Das deutsche Kaiserreich von 1871 bis 1918. 19.05.2014 Gliederung 1. Integraler Nationalismus und...

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Das deutsche Kaiserreich von 1871 bis 1918

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Das deutsche Kaiserreich von 1871 bis 1918

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Gliederung

1. Integraler Nationalismus und innere Reichsbildung

2. Gegen den „Reichsfeind“ politischer Katholizismus

3. Gegen die Sozialdemokratie als „Vaterlandslose Gesellen“

4. Gegen die nationalen Minderheiten

5. Die Modernität des Kaiserreiches

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1. Integraler Nationalismus und innere Reichsbildung

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Nationalismus – Zivilreligion der Moderne Die Gründung des Nationalstaates bedeutete auch

in Deutschland den Umschlag von der emanzipatorischen Nationalbewegung zum totalitären Nationalismus.

Der totalitäre Nationalismus setzt die Nation als Höchstes Gut, dem alle anderen Werte – auch das eigene Leben – unterzuordnen sind:

In Deutschland: Du bist nichts – dein Volk ist alles. In England: Right or wrong – my country. In Frankreich: La France d´abord (Frankreich zuerst).

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Kein „Platz an der Sonne“?

Die Gründung des Deutschen Reiches brachte das europäische Staatensystem zum Einsturz.

Der rasche wirtschaftliche Aufstieg des deutschen Nationalstaates und sein Weltmachtstreben bedrohen Großbritanniens Vorrang.

Die Annexion Elsaß-Lothringens schafft den französischen Revanchismus.

Unterlegenheitsgefühle und Bedrohungsängste prägen nun das Verhältnis der Nationen.

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Integraler Nationalismus

Der Nationalismus wird integral, d. h. die Einheit und Homogenität der Nation werden oberstes Prinzip.

Schulpflicht, Armeedienst und Kirche werden zu Instrumenten „innerer Staatsgründung“.

Der moderne Antisemitismus erhebt in allen europäischen Staaten sein Haupt.

Ein Netzwerk von Vereinen (Kriegervereinen, Schützenvereinen, Heimatvereinen) und von Zeitungen und Zeitschriften wird zum Träger des Nationalismus.

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„Reichsfeinde“

Bismarcks innere Reichsgründung schafft keinen nationalen Konsens, sondern stellt den deutschen Nationalstaat auf eine Zerreißprobe.

Er erklärt zu Reichsfeinden: Den politischen Katholizismus Die Sozialdemokratie Die nationalen Minderheiten

Dieser „integrale Nationalismus“ geriet notwendig in Konflikt mit den sozialen und politischen Differenzierungsprozessen der Moderne.

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2. Gegen den politischen Katholizismus

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„Kulturkampf“

1873 eröffnete Bismarck den Kulturkampf gegen den politischen Katholizismus, den vor allem in Süd-Deutschland die Zentrumspartei vertrat:

Staatliche Schulaufsicht (von Klerus und adeligen Patronen), Zivilehe, staatliche Ausbildung und Beaufsichtigung der Geistlichen, Verbot politischer Reden von der Kanzel.

Staatliche Schulaufsicht und Zivilehe bleiben bis heute und sind als zivilisatorischer Fortschritt und Stärkung des Liberalismus zu betrachten.

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Kulturkampf

Bismarck und Leo XIII. beim Schach. - Karikatur vor Ende des Kulturkampfes.

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3. Gegen die nationalen Minderheiten

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„Reichsfeinde“ nationale Minderheiten

Auch auf diesem Feld der Inneren Staatsgründung wird durch staatlichen Zwang nur die Verschärfung der Konflikte erreicht:

Schroffe Germanisierungspolitik in den polnischen Provinzen Westpreußen und Posen;

hartes Vorgehen gegen Dänen in Nordschleswig; gegen Franzosen in Lothringen (Zabernaffäre).

Die Unterdrückung der kulturellen und sprachlichen Eigenständigkeit von Polen und Franzosen potenziert sich durch die Verflechtung mit dem Kulturkampf.

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Negative Polenpolitik

Das Deutsche Reich unterdrückte im Bunde mit Russland die polnische Nationalbewegung, so wie Preußen schon die Teilnehmer am Januaraufstand verfolgt hatte.

Die polnische Sprache wird aus dem öffentlichen Raum verbannt, in Schule, Kirche und Gemeinde soll Deutsch gesprochen werden.

Die politische Betätigung wird eingeschränkt. Im Kampf gegen die Minderheiten findet der Staat

keinen Konsens

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Aufständische gegen die russische Herrschaft im Königreich Polen, Januar 1863. Zeitgenössisch.

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4. Gegen die Sozialdemokratie als „Vaterlandslose Gesellen“

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„Zuckerbrot und Peitsche“

Gegen die Sozialdemokraten ging Bismarck mit Zuckerbrot und Peitsche vor:

Sozialgesetzgebung: Kranken- und Unfallversicherung bringt damals vorbildliche Problemlösungen.

Sozialistengesetz 1878-1890: Verbot und Verfolgung von Organisationen und Presse.

Doch die Sozialdemokratie wächst unaufhaltsam und ist ab 1898 stärkste Partei im Reichstag.

Die sozialen Konflikte nehmen mit der Hochindustrialisierung um die Jahrhundertwende zu: Massenstreiks.

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Der Unzufriedene. Ludwig Knaus, 1877

Transparent Berliner Sozialdemokraten 1888 : Rache für unsere Gemaßregelten und Verfolgten ...

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Der Streik (Robert Koehler, 1886)

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Rückzug und Konsens

Die „innere Reichsgründung“ unter dem Dach eines integralen Nationalismus gelingt schließlich nur, weil Bismarck teilweise den Rückzug antritt: Konkordat mit Papst Leo XIII. 1879. Aufhebung des Sozialistengesetzes 1888.

Die Integration der nationalen Minderheiten durch staatlichen Zwang bleibt erfolglos.

Da der Staat zu ernsten Kompromissen nicht bereit ist, verschärft sich der „Volkstumskampf“ vor allem in den polnischen Provinzen.

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5. Die Modernität des Kaiserreiches

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Industriezeitalter

Die Industrialisierung setzt mit Macht in den fünfziger Jahren ein:

Eisenbahnbau, Kohle- und Stahlindustrie (Ruhrgebiet, Oberschlesien).

Die Eisen- und Stahlindustrie expandierte mit dem Eisenbahnbau. Sie prägte ganze Regionen wie das Ruhrgebiet und Oberschlesien.

Es folgten die Chemische Industrie und die Elektrotechnische Industrie.

Die Hochindustrialisierung schuf Arbeitsplätze und überwand so das frühindustrielle Massenelend.

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Adolph Menzel 1875: Eisenwalzwerk in Königshütte. Berlin, Staatliche Museen, National-Galerie.

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Modernisierung und Wanderung Die Gesellschaft polarisiert sich sozial und politisch, kommt

aber gleichzeitig in Bewegung: Verstädterung: Die Industrieanlagen konzentrieren sich fast

ausschließlich in Städten, und damit auch die Industriearbeiterschaft, die bis 1910 auf 8 Millionen gewachsen war.

Amerika-Auswanderung: Überwiegend der Bevölkerungsüberschuss aus ländlichen Regionen, Höhepunkt in den 1850er bis 1880er Jahren, verebbt mit dem Abschluss der Hochindustrialisierung

Ost-West-Wanderung: Arbeitswanderung aus den östlichen Provinzen Preußens vor allem ins Ruhrgebiet, nach Berlin und nach Sachsen.

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Reichstagssitzung (Bebel rechts unten in der Ecke mit der Nummer 6)

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Politische Modernisierung

Die politischen Bewegungen kristallisieren sich in Parteien und differenzieren sich aus:

Liberale (überwiegend Wirtschafts- und Bildungsbürgertum) in pro-preußische Nationalliberale linke Fortschrittspartei, dominieren weithin die städtische Politik und die Landtage im bürgerlichen Westen.

Konservative (überwiegend Agrarier) in Deutschkonservative und Reichspartei,

Sozialdemokraten, seit 1898 stärkste Partei im Reichstag. Die deutsche Weltmachtpolitik, insbesondere die

Kolonialpolitik wird vom liberalen Bürgertum getragen. Der Reichstag geht aus allgemeinen, gleichen Wahlen hervor,

obwohl in Einzelstaaten wie Preußen noch das Dreiklassenwahlrecht herrscht.

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Zusammenfassung

Der Übergang zum integralen Nationalismus mit der Reichsgründung von 1871 eröffnete den vergeblichen Kampf gegen die inneren „Reichsfeinde“ politischer Katholizismus, Sozialdemokratie und nationale Minderheiten.

Der deutsche Nationalstaat öffnet die Schleusen für die Modernisierung von Wirtschaft und Gesellschaft.

Weltmachtstreben und Rüstung des Kaiserreichs, gegründet auf dem Wirtschaftswachstum und getragen vom liberalen Bürgertum werden zur Bedrohung für die Nachbarn.

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