Chuquicamata und Pascua Lama

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Interdisziplinärer Universitätslehrgang für Höhere Lateinamerika-Studien Chuquicamata und Pascua Lama Zwei Fallbeispiele zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bergbaus in Chile Wintersemester 2012/2013 Modul Politik: Politische und gesellschaftliche Transformationsprozesse in Lateinamerika: Erfolge, Grenzen, Möglichkeiten Fachseminar 1: Sozialökologische Transformationsprozesse im Spannungsfeld zwischen Demokratie, Verteilung und Extraktivismus Leiterin: Bettina Köhler Von María Gabriela Altamirano Tinajero Harald Klöckl Wir erklären ausdrücklich, dass es sich bei dieser von uns eingereichten schriftlicher Arbeit um eine von uns selbst und ohne unerlaubte Beihilfe sowie in eigenen Worten verfasste Originalarbeit handelt.

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Chuquicamata und Pascua Lama Zwei Fallbeispiele zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft des Bergbaus in Chile

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Page 1: Chuquicamata und Pascua Lama

Interdisziplinärer Universitätslehrgang für Höhere Lateinamerika-Studien

Chuquicamata und Pascua Lama Zwei Fallbeispiele zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft

des Bergbaus in Chile

Wintersemester 2012/2013 Modul Politik: Politische und gesellschaftliche Transformationsprozesse in Lateinamerika: Erfolge, Grenzen, Möglichkeiten

Fachseminar 1: Sozialökologische Transformationsprozesse im Spannungsfeld zwischen Demokratie, Verteilung und Extraktivismus

Leiterin: Bettina Köhler

Von María Gabriela Altamirano Tinajero

Harald Klöckl Wir erklären ausdrücklich, dass es sich bei dieser von uns eingereichten schriftlicher Arbeit

um eine von uns selbst und ohne unerlaubte Beihilfe sowie in eigenen Worten verfasste Originalarbeit handelt.

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Inhaltverzeichnis

1. Einleitung ............................................................................................................................... 2

2. Gesetzliche Lage in Chile ...................................................................................................... 2

2.1 Wirtschaftliche Bedeutung und Auswirkungen des Bergbaus in Chile ........................... 3

2.2. Auswirkungen des Bergbaus auf Armut und Einkommensverteilung ............................ 5

2.2.1. Antofagasta: Arbeitsmarkt und Einkommen............................................................ 6

2.2.2. Atacama: Arbeitsmarkt und Einkommen................................................................. 7

3. Die Bergbau-Projekte: Chuquicamata und Pascua-Lama ...................................................... 7

3.1 Leben, Wirtschaft und Entwicklung der Bevölkerung..................................................... 9

3.1.1 Chuquicamata............................................................................................................ 9

3.1.2 Pascua Lama............................................................................................................ 10

3.2 Negativen Auswirkungen dieser Projekte ...................................................................... 13

3.2.1 Chuquicamata.......................................................................................................... 13

3.2.2 Pascua-Lama ........................................................................................................... 13

4. Analyse und Diskussion ....................................................................................................... 16

4.1 Unterschiede und Ähnlichkeiten der Projekte auf Basis theoretischer Überlegungen... 16

5. Schlusswort .......................................................................................................................... 19

Literatur.................................................................................................................................... 21

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1. Einleitung Chile gilt zum einen als Musterland des Neoliberalismus in Lateinamerika und als eine

volkswirtschaftliche Erfolgsgeschichte und ist zum anderen wohl auch jenes Land, das den

Bergbau auf industrieller Basis schon am längsten und am intensivsten am Kontinent betreibt.

In dieser Arbeit versuchen die Autoren mit dem Vergleich zweier unterschiedlicher Bergbau-

Projekte Chiles die Zusammenhänge und Korrelationen dieser Prämissen auf nationaler und

lokaler Ebene darzustellen, sowohl in wirtschaftlicher als auch in soziologischer und

ökologischer Hinsicht. Weiters wird versucht zu beantworten, ob die Politik des

Extraktivismus in Chile einer Transition oder Transformation unterliegt oder unterlag und

welche Rolle soziale Bewegungen bei den beiden Projekten spielten oder spielen. Ein

kritischer Vergleich mit den neo-extraktivistischen Praktiken und Realitäten in den Ländern

Lateinamerikas mit sogenannten progressiven Regierungen hätte den Rahmen dieser Arbeit

leider bei weitem gesprengt.

Die Autoren haben aber neben der angeführten wissenschaftlichen Literatur auf Basis der

Inhalte der Ringvorlesung „Politik“ im Master of Latin American Studies an der Universität

Wien im Wintersemester 2012/2013 und der theoretischen Grundlagen dafür, auch weitere

Quellen einbezogen, etwa Zeitungsartikel und Statistiken der chilenischen Behörden.

Nach einem kurzen Abriss über die gesetzlichen Rahmenbedingungen des Bergbaus folgt das

Kapitel zur wirtschaftlichen Bedeutung des Bergbaus für Chile, inklusive der sozialen

Auswirkungen auf möglichst lokaler Ebene, soweit eben aktuelle Daten verfügbar waren,

sowie die Beschreibung der beiden Orte des Geschehens, Chuquicamata und Pascua-Lama.

Aufgrund dieser Fakten erfolgt eine Analyse in Kapitel 4.

2. Gesetzliche Lage in Chile In Chile sind seit 1971 sämtliche Minen im Besitz des Staates. Dies wurde auch nach dem

Pinochet-Putsch von 1973 so beibehalten, obwohl diese Verstaatlichung als ein Grund für den

US-geführten Putsch galt. Eine Ursache dafür ist, dass eine Privatisierung der Minen in der

Bevölkerung nicht durchsetzbar wäre und weil die staatliche Codelco einen großen,

unverzichtbaren Beitrag zu Chiles Budget liefert. Sie liefert Einkommenssteuer und

Dividenden sowie eine Exportsteuer von 10 Prozent des Werts der exportierten

Kupferprodukte, die jeweils zur Gänze an den Staat gehen.

In den 1990er Jahren setzten die führenden Bergbau-Länder Gesetze in Kraft, die Verstöße

gegen Umweltnormen sanktionieren und Umweltschäden verhindern sollen, so auch in Chile.

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Vor 2005 gab es in Chile keinerlei Royalties (Konzessionsgebühren) auf die Extraktion von

nicht-erneuerbaren Ressourcen. Seit 2006 (Ley Minera 20.026) gibt es seine spezielle Steuer

bei Bergbau-Aktivitäten, die von der Fördermenge abhängt: unter 12.000 Tonnen

Jahresförderung fällt zum Beispiel keine Steuer an. Für den Abbau werden Konzessionen an

staatliche wie private Firmen vergeben. Jede natürliche und juristische Person kann sich um

eine Abbau-Konzession bewerben. Es gibt nun auch Umweltverträglichkeitsprüfungen, die

auch zur Ablehnung von Projekten führen könnten. Bergbaufirmen, die schon jahrelang in

Chile tätig waren, wurden mit dem Ley Minera 2006 aber gegenüber neuen Firmen meist

steuerlich benachteiligt, neue Investoren fanden beste Bedingungen vor, was zu einer

Vervielfachung der Explotation führte. Die privaten Minen (im Vergleich zur staatlichen

Codelco) lieferten zudem zum Beispiel schon zwischen 1999 und 2003 zwei Drittel des

gesamten Kupfers, lieferten aber nur ein Drittel der Steuern, die aus dem Kupferbergbau

kamen.

In der Realität und in der Summe der Regelungen haben ausländische Firmen jetzt sehr lange

steuerfreie Perioden, denn die Absetzmöglichkeiten sind sehr weit gefasst. Der Staat

subventioniert daher mit dieser und anderen Massnahmen insbesondere seit dem Jahr 2006

vor allem den privaten Bergbau großzügig. Eine Transformation der extraktivistischen Politik

oder der sonstigen Rahmenbedingungen ist in den letzten Jahrzehnten trotz der wechselnden

politischen Ausrichtung der Regierungen und der jüngsten legislativen Reformen im Bergbau

nicht erkennbar. Der Großteil der heute gültigen Gesetze, die den Bergbau betreffen, wurden

in den 1980er Jahren vom damaligen Arbeits- und dann Bergbau-Minister José Piñera

Echenique gestaltet, unter der Präsidentschaft von Augusto Pinochet. José Piñera ist ein

Bruder des heutigen Präsidenten Sebastián Piñera.

2.1 Wirtschaftliche Bedeutung und Auswirkungen des Bergbaus in

Chile

„El cobre es el sueldo de Chile“, das sagte Chiles Präsident Salvador Allende am 27. Oktober

1971 bei einer Diskussion im Teatro Sindical von Chuquicamata. Damals kamen 83 Prozent

der Exporterlöse aus dem Kupferbergbau, ein Viertel des Staatsbudgets wurde vom Kupfer

finanziert. Heute ist die Abhängigkeit vom Rohstoffabbau weit geringer, jedoch mit in

jüngster Zeit wieder stark steigender Tendenz. Allein die Kupferproduktion hat sich von 1990

von 360 Millionen Tonnen auf 3,91 Millionen Tonnen im Jahr 2010 verelffacht.

Das Wirtschaftswachstum Chiles beträgt seit 2003 konstant rund 4 Prozent oder mehr im Jahr.

Das Bruttoinlandsprodukt (GDP pro Kopf) lag laut Weltbank im Jahr 2011 bei 17.310 US-

Dollar, 2007 waren es 15.320 Dollar, 2003 10.095 Dollar und im Jahr 1998 8.812 Dollar.

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Laut der Zeitschrift Mining Weekly von 11. Oktober 2012, die sich auf Zahlen der CEPAL

beruft, stieg der Anteil von Bergbau in Chiles Bruttoinlandsprodukt zwischen 2001 und 2011

von 5,2 Prozent auf 15,2 Prozent. Rund 80 bis 90 Prozent davon kommen aus dem

Kupferbergbau. Eine sprunghafte Entwicklung, wie sie in allen extraktivistischen Ökonomien

Lateinamerikas im ersten Jahrzehnt dieses Jahrtausends zu beobachten ist. So stieg etwa laut

derselben Quelle Boliviens Bergbau-Anteil am BIP im selben Zeitraum von 6,3 auf 15,5

Prozent, und der Bergbau-Anteil am BIP von Venezuela belief sich im Jahr 2010 auf 27

Prozent, so viel wie nirgendwo sonst in Lateinamerika.

Zumindest in Chile dürfte die Entwicklung so weitergehen, denn das Land war etwa 2011

jenes mit den höchsten Investitionen (2,88 Milliarden US-Dollar) in Bergbau in

Lateinamerika und jenes mit den zweithöchsten weltweit, hinter Kanada. Allein die staatliche

Codelco will fünf weitere neue Bergbau-Projekte entwickeln: Für den Untertag-Bergbau der

Codelco-Kupfermine in Chuquicamata sind 418 Mio. Dollar an Investitionen vorgesehen. Bis

2020 will Codelco in Chuquicamata jährlich 2,1 Mio. Tonnen Kupfer abbauen und dann

16.200 Personen beschäftigen (2011 waren es knapp über 6.000). Insgesamt könnte Chile

dann pro Jahr 9 Millionen Tonnen Kupfer fördern.

Das Land verfügt über Reserven von 190 Millionen Tonnen Kupfer, 28 Prozent des Welt-

Kupfervorkommens. 89,5 Prozent des abgebauten Kupfers werden exportiert, dieser

Kupferexport ist somit für ein Drittel des Außenhandels verantwortlich (diese Quote lag

historisch aber bereits bei über 70 Prozent). 2010 machten Bergbau-Produkte 63,5 Prozent der

Export-Güter aus, allein 56,6 Prozent dieser Güter war Kupfer. In diesem genannten Jahr

gingen 61,7 Prozent der Kupfer-Exporte nach Asien (die Hälfte, nämlich 32,6 Prozent, nach

China). Weitere wichtige Exportmärkte sind Japan, die EU27, Brasilien und die USA (4,4

Prozent)

Im Jahr 2009 waren laut Eurostat 95.476 Personen in Chile in „Mineria y Cantera“,

beschäftigt, was damals 1,5 Prozent der Beschäftigten entsprach. In einzelnen Regionen ist

Bergbau aber der wichtigste Arbeitgeber, 2009 arbeiteten in den Regionen Antofagasta und

Atacama über 10 Prozent in diesem Sektor. Laut Consejo Minero (Zahlen von 2012)

beschäftigt der Bergbausektor in Chile hingegen deutlich mehr, nämlich rund 220.000

Menschen, die im Schnitt damit 2.133 Dollar im Monat, also 25.596 Dollar im Jahr verdienen.

Große Unternehmen zahlen im Schnitt 6.150 Dollar im Monat. Das Durchschnittseinkommen

in Chile (BIP/Kopf) beträgt knapp mehr als 17.000 Dollar pro Jahr.

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Bei den großen Minen verhandeln die Gewerkschaften in Arbeitskonflikten oft Boni für die

Arbeiter von 25.000 Dollar/Person heraus. Im Dezember zahlte Codelco seinen Arbeitern in

Chuquicamata sogar einen Bonus von 35.000 Dollar pro Person.

2.2. Auswirkungen des Bergbaus auf Armut und

Einkommensverteilung

Dass es einen direkten Zusammenhang zwischen dem massiv intensivierten Bergbau und der

wachsenden Wirtschaftsleistung Chiles gibt, ist anzunehmen. Ob es eine direkte Kausalität zu

den – wenn auch geringen – Fortschritten Chiles bei Beseitigung von Armut und

Ungleichheiten und bei der Einkommensverteilung et cetera gibt, bleibt im Rahmen dieser

Arbeit offen. Dennoch gibt es offenbar gewisse Korrelationen, betrachtet man die Zahlen und

Daten jener beiden Regionen, in denen die hier geschilderten Bergbauprojekte liegen.

Armut und Ungleichheit in Chile

Laut PNUD, Programa de las Naciones Unidas para el Desarrollo, wurde der Prozentsatz der

Armen (Pobres) und „sehr Armen“ (Indigentes) zwischen dem Jahr 1990 und 2011 sehr

deutlich reduziert. Demnach zählten im Land im Jahr 1990 38,4 Prozent zu den Pobres und

12,8 Prozent zu den Indigentes. 2011 beliefen sich diese Quoten auf 14,4 Prozent (Pobres)

und 2,8 Prozent (Indigentes). Die relativ größte Reduktion der Armut geschah zwischen den

Jahren 1990 und 1996. Die Entwicklung bei der Armutsreduktion ist insgesamt kontinuierlich,

einzig von 2006 auf 2009 stieg der Prozentsatz beider Gruppen (Pobres, Indigentes) jeweils

leicht an. Die Werte von 2011 sind jeweils die niedrigsten im Erhebungszeitraum 1990 bis

2011.

PNUD hat auch diverse Ungleichheits- bzw. Einkommensverteilungsindices im selben

Erhebungszeitraum angeführt, die Verbesserung ist aber weitaus geringer als bei den oben

angeführten Zahlen zur Armut. Der Gini-Index in Chile belief sich 1990 auf 0,56, die größte

Ungleichheit wird im Jahr 2000 mit 0,58 gemessen, seither sank der Index auf 0,52 im Jahr

2011.

Armut und Ungleichheit speziell in den Regionen Antofagasta und Atacama

Da es in diesem Kapitel speziell um die wirtschaftliche Auswirkungen des Bergbaus geht, ist

ein Blick auf die entsprechenden Statistiken nach Regionen, speziell jenen, in denen der

Bergbau dominiert, notwendig. Chuquicamata liegt in der Region 2 (Antofagasta), Pascua

Lama liegt in der Region 3 (Atacama). Die Studie „Estratificación social en regiones: que

oportunidades ofrecen las regiones en Chile?“ des Proyecto Desigualdades (Emmanuelle

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Barozet et al., Dezember 2009) hat Ungleichheit, Human Development Index und vieles mehr

nach den 15 Regionen Chiles aufgeschlüsselt. Die jüngsten Angaben zum Gini-Index

stammen in dieser Studie allerdings aus dem Jahr 2006.

Bei einem landesweit durchschnittlichen Index von 0,509 weist die Region 2, Antofagasta,

den zweitbesten aller Werte in den 15 Regionen auf, nämlich 0,432. Die Region 3, Atacama,

hat einen Index von 0,445, was landesweit Rang vier in Sachen Gleichheit entspricht (zum

Vergleich: Aisén hat mit 0,423 die geringste Ungleichheit, die Region Metropolitana die

größte, 0,528).

Bei einem Vergleich des Indice de Desarrollo Humano (Human Development Index HDI) in

den Jahren 1994 bis 2003 schneiden die Bergbauregionen 2 und 3 eher im Mittelfeld ab, die

Werte entsprechen in etwa jeweils dem Landesdurchschnitt.

Bei der Dauer der formellen Bildung liegen die Regionen 2 und 3 hingegen wieder im

Spitzenfeld (jeweils über 10 Jahre Dauer der formalen Bildung), nur in der Region

Metropolitana und in der Region 15 gehen die Kinder länger zur Schule als in Antofagasta

und Atacama (Quelle: Encuesta CASEN, Módulo Educacion, 1990-2006).

Laut eigener Erhebung der Autoren des Proyecto Desigualdades belegt etwa die Region

Antofagasta jeweils einen der vier ersten Plätze (im positiven Sinn) unter den 15 Regionen bei

den folgenden Indikatoren: Gini-Koeffizient, HDI, Armut, Arbeitslosigkeit, Dauer der

Schulbildung, Wettbewerbsfähigkeit.

Die INE 2009, Encuesta Nacional de Empleo warf für die beiden Bergbauregionen jeweils

Arbeitslosenquoten unter dem Landesschnitt von 7,5 Prozent aus. In der Region Antofagasta

lag diese 2009 bei 5,2 Prozent, in Atacama bei 6,2 Prozent. Die Regionen hatten damit 2009

die viert- bzw. siebentgeringste Arbeitslosigkeit aller 15 Regionen. Die jüngsten Zahlen zu

Beschäftigung und Arbeitslosigkeit (Quellen: Boletín Informativo del Instituto Nacional de

Estadísticas, 31.1.2013 und Nueva Encuesta Suplementaria de Ingresos 2011, Instituto

Nacional de Estadisticas INE, Dezember 2012) sehen wie folgt aus:

2.2.1. Antofagasta: Arbeitsmarkt und Einkommen -Die Arbeitslosigkeit liegt bei 5,5 Prozent (1,2 Prozentpunkte weniger als im

Vergleichzeitraum) und somit unter dem Landesschnitt von 6,1 Prozent. Für die Stadt

Antofagasta wurde eine Arbeitslosigkeit von 4,9 Prozent erhoben, für die Stadt Calama 7,1

Prozent. 270.950 Personen über 15 Jahre ist die Fuerza de Trabajo der Region, zu 65,5

Prozent sind es Männer. Der Sektor „Explotacion de minas y canteras“ beschäftigt mit 59.460

Personen mit Abstand die meisten Menschen in der Region. Zweitwichtigste Erwerbsquelle

ist „Handel, Reparatur von Fahrzeugen et cetera“ mit 42.950 Beschäftigten.

- Das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten in der Region Antofagasta beträgt per

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Dezember 2012 520.497 chilenische Pesos (814 Euro), um 9,4 Prozent mehr als ein Jahr

zuvor. Frauen verdienten im Schnitt 367.700 (575 Euro), Männer 627.007 Pesos (980 Euro).

Zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen landesweit beläuft sich auf 390.365 Pesos (610

Euro) monatlich. Die Beschäftigten in der Region Antofagasta haben hinter der Region

Magallanes (619.000 Pesos) das zweithöchste Einkommen der Regionen Chiles. Im Vergleich

der Einkommen nach 17 Sektoren in der Region Antofagasta verdient man in „Mineria y

Canteras“ mit Abstand am besten (836.605 Pesos), das zweitbeste Durchschnittseinkommen

in der Region wird in der öffentlichen Verwaltung (Administracion Publica) erzielt, 559.771

Pesos.

2.2.2. Atacama: Arbeitsmarkt und Einkommen - Die Arbeitslosigkeit liegt bei 6,1 Prozent (1 Prozentpunkt höher als im Vergleichzeitraum)

und somit genau im Landesschnitt. Für die Stadt Coplapo wurde eine Arbeitslosigkeit von 6,6

Prozent erhoben, für die Stadt Vallenar 9,8 Prozent. 135.420 Personen über 15 Jahre ist die

Fuerza de Trabajo der Region. Der Sektor „Explotacion de minas y canteras“ beschäftigt mit

21.740 Personen die zweitmeisten Menschen in der Region. Wichtigste Erwerbsquelle ist

„Handel, Reparatur von Fahrzeugen et cetera“ mit 24.960 Beschäftigten.

- Das Durchschnittseinkommen der Beschäftigten in der Region Atacama beträgt per

Dezember 2012 426.400 chilenische Pesos (776 Euro), um 15,1 Prozent mehr als ein Jahr

zuvor. Frauen verdienten im Schnitt 327.495 (510 Euro), Männer 496.079 Pesos (780 Euro).

Zum Vergleich: Das Durchschnittseinkommen landesweit beläuft sich auf 390.365 Pesos (610

Euro) monatlich. Die Beschäftigten in der Region Atacama haben das fünfthöchste

Einkommen der 15 Regionen Chiles.

Im Vergleich der Einkommen nach 17 Sektoren in der Region Atacama verdient man in

„Mineria y Canteras“ am zweitbesten (756.904 Pesos), das beste Durchschnittseinkommen in

der Region wird mit „Actividad inmobiliaria, empresarial y de alquiler“ erzielt, 884.858 Pesos.

3. Die Bergbau-Projekte: Chuquicamata und Pascua-Lama Chuquicamata: Im Salpeterkrieg (Guerra del Pacifico 1879 bis 1894) gewann Chile von

Bolivien und Peru die heutigen chilenischen Regionen Tarapaca und Atacama. Salpeter wurde

in diesen Regionen großflächig abgebaut und war bis in die 1920er Jahre wichtigstes

Exportprodukt Chiles. In diesen Regionen entwickelten sich Siedlungen mit teilweise bis zu

mehreren 10.000 Einwohnern, die defacto den dort tätigen Firmen gehörten. Als Folge des

Bergbaus blühte die Hafenstadt Antofagasta auf, von dort aus führten Eisenbahnlinien ins

Landesinnere. 1886 reiste ein Gesandter des Innenministeriums in die Region, um das

landwirtschaftliche und das Bergbau-Potenzial des Hinterlandes zu erkunden. Er hielt damals

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Page 9: Chuquicamata und Pascua Lama

unter anderem die handwerkliche Kupferbergbau-Aktivität fest, in Chuquicamata, auf 2.800

Meter Höhe. Wegen der damals geringen Kupferpreise, fehlender Subventionen für private

Investition und der Abgeschiedenheit der Lagerstätten entwickelte sich vorerst keine

Produktion im großen Stil.

Erst mit der Kupfernachfrage aus Europa und Nordamerika wegen der wachsenden

Elektrifizierung traten ab der Jahrhundertwende Investoren auf, vor allem aus den USA,

namentlich unter anderem die Guggenheim Brothers. Ab den 1920er Jahren wurden die

Lagerstätten industriell ausgebeutet und wechselten mehrmals die Besitzer. Das Gestein in

Chuquicamata galt mit seinem 2-Prozent-Kupferanteil als das ertragreichste der Welt.

Um die Mine existierten drei Dörfer, Placilla de Chuquicamata, Punta de Rieles und Branco

Drummond. Rund um die Mine entstanden Enklavensiedlungen, eine zur allgemeinen

Industrialisierung gegenläufige Entwicklung, denn bei dieser siedelten die Menschen in

bereits bestehende und wachsende Städte. Die Enklavensiedlungen wurden in den USA

designt und in der Wüste errichtet. Konflikte zwischen Arbeitern, Investoren und chilenischer

Regierung wurden häufiger, Arbeitskampfe führten zu einer steigen Verbesserung der

Infrastruktur, zu höheren Löhnen, mehr Sicherheit und kürzeren Arbeitszeiten.

Chuquicamata ist heute, nachdem die Bewohner wegen der Umweltzerstörung bis 2004

umsiedeln mussten, eine Geisterstadt. Das 15 Kilometer entfernte Calama hat heute 130.000

Einwohner und beherbergt in eigenen Vierteln die Minenarbeiter von Chuquicamata. Das

Abbau-Gebiet liegt etwa 1.600 Kilometer nördlich von Santiago, 16 Kilometer nördlich der

Stadt Calama, in der Atacama Wüste in der Region Antofagasta. Die Kupfermine hat eine

Länge von etwa 4,5, eine Breite von 3 und eine Tiefe von bis zu 1 Kilometer. Von 1915 bis

2005 wurden in Chuquicamata insgesamt 2,3 Mrd. Tonnen Mineralien abgebaut. Ein neues

Projekt sieht einen Untertage-Abbau von Kupfer vor. Codelco, die Eigentümerin der Mine,

hat allein 2012 für Studien vor Ort zum Untertage-Abbau 234 Mio. Dollar investiert. 850

Mio. wurden dafür schon ausgegeben. Die Mine produziert aktuell im Tagbau etwa 1,5

Millionen Tonnen Kupfer im Jahr.

Pascua-Lama: Das Pascua-Lama Projekt ist das erste binationale Bergbauprojekt der Welt.

Das Projektgebiet liegt auf 5.000 Meter über Meer, oberhalb des Huasco-Tals an der Grenze

zwischen Chile und Argentinien. Das Projekt dehnt sich bis an den äußersten Rand der

Atacamawüste aus. Das Abbaugebiet liegt zu 80% in Chile und zu 20% in Argentinien. Die

kanadische Firma Barrick, bislang der größter Goldproduzent der Welt, wird ab 2014

gemeinsam mit ihrer Tochterfirma Empresa Nevada mit der Produktion im Tagebau

beginnen. Durch die Benutzung moderner Satellitentechnik wurden größte

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Page 10: Chuquicamata und Pascua Lama

Goldkonzentrationen im Gestein gefunden. Die Firma wird in dieses Projekt ca. 1,6

Milliarden Dollar investieren. Dieses wird ungefähr 750 Hektar auf dem chilenischen Land in

Anspruch nehmen, wo sich auch drei kleine, aber wichtige Gletscher (Toro 1, Toro 2 y

Esperanza) befinden. Barrick wird in der Pascua-Lama Mine Silber (30 Millionen Unzen),

Kupfer (500 Tonnen) und vor allem Gold fördern (man rechnet mit 17,4 Millionen Goldunze,

das entspricht ca. 500 Tonnen). Es wird erwartet, dass Pascua-Lama der zweitgrößte

Goldtagebau in Südamerika wird1. Die Nutzungsdauer beträgt voraussichtlich 21 Jahre

(Gordon, Webber 2008: 74-75).

Barrick führte für dieses Projekt zwei Umweltverträglichkeitsprüfungen durch. In der Folge

wurde das Projekt 2006 genehmigt. Gemäß Barrick werden zum Schutz der Umwelt nur die

besten Technologien angewandt. Die Problematik bezüglich der Gletscher wurde mehrmals

mit Experten analysiert. Gemäss Barrick werden keine Aktivitäten unternommen, die eine

Gefahr für die drei Gletscher darstellen. Die Firma spricht auf ihrer Internetseite über ihre

soziale Verantwortung und erwähnt, ihren Erfolg mit der Bevölkerung der Region zu teilen.

Barrick möchte Teil der sozialen und wirtschaftlichen Entwicklung der Region sein und

spricht über positive Auswirkungen auf die lokale Bevölkerung sowie die Schaffung neuer

Arbeitsplätze, Gesundheitszentren, Bildungsinstitutionen und Infrastruktur (Barrick 2012).

Dieses Projekt erfordert den Bau einer Materialdeponie, einer Zerkleinerungsmaschine, eine

Anlage für Maschinenaufbewahrung und eine Pulverkammer vor Ort. Diese Infrastruktur wird

für die Extraktion von fünfzehn Millionen Tonnen Mineralien benötigt, welche nachher durch

einen Tunnel von 2,7 Kilometer Länge nach Argentinien transportiert werden, wo dieses

Material verarbeitet werden muss. Ein anderes Merkmal dieses Projekts ist der

Wasserverbrauch. Man erwartet einen Verbrauch von ca. 37 Liter pro Sekunde. Das Wasser

stammt neben den Flüssen in Chile auch vom Fluss Las Taguas in Argentinien (OLCA 2012).

Pascua-Lama liegt sehr nahe der Atacama-Wüste, der trockensten Region der Welt, am

Oberlauf des Fluss Huasco. Für die indigenen Kommune von Alto del Carmen ist das

Schmelzwasser der drei Gletscher im Fluss Huasco die einzige Wasserquelle in der

Trockenzeit (Urkidi 2008: 68).

3.1 Leben, Wirtschaft und Entwicklung der Bevölkerung

3.1.1 Chuquicamata Seit vorkolonialer Zeit wurde in Chuquicamata Kupfer handwerklich abgebaut. Vor der

Ankunft der Spanier gab es drei Siedlungen. Mit dem rasanten Aufstieg des Kupferbergbaus

und der benötigten Arbeitskräfte sowie der ständig verbesserten Infrastruktur der Siedlungen 1 Die grösste Goldtagebau-Mine in Südamerika ist Yanacocha in Peru.

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Page 11: Chuquicamata und Pascua Lama

mutierten die Arbeiter von bloßen Beschäftigten bei der Mine zu Bürgern von Industrie-

Städten in einem der trockensten und lebensfeindlichsten Platze der Welt. Der Ort Placilla de

Chuquicamata wurde zur grösßten Enklave.

Die grösßten infrastrukturellen Probleme waren und sind dabei die Versorgung mit Energie

und Wasser, beide werden aus einer Entfernung von bis zu 100 Kilometern zur Verfügung

gestellt, aus dem Rio Loa. Die Konflikte zwischen den Unternehmen der Region und den

indigenen Kommunen in San Pedro, Conchi, Chiu Chiu, Lasana und Ayquina dauern bis

heute an und werden in Chuquicamata und anderen Regionen wohl noch intensiver werden:

Laut Portal Minero von 24.10.2012 werden im Bergbau in Chile von 2012 bis 2020 44.000

zusätzliche Arbeitskräfte benötigt, was eine Steigerung bei der Beschäftigung in dieser

Industrie von 60 Prozent bedeuten würde.

Chuquicamata kann wohl als eines der erste Projekte der Globalisierung im sogenannten

Süden bezeichnet werden: Es ist eine Enklave in der unwirtlichen Atacama-Wüste, für den

Rohstoff-Abbau vor Ort werden Rohstoffe und Ausrüstung aus mehreren Ländern gebraucht

(Erdöl aus den USA, Kohle aus Chile selbst, Maschinen aus der Schweiz, aus Deutschland

und aus England). Die Arbeiter und Ingenieure der Mine kommen, angezogen von den sehr

hohen Löhnen, auch aus Skandinavien, Kroatien, Rumänien und natürlich aus Südamerika.

Das Produkt, Kupfer, wird in erster Linie in die USA und nach Asien verkauft, und der Preis

des Produktes unterliegt ausschließlich den Entwicklungen am Weltmarkt.

3.1.2 Pascua Lama Das Pascua-Lama Projekt befindet sich in einer Region mit einer der höchsten

Arbeitslosenrate Chiles. Die Bevölkerung lebt von Tourismus und Landwirtschaft. Das

Projekt wird neben lokalen Auswirkungen im Huasco-Tal auch Effekte auf die anliegenden

Gebiete haben (Babel 2005: 1). In der Region um die Pascua-Lama Mine leben drei

Kommunen (Vallenar, Freirina und Alto del Carmen), welche zusammen ca. 70’000

Einwohner zählen. In Vallenar leben ca. 44.000 Personen und in Alto del Carmen ungefähr

5.000 (Franks 2009: 6). Wir beziehen uns in dieser Arbeit vor allem an die Kommune Alto

del Carmen. Diese Zone leidet unter den Klimaphänomenen „El Niño“ und „La Niña“, welche

starke Klimaschwankungen im Jahresvergleich mit sich bringen. Dank dem Schmelzwasser

der Gletscher sowie der Grundwasservorräte waren die Entwicklung der Agrikultur und die

Beibehaltung der wichtigen vaskulären Flora und Fauna in dieser Zone möglich. Um die

ökologische Wichtigkeit des Tals beizubehalten, müssen die Feuchtigkeit der Berge geschützt

werden. Dank der Agrikultur und der Bewässerungsaktivitäten ist die Vegetation nicht nur auf

die Flussufer beschränkt. 1995 wurde ein Staudamm gebaut, dank welchem auch in der

Trockenzeit genügend Wasserreserven für die Bewässerung vorhanden sind (Urkidi 2007: 35-

10

Page 12: Chuquicamata und Pascua Lama

37).

In der Kommune Alto del Carmen leben Angehörige der Ethnie Diaguita. Diese wurde erst im

Jahr 2006 durch die Regierung offiziell anerkannt. Sie haben wie andere Ethnien kollektive

Rechte über ihr angestammtes Land und das Wasser. Zudem gilt auf ihrem Land die indigene

Rechtssprechung. Viele Aspekte ihre Kultur wie die Spiritualität und Sprache sind verloren

gegangen. Trotzdem haben sie traditionelle Agrikultur und Viehzucht beibehalten.

Die Bewohner verfügen über Rebberge, wo sie Trauben für den Export produzieren. In den

wärmeren Teilen des Tals pflanzen die Einwohner Bananen, Avocado, Mangos und

Passionsfrucht an. Ein Teil der Produkte sind für den Export, der Rest für den Eigenbedarf

bestimmt. Die Viehzucht konzentriert sich auf das Weiden von Maultieren und Ziegen. In den

Gebirgszügen der Anden finden sich in den warmen Jahreszeiten viele Plätze, die sich als

Weideplätze anbieten und von den Bewohnern in Form der Transhumanz

(Fernweidewirtschaft) bewirtschaftet werden. Zudem sind die Einwohner von Alto del

Carmen im handwerklichen Bergbau und in der Jagd tätig. Das führt zu einer hohen

Beschäftigungsrate in dieser Kommune (dies stellt somit eine Ausnahme für die Region des

Pascua-Lama dar). Sie benutzen alle ökologischen und natürlichen Ressourcen, die auf ihrem

Land existieren, wodurch ein kultureller, sozialer und ökonomischer Raum konstruiert wird

(Yánez 2005: 3-5). Es existieren jedoch Probleme mit dem hohen Einsatz vom Pestiziden,

welcher durch die mangelnde Diversifizierung der Landwirtschaft seit den neunziger Jahre

notwendig wurde.

Neben der Landwirtschaft, welche 50% der erwerbstätigen Personen in der Kommune Alto

del Carmen Arbeit bietet, sind der Handel sowie das Reparatur-, Bau- und Bildungswesen

weitere Erwerbsquellen. Jüngst versuchen die Bewohner von Alto del Carmen auch, den

Tourismus zu fördern, um der Abhängigkeit von der Landwirtschaft zu entkommen.

Die Armutsrate in Alto del Carmen ist im Vergleich mit der nationale Rate wie auch der Rate

in der Kommune Vallenar niedrig (Vallenar weist eine Armutsrate von 22% auf). Im Fall der

Arbeitslosigkeitsrate verhält es sich gleich. In Alto del Carmen ist sie relativ niedrig, während

Vallenar eine der höchsten Raten in ganz Chile aufweist (14% im Jahr 2007) (Urkidi 2007:

37-38). Wie bereits erwähnt, wird das Projekt Pascua-Lama die Kommune Alto del Carmen

direkt betreffen. Die Einwohner haben Angst, dass durch den Tagbau ihre Territorium zerstört

und ihre Aktivitäten negativ beeinflusst werden. Daher haben sich die Menschen dieser

Region mobilisiert und wehren sich gegen die Realisierung dieses Projektes.

Die Kommune suchte in ihrem Kampf nicht nur den Schutz der chilenischen Regierung,

sondern versuchte über nationale und internationale Bündnisse auf die sozio-ökologischen

Auswirkungen, die das Projekt für die Region haben wird, aufmerksam zu machen.

11

Page 13: Chuquicamata und Pascua Lama

Die erste Umweltverträglichkeitsprüfung von Barrick und die erwarteten negativen Effekte

(sie werden in Teil 3.2 dieser Arbeit erwähnt) führten im Jahr 2000 zur Mobilisierung der

Einwohner der Kommune Alto del Carmen, sowie von Teilen der Politik, der Bauern und der

Kirche. Einige dieser oppositionellen Gruppen nahmen Kontakt mit NGOs in Santiago de

Chile auf, welche ihnen technische, ökologische und juristische Unterstützung gaben. Zur

Beginn wurden die Einwohner der Kommune vor allem von religiösen Gruppen unterstützt.

Im Jahr 2001 wurde die Umweltverträglichkeitsprüfung von der Regierung gebilligt. Barrick

fing jedoch nicht mit der Produktion an, führten jedoch intensive „soziale“ Tätigkeiten im Tal

durch2. Erst mit der Abgabe der zweiten Umweltverträglichkeitsprüfung im Jahr 2004 wurde

die Mobilisierung intensiver. Die Gegner des Projekts gründeten die „Koordination für den

Schutz von Alto del Carmen“ sowie den „Verteidigerrat von Vallenar“. Dadurch wurde der

Widerstand auf regionaler und nationaler Ebene bekannter.

2005 gelang es Barrick, den vereinten Widerstand der betroffenen Kommunen zu brechen,

indem die Gemeinschaften gespalten wurden. Zentrales Ereignis dazu war ein Vertrag

zwischen Barrick und der „Junta de Vigilancia del Huasco“. Die Junta de Vigilancia del

Huasco ist eine Institution, die die Wasserressourcen im Huasco-Tal verwaltet und wird in der

Regel von den wohlhabendsten Bewohnern kontrolliert. Im Vertrag sichert die Junta Barrick

ihre Zustimmung zum Projekt zu, ohne die Einwohner der drei Kommunen konsultiert zu

haben. Das führte zur Änderung der ökonomischen Machtbeziehungen in der Region. Die

Unterstützung für das Pascua-Lama Projekt seitens der Junta war durch die Hoffnung

motiviert, mit dem Bergbau die Arbeitslosigkeit und Armut in Vallenar zu bekämpfen. Die

negativen Auswirkungen des Projekts würden hingegen vorwiegend die Bewohner von Alto

del Carmen treffen.

Nichtsdestotrotz verbreiteten sich die Proteste weiter, und dank der Zusammenarbeit mit

NGOs und durch das Internet gewann dieser Kampf auf nationaler und internationaler Ebene

an Bedeutung. Ungeachtet der erstarkenden sozialen Bewegungen gegen das Projekt wurde

2006 die zweite Umweltverträglichkeitsprüfung wiederum seitens der Regierung akzeptiert

(Urkidi 2008: 70-72).

Urkidi (2008) analysiert das Verhalten der verschiedenen Gruppe, die in dieses Projekt

involviert waren. Auf der einen Seite sieht er die mächtigen Bauern der „Junta de Vigilancia

del Huasco“, welche wenig Vertrauen in die soziale Bewegungen hatten. Sie hatten primär

eine ökonomische Sichtweise, welche das ganze Projekt als eine Kosten-Nutzen-Rechnung

betrachtete. Sie beachteten dabei allerdings nur die ökonomischen Aspekte. Auf der anderen

2 Dazu gehörten Aktivitäten wie: Geschenke, Versprechen an lokale Institutionen sowie Zahlung an verschiedene politische Akteure.

12

Page 14: Chuquicamata und Pascua Lama

Seite haben wir die Einwohner von Alto del Carmen, welche sich gegen das Projekt stellen.

Urkidi benutzt dazu das Konzept der „Ökologie der Armen“ von Martínez-Alier und Guha

(1997), da hier eine Gruppe gegen die Zerstörung ihres Lebensraums kämpft. Dieser Kampf

zur Bewahrung des eigenen Lebensraums muss nicht nur materialistisch gesehen werden,

sondern berücksichtigt auch die sozialen und spirituellen Beziehungen der Betroffenen zur

Natur. Weiter ist es wichtig, die Internationalisierung des Kampfes zu erwähnen. Dunlap

(2008) erklärt die Internationalisierung des Widerstands als ein Phänomen, welches besonders

dann stattfindet, wenn die Umweltschäden global „sichtbar“ werden, und sich somit die

Betroffenheit auf viele Länder ausbreitet, unabhängig von den sozio-ökologischen

Auswirkungen auf die lokalen Bewohner. Durch die Tatsache, dass bei Pascua-Lama Projekt

Gletscher betroffen sind, welche Symbole des globalen Klimawandels sind, wurde die

Internationalisierung des Widerstands begünstigt.

3.2 Negativen Auswirkungen dieser Projekte

3.2.1 Chuquicamata Nachdem Chile internationalen Umweltabkommen beigetreten ist, und schon seit den 1980er

Jahren Probleme mit der Gesundheit der Arbeiter aufgetaucht waren, wurden die Bewohner

der Bergbausiedlungen in Chuquicamata bis 2004 nach Calama umgesiedelt. Die

zurückgebliebene Geisterstadt ist seither hermetisch abgeriegelt. Die Arbeiter müssen in

Calama für ihre Unterkünfte bezahlen, in Chuquicamata wurden diese noch unentgeltlich zur

Verfügung gestellt. Der bei der Kupfergewinnung entstehende Feinstaub ist mitverantwortlich

für Krankheiten wie Asthma, Staublungen und einige Krebsarten. Arsen und andere

Chemikalien wurden jahrelang direkt in der Wüste entsorgt. Erst in jüngster Zeit wird ein Teil

des Abwassers aufbereitet, denn Wasser ist in der Wüste sehr teuer. Codelco deponierte 60

Jahre lang mehrere Millionen Tonnen hochgiftigen Schlamm in der Bucht von Chañaral, wo

nunmehr sechs Kilometer Strand zerstört, der Hafen nicht mehr benutzbar und Fische und

Meeresfrüchte wegen des hohen Arsengehalts nicht mehr genießbar sind. Beim Tagebau

entstehen auch gewaltige Abraumhalden aus taubem Gestein, denn aus 1.000 Tonnen Gestein

werden nur rund 5 Tonnen Kupfer gewonnen. So entstand in Chuquicamata ein riesiger Berg,

der unter dem Namen La Torta bekannt ist.

3.2.2 Pascua-Lama Die Firma Barrick musste zwei Umweltverträglichkeitsprüfungen für das Projekt vorlegen.

Gemäß diesen Studien werde der Tagebau keine direkten oder indirekten negativen Effekte

haben. Barrick versicherte, für dieses Projekt die beste Technologie zu verwenden, wodurch

keine Umweltschäden entstehen würden. Obwohl diese Resultate von der chilenischen

13

Page 15: Chuquicamata und Pascua Lama

Regierung akzeptiert wurden, fürchteten die Einwohner des Huasco-Tals und viele andere

nationale und internationale Akteure um ihr Leben beziehungsweise die Umwelt.

Diese Firma hat ein Teil des Landes gekauft, welches Angehörigen der Ethnie Diaguita gehört

(Chollay o Charñacillo). Die Regierung verkaufte dieses Land, ohne die Einwohner um

Erlaubnis zu bitten oder zu konsultieren. Hier ist das Problem der Deterritorialisierung zu

beobachten, welches bei Bergbauprojekten oft der Fall ist. Diese Indigenen haben eine starke

Bindung zum Land, wo ihre Vorfahren schon vor der Kolonialisierung gewohnt haben. Ihre

Sozialstruktur artikuliert sich auf Basis der Besetzung dieses Territorium und der Entwicklung

produktiver Aktivitäten darauf. Als Folge des Verkaufs des Landes durch die Regierung an

Barrick wurde ein Teil des Landes eingezäunt, und die Indigenen können ihr Weiderecht dort

nicht mehr wahrnehmen. Ein weiteres Problem ist, dass sich in diesem Ort archäologische

Sektoren dieser Ethnie befinden, die durch die Firma nicht geschützt und anerkannt werden

(Yánez 2005: 3-8).

Bei den Bergbauprojekten ist bekannt, dass der Wasserverbrauch ein sehr hohes Niveau

erreicht. Daher sind die Einwohner der Region besorgt, dass durch diesen hohen Bedarf der

Mine nicht mehr genügend Wasser für die Landwirtschaft übrig sein werde und die Flüsse

allgemein weniger Wasser führen werden. Obwohl in den chilenischen Gesetze steht, dass

alle Personen ein Recht auf Wasser haben und es für das Konsum geschützt ist, werden in

diesem Fall die Rechte und Sorgen der Kommune Alto del Carmen nicht berücksichtigt.

Barrick versprach jedoch, dass sie eine neue Technologie entwickeln haben, dank welcher der

Wasserkonsum in der Trockenzeit von 42 auf 31 Liter pro Sekunde gesenkt werde. Trotz

dieser Maßnahme bleibt der Wasserkonsum sehr hoch (Pérez 2008: 418-421).

Der exzessive Wasserkonsum ist nicht das einzige Problem. Die mögliche Verseuchung des

Wassers ist ebenfalls Grund zur Sorge für die lokale Bevölkerung. Zur Gewinnung der

Metalle aus dem Erz müssen alle Bergbauprojekte Chemikalien wie Zyanid, Ammoniak und

Quecksilber verwenden. Diese Chemikalien werden Kontakt mit dem Wasser haben und

können somit die Wasserwege und das Grundwasser verseuchen (Fields 2006: 538). Auch

wenn Barrick immer von der hohen Sicherheit der neuen Technologie spricht, kritisieren

Experten ihre Aussagen. Die Firma behauptet, dass jeder Tropfen Wasser in einem

geschlossenen System zur Wiederverwendung aufbereitet werde. Da Pascua-Lama jedoch auf

5.000 Meter Höhe liegt, und die Flüsse nach nur 100 Kilometer bereits ins Meer münden, ist

die Kontrolle schwierig, und die Folgen sind im Falle einer Verschmutzung besonders

verheerend. Aus diesem Grund sind die Einwohner besorgt. Wenn das Wasser fehlen oder

verschmutzt würde, können sie nicht mehr in der Agrikultur arbeiten und ihr Leben und jenes

der Kommune wären in Gefahr (Stratenwerht 2007: 1-2).

14

Page 16: Chuquicamata und Pascua Lama

Die internationale Mobilisierung gegen dieses Projekt hat sich unter anderen entwickelt, da

ein Teil der Metalle, die ausgebeutet werden sollten, sich unter den drei oben genannten

Gletschern befindet. Zu Beginn wollte die Firma Barrick diese Gletscher entfernen und an

einem anderen Ort platzieren, ohne Schaden zu verursachen. Dies wurde aber nicht bewilligt.

Die Genehmigung kam erst nach der zweiten Umweltverträglichkeitsprüfung, jedoch mit der

Bedingung, dass diese Gletscher nicht berührt werden sollen. Was aber nicht bedeutet, dass

andere, kleinerer Gletscher wie Estrecho-B auch unberührt bleiben werden. Dieser soll nach

fünf Produktionsjahren als eine Mülldeponie gebraucht werden. Somit wird doch einige

Eisfläche zerstört und verschmutzt (Brenning/Azócar 2010: 153). Die Gletscher werden nicht

nur auf direktem Weg beschädigt. Durch die Benutzung von Sprengstoffen werden die

Gletscher schneller schmelzen und verschmutzt, was auch auf das Wasser einen negativen

Effekt hat (Krüger 2008: 2).

Wie man aus Erfahrung von anderen Bergbauprojekten weiss, wird die Pascua-Lama Mine

auch auf das Ökosystem der Region einen Einfluss haben. Durch den hohen Wasserverbrauch

und die Verschmutzung ist die einzigartige Flora und Fauna bedroht. In der Andenregion auf

der chilenischen Seite des Pascua-Lama gibt es einen hohen Grad an genetischem

Endemismus. Zusätzlich ist diese Region Heimat von Vikunja-Populationen, welche vom

Aussterben bedroht sind. Das größte Problem bei dieser Art von Ökosystemen ist, dass die

Fortpflanzung auf dieser Höhe sehr langsam ist, wodurch im Falle einer Zerstörung die

Erholungsphase entsprechend schwierig ist (Villagrán 2006: 11-12).

Gleich wie in Chuquicamata wird in diesem Projekt viel Erde bewegt. Das führt zu einem

Anstieg der geologischen Risiken und zur Veränderung der regionalen Landschaft. Der Bau

neuer Straßen wird den Verkehr in dieser Zone steigern, da die gewonnenen Rohstoffe

abtransportiert werden müssen.

Bei extraktivistischen Projekten werden oft Enklaven gebildet, wo die Arbeiter in eigens

geschaffenen Siedlungen wohnen. Dieses Phänomen wird auch hier erwartet. Die Firma

Barrick und die chilenische Regierungen betonen oft die Schaffung neuer Arbeitsplätze. Man

muss aber beachten, dass von den 3000 Personen, die bei der Konstruktionphase der Mine

eingestellt werden, nur 750 aus Chile kommen. Für die folgende Operationsphase werden

1500 Arbeiter benötigt, lediglich 500 davon werden aus Chile sein (Urkidi 2008: 70). Das

heisst, dass dieses Projekt nicht sehr viele Arbeitsplätze für Chilenen schaffen wird.

15

Page 17: Chuquicamata und Pascua Lama

4. Analyse und Diskussion

4.1 Unterschiede und Ähnlichkeiten der Projekte auf Basis

theoretischer Überlegungen

Wenn man die zwei in dieser Arbeit behandelten Projekte vergleicht, stellt man fest, dass

beide trotz zeitlicher Distanz zu ähnlichen Veränderungen in den jeweiligen Regionen

führten.

Brand (2012) unterscheidet im Kontext der gegenwärtigen multiplen Krisen die Begriffe

Transition und Transformation. Den Begriff Transition versteht er im normativen Sinn und

benutzt ihn für politische Bemühungen, um ungewünschten Entwicklungen durch politische

Massnahmen entgegenzuwirken. Transformation hingegen benutzt er als analytischen und

deskriptiven Begriff zur Beschreibung umfassender sozialer und wirtschaftlicher Prozesse des

Wandels. Sowohl beim relativ neuen Projekt Pascua-Lama als auch beim Projekt

Chuquicamata, welches seit fast 100 Jahre existiert, beobachten wir keine Transformation

(und somit kein umfassender sozialer und wirtschaftlicher Wandel) bezüglich der

Bergbaugesetze, der Behandlung der betroffenen Bevölkerung und der Umwelt. Eine

Transition ist jedoch sichtbar, da die angewandten Technologien stetig verbessert wurden.

Sowohl bei Pascua-Lama als auch den neuen Plänen für Chuquicamata müssen die Firmen

umweltpolitische Auflagen erfüllen. Die Ausbeutung durch nationale und internationale

Firmen ist an die Bedingung geknüpft, dass sie die neusten Technologien verwenden und die

Umwelt nicht oder nur wenig zerstören.

Chile wird von Thwaites (2010) als ein Musterland des Neoliberalismus betrachtet, und

unterscheidet sich folglich von vielen anderen Ländern Lateinamerikas, welche seit Ende der

neunziger Jahre eine Transformation weg vom Neoliberalismus erleben. Chile verfolgt

weiterhin eine Politik der liberalen Märkte und der freien Kapitalmobilität, mit dem Ziel,

globales Kapital anzulocken. Das kann man auch bei der Entwicklung der Projekte sehen.

Chuquicamata wurde bis 1971 von einer amerikanischen Firma betrieben, welche sehr wenig

an den Staat zahlen musste. Das gleiche trifft für die Pascua-Lama-Mine zu. Die kanadische

Firma Barrick hat die Bewilligung für den Abbau unter sehr ähnlichen Bedingungen erhalten.

Die Firma muss praktisch nichts ihrer Gewinne dem Staat abliefern. Obwohl oft von der

zentralen Bedeutung des Bergbaus für die chilenische Wirtschaft gesprochen wird, hat selbst

die Weltbank eine negative Korrelation zwischen der relativen Größe des Bergbausektors in

der nationalen Ökonomie und dem BIP-Wachstum festgestellt.

Bei Chuquicamata konnten wir sehen, wie sich der Lebensstandard der drei kleinen Dörfer

mit dem Beginn des Projekts sehr stark verschlechtert hat, und die Dörfer schlussendlich

16

Page 18: Chuquicamata und Pascua Lama

durch das Bergbauprojekt geschluckt wurden. Die drei Dörfer litten unter einer hohen Rate

an Alkoholismus, Drogenkonsum, AIDS und Prostitution. Das gleiche könnte auch in der

Kommune Alto del Carmen und sogar bei den anderen zwei Kommunen passieren. Auf

sozialer Ebene kann beobachtet werden, dass in Bergbauzone solche Probleme häufig

auftauchen und mit der Zeit die soziale Realität dominieren (Pegg 2006: 378-379).

Es ist bemerkenswert, wie das westliche Entwicklungsparadigma, welches auch von Juan

Pablo Orrego erwähnt wurde (vgl. Ringvorlesung 14. November 2012), auch im Fall des

Bergbaus in Chile zu beobachten ist. Oberstes Ziel ist es weiterhin, das Wirtschaftwachstum

nach Vorbild der westlichen Länder zu maximieren, während die negativen Auswirkungen

auf die Natur und die lokale Bevölkerung immer diesem Ziel untergeordnet sind. Während

westliche Bergbauunternehmen in den reichen Ländern des Nordens die hohen

Umweltstandards erfüllen müssen, sind die gleichen Konzerne (in unserem Fall aus den USA

und Kanada) in Lateinamerika für die Schädigung der Umwelt und der Bevölkerung

verantwortlich. Die Regierung in Chile strebt weiter nach einer wirtschaftlichen Entwicklung,

ohne aber eine wirklich nachhaltige Entwicklungspolitik zu verfolgen, welche sowohl soziales

Wohlergehen als auch den Erhalt der Umwelt berücksichtigten sollte.

Der Hegemoniebegriff von Gramsci kann im Kontext des Bergbaus in Chile ebenfalls

angewandt werden. Die herrschende Eliten haben es geschafft, dass die extraktivistischen

Aktivitäten vom größten Teil der Bevölkerung unterstütz werden. Aufgrund der dominanten

Logik des stetigen Wachstums sehen viele den Bergbau als etwas Gutes für die Entwicklung

Chiles und folglich für den eigenen Wohlstand. Dies hat zur Folge, dass viele Leute, die

teilweise auch negativ vom Bergbau betroffen sind, diesen dennoch unterstützen, ohne dass

die Regierung dazu Zwang anwenden muss (vgl. Gramsci 1991ff.: 499, 6: 783, 13: 1560ff.).

Das kann man auch bei der Reaktion der „Junta de Vigilancia del Huasco“ sehen. Sie

betrachtet den Pascua-Lama als etwas Notwendiges für die Entwicklung ihrer Region und

unterstützt dieses Projekt weiter, obwohl die Erfahrung zeigt, dass Bergbau für die Anwohner

von Minen nur selten zu einer nachhaltigen Verbesserung des Lebensstandards führt. Beim

Projekt Chuquicamata war dies auch der Fall, da es während fast 100 Jahren kaum Opposition

seitens der lokalen Bevölkerung gegen die Existenz des Projektes gab.

Um dieses Kapitel zu beenden, möchten wir noch kurz die sozialen Bewegungen im Fall

Pascua-Lama betrachten. Bezüglich der Fragen der Mobilisierung lässt sich das Konzept

Scale anwenden. Für die Frage nach dem Erfolg der sozialen Bewegungen werden wir uns auf

Einsichten der Debatte zu „political culture“ beziehen.

Das Konzept Scale (vgl. Ringvorlesung von Bettina Köhler vom 7. November 2012) weist auf

die Problematik hin, aus welcher Perspektive Naturprobleme betrachtet werden. Eine

17

Page 19: Chuquicamata und Pascua Lama

Verlagerung der Perspektive kann dabei politische Implikationen haben. Es macht

beispielsweise einen großen Unterschied in der Problemdefinition, ob die Gletscher auf dem

Gebiet des Pascua-Lama nur als Teil des Lebensraum der Kommune Alto del Carmen

gesehen werden, oder ob sie als Teil der durch den Klimawandel bedrohten globalen Eisdecke

gesehen werden. Bei Pascua-Lama konnten wir beobachten, dass durch die globale

Sensibilisierung für den Klimawandel die Gefahr für die Gletscher sich positiv auf die

internationale Mobilisierung auswirkte. Im Falle von Cuquicamata war dies anders, da die

sozio-ökologischen Auswirkungen bis jetzt „nur“ die lokale (Camala), regionale (Tocopilla3)

und nationale Ebene betrafen, ohne dass dabei die Umweltveränderungen im globalen

Umweltdiskurs auf Resonanz gestossen sind. Die Interessen, welche sich aus einer globalen

Perspektive auf dieses Bergbauprojekt herleiten, müssen sich jedoch nicht mit den lokalen

Interessen decken, und stellen somit neben der Mobilisierungshilfe auch ein Risiko in der

Lösungsfindung dar.

Der Erfolg sozialer Bewegungen wird oft nur auf der Ebene der institutionellen Politik

betrachtet und gemessen. Das heisst, man spricht nur von Erfolg, wenn die Forderungen von

offiziellen politischen Institutionen aufgenommen wurden. Dieser Auffassung liegt eine

spezifische soziale Konstruktion zu Grunde, was in der Gesellschaft als politisch gilt (die

sogenannte „political culture“). Sekler (2009) weist auf die Relevanz der Verschiebung von

diesen spezifischen sozialen Konstruktionen „des Politischen“ hin. Ziel der „cultural politics“

ist es, alternative Definitionen von dem, was als politisch gilt, durchzusetzen. Obwohl das

Projekt Pascua-Lama gebilligt wurde, und die politischen Forderungen der sozialen

Bewegungen folglich auf formal-institutioneller Ebene erfolglos blieben, muss dies nicht

heißen, dass die sozialen Bewegungen keinen politischen Erfolg hatten. Durch den

Widerstand haben die sozialen Bewegungen viele Leute auf lokaler, regionaler, nationaler und

internationaler Ebene mobilisiert und somit für die Problematik der sozio-ökologischen

Risiken des Bergbaus sensibilisiert. Dadurch verbreiteten sie alternative Diskurse und

Praktiken, die in der Gesellschaft eine Wirkung haben können und in Zukunft zu einer

sozialen, ökologischen und sogar wirtschaftlichen Transformation beitragen könnten. Ihr

Erfolg mag kurzfristig nicht sichtbar sein. Dies bedeutet aber nicht, dass ihre Mobilisierung

uneffektiv war.

3 Aufgrund der hohen Nachfrage nach Strom in Chuquicamata wurden in Tocopilla mehrere Wasserkraftwerke gebaut, um die Chuquicamata-Mine mit Strom zu versorgen.

18

Page 20: Chuquicamata und Pascua Lama

5. Schlusswort In dieser Arbeit versuchten wir durch die Beschreibung zweier Projekte aufzuzeigen, welchen

Einfluss die extraktivistischen Aktivitäten des Bergbaus in Chile auf die Wirtschaft sowie die

sozio-ökologische Situation auf lokaler, regionaler, nationaler und sogar internationaler Ebene

hat.

Die gesetzliche Situation in Chile begünstigt den Bergbau, und sowohl staatliche als auch

internationale Unternehmen sind in diesem Sektor tätig. Trotz einigen Anpassungen der

Gesetze in den letzten Jahren profitieren die internationalen Firmen weiterhin von

Subventionen, während sie kaum Abgaben an den Staat leisten müssen. Der Bergbau war

zwischen 1995 und 2000 zwar für 5,3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes verantwortlich, trug

im selben Zeitraum aber nur 1,9 Prozent zum Steueraufkommen bei. Chile bleibt weiterhin

vom Export der Bergbauprodukte abhängig und verdankt auch sein seit Jahren anhaltendes

wirtschaftliches Wachstum der Intensivierung der Ausbeutung von Mineralen. In diesen Sinn

beobachtete man keine Transformation in der Politik der Extraktivismus. Die Prämisse der

Notwendigkeit des Bergbaus zur Steigerung der nationalen Wirtschaftsleistung hat sich nicht

geändert. Hingegen ist mit den intensivierten Umweltschutzbemühungen und der

Entwicklung neuer Technologien eine Transition in Brands Sinne beobachtbar.

Obwohl der Bergbau in den Regionen von Antofagasta und Atacama die Armut und

Ungleichheiten statistisch gesehen gesenkt haben, müssen für eine umfassende Betrachtung

auch die sozio-ökologischen Veränderung, welche die Projekte Chuquicamata und Pascua-

Lama mit sich bringen, betrachtet werden. Dabei wird deutlich, dass diese Projekte

bedeutende negative Auswirkungen (im Bereich Gesundheit, soziale Struktur und

Wirtschaftsweise) auf die lokale Bevölkerung hatten. In Gebiet Chuquicamata haben die

Bergbauaktivitäten trotz negativer Auswirkungen auf die Gesundheit und die Bildung der

Bewohner kaum zu sozialem Widerstand und der Bildung Sozialer Bewegungen geführt. Das

Gegenteil passierte beim Pascua-Lama Projekt. Der Aufbau dieses Projekts führte nicht nur

zur Mobilisierung der direkt betroffenen Einwohner, sondern auch internationaler

Gruppierungen. Ein Grund dafür war, dass die negativen Effekte des Projektes globale

Beachtung fanden.

Abschliessend lässt sich feststellen, dass die Bergbauaktivitäten in Chile sowohl positive wie

negative Auswirkungen haben. Chile Bergbaupolitik befindet sich weiterhin in einem

Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Wachstums dank der Ausbeutung natürlicher

Ressourcen und der negativen sozialen und gesundheitlichen Folgen für die Menschen und

die Umwelt in den Fördergebieten. Für die nahe Zukunft ist davon auszugehen, dass durch

die Internationalisierung des Widerstands gegen schädliche Bergbaupraktiken und ungleiche

19

Page 21: Chuquicamata und Pascua Lama

Verteilung des Reichtums mit einer Zunahme der sozio-ökologischen Konflikten zu rechnen

ist.

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