BINGEL, Hermanm - Das Theatrum Europaeum (1909)

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Bibliographische Angaben (Druckvorlage / digitale Fassung): Autor: Bingel, Hermann Titel: Das Theatrum Europaeum. Titelzusatz: Ein Beitrag zur Publizistik des 17. und 18. Jahrhunderts Ausgabe: Neudruck der Ausgabe 1909 (Verlag Matthiesen, Lübeck) Ort: Schaan/Liechtenstein Verlag: Sändig Jahr: 1982 Signatur: Universitätsbibliothek Augsburg, 01/AP 29700 T 374 Digitale Fassung erstellt am: 22.08.2001 Bemerkungen: Volltextfassung im Format Adobe Acrobat pdf gibt die gedruckte Textvorlage in Orthographie und Seitenumbruch (nicht Zeilenumbruch) originalgetreu wieder. Hinweis: Vorlage enthält vielfach unterschiedliche Schreibweisen, Zitate aus den historischen Vorlagen sind nicht konsequent durch Anführungszeichen gekennzeichnet.

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Bibliographische Angaben

(Druckvorlage / digitale Fassung):

Autor: Bingel, Hermann

Titel: Das Theatrum Europaeum.Titelzusatz: Ein Beitrag zur Publizistik des 17. und 18. JahrhundertsAusgabe: Neudruck der Ausgabe 1909 (Verlag Matthiesen, Lübeck)Ort: Schaan/LiechtensteinVerlag: SändigJahr: 1982

Signatur: Universitätsbibliothek Augsburg, 01/AP 29700 T 374

Digitale Fassung erstellt am: 22.08.2001

Bemerkungen:

Volltextfassung im Format Adobe Acrobat pdf gibt die gedruckte Textvorlage inOrthographie und Seitenumbruch (nicht Zeilenumbruch) originalgetreu wieder.Hinweis: Vorlage enthält vielfach unterschiedliche Schreibweisen, Zitate aus denhistorischen Vorlagen sind nicht konsequent durch Anführungszeichengekennzeichnet.

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Das Theatrum Europaeum

ein Beitrag zur

Publizistik des 17. und 18. Jahrhunderts

Von

Hermann Bingel

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(Münchener Inaugural-Dissertation)

[1909]

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Literaturverzeichnis

Prutz, Geschichte des deutschen Journalismus 1843

I. Opel, Anfänge der deutschen Zeitungspresse, im Archiv f. Gesch. d. deutschenBuchhandels 1879F. Stieve, Ueber die ältesten halbjährigen Zeitungen oder Meßrelationen, in den Abh. d.Kön. Bayr. Ak. d. Wiss. I Abt. Bd. XVI, 1881G. Droysen, Arlanibaeus Godofredus Abelinus, Habilitat.-Schrift, 1864A. Lersner, Chronik der Stadt Frankfurt a. MainKirchner, Geschichte von Frankfurt a. MainM. Hertz, Bibliotheca germanica, 1679I. H. Boecler, Historia Universalis 1680I. G. Sulpicius, De Studio juris Publici recte instituendo 1700Ch. Gryphius, de scriptoribus Sec. XVII 1710Hübner, Hamburger Bibliotheca historica 1725Joecher-Adelung, Allgemeines Gelehrtenlexikon 1750Zedler, Universal-LexikonF. W. Strieder, Hessische GelehrteBaumgarten, Nachrichten von merkwürdigen Büchern 1753Iugler, Bibliotheca hist. litt. selecta 1754Struve, Bibliotheca historica 1802.

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Uebersichts-Tabelle

Verfasser Zeit Editionen Benutzte Ausgabe

I. J. Ph. Abelinus 1618 - 1628 1645, 1643, 1662 1662

II. ders. 1620 - 1632 1633, 1637, 1646,1679

1679

III. H. Oraeus 1633 - 1638 1639, 1644, 1670 1670

IV. ders. 1639 - 1642 1643, 1648, 1692 1692

V. J. P. Lotichius 1643 - Juni 1647 1647, 1651, 1707 1707

VI. J. G. Schleder Juli 1647 - 1650 1652, 1663 1652

VII. ders. 1651 - März 1657 1663, 1685 1663

VIII. M. Meyer April 1657 - Mai1660

1667, 1693 1667

IX. ders. Juni 1660 - 1665 1672, 1699 1672

X. W. J. Geiger 1665 - 1671 1677, 1703 1677

XI. Anonymus 1672 - 1678/79 1682 1682

XII. Anonymus 1679 - 1686 1691 1691

XIII. ders. 1687 - 1690 1698 1698

XIV. ders. 1691 - 1695 1702 1702

XV. ders. 1696 - 1700 1707 1707

XVI. D. Schneider 1701 - 1703 1717 1717

XVII. ders. 1704 - 1706 1718 1718

XVIII. ders. 1707 - 1709 1720 1720

XIX. ders. 1710 - 1712 1723 1723

XX. ders. 1713 - 1715 1734 1734

XXI. ders. 1716 - 1718 1738 1738

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[Einleitung]

Das Theatrum Europaeum beschreibt in 21 Bänden die denkwürdigen Geschichteneines Jahrhunderts (1618—1718). Die Ausgabe seiner einzelnen Teile erstreckt sich über dieJahre 1633—1738. Eine unvollständige Uebersicht gibt Struve. Die hier vorausgeschickteTabelle ist nach den auf der Münchener Staats- und der Universitätsbibliothek sowie in derWormser Paulus-Bibliothek vorhandenen Exemplaren gebildet. Die Neuauflagen sind imgroßen und ganzen einfache Abdrücke der ersten Edition. Das Werk, das in verschiedenenFrankfurter Druckereien unter die Presse kam, erscheint bei der weitberühmten Buch- undKunsthandlung Merian. Drei Generationen dieser Familie sind mit Eifer und Erfolg an derHerausgabe tätig. Eine Urenkelin des Matthäus Merian, des Stammvaters derKünstlerfamilie, verheiratet sich mit dem churbrandenburgischen Architekten Eosander vonGöthe, der das gesamte Merianische Vermögen ererbt und durchbringt. Der Verlag Merianfindet so ein wenig rühmliches Ende. Der letzte Band des Theatrum besitzt überhaupt keineVerlagsangabe mehr.

Versuch einer Stoffgliederung.

In seinen 21 bis zu 1500 Seiten starken Folianten hat das Theatrum Europaeum eineungeheuere Stoffmasse aufgespeichert. Wenn wir diese gewaltige Menge des Materials einerBetrachtung unterziehen wollen, verlangen wir nach einer Stoffeinteilung, die, indem sieGleichartiges in gleiche

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Abteilungen eingliedert, die Mannigfaltigkeit verringert und so einenbeherrschenden Ueberblick ermöglicht. Anhaltspunkte zu einer solchenStoffgliederung können wir aus den von den Autoren des Theatrumbeobachteten Ordnungsverfahren gewinnen. Schon Abelinus stellt einengewissen Teil des beigebrachten Materials an den Schluß eines jedenJahres, und die in der letzten Hälfte der gesamten Bände fest ausgebildeteRubrikeneinteilung faßt den nämlichen Stoff in etwa neun besondersnumerierten Abteilungen zusammen. Die Verfasser haben offenbar dasEmpfinden, daß es sich um eine besondere Stoffgattung handelt, die sichvom übrigen scheiden läßt. Die Dinge, um die es sich hier handelt,machen die Ueberschriften der Rubriken namhaft. Es werden genannt:„Todts-Fälle unterschiedlicher hoher und vornehmer Stands-Personenoder sonst berühmter Leute, hohe Geburten und Kind-Tauffen an einemund andern Königl. oder Fürstl. Hofe, Duelle und greuliche Mord-,Diebs- und andere dergleichen Schand- und Laster-Thaten, schädlicheFeuers-Brünste, schädliche Ergießungen der Wasser und Ströhme,grausame Sturmwinde zur See und auff dem Lande wie aucherschreckliche Erdbeben, schädliche Donner- und Hagel-Wetter,wunderbare Geschichten, Omina, Portenta und Zeichen in der Lufft undauff Erden”, endlich finden wir, da diese Geschichten sich über dieverschiedensten Gebiete und Gegenstände erstrecken und sich deshalbnicht alle namhaft machen lassen, noch eine „Klasse” für sonderbareGeschichten und Fälle überhaupt. Wenn wir nach einem allen diesenErzählungen gemeinsamen, charakteristischen Merkmale suchen, sokönnen wir sagen, es handelt sich hier um das, was den üblichen Lauf derNatur und des gewöhnlichen Menschenlebens überschreitet, umaußerordentliche, wunderbare und herrliche oder schädliche undgräßliche Ereignisse. Bei der Ausmalung der durch die soeben genanntenAdjektive zum Ausdruck kommenden Eigenschaften trägt dieschriftstelle-

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rische Manier dieser Erzählungen recht grelle Farben auf. Mit derAufnahme dieses Stoffes in das Theatrum wird dem absonderlichenQeschmacke jener Zeit Rechnung getragen, wenn wir auch nichtübersehen dürfen, daß bis in die Gegenwart derartiges Material immernoch manche Spalte unserer Zeitungen füllen hilft. Wenn wir nun dieseStoffgattung von dem Gesichtspunkt aus betrachten, daß sie derErgötzung des Lesers dienen soll, so läßt sich vielleicht dafür derAusdruck Unterhaltungsstoff gebrauchen, den wir der Kürze halber imfolgenden als Schlagwort beibehalten wollen. Was nach Abzug desUnterhaltungsstoffes übrig bleibt, das sind die eigentlich denkwürdigenGeschichten, die von den Haupt- und Staatsaktionen berichten. Hierhandelt es sich um Ereignisse von umfassender und bleibenderBedeutung, die die großen Religions-, Staats- und Kriegsparteien zumMittelpunkt haben, dort aber um Dinge, die sich vornehmlich nur umeinzelne Personen oder um kleine Gemeinschaften abspielen, die meistvon lokal beschränktem Einfluß sind und die in den großenOeschichtsverlauf nicht merklich eingreifen. Neben denUnterhallungsstoff tritt also der eigentliche Geschichtsstoff. Der letzterebesteht wieder aus zwei verschiedenen Gruppen, deren Scheidungbisweilen von den Autoren erstrebt wird. Gelegentlich wird dieseVerschiedenartigkeit damit erklärt, daß die Verfasser auf die beidenGebiete aufmerksam machen, auf denen in jenen kriegerischen Zeitenvornehmlich das politische Leben sich abspielte. Ehe man zum Degengriff, wurde meist zuvor ein langer Kampf mit der Feder geführt. DieBerichte über die Geschehnisse bei diesem Waffen- und Federstreitliegen den Autoren in verschiedener äußerer Gestalt vor. Von denkriegerischen Ereignissen erhält man aus erzählenden Relationen, die vonden Autoren des Theatrum beliebig umgearbeitet werden können, Kunde.Bei den Zwistigkeiten, die mit Feder und Tinte ausgetragen werden,ergeben sich Schriftstücke, die durch einen be-

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sonderen Stil gekennzeichnet sind und eine feste Form bewahren; es sindAkten und Urkunden aller Art. Indem der Kompilator die Berichte inerzählender Gestaltung zusammenstellt, ohne ihren Zusammenhangdurch Einreihung von Aktenstücken allzuviel zu unterbrechen, tritt vonselbst das Aktenmateriaf zu größeren Gruppen zusammen. Wir könnenvon dieser Gliederung des Geschichtsstoffes Gebrauch machen, wenn wirbeobachten wollen, wie die einzelnen Autoren neben dem erzählendenStoff der sogenannten Schriftwechslung größeren oder geringeren Raumzuweisen. Diese Frage ist deshalb von Interesse, weil wir aus jener ZeitSammlungen besitzen, die ausschließlich Acta publica zusammen-zutragen sich zur Aufgabe gemacht haben. Wir halten also im folgendenfest an einer Zweiteilung des Stoffs in Unterhaltungs- undGeschichtsstoff, wovon der letztere noch in erzählendes und urkundlichesMaterial geschieden werden kann.

Godofredus sive Abelinus.

Am 22. September 1593 wurde Matthäus Merian (Allg. D. Biogr.)zu Basel als Sohn eines Ratsherrn geboren. Der Vater war in der Lage,den künstlerischen Anlagen seines Sohnes eine angemessene Ausbildungzuteil werden zu lassen. Matthäus Merian legte bei dem ZüricherRatsherrn und Kupferstecher Dietrich Meyer „die ersten Fundamente”seiner Kunst (Widmung des V. Teils der Chronik Gottfrieds). Bald erhielter Aufträge, die ihn nach Frankreich zogen, wo er sich mit demKupferstecher Jaques Callot befreundete. Auf Reisen kam er nachFrankfurt am Main und lernte daselbst seine Frau, die Tochter desKupferstechers de Bry, kennen, dessen Kunst- und Buchhandlung erererbte. Als Verleger (seit 1624) gab Merian eine Reihe medizinischer,

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topographischer und historischer Bücher heraus, die er selbst mitKupferstichen ausschmückte. (Vorrede zu Band l.) Unter denGeschichtswerken lenkt zunächst die von 1629 bis 1634 in acht Teilennach und nach erscheinende Chronik, die die Ereignisse „vom Anfangder Welt biß auff unsere Zeitten” behandelt, unsere Aufmerksamkeit aufsich. Zusammengetragen und in Ordnung gebracht ist dieses Werk vonJohann Ludwig Gottfried. Das letzte Jahr der historischen Chronik (1618)ist schon das Anfangsjahr des ersten Bandes des Theatrum Europaeum.Am Schluß der Chronik finden wir sogar eine Bemerkung, die dengünstigen Leser, der sich für die Geschichten dieses und der folgendenJahre näher interessiert, „auff unser Historisches Werck, so wie unterdem Titul Theatri Europei mit ehistem geliebts Gott auch an's Liechtzubringen vorhabens seyn”, verweist. Der I. Band des Theatrum erscheint(1635) nicht wieder unter dem Namen Joh. Ludwig Gottfrieds, sondernnennt als Verfasser Johann Philipp Abelinus. In seiner Schrift„Arlanibaeus. Godofredus. Abelinus” hat Droysen erwiesen, daß unterdiesen drei Namen sich der gleiche Autor verberge. Droysen knüpft andie Tradition an, die zum größten Teil in offensichtlicher Abhängigkeitvon Gryphius behauptet:“Johan. Ludovicus Gothofredus vel potius Johan. Philipp Abelinus.” Füruns kommt vornehmlich das in Betracht, was Droysen in dem „Deauctore” betitelten letzten Abschnitt seiner Schrift für die Gleichheit desVerfassers der historischen Chronik und des Autors des TheatrumEuropaeum Bd. I und II ins Feld führt. Hierfür weist Droysen zunächstdarauf hin, daß ihre Werke bei den gleichen Druckern und in demselbenVerlag Merian erschienen sind. Wir dürfen indessen annehmen, daß beider Wahl des Druckers in Betracht kam, wer wenig mit Arbeit belastetwar und eine schnelle Lieferung versprechen konnte. So sagt z. B. derAutor des XI. Bandes, daß mit der Abfassung seines Werkes sehr geeiltworden sei, „und, ehe noch die

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Feder solche gäntzlichen vollbracht, in unterschiedlichen Officinen derTruck angelegt” worden sei. So wenig der Verlag an einen Drucker, sowenig fühlten sich die Kompilatoren zu jener Zeit an einen Verlaggebunden. Außer bei Merian arbeitet Abelinus, was Droysen auch beiseiner Quellenuntersuchung entgangen zu sein scheint, gleichzeitig für S.Latome am Mercurius Gallo-Belgicus. Ebenso kompiliert Schieder fürMerian und für Latome, und M. Meyer arbeitet für Serlin und Merian.Auch die scheinbar so unzweideutigen wechselseitigen Verweise derhistorischen Chronik und des Theatrum haben keine zwingendeBeweiskraft für die Identität Gottfrieds und Abelins. Droysen führt nureinen dieser Hinweise an, nämlich den am Schluß der Chronik, wo esetwa heißt: „wir wollen den günstigen Leser auff unser HistorischesWerck, so wie unter dem Titui Theatri Europaei bereits an das Liechtkommen lassen, verwiesen haben.” In der ersten Ausgabe der Chronikvon 1634 aber lauten die letzten Worte noch: „mit ehistem ge-liebts Gottans Liecht zu bringen vorhabens seyn, verwiesen haben”. Diese Stelle istalso einer Wandelbarkeit unterworfen. Dazu ist sie in der ersten Ausgabeweit kleiner als der vorausgehende Text der Chronik gedruckt. Sie dürftedanach vielleicht eher als Anmerkung des Verlegers aufzufassen sein,zumal der Ausdruck „an das Liecht kommen lassen” besser für denHerausgeber als den Autor paßt. Aehnlich verhält es sich mit dem Anfangdes I. Bandes des Theatrum in der Ausgabe von 1662, woverschiedentlich von „unserm Buch Monarchia” die Rede ist. Gemeint istdamit die nach Monarchien eingeteilte Chronik. Allein in der erstenAusgabe von Band I (1635) steht eine ganz andere Einleitung, die dieseVerweise nicht hat. Nun teilt uns Merian in einer Vorrede zur zweitenAusgabe des II. Bandes (1637) mit, daß Abelin bereits verstorben sei.Demnach kann die spätere und neue Einleitung zum I. Bande nicht ausder Feder Abelins stammen und daher dürfen auch

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die dortigen Hinweise nicht zur Identifizierung Gottfrieds und Abelinsverwertet werden. Allein im achten und letzten Teile der Chronik wirdnoch an etlichen Stellen, die ohne Zweifel der Hand Gottfriedsentstammen (ed. 1634, S. 210, 259 und 270), auf das Theatrum Bezuggenommen. Da heißt es z. B.: „Wie solches alles in unsererHistorischen Beschreibung, so wir von dieser Unruh angefangen unddurch die folgende Jahr continuirt, weittläuftiger zu finden.” Aber selbstdie Beweiskraft, die dieser Stelle eigen zu sein scheint, bedarf derEinschränkung. Man muß nämlich beachten, wie Verleger und Verfasserim Theatrum von den einzelnen Bänden reden. Merian spricht stets von„unserem historischen Werk”, einmal sogar von „dieser meinerHistorischen Chronik Continuation”. Ebenso verweisen die Autoreneinfach auf die einzelnen Teile „dieser unserer Europäischen Histori-Beschreibung” und dergl. Ist also bei Beachtung dieses Sprachgebrauchsauf den ersten Teil des oben zitierten Satzes kein Wert zu legen, so istdoch der zweiten Hälfte einige Beweiskraft für die Gleichsetzung Abelinsund Gottfrieds nicht abzusprechen. Indessen findet die Identifizierungbeider von anderen Gesichtspunkten aus ihre Bestätigung. Obschon dieTätigkeit der Kompilatoren in der Hauptsache in einem Aneinanderreihender einzelnen Quellen besteht, so tragen doch ihre Arbeiten, in mancherHinsicht eine persönliche Prägung. Das Hervortreten persönlicherAuffassung des Kompilators kommt vornehmlich in zwei Punkten zurGeltung: einmal in der Art, wie er sich die Anordnung des wirrvorliegenden Quellenmaterials ausdenkt, und dann, wie gelegentlichseine politischen und religiösen Anschauungen mehr oder minderdeutlich die Darstellung beeinflussen. Beachtenswert ist zunächst, daßGottfried in der Chronik sich von einem von Tag zu Tag strengchronologisch ordnenden Verfahren, wie es zu seiner Zeit bei denKompilatoren Sitte war, fernhält und dafür eine Anordnung einführt, dieeine Reihe von Jahren als Ab-

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schnitt zusammennimmt und innerhalb dieses Zeitraums mit dem Reichbeginnend die Geschichte der einzelnen Staaten der Welt nacheinanderbehandelt. Seine Ordnungsmethode gibt er uns einmal (Chronik Teil VIIS. 67) mit folgenden Worten kund: „In den vorigen Theilen sind wir alsoverfahren, daß wir alle Geschichten, so sich under der Regierung einesKeysers entweder zu Rom oder in Graecia oder letztlich in Teutschlandvom Anfang seines Imperii biß zum Ende desselben begeben, bevoraußaber desselben Verrichtungen ordentlich nach einander erzehlet, darnachuns zu Außländischen Läuffen und Historien, die sich in andernKönigreichen und Provincien außerhalb deß Keyserthums zugetragengewendet und derselben ebenmäßig gebührliche Meldung gethan haben.”Dementsprechend wird in dem achten und letzten Teil, der naturgemäßdie meiste Aehnlichkeit mit den beiden ersten Bänden des Theatrumaufweist, zuerst von den Ereignissen im Reich, dann in denaußerdeutschen Staaten gesprochen. Genau die gleiche Anordnung findenwir auch in den von Abelinus verfaßten Bänden des Theatrum. Besondersauffallend ist, daß ebenso wie schon in der Chronik, derUnterhaltungsstoff am Schluß der Jahresabteilung angesammelt wird.Wenn wir ferner, was später noch näher ausgeführt werden soll, in denbeiden ersten Bänden des Theatrum eine ausgesprochen evangelischeTendenz vorfinden, so läßt sich das ebenfalls von der Chroniknachweisen. Sehen wir nur einmal nach, was Gottfried für das Jahr 1517zur Reformation sagt: „Luther hat das Evangelium auß der Finsterniß desPabstthumbs wider ans Liecht gebracht.” Allein sogar in den nämlichenWorten wird der evangelischen Tendenz Ausdruck gegeben. Wie in derChronik, so im Theatrum hört man von „unzeytigem Religionseifer”(Chronik VIII S. 12, 30, 145 u.ö.; Theatrum I 859) und von „Trangsalenund Beschwernussen gegen die Evangelische” (Chronik VIII S. 208;Theatrum I 14). Wie das Theatrum von dem „Intent der Katholischen

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wider die Evangelischen” spricht (Theatrum I 848, II 392), so redet dieChronik (VIII S. 43) davon, daß „die Päbstische damit umbgiengen, wiesie den evangelischen eine gute Schlappen versetzen möchten”. Wirfinden also in den beiden Punkten, in denen sich das persönliche Momentbei den Kompilatoren am stärksten durchzusetzen pflegt, imOrdnungsverfahren und in der Tendenz eine überraschendeUebereinstimmung. Es wird deshalb kaum mehr etwas gegen dieRichtigkeit der Tradition „Godofredus sive Abelinus” einzuwenden sein.Nachdem nun das Hindernis, das in der Angabe verschiedener Verfassersich beim Uebergang von der Chronik zum Theatrum in den Weg stellte,beseitigt ist, können wir die engen Beziehungen, die zwischen beidenWerken bestehen, näher erörtern.

Historische Chronik und Theatrum Europaeum.

Schon von Jugend auf, so sagte einmal Matthäus Merian (TheatrumBd. I, Vorrede), habe er sich vorgenommen, in diesem Theatrum oderSchaw Platz der Geschichten der Welt sich zu üben. .Es erscheintdemnach als die Erfüllung eines langgehegten Wunsches, wenn Merianwährend der Jahre 1629—34 die „Historische Chronik an den Tag gebenkann. Bei der Veröffentlichung seiner historischen Werke rechnet er mitdem doppelten Zweck, sowohl dem Nutzen als der Unterhaltung desLesers zu dienen (Chronik, Teil I, Vorrede). Der Gedanke des Verlegers,daß die Geschichtsdarstellung auf die Belehrung und Erziehung desLesers hinzielen soll, wird in der Chronik auch von dem Autoraufgenommen. Daraus mag es erklärt werden, daß häufig Geschichtendazu benutzt werden, um eine am Anfang oder Schluß angefügteSentenz- und Lebenswahrheit zu bestätigen und zu bekräftigen. DerAbsicht, für die Ergötzung des

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Lesers zu sorgen, wird die Chronik vornehmlich durch ihre sehransprechenden Kupferstiche gerecht, die allein schon dem Werke vieleLiebhaber und Freunde verschafft haben mögen. Da Merian offenbar mitder Chronik einen guten Erfolg erzielt hat, kommt er zu folgendemEntschluß: „Wann ich aber bißher verspüret, daß angeregt Historisch´Werk und Chronicon dem Leser so wol gelehrten Leuten als demgemeinen Mann nicht wenig angenehm und aber der Author desselbensolches nicht länger dann biß auff das Jahr 1618 continuirt, als hab ichunangesehen, daß es viel Mühe und nicht geringen Kosten erfordert, michdahin beworben, daß der Cursus Historicus zu vollkommener Ausführungdes Werckes noch in zweyen Theilen fortgesetzt werde” (Bd. II ed. 1633,Vorrede). Der erste dieser hier versprochenen Teile erscheint 1633. Er istimmer noch „Historische Chronik” betitelt und hält damit die engsteVerbindung mit der Chronik Gottfrieds aufrecht. Allerdings ist er nichtunmittelbare Fortsetzung der letzteren, sondern behandelt die Zeit1629—33. Allein die hier klaffende Lücke von 1618—29 ist bereitsausgefüllt, d.h. der Verfasser, der sich nun Abelinus nennt, hat auchdiesen Zeitraum schon bearbeitet. Der Teil für 1618—29 ist „allbereitfertig und nur an dem truckcn hat es gemangelt” (Bd. II ed. 1633,Vorrede). Doch vielleicht hat diese Verzögerung noch tiefere Gründe.Wie Droysen bemerkt, hat ja Abelin unter den Namen Gottfried undArlanibaeus bereits die Kämpfe Gustav Adolphs, also einen Hauptteil des1633 erscheinenden Bandes, ausgiebig behandelt. Sodann ist nicht zuvergessen, daß Abelinus im Mercurius Gallo-Belgicus die Zeit von derOstermesse 1628 bis zur Herbstmesse 1634 bearbeitet, also damals 1633wenigstens schon einmal die Geschichten der Jahre 1628—33, wenn auchnur in kurzer Form und lateinischer Sprache zusammengestellt hat. ZurBehandlung der Zeit 1618—29 liegen aber noch nicht in so umfassenderWeise eigene Vorarbeiten vor und daher kann hier die Fertig-

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Stellung erst später (1635) erfolgen. Dieser 1635 ausgegebene Teil, aufden ja die Chronik schon 1634 verschiedentlich hingewiesen hat, nenntsich nur noch im Untertitel „Historischer Chroniken Continuation"; alsHauptbezeichnung aber führt er den neuen Namen „TheatrumEuropaeum”. 1633 bei der Herausgabe des Teils für 1629—33 hat manan diese Neubenennung noch nicht gedacht und zuerst die Chronikeröffnet 1634, daß ihre Fortsetzung „unter dem Titul Theatri Europaei”erscheinen soll. Zwar mag es schon auffallen, daß Merian in der Vorredezu dem 1633 erscheinenden Band die Worte „Bücher auf das öffentlicheTheatrum der Welt producieren” gebraucht. Der Ausdruck Theatrum istihm offenbar geläufig. Ist doch die Bezeichnung Theatrum auch alsBüchertitel in jener Zeit öfters gebraucht worden. Daß Merian diesenTitel zu „Theatrum Europaeum” erweitert, kommt daher, daß „bei unsHochdeutschen, die wir uns unter dem Teutschen Römischen Reichbefinden, seithero Anno 1618 eine merckliche große Bewegung in ihreWirckung getretten, in welche das Fatum noch viel andere Monarchienund Königreiche zeitlich mit eingeflochten, daß wir diese aussehendeCommotionen wohl pro Europaea halten und sie also nennen mögen”.(Bd. I ed. 1635 S. 1.)

I und II.

Der ursprünglich 1633 nur „Historische Chronik” betitelte Banderhält bei seiner zweiten Ausgabe 1637 gleichfalls den neuen Titel„Theatrum Europaeum”. Was sich mit dieser zweiten Auflage für einbesonderer Zweck verbindet, das erfahren wir aus einem Einschub in diealte Vorrede. Nachdem Merian zuvor betont hat, daß er sich bei derPublizierung der beiden ersten Teile des Theatrum

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zweier Dinge beflissen habe, einmal, daß die Geschichtserzählung nurauf dem vesten Grund der unlaugbaren bloßen Wahrheit fundiert werdenmöchte und dann, daß das Werk mit Kupferstichen aller Art reichlichausgeschmückt werden solle, fährt er fort: „So viel das erste betrifft, hatteich zwar wünschen mögen, daß der nunmehr verstorbene AuthorJohannes Philippus Abelinus seliger dem vorgesetzten Zweck etwasfleißiger nachgegangen wäre. Insonderheit aber auch sich derPartheilichkeit und eignes Urtheils enthalten hätte. In Betrachtungsolches einem rechtschaffenen Historico nicht anstehet, sondern ihmevielmehr gebühren und obliegen wil, die Sachen also wie sie sichbegeben und zugetragen haben ohne einige Privat-Affektion Loben oderSchelten zu erzehlen. Dieweil aber, was einmal geschehen ist, nicht zuändern als habe ich bey dieser andern Edition, so viel wegen Enge derZeit und Eyl der Buchtrucker Pressen vor dißmal zuthun möglichgewesen, diesen andern Theyl deß Theatri Europaei durch JoannemFlittnerum revidiren, an vielen Orten was überflüssig herauß thun, wasermangelt und doch historischer Erzehlung würdig gewesen, hineinrucken und in Summa umb ein merckliches, wie der Leser selbst in Achtnehmen wirdt, verbessern lassen.” Worin die Parteilichkeit Abelinsbestanden und worin Joh. Flitner, der übrigens in Frankfurt mehr als Poetdenn als Schriftsteller bekannt ist (Lersner), Aenderungen vorgenommenhat, das läßt sich aus einer Nebeneinanderstellung des alten (1633) unddes neuen (1637) Titelblattes abnehmen. 1633 wird nämlich der später alsII. Band des Theatrum bezeichnete Teil genannt: „Historische Chronickoder wahrhaffte Beschreibung aller vornehmen und denckwürdigenGeschichten so sich hin und wider in der Welt von Anno Christi 1629 bißauff das Jahr 1633 zugetragen. Insonderheit was auff das im Reichpublicierte Kayserliche die Röstitution der Geistlichen von denProtestirenden in Teutschland eingezogenen Güter betreffende Edict für

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Jammer und Landesverwüstung erfolget: Was die Evangelischen fürTrangsalen von den Römisch-Catholischen erleyden müssen und wie sieendlichen durch den Göttlichen Beystand und Ihrer Mayest. GustavAdolphi, Königs zu Schweden, Ritterliche und Siegreiche Waffen daraußmehrenteils wider errettet und in vorige Libertet gesetzt worden” usw.Die 1637 publizierte Ausgabe hingegen trägt den Titel: „TheatriEuropaei: Das ist Historischer Chronick oder wahrhaffter Beschreibungaller fürnehmen und denckwürdigen Geschichten, so sich hin und wiederin der Welt meistenteils aber in Europa von Anno Christi 1629 biß auffdas Jahr 1633 zugetragen; Insonderheit was auff das im Reich publicirteKayserliche die Restitution der geistlichen von den Protestierendeneingezogenen Güter betreffende Edict so wol in Kriegs- als Politischenund anderen Sachen zwischen den Catholischen eines; Sodann denEvangelischen mit Assistenz deß Königs in Schweden anderen .Theileserfolget; Der Andere Theil” usw. Während ferner noch 1633 der NameAbelins als Autor genannt wird, führt die Ausgabe von 1637 nur dieAbkürzung M. J. P. A. und fügt bei: „Jetzo aber guten Theils verbessertund revidirt durch Johannem Flitnerum Francum.” Es geht aus demVergleich beider Titel klar hervor, daß eine von Abelin offen vertreteneevangelisch-schwedische Tendenz von dem Emendator Flitner möglichstabgeschwächt wird. Die Umarbeitung durch den Revisor scheint einenicht allzu gründliche gewesen zu sein; deshalb taucht in späterenAusgaben (1646, 1679) der Name M. Johannes Philippus Abelinuswieder vollständig auf, und Flitner wird weder dem Titelblatt noch in derVorrede als Emendator genannt. Wie Flitner bei der Revision scharfeAusdrücke Abelins gemildert hat, ergibt z. B. der Vergleich einer Stelleim Anfang beider Ausgaben:

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Theatrum Bd. II.

ed. 1633 ed. 1637... sobald die RömischCatholische Ihr Intent wider dieEvangelische und Protestirendean Tag gegeben und dasjenigedarmit sie biß dahin umbgangenanfangen in´s Werck zurichten.Zu Rohm usw.

... so bald das zwischen denCatholischen und Evangelischenbiß dahero in der Aschengleichsam enthaltene glimmendeFeuer je länger je mehr herfür zu(nun und an den Tag zu gebenangefangen. Zu Rohm usw.

Die Abänderungen Flitners treten besonders beim Titelblatt und imAnfang hervor, sie sollen also recht in die Augen fallen und denAnschein erwecken, als ob mit der evangelisch-schwedischen Tendenzgründlich aufgeräumt worden sei. Allein, daß die Parteilichkeit nichtvollständig aus der Darstellung getilgt worden ist, das geht daraus hervor,daß. auch aus den späteren Ausgaben sich die Tendenz Abelins nochrecht deutlich nachweisen läßt, wie die weiter unten folgende Behandlungdieser Frage zeigen soll. Bemerkenswert ist, daß ausdrücklich der II.Band, in dem die Kämpfe unter Gustav Adolph geschildert werden,umgeändert wird. Es wird allerdings auch der erste Teil (1635) späterwenigstens mit einem neuen Anfang versehen, so daß bei ihm gleichfallsvon einer „beschehenen Revision und Verbesserung” (1662) geredetwerden konnte. Außerdem finden wir in der dritten Auflage beider Bändeeinige Verschiebungen. Bd.. I ed. 1635 behandelt auf Seite 1305 bis 1316Ereignisse des Jahres 1629, die später (1662) weggelassen und zum II.Band gezogen werden. Ebenso wird das, was in Band II ed. 1633 und1637 auf Seite 658—681 aus dem Jahre 1633 erzählt wird, später (1679)an den Anfang des dritten Bandes gestellt. Die letzten Ausgaben beiderBände erstrecken sich also über 1618—28 und 1629—32.

Bei der soeben dargestellten Entwicklung der Herausgabe derChronik und der beiden ersten Teile des Theatrum sind zwei auffallendeTatsachen unbegründet geblieben. Einmal, warum tritt Abelin gerade mit1633 und der Ver-

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öffentlichung des späteren zweiten Bandes des Theatrum, der wegenseiner offensichtlichen schwedisch-evangelischen Tendenz ihm sehrleicht Anfeindungen zuziehen konnte, mit seinem wahren Namen auf unddann, warum entschließt sich Merian erst 1637 den II. Band nicht mehr inder von Abelin gebotenen tendenziösen Form zu veröffentlichen? Die indiesen beiden Fragen liegenden Schwierigkeiten lösen sich, wenn wir diepolitische Lage der Stadt Frankfurt am Main während der angegebenenZeitpunkte zur Erklärung heranziehen. Zu dem Jahre 1632 bemerkteinmal Abelin selbst (11 567): „So fiengen der Zeit bey deß Königsglücklichen Progressen die Leuth dasselbsten an, gut schwedisch zuwerden.” Der Verlagsstadt Frankfurt scheint es auch so gegangen zu sein,als der siegreiche Schwedenkönig sich der Main-Rhein-Liniebemächtigte. Am 11. II. 1632 zieht der König und die Königin vonSchweden nebst dem. Pfalzgrafen Friedrich in Frankfurt ein. Als derletztere im gleichen Jahre noch ein zweites Mal in die Stadt kommt,verehrt ihm der Rat „ein Faß Wein und einen Wagen mit Habern”(Lersner). Gustav Adolph erläßt 1631 und 1632 verschiedene Edikte zurSicherung der Frankfurter Messe, insbesondere zum Schutz und freienDurchzug der nach der Stadt ziehenden Kaufleute (II 493, 555). Aufseinen Wunsch wird sogar 1632 eine Messe um acht Tage verlängert. Am26. August 1632 läßt Gustav Horn zu Sachsenhausen eine evangelischePredigt halten. Das gleiche geschieht am 30. Juni 1633 auf Anordnungdes Grafen Oxenstierna (Lersner). Es steht also 1632 und 1633 Frankfurtam Main gerade in der Zeit, in der die Ausarbeitung des zweiten Bandeserfolgte, unter dem stärksten Einfluß der schwedischen Eroberer. KeinWunder, daß nunmehr Abelin, der zuerst seine Darstellung derschwedischen Kämpfe im Inventarium Sueciae nur unter dem NamenGottfried zu veröffentlichen wagte, allmählich im Bereich und unter demSchutz der schwedischen Waffen sich sicher fühlt und mit

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offenem Visier hervorzutreten sich erkühnt. Es ist wohl kaum zubezweifeln, daß Merian die schwedisch-protestantische Prägung, dieBand II des Theatrum 1633 trug, schon vor der Drucklegung gekannt undgebilligt hat. Schon aus der Fassung des Titelblattes allein konnte ererkennen, was für Töne sein Autor Abelin hier anzuschlagen begann. DaßM. Merian die Begeisterung für die schwedisch-evangelische Sachedamals offen teilte, das geht schon daraus hervor, daß er selbst zweigroße Kupferstiche von dem Schwedenkönig und seiner Gemahlinanfertigte und mit rühmenden lateinischen Versen versehen ließ. Doch alser 1637 seine Mißbilligung über die von Abelin beobachtete Tendenzausspricht und die Umarbeitung durch Flitner vornehmen läßt, beseitigter wohlweislich auch diese beiden Stiche. Das ist der deutlichste Beweis,daß er ein schwedisch-protestantisches Gepräge seines Unternehmensnicht mehr offen zu bekennen wagt. Was ihn dazu veranlaßt, das ergibtsich aus einer Beobachtung der politischen Vorgänge in der Verlagsstadtwährend der Zeit 1633—37. Nach der Niederlage bei Nördlingen 1634gerät die bisher innegehabte feste Stellung der Schweden ins Wanken.1635 sieht sich Frankfurt, das sich dem Prager Frieden anschließt,veranlaßt, den Kaiserlichen die Hand zu reichen, um die ungernweichende schwedische Garnison auszutreiben. 1635 wird GeneralmajorHans Vitzthumb, der sich in Sachsenhausen festgesetzt hat, vonFrankfurter Stadtsoldaten im Verein mit den Kaiserlichen angegriffenund muß akkordieren (III, 532). Solche Ereignisse haben zweifellos zueiner Ernüchterung der vielfach vertretenen hellen Schwedenbegeisterunggeführt. Außerdem muß der Verleger Merian nunmehr wieder mit einemwirksamen Hervortreten kaiserlichen Einflusses rechnen. Daß er wirklichdaran gedacht hat, daß sein Theatrum Anfeindungen ausgesetzt seinwerde, das spricht er in der Widmung des ersten Bandes an denFrankfurter Magistrat, den er um Schutz seines neuen

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Unternehmens bittet, schon 1635 aus: „Sintemahl aber es unmöglich, insolchen so wichtigen, hohen und vielerley darbey fürgefallenenVeränderungen einem jedweden seinem Willen und Gefallen nach dasPlacebo zu singen und zu schreiben, was ihm wohlgefällt und dahero mirleichtlich die Rechnung zu machen habe, daß sich Censores und Zoilifinden werden, welche entweder diese Labores straffen und tadeln oderwol gar in Gefahr zu setzen sich understehen möchten.” Von einer Seitenun drohte Merian, falls sich der kaiserliche Einfluß wieder voll und ganzdurchsetzte, besondere Gefahr. Wir wissen nämlich, daß in Frankfurt, dasanfangs die erste Stelle im deutschen Buchhandel einnahm, schon 1579eine kaiserliche Bücherkommission die Zensur ausübte (Kirchner, Opel).Einer Kontrolle aber (durch diese Kommission konnte die Ausgabe von1633, die die schwedisch-evangelische Prägung auf der Stirne trägt,zweifellos nicht standhalten. Eine etwaige Strafe hätte nicht nur denAutor, sondern auch den Herausgeber getroffen. Insbesondere mußteMerian gewärtig sein, daß seinem Verlag jegliche kaiserliche Privilegien,die er, wie der Vermerk C. P. S. C. M. auf den Titelkupfern bestätigt,tatsächlich besaß, entzogen wurden. Es darf uns daher nicht verwundern,daß Merian 1637 der Zeitlage Rechnung trägt, alle Schuld derParteilichkeit seinem verstorbenen Autor Abelin in die Schuhe schiebtund sich zu einer Revision herbeiläßt. Wir sehen also, wie auch dieVerleger auf den Gang der politischen Ereignisse Rücksicht nahmen undstets beizeiten ihr Mäntelchen nach dem Wind zu hängen wußten.

Ueber die Lebensschicksale des Autors der in Frage stehendenbeiden ersten Bände des Theatrum sind wir nicht besonders gutunterrichtet. Johannes Philippus Abelinus heißt eigentlich Abele. DieLatinisierung seines Namens ergibt Abelinus oder Abeleus. Er hat dieWürde eines Magister Philosophiae und war seit dem 27. Sept. 1625 amstädtischen Gymnasium im Barfüßerkloster zu Frankfurt

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angestellt. Allein Lersner in dem Abschnitt über die Rectores undPraeceptores der Lateinschule liefert uns auch die folgende kurze Notiz:„1630 M. Johannes Philippus Abele, VI. Classis Praeceptor, wird wegenUnfleißes den 11. Mertz in diesem Jahre dimittiert.” Wir haben es alsomit einem entlassenen Schulmeister zu tun, der wie seine KollegenArthus, Lundorp und Schieder schon neben seiner Lehrtätigkeit sich alsUebersetzer und Kompilator schriftstellerisch betätigt. Zu dem VerlagLatome steht Abele insofern in Verbindung, als er der Vormund derKinder des verstorbenen Sigismund Latome ist. Als solcher hat er eineBittschrift der Witwe Latome und ihrer Kinder an den FrankfurterMagistrat mitunterzeichnet (Opel). Abele muß, wenn wir der AngabeMerians in der Vorrede zu Band II ed. 1637 trauen dürfen, zwischenEnde 1634 und 1637 gestorben sein, also zu einer Zeit, in der sichFrankfurt und Umgebung durch Kriegselend und Hungersnot in einemkaum zu beschreibenden Elend befand (III, 771). Die unter den NamenAbelinus, Abeleus, J. L. Gottfried, Ph. Arlanibäus (Droysen) laufendenSchriften werden ihm zugeschrieben. Eine Aufzählung derselben, die inder ersten Zeit vornehmlich aus Uebersetzungen bestehen, gebenAdelung, die Nouvelle Biogr. generale und die Allg. D. Biogr. Unsinteressieren in erster Linie seine späteren, kompilatorischen historischenWerke: l. Mercurius Gallo-Belgicus tom. XVII-XX lib. I, von derOstermesse 1628 bis zur Herbstmesse 1634, bei S. Latome. 2. HistorischeChronik 1629—1634 unter dem Namen J. L. Gottfried bei Merian. 3.Arma Suecica als Phil. Arlanibäus bei Hülsius 1631 f. (Drosen). 4.Inventarium Sueciae unter dem Namen J. L. Gottfried bei Hülsius 1632f.5. Theatrum Europaeum I und II.

Diese beiden Bände des Theatrum behandeln die denkwürdigenGeschichten der Jahre 1618—1632. Im Mittelpunkt der Darstellungstehen die Vorgänge im Reich, besonders also der große deutsche Krieg.Die Ereignisse in den außer

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deutschen Ländern bilden nur den Anhang dazu. Zu dieser Cohaerentz,wie es der Verfasser zu bezeichnen pflegt, gehören vornehmlich:spanische und vereinigte Niederlande, Siebenbürgen und Ungarn,Schweiz, England, Frankreich, Spanien, Italien, Türken, Tataren, Polen,Moskowiter, Schweden und Dänemark. Je näher diese Gebiete anDeutschland liegen, um so mehr Nachrichten darüber fließen demVerfasser zu und um so ausführlicher werden sie deshalb behandelt. Amdürftigsten sind daher außereuropäische Geschichten mit in dieBehandlung gezogen. Den einzelnen genannten Ländern wird Jahr fürJahr ein besonderer Abschnitt zugewiesen. Auch innerhalb desHauptteils, der sich mit den deutschen Ereignissen befaßt, ist eineDisponierung nach einzelnen Kampfesschauplätzen angestrebt. AlsOrientierungspunkte für die Darstellung dienen bei Abelin vielfachEreignisse von einschneidender Bedeutung. So münden einmal alleLinien der Darstellung in die Schlacht am weißen Berg bei Prag ein (I373) oder die Belagerung und Eroberung Magdeburgs bildet denRichtpunkt für die vorausgehenden und folgenden Erzählungen. DiesenHauptereignissen wird entsprechend ihrer Wichtigkeit auch eineausgedehntere Behandlung zuteil. Man merkt deutlich, daß hier demVerfasser die Quellen reichlicher zuströmen. Er bringt mehrere Berichte,besonders Schilderungen von Augenzeugen, die nicht nur die nacktenTatsachen aufzählen, sondern zugleich Stimmungsbilder von dembetreffenden Vorgang entwerfen (I 414). Ganz an den Schluß des Jahresstellt unser Verfasser gewöhnlich die Nachrichten von „hoher undvornehmer Personen Absterben und Tod, von Wundern und Zeichen,Wasser- und Feuerschaden, Sturm und Erdbeben”, also das, was wir kurzals Unterhaltungsstoff bezeichnen wollten. Allerdings nicht allerderartiger Stoff wird am Jahresende lokalisiert, vielmehr ist er zum gutenTeil noch in die Hauptdarstellung eingestreut und wird dann bisweilenam Schluß nochmals wiederholt. Besonders gerne

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erwähnt der Autor in Verbindung mit wichtigeren Vorfällen dievorausgehenden oder nachfolgenden Omina, obwohl sie alsWunderzeichen doch erst beim Jahresabschluß angeführt werden sollten.

Mit diesem Ordnungssystem weicht Abelin von der Grundmethodeder zeitgenössischen Kompilatoren merklich ab. Diese reihen, ohne aufinhaltliche Gesichtspunkte Rücksicht zu nehmen, streng chronologischihre Quellen aneinander. Monat für Monat, sogar Tag für Tag wirdvorgenommen und hier werden die einlaufenden Relationen ihrem Datumgemäß postiert. Bei solchen Zusammenstellungen kann natürlich voneinem inneren Zusammenhang nicht die Rede sein. Diese Zerrissenheitder Darstellung umgeht Abelin, indem er den Stoff entsprechend seinenLänderabteilungen zusammenstellt. Innerhalb der Rubriken ist dannleicht eine verständliche Reihenfolge einzuhalten. Allerdings sieht auchAbelin bei diesen Abteilungen noch immer darauf, die Ereignissemöglichst chronologisch zu ordnen, selbst wenn ein und das andereZusammengehörige zerteilt wird. Bisweilen aber läßt er auch dabei liebervon der Chronologie als von der inhaltlichen Verknüpfung (I 835). Setzter sich doch sogar ab und zu über die Jahresabteilung hinweg, wenn erz.B. die türkischen Händel der Jahre 1629—32 zu einem Abschnittzusammenstellt, um sie nicht in einzelnen kleinen „Cohaerentzen” demLeser vorsetzen zu müssen (II 718). Es ist Abelin recht hochanzurechnen, daß er sich von der strengen Chronologie, demvermeintlichen Grundprinzip der Geschichtsschreibung, freimacht undeine für die folgenden Bände vorbildliche Ordnung aufstellt, die denAutor nötigt, auf inhaltliche Gesichtspunkte zu achten und nicht nur reinmechanisch und teilnahmslos die Quellen nach ihren Datums-bestimmungen aneinanderzureihen.

Wenn wir nun fragen, woraus Abelin den Stoff schöpft, mit dem erseine Rubriken anfüllt, so gibt dafür zunächst

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die Darstellung selbst einige wichtige Anhaltspunkte. Von vielenAktenstücken erklärt der Verfasser, daß sie ihm gedruckt vorliegen (I 17,284, 286; II 44, 465 u.ö.). Bisweilen sind sie ihm erst kürzlichkommuniziert worden (II 465). Zum Teil sind sie so weit im Druckverbreitet, daß er, wenn sie ihm zu weitläufig erscheinen, auf eineEinreihung in seine Darstellung verzichtet, da der Leser sie leicht sonstfinden kann (I 45). Es lassen sich femer vielfach ohne Mühe dieUebergangssätze erkennen, mit denen Abelin seine Einzelquellenverbunden hat. Bei Belagerungsschilderungen zeigt oft schon dieIntroduktion (II 586, 587) dieser Stücke, daß ein besonderer Bericht folgt,der meist von einem Augenzeugen abgefaßt ist. Unverhohlen zitiertAbelin einzelne Relationen (I 414). Er nennt ihren Verfasser (I 1047) undbisweilen sogar Name und Ort der Druckerei (I 778). Eine ganze Reihevon Traktätchen, besonders solche, in denen sich Gelehrte überGegenstände des Unterhaltungsstoffes verbreitet haben, werden mitAngabe des Autors angeführt (I 455, 619, II 112, 514) und ausdrücklichbenützt (l 786). Das Bestreben des Verfassers bei der Verarbeitung seiner„Relationen” geht dahin, alle Merkmale, die sie als Sonderproduktekennzeichnen, zu entfernen und sie so unauffällig zu einer allgemeinenDarstellung auszugleichen. Bisweilen ist Abelin in der Austilgung diesespersönlichen Charakters seiner Quellen sehr nachlässig. So geht z. B.einmal (II 285) urplötzlich die Erzählung in einen Augenzeugenberichtüber, in dem von „unserer Armada” und „wir waren diese Tage so nahean den Feind kommen” gesprochen wird.

Indessen nicht nur einzelne Flugblätter und Traktätchen hat Abelinbenützt, sondern es haben ihm bereits einen größeren Zeitraumbehandelnde Schrifteil vorgelegen. Solche Darstellungen existierennamentlich dann, wenn Abelin durch einen größeren Zwischenraum vonden zu schildernden Ereignissen getrennt ist. Also besonders ist dies fürBand I, worin er erst gegen 1635 die Jahre 1618—28 beschreibt,

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anzunehmen. In der Tat finden sich Hinweise auf vorausgehende, diegleiche Zeit betreffende Schriften. Nicht nur auf Andeutungenallgemeiner Art, wie: „es schreiben etliche” (I 629; II 81) sind wirbeschränkt, vielmehr nennt Abelin seine Gewährsmänner bei Namen. Soführt er bei der Darstellung der Ereignisse, die zur Schlacht am weißenBerg führen (I 405—411), Caspar Enß, Constaninus Peregrinus(Expeditio Caesareo-Bouquoiana ed. 1630; bei Gryphius S. 65) undWilhelmus Staden (Trophaea Verdugiana ed. 1630; bei Gyphius S. 78)an. Besonders beachtenswert ist femer, daß Abelin dem Leser einmal fürausführlichere Nachrichten den Mercurius Gallicus (I 286) und einandermal für weitere Dokumente „andere Acta publica” (I 384)empfiehlt.

Diese Verweise lenken unsere Aufmerksamkeit notwendig auf diedem Theatrum vorausgehenden kompitatorischen Werke. Unter ihnenwollen wir den bedeutendsten Frankfurter Unternehmungen, die dauernddem Theatrum vorauslaufen, vorwiegende Beachtung schenken, nämlichdem Mercurius Gallo-Belgicus und den Relationes historicae, die beidegleichzeitig zu jeder Oster- und Herbstmesse in Frankfurt bei S. Latomeerscheinen und den durch die Meßtermine begrenzten Zeitraumbeschreiben. Leicht erkennen wir, daß zwischen den genannten Werkenund dem Theatrum eine überraschende, fast wörtliche Uebereinstimmungeinzelner Partien besteht, wovon die folgende Nebeneinanderstellungeine Probe geben soll.

Theatrum I ed. 1635

S. 906Verf.: Abelinus

Mercurius G.-B. tom.

XV lib 2 S. 14Verf.: G. Arthus

Rel. hist. OM-HM 1624

Verf.: Caspar Casparsen

Und darmit solche nichtüber das Wasser Nesterübersetzten hat erVlotkam, solchen Passmit seinemunderhabenden

Kriegsvolck inverwahrung zu nemenabgefertigt, denBorsock aber mit etlich100 Reu-

datis simul protransitu Nisteroflumine observando adVoltacum literis,Borsaco vero etDeferamo Satrapis, utpugnando hostempaululum delinerent,monitis usw.

und darmit solche nitüber das Wasser Nesterübersetzeten hat er HerrnVlotkam solchen Paassmit seinem underhabendem Kriegsvolckin verwahrung zunehmen anbefohlen denHerrn Borsack

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ter sampt demWeyowoden Defera mitseinen Cosaggen den

Cricasi genennet nebennoch andern mehrgegen sie zuscharmutzierenabgeordnet usw.

Den andern Tag ist dergeneral nachKnaetovam unnd förterauf Kabatinumverreiset; allda er dendritten dieses frü vor tagankommen.

postero die DuxGeneralis peractocultu divino

Cnetovam etCabatinum porroexcurrit.

aber mit etlich hundertseiner Reutter sambt denHerrn WaiowadenDeferam mit seinenCosaggen die Rricasijgenennet sambt nochandere mehr gegen zuscharmützieren abgeordnet.usw.Den andern tag, welchesder 2. Febr. war am Pestunser lieben FrauenReinigung oderLiechtmesstag seind wirstill gelegen und unsere

Andacht verrichtet, nachvollendlem Gottesdienst istder Herr General nachKnetovam und forders auffKabatinum verreiset, alldaer den 3. eiusdem früh vortags ankommen.

Dieses Beispiel kann das Verhältnis des Theatrum zum Mercuriusklarlegen. Wir stellen zunächst fest, daß das Theatrum an denhervorgehobenen Stellen ein deutliches Plus aufweist. Das läßt vermuten,daß es den allerdings früher erscheinenden Mercurius nicht benutzt hat.Dann können wir uns ihre weitgehenden wörtlichen Ueberein-stimmungen nur so erklären, daß sie beide auf die gleiche Quellezurückgehen. Es ist uns nun in der beigefügten Meßrelation diesegemeinsame Quelle erhalten. Es handelt sich um ein Schreiben ausZarthovez vom 10. Februar 1624, das die Meßrelation ungeändertabdruckt. So allein erklärt sich auch leicht und einfach, daß derMercurius gleichfalls gegenüber dem Theatrum ein Plus aufweisen kann.Denn bald benutzt das Theatrum, bald der Mercurius die ursprünglicheQuelle ausführlicher. Wir werden aber noch öfters auf die gleicheBeobachtung stoßen, daß der Mercurius, was schon durch den Charaktereiner Uebersetzung bedingt ist, zumeist den knappsten Bericht bietet, sodaß

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aus ihm für die Quellenuntersuchung des Theatrum wenig zu erschließensein wird. Es ist ja ohnedies ganz unwahrscheinlich, daß die Autoren desTheatrum den lateinischen Mercurius benützt haben sollten, wo ihnen dieMeßrelationen in weit zugänglicherer und ausführlicherer Form die näm-lichen Nachrichten boten. Bemerkenswert ist noch bei einem Vergleichder Meßrelation und des Theatrum, daß erstere die ursprünglicheQuellrelation wörtlich wiedergibt, während das letztere die persönlichenMerkmale des Briefstils tilgt und der Darstellung damit eine allgemeineForm gibt. Nun müssen wir aber auch mit der Möglichkeit rechnen, daßdas Theatrum nicht die in der Meßrelation erhaltene Quelle, sonderndiese selbst benutzt. In der Tat hat diese Vermutung recht vielWahrscheinlichkeit .für sich. Abelin beschreibt etwas vor 1635 die Zeit1618—28. Er ist also von den in seiner Darstellung enthaltenenEreignissen durch einen ziemlich großen Zeitraum getrennt. Es magdaher fraglich erscheinen, ob er noch die ursprünglichen erstenRelationen zur Hand bekommen konnte. Deshalb mußte es doch vieleinfacher für ihn sein, wenn er sich der Meßrelationen bediente, wo jaseine Quellen schon gesammelt waren. Wirklich finden wir bei einemVergleich der historischen Relationen mit dem Theatrum eine geradezuerstaunliche wörtliche Uebereinstimmung beider in vielen einzelnenStücken. Fast immer sogar bietet dabei die Meßrefation dieausführlichere Darstellung, so daß sie sehr wohl die Quelle des Theatrumgewesen sein könnte. Allein es ist uns trotzdem die Möglichkeit gegeben,in vielen Punkten nachzuweisen, daß die Verwandtschaft der beidenWerke nur auf eine Verarbeitung derselben Quellen zurückzuführen ist.

Hist.Rel. OM 1627 -HM 1627 S. 76

Theatrum I ed. 1635S 1110

Merc. G.-B. tom. XVIlib. 4 S. 108

Wiewol die DänischeBesatzung in Nyenburgsich nunmehr einegeraume Zeit gegen und

Die DänischeBesatzung in Nienburghat sich zwar geraumeZeit gegen denKeyserischen

Urgent intereaCaesareani obsidionemurbis Nienburgi, cuiuspraesidiarii haciendus

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wider die KayersilicheArmada vergeblich

auffgehalten, haben sichdoch endlich nach demauch der darin ligendteOberste Limbach todtsverfahren deren Siegreichen Waffen weitersnicht widerstehenkönnen, sondern auffgetroffenen Accord diestatt den KayerischenObersten ubergeben unddarauff den 16.Novembris Abendsungefähr 4 uhren

aussgezogen.

tapffer gehalten unndihnen nicht wenig zuschaffen gemacht; als aberendlich sie so hart bloquirt

worden, dass keinProviand mehr

hineingebracht werdenkönnen uber das die Pest

darinnen hefftig grassirt,welche under andern auchden Obristen Limpach souber die BesatzungCommandirtweggenommen unnd siealso nicht längerWiderstand thun könnenhaben sie mit denKeyserischen accordirt,die Festung ubergeben undden 16. Novembrisaussgezogen.

sed frustraoppugnationemsustinuerant. verumLimbachiopraesidiariorum Ducefato functo urbemCaesareanis dedicereet 16 Nov. quartapomeridiana civitatesunt egressi.

Hier hat einmal das Theatrum im Vergleich zur Meßrelation die genauereBerichterstattung. Wenn wir aber nicht an das Vorhandensein und dieVerwertung einer zweiten Quelle beim Theatrum, was bei einer solchgeringfügigen Begebenheit kaum zu erwarten ist, denken wollen, so lösensich alle Schwierigkeiten am besten bei der Annahme, daß beidenWerken die gleiche Quelle zugrunde lag. So läßt es sich verstehen, daßteils das Theatrum, teils die historische Relation ausführlicher ist. DerMercurius, der in dem gleichen Verlag erscheint und meist von denselbenAutoren verfaßt ist wie die Meßrelation, schließt sich mehr an die Formder letzteren an und liefert wieder den am meisten gekürzten Bericht.Die auffallende Tatsache, daß das Theatrum gegenüber der Meßrelationin den übereinstimmenden Partien nur selten über ein Plus verfügt, findetin dem verschiedenen Charakter der beiden Unternehmungen eineausreichende Erklärung. Die „Historischen Relationen” bieten zumeisteinfach ungeänderte Abdrücke der Einzelquellen. Sie behalten denAusgangsort, das Datum und die Form der ur-

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sprünglichen Relationen bei. Das Theatrum hingegen merzt dieseMerkmale aus und verallgemeinert sie, um so aus den Einzelstücken einezusammenhängende Darstellung zu bilden. Die Meßrelationen sindQuellensammlungen, das Theatrum ist eine Quellenverarbeitung. So istes kein Wunder, daß das Theatrum zumeist die verwerteten Berichtekürzt, während dies bei den Meßrelationen nur in sehr seltenen Fällengeschieht. Es ist also in weit umfangreicherem Maße, als es bei eineroberflächlichen Vergleichung der beiden Werke scheinen könnte, nur aneine Verwertung gleicher Quellen zu denken, wenn auch in einzelnenFällen eine direkte Benützung der Meßrelation durch das Theatrum in dasGebiet der Möglichkeit gezogen werden muß.

Die zuletzt zitierte Vergleichsstelle verdient übrigens noch vonanderer Seite aus Beachtung. Sehen wir einmal auf den Unterschied inden Ausdrücken der drei Beschreibungen. Die Meßrelation spricht voneinem vergeblichen (cf. frustra) Aufhalten der Eroberung und von densiegreichen Waffen der kaiserlichen Armada. Nach dem Theatrumhingegen macht die dänische Besatzung „nicht weilig zu schaffen”; dieWorte „siegreiche Waffen” fehlen ganz und sollten sie schon in der(ursprünglichen Einzelrelation gestanden haben, so sind sie sogargestrichen worden. Wenn wir jetzt an die Hinneigung Abelins zu dervon den Dänen vertretenen protestantischen Partei denken, so liegt esnahe, in der von ihm gebotenen Form keine zufällige, sondern vonseiner Tendenz bedingte Gestaltung der Erzählung zu erblicken.

Im II. Bande des Theatrum dehnt sich die beobachteteVerwandtschaft auf eine noch umfangreichere Gruppe von Schriften aus.Die Aehnlichkeit zwischen Theatrum, Inventarium Sueciae und ArmaSuecica hat Droysen schon mit Beispielen belegt. Wir können aber zueiner Nebeneinanderstellung auch den für die fragliche Zeit von Abelinverfaßten Mercurius und die Meßrelation hinzuziehen.

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Von einer direkten Abhängigkeit der Meßrelation und des Mercuriuskann hier nicht die Rede sein, da beide gleichzeitig zur Ostermesse 1632erscheinen. Ihre Aehnlichkeit muß also auf die Benutzung der gleichenQuelle zurückzuführen sein, die .wir der Kürze halber mit A bezeichnenwollen. Dieselbe ursprüngliche Relation, denn um etwas anderes handeltes sich bei den den Ereignissen so nahestehendeil kompilatorischenWerken nicht, nimmt Abelin 1632 nochmals beim Inventarium vor, dadieses so ausführlich ist (z.B. „aber die Brücke .abgeworfen befunden”),daß es nicht einfache Rückübersetzung des Mercurius sein kann. DieArma Succica bieten einen ganz anderen Bericht (B) von der Eroberungdes Würzburger Schlosses, der aber die Einzelheiten des ersten Sturmesnicht so genau ausmalt wie A. Das Theatrum nun legt B zugrunde, setztaber an der hervorgehobenen Stelle die Detailschilderung des .erstenAngriffs aus A ein. Ob das Theatrum zu der im Inventarium gebotenenBearbeitung oder zu A selbst gegriffen hat, läßt sich auf Grund unserervergleichenden Uebersicht nicht entscheiden. Wohl aber hat Droysen im„Arlanibäus” S. 33 an einem Beispiel klar gezeigt, daß das Theatrumnicht auf das Inventarium, sondern wieder auf die ursprünglichenEinzelrelationen zurückgeht.

Wir können daher für die Bearbeitung des Theatrum folgendeSchlüsse ziehen. Der Autor greift bei einer abermaligen Behandlung desgleichen Themas wieder auf die ursprünglichen Einzelrelalionen zurück,nicht aber schreibt er eine bereits von ihm angefertigte Darstellungdurchweg ab. Das Theatrum bietet ferner als die letzte Bearbeitung dievollständigste Erzählung. Denn es stehen ihm zwei ausführliche Berichteüber denselben Gegenstand zur Verfügung, aus denen es seineBeschreibung bilden kann. Die Verhältnisse liegen hier besondersgünstig, da Abelin sich mit dem im Theatrum beigebrachten Stoff schonmehrere Male beschäftigt hat. Es darf deshalb wohl gesagt werden, daß

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die Kompilatoren in den Teilen des Theatrum, an denen schon eigeneArbeiten vorliegen, es zu einer vollkommeneren Kenntnis, des Materials,also auch zu einer besseren Darstellung zu bringen vermögen. Ob die hierfür die kompilatorische Arbeitsmethode aus Einzelfällen aufgestelltenSätze eine Verallgemeinerung vertragen, muß vorläufig nochdahingestellt bleiben.

Der Einblick in die Quellenverhältnisse hat uns bereits an einemBeispiel gezeigt, wie Abelin zugunsten seiner .Tendenz seine Relationenbearbeitet haben mag. Schon die Fassung des Titelblattes in .Band II ed.1633 ließ femer keinen Zweifel darüber, daß es sich dabei um eine.Hinneigung unseres Verfassers zur evangelisch-schwedischen Parteihandelt. Wie sich im einzelnen die Tendenz in der Darstellung äußert, dassoll noch näher ausgeführt werden.

Allerdings betont Merian stets in seinen Vorreden, daß historischeWahrhaftigkeit, mit der sich eine Parteilichkeit nicht verträgt, in seinenWerken obwalten solle. Auch Abelin selbst erkennt diese Forderung inihrer vollen Berechtigung an. Er bemerkt wiederholt, daß er über einestrittige Frage lieber andere urteilen lassen (II 265) und dem Leser seinjudicium (l 63) freistellen will. Und in der .Tat finden sich Ansätze dazu,daß der Autor einen völligen Durchbruch seiner persönlichenAnschauungen zurückzudrängen sucht. So können wir die Beobachtungmachen, daß er mit Rechtfertigungsschriften von beiden Seiten nichtzurückhält, sondern sich hierin einer gleichmäßigen Mitteilung befleißigt.Obwohl er ferner der kaiserlichen Soldateska nichts ungerügt durchgehenläßt, so redet er doch .auch „von böhmischer Defensoren Excessen” (I264) und nennt Christian von Halberstadt den braunschweigischenBrandmeister (I 632). Wenn er sodann bei der Schilderung der vonkatliolischier Seite durchgeführten Reformation evangelischer Gebietezwar weniger in offen hervorbrechenden

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Ausfällen seiner Mißbilligung Ausdruck gibt als vielmehr durchmöglichst nachdrückliche Betonung und Ausmalung der durch dieBekehrungsmaßregeln entstandenen Not Mitleid und Parteinahmewachzurufen sucht, so fühlt er hier, daß seine Darstellung der von ihmselbst aufgestellten Forderung der Unparteilichkeit doch vielleicht nichtentsprechen könnte. Daher glaubt er, sich in einem „Der Historiographusentschuldigt sich hier etwas” betitelten Abschnitt (II 47) im voraus gegenden Vorwurf verwahren zu müssen, „ob thäten wir, was Christlich undwohl gemeynet, ungleich auslegen”, und versichert nachdrücklich dabei,daß seine Beschreibung genau den Talsachen entspreche. Also er suchthier den in Anspruch genommenen Ruf eines unparteiischenSchriftstellers zu retten. Doch seine persönlichen Empfindungen sind sostark, daß sie häufig die durch die Forderung der Tendcnzlösigkeitfreiwillig angelegten Fesseln zersprengen.

Bei der Feststellung der Stücke, aus denen wir auf eine Tendenz desVerfassers schließen können, muß mit einiger Vorsicht zu Werkegegangen werden. Man muß nämlich beachten, daß, wie dieQuellenuntersuchung ergibt, der größte Teil der Darstellung aus fremdenStücken zusammengestellt ist, die vielleicht bereits eine tendenziöseFärbung an sich getragen haben und samt dieser übernommen wordensind. Zwar wäre ja der durch Nichtbeachtung eines solchen Verfahrensentstehende Fehler nicht allzu groß, da wir dem Autor doch so vielselbständige Denkkraft zutrauen dürfen, daß er nur Stücke mit einerseinen Anschauungen nicht zuwiderlaufenden Tendenz ungeändertübernommen hat. Wie wir ja tatsächlich bei der Quellenuntersuchungsahen, daß Abelin Ausführungen, deren Gepräge ihm nicht zusagt,umformt. Die vornehmste Beachtung bei der Frage nach der Tendenzverdienen freilich die Abschnitte, die zweifellos der Hand des Verfassersentstammen, also besonders die die

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Crzählungs- und Aktenstücke verbindenden Uebergänge undZwischenbemerkungen aller Art.

Die Zugehörigkeit zur evangelischen Konfession macht sich öftersbemerkbar. Es schließt sich Abelin sogar einmal offen in dieprotestantische Partei ein, wenn er sagt oder doch wenigstens aus seinerQuelle unbeanstandet übernimmt, Kardinal Clesel habe das denProtestanten .widerfahrene Leid als „göttliches Verhängniß zu verdienterAbstraffung unserer großen Sünden” erklärt. Der Autor stellt ferner dieseinen Glaubensgenossen allerorten auferlegten „Proceduren undDrangsale”, die durch das „strenge und unzeitige Reformieren” und„Zwang zur Bäbstischen Religion” verursacht werden, dem Lesereindringlich vor Augen. Mit einer gewissen Bewunderung vermerkt er esdabei, wenn Evangelische „lieber alles leyden als dem Römischen Babeldienen” wollen (I 895). Mit sichtlichem Interesse verfolgt er ebenso alleBestrebungen, die darauf ausgehen, die Evangelischen .zu einem einigenVorgehen anzuspornen (I 309). Als Protestant betrachtet unser Verfasserdie Uebertragung Mecklenburgs auf Wallenstein unter demGesichtspunkt, daß damit ein evangelisches Land „auf den Hertzogen vonFriedland und also in Päbstische Hand gebracht” werde (I 1061). DieAbsichten, die Abelin der katholisch-kaiserlichen Partei zuschreibt,lassen sich in den Satz fassen: „Der Katholischen gantzer Intent ist auffdie Austilgung der Evangelischen Religion gerichtet” (I 164). Fast in dengleichen Ausdrücken kehrt er diesen Gedanken immer wieder hervor. DerPapisten Intent wider die Evangelische (I 848) ist, die Religion auf alleWeiß und Weg aller Orthen abzuschaffen (I 662). Es ist ihr um eine langeZeit hero practicirtes Vorhaben, die Evangelischen wider demPäpstischen Stuhl zu unterwerffen und ihre Länder an sich zu ziehen (II392). Die evangelischen Fürsten, insbesondere der Kurfürst von Sachsen(I 726), merken nur nach und nach diese Absicht, fangen dann aber an,Gegenrüstungen zu

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treffen (II 379). Gegenüber dem Kaiser hält Abelin sehr zurück. Er ist analler Not nicht schuldig, sondern nur übel beraten. Alle Vorwürfe wendensich gegen die falschen und bösen Räte, die das Gute hintertreiben (I164). Ganz besonders beschuldigt Abelin die Katholischen weiter, daßsie, als das Vaterland durch den Lübecker Frieden kaum zur Ruhegekommen war, wiederum eine neue Kriegsursache erdacht hätten. Nichtden Religionseifer will er ihnen verdenken, aber das nimmt er ihnen übel,daß sie gerade jetzt, wo das Reich dem Frieden nahe, mit der Forderungder Restitution der geistlichen Güter auftraten, und daß damit „nachgelöschtem einem Feuer ein anders auffgegangen sey” (II 7). Wenn dieJuden zu Wien gegen Erlegung von 300000 Reichstaler von derForderung, die katholische Religion anzunehmen, befreit wurden, fügtder Verfasser bei: „welches eben die rechte Braut gewesen darumb mangetantzet” (I 731). Damit findet er die Ansicht bestätigt, daß, „theils außunzeitigem Eiffer der Religion, mehrerentheils aber auß Privat-Nutzenund Interesse” (II 117) die Reformationen vorgenommen worden sind.Eine Resolution der Liga beurteilt Abelin dahin, daß damit „diePäbstische nunmehr sich fein weißbrennen und alle Schuld auff dieEvangelische legen” wollten (I 337). Für die Katholischen setzt er öftersden Ausdruck „Papisten” ein; fällt hingegen das Wort „Ketzerey”, soversäumt er nicht beizufügen: „wie sie vermeyneten” (I 840). Die bisherbeobachtete einseitige und ungünstige Beurteilung der katholischenPartei überhaupt erstreckt sich auch auf die ihre Interessen verteidigendenTruppen. Das zeigt sich besonders darin, daß er mit großem Eifer alleVergehen der kaiserlichen Soldaten vermerkt. Bevor jedoch näher daraufeingegangen werden soll, muß ein für die vom Verfasser beobachteteTendenz wichtiger Punkt der Darstellung hervorgehoben werden. Es istdies das Eingreifen Gustav Adolfs in die deutschen Verhältnisse. Nichtum eine Aende-

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rung der bisherigen antikatholischen Tendenz handelt es sich, sondern umeine Steigerung. Mit dem Augenblick, wo der Schwedenkönig aufdeutschem Boden landet, nimmt die Darstellung einen gut schwedischenCharakter an. Mit der Liebe, die der schwedischen Sacheentgegengebracht wird, steigt der Haß gegen die katholische Partei. Derschwedische Standpunkt muß noch dahin näher bestimmt werden, daß essich weniger um Zuneigung zu Schweden überhaupt handelt als umBegeisterung für die Heldengestalt Gustav Adolfs. Alle Evangelischenmüssen ihm dafür dankbar sein, daß er gekommen ist, sie von der„Kayserischen Tyranney” zu erlösen. Seine Absichten werden als dielautersten hingestellt. Wenn auch politische Interessen der KroneSchwedens (II 78) nicht völlig unerwähnt gelassen werden, soverschwindet das doch gänzlich hinter der fortgesetzten Betonung derTatsache, daß der König nur „aus .Christlichem Königlichem Mitleyden”seinen Glaubensverwandten Hilfe leistet (I 1041, II 86 u.ö.). Nicht genugkann Abelin darin tun, die Tapferkeit, Klugheit und alle sonstigenhochherzigen Eigenschaften Gustav Adolfs zu rühmen und zu preisen.Das Lob des Feldherrn geht auch auf die Truppen über. Immer wiederwird konstatiert, daß jedermann sich über die Bereitschaft derschwedischen Soldaten verwundert habe. Aber jedesmal wird dertreffliche Zustand. der Truppen auf die Vortrefflichkeit ihres Führerszurückgeleitet und damit gezeigt, daß er allein das Zentrum des Interessesbildet. Muß der Verfasser sich schließlich doch auch über dieVerwilderung der unter schwedischer Fahne fechtenden Soldaten abfälligäußern, so betont er zugleich' doch wieder, daß das wider Willen ihresFeldherrn geschehen und von ihm gerügt worden sei. Wie sich der Autorin seiner Schwedenbegeisterung zu einem ungerechten Urteil gegen diekaiserlichen Truppen verleiten läßt, mag an einigen Beispielen illustriertwerden. Während die kaiserlichen Kontributionen als Beispiele großerHärte aufgezeich-

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net werden, erfahren die schwedischen keinerlei Beurteilung. Oft wirdfast mit den gleichen Worten eine Antithese zwischen beiden Parteienfestgestellt. Die Leutseligkeit Gustav Adolphs ist nicht genugsamb zurühmen und zu beschreiben (II 490); bald darauf sagt der Verfasser:„Was sonsten bey diesem Abzug die Tylische mit plündern, brennen,morden und anderm Muthwillen aller Orthen daherumb vor Schadengethan, ist nicht genugsamb zu beschreiben” (II 492). Sehr viel besagteine Gegenüberstellung der beiden folgenden Stellen in denen derVerfasser schreibt oder vielleicht besser aus seinen Quellenunbeanstandet übernimmt: „Der Graf von Tylli hat wider alle alte Kriegs-Manier und Gebrauch aus einem unchristlichen und teuffelischen Eyferden armen Cörpern die Erde nicht gegönnet, sondern sie nach der Elbeführen und ins Wasser werffen lassen” (II 370), dagegen bei derEroberung Donauwörths durch den Schwedenkönig: „Von den Tyllischenwurden in und umb die Stadt und auff der Brücken über 500 Todtegefunden, so alle in die Donau begraben worden” (II 578). Es kannkeinem Zweifel unterliegen, daß Abelin seiner Tendenz entsprechend beider Auswahl der Quellen entschieden hat. Unschwer kann manbeobachten, wie er in großer Anzahl von evangelischschwedischer Wartegeschriebene Berichte verwertet.

Wir haben also festgestellt, daß Abelin Anhänger der schwedisch-protestantischen Sache ist. Neben Aeußerungen nach dieser Seite findensich aber auch solche, aus denen eine sich über die Parteieinseitigkeiterhebende patriotische Stimmung spricht. Des Verfassers Wunsch gehtdahin, „unserem geliebten Vatterland”, „dem übelgeplagtenDeutschland”, Ruhe zu verschaffen. Mit Freuden werden alle Vorschlägezur Beendigung der Kriegsunruhen begrüßt und mit Bedauern berichtet,wenn sich die Verhandlungen darüber zerschlagen haben. Der Friedewird als „der von allen getreuen Patrioten erwünschte Zweck” bezeichnet(I

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977), „danach männiglich sich hefftig sehnete” (I 999). Das Verlangennach Ruhe äußert sich auch in der „Conclusio Tomi Primi”, wenn er Gott„um deß mächtigen großen entstandenen Unheyls gnädige Abwendung”bittet. Die gleiche Stimmung begegnet uns übrigens noch stärker in denVorreden zu den von Abelin verfaßten Bänden des Mercurius Gallo-Belgicus. Er bedauert dort, daß er immer wieder Jahr für Jahr von nichtsanderem berichten könne als von Rauben und Morden.

III und IV.

In der Vorrede zu dem revidierten Teil II (ed. 1637) bemerkt M.Merian: „Gestalt dann ermeldter Flitnerus in Verfertigung deß DrittenTheils dieses Historischen Wercks, so sich von Anno 1633 biß 1636beydes inclusive erstrecken wird und allbereits in Arbeit begriffen ist, dasAmpt eines unpartheyischen wahrhafften Historicus zu vertretten ... ihmangelegen seyn lassen wirdt.” 1639 erscheint der III. Band, der indessendie Zeit 1633—1638 umfaßt und H. Oraeus als Autor nennt. Es müssensich demnach in kurzer Zeit die Verhältnisse derart geändert haben, daßentgegen der 1637 von Merian geäußerten Absicht der vorgenommeneZeitraum erweitert und ein anderer Verfasser bestimmt wird.

Lieber den Lebenslauf des Oräus sind wir verhältnismäßig gutunterrichtet. (Strieder Band X u. Allg. .D. Biogr.) Heinrich Oraeus ausAssenheim (1584—1646) ist theologischer Schriftsteller. Nach seinemStudium in Straßburg und Frankfurt bereist er fremde Länder; z. B. hälter sich 1603 in Rom auf. Zurückgekehrt wurde er Schulmeister, aber baldfinden wir ihn als Pfarrer in der Wetterau, wo er

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bis 1639 bleibt. In diesem Jahre erhielt er eine mit der Schulaufsichtbetraute angesehene Pfarrstelle in Hanau.

Der III. Band trägt den Namen Henricus Oraeus auf dem Titelblatt.Der IV. Band hingegen bezeichnet als Verfasser J. P. A. V. M. Trotzdemsehen wir uns veranlaßt, auch ihn dem Oraeus zuzuschreiben. GegenEnde des III. Bandes spricht Oraeus wiederholt die Absicht aus, eineFortsetzung zu liefern (III 1011; 1027). Es fällt nun im Anfang des IV.Bandes auf, daß dessen Autor sehr oft sich auf „unseren tomo III” beruft(IV 68 u.ö.). Besonders eine der dortigen Verweisstellen (IV 67) erregtBedenken. Sie lautet nämlich etwa: „Von diesen Sachen haben wir schonin Tomo nostro tertio sub Anno 1638 unterschiedlicher Orten vieleingeführet unnd mit Documentis belegt, auch bald Eingangs dieses TomiIV davon gehandelt” (ed. 1643, S. 73). Das hier gebrauchte „Wir”, in. dassich der Verfasser einschließt, bezieht sich offenbar auf beide Bändegleichmäßig. Das mag den ersten Anstoß dazu geben, eineZusammengehörigkeit von III und IV ins Auge zu fassen. EinigeAnhaltspunkte liefern Vergleiche der Vorreden und Schlußworte beiderBände. Ueberall finden wir hier eine merkliche Breite sowie eine mitlateinischen Ausdrücken und Zitaten durchsetzte Gelehrtensprache, diezugleich reich an Wendungen ist, welche in den Mund eines Theologenpassen. Das überall besprochene Hauptthema ist die Unzuverlässigkeitdes Quellenmaterials. Bis ins einzelne ließen sich Vergleiche anstellen.Z.B. der bescheidene Gedanke in der Vorrede zu IV, daß in dem Werkemehr Mühe und Arbeit als Erudition sei, findet sich schon in derConclusio zu III, wo auf die angewandte Mühe, Fleiß und Unkostenaufmerksam gernacht wird. Zwei wichtige Andeutungen über diepersönlichen Verhältnisse des Verfassers finden sich ferner in IV (nur ed.1643). Der Autor erklärt nämlich 1643, daß ihm vor 42 Jahren England„im reysen bekant worden” sei. (Vorrede zu IV.) Es kann kaum einzufälliges Zusammentreffen

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sein, daß das Jahr 1601 uns genau in die Reisezeit des Oraeus führt. Sehrzutreffend stimmt auch für Oraeus, wenn in der Conclusio zu IV eineFortsetzung versprochen wird, „auff den Fall wir in Gesundheit undlängerem Alter, dessen wir zwar sonsten eine ergebliche Anzahl auff unshaben vermittelst Göttlicher Verleihung verfahren möchten”. Oraeus, derdamals 59 Jahre alt ist, mußte schon mit der Möglichkeit eines baldigenLebensendes rechnen, das 1646 erfolgte, so daß er den 1647erscheinenden V. Band nicht mehr besorgen konnte. Bedenken könnteerregen, warum Oraeus bei dem IV. Band seinen Namen verschweigt.Vielleicht mag er mit Rücksicht auf seine neue Lebensstellung in Hanauseit 1639 es vorgezogen haben, 1643 nicht mehr sich zur Verfasserschaftoffen zu bekennen. Als Schriftsteller, der bereits auf theologisch-polemischem Gebiet tätig war, ist er pseudonyme Veröffentlichungengewöhnt. Er hat nämlich unter einer ganzen Reihe angenommener Namengeschrieben (cf. Strieder). Die Anfangsbuchstaben J. P. A. waren ihmdurch die 1637 erfolgte Ausgabe des II. Bandes an der Hand gegeben,worin Flitner den Namen Johann Philippus Abelinus also abgekürzt hatte.Das ganze Gepräge der beiden Bände III und IV stimmt endlich in allenwesentlichen Punkten überein, so daß wir kein Bedenken zu tragenbrauchen, diese beiden Teile des Theatrum gemeinsam zu besprechen.

Um einen Einblick zu gewinnen, auf welchem Gebiete und inwelchem Sinne Oraeus sich gelegentlich schon schriftstellerisch betätigthat, sei der Titel eines zufällig zur Hand gekommenen Flugblattes vomJanuar 1632, das mit .Henricus Oraeus unterzeichnet ist, angeführt:„Eyfferige Dancksagung für die wunderthätige Errettung und Sieg,welche Gott seinem heiligsten Nahmen zu Ehren und der EvangelischenKirchen Teutschen Lands zur Fortpflanzung wider den Antichrist. Durchden Durchleuchtigsten und Großmächtigsten Fürsten und Herrn, HerrnGustavum

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Adolphum, König der Schweden, Gothen und Wenden etc. Als einemGedeon sieghafft verliehen; Sampt einem Gebett: Daß Gott derAllmächtig der Königl. May. ferneren Sieg wider den Antichrist undGottes Feinde verleyhen und Sie vor allem Unfall behüten und bewahrenwolle. Allen Evangelischen Christen und trewen Teutschen täglichzusprechen. Getruckt Im Jahr 1632.” Wenn wir von der in solchentendenziösen Flugblättern gewöhnlichen Schärfe absehen, so ist es dochklar, daß wir hiernach eine religiös-politische Stellung unseres Autors zuerwarten hätten, die sich mit den Anschaungen Abelins zum mindestendeckt, wenn nicht über sie hinausgeht. Allein es fällt schon auf, daß sichauf dem Titelblatt des Bandes III die Worte: „mit großem Fleiß undsonderbahrer Treu gantz unparteyisch und ohne Affection gestellet”finden. In der Vorrede an den Leser betont Oraeus weiter, daß derScribent als sacerdos veritatis seinen Affecten nicht nachgeben dürfe.„Die Affecten, sagt man, sind böse Rathgeber und wer derselbigenEinraunen folget, muß offtermahlen neben der Wahrheit her spatzierenund entweder betriegen oder betrogen werden.” Der Scribent soll „auchdasjenige, was ihme doch widrig, ohne Vorurtheil rein undunverschrenckt erzehlen.” Oraeus versichert, daß er sich nie unterstandenhabe, deß Lectoris Judicium auf halbem Wege zu intercipieren oderauffzufangen. Im Verlaufe seiner Darstellung betont er wiederholt, daß ersich mit Mutmaßungen, die man über den einen oder den anderen Vorfallangestellt habe, nicht abgeben, sondern das Urteil dem Leseranheimstellen wolle (III 576; IV 5; 123 u.ö.). Doch nicht nur in Worten,sondern auch in der Tat bleibt Oraeus seinem Vorsatze, ohneHervorkehrung der eigenen Affekte zu schreiben, getreu. Die durch diekatholischen Reformationen entstehenden Mißstände schildert er ruhigund sachlich, nicht wie Abelin in so grellen Farben, daß die Erzählungeiner Anklage gleichkommen mußte. Ist wirklich einmal ein improtestantischen Sinne wirksames Interesse zu ver-

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spüren, so ist der Autor sofort schon mit einer einschränkendenEntschuldigung bei der Hand. Sagt er so einmal: „wir erdichten allhiernichts in odium Patrum, sondern referiren pure wie es an uns kommen”,dann verrät er deutlich hiermit, daß er auf ein Gebiet getroffen ist, aufdem für ihn die Gefahr bestand, vom Pfade der Unparteilichkeitabzuweichen (III 34 cf. IV 786). Man darf auch nicht von einemwirksamen Durchdringen der Anschauungen des Verfassers aufpolitischem Gebiet reden. Oraeus zählt nicht nur die Uebergriffe derkaiserlichen Truppen auf, sondern er vergißt auch nicht, die Ausartungder schwedischen Soldateska zu kennzeichnen. Ebenso läßt sich ihm inder Quellenauswahl nicht gesuchte Einseitigkeit vorwerfen. Wir findenwohl Quellen von schwedischer Warte, die in den Schweden die vomgöttlichen Beistand bedachte Partei sehen (III 90 u.ö.). Allein danebensind Berichte verwertet, die von einer der kaiserlichen Parteinahestehenden Seite gegeschrieben sind und von der Tyrannei derschwedischen Feinde reden. (III 317 u.ö.). Wir sind bei dieserZurückhaltung des Autors nicht in der Lage, seine politischenAnschauungen scharf zu erkennen. Einmal allerdings bei der Ausdeutungeines Mondzeichens gibt Oraeus uns Gelegenheit, einen interessantenEinblick zu gewinnen, in welcher Richtung sich seine politischenHoffnungen bewegen. Nachdem er nämlich eine fremde Auslegung desWundergesichtes wiedergegeben hat. sagt er weiter: „So wir aber denDeutungen etwas nachgehen sollen, wollen wir viel eher darfür halten,der kleine Mond bedeute ein kleines beständiges Häufflein, so sich mitdem großen in einen Vollmond wachsenden aber auch der LunarischenUnbeständigkeit unterworffenem Häuffen noch werde vereinigen, alsoauß der großen Religions-Discrepantz etwas einiges noch werdenmüssen, welches seinen Ingressum mit deß Königs zu SchwedenErscheinung und Ankunfft auch dessen Bildnuß Widerkunfft angefangenhabe und fortan continuiren werde.”

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(III 92). Beachtenswert ist das besondere Interesse für die Person GustavAdolphs, dessen Auftreten als Beginn einer Bewegung angesehen wird,die noch einmal zur Beilegung des Religionszwistes führen möge. Ganzähnlich redet er in der Conclusio zu IV (ed. 1643) von der „Discrepantz",aus der der Krieg entsprungen sei, und von der erstrebenswertenEinigung in Glaubenssachen, wobei er fortfährt: „Leben demnach derChristlichen Hoffnung, es solle diese Unitet zum wenigsten gantzTeutschland, wann wir uns zuvor biß auff ein Ende miteinanderabgebissen und abgemattet haben, durch ein unpartheyisches GeneraleConcilium zum ersten widerfahren.” Wir können also gelegentlich dasMitklingen religiös-politischer Ansichten des Verfassers beobachten,nicht aber ist, wie dies bei Band I und II der Fall war, eine offenauftretende und die Darstellung färbende .Tendenz aufzuweisen.

Was veranlaßt Oraeus, der, wie der oben zitierte Flugblattitel erhellt,doch Farbe zu bekennen verstand, jetzt zu diesem maßvollen,unparteiischen Ton? Wir erinnern uns zunächst, daß Merianhauptsächlich mit Rücksicht auf die veränderten politischen Verhältnissedie ausgesprochene evangelisch-schwedische Tendenz der von Abelinverfaßten beiden ersten Bände zu mißbilligen und sich durch eineRevision dieser Teile seines Werkes vor etwaigen Anfeindungen zuschützen für gut befand. Es unterliegt keinem Zweifel, daß er dann auchdem Autor des III. Bandes im voraus eingeschärft hat, eine strengunparteiische Schilderung zu geben. Diesem Verlangen des Verlegersentspricht Oraeus schon, wenn er in den Vorreden an den Lesernachdrücklich versichert, daß er es streng vermieden habe, seinenAffecten die Zügel schießen zu lassen. Er hütet sich aber auch von selbstvor Hervorkehren einer Parteilichkeit, die recht gefährlich für ihn werdenkonnte. Oraeus spricht dies, daß es nun angebracht sei, mit derSchriftstellerei recht vorsichtig zu Werke zu gehen, einmal etwa mitfolgenden Worten

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aus: „Dann es ist bekandt und gantz unverneinlich, daß so .irgend zueiner Zeit bös, beschwerlich und gefährlich Historien .und vergangeneGeschichten zubeschreiben, so ist es fürwahr besonders zu dieser bösenund betrübten Zeit.” Doch nicht nur unter dem Zwang äußererVerhältnisse schlägt Oraeus in dem III. und IV. Bande einen somaßvollen Ton an. Es bieten sich uns vielmehr Anhaltspunkte, daß er inder späteren Zeit, in der er am Theatrum Europaeum mitarbeitet, bereitseine mehr auf den Frieden als auf den Streit bedachte Gesinnungangenommen hat. Politische und persönliche Erfahrungen wirken hiergleichmäßig auf unseren Verfasser ein. Gustav Adolf, desseneinnehmende Persönlichkeit so viele veranlaßt hatte, gut schwedisch zuwerden, war bei Lützen gefallen, und in der Zeit nach der Schlacht beiNördlingen war die schwedische Sache wenig vom Glück begünstigt.Viele evangelische Stände, vor allem das maßgebende Sachsen, einigtensich mit dem Kaiser. Die schwedischen und sächsischenGlaubensverwandten kämpfen sogar „unchristlicher und feindseligerWeise” gegeneinander (III 581). Schon im Hinblick auf diese politischenVerhältnisse konnte man schwerlich einen Standpunkt behaupten, der dasRecht ausschließlich auf der einen Seite sehen wollte. Sodann aber warsicherlich das, was Oraeus als Pfarrer in der Wetterau lange Zeit miteigenen Augen vom Kriegstreiben geschaut hatte und drum im Theatrummit lebendigeren Farben schildern konnte, nicht ohne nachhaltigenEinfluß. Er mußte erfahren wie „beyde Freunde und Feind furios undTyrannisch gehandelt, daß man keinen Unterscheyd verspüret” (III 719).„In dem Reich gieng es dieser Zeit erbärmlich her; die Landkinder warenvertrieben und frembde hatten das Reich ein, welche aber noch zu Hausewaren, wurden dermaßen von den frembden Völckern gehandelt, daß sielieber das bittere Elend hätten bauen, als den Untergang deß Vatterlandessehen sollen. Auff einer Seyten wüteten die Schweden, Finnen, Lappen,Irrländer

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und dergleichen auff der andern Croaten, Cossaggcn, Polacken,Hussaren, Spanier, Wallonen und wuste niemand, wer da Freund undFeind wäre, dann es war da kein ünterscheyd” (III 365). Mit einemWechsel in der Besetzung eines Ortes ist weder dem privaten noch demgemeinen Wesen gedient, denn beide Parteien hausen ja in gleicherWeise (IV 196). Durch die fortdauernde Kriegsnot ist Oraeus schongegen alles das abgestumpft. Er will nicht viel Worte machen, zumalenweiln das fast männiglich, was der Soldateska procedere mit sich bringe,bewußt ist, welches man mit wenig Worten: la maniere & raison deguerre das ist Weise und Eigenschaft des Krieges zu entschuldigen pflegt(IV 120). Es ist aus diesen Gedankengängen verständlich, wenn deshalbbei Oraeus eine unwillige Empfindung über die Okkupation deutschenGebietes durch die Franzosen auftauchen kann. „Hätte man gar alles nocheinnehmen können”, sagt der Verfasser, „es würde am guten Willen nitermangelt haben” (IV 9 cf. 194). Wie das anhaltende Kriegselendeinerseits dazu veranlaßt, gegen alle daran beteiligten Parteien sichablehnend zu verhalten, so mahnt es andererseits dazu, auf eineBeruhigung des eigenen Landes zu sehen. Alle Hoffnung, der Notabzuhelfen, stützt sich auf einen die streitenden Parteien einigendenFrieden. Drum spendet Oraeus Lob allen denen, die sich um dieFriedensbestrebungen verdient machen, ganz abgesehen davon, aufwelcher Seite sie stehen, dem Kurfürsten von Sachsen (III 375), demLandgrafen Georg von Hessen (III 306) ebenso wie dem Erzbischof vonMainz (III 684), dem Kaiser (IV 300; 309) und dem Papst (III 901; IV107, 150). Als er allerdings 1641 auf eine gegen die Protestantengerichtete Schrift des Papstes zu sprechen kommt, kann er es sich einmalnicht versagen, seine bisherige Beurteilung des Oberhaupts derkatholischen Kirche zu korrigieren und zu bemerken, daß dies amTeutschen Frieden nichts hat befördern wollen (IV 482). Dürfen wir alsonicht von einer

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beherrschenden Tendenz bei Oraeus reden, so doch von einer Stimmung,die als Grundton den III. und IV. Band des Theatrum durchklingt,nämlich der Sehnsucht nach Ruhe und Frieden. Sobald nur das WortFriede fällt, wird es mit Attributen wie heilsam, gemeinnützig,hocherwünscht, lieb, gülden u. ä. ausgeschmückt. Mit Interesse verfolgtOraeus die Friedensverhandlungen. So sagt er einmal: „man hat allerseitsgute Hoffnung zur Widerbringung eines allgemeinen, beständigen undseeligen Friedens getragen” (III 414). Er begrüßt es, wenn sich eine Thürzum Friedens-Eingang zu eröffnen scheint und beklagt es, wenn leydernichts anders als eine beharrliche Fortführung und Flamme derKriegswaffen aller Orten erfolgt (IV l) und man nur den Frieden auf derZunge getragen hat (IV 67). Sein Bedauern darüber, daß dieFriedensverhandlungen sich in Aeußerlichkeiten ergehen und aufhalten,anstatt schnurstracks auf das Endziel loszugehen, liegt in den Worten:„Wie oft ist von den Leutmaritzischen, Pragerischen und PirnischenFriedens Tractaten gesagt und geschrieben! wie begierig hat mans gehörtund gelesen! wie viel tausend mal lieber und begieriger hätte man denEffect und Nachtruck gesehen! aber so offt davon geredt, so wenig hat esfortgehen wollen.” (III 375).

Der schon durch das Arbeiten mit Ausrufezeichen an derletztzitierten Stelle hervortretende Schwung erinnert uns an denKanzelredner Oraeus. Daß der Autor Theologe ist, ist nicht ohne Einflußauf die Form der Darstellung gewesen. Es soll indessen nur noch auf einöfters wiederkehrendes Merkmal aufmerksam gemacht werden, nämlichauf den Hang zum Moralisieren (III 77). Die Heimsuchungen durch„Krieg, Theuerung und Pestilentz” geben Anlaß zu bedenken, „warumbuns Gott der Herr so kräfftiglich heimbsuchet” (III 607). Die zahlreichenWunderdinge, die Oraeus als merkliche Zeichen göttlichen Zornes faßt,mahnen

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uns, von unsern bösen Wercken, die wir sowohl publicis als privatisActionibus begehen, nachzulassen (IV 124).

Als theologischer Schriftsteller hat sich Oraeus vornehmlich mitSchriften befaßt, die strittige religiöse Probleme erörtern. Auf demGebiete historisch-kompilatorischer Arbeit ist er aber Neuling. Daherfällt seine Darstellung gegenüber der Abelins bedeutend ab. Sehrungeschickt ist zunächst seine Ordnungsmethode. Er hat die Wahlzwischen einer Rubrikeneinteilung, wofür Abelin das naheliegendeVorbild gab, und der gewöhnlichen streng chronologischen Methode.Oraeus entscheidet sich im III. Bande für einen Mittelweg. Er überträgteine Länderordnung nicht wie Abelin auf ein ganzes Jahr, sondern aufeinen Monat, innerhalb dessen er dazu noch möglichst eineTagesordnung erstrebt. Da er aber natürlich nicht genug Stoff hat, umjedes Land .innerhalb eines Monats aufführen zu können, so bleiben vonder Rubrikenabteilung nur kaum bemerkbare Spuren und hervor trittallein die chronologische Ordnung, weshalb er sehr mit Recht sein Werkschon im Eingang des III. Bandes als chronologicum opus bezeichnet.Die Darstellung bietet infolgedessen ein Bild innerer Zerrissenheit,worüber auch die phantasievollsten Ueber-Igänge nicht hinweghelfenwollen. Zerteilt doch Oraeus zugunsten seiner Monatsgruppierung alleQuellen, die sich über mehrere Monate erstrecken. Dabei macht er sogarganz ungeschickte Fehler. Für den Februar 1633 z.B. schildert er auseiner Quelle die Ereignisse an der Weser. Als er im März die gleicheQuelle wieder aufnehmen will, weiß er nicht mehr, wo er beim Februaraufgehört hat und wiederholt nochmals größere Partien. Es deckt sichalso in diesem Falle das Ende des Februarberichts (III 23) fast wörtlichmit dem Anfang des Märzberichts (III 23). Solche Dubletten finden sichaber nicht vereinzelt, sondern recht oft (III 75 cf. 84; 254 cf. 269). DiesesOrdnungssystem des Oraeus hat sicherlich wenig Beifall gefunden, zumaldie Darstellung

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gegen die Abelins deutlich abstach. So erklärt es sich, daß Oraeus im IV.Bande zu einem anderen, sichtlich an Band I und II anknüpfendenVerfahren übergeht, das er in der Vorrede zu IV mit folgenden Wortenankündigt: „Wir haben eine solche Ordnung und methodum in operegeführet, daz wir von einem Königreich und Land zum andern durchsgantze Jahr gegangen, deß meistens von Hispanien und ex parte vonItalien angefangen und jedes Jahr mit der Kay. und SchwedischenArmaden actionibus, in welche die Teutsche Nation mit eingeschlossenund viel darinnen concurriret biß auff die Varia und allerley ereigneteaccidentia, die keinen sonderbahren Tituluin füglich haben mögen,geendet haben” (Vorrede zu IV ed. 1643). Mit dieser neuen Anordungwird aber deshalb die Darstellung nur wenig besser als in III, da Oraeussie gar nicht von Anfang an einführt, sondern immer noch sich scheut,von der Chronologie abzugehen. Sodann macht er den Fehler, daß er diedeutschen Kriegsereignisse, die den meisten Raum einnehmen, inallzuviel einzelne kleine Kriegsschauplätze säuberlich zu trennen suchtund dabei keinen größeren Ueberblick gewinnen kann. Auch Spurennachlässiger Arbeit sind wieder recht häufig. Einzelne Ereignisse findensich in meist wörtlicher Wiederholung mehrere Male (z.B.: die Einnahmevon Laredo und S. Antonio IV 16, 34, 121; ein Munitionsverzeichnisvom Hohentwiel IV 552 und 792). Auf schlechte Umformung derQuellen zurückzuführende Spuren ihrer ursprünglichen Fassung (z.B.:„der unsrigen Werke” III 85; IV 362) gehören bei Oraeus nicht zu denSeltenheiten. Ueberhaupt ist die Verarbeitung in beiden Bänden rechtschlecht. Ganz deutlich lassen sich noch die einzelnen Stücke, aus denendie Darstellung zusammengeflickt ist, erkennen. Einmal wird sogar eine„Relation auß Hamburg vom 30. November styl. vet. wie Gen. Arnheimbauß Schwedischer Gefängnuß entkommen” (III 1020) samt dieser imDruck besonders hervorgehobenen Ueberschrift zitiert. Unter dem

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beigebrachten Quellenmaterial fällt sehr deutlich in die Augen dieergiebige Verwertung kurzer depeschenartiger Berichte, die durchAngabe eines genauen Datums, des Ausgangspunktes, bisweilen sogarder Uebergangsstation sowie durch besondere Introduktionen (“es wirdadvisirt”, „berichtet”, „die Zeitungen haben mit sich gebracht” usw.)unschwer in beiden Bänden erkennbar sind. Es sind Nachrichten, die fürdie Zeitungen oder Advisen bestimmt sind, aus denen sie der Autorentnommen haben mag. Zu ihren charakteristischen Merkmalen gehörteine große Unzuverlässigkeit. Kein Wunder, daß daher der Verfasser inden Vorreden zu III und IV sich über die Unsicherheit seiner Quellenbeklagt und auch in der Darstellung selbst fortgesetzt mitwidersprechenden Nachrichten sich abmühen muß. (III 141, 197; IV 614,699). Besonders schlimm steht es mit den femer gelegenen Ereignissen

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z.B. den Türkenkämpfen (III 281), worüber man Schreiben „ordinarie nurüber Venedig” empfängt (IV 699), oder dem polnisch-moskowitischenKrieg (III 179).

Die ungeschickte Anordnung, die flüchtige Bearbeitung und dieVerwertung unzuverlässigen Quellenmaterials, worauf Oraeus, der sofortnach Ablauf der zu behandelnden Ereignisse diese beschreibt unddemnach das Einlaufen der späteren bestimmten Nachrichten nichtabwarten kann, angewiesen war, haben stets zu den abfälligsten Urteilenüber Band III und IV geführt. Gryphius macht auf den Unterschiedzwischen den beiden ersten und den folgenden Bänden aufmerksam.Sulpicius sieht am Theatrum eine Bestätigung der Tatsache, daß ein gutbegründetes Unternehmen leicht dadurch, daß es in eine ungeübte Handkommt, verdorben werden könne. Dementsprechend lobt er Band I undII, während er im Gegensatz dazu von den späteren Teilen sagt: eo minusposteriores possunt aestimari, qui, cum eadem praesidia prae se ferrevolebant, revera ... non nisi ex rumoribus vulgi desumptas relationessaepius

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sibimet ipsis post tertiam aut quartam paginam contrarias continent.Wir wollen endlich nicht unterlassen die Verwandtschaft, die

zwischen den Meßrelationen -und allen Teilen des Theatrum besteht,auch an einem Beispiel aus den von Oraeus stammenden Bänden ruillustrieren.

Theatrum IV ed. 1643 S.77

Rel. Hist. HM 1639-OM1640 S. 57

Merc. G.-B. tom. XXIIlib. 4 S. 82

...sampt vielen andernMaterialien, sieerledigten auch dengefangenen ObristenZschirnhausen,erhielten 3 Flüsse dieWarte. Noteiz undTrotte sampt 30

Stättlein und Oerterdieselben in

Contribution zu setzenunnd gewannen einen

Platz von grosserImportantz: auch bliebder BrandenburgischeCommendant Obr.Leutenant Grebel vonzwei Picquen-Stichen inseinem Schlaf-Peltzdarüber todt.

...sampt vielen andernpraeparatoriis befunden.Es ist auch zugleich dergefangene SchwedischeObr. Zschienhausenseiner captur entledigetunnd nicht alleinPreussen von

Churbrandenburghiedruch abgeschnitten,

sondern auch dieStröme Warta, Notezund Trage zum Behuffder Schwedischenverlohren unnd derChur-BrandenburgischeCommendant ObristerLeutenant Grebe inseinem Schlafpeltz mitzween Spiessenerstochen worden.

...aliorumqueapparatuum bellicorumet tormentatiorumcopiam inibi reperunt etnon solum TribunusZschinhusius nuperinterceptus in libertatemrursum assertus ac Bo-russia a Marchia novaper hanc expugnationendivisa verum etiamCommendatorBrandenburgicusLocumtenens primariusGrebius in pellicea suachlamyde binisbipamibus confectus etinterfectus est.

Es bestätigen sich hier die bisherigen Erfahrungen. Teils hat dasTheatrum, teils die Meßrelation ein Plus aufzuweisen, d. h. bald benütztdas Theatrum bald die historische Relation die beiden zugrunde liegendeQuelle ausführlicher. Der Mercurius, in dem die Worte der Meßrelation:„auch die Ströme Warta, Notez und Trage zum Behuff der Schwedischenverlohren” fehlen, ist wieder am kürzesten.

V.

Band V ist erschienen in den Jahren 1647, 1651 und 1707. Einelängere Einleitung des Verfassers über die ver-

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schieden einzuschätzenden Arten der Bücher ist schon in der zweitenAusgabe weggelassen. Außerdem nimmt die Seitenzahl mit jederNeuauflage erheblich ab. Die letzte Ausgabe nennt sogar den Namen desAutors Lotichius nicht mehr. Ueber den Lebenslauf des Johann PeterLotichius gibt die Allg. D. Biogr. ausreichenden Aufschluß. Er istLeibarzt, Rat und Historiograph Ferdinands III. gewesen. SeinenAufenthaltsort hat er sehr oft gewechselt. Zur Zeit der Abfassung desTheatrum weilt er wieder einmal in Frankfurt a. Main. Medizinische,poetische, philologische und historische Bücher entstammen seinerFeder. Zu den letzteren gehört eine in Latein abgefaßte deutscheGeschichte für 1617—43 und Band V unseres Theatrum, der die Zeit1643 bis Juli 1647 umfaßt. Daß Lotichius Arzt von Beruf ist, das äußertsich im vorliegenden Bande bisweilen durch ein besonderes Interesse fürmedizinische Fragen. So widmet er z. B. der Erzählung von einemHeilbrunnen zu Hornhausen, worüber sich in der Frankfurter Meßrelationnur ein kurzer Bericht findet, eine längere Abhandlung (V 1117 bis1120), worin genau die Wirkungskraft des Heilwassers fürunterschiedliche Krankheiten besprochen wird.

In dem,dringenden Ruf nach Frieden und dem Zurückhalten eigenerAnsichten hat Lotichius vieles mit Oraeus gemein. Auch bei demVerfasser des fünften Bandes ist der überall durchklingende Grundton dieSehnsucht nach der Beendigung des deutschen Krieges. Schon wenn er inder einleitenden Vorrede (ed. 1647) auf die deutsche Nation zu sprechenkommt, macht er dazu die wehmütige Bemerkung: „als bey welcherdieser langwürige, blutige und erbärmliche Krieg seinen Anfanggenommen und gleich einem verzehrenden Fewer, Gott erbarm es! nochimmerdar .wäret”. Seine Gedanken konzentrieren sich daher auf das eineZiel, die Beilegung des verderbenbringenden Zwistes. Der Friede ist einheylsames und gemeiner Christenheit nothwendiges Werck (17), nachdem jedes gerade und redliche

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Gemüt ein sonderbares Verlangen trägt (81). Lotichius lebt der Hoffnung,daß der liebe Qott nochmals die güldenen Friedensstrahlen hinwiederumscheinen lassen möge. . Mit Interesse verfolgt der Autor die schleppendenFriedensverhandlungen, bei denen die consilia sich nach dem eventusbelli zu richten pflegen. Schon das Titelblatt vermerkt nicht mit Unrecht,daß neben dem weltlichen Regiment und Kriegswesen auch die zwischenmehrenteils kriegenden Partheyen nacher Münster Oßnabrückangesetzten bishero gepflogenen General-Friedens-Tractaten zu Wortkommen sllen. In einer Zeit, in der alles mit dem Zwang und der Gewaltder leidigen Waffen verrichtet werden will (84), werden alleBestrebungen, die auf friedlichen Ausgleich der zum Krieg reizendenGegensätze ausgehen, mit Freuden begrüßt. Dem König Wladislaus IV.von Polen gebührt deshalb, weil er durch das sogenannte ColloquiumCharitativum zu Thorn 1645 eine Aufhebung der vorhandenen religiösenSpannung in seinem Lande zu erreichen sucht, wegen seines gottseligenEyffers ein sonderbares unsterbliches Lob (561). Es schätzt alsoLotichius ganz ähnlich wie Oraeus Personen nach ihrer Ab- oderZuneigung zu friedenbringenden Unternehmungen ein. So wird weiterdie Interposition Dänemarks zum Frieden als hochlöbliche Sorgfaltgepriesen (14). Es sichert ferner schon die Begierde und Neigung zumlieben Frieden, die sich der Kaiser sehr angelegen sein läßt (13, 815), ihmeine günstige Beurteilung. Unter dem gleichen Gesichtswinkel wird derneue Papst betrachtet. „Jetziger Pabst ist sehr zur Auffrichtigkeit geneigt,führet in seinem Wapen den Olivenbaum dahero man gute Hoffnung zumFrieden schöpffet” (443); so gibt er uns über die Person des neuerwähltenInnocenz X. Aufschluß.

Wie sich Lotichius zu den Parteiungen seiner Zeit verhält, darübermüssen wir zunächst seine Darstellung selbst befragen. Doch sie bietetuns nur wenige Anhaltspunkte. Der Autor weiß die Aufrichtigkeit desvon ihm wie allen

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andern ausgesprochenen Wunsches, eine unparteiische Darlegung zuliefern, in mannigfacher Weise zu bekräftigen. Trifft er auf eine Stelle, ander die Quellen entsprechend den Passionen und Affekten eines jedenBerichterstatters auseinandergehen, so befolgt er das bei allen unsernVerfassern in diesem Falle übliche Verfahren, beiderseitige Berichtesowohl kaiserliche als schwedische dem Leser darzubieten (534-544).Führt er einmal eine Relation an, die bereits eine Beurteilung derSachlage enthält, so stellt er es dem Leser anheim, dieser Auffassungseinen Beifall zu geben (318, 236). Auch in der Schilderung desVerhaltens der beiderseitigen Truppen verfährt Lotichius gleichmäßig.Von schwedischer wie von kaiserlicher Seite weiß er von Räubereien undVerwüstungen zu erzählen. Allerdings verwendet er auf dieses Themanicht allzuviel Zeit, da er sich ausdrücklich bewußt ist, daß der Leser, fürden sein Werk bestimmt ist, aus langjähriger eigener Erfahrung die Notdes Landes kennt. Nach diesen bisher angestellten Beobachtungen hättenwir es also mit einem Manne zu tun, der darauf bedacht ist, eine voneigenen Ansichten ungetrübte Darstellung zu liefern. In der Tat gelingt esnur mit Mühe und auf Grund weniger Belegstellen über die Parteistellungdes Verfassers klar zu werden. Allerdings, was er von den Kämpfen derChristen und Türken hält, das verschweigt er nicht. Der „Erbfeindchristlichen Namens” benutzt den „von gantzen dreyßig Jahren herowährenden, hefftigen, blutigen und continuirlichen Krieg, in dem dieChristenheit gleich als in einer Stadt und Vestung unter einander uneinig,um nun mit hellem Hauffen aus gantz Asien herfür zu brechen und denChristen gegenüber den Meister und Garaus zu spielen” (644). In dieserEinschätzung des Türken als des Feindes der Gesamtchristenheit trägtuns der Verfasser aber keine etwa für ihn besonders charakteristischeMeinungsäußerung vor, vielmehr teilt er darin die Anschauung allerunserer Autoren, wie seiner Zeit überhaupt. Weit inter-

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essanter, aber äußerst selten, so daß sie unter der Masse des gebotenenStoffs verschwinden können, sind einige .wichtige Bemerkungen, mitdenen Lotichius seine Ansichten über Entstehung .und Stand desgegenwärtigen Krieges durchblicken läßt. Dem weisen Wladislaus IV.,der auf eine friedliche Einigung der Religionsstreitigkeiten bedacht ist,teilt einmal der Verfasser seine eigenen Reflexionen zu, wenn er sagt, derPolenkönig habe gesehen und erfahren, „daß die bißhero enthobene undeingerissene Strittigkeiten in der Religion in dem Heil. Röm. ReichTeutscher Nation die .Gemüther Chur-Fürsten und Ständen mercklichalienirt und divellirt. Daher dann auß sothanen einschleichendemMißtrauen fürters beyderseits Bündnussen als Union eines und die Ligaanders theils entsprossen. Und diese brennende Kohlen etliche Jahr langgleichsam unter der Aschen gelegen, biß endlich die zufürderst auch inder Religion strittige Böhmische Stände solche glimmende Aschenmeisterlich auffgeblasen und in ein brennende Kriegs-Flammaußgebreitet. Welche hoch schädliche Funcken nun in so viel Jahr langdurch gantz Teutschland geflogen und in ein betrübten, innerlichen,hefftigen biß dato leyder! ohn unterlaß continuirlichen Kriege nach demandern häuffig ausgeschlagen” (561). Aus diesen Worten spricht wiederdie durch das langjährige Elend hervorgerufene Abneigung gegen denleidigen Krieg. Allein diese wehmütige Stimmung steigert sich hier zueiner gewissen Verbitterung, deren Spitze gegen die sich wider diekaiserliche Regierung empörenden böhmischen Stände, von denen dieersten Ursachen des Zwistes ausgegangen sind, gewendet ist. Daß dieseWorte wohl in solchem Sinne aufzufassen sind, das bestätigt eine aufgleicher Linie sich haltende Stelle, an der sich Lotichius gegen dasVerhalten der schwedischen Armee abfällig äußert und dagegen für dieSächsischen, Bayerischen und Kaiserlichen einzutreten sich veranlaßtsieht (502). „Von alters her pfleget man zu sagen: Felicitatis comes estinsolentia:

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Bey Glück ist gemeiniglich Hochmuth. Solches konte man bey nahedieser Zeit von Schwedischen, wo nicht allen jedoch den mehrentheilverstehen. Sintemalen nach dem aus Göttlicher sonderbahrer Verhängnußetliche Jahr hero wolen bey deß trefflichen Königs Gustavi Lebzeiten alsnach dessen tödlichen hintritt selbige Völcker im Heiligen RömischenReich Teutscher Nation starcke Progressen gethan und unterschiedlicheVictorien erhalten, ist auch obiges Sprichwort an ihnen so weit wahrgeworden; so daß die Kriegs-Fortun die gewöhnliche Insolentz bey vielennach sich gezogen.” In diesen Sätzen sind zunächst die verschiedenenAbschwächungen zu beachten, die ebenso wie die bald danach folgendeBemerkung des Verfassers, daß er aus Schriftstücken den schwedischenHochmut belegen könne, noch als Nachwirkungen der fest

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vorgenommenen Unparteilichkeit verstanden werden können. Aber auchdann bleibt ganz offenkundig, daß wir es hier mit Aussagen zu tun haben,die einer antischwedischen Tendenz entspringen. Die nächste Ursache zudiesen schwedenfeindlichen Aeußerungen gibt die Fortsetzung derzitierten Stelle. Zu der Mißachtung, die die Schweden ihren Gegnernangedeihen lassen, bemerkt Lotichius nämlich weiter: „Gleichsam als obdie Schwedischen allein Soldaten wären hingegen Chursächsische, Chur-Bayerische und Kayserliche nur fungi & pepones und ihnen nicht zuvergleichen, da doch diese hefftige langwierige Kriege von fremdeneinbrechenden Nationen mehrentheils mit Teutschen gegen und wider dieTeutschen allein wegen Zwyspalt in der Religion verführet werden.Benebenst auch vielbesagte Schwedische bei Nürnberg, Lützen,Nördlingen, Freyberg und andern Treffen der Kayserlichen, Bayerischenund Sächsischen Valor empfunden und geprüfet.” Hier regt sich auch dasNationalbewußtsein unseres Autors. Er mag es nicht ungerügt lassen, daßfremde Eindringlinge, die dazu noch mit deutschen Söldlingen ihreSchlachten schlagen, seinen Landsleuten Feigheit vorwerfen. Es ist alsoeine

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weite Kluft zwischen Abelin, der in den Schweden die Retter undSchirmer evangelischen Glaubens sieht, und Lotichius, dem kaiserlichenLeibarzt und Historiographen, der sie als die sich in den deutschenReligionsstreit einmischenden Fremdlinge betrachtet. Die Brückezwischen diesen Anschauungen kann uns Oraeus bieten. Die idealeAuffassung Abelins von der schwedischen Hilfeleistung, die schonOraeus .wegen seiner ernüchternden persönlichen und politischenErfahrungen nicht mehr aufrechtzuerhalten wagte, kommt bei Lotichiusganz zu Fall.

Wir haben also eine nicht schwedenfreundliche Tendenz des V.Bandes festgestellt, waren aber im wesentlichen nur auf eine einzigeStelle angewiesen. Allein der Verfasser der beiden nächsten Bände gibtuns in dieser Hinsicht einige sehr willkommene Unterstützungspunkte.Im Anfang des VI. Bandes führt Schleder zum Teil die letzten Ereignissevon V nochmals vor. Wenn er auch im allgemeinen direkteWiederholungen vermeiden will, so kann er es sich doch nicht versagen,in einzelnen Punkten die Mitteilungen seines Vorgängers zu kritisierenund ihnen zu widersprechen. Schleder hat etliche Male Anlaß gefunden.Lotichius zu korrigieren, und zwar tut er dies in einem fast spöttischklingenden Tone, so daß es den Anschein erwecken muß, daß dieunrichtigen Angaben des V. Bandes weniger auf schlechter Kenntnis alsauf einseitiger Auswahl des Quellenmaterials beruhen. Nehmen wir dieseAenderungen Schleders zusammen, so zeigt es sich, daß Lotichius dieschwedischen Verluste überall zu hoch angegeben (VI 4, 6, 7) und damitdie kaiserlichen Vorteile vergrößert hat. Einen Einblick in diese Sachlagegewährt der Vergleich der Erzählungen von einem Treffen bei Triebel1647 in Band V, VI und der gleichfalls von Schleder stammendenMeßrelation. Lotichius gebraucht eine einseitig kaiserliche Relation (Ved. 1647, S. 1393 f.), Schleder hingegen in der Meßrelation einenschwedisch gefärbten Bericht (Rel. Hist. 0. M. - H. M. 1647,

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S. 81 und 82). Das ist der deutlichste Beweis, daß in dem gleichen Jahre,in das jenes Treffen fällt, noch keine zuverlässigen, sondern nurparteiische Nachrichten vorliegen. Allerdings, Lotichius entschließt sichentsprechend seiner Tendenz lieber für die kaiserliche Quelle, von derSchleder ausdrücklich versichert (VI 6), daß sie ihm nicht bekanntgeworden sei. In Band VI nimmt nun Schleder gegen die von Lotichius inV verwertete parteiische Quelle Stellung, aber er benutzt im Theatrumauch seinen einseitig schwedischen Bericht, den er in der Meßrelation voretwa fünf Jahren verwertet hatte, nur noch mehr an einzelnen Stellen,während er in der Hauptsache eine sehr genaue, beide Parteiengleichmäßig behandelnde Erzählung bieten kann (VI S. 5 u. 6). Daraussehen wir zugleich, daß dem Theatrum in den Teilen, die in einemgrößeren Abstand von den Ereignissen geschrieben sind, zuverlässigeresund besseres Material zur Verfügung steht.

Wie an dem soeben nur kurz skizzierten und der Umständlichkeitwegen nicht zitierten Beispiel ersichtlich war, daß das Theatrum in BandV gelegentlich ganz andere Relationen als die Meßrelation benutzt, somag nunmehr noch ein Beleg dafür beigebracht werden, wie auch da, wonahe Verwandtschaft zwischen beiden Unternehmungen besteht, nur andie selbständige Verarbeitung der gleichen Quellen zu denken ist.

Theatrum V ed. 1647 S. 1079 Rel. Hist. OM.-HM. 1646 S. 28 und 29

Da dann mit denen auß der VestungGießen abgefolgten groben StückenundFeuermörsern auch EinwerffungGranaten dem Ort hart zugesetztworden. Also daß nach Schließ-undFällung einer Brechen ein Sturmb

beschehen jedoch von den Nieder-Hess. abgeschlagen und verbawetworden. Ob schon nun ein

Darmbstättischer Hauptmann samptwenig andern in der Breche

niedergelegt wurde. Jedoch weiln die

.... diesselbe mit denen auß der VestungGießen zugeschickten groben Stückenund Feuermörseln dergestaltangegriffen, Presse geschossen und mitEinwerffung Feuerballen ihnenzugesetzt, daß die darinn gelegeneNider-Hessische Völcker solche selbenAbends noch (weiln der Nachrichtnach mehr nicht dann nur 50 Mann zuFuß unnd 10 Reutter underm Com-

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Niederhessis. Defensionirer von den

übrigen Außziehenden fast kaum 100Mann zu Ross und Fuss zusammen

bringen konnten. Die Bürger gäntzlichwegen ihrer Lands Obrigkeit die Hand

abgezogen. Benebenst die Nacht undgrössere Gefahr herein tratten; Istdarauf noch selbigen Abends die Sachzu einem Accord kommen. Also, daßfolgenden Tags die Niderhess.Besatzung uff gegebene Geysel mitSack und Pack, Ober- undUntergewehr, klingendem Spiel unddergleichen nach Kriegsmanieraußgezogen. Und von HessenDarmbstättischen biß gegen Kirchheynconvoyirt worden.

mando eines Capitains Rorich genanntgelegen) mit Accord übergeben müssengestalt dann die Hessen-CasseIischeden 30. diß nit Ober- undUndergewehr, auch Sack und Packauß- und bey Giessen vorüber gezogenunnd von den Hessen-Darmstättischenbiß gen Kirchhain Begleit bey sichgehabt.

Die wörtliche Uebereinstimmung im Anfang und Schluß dieserStellen zeigt, daß beide auf die gleiche Quelle zurückgehen können. DieMeßrelation streicht aber aus dieser ursprünglichen Relation ein Stück,das infolgedessen im Theatrum als Plus dasteht, und ersetzt es durchEinfügung einer anderen „Nachricht”, was durch die den Zusammenhangunterbrechenden Klammern deutlich gekennzeichnet ist. Unter diesenUmständen ist die Meßrelation sicherlich nicht Vorlage des Theatrumgewesen. An der hervorgehobenen Stelle schreibt die Meßrelation dieursprüngliche, gemeinsame Quelle genauer aus (cf. Merc. Gallo-Belg.XXVI lib. l, S. 31).

Band V krankt wieder an denselben Uebeln wie III und IV. Sofortschon auf den ersten Seiten fällt die verhältnismäßig starke Verwertungdes schlechten Quellenmaterials in die Augen, auf das Lotichius wegendes kurzen Abstands von den Ereignissen noch angewiesen ist. DieKlagen über die kurzen, unzuverlässigen Advisen, die die zuersteintreffenden dunklen Gerüchte verbreiten und selbst bei geringfügigenund nicht allzu ferne stehenden Ereignissen fortgesetzte Disharmonieaufweisen, nehmen einen weiten Raum ein. Andauernd sieht derVerfasser sich gezwungen

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festzustellen, daß ihm Contrari-Advisen und widerwertige Zeitungenvorliegen (66, 67, 95, 105, 303, 306, 318, 340, 422, 466, 553, 899, 906u.ö.). Es handelt sich aber hier nicht bloß um geringfügige Unterschiede,sondern um scharfe Widersprüche. Soweit kommt es, daß recht oft dereine Bericht dieser, der andere jener Partei den endgültigen Siegzuschreibt (306). Viele Mängel des V. Bandes haben ferner ihre letzteUrsache in der schlechten Anordnung. Das von Lotichius eingehalteneOrdnungssystem erinnert an das von Oraeus im III. Bande beobachteteVerfahren. Als Ordnungseinheit wird der Monat zugrunde gelegt.Innerhalb dieses Zeitraums wird jedem Kriegsschauplatz oder Land einebesondere Rubrik eingeräumt. Einen besonderen Abschnitt nehmen stetsdie Friedenstraktaten ein. Die Reihenfolge der verschiedenen Rubrikeninnerhalb eines Monats ist vielfach eine gleichförmige, aber noch keinebestimmt festgehaltene. Ist für einen derartigen Abschnitt in einem Monatzu wenig Stoff vorhanden, so wird er ruhig für die gleiche Rubrik imnächsten Monat aufgehoben. Diese Freiheit gegenüber derchronologischen Monatseinteilung, sowie ein größeres Geschick undbessere Uebung lassen die Mängel dieses Ordnungsverfahrens nicht sohervortreten wie bei Oraeus in Band III. Gleichwohl rechnet die TraditionV nicht mit Unrecht zu den von I und II sich abhebenden, schlechtenBänden des Theatrum. Auch der Verlag mag mit der Arbeit des Lotichius(1598-1669) nicht zufrieden gewesen sein, da man ihm die Besorgungdes 1652 erscheinenden VI. Bandes nicht mehr anvertraut hat, undSchleder es sich gestatten kann, an den Ausführungen seines VorgängersKritik zu üben.

VI und VII.

Schleder ist einer der beachtenswertesten Frankfurter Kompilatorendes XVII. Jahrhunderts. Mehrere Jahrzehnte

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liegt die Abfassung der Frankfurter Relationes Historicae und lange Zeitauch die des Mercurius Gallo-Belgicus, die beide im Vertag von S.Latome erscheinen, in seinen Händen. In dem Mercurius ist er als Autorstets genannt; die Meßrelationen allerdings unterzeichnet er nur mit J. G.S. V. R. Allein in der den Zeitraum von der Herbstmesse 1658 bis zurOstermesse 1659 behandelnden Relation (S. 10) nennt er bei Einfügungeines seiner vielfach in seine deutschen Schriften eingestreuten Gedichteseinen vollen Namen: Johann Georg Schleder von Regensburg. AuchBand VI und VII des Theatrum sind laut Titelblatt von ihmzusammengetragen und beschrieben. Band VI trägt die Benennung„Theatri Europae sechster und letzter Theil“, Band VII den neuenHaupttitel: „Irenico-Polemographia“. VI beginnt mit dem Juli 1647 undreicht bis Ende 1650. Im Verhältnis zu den vorausgehenden Bändenerscheint dieser Teil ziemlich spät, erst 1652. Der Autor führt etliche,einen tieferen Einblick in die Verhältnisse der Verlagsanstalt gestattendeGründe dafür an, daß der VI. Band so spät ans Liecht kommen und sichin der Welt sehen lassen wollen (VI, Vorrede). Vornehmlich bringt derTodesfall des Verlegers (1650) einige Verwirrung. Die Erben sindunschlüssig, was sie für eine Resolution fassen sollen, zumal der ältesteSohn Matthäus nicht innheimisch ist und man seine Ankunft erwartenwill. So kommt es auch, daß die Leute, die bisher gegen billigenRecompens einige Materialien zu communicieren versprochen haben,ungewiß sind, ob die Erben das kosten- und mühereiche Unternehmenfortsetzen. Sie mögen ferner befürchten, daß ihnen kein Recompens mehrgeleistet oder daß die verakkordierte Vergütung geschmälert wird. Siehalten daher mit der Mitteilung von Dokumenten, besonders gedrucktenund geschriebenen Relationen zurück, so daß das Werk nicht begonnenwerden kann. Band VII, der die Zeit von Anfang 1651 bis Mitte März1657 umfaßt, erscheint gleichfalls spät, erst 1663. Wiederum hat die Un-

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zuverlässigkeit etlicher Leute, die Nachrichten und Pläne zu liefernversprachen, die unerfreuliche Verzögerung verursacht.Ueber den Lebenslauf Schleders bieten die meisten der benütztenNachschlagewerke nichts; nur Joecher überliefert uns: „Schleder,Johannes George, ein deutscher Historicus von Regensburg, florirtezwischen 1652—63 und verfertigte zu dem bekannten Theatro Europaeoden 6. und 7. Tomum von 1647 bis mit 1658 unter dem Titel: Irenico-Polemographia; gab auch königliche und ertzhertzoglicheReisebeschreibungen und Andr. Corvini fontem latinitatis bicornemvermehrter heraus.” In einem Sonett, das Schleder seiner liebenVaterstadt Regensburg widmet (VI 984), macht er. einige Andeutungenüber seinen Lebenslauf. Danach ist er frühestens 1610 zu Regensburggeboren und erzogen, sodann ging er in die Fremde. Seit dem 15. Mai1635 finden wir unseren Autor als Klassenführer der VI. Klasse desFrankfurter Gymnasiums. Am 11. August 1657 rückt er in die V. Klasseauf, die er bis zu seinem Lebensende 1689 behält (Lersner). Dasbesondere Interesse für seine alte und seine neue Heimat, Regensburgund Frankfurt, macht sich überall in den beiden vorliegenden Bänden ineiner Weise bemerkbar, wie es zuvor nicht zu beobachten war. Von derVerlagsstadt redet er nur mit Worten wie: „bey uns in Frankfurt” u.ä. (VI632, 779; VII 161, 1013). Werden z. B. in vielen Städten Freudenfeiernveranstaltet, so beschreibt der Kürze wegen der Verfasser nur dieFrankfurter Festlichkeiten (VI 1086; VII 365). Von Regensburg spricht erals von seiner „Geburtsstadt und werthem Vatterland”; dabei begeistert ersich so, .daß er sich zu dem oben erwähnten Sonett aufschwingt. Zudiesem Hervortreten persönlicher Empfindungen paßt das lebhafteGepräge der Ausdrucksweise. Es finden sich oft Zwischenrufe, wie:„Siehe da!” oder „Was geschieht?” Freudige Ereignisse und glücklicheWendungen werden mit einem „Gott Lob!” begrüßt, traurigen und

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unglücklichen Geschehnissen wird ein die Anteilnahme verratendes„leyder!” beigefügt. Zu diesem lebhaften Stil paßt es, wenn der Verfasservielfach in seiner Darstellung den „großgünstigcn Leser” anredet. EinAusfluß persönlicher Empfindungen sind ferner die GratulationenSchleders zu glücklichen und fröhlichen Ereignissen, die meist in Versegebracht sind (VI 939. 881, 1082; VII 97). Unser Autor gewährt auchdem Leser Einblick in seine Tätigkeit und macht ihn auf seine eigenenArbeiten aufmerksam. Er verweist gelegentlich (VI 13) auf Mercurii meicontinuati Tom. XXV, also auf den Mercurius Gallo-Belgicus, und teiltöfters mit, daß zitierte Relationen von ihm selbst ins Hochdeutscheübertragen worden sind (VI 365, 558; VII 112).

Bei einer Betrachtung der persönlichen Anschauungen der Verfasserder vorausgehenden Bände konnten wir bisweilen von der den Autorerfüllenden Friedenssehnsucht ausgehen, welche die Grundlage fürUrteile nach den verschiedensten Richtungen bot. Wohl gedenkt auchSchleder noch der Kriegsnot und des allgemeinen Verlangens nach demFrieden (VI 518, 658) und, sobald er in seinem Werke den Punkt desFriedensschlusses erreicht hat, gibt er seiner Freude darüber in einem inReime gebrachten Segenswunsch auf Kaiser Ferdinand II und dieSchwedenkönigin Christine Ausdruck. Aber dennoch ist bei ihm nichtetwa die Friedensfreude die alles andere zurückdrängende Stimmung. DieSehnsucht nach Ruhe hat ihr Ziel erreicht und es bleibt nur noch diefreudige Erinnerung an den glücklichen Friedensschluß. Daß aber auchSchleder zu den Leuten gehörte, die von ganzem Herzen eineBeendigung des leidigen Krieges wünschten, das beweisen seineMeßrelationen aus jener Zeit. Es liegt daher nahe, daß bei ihm eineeinseitige Parteinahme, die nur dazu dienen konnte, die zur Ruhegekommenen Gegensätze zu neuem Streit anzufachen, nicht zu erwartenist. In der Tat ist von einer bestimmten politischen Tendenz nichts zuverspüren. Wenn

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Schleder Gelegenheit nimmt über einzelne Staaten oder besser nur überihre Regenten zu urteilen, so beweist er nach allen Seiten das gleicheWohlwollen. Er zeigt .sich als der Mann, der geeignet war „königlicheund ertzhertzogliche Reisebeschreibungen” zu verfertigen. Allenmöglichen Fürsten, besonders aber den Angehörigen des kaiserlichen undschwedischen Herrscherhauses, bringt er, sobald ihm seine Darstellungdazu Anlaß bietet, bei Freud und Leid alleruntertänigst seinenGlückwunsch oder Anteilnahme meist in poetischer Form entgegen.Diese nach allen Seiten sich wendende und deshalb ziellose Ergebenheitbürgt dafür, daß unser Autor die von ihm wiederholt in Anspruchgenommene Parteilosigkeit in politischer Beziehung zu wahren vermag.Selbst in der Quellenauswahl verspricht er Tendenzlosigkeit. Er will nurglaubwürdige und unparteiische, bei wichtigen Begebenheiten ganzungeänderte Berichte bringen. In zweifelhaften Fällen bietet er mehrereRelationen und läßt die Wahl vollständig frei. Gerade damit will erzeigen, „wie wenig ihm daran gelegen“, welcher Nachricht der LeserGlauben zustellen will (VI 343; VII 938). Was „allzu stachlicht undEhren rührig” ist, wird mit Stillschweigen übergangen (VII 626).Ueberall sonst hält er sich streng an die ihm zugestellten briefschaftlichenUrkunden und Dokumente und ist bereit, im Notfalle seine Darstellungmit „glaubhafften Documentis literariis” zu belegen (VI 804) oder diebenutzten Relationen auf Begehren vorzuweisen (VII 77).

Wenn Schleder auf politischem Gebiet sich eines einseitigen Urteilsenthielt, so war das daraus verständlich, daß nach dem Friedensschluß dieleidenschaftlichen Parteizwistigkeiten nachgelassen hatten. Die religiösenGegensätze indessen waren noch nicht zur Ruhe gekommen. DieReformationen und Restitutionen gaben noch zu manchen StrittigkeitenAnlaß. Es mag daher nicht wundernehmen, wenn in religiösen Fragen derAutor gelegentlich Töne in

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seiner Darstellung anschlägt, die uns in seine persönlichen Empfindungeneinen Einblick gestatten. Wenn der Verfasser einmal Dinge bringt, die,wie er sagt, die Katholischen nach Möglichkeit zu unterdrücken suchen,so geht daraus schon hervor, daß er selbst auf evangelischem Standpunktsteht (VI 972). Als Protestant empfindet Schleder Mitleid mit seinendurch die Reformationen in die Enge geratenen Glaubensgenossen inOesterreich und Schlesien. Die .innere Anteilnahme verraten seine inbewegten Ausdrücken gehaltenen Schilderungen. Einmal entschlüpft ihmbei der Erwähnung, des Reformationswesens sogar die Bemerkung:„gleich ob geschehe Gott dem Herrn ein besonderer Dienst daran” (VII179). Ganz besonders warmes Interesse zeigt Schieder bei den„Barbarischen Greuelthaten” gegen die Waldenser (VII 832). DaßSchieder etwas auf seine Religionszugehörigkeit gibt, das geht z. B.daraus hervor, daß bei den Segenswünschen, die er seiner VaterstadtRegensburg zuteil werden läßt, an erster Stelle die reine Lehre genanntwird. Als Verfechter der reinen Lehre zeigt sich der Autor in seinerStellungnahme gegen Nichtchristen. Bei der Schilderung derTürkenkämpfe, in denen Venedig die Führerschaft hat, nennt er diechristliche Partei durchweg nur die „Unserigen“. Er beglückwünscht dieglorreiche Republik zu ihren Siegen gegen den Erbfeind christlichenNamens. Einigkeit aller christlichen Staaten gegen den gemeinsamenFeind ist sein lebhafter Wunsch (VI 801). Als Nichtchristen erfahrenauch die Juden eine äußerst ungünstige Beurteilung (VI 643). Essprechen allerdings bei dieser antisemitischen Stimmung zweifellossoziale Erfahrungen mit. So wird nämlich eine Einschränkung derjüdischen Religion durch den Hamburger Magistrat, weil man befunden,daß der Bürgerschaft die Juden ihre Nahrung allzu sehr entziehen, alsheilsam, Preiß- und Ruhmwürdig bezeichnet (VI 639). Als eifriger undstrenger Anhänger des Christentums empfindet der Verfasser Abscheugegen

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die Sekten, wie sie namentlich in England wie Pilze aus dem Bodensproßten. Die Quäker belegt er mit der Bezeichnung Teufelsbrut (VII1000). Wenn an den Höfen die Fastnacht gefeiert wird, so hat er dafür dieBemerkung: „nicht auf Christliche, sondern nach recht HeydnischerGewohnheit” (VII 4QO). In den Segenswünschen und salbungsvollenSchlußbemerkungen unseres Autors prägt sich sein tiefgehender Glaubeaus. Es ist ihm mit seiner Frömmigkeit ernst. Alles Wirken in derGeschichte wie in der Natur schreibt er dem Walten Gottes zu. Von hieraus nimmt er auch Stellung zu der in seiner Zeit üblichen Ausdeutungvon Wunderzeichen. Sie sind seiner Ansicht nach meist Vorbotenkünftigen Unheils. Gelegentlich führt er wohl Auslegungen anderer an,zumal, wenn sie durch die folgenden Ereignisse ihre Bestätigung erfahrenhaben. Im allgemeinen jedoch verneint er die Möglichkeit, ihreBedeutung, die Gott allein bekannt ist, zu erforschen. „Was nun Gott derAllmächtige durch dergleichen erschröckliche Zeichen und Wunderwolle vordeuten gleichwie es menschlicher Vernunft zu erforschenunmöglich, also müssen wirs deß Großen und Wunderthätigen GottesAllwissenheit billich allein anheim gestellt seyn lassen: Der richte es alleszu seines Großmächtigsten Namens Lob, Ehr und Preiß. Uns armen sünd-hafftigen Menschen aber zu unser zeitlichen, allermeist aber ewigenWolfahrt und Seligkeit. Umb Jesu Christi unseres Heylandes willen” (VII467).

Der Ordnung, die Schleder in Band VI und VII zur Bewältigungseines Stoffes anwendet, liegt eine Einteilung nach sogenannten Titeln,Paragraphen, Klassen oder Rubriken zugrunde. Im Register des VI.Bandes sind die Titel der verschiedenen Rubriken namhaft gemacht.Jedes Land oder gelegentlich der Hof desselben erhält einen besonderenParagraphen. Die letzten Klassen sammlen den Unterhaltungsstoff. DieRubrikeneinteilung hängt gelegentlich vom Stoff selbst ab. Kommenneue Kämpfe z. B. vor, so erhalten

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sie eine eigene Rubrik zugewiesen. Fehlen gelegentlich cin-inaldenkwürdige Begebenheiten für einen Paragraphen, so lallt er einfachaus. Innerhalb der einzelnen Klassen wird auf chronologischeReihenfolge gesehen. Der Zeitraum, in den diese Einteilung eingeführtwird, ist verschieden. Meist erstreckt er sich über ein ganzes Jahr, aberhei reichlichem Stoff wird ein halbes Jahr nach dem ändern an der Handder Rubrikenfolge durchlaufen. Mit dieser Klassenabteilung, die imgroßen und ganzen eine Wiederaufnahme des von Abelin in Band l und IIbeobachteten Verfahrens bedeutet, bleibt Schleder für alle folgendenBände grundlegend. Noch bei Schneider, dem letzten unserer Autoren,sind die Hauptzüge der auf ein Jahr übertragenen AbteilungsordmingSchleders erkennbar. Ungeschickt muß es erscheinen, daß Schleder denUnterhaltungsstoff zum Teil in die Hauptrubriken schon einstreut, aberihn am Jahresschluß in den dazu reservierten Paragraphen nochmalswörtlich wiederholt, so daß fortwährend hier Dubletten bestehen (VI 882cf. 1029; VII 63 cf. 116). Besonders anerkennenswerten Fleiß hatSchleder ferner auf die Verarbeitung verschiedenartiger Berichte gelegt,die er gründlich miteinander vergleicht und kleinere Differenzen inZahlen-, Namen- und Zeitangaben nebeneinanderstellt. Ebenso bemüht ersich redlich, den geschichtlichen Verlauf zusammenhängend und klardarzustellen, wobei ihm seine Rubrikeneinteilung sehr zustatten kommt.Für die Schilderung der schwedischen Truppenbewegungen gibt ihm eineMarschroutenkarte der schwedischen Hauptarmee unter Torstensohn undWrangel, die von dem Generalquartiermeisterleutenant G. W. Kleinstretlverfertigt ist und mit Nummern die täglichen Quartiere markiert, denroten Faden ab. Die gute Disposition ist schon äußerlich dadurchgekennzeichnet, daß die Randschriften oder „Concordanzen” vielfach inZusammenhang miteinander stehen und, wie Schleder in seiner Vorredezu VI sagt, einen kurtzen Auszug der Histori vorstellen können.

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Aus alle dem geht hervor, daß der VI. und VII. Band nicht zu denschlechtesten gehören kann. Struve hat daher sehr mit Recht Schlederneben Abelin und Schneider aus der Reihe der Autoren des Theatrumhervorgehoben. Vor seinen nächsten beiden Vorgängern hat Schledereinige Vorteile voraus. Er schreibt erst mehrere Jahre nach denEreignissen und kann also eine Uebersicht über das einlaufendeQuellenmaterial gewinnen, ohne sich auf jene ersten und schlechtenNachrichten allein verlassen zu müssen. Seine von einer strengenChronologie freie Ordnung bewahrt ihn vor vielen der in III, IV und Vbeobachtbaren Mängel. Sodann verfügt Schleder über eine langjährigekompilatorische Praxis. Besonders ist er mit dem im Theatrumverwerteten Quellenmaterial zum guten Teil schon aus seinenvorausgehenden Arbeiten an den Meßrelationen und dem Mercuriusvertraut.

Es ist daher ein Vergleich der Meßrelationen und des Theatrumdiesmal besonders interessant und lehrreich.

Theatrum VI ed. 1652 S. 147 Rel. Hist. HM. 1647 - OM. 1648

.... welche dann den 5. 15. früe umb 2uhren mit den Stücken einen Anfanggemacht und die darinnen dergestaltgeängstiget, daß sie sich Nachmittagsumb 2 Uhren auf Discretion ergebenmüssen. Worauff der Flecken undSchloß mit den armen Leutenaußgeplündert alles Vieh abgenommen

und 19 Mann undergestellt, derLieutenant aber so selbe commandirt inArrest genommen worden. Solchemnach ist Sonnabends den 6. 16. dieArtillerie sampt etwas Reutterey mit

obgedachtem H. Gen. Passagi in denWormbsichen Vor-Stätten, das

Oehmische Regiment aber zu Pferdunnd das Klugische zu Fuss inPfedersheim ein Meyl von gedachtemFranckenthal und ein Meyl von

Wormbs wieder angelanget.

...welcher es am 5. 15. früh biß nachMittag also beschossen, daß sich derdarinn gelegene Leutnant auffdiscretion ergeben, im Arrestverbleiben und die bey sich gehabte 19Knecht understellen müssen. Demnachnun erwehnter General-Major besagtesSchloß sampt dem Flecken plündernlaßen, ist er mit den Stücken auch theilsVölckern den 6. 16. Novemb. in dieWormbsische Vorstätte zurück dasübrige aber zu Pfödershelmankommen.

Daß Schleder in beiden Fällen die gleiche Relation zu-

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grunde gelegt hat, ergibt sich aus der Aehnlichkeit. Allein im Theatrumschreibt er den ursprünglichen Bericht genauer aus, als er es in derMeßrelation getan hatte. Wir haben also hier eine Bestätigung der schonbei Abelin gemachten Erfahrung, daß die Kompilatoren nicht einefrühere eigene Bearbeitung der gleichen Ereignisse einfach abschreiben,sondern nochmals aus den Urquellen eine neue Darstellung formen.

VIII und IX.

Die Vorrede des VII. Bandes vom 12. April 1663 behauptet, daß derAutor des folgenden Teiles bereits „in würcklicher Arbeit begriffen” sei.Der neue Kompilator, den der Verlag Merian gewonnen hat, ist MartinMeyer vom Hayn (Haynau) in Schlesien. Sein Geburtsjahr laßt sich aufum 1640 (Vorrede zu Ortelius) berechnen. Auf der Stadtschule zuLiegnitz ist er seiner eigenen Aussage nach „zu einem vernünfftigenMenschen erzogen” worden. Er bezeichnet sich in seinen Schriften alsPhilolog. et Hist. Stud. oder als Historiophilus. Wegen seines geliebtenVatterlandes bißherigen unruhigen und traurigen und (leyder!) nochtrauriger hervorscheinenden Zustands hat er zu Frankfurt gleichsamverbannt leben müssen (Ortelius; Vorrede). Meyer hat es offenbar zukeiner festen Berufsstellung gebracht, sondern verdient sich durchpublizistische Tätigkeit sein tägliches Brot. Nachdem er bereits mit einerFortsetzung des Ortelius, des Philemerus Irenicus Elisius und Lundorpsbetraut worden war, erhält er von dem Verlag Merian den Auftrag dasTheatrum Europaeum zu kontinuieren. Sein Vorgänger Schleder mußtenämlich „wegen herbeynahendcn, unvermögenden Alters und andererschwer obliegender Ampts-Geschäfften” die Ausarbeitung der folgendenBände von sich abwälzen. Der VII. Band war nur bis

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zum März 1657 fortgeführt. Im VIII. Band behandelt Meyer den Restdes Jahres 1657 und führt die Darstellung bis zum Mai 1660. Hier brichter ab, weil der Band bereits zu umfangreich geworden ist. Der VIII. Teildes Theatrum erscheint erst 1667. Die durch den Tod M. Merlan desAelteren erfolgte Stockung in dem Unternehmen scheint immer nochnicht ganz überwunden zu sein. Dazu bemerkt Meyer, daß wiederum dieZusendung von Dokumenten und Plänen zu spät erfolgt sei. Endlichnimmt er einen Teil der Schuld für die Verzögerung auf sich. Die Zahlder vorhandenen Relationen sei zu groß gewesen. Dabei wollte er sichbemühen, nichts Wichtiges zu übergehen und besonders durch Mitteilungaller Urkunden den verschiedenen Parteieil gerecht zu werden. Mit demnächsten IX. Band, den er bereits unter den Händen habe, will er sichdrum um so mehr beeilen, um die mißgünstige und neidische Be-hauptung, als ob dieses unser Werck gäntzlich ins Stecken gerathenzugleich mit zurück in die finstere Schand-Höle der Unwahrheit zutreiben (VIII Vorrede). Allein der IX. Band, der mit dem Juni 1660beginnt und noch etwa die Hälfte der Rubriken des 1665 Jahresbehandelt, erscheint auch erst wieder 1672.

Meyer behält die Rubrikenordnung seines Vorgängers bei. Wenn ersich auch nicht scheut, entsprechend den Ereignissen alte Rubrikenabzuschaffen oder neue zu erschließen, so ist er doch darin unselbständig,daß er in seinen beiden Bänden die gleiche Reihenfolge der Rubrikenfortgesetzt einhält und die einzelnen Abteilungen zu säuberlichvoneinander trennt. Er entzieht sich also der Einsicht, daß, wennEreignisse von einem Staat in den andern überspielen, am besten diediesen beiden Ländern zugewiesenen Rubriken nebeneinandergestellt undihr Inhalt nicht zu scharf geschieden werden darf.

In der Stoffaufnahme treten ferner bei Meyer einige Aenderungenauf. Seine Bände stehen den vorausgehenden

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nicht im geringsten an Seitenzahl nach, vielmehr übertreffen sie diesesogar. Der durch das Ende des deutschen Krieges bedingte Stoffausfallwird durch die bei Meyer besonders in den Vordergrund tretendenTürkenkämpfe lange nicht ausgefüllt. Er holt daher den für seinemächtigen Bände noch fehlenden Stoff vornehmlich aus zwei Gebieten.In weitem Maße zieht er zunächst Hofgeschichtcn heran. Es handelt sichhier in der Hauptsache um fürstliche Freuden- und Traucrfeierlichkcitcn,die nach Art ihrer Ausmalung z.B.: genaue Schilderung von Haltung,Kleidung, Schmuck, Zug- und Rangordnung u.ä. dem Unterhaltungsstoffzuzuweisen sind. Er selbst nennt dieses Gebiet einmal Materie von lauterZierde, Pracht, Herrlichkeit und Lust. Dieser Stoff zieht auch nach undnach Verwandtes an sich. So werden Eheverlöbnisse, Geburten,Todesfälle, Hinrichtungen vornehmer Personen, endlich Wunder,Wasser- und Feuerschaden u. ä. in den Hauptrubriken untergebracht.Aeußerlich kann man diese Tatsache daran konstatieren, daß derVerfasser, wenn er an die dem Unterhaltungsstoff Uoch eigentlichzugewiesenen Schlußrubrikcn kommt, gar kein Materiaf dafür mehr hatund sich großenteils mit Verweisen auf die vorausgehendenHauptrubriken begnügen muß. Ein großes Gebiet bekommen sodannAktenstücke zugewiesen. Meyer mag von seiner Arbeit am Diarium undLundorp die Vorliebe für diese Art des Materials mitgebracht haben. ImIX. Bande scheint er aber zur Erkenntnis gekommen zu sein, daß imTheatrum mehr der Erzählungs- als der Aktenstoff überwiegen soll undbemerkt daher in der Vorrede, daß dieser Teil „frey von ictis publicis undgewechselten Schrillten” sei.

Wir kommen nun dazu die Züge der Darstellung aufzuweisen, dieals Ausdruck persönlicher Verhältnisse, Anlagen und Empfindungen desAutors zu fassen sind. Wie Schleder so orientiert Meyer seineBeschreibung nach seinem derzeitigen Wohnsitz Frankfurt a/Mayn, vondem er mit „all-

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hier”, „unsere Stadt” u.ä. redet. Als leicht mißverständlicherSprachgebrauch unseres Verfassers muß weiter festgestellt werden, daßer von einer Stadt oder Gegend, die er einmal namhaft gemacht hat, imnächstfolgenden Zusammenhang einfach nur noch mit Ausdrücken wie„allhier” und „hiesiger Orten” spricht. Ein für ihn gleichfallscharakteristisches, wenn auch seltener auftretendes Merkmal ist derEinschub „sag ich”. Ein Kennzeichen seines Stils ist femer die Einfügungvon Sprichwörtern und Zitaten in die Darstellung. Besonders in denEinleitungen zu den einzelnen Rubriken geht Meyer meist von einerlateinischen oder deutschen Sentenz aus, die er auf die politischenGeschicke des in Frage stehenden Landes ausdeutet. Nicht nurSprichwörter, sondern auch aus Natur und Menschenleben genommeneVergleiche, die vielfach nicht ungeschickt durchgeführt werden, sind zuEinführungen benützt.

Von den religiös-politischen Anschauungen Meyers läßt sich wenigsagen. Die Gestaltung und Form der Erzählung bei religiösenStreitigkeiten, sowie gelegentliche, spärliche Aeußerungen (IX 1455)lassen uns den Verfasser als Protestanten erkennen. Für ein Hervortretenpolitischer Tendenzen liegen schon die Verhältnisse, aus denen derVerfasser schreibt, wenig günstig. Der große deutsche Krieg, der dasReich in verschiedene Heerlager spaltete, ist vorüber. So bietet sich alsounserem Autor wenig Gelegenheit zur Parteinahme. Was aber damalsvornehmlich noch das ganze Reich und die gesamte Christenheit bewegt,das sind die Türkenkämpfe. Diese Zeit, in der allerorten in Deutschlanddie Türkenglocken läuteten, hat allerdings einen Nachklang im Herzenunseres Verfassers hinterlassen. Denn er hat es erlebt, wie die ganzeChristenheit sich zur Abwehr des Erbfeindes christlichen Namens rüstete.Dazu hat er sich auch in seinen Schriften, besonders dem Ortelius, d. i.den „Ungarischen Kriegsempörungen”, mit diesen Ereig-

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nissen eingehend beschäftigt. Die Türkenkämpfe bilden mit Bewußtseinein Hauptstück namentlich des IX. Bandes. Das ist auf dem Titelblattausdrücklich vermerkt, und auf dem Titelkupfer sehen wir dem Kaiserden Sultan gegenüberstehen und unter ihnen kämpfende türkische undchristliche Reiter. Es ist ohne weiteres klar, daß Meyer einetürkenfeindliche Tendenz vertritt. Das macht ihm niemand zum Vorwurfder Parteilichkeit, das war vielmehr für einen Christen Recht, wenn nichtPflicht. Mit den abfälligsten Ausdrücken beklagt er es, wie der Wüterichzu Konstantinopel unter den armen, verlassenen Christen eineMenschenhatz anstellen läßt. Die armen christlichen Gefangenen werdenvon den „barbarischen Hunden” mißhandelt und verlockt, zu demUnglauben und Greuel des „Lügenpropheten Mahomet” überzutreten.Das Bestreben, die Christenheit „wider den gemeinen Erbfeind zu

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vereinigen, findet Lob und Beifall des Verfassers. Er bedauert es, wennbei der drohenden Türkengefahr irgendwo die Reichsharmonie gestört zuwerden droht, wenn wieder irgendwo Christenblut vergossen und daswider die boßhafftige und treulose Mahometaner verordnete Kraut undLoth wider Christen und gleiche Religionsgenossen angewendet werdensoll. Nicht nur wegen des gemeinsamen Vorgehens gegen den Erbfeindliegt Einigung aller christlichen Potentaten dem Autor am Herzen. Seineängstliche Sorge um Aufrechterhaltung des Friedens läßt sich noch alsanhaltende Nachwirkung der abstoßenden Landesnot im dreißigjährigenKrieg verstehen. Wenn der große deutsche Krieg als die berühmtesteKriegsschule bezeichnet wird, so kann er es sich nicht versagen,hinzuzufügen: „leider zu des gantzen Landes höchstem Schaden!” Undals einmal bei den Frankfurter Beratungen 1658 der Churfürst von derPfalz von dem churbayrischen Abgesandten gereizt, nach diesem einTintenfaß schleudert, ein Affront, der zu schweren KomplikationenAnlaß geben

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konnte, da bemerkt Meyer: „Hierüber entstund bei allen getreuenPatrioten nicht wenig bekümmerte Vorsorg, als ob dem Vatterlandhierauß eine neue Ungelegenheit und Weittläufttigkeit, ja wohl gar einLandverderblicher Krieg zuwachsen dörffte.”

Bezüglich des benutzten Quellenmaterials läßt sich aus Band Vlllund IX selbst nicht mehr wie sonst ersehen. Meyer wird wegen derParteilichkeit seiner Quellen gelegentlich mehrere Relationen von denverschiedenen Seiten anzuführen genötigt (Vlll 912). Betreffs derUnsicherheit der einlaufende Berichte macht er einmal (VIII 985) dieinteressante Mitteilung, daß die Nachrichten um so spärlicher undschlechter einlaufen, je weiter der Schauplatz der darin beschriebenenEreignisse vom deutschen Reich entfernt ist. So kommt z.B. vonNorwegen wegen der großen Entfernung nur wenig ein (Vlll 923).Bemerkenswert ist noch, daß das Titelblatt besagt, daß das Werk „außvielen treulich mitgeteilten Schrifften, nachrichtlichen Berichten undbrieflichen Urkunden zusammengetragen” ist. Wir können aber noch aufanderem Wege in die Quellenverhältnisse des Vlll. und IX. Bandes tiefereindringen.

In Betracht zu ziehen sind hier vor allem die bereits vorliegendeneigenen Arbeiten Meyers über die im Theatrum VIII und IX behandeltenEreignisse, nämlich das Diarium Europaeum, das von Band III (1660) ausseiner Feder stammt, und der Ortelius, den er gerade für die Zeit 1658—64, wie die Vorrede versichert, nicht aus anderen Schriftstellern, sondernaus Einzelrelationen zusammenstellt. In der Vorrede der„Kriegsempörungen” gibt Meyer zugleich einen wertvollen Einblick indie Art seiner Arbeit. Auch im vorausgehenden Diarium hat er schon dietürkischen Geschichten besprochen. Er sagt aber ausdrücklich, daß erspäter beim Ortelius nochmals die alten Einzelrelationen zur Handgenommen, neue hinzugefügt Und daraus zum

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zweiten Male eine Darstellung gebildet habe. Danach zu schließen, wirdMeyer seiner Arbeitsmethode entsprechend beim Theatrum nochmals dieUrquellen vornehmen und nicht etwa den Ortelius oder das Diariumselbst.

Schon ein oberflächlicher Vergleich des Diarium, des Ortelius unddes Theatrum zeigt, daß zahlreiche wörtliche Uebereinstimmungenzwischen diesen drei Werken bestehen. An einigen Beispielen mag diesillustriert werden. Im Diarium V. Teil findet sich im Appendix einDokument, das betitelt ist: „Der Ungarischen Herrn Consiliarien, so zuOrätz versammelt, Meynungen: Wegen beschchenen Angriffs aufWardeyn”. Dieses Schriftstück, das hier noch ganz allein steht, wird indie Darstellung des Ortelius (II S. 180), sowie in die des Theatrum (IX S.28) eingearbeitet. Wir können daraus ersehen, wie schon im Diariumvorliegende Urkunden für Ortelius und Theatrum wieder verwertetworden sind. Selbst zwischen den beiden ersten Teilen des Diarium fürdie Jahre 1657—59, die noch gar nicht von Meyer verfaßt sind, und demTheatrum besteht schon die gleiche innige Verwandtschaft Als Belegmag die Beschreibung der Reise Leopolds zur Kaiserwahl nach Frankfurtangezogen werden.

Rel. Hist. OM.-HM.

1658 S. 83

Theatrum VIII S. 348

und 349

Diarium Europaeum

S. 576

Selbigen Tags Abendhat man sich zu FürthOnspach. und Nürnb.Jurisdiction einquartirtvon dannen auß vielunterschiedliche Hof-Cavagliri deß Kön.Comitats sich inNürnberg begeben, umdie Statt zu besichtigen:denen von E. E. Rathdie allda verwahrtehochansehnlicheReliquien mit ward zuFürth Kön. Tafelgehalten usw.

Auff den Abendquartierte man sich zuFürth ein, welchesFürstl. OhnspachischenGebiets ist. Von hierauß begaben sich vielHof-Cavalliere nachNürnberg die Stadt zubesichtigen, denen vonEinem Wol Edlen undHochweisen Rath alldadie bei Ihnenwohlverwahrte hochan-

Auff den Abend hatman sich zu Fürth,Onspach-NürnbergischemGebiethes einquartirt.

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I S. 597behöriger Andacht. Ingleichem der erwehltenRöm. Keyser Zierat undKleidungen als Cron

Scepter etc. wie auchKeysers Caroli MagniSchwert, womit beyKayserl. Crönungen dieRitter pflegengeschlagen werden,willig gezeigt worden.Montags, den 25. Febr.ward zu Fürth Kön.Tafel gehalten usw.

sehentliche Reliquienmit gebührenderAndacht: Ingleichen dererwählten Röm. KeyserZierrath undKleinodien, als Kron,

Scepter, Reichs- Apffelund anders mehr wieauch Keyser Carls desGroßen Schwerd,womit bey einerKeyserl. Crönung dieRitter pflegengeschlagen werden,gezeigt ward. Den 15.25. wurde zu besagtemFürth Königl. Taffelgehalten usw.

Den 15. dieses (zuwelcher Zeit Ih. Königl.Maj. zu Ungarn undBöhmen noch immerReißfertig waren)wurde zu Fürth dahinden 14. dieses kommen,Königl. Tafel gehaltenusw.

Eine wertvolle Hilfe bietet die Meßrelation. Sie zeigt, daß es sichhier ursprünglich um eine Einzelrelation handelte, die eine „UmständigeBeschreibung der zu Hungarn und Böheim K. M. Leopolden etc. Reisenach Frankfurt” gab. Das Theatrum kann bei seiner Rubriken-einteilungden ganzen Bericht einreihen, das Diarium hingegen mit seinerin seinen ersten Teilen eingehaltenen strengen Tagesordnung reißt dieganze Relation in einzelne Tagesstationen auseinander (Diarium I S. 565,573, 574, 575, 576, 597, 598, 603, 614, 615, 629, 630). Bei dieserTrennungsarbeit hat das Diarium zwischen den von. uns zitierten Stellenein Stück ausfallen lassen, das infolgedessen bei dem Theatrum und derMeßrelation als Plus dasteht. Das Theatrum hat also unmöglich hier dasDiarium benützt. Ihre Aehnlichkeiten erklären sich nur aus einemZurückgehen auf dieselbe Quelle. Jetzt taucht aber sofort die Frage auf,ob nicht etwa die Meßrelation die Quelle des Theatrum war. Diebisherigen Untersuchungen haben stets zu zeigen gesucht, daß auch dieVerwandtschaft des Theatrum und der Meßrelation nur aus einerbeiderseitigen Verwertung des gleichen Quellenmaterials herzuleiten ist.Das wird ebenso an dem hier angeführten Beispiel wiederwahrscheinlich, wenn wir beob-

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achten, daß das Theatrum die Stelle der Meßrelation: „Zierat undKleidungen als Cron, Scepter” in einer erweiterten und andersartigenFassung: „Zierrath und Kleinodien als Krön, Scepter, Reichs-Apffel”aufweist. Es ließe sich demnach vielleicht die enge Verwandtschaftzwischen Meßrelationen, Diarium und Theatrum aus einer selbständigenBenützung des gleichen Quellenmaterials in allen drei Werken erklären.

Wie steht es nun mit diesen Fragen an den Partien des Theatrum, andenen die von Meyer selbst verfaßten Teile des Diarium und seineFortsetzung des Ortelius vorliegen? (s. S. 80.)

Aus der Nebeneinanderstellung dieser Berichte läßt sich folgendesschließen. Die 1660 erscheinenden Relaliones historicae geben dieverwerteten Nachrichten in ihrer ursprünglichsten Form wieder. Es warenzwei Schreiben, das eine aus Caschau und das andere aus der Tükei. DasDiarium, das auch schon 1660 herausgegeben wurde, kannte nur dasletztere Berichtschreiben und hat daraus das Treffen zu Clausenburg sodargestellt, daß man es für einen Sieg Ragoczys halten muß. Orteliuserschien erst 1665, hatte also mehr Zeit sich nach Quellenmaterialumzusehen und bekam dabei das Schreiben aus Caschau zur Hand, wasdazu ver-antaßte, das Treffen bei Clausenburg als Niederlagehinzustellen, ohne aber die im Diarium verwertete Relation ganzauszuschalten. Im Theatrum Europaeum erinnern nur noch einzelne Zügean die beiden ersten Berichtschreiben. Das Theatrum hat 1667 ganzsichere Mitteilungen zur Hand bekommen. Das Treffen steht alsNiederlage des Ragoczy fest. Die Uebertreibungen der ersten, unsicherenNachrichten sind gestrichen und gemifdert. Im übrigen ist eineausführliche und in ihren Angaben bestimmt auftretende Schilderung desfür den Fürsten so unglücklichen Kampfes geboten. Die Vorzüge desTheatrum, die sich also hier ergeben, sind eine Selbständigkeit gegenüberallen vor-

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ausgehenden kornpilatorisdien Schritten und eine weit größereZuverlässigkeit. Ferner ergibt sich für die Arbeitsmethode unseresKompilators, daß er in allen seinen drei Werken jedesmal die Berichtevon neuem durchsieht und verarbeitet, so daß seine letzte und dritteDarstellung der ungarischen Ereignisse im Theatrum als die bestebezeichnet werden darr. Bei den übrigen Rubriken des Theatrum nimmtMeyer zwar erst zum zweiten Male dieselben Quellen vor, aber auch dasgenügt, um ihm einen sehr vorteilhaften Üeberblick über die einlaufendenNachrichten zu verschaffen. Daß übrigens, je weiter die zeitlicheEntfernung von den Ereignissen ist und je öfter die Quellen neugesammelt und verarbeitet werden, um so mehr sich das Geschichtsbildändert, das hat Meyer selbst erfahren und empfunden, so daß er in derVorrede zu Band IX zu sagen sich gedrungen fühlt: „Daß, wenn jemandin diesem Theatro eine und andere Geschichte als zum Exempel etwandie Siebenbürgische und Ungarische Kriegshändcl mit wcitläuftigcrenoder wol gantz ändern Umständen als in dem anderweit von mir untermeinem oder dem Namen Philemeri Irenici beschriebenen Chronickenund Oeschichtserzehlungen antreffen wird, niemand deßwegen einigenungleichen Verdacht fasse, als ob auß Partheilichkeit der Sache entwederdort zuwenig oder allhie zuviel geschehen seyn möchte: denn die Zeit alseine Mutter der Wahrheit hat seithero manches an deß Tages Liechtgebracht, welches anfangs unter den noch raßenden Waffen so bald nichtzum Vorscheine kommen können; so haben auch hohe Generals-Personcn und andere vornehme Kriegs-Bediente ihnen gnädig undhochgeneigt belieben lassen mit ihren nicht weniger durch kluge undfürsichtige Anstalt als auch tapfere Faust preißwürdigst hinauß geführtenund beydes mit der Feder entworffenen und dann auch mit dem Pinselgleichsam lebendig vorgestellten Actionen und Verrichtungen unserTheatrum zu unterstützen und zu bezieren, weilen demselben

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hochverdienter Rhum dorten nur als auß einem tunckelen Schattenerkannt werden müssen.”

X.

Schon der IX. Band hat in seiner Vor- und Schlußrede einigeBemerkungen gemacht, die sich auf den folgenden Teil bezogen. Der IX.Band war unter den Händen so umfangreich geworden, daß Meyer sichentschloß, mitten im 1665ten Jahre abzubrechen und die übrige biß auffdas 1670te Jahr schon meistens fertige Materie in einen neuen, und zwarden zehenden Theil zu versparen (IX 1576). Fast mit denselben Wortenwird versichert, daß die für den Rest von 1665 wie auch die zu den denJahren 1666, 67, 68 und 69 bereits verfertigte Materie beysammen biß inden bald bald lind (wenn Gott Leben und Gesundheit fristen wird) in demnächsten Jahre folgenden Zehenden Theil versparet bleiben wird(Vorrede zu IX). Wenn Meyer hier weiter verspricht, bis zum Jahre 1673den folgenden Band fertigzustellen, der die Ereignisse für 1665—72behandeln sollte, so müssen wir in der Tat annehmen, daß wenigstensschon für die ersten der genannten Jahre die Materie druckreif war. Wennwir nun den X. Teil zur Hand nehmen, der 1677 die Geschichten derJahre 1665—71 veröffentlichte, fällt auf, daß die erste Hälfte X, I S. 1—982 mit einem besonderen Register schließt. .Sodann beginnt die zweiteHälfte mit einer eigenen Seitenzählung X, II S. 1—620 und fügt amSchluß gleichfalls ein Register an. Wenn dabei die erste Hälfte gerade dienach der Aussage Meyers bereits von ihm ausgearbeitete Materie derJahre 1665—68 enthält, so werden wir schon von hier aus zur Vermutunggedrängt, daß X, I der Feder des Autors des VIII. und IX. Bandesentstammt. Sollte diese Annahme ihre Richtigkeit haben, dann muß sicheine Verwandtschaft dieser ersten Hälfte des X. Bandes mit den beidenvor-

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ausgehenden Teilen des Theatrum nachweisen lassen. DieRubrikenordnung, wie überhaupt die Anlage des Stoffs und Verwertungder Quellen, ebenso auch der ein besonderes Interesse verratende,eifernde Ton gegen den Erbfeind (90) stimmen mit VIII und IX überein.Allein es sind dies alles Dinge, die nicht als die für eine Persönlichkeitausschließlich charakteristischen Merkmale gelten können, sondern diesich als eine von Verfasser zu Verfasser sich fortpflanzende Traditionverstehen lassen. Als ein Zeichen der Verwandtschaft darf aber vielleichteher die Tatsache betrachtet werden, daß die für Meyer charakteristischeVerwertung von Sentenzen, Zitaten oder Vergleichen zur Einleitung dereinzelnen Rubriken sich X, I wiederfindet (cf. X, I 2, 69, 199, 253, 560).Bemerkenswert ist es schließlich vor allem, daß der von Meyerbevorzugte Gebrauch, für die Stadt oder das Gebiet, das er geradebehandelte, einfach die Ausdrücke „allhier” (X I 76) oder „hiesig” (X I 4,9, 18, 36, 91, 841) einzusetzen gleichfalls in X, I wiederkehrt, währendX, II sich höchstens einmal der Worte „dasselbst” und „selbig” bedient.Aus den angeführten Gründen darf es als sehr wahrscheinlich gelten, daßdie erste Hälfte des X. Teils noch von Meyer fertiggestellt war und daßder als Autor des X. Bandes eingeführte Geiger nur die zweite Hälfte zurErgänzung angefügt hat.

.Wolffgang Jakob Geiger, der Rechten Beflissener, schreibt inFrankfurt; denn er kann für diese Stadt die Bezeichnung „allhie”anwenden (X, II 476, 478). Daß er seiner Darstellung ein besonderespersönliches Gepräge verliehen habe, kann kaum behauptet werden.Gelegentlich gibt er einmal seine Anteilnahme durch ein dazwischen-geworfenes „leyder” zu verstehen. Wenn er bei den Kämpfen derChristen und Türken hie und da (X, II 32, 141) einfach von den„Unsrigen” spricht, so ist immer noch zweifelhaft, ob .wir dies alsZeichen des Interesses oder als unvorsichtige Quellenbenutzung auslegensollen. Der Autor verwertet

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ferner in gleicher Weise ohne Abstriche oder Ausgleich katholisch wieprotestantisch gefärbte Berichte. In Ordnung und Anlage schließt er sicheng an seinen Vorgänger an. Wie bei Meyer, so füllen sich auch seinevon den Höfen handelnde Rubriken stark mit den in Unterhaltungsstoff-manier schildernden Hofgeschichten. Selbst von Geburtstagsfeiern wirdin eingehender Weise Nachricht gegeben. Bei seiner offensichtlichenGleichgültigkeit gegen den behandelten Stoff bringt es der Verfassernicht zu einer innigeren Verbindung seiner Quellen, so daß die einzelnenRelationen vielfach lose aneinandergefügt sind. Daß Geiger von der ihmwegen des Zeitabstandes von den geschilderten Ereignissen gebotenenMöglichkeit, das Quellenmaterial zu bereichern und zu sichten, wenigGebrauch gemacht hat, das laßt sich zu gutem Teil auch aus derQuellenuntersuchung ersehen.

Zunächst kann hier festgestellt werden, daß der erste Teil des X.Bandes wiederum genau die gleichen Quellen benützt, wie sie demDiarium Europaeum schon zur Verfügung standen. Z.B. läßt sich dieRubrik über Dänemark im Theatrum X, I S. 831 und 832 aus einzelnenStücken des Diarium zusammensetzen (Diarium, Teil XIX, S. 87, 88,184, 300, 253, 390, 391; XX 22, 23). Nur für einen Abschnitt desTheatrum („Herr Güldenlöw wird beordert sich nacli Norwegen zubegeben”) findet sich im Diarium keine Parallele. Entsprechend derbisher beobachteten Methode, die Meyer bei der Kompilation seinerSchriften befolgt, dürfen wir uns die weitgehende Uebereinstimmung desDiarium und des Theatrum X, I wieder damit erklären, daß das letzterenicht das erstere selbst, sondern nur die gleichen Quellen benützt. Wennwir aber weiter bedenken, daß das Theatrum gegenüber dem Diarium nurüber ein äußerst geringes Plus an Berichten verfügt, so können wir hierdie interessante Tatsache konstatieren, daß das Quellenmaterial dieserbeiden Werke im wesentlichen auf denselben

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Umfang beschränkt bleibt. In gleicher Weise lassen sicii Rubriken von X,II fast vollständig aus Stücken des Diarium zusammensetzen (z.B. dieAufzählung der Feuersbrünste im Jahre 1671: Theatrum X, II 614—616).Auch hier finden wir also dieselbe Begrenzung des Quellenmaterials. Dakönnte doch wieder die Frage auftauchen, ob nicht etwa das Theatrumeinfach das Diarium ausgeschrieben habe. Einen Einblick in dieseVerhältnisse gewährt die folgende Uebersicht:

Rel. Hist. OM.-HM.

1671 S. 77

Theatrum X, II 615 Diarium XXIV 156

Von Madrit hatte man,daß kurtz vor Außgangdes May Monats einFeuer im Escurialausgegangen, wodurchder meiste Theil diesesGebäus (an welchemKönig Phllippus II. inHispanien, wie manlieset, zwantzigMillionen Goldesverwendet: hoc fuitsuperfluum) mit einerBibliothek von sehr vielschönen Büchern undraren Manuscriplenverbrunnen.

So empfände auchSpanien bei derEinäscherung desWunderwerks der Welt,deß köstlichen Eskurials(an dessen ErbauungKönig Philippus II.zwantzig MillionenGolds verwandet) einenso hoch empfindlichenVerlust, allda am Gebäuvornehmlich aber an deraußerlesenen BibliothekunaußsprechlicherSchaden geschehen undwürde derselbe nochgrösser geworden seyn,heylsamer Platzregendie wütende Flammenicht gedämpfet hätte.

Zu Madrit ist in demköniglichen GebäudeEscurial genandt (anwelches KönigPhilippus in Hispanienzwantzig MillionenGoldes verwendet)unversehens ein Feueraußkommen, wodurchdasselbe sampt einerBibliothek von sehr vielschönen Büchern undraren Manuscriptisverbrunnen und hat mandie Flamme 15 MeilenWegs sehen können.

Die letzten Worte des Theatrum stellen ein Sondergut dar, das eineBenützung allein der Meßrelation oder des Diarium ausschließt. An einEinarbeiten einer zweiten Quelle am Schluß des Theatrum ist aber beieiner so geringfügigen Nachricht kaum zu denken. Das Verhältnis derdrei zitierten Darstellungen erklärt sich am einfachsten wieder so, daß siealle auf die gleiche Relation aus Madrid zurückgehen, aber dieselbe inverschiedener Weise ausgeschrieben haben. Die Tatsache, daß derUmfang des in X, II benützten

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Quellenmaterials fast derselbe ist wie im Diarium, läßt sich dann darauserklären, daß beiden Werken, ebenso wie den Meßrelationen stets etwadie gleiche Masse der in der Verlagsstadt Frankfurt zusammenlaufendenAdvisen, Relationen und Akten zu Gebote standen.

Allein, vielleicht liegen der weitgehenden Uebereinstimmung vonDiarium und Theatrum X, II noch andere Motive zugrunde. Es gilt zwarals feststehende Tatsache, daß mit dem 1669 erscheinenden XIX. Teiledes Diarium die Autorschaft M. Meyers zu Ende ist, weil von da ab diefolgenden Bände nicht mehr seinen Namen tragen, und hier knüpft sichsofort die Schlußfolgerung an, daß Meyer 1669 oder 1670 gestorben seinwird (Allg. D. Biogr.). Die letztere Vermutung läßt sich dadurchzweifellos widerlegen, daß M. Meyer noch 1672 die Vorrede zum IX.Teile des Theatrum geschrieben hat. Man könnte also sein Verschwindenaus der Reihe der Frankfurter Kompilatorcn höchstens zwischen 1672und 1677, dem Erscheinen des X. Bandes des Theatrum, festsetzen.Wenn also Meyer sicherlich wenigstens noch bis 1672 in Frankfurt tätigwar, so ist eigentlich nicht einzusehen, warum er bis zu dieser Zeit nichtauch sein Diarium fortgesetzt haben soll, zumal beim Uebergang vomXIX. zum XX. Teil keine Aenderung, es sei denn das Verschwinden desNamens des Autors beobachtet werden kann. Es ist aber gar nicht selten,daß die Koinpilatoren, wenn sie einmal eine Zeitlang .an einem Werkgearbeitet haben, keinen Wert mehr darauf legen, daß ihr Name auf demTitelblatt prangt, wie die verschiedenen Teile von Gottfrieds Chronikbeweisen können, oder auch aus persönlichen Gründen es plötzlichvorziehen, ihren Namen nicht mehr zu veröffentlichen, wie Oraeus imIV. Bande des Theatrum. Es ist also das Fehlen des Autornamens im XX.und den folgenden Teilen des Diarium kein ausreichender Grund dieVerfasserschaft Meyer abzusprechen. Erst in der Vorrede des XXX. Teils(1675) wird

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davon gesprochen, daß im vorausgehenden Band alles wirr und konfusdurcheinander gesetzt worden sei, daß aber nun wieder alles methodischund ordentlich verfaßt werden soll. Dazu beginnt eine neueBändenumerierung des jetzt „Neueingerichtetes Diarium Europaeum”genannten Werkes. Also erst um diese Zeit treten Wechsel in derVerfasserschaft des Diarium auf. Man könnte demnach die auf XIXnächstfolgenden Bände noch Meyer zusprechen. Dann aber wäre dieBeziehung zu unserem Theatrum etwa so zu denken. Aus seinen schonfür das Diarium benützten Quellen hat Meyer die Darstellung für 1665—68 (X I) des Theatrum ausgearbeitet und sie ist deshalb als besondererTeil im X. Bande gedruckt worden. Den Rest des Bandes, nämlich dieJahre 1669—71, hat Geiger vielleicht aus dem von Meyer für seinDiarium zusammengetragenen und hinterlassenen Quellenmaterial neugeschaffen.

XI.

Als im Oktober 1672 Seine Churfürstlichc Durchl. zu BrandenburgDero Hauptquartier in dem Hanauischen Städtlein Bergen ohnweitFranckfurt nahmen, empfunden Sie Belieben diese berühmte KayserlicheWahlstadt und was darinnen schauenswürdig zu sehen, ließen derowegendurch Dero Oberhoff-Marschalln Freyherrn von Kanitz Matthäi MeriansHaus in Augenschein nehmen und als solches derselbe nicht allein ansich selbsten für bequem, sondern auch den großen Saal mit allenNebenzimmern von den herrlichsten und raresten Gemählden bezierretfande, wurde sobalden durch die Churfürstl. Bedienten zu einemprächtigen Panquet fertigste Anstalt gemacht (XI 54). Von diesemAufenthalt des Großen Kurfürsten her scheinen seine Beziehungen zurFamilie Merian zu datieren, als deren Niederschlag es wohl zu verstehenist, daß wir Matthäus Merian d. J.

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die Vertrauensstellung eines churbrandenburgischen Residenten begleitensehen. Als jetzt der Verlag Merian sich nach einem Verfasser umsehenmußte, der für das Theatrum den XI. Band mit der Zeit 1672—78bearbeiten sollte, wird man vermutlich schon daran gedacht haben, mitder Erledigung dieses Auftrags einen Autor zu bedenken, der wenigstenseine dem churbrandenburgischen Hause nicht abholde politischeAnschauung vertrat. Es kann jedenfalls nicht wundernehmen, daß uns alsVerfasser des XI. Bandes ein Mann begegnet, der das regste Interesseund die wärmste Teilnahme für Brandenburg und seine Politik hegt. Erführt in verständiger Entwicklung den Gang der brandenburgischenPolitik vor, wobei er überall mit anerkennenden oder rechtfertigendenBeifügungen nicht kargt. Stets bemüht er sich, das Vorgehen diesesStaates als ein dem gemeinen Interesse wider die. Reichsfeinde dienlichesauszudeuten (1186). Mit der Parteinahme für den churbrandenburgischenStaat ist aufs engste eine schwärmerische Bewunderung für dieKriegsaktionen seines Fürsten verbunden. Brandenburg verteidigt sichstattlich mit der Feder, aber auch mit dem Schwert (822). Mit deshöchsten Beystand (830) verrichtet der Held, der so tapffer streitenlernen, seine glorreichen Kriegsoperationen. Immer wieder wird daraufhingewiesen, wie wegen seiner Heldentaten viel tausend vor Freudenweyneten und abwesend den Arm dieses Helden küsseten (831) und wiesich viel vormahls Eysenveste Hertzen erweichen und gewinnen ließen,(1191). Von der Parteinahme für Churbrandenburg aus orientieren sichdie sämtlichen politischen Anschauungen des Verfassers. Frankreichstellt natürlich im schlechtesten Lichte da. Seine Politik ist hinterlistigund auf Schrauben gesetzt (45). Wenn der Autor namentlich darankommt, die Verwüstungen in den von den Franzosen durchzogenenGegenden zu schildern, so trägt er hier die grellsten Farben auf.Greuliche Tyranney blutdürstiger Hunde (519; 156), Sengen undBrennen, Mord-

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brennerey und derartige Ausdrücke nimmt er hier in seine Darstellungauf. Auch das von Frankreich zu der gegen Churbrandenburgvorgenommen Ruptur verleitete Schweden stellt nicht in seiner Gunst.Dänemark, der Kaiser, Spanien und Holland werden als BundesgenossenBrandenburgs gut beurteilt. Als aber die letzteren Brandenburg plötzlichallein stehen lassen und sich mit Frankreich einigen, hält der Autor mitmißbilligenden Ausdrücken nicht zuruck. Neben derchurbrandenburgischen Tendenz bricht gelegentlich eine protestantischeRichtung durch. Der Autor spricht von den ihrer Gewissensfreiheitberaubten Untertanen (74), „so einig und allein der Röm. Clerisey Blut-und Herrschgierigkeit viele recht Catholisch gesinnte selbstenuhrheblisch beymaßen” (76). Doch drängen sich die religiösen Ansichtendes Verfassers keineswegs in allzu einseitiger Weise durch. Der PapstClemens, der Friedliebende Vatter (320), getreue Hirte und WeiseRichter (322) wird auch wegen seines Eifers gegen den Erbfeind,besonders aber wegen der Abwehr des streit- und ränkesüchtigenFrankreich aufrichtig gelobt. Wie sehr aber die politischen Anschauungendes Autors die gesamte Anlage der Darstellung beeinflussen, tritt deutlichzutage. Vor allem macht sich die Tendenz in der Auswahl der Quellenfühlbar. Obwohl der Verfasser in der Vorrede bemerkt, daß es „anMateri” für die Kriegsereignisse nicht ermangelte, daß sogar der Stoffschier zu häuffig geworden sei, so hütet er sich doch von französischemStandpunkt geschriebene Quellen zu benutzen. Fast immer werden dieFranzosen in den benutzten Berichten als die „Feinde” bezeichnet. Ersagt bisweilen, daß anderslautende, parteiische französische Relationenexistieren, läßt sie aber meist unangeführt. In Fällen, wo sich die Berichtedarüber nicht einig sind, wem der Sieg zuzuschreiben sei, entscheidetsich unser Verfasser stets zugunsten der Alliierten.Das besondere Interesse für Churbrandenburg veranlaßt ferner sogar eineErweiterung der in den vorausgehenden

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Bänden festgehaltenen Rubrikeneinteilung. indem den Vorgängen imReich stets ein besonderer Abschnitt, der von den Ereignissen amchurfürstlichen Hofe zu Berlin handelt, angehängt wird. Auch kann essich der Verfasser nicht versagen, obwohl seine Darstellung nur bis1678 reicht, die brandenburgischen Aktionen bis zum Friedensschlußim. 1679ten Jahre noch zu verfolgen.

Daß der Autor an den Dingen, die er beschreibt, meist innerenAnteil nimmt, ist für die Ausgestaltung der Darstellung von günstigemEinfluß gewesen. Hat er sich doch, wie er ausdrücklich sagt,vorgenommen, „etwas mehreres als die facta externa vorzustellen,nemlich deren Einleitung aus den vortrefflichsten consiliis zu zeigen”.Gerade damit, daß die Kriegsereignisse der Jahre 1672—78 dasHauptinteresse in Anspruch nehmen, kommt unser Verfasser wiedermehr von dem Unterhaltungsstoff ab, dem seine beiden nächstenVorgänger ein zu weites Gebiet einräumen mußten. Besonders in denHofberichten werden die nach der Manier des Unterhaltungsstoffes inDetailmalerei sich ergehenden höfischen Ereignisse eingeschränkt unddafür eher auf den Gang des diplomatischen Verkehrs das Augenmerkgelenkt.

Daß der Verfasser des XI. Bandes in seiner DarstellungBrandenburg so hervortreten ließ, das entspricht zwar auch dengeschichtlichen Tatsachen. Allein die Art, wie der Autor für diesen Staatund seinen Fürsten eintritt, zeigt deutlich, daß er zu denen gehört, die innationalen Hoffnungen ihren Blick auf Churbrandenburg richteten. Daskommt in der Conclusio des XI. Bandes in den folgenden Worten zumAusdruck: „Der Allerhöchste Gott. der biß dahin J. C. D. preißwürdigsteConsilia und Waffen zu hohem Ersprieß des werthen Vaterlandes mit sovielem Sieg und Segen bekrönet, der wolle den Ihrem DurchlauchtigstenNamen dadurch zugewachsenen hohen splendor zu noch fernerem Heilso wohl ihro hohen Churhauses als der gantzen teutschen Nationbeständig gläntzen lassen, damit jeder männiglich

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des nunmehro so theuer wiedergebrachten Friedens erwündschten Genußempfinden, ein jeder unter seinem Weinstock und Feigenbaum sicher undruhig bleiben, Gott und dem Kaiser das ihre geben, in so ChristmäßigemVerhalten alle Seelen und Leibeswohltahrt empfinden, solche auch aufdie liebe posteriörität wieder alle dagegen sich erhebende Sturmwindebeständig fortgrünen und die Ehre und Frey-hcit der Teutschen Nation bisans Ende der Zeiten empor bleiben möge.”

XII-XV.

Wenn wir XII—XV als eine zusammengehörige Gruppe fassenwollen, so müssen wir die Verwandtschaft dieser vier Bände miteinander,sowie ihre Scheidung von XI und XVI zu erweisen suchen. Wir lenkenzunächst unser Augenmerk auf die Vorreden der fraglichen Bände. Dafällt uns bei XII (ed. 1691) auf, daß der Autor versichert, daß man diesengegenwärtigen grausamen Krieg zu einem absonderlichen Voluminezurückgelegt habe und dem Geschichtliebenden Leser ehst möglichstmitzutheilen gedencke. Auf einen solchen Hinweis ist im allgemeinenwenig Gewicht zu legen. Die Autoren haben fast immer den Vorsatz,auch den folgenden Teil des Theatrum zu besorgen. Doch da zwischenden Editionen der einzelnen Bände meist ein Zeitraum von mehrerenJahren liegt, so haben sich die Verhältnisse sehr oft inzwischen derartgeändert, daß wieder ein ganz anderer Verfasser auf der Bildflächeerscheint. Nur dann ist derartigen Verweisen Wert beizumcssen, wennder Autor im folgenden Band auf seine im vorausgehendenausgesprochene und nunmehr erfüllte Verheißung sich bezieht. In der Tatbeginnt die Vorrde zu XIII (cd. 1698) mit den Worten: „UnseremVersprechen nach kommt dieser XIII. Theil von dem Theatro Europaeoauch an das Liecht."

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Genau so sagt der Autor schon in XIII, daß. man nicht ermangeln werde,mit der Continuation im XIV. Theil so bald es möglich hervorzukommen,und der Anfang der Vorrede zu XIV (ed. 1702) lautet: „Wie sehr wirverlangt dem G. Leser unserm bei dem XIIIten Theil gethanenVersprechen zu schuldigster Folge mit dieses jetzigen Tomi schleunigererHeraußgebung ehender aufzuwarten” usw. Auffallend ist übrigens diegroße Aehnlichkeit in der Form der Vorreden zu XII, XIII und XIV. DerVerfasser pflegt überall in allgemeinen, großzügigen Umrissenvorzuzeichnen, was der Leser in dem betreffenden Band finden wird.Zugleich damit spricht er meist seine Scheu aus, diese Inhaltsangabe zuweit auszudehnen. Es wird nun ferner auch im XIV. Band zwar dievorgesetzte baldige Heraußgebung des XVten Theils, mit dem dasSaeculum beschlossen werden soll, im voraus verkündigt, allein in XVfindet sich keine Bezugnahme auf dieses Versprechen. Doch läßt sich dieZusammengehörigkeit von XIV und XV anderweitig begründen. Vorallem ist die große Vertrautheit des Autors von XV mit den zunächstvorausgehenden Bänden hervorzuheben. Insbesondere vergeht fast keineRubrik, in der nicht auf die Verbindung mit XIV aufmerksam gemachtwird. Der Verfasser von XV kennt bis ins einzelne genau die in XIVeingehaltene Reihenfolge der Ereignisse. Daß die Hinweise auf XIV.gelegentlich persönliche Form annehmen, z.B.: „wir haben im TomoXIV gesehen” (XV 504), darauf darf ja zwar nicht zuviel gegebenwerden, doch sollte es nicht unerwähnt bleiben. Wie deutlich bisweilenauf die Anordnung des vorausgehenden Bandes Bezug genommen wird,mag mit zwei Belegen illustriert werden: „Weil auch in dem vorigenXIV. Theile f. 788 bey denen daselbst gemeldeten Friedensvorschlägender An. 1695 geschehenen Erneuerung der großen Alliance der hohenAliierten gedacht worden, so hat man auch vor diesesmal hiervon beyeben dem Titul gedencken und nur mit wenigen melden

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wollen” (XV S. 38) oder: „Bey Anführung dieses Titels in dem vorigenJahre (1695, d.i. Bd. XIV) ist als sonderlich merckwürdig erinnertworden, daß gleich mit dem Eintritt deselben unterschiedene hoheStandespersonen fast zu einer Zeit von dem Tode weggeraffet worden:Bey gegenwärtigem aber fällt eine andere und noch größereMerkwürdigkeit vor” usw. (XV S. 113). Bei dieser bis ins Detailgehenden Vertrautheit des XV. mit dem XIV. Teil dürften wir kaumfehlgehen, wenn wir sie zusammen mit XII und XIII dem gleichen Autorzuschreiben. Die Trennung dieser Gruppe von XI macht allerdings einigeSchwierigkeiten. Diese Rubrikenordnung der Bände XI und XII ist imwesentlichen die gleiche. Die Vorrede von XI (ed. 1682) aber zeigt kaumAehnlichkeiten mit den folgenden Teilen. Zwar gibt auch XI derHoffnung Ausdruck, „in den nun folgenden Jahren eitel Freuden-Begebnüsse aus Teutschland auff die Europäische Schau-Bühnezustellen”, allein dieser Verweise ist durch keine Bezugnahme darauf inXII gedeckt. Es kann sich in der Zwischenzeit (1682—1691) leicht eineAenderung vollzogen haben. Neben dem Mangel an Verweisen zwischenXI und XII darf vielleicht noch auf Unterschiede im Charakter beiderBände hingewiesen werden. Die Tendenz ist zwar, weil es sich hier um inweiten Kreisen vertretene „patriotische” Anschauungen handelt, nichtauffallend verschieden. Allein sie tritt doch, wie wir noch sehen werden,im XI. Band bedeutend stärker hervor wie in den folgenden Teilen.Besonders betont ferner der Autor von XI die Absicht, nicht nur dienackten Tatsachen vorzuführen, sondern auch die „Einleitung aus denvortrefflichsten Consiliis” zu zeigen. Dieser Gedanke jedoch kehrt inkeinem der folgenden Bände wieder. Leichter als hier vollzieht sich dieTrennung von XV und XVI. Die Vorreden von XVI an sind ganz andersgeartet, vor allem viel langatmiger. Sodann unterzeichnet sich der Autorvon XVI f. stets eigentümlicher Weise mit „dessen Schreiber". Endlichkommt

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uns die Tradition (Struve) zur Hilfe, die von XVI ab die Abfassung in dieHände Schneiders legt. Ein äußeres Merkmal, das auf eine Verbindungvon XII —XV deutet, mag nicht unerwähnt bleiben. Während nämlich XIund XVI den üblichen Titel eines „Theatri Europaei oder ausführlichfortgeführter Friedens- und Kriegsbeschreibung und was mehr vondenckwürdigsten Geschichten in Europa usw. vorgegangen” führen, istdagegen den Teilen XII—XV die Bezeichnung eines „Theatri EuropaeiContinuati das ist abermalige ausführliche Fortsetzung denk- undmerkwürdigster Geschichten, welche ihrer gewöhnlichen Eintheilungnach an verschiedenen Orten durch Europa usw. sich begeben”gemeinsam.

Ueber unseren Autor läßt sich wenig sagen. Er lebt und schreibtallhier in Frankfurt (XII 497; XIII 244). Daher mag er vielleicht in denReihen der dortigen Kompilatoren gesucht werden, die an ähnlichenUnternehmungen mitarbeiten. In seiner Arbeitsmethode unterscheidet ersich kaum von den übrigen Autoren des Theatrum. Beachtenswert istallerdings, daß er über eine gute Kenntnis der .weit voraus-liegendenGeschichte verfügt. Er unternimmt es sogar auf Dinge, die in früherenBänden, z. B. VI und XI (XV 665) nicht ausführlich genug besprochenworden sind, zurückzugreifen. Auffallend ist es ferner, daß unserVerfasser den Erzählungen von Omina und Wunderzeichen, die seineVorgänger zumeist als sichere Vorboten künftigen Unglücks gläubighinzunehmen pflegten, einen gewissen Skeptizismus entgegenbringt. Ermacht darauf aufmerksam, daß sie nicht widerspruchsfrei und fürGedichte einer müßigen Feder zu halten sind (XIII 1353). Vielfach bildensich Leute ohne Grund ein, derartige Dinge gesehen zu haben (XII 496).Solche Geschichten können bei keinem Verständigen leicht mehrGlauben finden (XIV 724). Eine große Vorliebe hingegen hat unserAutor für das Spielen mit sonderbaren Zahlen oder das Nachdenken übermerkwürdig zusammen-

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treffende Ereignisse. Er vergißt nicht darauf aufmerksam zu machen, daßdie Jahreszahl 1691 unigekehrt ebenso gelesen werden könne (XIV 231)und es fällt ihm auf, daß mehrere königliche Personen vor .derJahrhundertwende sterben, so daß es scheint, Gott der Herr wolle mitdem bevorstehenden neuen Seculo den großen Schauplatz der Welt mitneuen Personen verändern (XV 113).

In der Stoffgruppierung schließt sich unser Autor wenigstenszunächst an seine Vorgänger an, wenn er sich auch allmählich ein etwasverändertes Ordnungssystem bildet. Die alte Rubrikeneintcilung bleibtzwar dauernd grundlegend. Allein schon in XII wird außer der aus XIübernommenen „churbrandenburgischen Hofgeschichte” eine neueAbteilung für die „ottomannische Pforte” (XII 951) eingeführt und beiden „Reichsgeschichten” ist eine Disponierung nach einzelnenAbschnitten zu verspüren. Von XIII ab entschließt sich der Autoralljährlich die Kricgs-ereignisse vorauszustellen. Voran steht der Kampfdes Kaisers, der Polen, Moskowiter und Venedigs mit den Türken,danach werden die deutsch-französischen Streitigkeiten erzählt. DieseAnordnung entspricht einer wohlberechneten Ueberlegung. An diesenbeiden Kriegen sind eine große Reihe von Staaten beteiligt. Wenn nunbei der jedem Staat zugewiesenen Rubrik dessen Kriegsaktionen erzähltwerden sollten, so würde die ganze Kriegsgeschichte in Stücke zerissenwerden, wobei außerdem immer die gleichen Ereignisse nochmalsgestreift, also dauernd Wiederholungen vorgenommen werden müßten.Diese Fehler vermeidet der Verfasser durch die Vorausstellung derKriegsereignissc, die übrigens wieder in eine Reihe von Abschnittengegliedert sind. Danach folgen die von Schleder her bekannten Rubriken.Aber dabei liebt der Autor nicht nur Zusätze neuer Abteilungen, sonderner zerkleinert die einzelnen Titel selbst noch weiter. Er trennt z. B.spanische und vereinigte Niederlande ebenso wie er die einzelnen

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italienischen Staaten zu sondern sucht. Wie dieses Zerteilen so findetwieder bisweilen ein Zusammenziehen statt. Der Autor geht also rechtfrei mit seiner Anordnung um. Bestimmend für ihn ist hierbei der Laufder Geschichte selbst. Ist einmal Frieden mit Frankreich und der Türkeigetroffen, so fällt die gewöhnlich vorausgeschickte Darlegung derKriegsbegebenheiten einfach weg. Besonders beachtenswert ist endlichdie Gliederung der alten Reichsrubrik. Es werden nämlich hier derRangfolge nach Kaiserliche, Churfürst-liche, Fürstliche, Gräfliche undzuletzt weltlicher und geistlicher Stände Sachen abgehandelt. Das hateine unmittelbare Folge, die dein ganzen Werk einen etwas andersgearteten Charakter verleiht. Bei den zunächst vorausgehenden Bändennämlich war das Reich nur eine Rubrik neben der die den außerdeutschenStaaten zugewiesenen Paragraphen gleichberechtigt standen. Nunmehrwird aber durch die Vielseitigkeit der Behandlung innerhalb derReichsrubrik ein entschiedener Nachdruck auf die deutschen Ereignissegelegt. Sodann wird, was gleichfalls nicht zu übersehen ist, weil bei deneinzelnen Reichsgliedern vielfach intern-deutsche Streitigkeiten instarkem Maße herangezogen werden, die vornehmlich mit der Federausgetragen wurden, dem Aktenstoff ein weites Gebiet eingeräumt.

Die den Kriegsaktionen gewidmeten Abschnitte werden mit dendeutsch-französischen und christlich-türkischen kämpfen ausgefüllt. Inbeiden Fällen ist die Parteistellung unseres Autors die natürlich gegebene.Als Reichsdeutscher ist er gegen Frankreich, als Christ gegen die Türkeneingenommen. Frankreich ist der allgemeine Reichsfeind. SeineAnforderungen sind unfriedsam (XII 129), seine Anschläge unrechtmäßig(XII 112, 134). Die Krone Frankreich gibt zwar vor, den Friedenheiliglich zu halten, indessen aber nimmt sie die herrlichsten Festungenhinweg (XV 515). Straßburg eine Vormauer des Reichs ist sogar ohneBelagerung übergeben worden (XII 277). Besonders scharfe

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Verbitterung lösen die Gewalttätigkeiten und Feindseligkeiten (XIII 999;328), sowie der unersetzliche Schaden durch die Exactiones (XIII 359)der französischen Mordbrenner (XIII 798) in der Pfalz. Sie verübenTyrannei (XIV 451) und suchen alles mit Feuer und Schwert heim (XIV754). Trotzdem wollen sie ihre harten und barbarischen Prozeduren (XII269; XIV 32, 452) mit Scheingründen justifiziercn. jedoch dieGcgenschriften der Alliierten vermögen die Ungerechtigkeit derfranzösischen Waffen der Welt für Augen zu legen (XIII 331). Unter dengegen Frankreich Konföderierten wird nicht mehr so wie in XIBrandenburg hervorgehoben. Die Begeisterung allerdings, die sich umdie Person des Großen Kurfürsten und seine Heldentaten, dc die Welt inStaunen setzten, konzentrierte, war auch bei unserem Autor vorhanden,das zeigt der beim Ableben Friedrich Wilhelms eingefügte Nekrolog(XIII 399). Mehr als Brandenburg tritt der Kaiser, der sich die Sicherheitdes Reichs zum höchsten angelegen sein läßt (XII 287), besonders wegender Abwehr der Türkengefahr hervor. Zwar begegnen wir auf diesemFelde auch Brandenburgs siegreichen Waffen (XII 948), die dazu dasihrige glorwürdig beytragen (XII 1026). Allein: „vornehmlich wirdjedweder Patriote unsers geliebten Vaterlandes mit größester Anmutlesen, wie der Höchste Gott die Waffen des glorwürdigsten HausesOesterreich in Hungarn dergestalt gesegnet, daß wir uns allemmenschlichem Ansehen nach keines gefährlichen Einfalls in DeutschenGräntzen von den Ungläubigen so bald zu befürchten haben” (XIIIVorrede, 647, 668). Der nach Christenblut dürstende Erbfeind (XII 524)gedachte den in Zwiespalt befindlichen christlichen Potentaten einenordentlichen Schlag zu versetzen; aber Gott hat es anders verordnet (XV115). Die für die Ehre seines Namens streitenden christlichen Soldatenhat er nicht im Stich gelassen (XIII 51). Die tyrannischen und grausamenBarbaren und Raubvögel (XIII 651) werden schließlich nach

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so vielen großen Niederlagen des Krieges überdrüssig und schicken sichzum Frieden an (XV 515).

Neben den politischen verdienen die religiösen Ansichten unseresAutors Beachtung. Die Art und Weise der Darstellung bei religiösenStreitfragen läßt keinen Zweifel darüber, daß der Verfasser Protestantist. Besonders tritt das hervor in den dargebotenen Berichten von derAustreibung der Hugenotten und Waldenser. Ein solcherGewissenszwang (XII 665), solche Prozeduren sind bey keinem Heydennoch Türken, ja selbst bei den allergrausamsten Verfolgern derChristlichen Religion nicht zu finden (XII 892). Bei den Dragonaden hatman diese Unmenschen anstatt der Catholischen Geistlichen gebraucht(XII 920). Die Inquisition wird mit Ausdrücken wie unzeitiger Eyfer(XV 101) und grausame Exekution belegt. Wie von religiösemGesichtspunkt politische Vorfälle gewürdigt werden, das zeigt dieBeurteilung des Thronwechsels in England. Den Sturz Jakobs vonEngland nennt er ein fatales oder auch heylsames Ereignis (XIII 254).

Er mag zum Schlüsse auch bei den soeben besprochenen Teilen desTheatrum auf die nahe Verwandtschaft mit den Meßrelationenaufmerksam gemacht werden.

Rel. Hist. OM.-HM. 1693 S. 115 Theatrum Bd. XIV S. 557

Im Monat April erhube sich inStockholm eine starcke Feuersbrunst,wovon das schöne WrangelischePalatinum, so über drei Thonen Goldeszu bauen gekostet, verzehrt wurde.

Den 23. Mart. brannte zu Stockholmder Stadt Brauhauss aufm Süderholmmit vielen daherum stehenden Häusern

ab, worunter auch der schöneWrangelische Palast gewesen, so beydrey Tonnen Goldes gekostet.

Rel. Hist. OM.-HM. 1693 S. 115 Theatrum Bd. XIV S. 557

Am 28. dito legte eine zu Horneburgentstandene Feuers-Brunst innerhalb 5Stunden 28 Hauser in die Aschen.

Ingleichen entstund im Monat April zu Hor

Feuersbrunst, welche bei einem starcken W

Nachmittags bis 7 Uhr Abends dergestalt g

solcher Zelt 22 Häuser gäntzlich in die Asc

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Rel. Hist. OM.-HM. 1694 Theatrum Bd. XIV S. 719

alles in dem Platz gefundene Geschützmitgenommen, wiederum nach Algierszurückgekehrt und beschriebenermaßendem Krieg, der bloßerdings auß einemauff den Bey Hammet von Tunisgeworffenen Haß ... usw.

... sie nahmen die Geschütze aus derStadt mit weg und kehreten mitFreuden und Sieg wieder nach Algierszurücke; gestalt sie denn auch beiwährendem Lauff ihrer Victorien zu

unterschiedenenmalen daselbst dasGeschütz lossbrennen und andere

Freuden-Zeichen sehen lassen; undweil dieser Krieg bloß aus einembesonderen auf den Bey von Tunisgeworffenen Haß .... usw.

Bei dem hier gebotenen Tatbestand läßt sich die Verwandtschaftbeider Werke, wobei das Theatrum überall über die ausführlichereDarstellung verfügt, kaum anders erklären als, daß das Theatrum 1702noch die gleichen Quellen benutzt wie die Meßrelation 1693 und 1694.Wir dürfen weiter annehmen, daß diese gemeinsamen Quellen in denursprünglichen Einzelrelationen zu suchen sind. Daß an den obenzitierten Stellen einmal die Meßrelationen die von ihnen verwertetenBerichte sichtlich kürzen, ist aus dem veränderten Charakter diesesWerkes zu erklären. In früheren Zeiten waren die „Relationes Historicae”primitive Quellsammlungen, die ihre Berichte ganz ungeändert zumeistabdruckten. Aber besonders unter den Händen Schleders, der lange Jahrehindurch ihre Herausgabe besorgte, sind sie zu einem fortgeschrittenerenStadium gelangt, so daß sie nunmehr bisweilen ihre Relationen kürzenund verarbeiten.

XVI-XXI.

Die Bände XVI—XXI, die zumeist für jedes behandelte Jahr einebesondere Seitenzählung einrichten und so in einzelne im folgenden als I,II etc. zitierte Teile zerfallen, führen uns in den Zeitraum 1701—1718 einund erscheinen

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im Verlauf der Jahre 1717—1738. Eine eigenartige und doch durchweggleichbleibende Auswahl und Rubrizierung des angezogenen Stoffessowie ein überall ebenmäßig wirksames Hervortreten der politischen undreligiösen Anschauungen könnte genügen, um die Urheberschaft derfraglichen Bände einem Manne zuzuschreiben. Selbst stilistischeEigenheiten lassen sich durch alle diese Teile des Theatrum hindurchverfolgen. Abgesehen von öfters wiederkehrenden Uebergangssätzenund'Wendungen sei nur auf ein unscheinbares dialektisches Merkmalaufmerksam gemacht. Wie bei Meyer der bevorzugte Gebrauch desWörtleins „hiesig” auffallen mußte, so zeigt unser Autor eine ganzbesondere Vorliebe für die Beifügung eines „dasig”, das vornehmlich in'den erzählenden Partien selbst auf kleinen Strecken mehrmals zu findenist. Auch die Vorreden, die der Verfasser Vorberichte zu nennen und mitder Unterschrift „dessen Schreiber” zu versehen pflegt, bieten eine Reihevon Anhaltspunkten für die Zusammengehörigkeit der Teile XVI bisXXI. In dem Vorbericht zu XVI wird bemerkt, daß mancher gerne dasTheatrum „als eine kleine Bibliothek” gebrauchen will. Der gleicheGed'anke, daß das Werk „den Außzug einer historischen Bibliotheksowohl der Staats- als Kriegssachen abgeben könne", findet sich beiXVII. Die Vorrede zu XXI endlich besagt wiederum, daß die Dinge, diein einer großen auch gar manchen Folianten ausmachenden MengeBücher vorhanden sind, im Theatrum in einem „Auszug und kurtzenBegriff” vorliegen, so daß es den Vorzug der „Summarien” größererBücher teile. Hier also verbindet die Wiederkehr desselben Gedankensdie fraglichen Teile miteinander. Allein der Verfasser selbst behandeltXVI—XXI als eine gesonderte Gruppe. Er weist ausdrücklich darauf hin,daß sich die Register „in denen sechs letzten Bänden anders und soumständlich eingerichtet” befinden, daß man sich leicht über die darinenthaltenen mannigfachen Dinge orientieren kann. Wenn der Autor

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sich dabei auf eines „unpartheyisch-achtsamcn Lesers Urtheil” beruft, sobittet er „nahmentlich auf die sechs letzteren Theile” zu achten (XXI).Nicht zu übergehen ist ferner eine allerdings sich nicht ganz deutlichaussprechende Bezugnahme auf die im XVI. Bande gegebenenAusführungen über den Charakter des Theatrum. „Bei Herausgebung desXVI Theils”, so heißt es in dem Vorbericht zu XXI, „ist von der Art, vondein Gebrauch und Nutzen seines Inhalls und seiner Vorstellungen schonein und anders, darauff man sich hier abermahls bezogen haben will,erinnert und zu bedencken gegeben worden.” Ueber die Person unseresAutors gibt Struve Aufschluß, der zu Band XVI—XIX beifügt: „auctoreSchneidero Pastore turn Lauba-censi, qui ab hero suo comite SolmensiFriderico atque ab aliis viris illustribus praeclara accepit subsidia.” EineSchwierigkeit in dieser Mitteilung Struves liegt darin, daß er nur XVIXIX Schneider, hingegen XX und XXI einein Anonymus zuschreibt. Dievorausgehenden Ausführungen indessen verlangen für die Gruppe XVI—XXI einen Verfasser, zumal noch. durch verschiedene Gründe gerade dieZusammengehörigkeit von XVI—XIX mit XX und XXI selirwahrscheinlich gemacht wird. Zunächst ist XX mit XIX durch eine großeAnzahl Hinweise verknüpft, die zwar wie gewöhnlich recht allgemeingehalten sind, aber bisweilen doch etwas deutlicher werden. Es wird z. B.die spanische Rubrik in dem ersten in Band XX behandelten Jahreeröffnet: „Girona haben wir vorigen Jahrs von den Kayserl. und Königl.Spanischen Truppen belagert gelassen” (XX I 508). Schon ein Einblickferner in das Register der letzten beiden Bände des Theatrums genügt, umfestzustellen, daß der Verfasser ein ganz außergewöhnliches Interesse fürdie Familienereignisse der Solmsischen Grafen insbesondere derLaubachcr Linie an den Tag legt. In der Widmung des XXI Bandeserzählt weiter der Autor, daß er bei der Gefangennahme des Prinzen vonMecklenburg in Schlangenbad

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durch die Franzosen (1709) zugegen gewesen sei. Diese Geschichteberichtet das Theatrum XVIII S. 133. Wenn wir nun unter den bei diesemVorfall beteiligten Personen suchen, zu wessen Begleitung unserVerfasser wohl gehört liaben mag, so begegnet uns hier wieder ein Grafvon Solms-Braunfels. Noch deutlicher ist die an gleicher Stelle (XXI)gegebene Mitteilung des Autors, er habe der in tiefster Betrübnisschwebenden Mutter des Prinzen die bald erfolgte glückliche Befreiungihres Sohnes anzeigen, auch „hernachmahls in Christlicher Gebets-Versammlung Gott für seine große Güte und Treue geziemend dancken”können. Man hat wohl dem Solmsischen Hoftheologen dieBenachrichtigung der ängstlichen Mutter anvertraut, der dann auch einenDankgottesdienst -für die glückliche Errettung des Prinzen abzuhaltenunternahm. Also auf diesem Wege kommen wir gleichfalls dazu dieAbfassung von XX und XXI für Schneider in Anspruch zu nehmen.Wenn wir schließlich bedenken, daß die Grafen von Solms nebst ihremAnhang vielfach Mitglieder der Reichsgerichtshöfe waren, so erklärt essich zugleich, .woher der Autor von XVI—XXI ein so überausreichliches Aktenmaterial von allerlei Streitigkeiten im Reich, besonderssoweit sie beim Kammergericht anhängig waren, schöpfen mag. Es istalso die Angabe Struves dahin richtig zu stellen, daß auch die Bände XXund XXI aus der Feder Schneiders stammen. Diese Annahme bestätigtZedler, der zugleich eine recht ausführliche Lebensbeschreibung desAutors von XVI-XXI gibt.

Daniel Schneider wurde am 6. Oktober 1667 zu Breslau geboren.Nachdem er die deutsche Schule und das Gymnasium seiner Vaterstadtbesucht hatte, wünschte man, „daß er die Handelsschaft in Großen außerLandes lernen solle”. Die Verhandlungen, die man deswegen inAmsterdam angeknüpft hatte, zerschlugen sich. Im 18. Jahre entschloß ersich eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Von neuem besuchte erdeshalb das Gymnasium und 1689 konnte er in

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Leipzig seine theologischen Studien aufnehmen. Neben der Theologieverlegte er sich auf die Rechtswissenschaft; aber er zeigte auch Interessefür Geschichte und Mathematik. Schon während seiner Studienzeit war erals Hofmeister tätig. 1695 erhielt er eine Pfarrsteile zu Goldberg. Durchseine Berufung sahen sich etliche Leute in ihrer Hoffnung aufBeförderung getäuscht. Der junge Pfarrer hatte bald eine Partei gegensich (Theatrum XVI 1703 S. 156). Zu den Verdächtigungen, die seineFeinde gegen ihn ausstreuten, gehörte die, daß hinter den Worten seinerPredigten ein heimliches Gift verborgen sei, „weil er zu Halle gewesenund daselbst sowohl als zu Leipzig Thomasen gehöret” habe. DenGegnern Schneiders gelingt es, ihn zu vertreiben und schließlich sogarseine Verhaftung als Irrlehrer durchzusetzen. Nachdem aber Leipzigerund Gießener Theologen sein Glaubensbekenntnis als evangelischanerkannt haben, bewirkt der Graf Friedrich Ernst zu Solms-Laubach, derPräsident des Reichskammergerichts seine Losfassung und beruft ihn alsHofprediger nach Laubach. Schneider befindet sich meist im Gefolge derSolmsischen Grafen. So begleitet er 1709 (XVIII 1709 S. 133), wiebereits oben erwähnt, den Grafen Wilhelm Moritz von Solms-Braunfelsnach Schlangenbad. Auch noch nach dem Tode seines Gönners (1723)bleibt Schneider bei der gräflichen Familie. 1728 tritt er alsSuperintendent, Konsistorialrat und Oberpfarrer zu Michelstadt inErbachsche Dienste.

Daß wir es diesmal mit einem protestantischen Theologen zu tunhaben, ist auf die Darstellung nicht ohne Einfluß geblieben. Weniger magauf fromme Redewendungen hingewiesen werden, denn solche sind auchbei den sonstigen Autoren des Theatrum nichts Ungewöhnliches. Aber esist nicht zu verkennen, zu welcher Seite der Autor in religiösenStreitfragen neigt, selbst dann, wenn er nur ein fremdes Urteil anfuhrenund mit seinem eigenen zurückhalten will (XX, II 143, 327). Alsprotestantischer Schriftsteller kann er

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einmal sagen, daß „auch katholische Scribenten gestehen” (XVI, II 351).Er redet von einer unrechtmäßigen Verbrennung der Schriften Lutheri zuRom (XXI, II 283) und von seiner heilsamen Reformation (XXI, II 408).Wie fast alle seine Vorgänger unterläßt es Schneider nicht, dieGewisscns-Drangsale (XVII, II 97; XVIII, I 80) seinerKonfesssionsgenossen und die gegen sie gebrauchte „Schärfte undGrausamkeit” (XVI, I 291) recht nachdrücklich hervorzuheben. EinenAnlaß, in seinen Aussagen deutlicher zu werden, geben dem Verfasserdie Selbständigkeitsbestrebungen der gallikanischen Kirche. „DieFrantzösische Nation ist etwas wachsamer bey ihren Gerechtigkeitengewesen und hat denen Geistlichen niemahls eine so freye Jurisdiktionzugestanden, welche sie zur Zerstörung der innerlichen Landes-Ruhehätten anwenden können” (XXI, II 307). „Es fehlet also nicht in derRömisch-Catholischen Kirche an aufgeweckten Geistern, welche denblinden Gehorsam gegen den Römischen Stuhl' nicht begreiffen könnenund .auch öffentlich davon zu reden sich nicht scheuen” (XXI, II 308).Weniger gegen das Oberhaupt der katholischen Kirche wendet sich derAutor als wie gegen ihre Geistlichkeit, wobei er sich bisweilen in wenigmaßvollen Aeußerungen bewegt. Trotz alle dem verfällt Schneider nichtin blindeifernde Einseitigkeit. Bei den Konflikten auf religiösem Gebietlegt er nicht immer allein der katholischen Seite alle Schuld zu (XVII, I60; II 259). Wir können schon dabei beobachten, wie er religiöseSreitigkeiten von einem Standpunkt auffassen kann, der ihn über denParteien stehen läßt. Besonders deutlich beweist dies der Autor bei denDifferenzen der Lutherischen und Reformierten. Er führt dieentsetzlichen Sätze eines blind eyffernden Hamburger Gymnasiallehrersgegen die Kalvinisten an, damit man daraus ersehen soll, wie weit „derFleischliche Zorn unterm Namen eines Geistlichen Eyffers gehen kan”(XVII, III 150). Die Einigkeitsbestrebungen zwischen Lutheranern undReformierten glaubt er „allen

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Christlich friedliebenden Seelen, allen insgesamt Thcologis aberinsonderheit” anempfehlen zu dürfen (XVIII, II 39). Ein ähnliches überreligiöse Einseitigkeit erhabenes Verhalten können wir bei denWechselbeziehungen der religiösen und politischen Anschauungen desVerfassers beobachten. Die protestantischen Staaten haben zwar immereinen gewissen Vorzug. Besonders Brandenburg, das wegen derausgebreiteten Macht dieses vortrefflichen Hauses in fast keinerJahresrubrik unerwähnt bleiben kann, macht sich um das Reich auchgemeine Sache sehr verdient (XVI, I 732; XVII, III 108). „Diebrandenburgischen Gründe zur Annahme der Königswürde haben an undvor sich ihre Richtigkeit und überhaupt von allen der Sachenverständigen und unpar-theyischen Gemüthern für bündig erkennetwerden müssen” (XVI, I 140). Allein das hindert Schneider nicht beieiner Schilderung der Reichslage zu erklären (XX, I 32): „Indessen giengdoch die Reichs-Kriegs-Angelegenheit eben nicht besser als sonsten vonstatten; sondern blieb in gewöhnlichen Verzögerungen und vielfältigenwidersinnigen auch eigennutzigen Meynungen oder Absichten steckenund hieß es nicht ohne Wahrscheinlichkeit, daß hieran der Zeit Chur-Sachsen, Brandenburg und Braunschweig größten Theils Schuldgewesen, die da wie sonst auch verschi'edent-lich geschehen mit derSprache nicht recht herausgehen wollen, wannhero derenGesandtschafften den Abgang des nöthigen Verhaltungs-Befehlsvorschützen müssen, obgleich das Vaterland damit gar schlecht beschütztgewesen. So bliebe es mit tapffermüthig nachdrücklicherer Kriegs-An-stalt stecken, ob gleich durchgehends und zum gewissesten bekandt war,daß Kayser und Reich verlassen und von allen beyderseits Alliirtendarunter auch Mitglieder des Reichs 'waren, besondere Friedensschlüssezu ihrer endlichen Vollkommenheit gebracht worden.” Holland undEngland lassen Kaiser und Reich unziemlich im Stich (XX, I 420). DurchEigennutz verblendet (XX, I 368) nähert sich England an

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Frankreich. Gegen den Kaiser gebraucht es daher „Künsteleyen” (XX, I420), so daß sein Verhalten eine schnöde und ausstudierte Betrügereyheißen möge (XIX, II 346). Aus allen diesen Zitaten spricht schon einstark ausgeprägtes Nationalbewußtsein. Vor allem aber erkennen wir,woher der Verfasser die bei religiösen Fragen eingenommene Stellungüber den Parteiungen gewinnen konnte. Er verirrt sich deshalb nicht aufin religiöser Einseitigkeit sich verlierende Abwege, weil er ein höheresInteresse, nämlich das für Kaiser und Reich, kennt. Wir können esdeshalb verstehen, wenn der Autor mit Unmut und nicht ohne Kritik diekleinlichen Zerwürfnisse der Reichsglieder, die ein einiges tatkräftigesZusammengehen der Nation unmöglich machen, betrachtet. „Auch diesesJahr konte ohne Ceremoniel-Plag und Zänckerey bey dem Reichs-Convent nicht hingehen (XXI, I 53).” „Das war wieder viel gesagt,worauf doch im Haupt-Wercke so wenig als auf das vorher gegangeneerfolgte” (XXI, III 5). Bitter beklagt er es, daß gute Worte aufs Papier indas Protokoll kommen, aber deren nachdrückliche und würcklicheErfüllung ausbleibe (XX, I 37). Manches „leyder!” fließt in dieDarstellung der zerrütteten und trostlosen Reichszustände mit ein. Für dasReichsoberhaupt zeigt Schneider stets wohlwollendes Interesse,besonders für Karl VI. Kaum hat dieser Kaiser Friede mit Frankreich, danaht schon der Türkenkrieg, „damit ja bey so mancherley Anfällen vonallen Seiten her die sonderbare Vorsorge Gottes und Dero ohngemeintapffere Standhafftig-keit desto offenbarer würde” (XX, III 40). Mitdieser Sympathie für das Haus Oesterreich mußte das Mitleid für diebedrängten Evangelischen notwendig in Konflikt kommen. Der Autorsucht hierbei einen Ausweg, indem er von dem Kaiser ebenso wie seinenUntertanen absieht und die Schuld in Schlesien auf die Ungunst desKönigl. Ober-Amts (XVII, II 91), in Ungarn auf den um das Volkswohlunbekümmerten Eigennutz der Rädelsführer (XVII, III 73) abwälzt. Auf

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politischem Gebiet stellt Schneider ganz auf Seiten der kaiserlichenPartei. Der spanische Erbfolgekrieg ist dem Kaiser aufgenötigt (XVI, I57) worden, weshalb das Recht auf seiner Seite steht. .Daher hat bei derSache des Kaisers und der Alliierten Gott seine Hand im Spiel (XVII, III272). Selbst der Bayernfürst, der sich Frankreich angeschlossen hat undnicht auf bessere Gedanken zu bringen war, erkennt Gottes Finger beyder Sache (XVII, III 182). Unzweideutig nimmt Schneider überall für dieTruppen des Kaisers und der Alliierten Partei. Er spricht nur von den„Unserigen”, wie er meist schon in seinen Quellen vorfand. DieFranzosen sind überall „die Feinde", die alles verwüsten, um nicht ohneGestanck, wie man sagte, zu scheiden. Der Autor geht mit Frankreichscharf zu Gericht. Herrschsüchtige Absichten (XVII, II 256) undbesonders gerne „Künsteleyen” (XVIII, III 213; XIX, I 181; XX, III 266)hält er dem arglistigen Frankreich (XVI, I 283; XIX, I 186) vor. „Diepflegt tnan ins Fäustchen auszulachen, welche sich durch Traktate «ndWorte blenden und kirren lassen (XVI, I 364). Auch im Reich versucht essich mit seinen Künstelungen, um den Samen der Uneinigkeit mittelsvorgewandter Religion unter Haupt und Gliedern des Reichsauszustreuen (XVI, I 527). Nicht ungerügt läßt der Verfasser diegewöhnliche, überflüssige Prahlerei (XVII, II 263; XIX, II 433), die mitdem durch Geldmacherey und Geldschinderey (XX, III 266) unter demfranzösischen Volk herrschenden Elend in keinem Einklang stellt. Dieseseine Abneigung gegen Frankreich faßt Schneider nicht als Parteilichkeitauf, vielmehr setzt er die gleiche Stimmung bei seinen Lesern voraus.Nicht ohne Verwunderung und Mißbilligung des unpartheyischen Leserszeigen die Geschichten des Theatri nach und nach, daß König Karlgezwungen wurde, ganz Catalonien zu verlassen (XIX, I 295). ImTürkenkrieg stehen ebenso selbstverständlich alle Sympathien auf derchristlich-kaiserlichen Seite. Der Autor bewegt sich hier in denselbenAusdrücken wie seine Vor-

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ganger. Der Allerhöchste Gott hat die gerechtesten Kayserlichen Waffengesegnet. Unter der heldenmütigen Anführung des Prinzen Eugen erringtman hei Belgrad 1717 über den hochmütigen und grausamen Feind (XXI,I 29) einen herrlichen und vollkommenen Sieg mit unsterblicher Glorieund Ruhm aller kaiserlichen Soldaten (XXI, II 101).

In seinem Ordnungssystem schließt sich Schneider im allgemeinenan die hergebrachte Rubrikenabteilung an. Mit seinem nächstenVorgänger gemein hat er die durch den deutsch-französischen Krieg unddurch die reichliche Verwertung des aus den innerdeutschenStreitigkeiten erwachsenden Aktenmaterials veranlaßte Betonung derReichsgeschichten, deren Unterabteilungen er entsprechend derReichskreiseinteilung benennt. Eine bisher unbekannte Rubrik ist die fürdas Reichskammergericht. Innerhalb der einzelnen Abteilungen istwieder die chronologische Methode maßgebend. Die Kriegsereignisse,die der Verfasser von XII—XV nicht ungeschickt vorausgestellt und imZusammenhang behandelt hatte, zerteilt Schneider nicht immervorteilhaft auf mehrere Rubriken. Doch weiß er sich oft damit zu helfen,daß er sich nicht sklavisch an seine Einteilung hält. So zieht ergelegentlich England und Holland zusammen, in richtiger Erkenntnis,daß, weil alles gar sehr untereinander gelauffen, die Sonderling nurUndeutlichkeit machen oder veranlassen dörffte, einer Sache mehr alseinmal zu gedenken (XIX, II 284),

Nicht mit Unrecht zählt Struve neben den von Abelin und Schlederverfaßten die aus Schneiders Feder stammenden Bände zu denbeachtenswertesten. Es ist nicht zu verkennen, daß der Autor seineQuellen nicht mechanisch aneinanderfügt, sondern daß er ihren Inhalterfaßt. Mit staunenswerter Geschicklichkeit findet er sich so in den eineungeheuere Fülle von Aktenmaterial bietenden großen und kleinenStreitigkeiten zurecht. Indem Schneider sein Augenmerk auf den Gangder Politik und die große Ge-

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schichte lenkt, bleiben die sonst so beliebten, in der Manier desUnterhaltungsstoffes erzählenden Hofgeschichten auf das notwendigerscheinende Maß beschränkt.

In der Quellenbenutzung befolgt Schneider die bisher üblicheMethode, bei den Hauptereignisscn mindestens zwei Berichte von denverschiedenen Seiten zu bieten. In der Ausrottung der persönlichenMerkmale seiner Quellen scheint er nicht seine Hauptaufgabe zuerblicken. Für die gegen die Franzosen und die gegen die Türkenkämpfcndcn Truppen gebraucht er meist die Bezeichnung die„Unsrigen”, läßt aber ebenso bisweilen ein „Wir” in der Erzählungstehen, wie es seine Quellen geboten haben. Ueber den Parteistandpunktder von ihm verwerteten Relationen legt er manchmal Rechnung ab. Ergibt an, im Sinne welcher Partei das bisher Erzählte gehalten war (XVIII,II 265); er äußert sich darüber, ob ein gebotener Bericht stark gefärbtoder „ziemlich unpartheyisch” (XVIII, III 235) geschrieben ist. Mit derMitteilung mehrerer Quellen verbindet er den Zweck, daß der Leser „sichhernachmahlen aus der Gegeneinanderhaltung dieser Nachrichtenselbsten den wahrscheinlichsten Entwurff dieser Dinge in seinemGemüthe machen möge” (XVI, I 1020; XVIII, III 231).

Im Verhältnis zu den Meßrelationen hat das Theatrum schon wegenseines Aktenstoffes, der Schneider vermutlich aus bester Quelle zufließt,ein bedeutendes Plus. Vielfach sind in den beiden Werken ganzverschiedene Relationen über die gleichen Ereignisse benützt. Die aberimmer noch bestehende Verwandtschaft läßt sich wieder aus einerVerwertung der gleichen Quellen erklären, wie aus dem folgendenBeispiel deutlich hervorgeht.

Rel. Hist. HM 1707-OM. 1708 S. 103 Theatrum XVIII, III 382

Den 14. Sept. Ist in der Stadt Moskauein sehr hefftiger Brand entstanden,welcher bey 11000

Es entstunde den 14. Septbr. in derResidentz Stadt Moscau einentsetzlicher Brand, durch welchen1100 Häuser unter andern auch

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Häuser verzehrt und dem Czar allein anTaback 10000 Rubles Schadenverursacht.

dasjenige darinnen der Englische

Consul gewohnet hat, in die Aschegelegt wurden, da denn Se.Czaarischen Majest. allein an Tabackvon mehr als 10000 Rubeln Schadengelitten, welcher in einem Packhausegelegen.

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Anhang

1. Die Autoren

Einige der am Theatrum beteiligten Verfasser, vornehmlich die,welche in Frankfurt ihren Wohnsitz haben, sind zugleich Mitarbeiter ananderen kompilatorischen Unternehmungen, so besonders an denMeßrelationen, dem Mercurius Gallo-Belgicus, dem Diarium Europaeumund vielleicht an den ersten Frankfurter Zeitungen (Opel). Fast alle,außer Meyer, der ausschließlich von seiner kompilatorischen Tätigkeitlebt, und Abelin, den man aus dem Schuldienst entlassen hat, scheineneinen festen Beruf zu haben und die Schriftstellerei nur als Nebenerwerbzu betreiben. Das leitende Motiv bei der Abfassung ihrer Werke ist dieWahrheitsliebe. Sie schließt vornehmlich die überall in Anspruchgenommene Unparteilichkeit (Stieve) in sich, von der selbst die nichtabgehen wollen, die sich gar nicht viel Muhe geben, ihre Tendenz zuverbergen. Die Unparteilichkeit wird oft als gleichbedeutend mitGenauigkeit, d. h. wortgetreuem Festhalten an den Formalia, denvorliegenden Quellen, gefaßt. Das Urteil anderer durfte man schoneinmal mitteilen, mit dem eigenen hielt man zurück. Vor einerdurchgängigen, den Leser beeinflussenden Hervorkehrung derpersönlichen Affekte sich zu hüten, nahm man sich schon deshalb vor,weil ein offenes Bekenntnis der politischen und religiösenAnschauungen die Aufmerksamkeit der Gegner auf sich zog. Geradedarum war ja, wie die Verfasser selbst gestehen, das Historienschreibenin jener Zeit nicht ungefährlich. Es suchen daher die Autoren wie dieVerleger in angesehenen und mächtigen Personen, denen sie ihre Werkezueignen, einen schützenden Rückhalt. Schon aus diesen Gründen sindfast alle regierungsfreundlich gestimmt. Diese Ergebenheit gegen höhergestellte, fürstliche Persönlichkeiten äußert sich zumeist in einemdevoten Respekt vor ihrer Würde und Erhabenheit. Daher erklärt sichauch die Vorliebe und das Interesse des Autors wie des Lesers für dietraurigen und freudigen Ereignisse an den fürstlichen Höfen, wobei jagleichmäßig deren Macht und Glanz sichtbaren Ausdruck fand. Darinliegen zugleich die Motive, die die Menschen jener Zeit

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veranlaßten, die Lektüre eines Hauptteils des Unterhaltungsstoffes,nämlich der Hofgeschichten, mit besonderer Lust zu betreiben. Diezweite Hälfte dieser Literaturgattung, also vornehmlich die Erzählungenvon den den gewöhnlichen Lauf der Natur überschreitenden Dingenerlangt aus anderen Gründen Beliebtheit. Die Frömmigkeit gefiel sichnämlich darin, auf das Wirken Gottes in der Geschichte deutlich denFinger zu legen. Wo aber ließ sich das besser beobachten als an denVorgängen, welche die gewohnte Ordnung der Dinge merklichüberschritten? Man sah in diesen Vorfällen meist in unheilvollem Sinneaufgefaßte Winke Gottes. Hier bot sich Gelegenheit, eine moralisierendeTendenz in die Darstellung einzufügen, wie dies namentlich in GottfriedsChronik, weniger im Theatrum geschieht. Mit der dabei hervortretendenFrömmigkeit der Autoren paart sich ein gutes Stück Aberglaube. Aberschon ist in den letzten Bänden der Hauch einer neuen Zeit zu verspüren,die den Spuk- und Wundergeschichten auf den Grund geht undberechtigte Zweifel wagt. Die Anschauungen, die wir bei den Autorenfeststellen können, werden großenteils bei den Lesern die gleichengewesen sein. Ebenso bietet uns der von den einzelnen Autorenvertretene politische Standpunkt zugleich ein Bild einer Ueberzeugung,wie sie in weiten Kreisen herrschend war.

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2. Die Quellen

Das Theatrum ist „auß vielen treulich mitgetheilten Schrifften,glaubwürdigen Berichten, und briefflichen Urkunden“, sowie „auß derSachen eigentlichem Verlauff“ zusammengetragen und beschrieben. Daßaus der persönlichen Erfahrung das Wenigste geschöpft worden ist, dasgeben die Autoren selbst zu. Nur für kurze eingeschobene Abschnitte, dieauf die Zeitlage Bezug nehmen, mögen eigene Erlebnisse bestimmendgewesen sein. Denn nicht einmal Ereignisse, die in Frankfurt vor ihrenAugen passieren, beschreiben sie frei aus dem Gedächtnis, sondern sielegen hier überall feste Relationen unter, die sie nur auf Grund IhrerOrtskenntnisse mit kleinen Zusätzen versehen. Die Hauptmasse des imTheatrum verwerteten Materials holte man zweifellos aus den in demFrankfurter Sammelbecken zusammenfließenden journalistischen undpublizistischen Produkten. Mannigfache Andeutungen des Theatrumbesagen, daß ein guter Teil der benützten Relationen im Druck vorlag.Von diesen in Frankfurt zusammenkommenden fliegenden Blättern lebenalle kompilatorischen Unternehmungen jener Stadt in der Hauptsache.Schon die Verleger sammeln wohl die einzelnen Flugblätter undübergeben sie den Autoren zur Verarbeitung. Die Verfasser bemühen sichselbst, möglichst viel Stoff zusammenzubringen. Die Vorreden desTheatrum sprechen deshalb wiederholt die Bitte aus, der Leser mögedoch ihm zur Verfügung stehendes Material übersenden oder die Leute,die selbst an den Ereignissen mitwirken und ihre Unternehmungen richtigim Theatrum beschrieben haben wollen, sollen Berichte von ihren Tatenabfassen und dem Verlag übermitteln. Nicht nur Gönner des Theatrum,als solcher erscheint einmal der schwedische General Wrangel (V),schicken Delineationen und Schilderungen einzelner Vorgänge, sondernder Verlag Merian hat eine Reihe von Leuten, vornehmlich Offiziere undIngenieure, an der Hand,

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die gegen entsprechende Vergütung Zeichnungen und Beschreibungender Kriegsaktionen liefern. Auf den Kupfern werden die Ingenieuregenannt und in der Darstellung wird angegeben, daß der das Kupfererläuternde Bericht aus der Feder des Zeichners stammt. Hier sind also,wenn schon nur zu geringem Teil, handschriftliche Relationen imTheatrum verwertet worden. Eine wichtige Frage ist ferner die nach derHerkunft des Aktenstoffes. Es ist in den Vorreden ausgesprochen, daßhessische Archive durch die Gunst des Landgrafen Georg (III) denVerlag mit Material bedachten. Von Schneider wird überliefert, daß ihmdurch seinen Patron, den Grafen Friedrich von Solms, wertvolle Quellenerschlossen wurden. Endlich darf vielleicht an eine Nutzbarmachung .derSchätze der churmainzischen Archive gedacht werden.

Die Quellen (Prutz, Opel, Stieve), die uns im Theatrumverarbeitet vorliegen, bieten als literarische Gattungen aufgefaßt ein Bildbuntester Mannigfaltigkeit. Wir können zwar die einzelnen Quellenstückenach Ausgangspunkt und Entstehung oder nach Absicht und Zweck wienach Form und Inhalt charakterisieren. Allein absoluteEinteilungsprinzipien, die eine reinliche Scheidung in einzelne Gruppengestatten, werden wir vergebens suchen. Bei der folgenden Uebersicht istdaher eine Ordnung eingehalten, die von dem persönlich zu demallgemein Gehaltenen, von dem nur an die Familienangehörigen oder denFreund vertraulich gerichteten Brief zu der dem Zweck derGeschichtsschreibung dienenden Schrift übergeht. Unter denvertraulichen Schreiben spielt eine wichtige Rolle der Soldatenbrief. Derim Felde stehende Gemeine oder Offizier, auch der in einer gefährdetenund belagerten Stadt gebliebene Bürger schreibt seine fernenAngehörigen oder Bekannten. Den gleichen Weg gehen die offiziellenBerichte des Feldherrn an seine esetzte Regierung, die dann als„Schlachtenbulletins“ der Öffentlichkeit preisgegeben werden. Hierhersind zu-

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gleich die im Theatrum häufig vorkommenden Material-, Truppen- undVerlustlisten zu rechnen. Unter die Handschreiben gehört ferner dervielleicht dem Paket beigelegte Geschäftsbrief, der nebenbeiLokalnachrichten übermittelt. Auf derselben Linie liegen diebedeutenderen „Correspondenzen der Handelshäuser“. Hier schließensich die im Theatrum meist schlecht verarbeiteten und daher um so mehrauffallenden Schiffsnachrichten an. Die aus den überseeischen Ländernankommenden Schiffe bringen die Zeitungen aus den Kolonien mit,Listen, die uns als trockene Aufzählungen anmuten, verraten demneugierigen Leser, aus was für kostbaren, fremdländischen Erzeugnissendie Ladung bestellt. Eine regelrechte Korrespondenz mit Bekannten oderBeauftragten unterhielten ferner die Zeitungsschreiber, die anfänglich mitden Postmeistern identisch sind. Bei diesen Berichten kam es darauf an,recht rasch die neusten Nachrichten zu übermitteln. Sie sind daher nichtmit Unrecht mit unseren Depeschen verglichen worden. Wie diese, sobringen sie aber meist nur knappe, noch trübe und ungewisseMitteilungen. Es sind die sogenannten Advisen, die noch im Theatrumnach der Einarbeitung durch Angabe des Datums, des Aufgabeorts undmanchmal der Uebergangsstation gekennzeichnet sind. Ein reichlichesMaterial liefert die „Schriftwechslung“ von Staaten und Ständen, ihreBeratungen untereinander und ihr Verkehr mit den Untertanen. Hierergibt sich eine ungeheure Fülle von Schriftstücken, die im Theatrummeist bestimmte Namen tragen, wie Declarationen, Justificationen,Propositionen, Resolutionen, Edikte, Manifeste usw. Ein guter Teil dieserDokumente, namentlich wenn sie sich als Erklärungen und Recht-fertigungen an weite Kreise wenden, bedient sich sofort des Drucks alsdes bequemsten Verbreitungsmittels. In meist nicht zu langenFlugblättern und Relationen werden ferner Erzählungen von allenmöglichen Geschehnissen im Druck veröffentlicht. Eine besondere Rolledabei spielen

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die Gegenstände des Unterhaltungsstoffes. Unter diesen werdenvornehmlich wieder die wunderbaren Ereignisse in Natur undMenschenleben von Gelehrten, besondere Medizinern, Naturwissen-schaftlern und Theologen in bisweilen umfangreicheren Traktätcheneiner wissenschaftlichen Behandlung unterzogen. Zuerst mag von einemhierin besprochenen Vorgang eine kurze Relation erschienen sein, diediese Gelehrten aufgreifen und mit einem Kommentar versehen neuausgehen lassen. In ein späteres Stadium fallen auch die eigentlichen„historischen“ Schriften. Sie warten die ersten Nachrichten überEinzelvorgänge gemächlich ab und geben dann einen Ueberblick überlängere Zeitabschnitte. Alle diese Literatur, soweit sie noch nicht odernur in wenigen Exemplaren gedruckt ist, wird vonunternehmungslustigen Spekulanten unter die Presse gebracht und findetbei dem wißbegierigen Publikum jener Zeit meist guten Absatz.

3. Quellenverarbeitung

Was fängt nun der Kompilator an, wenn er die in der besprochenenLiteratur gebotenen Quellen gesammelt hat? Zunächst geht im großenund ganzen das Bestreben dahin, alle persönliche Stilformen, sowieüberhaupt alle die Einzelnachricht kennzeichnende Merkmale desDatums, Ausgangspunktes usw. auszumerzen, so daß lauter Stücke inallgemeiner Fassung entstehen. Dabei bleiben doch aus Versehen oft dieursprüngliche Form verratende Reste stehen. Nach demverallgemeinernden Ausgleich werden die einzelnen Stücke nachMaßgabe des jeweiligen Ordnungsverfahrens aneinandergereiht. Dabeisind allerlei Aenderungen nötig. Bei streng chronologischemOrdnungsverfahren müssen oft größere Quellen zerteilt, bei einerRubrikenordnung zeitlich nacheinander einlaufende kurze Notizen übereinen Gegenstand zusammengezogen werden.

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Die einen Partien der Erzählung, die dem Verfasser zu breit erscheinen,werden durch Streichen gekürzt; die andern, die zu knapp gehalten sind,werden ausgeschaltet und dafür ein Stück einer ausführlicheren Quelleeingefügt. Alle diese Maßnahmen der Verarbeitung müssen bei dergewaltigen Menge des beigebrachten Materials natürlich recht raschgeschehen, und dabei laufen mancherlei Fehler unter. Eine schongeschicktere Art der Behandlung, wie sie bei Schleder zu beobachtenwar, verschafft sich eine Uebersicht über die verschiedenen Quellen überden gleichen Gegenstand. Ergeben sich besonders in Orts-, Zahlen- undNamenangaben Widersprüche, so wird die zweite Lesart in Klammern inder Darstellung beigefügt. Bei der Kompilation wird streng daraufgesehen, den Wortlaut beizubehalten. Das ist das Hindernis, das einerEntwicklung zu höherer Auffassung sich in den Weg stellte. DieKompilatoren glauben im Wortlaut ihrer Quellen, denen sie kritiklosgegenüberstehen, die wahre Geschichte selbst gefunden zu haben. DenQuelleninhalt selbständig zu erfassen und danach ein eigenesGeschichtsbild zu konstruieren, dazu waren sie nicht imstande.

4. Ordnungsmethoden

Es lag zweifellos in der Anordnung der unter sich ursprünglich inkeinerlei Zusammenhang stehenden Einzelquellen eine Schwierigkeit.Darüber hinwegzukommen standen dem Autor zwei Wege offen.Entweder man sah streng auf die zeitliche Reihenfolge der Ereignisse, sogelangte man zu einer chronologischen, womöglich von zu Tagschreitenden Ordnung; oder man achtete auf den Inhalt der Quellen, soergab sich eine Einteilung, den in gleichen geographischen Gebieten sichabspielenden obschon mannigfaltigen Geschehnissen oder derartigen,obschon an verschiedenen Oertlichkeiten vorfallenden

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Ereignissen besondere Klassen zuweist. Einen Vertreter eines reinchronologischen Verfahrens haben wir im Theatrum nicht, wenn auchOraeus sich einem solchen stark nähert (cf. Band III). Schon Abelin führteine Rubrikenordnung ein und Schleder bildet eine mit bestimmten Titelnversehene Klassenabteilung, die von da an bis zum Ende des Theatrum inden Hauptzügen grundlegend bleibt. Die streng chronologische Methodesieht darauf, die Ereignisse Tag für Tag aufzuzeichnen und achtet nichtauf inhaltliche Beziehungen. Eine derartige Darstellung bietetinfolgedessen ein Bild innerer Zerrissenbeit. Diesen Nachteil umgeht dieRubriken-Ordnung, da sie das Zusammengehörige sammelt. Jedoch kannauch hier noch eine strenge Beachtung der Zeitfolge innerhalb dereinzelnen Klassen zerreißend wirken. Unvorteilhaft kann dieRubrikenordnung dann werden, wenn sie starr an einer bestimmtenReihenfolge festhält und die einzelnen Abteilungen zu säuberlich trennt.Am besten war dann um alle Fehler herumzukommen, wenn man niezugunsten der Chronologie auf die inhaltliche Zusammengehörigkeitverzichtete und wenn man die Rubriken, falls ihre Geschichten sichinhaltlich berührten, nebeneinanderstellte oder ganz zusammenzog. Einersolchen Freiheit in der Anordnung nähert sich besonders die letzte Hälfteder Bände.

5. Verwandte Literatur

Es sollen unter verwandter Literatur solche kompilatorische Werkeverstanden werden, die aus denselben Quellen wie das Theatrum diegleichen Begebenbeiten beschreiben. Unser Blick wendet sich daher aufdie in Frankfurt um die gleiche Zeit erschienenen kompilatorischenGeschichtsbücher. Es gehören hierher vor allem die Meßrelationen, derMercurius Gallo-Belgicus und das Diarium Europaeum. Einzelne frühereArbeiten der Autoren des Theatrum über besondere Gebiete derselbenZeit sind bei der Spezialbehandlung der

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Bände namhaft gemacht worden. Es sind hierher ferner zu rechnenumfangreiche Aktensammlungen, wie die Acta publica Lundorps. Aberdas Theatrum benutzt zu geringem Teil archivarisches Material, zumgroßen Teil liegen ihm die Aktenstücke in Separatdrucken vor, wiezahlreiche Bemerkungen der Autoren versichern. Es konnte dann nur inseltneren Fällen ein Verfasser des Theatrum, dem wegen der Entfernungvon den zu behandelnden Gegenständen die Einzeldrucke nicht mehrzugänglich sind, sein Aktenmaterial aus anderweitigen Sammlungenergänzeil; Weit wichtiger ist die Verwandtschaft des Theatrum mit denzuvor genannten historischen komipilatorischen Werken, die stets demTheatrum zeitlich vorauslaufen. Die hier leicht in die Augen springendewörtliche Gleichheit großer Partien, sowie die gleichmäßige Begrenzungdes dargebotenen Materials haben jedenfalls Gryphius zu der Behauptungveranlaßt, daß einzelne Bände des Theatrum „utplurimum ex relationibusut appellant semestralibus Francof, et Lipsiensium consarcinali“ seien.Dem widersprechen aber die mannigfachen Bemerkungen des Theatrumselbst, die sich auf die Verwertung einzelner Relationen beziehen.Sodann haben einzelne Vergleiche zwischen Theatrum und Meßrelationergeben, daß sich die nahe Verwandtschaft aus einem Zurückgehenbeider auf die gleichen Quellen erklären läßt. Die gleichmäßigeBeschränkung des angezogenen Stoffes erklärt sich so, daß beide Werkegerade die in Frankfurt zusammenlaufende Masse des Materialsbenützten. Die Beziehungen ferner, die zwischen dem Theatrum undfrüheren Arbeiten seiner Autoren für die gleiche Zeit bestehen, ergebeneinen interessanten Einblick in die hier beobachtete Methode. DieKompilatoren schreiben nämlich ihre Vorarbeiten nicht einfach ab,sondern sie nehmen beim Theatrum nochmals ihr erstes Quellenmaterialvor, ergänzen es mit neu hinzukommenden Relationen und formen darauseine neue Darstellung. Dabei hat das Theatrum vor allen früherenWerken

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den Vorzug, daß es nicht allein auf die ersten, unzuverlässigenNachrichten angewiesen ist, sondern sich der später einlaufendenabgeklärten und sicheren Mitteilungen bedienen kann. Wir haben soebenauf eine Beeinflussung des Theatrum durch die verwandte Literatur unserAugenmerk gelenkt. Wir dürfen aber auch mit der umgekehrtenMöglichkeit rechnen. Die Autoren, die am Theatrum tätig sind, arbeitengleichzeitig oder danach auch an anderen Werken. Dabei läßt es sichbeobachten, daß Schleder seine nach Abelins Vorbild im Theatrumgeschaffene und bewährte Rubriken-Ordnung auf die Meßrelationenüberträgt, und Meyer die ihm bei seiner Arbeit am Theatrum vertrautgewordene Klassenabteilung im Diarium einführt. Gleichzeitig damitbeginnen Meßrelationen und Diarium die Quellen nach Art desTheatrum, wenn auch nicht in so starkem Maße, zu verarbeiten.

6. Die Tendenz

Wir müssen damit rechnen, daß schon die vom Kompilator verwertetenQuellen eine einseitige Parteistellung vertraten. Das tritt besonders beiden Kriegsrelationen hervor. Meistens läßt sich hier noch erkennen, vonwelcher Seite sie stammen. Ihr Verfasser hat am genausten Kenntnis vonden Aktionen der eigenen Partei, auf deren Seite er den göttlichenBeistand sieht, von den Gegnern aber, die gewöhnlich als „die Feinde“bezeichnet werden, weiß er nur aus dem Munde von GefangenenBescheid. Die Autoren, die ohne besonderes Interesse und daher auchmeist ohne bestimmte Tendenz arbeiten, geben sich keine Mühe, auf denvon ihren Quellen vertretenen Standpunkt zu achten. Nur diejenigen, dieenergisch eine Tendenz vertreten, lassen die ihnen zusagend gefärbtenQuellen ungeändert, während sie aus Relationen, die ihren Anschauungennicht ent-

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sprechen, die anstößigsten Ausdrücke streichen. Ihre eigene Tendenzbringen die Autoren weniger durch Umbiegung der Quellen als wie inUebergängen, Zwischenbemerkungen und Zusätzen zur Geltung.Besonders entsteht dann eine einseitige Darstellung, wenn ein Verfasserder von ihm vertretenen Tendenz zu Liebe nur Berichte einer Parteibringt und die Gegenseite nicht zu Wort kommen läßt.

7. Die Kupfer

Ein großer Teil der Kupferstiche des Theatrum, die nicht immer mit demgenauen Namen ihres Verfertigers versehen sind, verdankt Künstlern, dieder Familie Merian angehören, seine Entstehung. Die erste Hälfte derBände ist vornehmlich mit Kupfern von Matthäus Merian, seinen SöhnenMatthäus und Caspar und seinem Schwiegersohn Melchior Küsselausgeschmückt. Unter ihren Gehilfen nimmt Peter Aubry als Ikonographeine hervorragende Stelle ein. In den späteren Bänden kommen alsMitarbeiter aus der Familie Merian ein Urenkel des Stammvaters, namensMatthäus von Merian und dessen Schwiegersohn Eosander von Göthe inBetracht. Den weitaus größeren Teil der Stiche liefern jetzt aber einestattliche Zahl Mitarbeiter, die alle namhaft zu machen zu weit führenwürde. Es gereicht allen diesen Kupferstechern zum Nachteil, daß sie derSitte ihrer Zeit folgend mehr auf Massenproduktion als auf gediegeneKunstleistung Wert legten (Allg. D. Biogr.). Allerdings die Gewissen-haftigkeit, die eine naturgetreue Wiedergabe sich zum Ziele setzt, lassensie nicht vermissen. Nachdrücklich wird immer wieder betont (M. Merianin der Vorrede zu II, Schneider in der Vorrede zu XVI), daß dieIllustrationen des Theatrum nicht „nach beliebiger Fantasie oderEinbildung, als sonst nicht selten bey historischen Wercken zu gesellenpfleget“, sondern nach Gemälden und Zeichnungen gebildet sind. Vondem älteren Matthäus

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Merian wissen wir, daß er auf Reisen eine große Anzahl Städtebilder, diein seinen Topographien gesondert herausgegeben worden sind, nach demAugenschein aufgenommen hat. Von seinem gleichnamigen Sohn, einemgeschickten Porträtmaler, wird überliefert, daß er besonders bei derFriedensfeier in Nürnberg und bei der Kaiserkrönung Leopolds inFrankfurt eine große Anzahl Aufträge von Fürstlichkeiten und Offizierenerhielt. Auch die Situationspläne von Schlachten, Belagerungen unddergl. sind von Personen angefertigt, die über eine genaue Kenntnis derwirklichen Vorgänge und Verhältnisse verfügten. Es sind auf denKupfern eine Reihe von Offizieren und Ingenieuren genannt, die demVerlag Merian gegen Entgelt Zeichnungen nebst erklärenden Berichtenlieferten. In dauernder Verbindung mit dem Verlag stehen z. B. derkaiserliche Ingenieur Carlo Cappi, der schwedische Generalquartier-meister Leutenant Georg Wilhelm Kleinsträtel u. a. m.

Die Kupfer des Theatrum finden sich auch in anderen Werkendes Verlags. Einzelne Stiche kehren in mehreren Bänden wieder. Oftberuft sich der Text auf Kupfer, die überhaupt nicht aufgenommenwurden.

8. Das Ende des Theatrum

Der durchweg apologetisch gehaltene Vorbericht zu Band XVI läßt unsdie Anfeindungen des Theatrum durch Leute erkennen, die eine höhereAuffassung der Geschichtsschreibung gewonnen haben und deshalb mitkritiklosen und unselbständigen kompilatorischen Sammelwerken nichtmehr zufrieden sind. Schneider hat noch einmal versucht, die Angriffe,welche die Gelehrten gegen das Theatrum schleuderten, und ihre Kritik,der die vernichtende, aber auch ungerechte Schärfe eigen ist, mit der jedeneue Zeit über eine überwundene Epoche urteilt, abzuwehren. SolcheVorwürfe, die man gegen das Theatrum erhob, mögen sein

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Ansehen erschüttert haben. Von größerem Einfluß auf den Untergang desUnternehmens indessen waren die Geschicke des Verlags. SolangeMatthäus Merian d. A. die Zügel fest in den Händen halt, erscheinen dieBände meist sofort nach Ablauf der behandelten Ereignisse. Schon unterseinen Söhnen beginnen die ersten Stockungen. Bei den späterenGenerationen werden die Verzögerungen in der Herausgabe der Bändeimmer schlimmer. Daß aber nicht etwa der Geschmack an kompilato-rischen Werken erloschen war, das bezeugt die Tatsache, daß derFrankfurter Buchhändler Ph. Heinrich Sutter, der die Kupferplatten desVerlags Merian erworben hat, in den Jahren 1745-59 noch eine unter demNamen J. L. Gottfried laufende Chronik in drei Bänden herausgehenkann. Der erste Teil dieses Werkes ist ein Neudruck der wegen ihrerKupfer beliebten Chronik Gottfrieds, der zweite und dritte aber enthälteinen Auszug aus den 21 Teilen des Theatrum nebst einer Fortsetzung bisauf das Jahr 1750. Demnach hätte also auch eine Weiterführung desTheatrum noch Leser genug gefunden. Es fehlte aber dem Unternehmenvor allem an einem Manne, der, wie einst der als Künstler und Verlegergleich bedeutende M. Merian d. Ä., das mächtige Werk in sicherenBahnen steuerte. Deshalb vornehmlich mag man von einer Fortsetzungdes Theatrum abgesehen haben. Einen willkommenen Abschluß bot dasJahr 1718. Mit einem hundertjährigen Jubiläum fand das Theatrum einäußerlich glänzendes, in Wahrheit aber ein klägliches Ende.

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