Das Welterbe in Deutschland - die Industriedenkmäler

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Deutschland ist ein Land voller Kulturdenkmäler und einmaliger Natur- landschaften. Das zeigt sich in den über 30 Stätten, die bereits zum UNESCO-Weltkultur- oder Weltnaturerbe erklärt wurden. Trend & Tradi- tion stellt sie in den nächsten Ausgaben vor – diesmal die drei Industrie- denkmäler in Alfeld, Essen und Völklingen. Das Welterbe in Deutschland – die Industriedenkmäler reiseziele In der Völklinger Eisenhütte wurde bis 1986 Eisen produziert – heute ist sie eines von drei Industriedenkmälern mit Welterbe-Status in Deutschland Z um kulturellen Erbe der Menschheit zählen nicht nur Bauwerke der verschiedensten Epochen, sondern auch Monumente des Industriezeitalters. Es sind Bauwerke, an denen die technische Entwicklung dieser Epoche und die Leistungen, die Menschen alltäglich hier- für erbracht haben, anschaulich werden. Es ist rund 180 Jahre her, dass in Deutschland die Indus- trialisierung begann. In wenigen Jahrzehnten stieg das Land vom politisch und wirtschaftlich zersplit- terten Agrarstaat zu einer dominierenden Indus- trienation Europas auf. Diese Ära, die durch den Bau von Eisenbahnen begann, benötigte vor allem große Mengen an Kohle und Stahl. Beispielhaft für die industrielle Entwicklung Deutschlands stand der kometenhafte Aufstieg des Unternehmens Krupp in Essen. Alfred Krupp, der Sohn des Firmengründers Friedrich Krupp, pro- fitierte vom rasanten Ausbau der Eisenbahnen in Deutschland und baute das Unternehmen zum 28 | Trend & Tradition

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Deutschland ist ein Land voller Kulturdenkmäler und einmaliger Natur-landschaften. Das zeigt sich in den über 30 Stätten, die bereits zumUNESCO-Weltkultur- oder Weltnaturerbe erklärt wurden. Trend & Tradi-tion stellt sie in den nächsten Ausgaben vor – diesmal die drei Industrie-denkmäler in Alfeld, Essen und Völklingen.

Das Welterbe in Deutschland– die Industriedenkmäler

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In der Völklinger Eisenhütte wurde bis1986 Eisen produziert – heute ist sieeines von drei Industriedenkmälernmit Welterbe-Status in Deutschland

Zum kulturellen Erbe der Menschheit zählennicht nur Bauwerke der verschiedenstenEpochen, sondern auch Monumente desIndustriezeitalters. Es sind Bauwerke, an

denen die technische Entwicklung dieser Epocheund die Leistungen, die Menschen alltäglich hier-für erbracht haben, anschaulich werden. Es istrund 180 Jahre her, dass in Deutschland die Indus-trialisierung begann. In wenigen Jahrzehnten stiegdas Land vom politisch und wirtschaftlich zersplit-

terten Agrarstaat zu einer dominierenden Indus-trienation Europas auf. Diese Ära, die durch denBau von Eisenbahnen begann, benötigte vor allemgroße Mengen an Kohle und Stahl.

Beispielhaft für die industrielle EntwicklungDeutschlands stand der kometenhafte Aufstiegdes Unternehmens Krupp in Essen. Alfred Krupp,der Sohn des Firmengründers Friedrich Krupp, pro-fitierte vom rasanten Ausbau der Eisenbahnen inDeutschland und baute das Unternehmen zum

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zeitweise größten europäischen Industrieunternehmenaus. Doch auch zahlreiche andere Familien führten ihre Un-ternehmen im Ruhrgebiet, im Saarland und anderswo zumErfolg, wie die Geschichte der Völklinger Eisenhütte, derZeche Zollverein in Essen sowie des Fagus-Werkes in Alfeldzeigen, die heute zum UNESCO-Weltkulturerbe gehören.

Die Völklinger EisenhütteDie Völklinger Hütte wurde 1873 vom Kölner Ingenieur Ju-lius Buch gegründet. Unter der Leitung von Karl Röchlingentwickelte sich Völklingen zu Deutschlands größter Pro-

duktionsstätte für Eisenträger. So wurde aus dem DorfVölklingen eine mittlere Stadt, in der sich Arbeiter aus demganzen Saarland ansiedelten. In ihren besten Zeiten verar-beiteten dort 20.000 Stahlkocher lothringisches undschwedisches Erz mit Hilfe saarländischer Kohle zu Eisen.Die Hütte, die 1986 stillgelegt wurde,war über Jahrzehnte hinweg eine dermodernsten Industrieanlagen in Europa.Von den im 19. und 20. Jahrhundert inWesteuropa und Nordamerika errichte-ten Eisenhütten ist die Völklinger Hüttedie einzige, die noch vollständig erhaltenist – daher wurde sie bereits 1994 als ers-tes Industriedenkmal in die Liste derUNESCO Weltkulturerbestätten aufge-nommen.

Die erhaltenen Anlagen veranschau-lichen alle wichtigen Stationen einer his-torischen Roheisenproduktion: VomErzbunker über die Kokerei und die Sin-teranlage zur Rohstoffzubereitung und

Rohstofflagerung, über Hängebahnanlagen, Hochofen-gruppe, Trockengasreinigungen und Gasgebläsehalle fürdie Roheisenerzeugung bis hin zu einer historischen Wal-zenzugmaschine sind alle Bereiche der Eisenindustrie er-lebbar. Sternstunden der Ingenieurskunst sind die riesigenMaschinen in der über 6000 Quadratmeter großen Geblä-sehalle, die sechs Hochöfen und der weltweit einzigartigeSchrägaufzug vom Anfang des 20. Jahrhunderts. Der Rund-gang mit mehr als sechs Kilometern spannenden und gutbeschilderten Wegen führt auch zum „Paradies“. Hier, inder ehemaligen Kokerei, ist ein weltweit einzigartiger Dia-log zwischen Industriekultur und Natur entstanden.

Essen – Industriekomplex Zeche ZollvereinDie Zeche und Kokerei Zollverein steht wie kaum ein ande-res Monument des Ruhrgebietes für die Entwicklung derSchwerindustrie in Europa. Die beiden Architekten FritzSchupp und Martin Kremmer konstruierten mit ZollvereinSchacht XII, der von 1930 bis 1932 errichtet wurde, eine ein-malige Musteranlage im Stil der Neuen Sachlichkeit: Die

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Die Zeche Zollverein wurde zu Beginn der 1930er-Jahre errichtet und ebenfalls 1986 stillgelegt

Zwei Gebläsemaschinen in der Völklinger Eisenhütte

Teile der ehemaligen Eisenhütte werden heute für Ausstellungen genutzt

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in zwei Achsen angeordnete Zentralschachtanlage wurdesymetrisch harmonisch durchgestaltet. Heute bildet siezusammen mit der von Fritz Schupp in funktionaler Anbin-dung gebauten Kokerei Zollverein eine einzigartige Indus-trielandschaft, die sich nicht erst seit Ruhr.2010 zu einemlebendigen Kulturstandort entwickelt hat.

1986 wurde die Zeche stillgelegt. Statt für einen Abrissentschloss sich das Land Nordrhein-Westfalen, die Zecheder Ruhrkohle AG abzukaufen, sie unter Denkmalschutz zustellen und grundlegend zu sanieren. Die 1998 gegründeteStiftung Zollverein widmet sich der Wiedernutzbarma-chung und Erhaltung des Industriedenkmals. Auf demDenkmalpfad der „schönsten Zeche des Ruhrpotts“ könnenBesucher die Entwicklung der Schwerindustrienachvollziehen, indem sie den Weg der Kohle imwahrsten Sinne des Wortes beschreiten: Im Ori-ginalzustand belassen führt er durch die Ge-bäude der ehemaligen Sieberei und derKohlenwäsche, vorbei an gigantischen Maschinenund Förderbändern, die vom Arbeitsalltag in Lärmund Staub erzählen. Auf dem Rundgang veran-schaulichen Modelle, Filme und museumstechni-sche Installationen die Aufbereitung desschwarzen Goldes.

Alfeld – das Fagus-WerkIm Jahr 1911 beauftragte der Industrielle Carl Ben-scheidt den damals noch nicht einmal 30-jähri-gen Walter Gropius, den späteren Stararchitektendes Bauhauses, und seinen Mitarbeiter AdolfMeyer mit dem Bau seiner neuen Schuhleisten-fabrik in Alfeld. Benscheidt bewies durch sein Ver-

trauen in Gropius’ moderne Auffassung von Architektur eingutes Gespür, denn die Fabrik stellt rückblickend das Ma-nifest der „Neuen Sachlichkeit“ dar. Mit der Konstruktionaus Glas und Stahl und den stützenlosen, vollständig ver-glasten Ecken, die zum Markenzeichen des Neuen Bauenswurden, verlieh Gropius dem dreistöckigen Fassadenge-bäude seine schwerelose Eleganz, die damals für Fabrikenaußergewöhnlich war. Der funktionalistische Industrie-komplex wurde in drei Bauabschnitten von 1911 bis 1925 er-richtet, eine letzte Erweiterung wurde 1938 von PeterNeufert ausgeführt.

Die Architektur der einzelnen Gebäude passt sich derenFunktion an. So ist das Lagerhaus ein solider Steinbau, wäh-rend die Werkstatt durch große Glasfronten eine helle undsomit zum Arbeiten optimale Umgebung schafft. Auf-grund industrieller Innovationen und neuer Technologienwurden die insgesamt zehn Fabrikkomponenten im Laufeder letzten 100 Jahre teilweise renoviert und einer neuenNutzung zugeführt. Da das Gelände schon seit 1946 eineingetragenes Baudenkmal ist, wurden die Umbautennach Gropius' stilistischen Vorgaben und mit entsprechen-den Materialien ausgeführt. Der Name der Fabrik leitet sichaus dem lateinischen Wort „Fagus“ für Buche ab. Aus die-sem Material wurden die Schuhleisten hergestellt, ehe sichin den 1970er-Jahren Kunststoffe durchsetzten. Auch imJahr des 101. Jubiläums werden im Fagus-Werk noch Schuh-leisten produziert – vor gut einem Jahr, im Juni 2011, wurdees als drittes Industriedenkmal in Deutschland von derUNESCO in die Liste des Kultur- und Naturerbes der Weltaufgenommen. Christoph Neuschäffer

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Die Welterbelisteder UNESCOIn Deutschland gibt es 37 Denkmäler,die auf der Welterbeliste der UNESCOverzeichnet sind. Sie stehen damit unterdem Schutz der Internationalen Konvention für das Kultur- und Naturerbe derMenschheit. Die 1972 von der UNESCO verabschiedete Konvention ist das in-ternational bedeutendste Instrument, um Kultur- und Naturstätten, die einenaußergewöhnlichen universellen Wert besitzen, zu erhalten. Denkmäler wer-den nur dann in die Liste des Welterbes aufgenommen, wenn sie die in derKonvention festgelegten Kriterien der „Einzigartigkeit“ und der „Authentizi-tät“ (bei Kulturstätten) bzw. der „Integrität“ (bei Naturstätten) erfüllen. Ringhotels in der Nähe von Welterbestätten finden Sie auf unserer Deutsch-landkarte, die unter www.ringhotels.de/prospektbestellung kostenlos ange-fordert werden kann.

Das 1911 errichtete Fagus-Werk in Alfeld war eines der ersten Bauwerkevon Walter Gropius, einem der Väter des Bauhauses