C Bieber campaign summit 29.1.2012

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@drbieber: Kampagnen in Echtzeit Kampagnen in Echtzeit? Prof. Dr. Christoph Bieber Campaign Summit 2012 Wien, 27.1.2012

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@drbieber: Kampagnen in Echtzeit

Kampagnen in Echtzeit?

Prof. Dr. Christoph Bieber

Campaign Summit 2012

Wien, 27.1.2012

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1.#s21 – Stuttgart 21

2.#occupywallstreet

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Kampagnen in Echtzeit?

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1.#s21 – Stuttgart 21

2.#occupywallstreet

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Kampagnen in Echtzeit?

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Schon zu Zeiten des Web 1.0 hatte der Online-Protest die Rolle eines Innovationsmotors für politische Kommunikation übernommen (und bereits ohne das Web 1.0 war das der Fall).

Verschiedene Beispiele aus der jüngeren Geschichte politischen Protests eignen sich gut, um die Wirkungen des Web 2.0 auf die Entstehung, Organisation und Durchführung politischer Proteste zu skizzieren.

Die Tatsache, dass sich für viele Felder jeweils ein Twitter-Hashtag (#unibrennt, #jan25, #s21, #occupywallstreet, #sopa) als Chiffre oder Label durchgesetzt hat, ist kein Zufall, denn politische Echtzeitkommunikation spielt inzwischen eine große Rolle.

Online-Proteste als Innovationsmotor

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Solche Protest-Mechanismen waren auch im Umfeld von Stuttgart 21 zu beobachten – hier bildete sich schnell der Twitter-Hashtag #s21 als Kennzeichen und Marke heraus.

Gerade in der „Anbahnungsphase“ spielten aber klassische Websites der Bahnhofsgegner eine wichtige Rolle und fungierten als Kristallisationspunkte des Protests, wie etwa die Seite parkschuetzer.de gezeigt hat.

Besonders interessant sind dabei die abgestuften Beteiligungs-möglichkeiten, die als zentraler Baustein für die Organisation und Gestaltung der Website genutzt wurden.

Der variable Zähler bildet die Dynamik der Unterstützung ab – zugleich illustriert das Beispiel die Konzepte eines flexiblen „Beteiligungsbürgers“.

Online-Proteste zu Stuttgart 21

Lance Bennett (2008): Digital Natives as Self-Actualizing Citizens. In: Rebooting America. Online via http://rebooting.personaldemocracy.com

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Am Beispiel der sehr allgemein ausgerichteten Website kopfbahnhof21.de zeigt sich gut die Verzahnung zwischen Web 1.0 und Web 2.0.

Die klassische Web-Präsenz wurde ergänzt um eine Facebook-Seite, die gleichzeitig ein neues Publikum adressieren sollte und sich auch stärker den Möglichkeiten einer spontanen Echtzeitkommunikation geöffnet hatte.

Gerade an dieser Stelle stellt sich jedoch die Frage: ist das Klicken auf den „Gefällt-mir“-Button schon gleichbedeutend mit einer politischen Beteiligung?

In den internationalen Diskussionen zum Thema hat sich hier der Begriff des slacktivsm eingebürgert (slacker + activism).

Online-Proteste zu Stuttgart 21

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Ähnlich wie zuvor schon bei den Studierendenprotesten in Österreich und Deutschland spielte auch bei #s21 der Einsatz von Online-Video eine wichtige Rolle, vor allem machte hier das Angebot fluegel.tv von sich reden.

Gestartet wurde das Projekt von Robert Schrem, von dessen Bürofenster der Nordflügel des Hauptbahnhofs gut einsehbar ist – dort positionierte der IT-Spezialist eine Foto- und dann eine Videokamera.

Daraus resultierte schließlich eine Art Bürgerfernsehen, das neben regelmäßigen Diskussionsrunden („auf den sack“) auch Material während der Unruhen im Park ausgestrahlt hat.

(In der Folge wurde fluegel.tv auch zur Berichterstattung während der Schlichtungsgespräche zugelassen.)

Online-Proteste zu Stuttgart 21

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Analysen der Protestkommunikation bei Facebook und Twitter haben sich an der Bestandsaufnahme des neuartigen Materials versucht – die Untersuchung der flüchtigen Echtzeitkommunikation ist noch weitgehend unbekanntes Terrain (Ausnahme: mappingonlinepublics.net).

Gut zu erkennen ist bei einer Sichtung der Tweets zu #s21 die räumliche Verteilung – nur etwa die Hälfte der ca. 10.000 im Anschluss an die Ereignisse des 30. September versendeten Nachrichten kamen aus der Region. Vor allem durch Retweets wurden Informationen zu den Protesten über das ganze Land (und international) verbreitet.

Bei Facebook ist die Diskussion dagegen vornehmlich inner-halb der eigenen Lager verlaufen, zudem wurden zahlreiche Links auf Berichte der etablierten Massenmedien geteilt.

Online-Proteste zu Stuttgart 21

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Mit Blick auf die neuen Medien entstehen durch die starke Vernetzung aktiver Publika neue Produktionsgemeinschaften:The latest evolution of the Internet, the so-called Web 2.0, has blurred the line between producers and consumers of content and has shifted attention from access to information toward access to other people.

Brown, John Seely/Adler, Richard P. (2008): Minds on Fire: Open Education, the Long Tail, and Learning 2.0. In: Educause Review, Jg. 43, Nr. 1, S. 16-32.

Die gemeinschaftliche Medienproduktion durchzieht sämtliche Formate – als verbindender Begriff kristallisiert sich hier „Do-It-Yourself-Medien“ heraus.

Medien zum Selbermachen?

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1.#s21 – Stuttgart 21

2.#occupywallstreet

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Seit dem Herbst vergangenen Jahres hat die #occupy-Bewegung in Sachen politischer Echtzeitkommunikation neue Maßstäbe gesetzt – und es gibt durchaus Grund zur Annahme, dass dieses Protestnetzwerk noch von sich hören lassen wird.

Auch hier steht die Echtzeitkommunikation und insbesondere die Rolle von Twitter im Vordergrund – weit besser am vergleichsweise kleinen Beispiel #s21 ist zu erkennen, dass sich entlang der Hashtags tatsächlich spontane Öffentlichkeiten gebildet haben, die erste Anknüpfungspunkte für die weitere Ausbildung eines Protest-Netzwerks dargestellt haben.

Der neue Maßstab: #occupywallstreet

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Der neue Maßstab: #occupywallstreetKennzeichnend für die digitalen Elemente der Protestkommunikation und -organisation sind niederschwellige Mitmach-Angebote, die es vielen Menschen ermöglichen, sich in die digitale Bewegung einzureihen.

Typischer Weise waren dies zu Beginn zahlreiche Ein-Themen-Blogs, die sich zu Bildergalerien des Protests entwickelt haben (wearethe99percent.tumblr.com, westandwiththe99percent).

Als Fortschreibung dieser Formate können Videoblogs gelten, die neben persönlichen Statements immer häufiger auch Livestreams von Protest- und/oder Räumungsaktionen enthielten.

Auf Basis von Plattformen zum crisis mapping boten sich Protestteilnehmern avanciertere Möglichkeiten zur Berichterstattung.

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Der neue Maßstab: #occupywallstreetDie digitale Dimension der Proteste hat verstärkende, aber auch archivierende Wirkung für die Kommunikation der #occupy-Bewegung.

Nicht selten spannen sich gerade entlang der digital erzeugten Artefakte neue und haltbare Kommunikationszusammenhänge auf, die für eine „Verfestigung“ des Protest-Netzwerks sorgen.

Eine besondere Rolle spielen Livestreams, deren Reichweite allmählich in die Nähe lokaler TV-Kanäle gelangt (wenn dies denn überhaupt ein adäquater Vergleichsgegenstand ist).

Der prominenteste Vertreter einer neuen Form des Bürgerjournalismus ist Tim Pool (@iwilloccupy, @wearethe99), der am #Nov17 aus New York berichtet hatte.

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Der neue Maßstab: #occupywallstreetNeben den wachsenden Reichweiten fällt bei den Livestreams auch auf, dass sich die Beziehung zwischen „Journalist“ und „Publikum“ verändert.

Als Erklärung für den besonderen Erfolg von Tim Pool wurde seine besondere Verbindung zum Publikum angeführt – über die vorhandenen Rückkanäle (Chat, Twitter) blieb er in Kontakt zu den Zuschauern, die sich mit Fragen oder Hinweisen an ihn wendeten (Stichwort: DIY-Media).

(Aus den 1980er Jahren grüßt übrigens Max Headroom.)

Zusätzlich zu den Live-Berichten werden die zahlreichen Video-Dokumente auch zum Gegenstand sorgfältig aufbereiteter, kuratierter Clip-Montagen sowie reichweitenstarker Mashups („pepper spraying cop“).

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Der neue Maßstab: #occupywallstreetAbschließend bliebe noch der Hinweis auf die technologische Seite der #occupy-Proteste – nach der ersten großen Protestwelle des Herbstes ist vor allem die IT-Abteilung der Kampagne aktiv.

An vielen Stellen wird gerade an der digitalen Infrastruktur der Bewegung gearbeitet, um die digitale Protestkommunikation eine leistungsfähigere und unabhängigere Basis abseits von Facebook oder Twitter zu stellen.

Insgesamt lässt sich das Muster #occupy als eine Art Schnittstelle oder Arbeitsplattform verstehen, die von ganz unterschiedlichen Anwendern weiterentwickelt werden kann.

In den Blickpunkt rückt dabei auch eine neue Ressource politischer Kommunikation, Organisation, und vielleicht bald auch Macht – der Code, mit dem politische Prozesse umprogrammiert werden.

Madrigal, Alexis (2011): A Guide to the Occupy Wall Street API.In: The Atlantic, 16.11.2011.

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