ade­lige ihr Wohlleben verlassen, um eigenhändig wie die verachtetsten Bauern Äcker umzugraben, Gelehrte auf ihre Bücher verzichten , um statt dessen stundenlang in schmucklosen und eisigen Kirchen Psalmen zu singen, Für­sten jede politische Raison hintanstellen, um in einen katastrophal en­denden Kreuzzug zu ziehen, höchste Prälaten zu zweifelhaften Kniffen in geistlichen Gerichten greifen, um seine Feinde zu verurteilen . Viele nannten ihn darob lange vor seinem Tode einen Heiligen, manche verfluchten ihn als falschen Propheten .

Wenn dieser Mann nicht betend oder predigend durch die lateinische Chri­stenheit zog, dann tat er das, was er wohl am meisten liebte: er diktierte oder

Page 10: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

2 Einleitung

schrieb . Hunderte von Briefen und Ansprachen, Dutzende von Traktaten grub der Schreib griffel auf Wachstafeln, zeichnete die Feder auf Pergament . In einer wunderbar mitreißenden, bibelgesättigten Sprache, geschmückt mit allen rhetorischen Raffinessen, umkreisten seine Werke immer das eine Thema: wie leben, um den Himmel zu gewinnen? Ihm kam kein Zweifel , daß der sicherste Weg der war, dort sein Erdendasein zu vollenden, wo er selbst in seinem dreiundzwanzigsten Jahr die drei Mönchsgelübde abgelegt hatte : im Orden der grauen Brüder von ateaux und namentlich in dem Kon­vent; dem er als Abt vorstand, in Clairvaux.

Das aktive Leben und das beschauende Leben, beides hat Bernhard in sol­cher Intensität erfahren und gestaltet, wie kein anderer Mensch seiner Epoche, von dem wir wissen. Mit allen großen Strömungen der Zeit war er nicht nur konfrontiert , sondern gestaltete sie selbst mit , voller Sympathie oder voller Widerstand: Armutsbewegung und Kreuzzug, Papstschisma und Adelsfehden, Scholastik und Mystik, Liebesdichtung und Kriegspropag­anda . . . Mit wem von den Großen seiner Zeit hätte er nicht zusammenge­wirkt oder ist er nicht zusammengestoßen? Päpste baten um seinen Rat, Kö­nigen drohte er, Philosophen bekämpfte er, Bischöfe verdankten ihm ihr Amt. Im Kirchenstaat Innozenz II . und Eugen III . , in Frankreich Lud­wig VI. und Ludwig VII . , in Deutschland Lothar III . und Konrad III . , in Italien Roger 11. - sie alle haben mit ihm verhandelt, und die meisten von ihnen oft und oft. Ordensgründer wie Norbert von Xanten oder Gilbert von Sempringham waren seine Freunde, eine Seherin wie Hildegard von Bingen verehrte ihn tief, und der progressivste Denker seiner Generation, Peter Abaelard, lernte ihn hassen.

Es gibt viele Wege , etwas über jene Achsenzeit der europäischen Ge­schichte zu erfahren, die das hohe Mittelalter darstellt. Bernhard von Fon­taines auf seinem Ritt durch ein Europa voller Konflikte und in die Welt seiner unweltlichen Gedanken zu folgen, ist einer der spannendsten.

Page 11: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

I. Der junge Mann Bernhard

Kindheit (1090-1098)

Im Wohnturm der Burg von Fontaines-Ies-Dijon in Burgund1 gebar im Jahre 1090 dem Ritter Tescelin seine Gattin Aleth von Montbard2 ihren dritten gemeinsamen Sohn und ihr Lieblingskind. Er erhielt den Namen Bernhard, der "Bärenkühne oder -harte" , eine der so üblichen Nachbenen­nungen mit dem Namen des Großvaters ,3 denn so hieß Aleths Vater. 4

Während der Schwangerschaft hatte Aleth einen Angsttraum gehabt: Ihr schien, sie habe einen bellenden Welpen im Leib. Beunruhigt bat sie einen ver­trauten Mönch um die Erklärung dieses seltsamen Bildes; der fand eine erfreu­liche Deutung, indem er an Isaias 56 , 10 anknüpfte: "ein ausgezeichneter Pre­diger wird aus dir geboren werden, nicht zu vergleichen mit den vielen· Hunden, die nicht bellen können" . 5 So berichtet noch zu Bernhards Lebzeiten Gottfried von Auxerre , von 1140 bis 1153 "treuer Sekretär, Vertrauter und stän­diger Reisebegleiter"6 des späteren Heiligen. Man hat seine Nachricht mit Skepsis aufgenommen: da es ähnliche Träume auch in anderen Heiligenleben gibt,7 "muß" es sich natürlich um einen Topos, einen hagiographischen Ge­meinplatz, handeln; Gottfried habe einfach "seine Phantasie spielen" lassen. 8 Vielleicht hat die Mutter auch nur später in "subjektiver Täuschung" gemeint, solches geträumt zu haben. 9 Dagegen spricht wohl, daß sich Aleth keineswegs von Anfang an sicher war, ihr Traum bedeute Gutes. Davon überzeugte sie erst die Auslegung des unbekannten Religiosen . Und ist es nicht ganz häufig, daß sich eine schwangere Mutter auch im Schlaf mit ihrem Kind beschäftigt, sei es in freundlichen, sei es in ängstlichen Träumen? 10

Von da an setzte Aleth große Erwartungen in dieses Kind. "Diesen Sohn aber liebte sie zärtlicher als alle , durch das gottgesandte Orakel motiviert" 11 - nämlich durch ihren Traum. Sie hielt das Neugeborene hoch hinauf zum Himmel, wie sie es auch bei ihren anderen Kindern zu tun pflegte , um sie Gott darzubringen . Doch den kleinen Bernhard bestimmte sie zusätzlich für eine geistliche Laufbahn, wie es scheint in einem feierlichen Gelöbnis in der Kirche . 12

Wahrscheinlich nur wenige Tage oder Wochen nach der Geburt - um bei einem frühen Tod die Gefahr auszuschließen, daß seine Seele auf ewig in der Vorhölle schmachten müsse , wie die Kirche lehrte13 -, wurde das Kind in

Page 12: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

4 Der junge Mann Bernhard

St. Martin zu Dijon14 getauft: das damals Übliche war, es dem Taufexor­zismus zu unterwerfen, um den Teufel aus dem kleinen, mit der Erbsünde belasteten Heiden zu vertreiben, 15 wobei man es dreimal nackt im Tauf­becken untertauchte und mit geweihtem Salz , Öl und Chrisma in die Ge­meinschaft der Christen aufnahm. 16

Der Vater Tescelin wird als adelig, reich und fromm geschildert, war also einer der "proceres" , der Burgherren, die von verschiedenen Einkommen wie Buß- und Wegegeldern, dem Mühlenbann u. ä. lebten. 17 Persönlich sei er mit einer besonderen Neigung zur Gerechtigkeit ausgezeichnet gewesen, außerdem ein Ritter ohne Furcht und Tadel, "miles fortissimus" , 18 wie es sich für den Vater eines Heiligen schickte . Sein Beiname, altfranzösisch "li sors" , 19 der Rotblonde, charakterisierte seine Haarfarbe , die sein Sohn of­fensichtlich von ihm erbte .20 Der aus Chätillon stammende Feudalherr ge­hörte zu den engsten Gefolgsleuten des Herzogs von Burgund; er diente Odo 1. (reg. 1078-1102) genauso treu wie dessen Sohn Hugo H. (reg. 1102-1143) und figuriert mehrfach in den Urkunden dieser Herzöge als Zeuge . 21 Daß er deshalb , wie wohl die meisten seiner Standesgenossen, immer wieder für längere Zeiten nicht mit seiner Familie zusammengelebt hat , son­dern in der "maisniee" (Hausgemeinschaft) seines "seigneur" (Herrn) , ist wahrscheinlich und mag eine Rolle für Bernhards weiteren Lebensweg ge­spielt haben . 22 Ob er ein 'miles litteratus' war, also lesen und schreiben konnte, wie etwa der Vater Abaelards,23 aber sonst wenige dieses Standes, wissen wir nicht. Vermutlich übertreibt aber der Berichterstatter - es ist wie­derum Gottfried - ein wenig hinsichtlich der sozialen Stellung der Familie , denn er bemerkt selbst , die Burg des Tescelins war eher bescheiden, eine kleine Anlage ("minus castrum"24) am nord-westlichen Rande Dijons . Mög­licherweise hatte sie Tescelin nur als Lehen inne . 25 Sonst besaß er etwas Streubesitz in der Umgegend, auch bei einem später Clairvaux genannten Tal . 26 Was die Zugehörigkeit zum Adel betrifft, so war Burgund eine der Re­gionen, wo das Rittertum sich im frühen 12 . Jahrhundert bereits weitgehend dieser Schicht hatte assimilieren können. 27

Die Mutter Aleth28 (von Adelheid) kam aus dem bedeutenden Ge­schlecht derer von Montbard, das sogar mit einer älteren Linie der Herzöge von Burgund verwandt war. Sechs Söhne, Guido, Gerhard, Bernhard, An­dreas , Bartholomäus und Nivard, sowie eine Tochter, Humbeline , brachte sie zur Welt , die sie alle am liebsten für das Kloster bestimmt hätte , 29 wie sie auch selbst ursprünglich hätte Nonne werden sollen, was ihre dementspre­chende Erziehung erklärt . 3o Ihre die Familie anscheinend dominierende Frömmigkeit sollte ihre spätere Verehrung als Heilige mitbegründen, deren wichtigstes Motiv aber gewiß ihr dritter Sohn war. Daß sie eine starke Frau war, die ihre Kinder nach ihrer Religiosität zu formen vermochte, darf auf­grund mancher Hinweise in Bernhards Vita vermutet werden.

Page 13: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Kindheit 5

Nur wenig erfahren wir darüber, wie das Kind Bernhard aufwuchs: Als Säug­ling wurde er wie seine Geschwister von Aleth selbst gestillt, was sein Biograph besonders hervorhebt, da dies in seiner Zeit in den gehobenen Schichten kei­neswegs üblich war. Üblich war vielmehr, daß die adeligen Damen ihre Kinder einer Amme anvertrauten,31 denn ein Kind selbst zu stillen, hätten viele als Zeichen interpretiert, man könne sich keine solche Bediente leisten. Das Posi­tivum lag aber darin, daß nach den Vorstellungen der Zeit mit der Milch der Mutter auch ihre guten Anlagen weitergegeben wurden. 32

Die Erziehung Bernhards und seiner Geschwister scheint eher sparta­nisch gewesen zu sein: "So lange sie unter der Hand Aleths waren, zog sie sie mehr für das Eremiten- als für das Hofleben auf und duldete nicht, daß sie sich an delikateres Essen gewöhnten, sondern nährte sie mit gewöhnlichem und einfachem. "33 Es ist klar, daß Aleth hier wie so viele Mütter in ihren Kindern verwirklichte , was sie selbst als verheiratete Frau mit Familie noch nicht zu tun imstande war, nämlich ein dem Klosterleben möglichst nahe­kommendes Leben in der Welt zu führen. Als ihre Kinder dann aber alt genug waren, verbrachte sie ihre letzten Jahre nur mehr mit Fasten, Wachen, Almosenspenden und Gebet, ohne jedoch Nonne zu werden . 34

Welche Eindrücke Bernhard sonst in seinen Kindertagen empfangen haben mag , was und womit er gespielt hat (wohl kaum mit Ritterfiguren,35 wie vielleicht seine nicht für ein geistliches Leben bestimmten Brüder) , was er lernen mußte oder durfte, entzieht sich unserer Kenntnis. Im Lesen hatte er sich jedenfalls schon sehr früh zu üben.36 Wahrscheinlich hat er einen Zuchtmeister (afrz . "maistre" , mlat . "paedagogus") gehabt, der ihn unter­richtete ; Bernhards älterer Zeitgenosse , der Benediktiner Guibert von No­gent (1053-1124), weiß in seiner Autobiographie genug darüber zu be­richten, unter welchem Druck ihn der harte Erzieher mit pausenlosem Lernen hielt . 37 Daß Aleth ihrem Sohn gründlich und bleibend Inhalte ihrer Religion vermittelte , ist freilich sicher (bis zu ihrem siebten Jahr wuchsen auch die kleinen Buben üblicherweise in den Räumen der Mutter auf)38 . Ihre Lebensführung erschien auch später dem Abt Bernhard so vorbildlich, daß er seine Schwester genau darauf verpflichtete , als er sie auf drastische Weise dem Weltleben entfremdet hatte . 39

"pro aetate , imo supra aetatem, pietatis opera sectabatur"40 : "er pflegte die Werke der Frömmigkeit in einer Weise , die seinem Alter angemessen war - nein, über sein Alter hinaus !" So seine Vita. Daß der kleine Bernhard zu Weihnachten einmal vor dem nächtlichen Gottesdienst einschlief und vom Christkind träumte, verwundert so nicht und kann auch nicht als legendär abgetan werden: noch als Abt sprach er davon. 41 Und auch daß er, bekam er einmal ein wenig Geld, dieses heimlich Armen weitergab, 42 muß kein hagio­graphischer Topos sein - pflegen Kinder nicht oft Handlungen ihrer Eltern nachzumachen?

Page 14: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

6 Der junge Mann Bernhard

Warum seine Eltern nicht den üblichsten und sichersten Weg beschritten, ihr Kind auf ein geistliches Leben zu verpflichten, nämlich die Mönchung durch Oblation43 in einem Kloster, wissen wir nicht. Zahlreiche in die Kir­chengeschichte eingegangene Zeitgenossen Bernhards waren so in frühester Jugend (ab vier bis fünf Jahren) einem Konvent übergeben worden, damit sie dort für ihre Verwandten beten sollten, z. B . Suger, der spätere Abt des Reichsklosters Saint-Denis (ca. 1081-1151), Petrus von Montboisier, der spätere Abt von Cluny (ca. 1093-1156), Rupert, der spätere Abt von Deutz (ca. 1070-ca . 1130), oder der mit Bernhard gleichaltrige spätere Bischof Hartmann VOn Brixen (ca. 1090-1164) - und so viele andere führende Männer der damaligen Kirche . Die Oblation erfolgte ganz unabhängig davon, ob dieses Kind - und später dieser Erwachsene , denn die Klosterge­lübde waren ja unauflöslich44 - dies auch selber wollte oder nicht . Das Mo­ment der rituellen, ganz äußerlichen Reinheit eines Kindes als Opfer und die zu erbringende Gebetsleistung waren hier leitend und Existenzgrundlagen dieser Einrichtung, aus der sich die Benediktiner im frühen Mittelalter zu einem sehr großen Teil rekrutierten. Weitgehend irrelevant blieb die innere Einstellung der Oblaten. Bernhard, wiewohl nicht persönlich davon be­troffen, sollte noch mit diesem Problem konfrontiert werden.45

Jugend (1098-1111)

Seit seinem siebten oder achten Jahr besuchte Bernhard die Schule der Kanoniker von Saint-Vorles in Chätillon-sur-Seine , einer gerade eine Tages­wanderung von Fontaines entfernten bischöflichen Siedlung. Seine Familie besaß dort ein Haus . Das Alter Bernhards stimmt mit dem überein, das auch sonst als üblich für den Beginn des Unterrichts angegeben wird.46 Was hatten die Schüler, die bereits Kleider von gleichem Schnitt wie die Kano­niker selbst trugen,47 zunächst zu lernen? Zwar ist nichts über Saint-Vorles speziell überliefert, doch kann man sich nach den allgemeinen Gepflogen­heiten solcher geistlicher Schulen sicher sein, daß die Knaben Lesen, Schreiben, Auswendiglernen und Singen vor allem an Hand der lateinischen Psalmen zu üben hatten.48 Gewiß wurden sie mit demjenigen antiken Bil­dungsgut vertraut gemacht, das man seit dem beginnenden Frühmittelalter als nivium bezeichnete: Rhetorik, Grammatik und Dialektik. Auch heidni­sche Autoren wie Vergil, der freilich christlich gedeutet wurde , dürften auf dem Lehrplan gestanden haben. Die Schüler hatten die klassische Sprache so gut zu beherrschen, daß sie selbst kleine Dichtungen ("dictamina") fabri­zieren konnten. Mit dem zweiten Teil der 'Freien Künste' , dem 'Quadri­vium' , das die mathematischen Wissenschaften umfaßte , wurde Bernhard dagegen offenbar nie konfrontiert. 49

Page 15: Bernhard von Clairvaux - Buch.de · PDF fileInhaltsverzeichnis Vorwort des Reihenherausgebers Einleitung . . . . 1. Der junge Mann Bernhard Kindheit (1090-1098) . Jugend (1098-1111).

Jugend 7

Das Bildungsangebot der Kanoniker scheint, allein nach dem Stil von Bernhards Werken zu urteilen , hervorragend gewesen zu sein, und der Junge soll , wie von seinem Biographen Gottfried glaubwürdig versichert wird, Talent zu einem sehr guten Schüler gehabt haben. Bernhard blieb dem Kloster seiner Schultage auch immer verbunden, wie mehrere Interven­tionen und sein Bemühen um Reform zeigen, als er ein einflußreicher Mann geworden war. 50 Damals allerdings war er ziemlich schüchtern, was , wie er noch lange später beklagte , ihm seine Erzieher mit Gewalt auszutreiben suchten. 51 "mire cogitativus" , erstaunlich nachdenklich , nennt sein Freund Wilhelm von Saint-Thierry52 den jungen Bernhard, weiters ruhig, gehorsam und ganz versessen darauf, die Heilige Schrift zu studieren : ein katholischer Musterknabe . 53 Oder, wie es ein französischer Historiker formulierte : "Summa summarum, ein Heiliger, wie man ihn nur im Brevierbuch findet, würdig, kanonisiert zu werden, sogar noch ehe er gelebt hat . "54

Bernhard war wohl etwa siebzehn oder achtzehn, möglicherweise aber auch erst vierzehn Jahre alt , als seine Mutter, vielleicht vierzigjährig, an einem 31. August starb . 55 Sie wurde in der Krypta eines der bedeutendsten Klöster der Umgebung bestattet, nämlich in Saint-Benigne zu Dijon . 56 Mit dem Tod Aleths schien sich das Leben ihres bestbehüteten Sohnes zunächst zu ändern . Sogar in Wilhelms Biographie klingt etwas wie Befreiung mit : nun begann der junge Mann "suo jam more , suo jure"57, nach seiner Weise und auf seine Verantwortung, zu leben . Aus dem wenigen, was sein Freund Wilhelm über die Jahre vor Bernhards Konversion preisgibt, wird ganz klar, daß er in eine Gruppe Gleichaltriger eingebunden war, eine Burschen­Clique mit enger Freundschaft, wie sie auch heute noch für die Jugend ge­rade in den romanischen Ländern so typisch ist . Solche Cliquen aus ritter­bürtigen Familien bildeten "compaignies" oder "maisnies" , Trupps, um nicht zu sagen 'Gangs' , die sich um einen Anführer scharten und auf "aven­ture" auszogen58 , zu Turnieren, Schlachten und Raubzügen (was die nach damaligem Verständnis durchaus legitimen Fehden in der Praxis für gewöhn­lich waren) . Nun war Bernhard, anders als seine Brüder, nicht für das Waf­fenhandwerk erzogen worden, was ihn aber nicht hinderte , in einer solchen Gruppe - mit welchem Ziel? - umherzuziehen. Einfach zu weltlichem Ver­gnügen, denn es waren gefährliche Freundschaften (für sein Seelenheil) , be­merkt Wilhelm: "amicitiae procellosae"59, eine Formulierung, die das stür­mische Meer der bösen Welt , des "saeculum nequam" (Gall, 4), evoziert. 60 Wahrscheinlich besuchte man abwechselnd die Burgen der Eltern und Ver­wandten der einzelnen Kumpane; "als Bernhard einmal mit seinen Freunden bei einer Dame (matrona) übernachtete" , soll ihn diese (natürlich erfolglos) zu verführen versucht haben. 61 Dazu ließ sie ihn "tanquam hono­ratiori omnium"62 , als den Vornehmsten von allen, getrennt unterbringen­Bernhard dürfte demnach der Anführer dieser Clique gewesen sein. Be-