Chancen als EU-Fundraiser - WILA...

5
arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010 IV arbeitsmarkt E uropa ist näher als viele denken. Viele Organisationen arbeiten bereits eng an europäischen The- men. Doch eine gute Projektidee ist nicht zwangsläufig eine europäische Idee. Aber gerade Projekte in den Bereichen Bildung und Forschung, Jugend, Kultur, Soziales oder Integration können leicht in einen europäischen Kontext gestellt werden. Die Fakten sprechen für sich: Auf den Lis- ten EU-geförderter Projektträger finden sich zahlreiche „Wiederholungstäter“. Doch warum beantragen diese Organisa- tionen mehrfach erfolgreich europäische Projekte, und warum scheitern andere trotz ausgezeichneter und fachlich per- fekt unterfütterter Projektideen? „Learning by doing“ oder besser „trial and error“ kann sich im EU-För- derdschungel schnell als kosteninten- sive Herangehensweise herausstellen. Deshalb sollte die Entscheidung für europäische Fördergelder auf der Ebene der Geschäftsführung getroffen werden. In Organisationen, in denen das ent- sprechende Know-how systematisch aufgebaut wird, können Bewerber auf ein mittel- und langfristiges Arbeitsverhältnis hoffen. EU-Fundraiser setzen an der Schnittstelle zwischen Projektvorhaben und EU-Projektförderung an. Während Konkurrenzanträge bereits der formalen Überprüfung durch die Gutachter nicht standhalten, sorgen EU-Fundraiser für förderwürdige Anträge, die exakt die for- malen und inhaltlichen Vergabekriterien berücksichtigen. Die gute Nachricht: Erfolgreiche EU- Antragstellung ist erstens erlernbar und zweitens mit dem entsprechenden fach- lichen Hintergrund zunehmend gefragt. Über den nationalen Tellerrand Das Thema EU-Fördermittelakquise ist gar nicht so trocken, wie es klingen mag. Gerade europäische Projekte erfordern eine kreative Ader, und EU-Fundraiser sind entgegen manchem Vorurteil keine reinen Antragtexter. Einzelkämpfer ohne thematische Spezialisierung haben es schwer. Europäische Projekte unterscheiden sich übrigens in einigen Punkten von nationalen oder regionalen Projekten. Sie leisten einen Beitrag zu den gemeinsa- men Zielen der Europäischen Union. Die Arbeit mit europäischen Partnern führt oft zu lohnenden Kooperationen. EU- Fundraiser arbeiten in Projekten häufig mit drei bis acht europäischen Nachbarn zusammen – mit etwas Mut, die vorhan- denen Englischkenntnisse auch anzu- wenden, kann man in solchen Projekt- teams erfolgreich zusammenarbeiten. „Ein Höhepunkt in der Projektberatung ist die erfolgreiche Strukturierung des inter- nationalen Konsortiums sowie die Schaf- fung angemessener Kommunikationswe- ge, damit alle Partner partizipativ an der Identifikation, der Formulierung und der Umsetzung des EU-Projekts mitwirken.“, stellt Peter Kratzer fest. Seit 15 Jahren arbeitet er im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands für Projekte in Südosteuropa. Als kommunikationsstarke Menschen behalten EU-Fundraiser den Überblick über den gesamten Projektlebenszyklus: Sie recherchieren EU-Fördermöglich- keiten, kreieren im Team Projektideen, Die EU verschenkt kein Geld, stellt aber für gute Projekte ge- zielt Fördergelder bereit. EU-Fördermittel-Experten haben auf dem Arbeitsmarkt viele Möglichkeiten. | Heike Kraack-Tichy Chancen als EU-Fundraiser n BERUFE

Transcript of Chancen als EU-Fundraiser - WILA...

Page 1: Chancen als EU-Fundraiser - WILA Arbeitsmarktwila-arbeitsmarkt.de/files/biku_2010_25_eu-fundraising.pdfvon Fundraising-Strategien zentral ist. Oft beinhaltet diese Tätigkeit auch

arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010IV Varbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010

arbeitsmarkt

Europa ist näher als viele denken. Viele Organisationen arbeiten bereits eng an europäischen The-

men. Doch eine gute Projektidee ist nicht zwangsläufig eine europäische Idee. Aber gerade Projekte in den Bereichen Bildung und Forschung, Jugend, Kultur, Soziales oder Integration können leicht in einen europäischen Kontext gestellt werden. Die Fakten sprechen für sich: Auf den Lis-ten EU-geförderter Projektträger finden sich zahlreiche „Wiederholungstäter“. Doch warum beantragen diese Organisa-tionen mehrfach erfolgreich europäische Projekte, und warum scheitern andere

trotz ausgezeichneter und fachlich per-fekt unterfütterter Projektideen?

„Learning by doing“ oder besser „trial and error“ kann sich im EU-För-derdschungel schnell als kosteninten-sive Herangehensweise herausstellen. Deshalb sollte die Entscheidung für europäische Fördergelder auf der Ebene der Geschäftsführung getroffen werden. In Organisationen, in denen das ent-sprechende Know-how systematisch aufgebaut wird, können Bewerber auf ein mittel- und langfristiges Arbeitsverhältnis hoffen. EU-Fundraiser setzen an der Schnittstelle zwischen Projektvorhaben

und EU-Projektförderung an. Während Konkurrenzanträge bereits der formalen Überprüfung durch die Gutachter nicht standhalten, sorgen EU-Fundraiser für förderwürdige Anträge, die exakt die for-malen und inhaltlichen Vergabekriterien berücksichtigen.

Die gute Nachricht: Erfolgreiche EU- Antragstellung ist erstens erlernbar und zweitens mit dem entsprechenden fach-lichen Hintergrund zunehmend gefragt.

Über den nationalen Tellerrand

Das Thema EU-Fördermittelakquise ist gar nicht so trocken, wie es klingen mag. Gerade europäische Projekte erfordern eine kreative Ader, und EU-Fundraiser sind entgegen manchem Vorurteil keine reinen Antragtexter. Einzelkämpfer ohne thematische Spezialisierung haben es schwer.

Europäische Projekte unterscheiden sich übrigens in einigen Punkten von nationalen oder regionalen Projekten. Sie leisten einen Beitrag zu den gemeinsa-men Zielen der Europäischen Union. Die Arbeit mit europäischen Partnern führt oft zu lohnenden Kooperationen. EU-Fundraiser arbeiten in Projekten häufig mit drei bis acht europäischen Nachbarn zusammen – mit etwas Mut, die vorhan-denen Englischkenntnisse auch anzu-wenden, kann man in solchen Projekt-teams erfolgreich zusammenarbeiten. „Ein Höhepunkt in der Projektberatung ist die erfolgreiche Strukturierung des inter-nationalen Konsortiums sowie die Schaf-fung angemessener Kommunikationswe-ge, damit alle Partner partizipativ an der Identifikation, der Formulierung und der Umsetzung des EU-Projekts mitwirken.“, stellt Peter Kratzer fest. Seit 15 Jahren arbeitet er im Rahmen der Auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik Deutschlands für Projekte in Südosteuropa.

Als kommunikationsstarke Menschen behalten EU-Fundraiser den Überblick über den gesamten Projektlebenszyklus: Sie recherchieren EU-Fördermöglich-keiten, kreieren im Team Projektideen,

Die EU verschenkt kein Geld, stellt aber für gute Projekte ge-zielt Fördergelder bereit. EU-Fördermittel-Experten haben auf dem Arbeitsmarkt viele Möglichkeiten. | Heike Kraack-Tichy

Chancen als EU-Fundraiser

n BERUFE

Page 2: Chancen als EU-Fundraiser - WILA Arbeitsmarktwila-arbeitsmarkt.de/files/biku_2010_25_eu-fundraising.pdfvon Fundraising-Strategien zentral ist. Oft beinhaltet diese Tätigkeit auch

arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010IV Varbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010

arbeitsmarkt

berücksichtigen zusammen mit der Buchhaltung knifflige europäische Verga-berichtlinien und legen den Grundstein für das Qualitätsmanagement im Projekt. Letztendlich bündeln sie die Projektvor-haben ihrer Institution in einem inhaltlich verständlichen und formal korrekten EU-Antrag. Dabei arbeiten sie eng mit der strategischen Ebene zusammen und sind regional, national und europäisch gut vernetzt. Berufserfahrung, systematische Qualifizierung sowie die Verankerung in der Organisation sind ausschlaggebend für den Erfolg.

Der Arbeitsmarkt im In- und Ausland

Die europäische Integration bietet viel-fältige Chancen und Zukunftsperspekti-ven. Wer sich als EU-Fundraiser qualifi-ziert, dem stehen neben dem deutschen Arbeitsmarkt bei entsprechenden Fremd-sprachenkenntnissen alle 26 Arbeits-märkte der EU-Mitgliedsstaaten offen. Die klassischen Brüsseler Fördertöpfe werden europaweit zentral über Brüssel vergeben, und viele der nationalen ver-waltenden Stellen bedienen sich einer ähnlichen Funktionslogik. Die Fördermit-tel für die laufende Förderperiode von 2007-2013 sind fest eingeplant und be-wegen sich auch in den kommenden Förderperioden auf einem ähnlichen Ni-

veau. „Angesichts der Erfahrungen bei den letzten Finanzverhandlungen in der EU wird das Gesamtvolumen des EU-Haushalts auch für die Jahre 2014 bis 2020 weiterhin bei rund ein Prozent des EU-Bruttonationaleinkommens liegen“, sagt Peter Becker von der „Stiftung Wis-senschaft und Politik“ (www.swp-berlin.org). Seine Einschätzung: „Die Schwerpunkte werden weiterhin die Agrarausgaben und die Strukturfonds bleiben.“ Dies bedeutet, dass das Wissen über europäische Förderung auch künftig

auf dem nationalen und europäischen Arbeitsmarkt relevant sein wird, denn insbesondere die Brüsseler Fördertöpfe aber auch die Strukturfonds sind für regi-onale und nationale Akteure im Bil-dungs-, Jugend- und Sozialbereich inter-essant.

Den Fachkräftebedarf aufspü-ren - Auswertung aktueller Stel-lenausschreibungen

Als Akteur in der EU-Fördermittelbera-tung hat emcra 40 Stellenanzeigen aus sieben Print- und Onlinemedien analy-siert, die auf EU-Fördermittelexperten im geisteswissenschaftlichen Bereich zielen. Die Auswahl der Ausschreibungen erfolg-te im Zeitraum vom 19. April bis 27. Mai 2010. Das Ergebnis erlaubt eine erste Einschätzung des Fachkräftebedarfs: Qualifizierte EU-Fördermittel-Experten werden gesucht - wenn auch selten na-mentlich. Zunehmend wird beispielswei-se qualifiziertes Personal für die Entwick-lung einer passenden Fundraisingstrate-gie und den Aufbau interner Fördermittel-strukturen gesucht. Es lohnt sich, im Volltext mit deutschen und analogen eng-lischen Schlüsselwörtern sowie Namen

EU-FÖRDERMITTEL IN DEN BEREICHEN BILDUNG, KULTUR UND SOZIALWESEN

Die Europäische Union stellt in der aktuellen Finanzperiode von 2007-2013 zahlrei-che Fördermöglichkeiten für die Umsetzung europäischer Themen bereit. Der EU-Haushalt beträgt für die jetzige Finanzperiode 975 Mrd. Euro. Die vier Bereiche der EU-Förderung - Brüsseler Fördertöpfe, EU-Strukturfonds, Gemeinsame Agrarpolitik und EU als globaler Akteur - unterscheiden sich in ihrer Zielsetzung, Antragstellung und Verwaltung. Eines haben sie gemein: Mit EU-Geld wird der europäische Gedan-ke gefördert und EU-Politik implementiert. Die Bereiche Bildung, Kultur und Sozialwesen spiegeln sich auf vielfältige Weise in der europäischen Förderlandschaft wieder. Oft geht die europäische Förderung wei-ter als die nationale. Für Organisatione in den genannten Bereichen bieten sich zahlreiche Möglichkeiten.

EU-Fundraiser nutzen Datenbanken, besuchen aber auch Informationstage zu Förderpro-

grammen oder europäische Konferenzen zum jeweiligen Arbeitsgebiet.

Page 3: Chancen als EU-Fundraiser - WILA Arbeitsmarktwila-arbeitsmarkt.de/files/biku_2010_25_eu-fundraising.pdfvon Fundraising-Strategien zentral ist. Oft beinhaltet diese Tätigkeit auch

arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010VI VIIarbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010

arbeitsmarkt

von Förderprogrammen zu suchen; hier einige Beispiele: EU-Projekt, Projektma-nagement, Fördermittel, Drittmittel, För-deranträge, EU-Förderung, Projektab-rechnung, Lebenslanges Lernen, Fundrai-sing (eher in ausländischen Jobbörsen).

Die Einsatzmöglichkeiten sind breit: Im geisteswissenschaftlichen Bereich su-chen vor allem NGOs, aber auch Städte

und Kommunen EU-Fundraiser. In den Sektoren Entwicklungshilfe und Bildung sind ebenso Ausschreibungen zu finden, wobei besonders Angebote von Hoch-schulen häufig anzutreffen sind. Viel Po-tenzial für EU-Fundraiser bieten auch der Sozialbereich, das Querschnittsthema Integration sowie die Kultur- und Medi-enförderung. Unter den ausgewerteten

Stellenanzeigen bezogen sich knapp 90 % auf den deutschen Arbeitsmarkt. Für Europa-Interessierte empfiehlt sich der Bezug von Europa-Newslettern, bei-spielsweise „EuroBrussels“.

Die ausgewerteten Stellenanzeigen lassen sich in drei Hauptgruppen eintei-len, die die zu besetzenden Tätigkeitsfel-der zusammenfassen:(1) Einsteiger und Umsteiger können ers-

te Erfahrungen im Assistenzbereich sammeln. Die Bandbreite der Arbeits-platzbeschreibungen ist individuell und reicht von EU-Förderprogramm-Recherche, Wettbewerbsanalysen, Projektpartnersuche, Projektkon-zeption über die Organisation von Veranstaltungen und Verfassen von Berichten bis hin zu administrativen Tätigkeiten wie Büroorganisation, Datenbankpflege sowie Rechnungs-wesen und Controlling.

(2) Die meisten Ausschreibungen be-ziehen sich auf Führungspositionen. Quereinsteiger und ausgebildete Projektmanager haben gute Chancen bei ausgeschriebenen Stellen, in de-nen das Entwickeln und Koordinieren von Fundraising-Strategien zentral ist. Oft beinhaltet diese Tätigkeit auch Netzwerkarbeit, Lobbying und Öf-fentlichkeitsarbeit.

(3) Bei klassischen Fundraising-Stellen spielen vor allem Instrumente wie beispielsweise Sponsoring oder Stiftungs-Fundraising eine Rolle. Erfahrung und Qualifizierung im EU-Fundraising kann als wertvolle Zusatz-qualifikation bei der Bewerbung von großem Vorteil sein.

Ein (Fach-)Hochschulabschluss ist fast immer Voraussetzung. Gesucht werden für den geisteswissenschaftlichen Be-reich Politik-, Kommunikations- und Sozi-alwissenschaftler, aber auch Juristen und Betriebswirte. Berufserfahrung in der För-dermittelakquisition und im Projektma-nagement, in der Planung, im Controlling und in der Projektevaluation wurde in fast allen ausgeschriebenen Stellen explizit gefordert. In den meisten Fällen mussten

Vergabe der EU-Fördermittel in der Finanzperiode 2007-2013

TIPPS FÜR ANGEHENDE EU-FUNDRAISER

• Bauen Sie Ihr Fördermittel-Wissen systematisch auf. EU-Fundraising besteht nicht nur aus Texten - ein gewisses Zahlenverständnis und Grundlagen im Pro-jektmanagement sollten Sie mitbringen oder sich aneignen.

• Denken Sie um die Ecke! Verwenden Sie bei der digitalen Stellensuche Suchwör-ter wie „EU-Projektmanagement“, „EU-Projekt“, „Drittmittel“, „Fördermittel“, „Fundraising“, ... und natürlich die englischen Pendants.

• Als EU-Fundraiser präsentieren Sie sich auf dem europäischen Arbeitsmarkt. Nutzen Sie die EUROPASS-Dokumente, um Ihre Qualifikationen und Kompeten-zen transparent darzustellen. Europäischer Lebenslauf unter: www.europass-info.de

• Schnuppern Sie Antragsluft! Warum knüpfen Sie nicht an Ihre ehrenamtliche Tä-tigkeit an und stellen dort im kleinen Rahmen gemeinsam EU-Projektanträge? Oder sammeln Sie Erfahrung bei den Profis und hospitieren Sie bei einem EU-Projekt. Übrigens: Auch dafür können Sie von der EU Förderung erhalten.

• Das Rad nicht neu erfinden! Recherchieren Sie gezielt nach Organisationen mit laufenden EU-Projekten, die in Ihrem Fachbereich arbeiten und bieten Sie dort Ihr Know-how an. EU-Projekte unterliegen der Verbreitungspflicht - Sie werden sicherlich schnell fündig.

Page 4: Chancen als EU-Fundraiser - WILA Arbeitsmarktwila-arbeitsmarkt.de/files/biku_2010_25_eu-fundraising.pdfvon Fundraising-Strategien zentral ist. Oft beinhaltet diese Tätigkeit auch

arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010VI VIIarbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010

arbeitsmarkt

die Bewerber praktische Erfahrung in der Öffentlichkeits- und Lobbyarbeit nachwei-sen und vertraut im Umgang mit Office- und Projektsoftware bis hin zur Büroorga-nisation sein. Wer zudem bei EU-Projekten direkt beteiligt oder sie sogar geleitet hat und den Überblick über die europäische Förderlandschaft hat, passt hervorragend in die Stellenprofile.

Soft Skills wie Kommunikations- und Organisationsgeschick, selbstbewusstes Auftreten, Durchsetzungsvermögen und Teamfähigkeit sind die Voraussetzung für EU-Fundraiser. Daneben verlan-

gen Arbeitgeber von ihren Bewerbern Leistungsbereitschaft, selbstständiges Arbeiten und Eigeninitiative, sich fach- oder branchenspezifisch weiterzubilden. Räumliche Flexibilität und Reisebereit-schaft sind oft Bestandteile des Jobs. Ein Teil der Stellenangebote ist zunächst befristet ausgeschrieben, wobei es sich meist um mehrjährige Fristen handelt und Projektbindungen eher die Ausnah-me darstellen.

Der sichere Umgang mit Fremdspra-chen ist auf europäischer Ebene unab-dingbar. Die meisten Ausschreibungen fordern sicheres bis verhandlungssiche-res Englisch. Wer zusätzlich Französisch oder andere europäische Sprachen schreibt und spricht, punktet bei der Be-werberauswahl.

Insgesamt wandte sich ein Großteil der ausgeschriebenen Stellen an Bewer-ber mit langjähriger Berufserfahrung und Führungsqualitäten. Dies macht deutlich, dass EU-Fundraising oft eng an der stra-tegischen Ebene der suchenden Organi-sationen angesiedelt ist. Gerade Ältere mit langjähriger und vor allem breiter Praxiserfahrung können die vielfältigen Anforderungen erfüllen, da sie Prozesse in Projekten durch ihren Erfahrungsvorteil erheblich verkürzen. Für Berufserfahrene mittleren Alters hingegen bietet sich die Chance, durch Zusatzqualifizierung als Quereinsteiger in Führungspositionen aufzusteigen. Berufsein- und -umsteiger sollten deshalb die Chance zum Aufstieg nutzen, indem sie sich praktisches Know-how aneignen und ergänzend eine theo-retische Grundlage durch Weiterbildung schaffen.

Fazit: EU-Fundraising ist kein geläu-figer Begriff, aber eine gefragte Qua-lifikation. Der Bedarf an Fachkräften für EU-Fördermittel verbirgt sich oft in Stellenausschreibungen für Projektma-nager, die auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene Projekte koordinieren sollen. Die Kenntnis der europäischen Förderlandschaft kann den ausschlaggebenden Wettbewerbsvorteil bei der Stellenbewerbung verschaffen.

Neben reinem Fachwissen und der Fähigkeit, sich schnell in neue Themen einzuarbeiten, spielen besondere Soft Skills eine wichtige Rolle: Gefragt sind kommunikative Personen mit Führungs-qualitäten und sicherem Auftreten in der Öffentlichkeit.

Profis gefragt

EU-Fördermittel-Wissen ist eine Zusatz-qualifikation. Es wertet das eigene bereits vorhandene Fachwissen um die europäi-sche Komponente auf. Auch ein Seiten-blick auf die Ausbildungsmöglichkeiten im nationalen Fundraising zeigt: Sie set-zen entweder mehrjährige Berufserfah-rungen voraus oder sind als zusätzliches

PORTRAIT

Aus dem All-tag eines EU-Fundraisers: Anne Stal-fort, Huma-nity in Ac-tionSeit 2005 ist

Anne Stalfort beim internationalen Bil-dungsnetzwerk Humanity in Action tätig. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind der Aufbau von Förderpartnerschaften mit Stiftungen und die Verzahnung von privaten mit öffentlichen Förder-mitteln, insbesondere den EU-Pro-grammen im Bereich Bildung. „Ein vielfältiger Arbeitsalltag ist bei die-ser echten Generalistentätigkeit garan-tiert. Querdenken ist beim Aufspüren des EU-Förderpotentials einer Projekt-idee nötig. Budgetierung, Buchhaltung und Controlling muss die EU-Fundrai-serin selbst beherrschen, bevor sie diesen Kernbereich in andere Hände gibt. Verhandlungsgeschick braucht es, um mit Kollegen und evtl. Partnern ein Projekt so auszufeilen, dass es op-timal in eine bestimmte EU-Förderlinie ‚passt‘. Überblick und sehr gute Kom-munikation sind während der Projekt-durchführung nötig.“

PORTRAIT

Aus dem All-tag eines EU-Fundraisers: R o n a l d Schönknecht, FRIEDA – Die Fundraising Agentur

Ronald Schönknecht hat jahrelange Erfahrungen mit europäischen Förder-programmen und machte sich Anfang 2010 mit dem Unternehmen „FRIEDA – Die Fundraising Agentur“ selbststän-dig. Das Firmenmotto: Im Anfang stand die Tat! „Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass der Aufbau von Kontakten und Part-nerschaften eine tragende Säule beim EU-Fundraising darstellt. Wenn sich hieraus bei entsprechender Pflege ein grenzüberschreitendes Netzwerk ent-wickelt, verfügt man über fast alle Komponenten, die Projektarbeit auf europäischer Ebene erfolgreich ma-chen. Das sind Partnerorganisationen, Unterstützer wie Kammern oder Ver-bände, aber auch Experten für Evalu-ierung oder Finanzmanagement.“

Page 5: Chancen als EU-Fundraiser - WILA Arbeitsmarktwila-arbeitsmarkt.de/files/biku_2010_25_eu-fundraising.pdfvon Fundraising-Strategien zentral ist. Oft beinhaltet diese Tätigkeit auch

arbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010VIII IXarbeitsmarkt BILDUNG | KULTUR | SOZIALWESEN_25|2010

leserbriefearbeitsmarkt

Modul im Rahmen eines fachübergrei-fenden Studiengangs konzipiert. Analog gilt dieser Ansatz für die europäische För-derlandschaft. Will man nicht als reiner Ghostwriter mit unbeständigem Erfolg EU-Anträge am laufenden Band verfas-sen, sind ein Hochschulabschluss und eine berufliche Spezialisierung unum-gänglich. Sie bilden die Grundlage, um komplexe Fachthemen schlüssig und in-haltlich korrekt als EU-Projekt zu beantra-gen.

Speziell im Bereich EU-Fördermittel-Akquisition bietet „emcra - Europa aktiv nutzen“ die einzige zertifizierte Weiter-bildung im EU-Fundraising auf dem deutschen Markt an. Die Zertifizierung AZWV (Anerkennung- und Zulassungs-verordnung) sichert die Qualität der

rungsaustausch und eine europaweite Zusammenarbeit ins Leben gerufen werden. Die Entscheidung für die Grün-dung des Vereins fiel im Dezember 2009 auf einem Kick-Off-Treffen mit über 40 interessierten Teilnehmern. Zukünftig soll in Fachforen und Fachtagungen zu aktuellen Themen gearbeitet, sich mit europäischen Projektpartnern vernetzt und Qualitätsstandards für ein professio-nelles EU-Fundraising und EU-Projektma-nagement entwickelt werden.

Weiterbildung und ist an den aktuellen arbeitsmarktlichen Anforderungen ausgerichtet. Die „Qualifizierung zum EU-Fundraiser“ vermittelt in zehn Mo-dulen EU-Fördermittelwissen rund um den europäischen Projektlebenszyklus. Weiterbildungsbegleitend entwickeln die Teilnehmer in Kleingruppen ein EU-Pro-jekt zu Übungszwecken und konzipieren einen anspruchsvollen EU-Antrag.

„EU-Fundraising ist aus Organisati-onssicht immer eine Investition in die Zukunft und kostet zunächst einmal Einarbeitungszeit“, sagt Renata Kavelj, Jahrgangsleiterin der aktuellen „Quali-fizierung zum EU-Fundraiser“. „Für po-tenzielle Arbeitgeber sind deshalb die EU-Fundraiser interessant, deren Wissen sich nicht nur auf den Umgang mit be-stimmten EU-Fördertöpfen beschränkt, sondern die die Funktionslogik der eu-ropäischen Fördermittelvergabe gezielt auf neue Themenbereiche übertragen können.“

Vernetzung – das A und O

Wer für Organisationen europäische För-derung akquirieren möchte, muss für Partner offen sein - sei es bei transnatio-nalen Projekten für europäische Partner oder bei regionalen Projekten für Partner vor Ort. Alleine geht es meistens nicht! Projektpartner findet man übrigens am besten auf direktem Weg, und der führt nicht selten ins europäische Ausland. EU-Fundraiser nutzen zwar auch Datenban-ken, tummeln sich aber bevorzugt auf Informationstagen zu Förderprogrammen oder europäischen Konferenzen zum je-weiligen Arbeitsgebiet. Hat man erst ein-mal den Sprung gewagt, ist man recht schnell Mitglied der „Europäischen Com-munity“.

„emcra - Europa aktiv nutzen“ bereitet aktuell die nachhaltige Vernetzung von EU-Fundraisern vor. Zu diesem Zweck wird ein Verein gegründet, der allen In-teressierten an europäischen Projekten offen steht. Geleitet vom europäischen Gedanken soll ein Forum für einen Erfah-

ZUR AUTORIN

Heike Kraack-Tichy ist Geschäftsführe-rin von emcra – Eu-ropa aktiv nutzen (www.emc ra .eu ) und arbeitet als Gutachterin von

EU-Förderanträgen für die EU-Kom-mission / Nationale Agentur Deutsch-land. Sie verfügt über langjährige Er-fahrung im EU-Projektmanagement und in der Organisationsberatung. emcra bietet EU-Fundraising-Semina-re, Beratung und EU-Projektevalua-tion an.

PORTRAIT

Aus dem All-tag eines EU-Fundraisers: S t e p h a n K r u h l , FundraiserStephan Kruhl ist als Projekt-d r a m a t u r g

und Fundraiser tätig. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit ist die Kooperation mit Partnern aus Mittelosteuropa, vom Westbalkan und aus den Nachfolge-staaten der Sowjetunion.„Transnationale Kooperationen im Be-reich Kultur, Bildung und Soziales sind ein wichtiger Faktor zur Bildung eines gemeinsamen Verständnisses von zivil-gesellschaftlichen Formen und Regeln. Neben der Projektarbeit ist für mich vor allem eine langfristige Kooperation mit einzelnen Partnern wichtig. In deren Verlauf geht es darum, mit Blick auf größere Projektbudgets die finanzielle und organisatorische Leistungsfähig-keit des jeweiligen Partners zu entwi-ckeln.“