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A l l e M a t e r i a l i e n a u f C D - R O M DENK(T)RÄUME Praxisprojekte zum fächerübergreifenden Lernen Hg.: Autostadt in Kooperation mit dem Niedersächsischen Kultusministerium Band 5: Chemie und Sport Auch für den Sachunterricht!

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M

aterialien auf CD-ROMDENK(T)RÄUME

P r a x i s p r o j e k t e z u m f ä ch e r ü b e r g r e i f e n d e n L e r n e n

Hg.: Autostadt in Kooperation mit dem Niedersächsischen Kultusministerium

Band 5: Chemie und Sport

Auch für d

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Sachunterricht!

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Auszug
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10DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Durch Sport werden wir beweglicher, steigern unsere Aus-

dauer, vergrößern unsere Kraft und Schnelligkeit; kurz: die

Mobilität unseres Körpers wird erhöht. In sportlichen Wett-

kämpfen ist oft schon ein kleiner Leistungsunterschied ent-

scheidend für den Sieg. Der erste Platz in einem Wettbewerb

kann viel Geld, Ruhm und Anerkennung bedeuten. Und schon

der zweite Platz gerät nach kurzer Zeit in Vergessenheit. Ein

geringer Mobilitätsunterschied ist entscheidend! Es liegt des-

halb nahe, dass ein (seriöser) Sportler, der viele Jahre hart auf

einen wichtigen Sieg hin trainiert, alle (legalen) Möglichkeiten

kalkuliert, wie er seine Leistung optimieren kann. Er wird sein

Training möglichst effektiv ausrichten und außerdem auf seine

Ernährung achten. (Die unerlaubte Leistungssteigerung durch

Doping ist Thema eines weiteren Beitrages der Autoren in die-

ser Zeitschrift.)

Mobilitätssteigerung durch Ernährung

Die Nahrung sollte so gestaltet sein, dass sie die Nähr-stoffe, die in der jeweiligen Sportart besonders benötigt werden, in möglichst großem Maße zur Verfügung stellt.

Darum unterscheidet sich die Nahrung der Athleten je nach Sportart. So benötigt z. B. ein Bodybuilder viel Eiweiß, um seine Muskeln aufzubauen, und ein Aus-dauerläufer viele Kohlenhydrate. Diese sind nämlich die Energielieferanten, die der Körper besonders bei Langzeitbelastungen braucht.

Woher kommt die Energie für den Sport? –

Aerobe und anaerobe Energiebereitstellung

Zur Energiegewinnung verwendet der menschliche Organismus direkt oder indirekt hauptsächlich das Kohlenhydrat Glucose. Dass in diesem Molekül En-ergie steckt, kann qualitativ eindrucksvoll vorgeführt werden: Man muss nur eine Mikrospatelspitze des Stoffes in eine Kaliumchlorat-Schmelze werfen, wo-rauf er in einem mächtigen Feuer verbrennt (Versuch 1: Zuckerverbrennung in einer Kaliumchlorat-Schmelze). Im menschlichen Körper findet die Oxidation stufen-weise statt (so genannte stille Verbrennung), und zwar auf zwei verschiedene Weisen1:

Anaerobe Glykolyse:

C6H12O6 + 2 ADP + 2 P 2 Lactat + 2 H+ + 2 H2O + 2

ATP

Aerober Glucosestoffwechsel:

C6H12O6 + 38 ADP + 38 P + 6 O2 6 CO2 + 44 H2O + 38

ATP

Der anaerobe Weg ist schnell, liefert aber nur zwei Äquivalente des Energieträgers Adenosintriphosphat. Der aerobe Weg ist viel langsamer, aber in Hinblick auf die ATP-Ausbeute 19-mal wirkungsvoller als der anaerobe.

Um ATP als Energielieferant zu verstehen, sind die Zahlenwerte für die freien Enthalpien der stufenwei-se Hydrolyse dieses Moleküls hilfreich2: Die Reaktion

1 D. Voet, J. G. Voet: Biochemie. VCH, Weinheim 1992, S. 557

2 P. Markworth: Sportmedizin. Physiologische Grundlagen. rororo, Reinbeck 2000, S. 289-299

Volker Wiskamp, Martin Holfeld

Biochemie und Energie- bereitstellung im Körper

Bildunterschrift

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11DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Abb. 1: Zeitlicher Verlauf der Energie-bereitstellung bei sportlicher Aktivität. Nach: P. Markworth: Sportmedizin. Phy-siologische Grundla-gen. rororo, Reinbeck 2000, S. 256

von Adenosintriphoshat mit Wasser zu Adeno-sindiphosphat und Phosphat liefert –30,5 kJ/mol, die von Adenosintriphosphat mit Wasser zu Adenosinmonophosphat und Diphosphat –32,5 kJ/mol. Diphosphat hydrolysiert weiter zu zwei Molekülen Phosphat, verbunden mit einer freien Enthalpie von –33,5 kJ/mol. Es können also insgesamt zwei sehr energiereiche Phosphorsäureanhydrid-Bindungen konsu-miert werden. Die viel weniger exergonische Hydrolyse der ortho-glykosidischen P-O-C-Einheit im Adenosinmonophosphat zu Ade-nosin und Phosphat (ca. –9 kJ/mol) spielt bei der Energieversorgung der Muskeln praktisch keine Rolle.

Wenn man einen Löffel des Säureanhydrids Phopshor(V)-oxid in ein Becherglas mit Wasser gibt, bildet sich unter heftigem Zischen und Erwärmen Phosphorsäure – ein geeignetes Experiment (Versuch 2: Hydrolyse von Phosphor(V)-oxid), um Schülern ergänzend die Energie zu verdeutlichen, die in dem P-O-P-Strukturelement steckt.

Bei Schnellkraftsportarten (Speerwurf, Weitsprung, Sprints etc.) muss die ATP-Bereitstellung rasch ge-schehen. Der ATP-Nachschub erfolgt deshalb fast

ausschließlich anaerob, wobei als Abbauprodukt der Glucose u. a. Milchsäure entsteht. Die damit verbun-dene Senkung des pH-Wertes bewirkt, dass der Mus-kel steifer und weniger leistungsfähig wird. (Eine wei-tere Ursache für den Muskelkater sind kleinste Ver-letzungen auf der Zellebene der elastischen bindege-webigen Muskelbestandteile3.)

3 D. Voet, J. G. Voet, C. W. Pratt: Fundamentals of Biochemistry. Wiley, New York 1999, S. 362

INFO-BOX

V e r suc h 1

Zucker-Verbrennung in einer Kaliumchlorat-Schmelze

Geräte

Stativ, schwer schmelzbares großes (200 x 30 mm)

Reagenzglas

Chemikalien

Kaliumchlorat (O, brandfördernd), Würfelzucker

Sicherheitshinweis

Der Versuch muss hinter einer Schutz-

scheibe unter dem Abzug oder im Freien

durchgeführt werden.

Durchführung

1-2 g Kaliumchlorat werden im Reagenzglas über dem

Brenner geschmolzen. In die Schmelze wirft man ein

kleines (!) Stück Würfelzucker.

Vorsicht: Bei der Reaktion kann Kaliumchlorat von dem

entstehenden Kohlendioxid und Wasser mitgerissen und

aus dem Reagenzglas geschleudert werden.

Beobachtung

Das Gummibärchen verbrennt unter intensivem Auf-

glühen, „tanzt“ auf der Salzschmelze und erzeugt ein

pfeifendes Geräusch.

INFO-BOX

V e r suc h 2

Hydrolyse von Phosphor(V)-oxid

Geräte

Becherglas (500 ml, hohe Form), Spatel, Glasstab,

Thermometer

Chemikalien

Phosphor(V)-oxid (C, ätzend), Universalindikator-Lösung

Durchführung

Ein Becherglas wird etwa zu einem Viertel mit Leitungs-

wasser gefüllt, dem tropfenweise Universalindikator bis

zur kräftigen Färbung zugesetzt wird.

Die Temperatur wird gemessen. Anschließend wird eine

reichliche Spatelspitze Phosphor(V)-oxid zugeben. Nach

dem Abklingen der Reaktion wird mit dem Glasstab um-

gerührt und erneut die Temperatur gemessen.

Beobachtung

Bei Zugabe von ca. 3 g Phosphor(V)-oxid zu 120 ml

Wasser erhitzt sich die Lösung erkennbar (T(vorher) =

21°C; T(nachher) = 26°C). Der aufsteigende Wasserdampf

reißt Phosphor(V)-oxid mit. Verbunden mit einem

zischenden Geräusch bildet sich weißer Rauch. Der

Universalindikator wird rot.

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12DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

In der Erholungsphase nach einer solchen kurzen, aber anstrengenden physischen Leistung atmet der Athlet noch einige Zeit heftig. Der auf diese Art zusätzlich aufgenommene Sauerstoff wird für die Oxidation an-derer Zellbrennstoffe verwendet, wobei ATP gebildet wird. Dieses wiederum wird dazu genutzt, um aus Lak-tat Glucose zurückzubilden und daraus – durch Poly-kondensation – Glykogen, so genannte menschliche Stärke, als Energiespeicher aufzubauen4.

Mit zunehmendem Ausdauercharakter einer Sport-art spielt die anaerobe ATP-Produktion eine geringere und der aerobe Glucosestoffwechsel eine größere Rol-le (s. Abb. 1).

Der Laktat-Wert als Indikator für

Leistungsfähigkeit

Der Laktat-Wert im Blut beträgt im Ruhezustand ca. 1 mmol/l. Bei einem Mittelstreckenlauf kann er bis auf 20 mmol/l, bei einem Dauerlauf bis auf 6 mmol/l ansteigen5. Durch Training kann die aerobe Energie-versorgung verbessert werden6. Die anaerobe ATP-Produktion verliert nun an Bedeutung, und Muskel-kater tritt wegen ausbleibender oder zumindest stark verminderter Milchsäurebildung nicht mehr auf.

4 A. L. Lehninger: Prinzipien der Biochemie. De Gruyter, Berlin 1987, S. 423-424, 761-762

5 A. Marder, H. Liesen, H. Heck, H. Philipi, R. Rost, P. Schürch, W. Hollmann: Zur Beurteilung der sportartspezifischen Ausdauerleistungsfähigkeit im Labor. Sportarzt und Sportmedizin 27 (1976), S. 80-88, 109-112

6 J. Weineck: Optimales Training. Spitta Verlag, Erlangen 2000, 11. Auflage, S. 196-207

In der Sportmedizin gilt der Laktat-Wert als ein pro-bates Mittel, um die Leistungsfähigkeit bzw. den Grad der Auslastung eines Sportlers einschätzen zu können: Eine Laktat-Konzentration von 6-8 mmol/l am Ende einer sportlichen Belastung weist darauf hin, dass der Sportler nicht ausgelastet war. Eine mittlere Belastung liegt bei einem Laktat-Spiegel von 8-12 mmol/l7. Mit Hilfe von Teststäbchen können die Schüler versuchs-weise auch ihre eigenen Laktat-Werte messen.Einen Wert zur Beurteilung der aeroben Ausdauer stellt die so genannte anaerobe Schwelle dar8. Darunter ver-steht man den Zeitpunkt, an dem der Körper von der aeroben auf die anaerobe Energiebereitstellung um-schaltet. (Wenn ein Athlet vor Anstrengung sprich-

7 A. Marder, H. Liesen, H. Heck, H. Philipi, R. Rost, P. Schürch, W. Hollmann: Zur Beurteilung der sportartspezifischen Ausdauerleistungsfähigkeit im Labor. Sportarzt und Sportmedizin 27 (1976), S. 80-88, 109-112

8 P. G. J. M. Janssen: Ausdauertraining – Trainingsteuerung über die Herzfre-quenz. Spitta Verlag, Ballingen 1996

INFO-BOX

V e r suc h 4

Quantitative Laktat-Bestimmung mit Teststäbchen

Geräte

Laktat-Messgerät Accusport® von Roche Diagnostics

(kann in der Apotheke ausgeliehen werden), Softclix Pro

Lanzetten®

Anmerkung

Die Durchführung des Tests darf nur in Gegenwart eines

Arztes, z. B. des Schularztes, erfolgen und erfordert das

schriftliche Einverständnis der Erziehungsberechtigten

bzw. der volljährigen Schüler. Es ist ratsam, den Schü-

lern das Messgerät und die Lanzetten zu Beginn der

Unterrichtsstunde vorzuführen, um Ängste vor der Blu-

tentnahme und einer Infektion abzubauen.

Durchführung

Die Messung verläuft ähnlich wie die des Blutzuckers

von Diabetikern: Ein Tropfen Blut wird auf ein Mess-

stäbchen getropft und dieses anschließend in das Mess-

gerät geschoben. Nach einer Minute zeigt das Gerät den

Laktat-Wert in mmol/l an.

Hinweis

Die Nadel ist so konstruiert, dass nach jedem Stich eine

neue Nadel eingesetzt werden muss. Das Wechseln der

Nadel ist unproblematisch, weil sie vor und nach der

Funktion von einem Plastikmantel umgeben ist, sodass

man sich nicht ungewollt stechen kann. Es ist ratsam,

die verbrauchten Nadeln in einer leeren Dose zu sam-

meln. Sie kann anschließend verschlossen und im Müll

entsorgt werden.

INFO-BOX

V e r suc h 3

Qualitativer Laktat-Nachweis als Eisenlaktat

Geräte

Reagenzgläser

Chemikalien

Eisen(III)-chlorid-Lösung (w = 10 %; Xn, gesundheitsschäd-

lich), Milchsäure (w = 90 %; C, ätzend), dest. Wasser

Durchführung

Zwei Tropfen Eisen(III)-chlorid-Lösung werden in ein Rea-

genzglas gegeben und solange mit Wasser verdünnt, bis

kaum noch eine Gelbfärbung zu erkennen ist. Die Lösung

wird auf zwei Reagenzgläser verteilt, die dann vor einen

weißen Hintergrund gestellt werden. Abschließend wer-

den in das eine Glas 2-3 Tropfen Milchsäure gegeben.

Beobachtung

Eine zeisiggrüne Färbung (Bildung eines Eisen(III)-Laktat-

Komplexes) tritt auf.

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13DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

wörtlich keine Luft mehr bekommt, muss sein Körper auf die anaerobe Energieversorgung zurückgreifen.) Er wird ermittelt, indem die körperliche Belastung, z. B. die Laufgeschwindigkeit, gleichmäßig gesteigert und in kurzen Zeitabständen die Laktat-Werte gemessen und gegen die Belastung aufgetragen werden.

Ergänzend zu diesem Thema können die Schüler im Reagenzglas den qualitativen Laktat-Nachweis als zeisiggrünes Eisenlaktat erproben (Versuch 3: Quali-tativer Laktat-Nachweis als Eisenlaktat)9.

Milchsäure-Acidose – der Blutpuffer erhält die

Mobilität

Die beim anaeroben Stoffwechsel gebildete Milchsäu-re kann eine pH-Wert-Senkung des Blutes bewirken, bei starker körperlicher Anstrengung sogar bis unter 6,9 (metabolische Acidose). (Der Soll-pH-Wert des Blutes wird meist mit 7,4 angegeben; Schwankungen

9 L. Hallmann: Klinische Chemie. VEB-Verlag G. Thieme, Leipzig 1960, S. 82-83

zwischen 7,38 und 7,42 gelten als unbedenklich10.) Damit eine pH-Änderung nicht lebensbedrohlich wird, enthält das Blut Puffer, u. a. das System Kohlensäure/Hydrogencarbonat, das den Schülern aus dem Mittel-stufenunterricht bekannt sein sollte11.

CO2(g) + 2 H2O CO2(aq) + 2 H2O H2CO3 + 2 H2O

HCO3 H3O+

Die Wasserstoffionen der Milchsäure werden zunächst durch die Pufferbase (Hydrogencarbonat) abgefan-gen. Dabei sinkt deren Konzentration, während die der korrespondierenden Puffersäure (Kohlensäure) im venösen Blut steigt. Nach der Hasselbalch-Hen-derson-Gleichung

pH = 6,1 + log (HCO3--Konzentration : CO2-Partialdruck)

müsste dann der pH-Wert sinken. Um dies zu vermei-den, reagiert der menschliche Körper mit einer Steige-rung des Atemzeitvolumens. Der Sprinter „bekommt kaum Luft“, sodass vermehrt Kohlenstoffdioxid über die Lunge abtransportiert und auf diese Weise dem chemischen Gleichgewicht entzogen wird, bis das ursprüngliche Verhältnis von Pufferbase und -säure wiederhergestellt ist (respiratorische Kompensation).

Diese Zusammenhänge lassen sich in einem Mo-dellversuch (Versuch 5: Modellversuch zur respirato-rischen Kompensation einer metabolischen Acidose) nachvollziehen12: Ein Modell-Blutpuffer wird herge-stellt, indem eine Natriumhydrogencarbonat-Lösung mit Salzsäure auf pH 7,4 eingestellt wird. Zur Model-lierung einer metabolischen Acidose wird dieser Puf-ferlösung Milchsäure zugesetzt, worauf sich der pH-Wert etwas ins Saure verschiebt (7,2). Zur Modellie-rung der respiratorischen Kompensation der Acidose wird kräftig gerührt, sodass Kohlenstoff(IV)-oxid ent-weicht und der pH-Wert wieder seinen ursprünglichen Wert annimmt.

Durch die respiratorische Kompensation wird der Säuregehalt im Blut abgepuffert. Schon Blut-pH-Ände-rungen von 0,2 wirken stark leistungshemmend auf die Muskulatur. Ein trainierter Sportler hat einen hohen Puffergehalt im Blut. So kann er seine Mobilität bei länger andauernder körperlicher Belastung erhalten. n

Ü b e r d i e A u t o r e n

Volker WiskampMartin Holfeld((Freiraum lassen, wird in der Korrektur ergänzt))

10 H. Aebi: Einführung in die praktische Biochemie. Karger Verlag, Basel 1965, S. 264-265

11 Vgl. W. Asselborn, M. Jäckel, K. T. Risch (Hrsg.): Chemie heute – Sek. II. Schroedel, Hannover 2003, S. 125-126

12 M. Holfeld, V. Wiskamp, H. Gebelein: Chemie und Sport. Praxisschriftenreihe Chemie. Aulis Verlag Deubner, Köln 2005, S. 24-25

INFO-BOX

V e r suc h 5

Modellversuch zur respiratorischen Kompensation einer metabolischen Acidose

Geräte

Magnetrührer, Rührfisch, 2 Bechergläser (250 ml),

pH-Messgerät

Chemikalien

Natriumhydrogencarbonat, Milchsäure (w = 1 %),

Salzsäure (c = 0,1mol/l; C, ätzend)

Durchführung

2,5 g Natriumhydrogencarbonat werden in einem

Becherglas in 100 ml Wasser gelöst. Der pH-Wert der

Lösung wird mit einem pH-Meter ermittelt. (gemessener

Wert: pH = 8,2). Ein Modell-Blutpuffer (Hydrogencarbo-

nat/Kohlensäure) wird hergestellt, indem zu der magne-

tisch leicht gerührten Lösung 18 ml 0,1 mol/l Salzsäure

und danach tropfenweise weitere Säure gegeben wer-

den, bis der pH-Wert 7,4 beträgt.

Zur Modellierung einer metabolischen Acidose werden

dieser Pufferlösung 10 ml Milchsäure zugesetzt, und

der pH-Wert der Reaktionsmischung wird gemessen.

(gemessener Wert: pH = 7,2).

Zu Modellierung der respiratorischen Kompensation

der Acidose wird 1-2 Minuten kräftig gerührt, wobei

Gasblasen (CO2) ausgetrieben werden. Danach wird der

pH-Wert erneut gemessen. (Gemessener Wert: Nach 2,5

Minuten ist der pH-Wert auf 7,4 gestiegen. Bei längerem

Umrühren steigt er bis auf 7,6.)

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14DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Volker Wiskamp, Martin Holfeld

Noch mehr aus dem Körper herausholen?Erlaubte und verbotene Methoden

Fast tägliche Berichte in den Medien belegen, dass die Ent-

wicklung im Doping unaufhaltsam voranschreitet. Insbesonde-

re die neue gentechnologische Darstellung von EPO zeigt, wie

schnell neue – unerlaubte – Präparate entwickelt werden. Die

Dopingfahnder hinken den Dopingsündern immer einen Schritt

hinterher. Horrorszenarien, dass Sportler nach ihren Eigen-

schaften gezüchtet werden, sind sicher nicht real. Genetisch

hergestellte Substanzen, die eine Funktion beim Muskelaufbau

oder Sauerstofftransport im Körper haben, sind aber bereits

Realität.

Im Schulunterricht kann und sollte das Thema Do-ping unter verschiedenen Gesichtspunkten ange-sprochen werden. Fragen wie „Ist Doping fair?“ oder „Sollte man Doping legalisieren?“ bieten ei-ne mögliche Diskussionsgrundlage. Provozieren-

de Thesen wie „Ein Dachdecker hat einen gefährlichen Job; bei einem Profisportler gehören Gesundheitsri-siken eben auch dazu“ können ein Gespräch beleben. Natürlich muss man die Schüler darauf hinweisen, in welchem Alter ein Spitzensportler mit dem Training beginnt, dass er da meistens gar nicht in der Lage ist, potenzielle Gesundheitsgefahren abzuschätzen, und dass viele Sportler ohne ihr Wissen von übertrieben ehrgeizigen Trainern gedopt werden. Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Frage, ob ein er-krankter Sportler durch Einnahme von Medikamen-ten ungewollt gedopt werden kann. Ist Kaffee-Trinken Doping? Oder die Einnahme der Partydroge Ecstasy? Wo ist die Grenze zwischen sinnvoller, leistungsstei-gernder Ernährung und illegalem Doping?

Chemie, Sport und Ethik fächerübergreifend zu un-terrichten, ist eine lohnende Aufgabe, die von jungen Menschen erfahrungsgemäß gerne angenommen wird.1

Sportgetränke – damit die Mobilität länger

erhalten bleibt

Gerade im Ausdauersport muss verbrauchte Energie ständig erneuert werden. Als Quelle eignet sich vor allem Glucose. Sie ist gut wasserlöslich und kann als

1 M. Holfeld, V. Wiskamp, H. Gebelein: Chemie und Sport. Praxisschriftenreihe Chemie. Aulis Verlag Deubner, Köln 2005, S. 24f.

Inhaltsstoff von Sportgetränken schnell vom Athleten aufgenommen werden. Im Körper geht das Kohlen-hydrat rasch ins Blut über und kann überall dort, wo Energie benötigt wird, umgesetzt werden.

Glucose in einem Sportdrink kann im Schulunter-richt durch einen Blue-Bottle-Versuch sowie durch die Fehling- oder Tollens-Reaktion nachgewiesen werden

Ist Mobilitätssteigerung durch Supplementierung

bereits Doping?

In der Sportmedizin wird zwischen Nahrungssub- stitution und -supplementierung unterschieden:

• Substitution ist der Ersatz von für den Körper unbedingt notwendigen Substanzen, die für den Energie- und Baustoffwechsel benötigt werden und vom Organismus nicht selbst synthetisiert werden können.

• Bei der Supplementierung wird bewusst eine Überkonzentration einer Substanz, die leistungssteigernd wirken soll, im Körper aufgebaut.2

Viele nationale und internationale Verbände entwi-ckelten Doping-Definitionen, die einen Missbrauch verhindern sollten, so der Europarat 19633: „Doping ist die Verabreichung oder der Gebrauch körperfremder Substanzen in jeder Form und physiologischer Sub-stanzen in abnormaler Form oder auf abnormalem Weg an gesunde Personen mit dem Ziel der künstlichen und unfairen Steigerung der Leistung für den Wettkampf. Außerdem müssen verschiedene physiologische Maß-nahmen zur Leistungssteigerung des Sportlers als Do-ping angesehen werden.“ Diese Definition hatte zwar hohe moralische und ethische Ansprüche, war aber praktisch nicht umzusetzen, weil es keine geeigneten Kontrollmechanismen für die Einhaltung der gefor-derten Normen gab. Die Begriffe „unfair“, „abnorma-ler Weg“ usw. sind kaum definierbar.

2 H. Heck, H. Schulz: Ergogene Hilfen – Doping oder Substitution, problema-tisiert am Beispiel der Kreatin-Supplementation. In: D. Kurz, J. Mester (Hg.): Doping im Sport. Strauß-Verlag, Köln 1997

3 M. Donike, S. Rauth: Doping. Strauß-Verlag, Köln 1996

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Als Folge der vielen ungeklärten Fragen, welche die De-finition des Europarates ergab, stellte das Olympische Komitee 1996 eine weitere Doping-Definition auf, die konkret erlaubte und nicht erlaubte Wirkstoffgruppen nennt, aber nicht auf Gründe für ein Doping-Verbot eingeht: „Doping ist die Verwendung von Substanzen aus den verbotenen Wirkstoffgruppen (Stimulantien, Narkotika, anabole Wirkstoffe, Diuretika, Peptide und peptidanaloge Verbindungen) und die Anwendung verbotener Methoden (pharmakologische, chemische und physikalische Manipulationen, z. B. Blutdoping).“

Die World Anti Doping Agency (WADA) hat 2004 eine international anerkannte Dopingliste veröffent-licht. Hier werden verbotene Substanzen und verbo-tene Methoden genannt. Außerdem wird auch eine Unterscheidung für spezielle Sportarten und eine Differenzierung zwischen Training und Wettkampf vorgenommen (Reglement der WADA)4.

Der Einsatz von Kreatin: Doping oder

Supplementierung?

Der Unterschied, wann es sich um Doping und wann um Nahrungsmittelergänzung handelt, ist nicht immer

4 www.wada-ama.org/en/ – Homepage der World Anti Doping Agency (WADA)

exakt definiert, was am Beispiel des Einsatzes von Kreatin verdeutlicht werden kann. Adenosintriphos-pat (ATP) ist der unmittelbare Energielieferant für die Muskelkontraktion, wenn es zu Adenosindiphosphat (ADP) und Phosphat (P) hydrolysiert wird:

ATP ADP + P + Energie

Der Körper hat allerdings nur wenig ATP gespeichert. Der Vorrat würde bei sportlicher Belastung nur weni-ge Sekunden ausreichen. Deshalb muss immer wieder ATP nachgebildet werden. Dies geschieht, indem eine andere energiereiche Verbindung, das Kreatinphos-phat (KP), seinen Phosphatrest mit Hilfe des Enzyms Kreatin-Kinase auf ADP überträgt:

KP + ADP K + ATP

(Während einer Erholungsphase wird Kreatinphosphat auf Kosten von ATP resynthetisiert.) Doch auch das Kreatinphosphat ist nur in geringen Mengen im Körper vorhanden und kann deshalb ebenfalls nur einige Se-kunden ATP nachliefern. Für sportliche Belastungen, die länger dauern, muss der Körper die notwendige Energie durch Verbrennen der Nahrung erzeugen.

INFO-BOX

V e r suc h 1

Glucose-Nachweise in Sportgetränken

Kreatin-Kinase

Geräte

Reagenzgläser, Reagenzglasklammer,

Brenner, Messkolben (1000 ml), Waage,

Bechergläser (400 ml)

Chemikalien

Fehling I-Lösung (7 g Kupfersulfat-Penta-

hydrat in 100 ml Wasser lösen), Fehling

II-Lösung (35 g Kaliumtartrat und 10 g

Natriumhydroxid (C, ätzend) in 100 ml

Wasser lösen), Silbernitrat-Lösung (c = 0,1

mol/l), Natronlauge (w = 10 %; C, ätzend),

Ammoniak-Lösung (w = 10 %; Xi, reizend),

Methylenblau-Lösung (w = 1 %), dest. Was-

ser, Sportgetränk Isostar® oder Zell-Tech®

Durchführung

a) Fehling-Probe

Ein Gemisch aus je 5 ml Fehling I- und

Fehling II-Lösung wird mit 1 ml des Sport-

getränks in der angegebenen Konzentration

über dem Bunsenbrenner erhitzt (Vorsicht:

Gefahr von Siedeverzügen!), wobei rotes

Kupfer(I)-oxid ausfällt.

b) Tollens-Probe

In einem Reagenzglas werden etwa 5 ml

Silbernitrat-Lösung zu 0,5 ml Natronlauge

gegeben und dann so lange mit Ammoniak-

Lösung versetzt, bis sich der zunächst gebil-

dete Niederschlag gerade wieder aufgelöst

hat. Zu dieser Lösung gibt man etwa 1 ml

Sportgetränk. Beim Erhitzen bildet sich ein

Silberspiegel.

Sicherheitshinweis

Bei Schülerversuchen

sollte nur im Wasserbad

und nicht direkt mit dem

Brenner erhitzt werden.

c) Als „Blue Bottle”

10 g Sportgetränk werden in 150 ml Wasser

gelöst. Zu dieser Lösung wird eine Lösung

von 10 g Natriumhydroxid in 150 ml Wasser

mit 1 ml Methylenblau-Lösung gegeben. Bei-

de Lösungen werden in einen 1-l-Messkolben

gefüllt, der verschlossen wird. Das Gefäß

wird ruhig stehen gelassen, bis sich die Lö-

sung entfärbt hat. Danach wird der Kolben

geschüttelt und die Lösung wird blau. Nach

dem Stehen-lassen entfärbt sich die Lösung

wieder. Es wird erneut geschüttelt etc.

Sachinformation zum Blue-Bottle-Versuch

Methylenblau, ein Phenothiazinfarbstoff, wird

von Reduktionsmitteln (hier Glucose) in eine

farblose Leukoform umgewandelt. Ein Oxi-

dationsmittel (hier der Luftsauerstoff) führt

diese in den blauen Ausgangsstoff zurück:

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16DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Bei deren schrittweiser Zerlegung wird Energie frei, die genutzt wird, um aus dem energiearmen ADP wieder energiereiches ATP herzustellen.

Kreatin ist in letzter Zeit als „legales Dopingmittel“ bekannt geworden. Presseberichte dazu können als Anlass dienen, einen qualitativen Nachweis von Kre-atin in einem Sportgetränk durchzuführen. Dazu wird das Getränk mit Diacetyl- und alkalischer b-Naphthol-Lösung versetzt. Es kommt zu Kondensationsreakti-onen, die zu einer rot gefärbten Verbindung führen (Versuch 2: Kreatin-Nachweis in Sportgetränken).

Bei Kreatin handelt es sich um eine biologische Verbindung der Aminosäuren Arginin, Methionin und Glycin. Je mehr Kreatin vorhanden ist, desto länger kann der Muskel auf hohem Niveau Leistung erbrin-gen, ohne dass Übersäuerung und Leistungsabfall ent-stehen. Wer sich Kreatin in hoher Dosis zuführt, er-höht so die Energiedepots seiner Muskeln. Im Durch-schnitt verfügt ein 70 kg schwerer Mann über 120 g Kreatin, wovon 95% in der Muskulatur enthalten sind. Die Umsatzrate (Ausscheidung über Urin/Aufnahme durch die Nahrung und Eigensynthese) liegt bei 2 g pro Tag, wobei jeweils ca. 1 g über die Nahrung auf-genommen und das andere Gramm in der Bauchspei-cheldrüse produziert wird.

Wie sehr dieser Wert überschritten wird, zeigt eine Untersuchung, nach der der Ringer Alexander Ley-pold während der Olympiade in Sydney täglich über

100 g Kreatin zu sich genommen hat. Ulrich Haas, der Vorsitzende der deutschen Anti-Doping-Kommission, will Kreatin am liebsten auf die Dopingliste setzen las-sen, weil Kreatin in widernatürlich hohen Dosen kon-sumiert werde und daher ein von außen zugeführtes Mittel zur Leistungssteigerung sei. Fakt ist: Der Orga-nismus selbst kann Kreatin herstellen. Außerdem ist es in Fleisch und Fisch enthalten.

Der Wiener Sportmediziner Paul Haber sagt, beim Kreatin handele es sich um einen Nahrungsbestand-teil, den man auch in Mischkost finde, und somit nicht um Chemie oder Pharmazie, sondern um den Versuch der Ernährungswissenschaft, das Beste herauszuho-len. Kurzum, Kreatin sei in Wahrheit völlig harmlos. Wer Kreatin auf die Dopingliste setzen wolle, könne auch gleich ein Verbot von Vitamin B verlangen. Spit-zensportler wie Katja Seizinger, Manfred Nerlinger, Franziska van Almsick oder Marc Blume haben sich unverblümt als Kreatin-Nutzer geoutet. Nach Exper-ten-Einschätzung konsumieren 70-80 Prozent aller Schnellkraftsportler Kreatin. Und auch unter ambi-tionierten Freizeitsportlern boomt Kreatin gewaltig. Offen bleibt die Frage: Doping oder nicht?5

Anabole Steroide – Doping zum Muskelaufbau

Anabole Wirkstoffe – kurz Anabolika – sind künstlich hergestellte Hormone. Sie leiten sich vom männlichen Geschlechtshormon Testosteron (s. Abb. 1) ab.

Beim Testosteron unterscheidet man eine androgene (die männlichen Geschlechtsmerkmale beeinflussen-de) und eine anabole (muskelaufbauende) Wirkung. Bei der Herstellung synthetischer Anabolika will man bevorzugt die anabole Wirkung auszunutzen, die an-drogene ist aber weiterhin vorhanden und kann fol-gende Nebenwirkungen hervorrufen:

• Allgemeine Nebenwirkungen: Ausbildung von Akne und Wassereinlagerungen im Gewebe.

• Schädigung des Herzkreislaufsystems: Unter Anabolika-Anwendung wird die Konzentrati-on der HDL-Fetteiweiße im Blutplasma ernied-rigt und gleichzeitig die der LDL-Fetteiweiße erhöht. Damit erhöht sich auch der Quotient LDL/HDL, was als Risikofaktor zu sehen ist.

5 www.sportunterricht.de/lksport/kreatin.html

INFO-BOX

V e r suc h 2

Kreatin-Nachweis in Sportgetränken

Geräte

Großes Reagenzglas, Stopfen

Chemikalien

5 g Butan-2,3-dion, b-Naphthol (Xn, gesundheits-

schädlich), Natronlauge (w = 3 %; C, ätzend), Zell-Tech®

Durchführung

Eine Zell-Tech®-Lösung wird im Reagenzglas mit 0,5 g

Diacetyl-Lösung (0,5 g Butan-2,3-dion in 1 l dest. Was-

ser) und 1 ml alkalischer b-Naphthol-Lösung (1 g in 100

ml 3%iger Natronlauge) versetzt. Der Ansatz wird um-

geschüttelt und dann 10 Minuten stehen gelassen.

Beobachtung

Durch Kondensationsreaktionen entsteht eine rot

gefärbte Verbindung.

Hinweis

Die Zell-Tech-Lösung ist leicht gelb gefärbt. Sie kann

durch Schütteln mit Aktivkohle und anschließender

Filtration entfärbt werden.

Abb. 1: Strukturformeln von Testosteron, Epitestosteron und Dehydroepiandrosteron

O

CH3

CH3OH

O

CH3

CH3OH

OH

CH3

CH3O

Testosteron Epitestosteron Dehydroepiandrosteron

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17DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

• Herzhypertrophie und Kapillarisierung:

Bei Hypertrophie der Herzmuskelzelle fehlt die notwendige Kapillarisierung, wodurch es zu einem Sauerstoffmangel und zu Schädigungen kommt.

• Leberschäden: Anabolika über eine längere Zeit genommen, können zu irreversiblen Leberschäden führen. Besonders die an Posi-tion C-17 methylierten Steroide wie Stanazol sind gefährlich. Deshalb wird dieser Stoff heute so gut wie nicht mehr verwendet.

• Vermännlichung bei Frauen: Alle Anabolika verursachen bei Frauen eine Zunahme der Körperbehaarung, eine Veränderung der Stim-me, Störungen des Menstruationszyklus und eine irreversible Klitorishypertrophie.

• Verweiblichung beim Mann: Dies können eine abnormale Brustvergrößerung oder Abnahme der Potenz bis zur Impotenz sein.

• Allgemeine Gefahren durch Schwarzmarkt-

präparate: Neben der Beschaffungskriminalität sind hier die Infektionsgefahr bei der Verwen-dung von nicht sterilen Spritzen und das Risiko der falschen Dosierung zu nennen.

Nach diesen Erläuterungen sind sich die Schüler so-wohl der kriminellen Einstellung der gedopten Sport-ler (falsche Idole), deren Betreuern und der Doping-mittel-Hersteller als auch der Tatsache bewusst, dass Doping hochgradig gesundheitsschädlich ist.Der Nachweis von Steroid-Hormonen erfolgt – ggf. nach Derivatisierung mit Trimethylchlorsilan – über Gaschromatographie in Kombination mit Massen-spektroskopie.

Um zu unterscheiden, ob es sich z. B. um körper-eigenes Testosteron oder solches aus Dopingmitteln handelt, bestimmt man in präparierten Blutproben gaschromatographisch das Verhältnis von Testosteron und Epitestosteron (s. Abb. 1), einem Stereoisomeren des Testosterons. Normalerweise ist der T/E-Quotient recht konstant. Liegt er über 6, so wurde vermutlich gedopt (s. Abb. 2). Diese Diskussion überzeugt die Schüler von der Leistungsfähigkeit der modernen in-strumentellen analytischen Chemie.

Das „Doping-Sünder“-Suchspiel

Früher wurden 17-Ketosteroide im Urin mit 1,3-Dini-trobenzol und Kalilauge qualitativ nachgewiesen (Me-thode nach Zimmermann; s. Abb. 3): Diese Methode eignet sich für ein lustiges Doping-Sünder-Suchspiel

INFO-BOX

V e r suc h 3

„Dopingsünder“-Suchspiel

Geräte

Reagenzgläser, Reagenzglasständer

Chemikalien

Dehydroepiandrosteron- oder Aceton-Lösung (50 mg in

100 ml Ethanol; F, leichtentzündlich), 1,3-Dinitrobenzol-

Lösung (2 g 1,3-Dinitrobenzol in 100 ml Ethanol),

Kalilauge (c = 3 mol/l; C, ätzend)

Anmerkungen

Da Dehydroepiandrosteron teuer ist und nur mit einer

Eigenverbleiberklärung erhältlich ist, kann man eine

andere C-H-acide Verbindung, z. B. Aceton oder Diacetyl

(Butan-2,3-dion) verwenden. Um die Urinproben zu mo-

dellieren, empfiehlt sich die Anfärbung der Proben mit

verdünnter Eisen(III)-chlorid-Lösung.

Durchführung

In verschiedene Reagenzgläser, die mit Wasser oder

einem „Modell-Urin“ gefüllt sind, werden nacheinander 1

ml Dinitrobenzol-Lösung und 1 ml Kalilauge gegeben. An-

schließend wird alles gut gemischt und 15 Minuten, vom

Tageslicht abgeschirmt, stehen gelassen. Die Lösungen,

die Dehydroepiandrosteron oder ein anderes 17-Ketoste-

roid (oder Aceton) enthalten, verfärben sich rotviolett.

Abb. 2: Gaschroma-togramme von Blut-proben eines nicht-gedopten (A) und eines gedopten (B) Sportlers. Nach: Institut für Bio-chemie der Deutschen Sporthochschule Köln

Schüler beim „Doping-Sünder“-Spiel

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18DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

(Versuch 3). Jeder Schüler gibt einen Modell-Urin ab. Dieser enthält – bis auf einen Fall – 96%igen Ethanol. Lediglich der Modell-Urin des „Dopingsünders“ bein-haltet zusätzlich 0,05% des Steroids Dehydroepiandro-steron (s. Abb. 1). Jede Probe wird mit Dinitrobenzol und Kalilauge versetzt, gemischt und 15 Minuten im Dunkeln stehen gelassen. Dann ist der „Übeltäter“, dessen Probe sich verfärbt hat, erwischt.6

Struktur und Eigenschaften von Steroiden

Für das Verständnis der chemischen Struktur und der Eigenschaften von Steroiden ist es förderlich, dass die Schüler mit einem Molekülbaukasten zunächst Gonan (s. Abb. 5), den Grundbaustein der Steroide, basteln und mit dem Modell des Cyclohexans ver-gleichen.7 Während Cyclohexan von der Sessel- in die Wannenkonformation umklappen kann und um-gekehrt, sind die verzahnten Ringe des Gonans nur bedingt beweglich.

Wenn die Jugendlichen anschließend ein Cholsäure-Modell bauen (s. Abb. 5), erkennen sie, dass die po-laren OH-Gruppen und die Carboxyl-Gruppe auf einer Seite des Moleküls stehen und diesem amphiphilen Charakter und damit Tensid-Eigenschaften verleihen: Cholsäure ist eine Gallensäure, die Fett und Wasser im Verdauungstrakt miteinander kompatibel macht.

Am Modell des Cholesterins (s. Abb. 5) erkennen die Schüler ebenfalls einen polaren und einen unpolaren Molekülteil. Die Bedeutung des Cholesterins für den Aufbau vieler Zellmembrane (Einlagerung zwischen die Phospholipide) wird ihnen verständlich, denn dort wird das Cholesterin zwischen den Phospholipiden eingelagert und erhöht so die Stabilität der Membran.

Stimulanzien – wie man „alles aus dem

Körper herausholt“

Am häufigsten wird – wie gesagt – mit anabolen Wirk-stoffen (Steroide) gedopt, am zweithäufigsten mit so genannten Stimulanzien. Das sind Substanzen, welche

6 Hinweis: Da Ketosteroide teuer und nur mit Endverbleiberklärung im Chemi-kalienhandel erhältlich sind, kann das „Spiel“ auch mit Aceton durchgeführt werden, das ebenfalls ein C-H-azides Keton ist und entsprechend reagiert. Der Reaktionsmechanismus sollte allerdings am Beispiel des Ketosteroids diskutiert werden.

7 M. Holfeld, V. Wiskamp, H. Gebelein: Chemie und Sport. Praxisschriftenreihe Chemie. Aulis Verlag Deubner, Köln 2005, S. 24f.

die natürliche Ermüdung unterdrücken, sodass man bereit ist, sich auf übergroße Anstrengungen einzulas-sen. Dies ist recht gefährlich, da es einen Zusammen-bruch zur Folge haben kann.

Zu den stark wirkenden Stimulanzien gehören u. a. das Amphetamin und das Ephedrin sowie ihre Derivate, die vor allem bei Radrennfahrern als Do-pingmittel sehr „beliebt“ sind8. Die drei Verbindungen sind mit dem körpereigenen Hormon Adrenalin struk-turverwandt, das den Sympathikus erregt und auf den Kohlenhydratstoffwechsel steigernd wirkt („Stresshor-mon“). Alle Substanzen enthalten einen aromatischen Kern mit einem Alkylamin-Substituenten (s. Abb. 6).

Ecstasy – eine Partydroge

Die strukturellen Ähnlichkeiten von körpereigenen Stoffen und Dopingsubstanzen sowie die damit ver-bundenen ähnlichen Wirkungsweisen zu betonen, ist eine lohnende Aufgabe im Chemieunterricht. Mühelos kann man die Partydroge Ecstasy in die Besprechung mit einschließen, denn auch diese Verbindung weist Strukturelemente wie die in der Abbildung 6 gezeigten Moleküle auf (s. Abb. 7).

Ecstasy (3,4-Methylendioxymethamphetamin, abge-kürzt MDMA) ist ein Öl, das mit Salz- oder Schwefel-säure in einen weißen Feststoff (Hydrochlorid, Hemi-sulfat) überführt und in Form von Tabletten, die bei-spielsweise mit Smilies verziert sind, auf den Markt gebracht wird. Es erfreut sich zunehmender Popularität besonders bei Ravern, die die ganze Nacht durchtanzen und sich am nächsten Tag höchstens etwas verkatert fühlen wollen. Die Substanz verstärkt die Ausschüt-tung von Dopamin, einem Stoff, der ein Wohlgefühl vermittelt. Ecstasy-„User“ geben an, dass die Wirkung etwa zwei Stunden anhält. Die aufputschende – sti-mulierende – Wirkung lässt bei wiederholtem Kon-sum nach, sodass eine immer größere Menge zur Er-reichung des Wohlgefühls notwendig wird.

Zunächst ging man davon aus, dass Ecstasy nicht süchtig macht und höchstens leichte Halluzinationen hervorruft. Doch inzwischen ist es erwiesen, dass nach-haltige Gehirnschäden beim Gebrauch von Ecstasy

8 W. Schänzer: Dopinginformationen des Instituts für Biochemie der Deut-schen Sporthochschule Köln, www.doping-info.de

Abb. 6: Strukturformeln von Adrenalin, Amphetamin und Ephedrin

Abb. 7: Strukturformel von Ecstasy

Abb. 5: Nomenklatur der

Steroide Gonan, Cholsäure und

Cholesterin

R1

O

H

HR2

+O2N

NO2 N+

CH2

O2N

O

R1

O-

O-

H

H

H H

H

H

Gonan Cholsäure Cholesterin

H

CH3

H H

CH3

H

OH

OH

OH

COOH

H CH3

CH3

H H

CH3

OH

CH3H

CH3

CH3

OH

OH

C CH2 N CH3

OH

H HCH2 CH NH2

CH3

CH CH NH

CH3OH

CH3

Adrenalin Amphetamin Ephedrin

O

O

CH2 CH NH CH3

CH3

Ecstasy

Abb. 3: Qualitativer Nachweis von 17-

Ketosteroiden

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19DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

INFO-BOX auftreten, weil Nervenzellen absterben und Axone geschädigt werden. Beschwichtigungsversuche, dass auf zwei Millionen konsumierte Tabletten lediglich ein Todesfall kommt9, müssen im Schulunterricht zu-rückgewiesen werden, denn Drogen sind – genau wie Dopingmittel – höchst gefährlich! Neuerdings warnt die Polizei vor einer flüssigen Ecstasy-Form, die in kleinen Plastikflaschen in Diskotheken verschenkt wird. Das flüssige Ecstasy ist hoch konzentriert. Der Konsument fällt schnell ins Koma. Im Rhein-Main-Gebiet gab es schon mehrere Todesfälle.

Nachweis von Ephedrin in einem Erkältungsmittel

Das Erkältungsmittel Wick®-MediNait10 enthält u. a. Ephedrin (als Hemisulfat), nicht um den Kranken zu stimulieren, sondern um seine Bronchien zu weiten und ihm eine bessere Atmung zu ermöglichen. Die Schüler können den Stoff nachweisen (Versuch 4).

Verschnupfte Wettkämpfer sollten vor dem Ge-brauch ephedrinhaltiger Medikamente gewarnt wer-den. Denn sonst könnten sie als ungewollt gedopt auffallen11.

EPO – durch „dickeres“ Blut zur

besseren Ausdauer

Ausdauersportler brauchen viel Sauerstoff. Nachdem dieser eingeatmet ist, wird er in der Lunge an die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) weitergegeben. Diese transportieren ihn dann zu den Orten, wo er benöti-gt wird. Beim Sport sind dies vor allem die Muskeln. Je mehr rote Blutkörperchen ein Sportler hat, umso mehr brandfördernden Sauerstoff kann er für seine Energiegewinnung bereitstellen.

Der Organismus bildet die Blutkörperchen nach Bedarf. Bei Sauerstoffmangel wird in der Niere der Botenstoff Erythopoietin freigesetzt, der die Synthe-se der roten Blutkörperchen im Knochenmark anregt. Ein trainierter Ausdauersportler hat deshalb eine grö-ßere Zahl roter Blutkörperchen als ein untrainierter. 12

Menschliches hEPO ist ein Glykoprotein aus 165 Aminosäuren, von denen einige N- bzw. O-glykosi-disch mit Zuckersubstituenten verbunden sind. Seit 1988 gibt es ein kommerziell erhältliches, aus genetisch veränderten Hamsterovarien rekombinates rEPO. Es ist eigentlich nur für medizinische Zwecke gedacht,

9 J. Emsley: Sonne, Sex und Schokolade. Wiley-VCH, Weinheim 2003, S. 89-93

10 Wick®-MediNait. Hersteller: Wick Pharma/Procter&Gamble GmbH, Sulz-bacher Str. 40-50, 65824 Schwalbach; in Apotheken und Reformhäusern rezeptfrei erhältlich.

11 V. Wiskamp, M. Holfeld: Ungewollt gedopt? In: PdN-ChiS 2/55, 2006, S. 9-11

12 Mehr rote Blutkörperchen entstehen auch beim Höhentraining. Der Sauer-stoffmangel ist in der Höhe größer, weil die Luft „dünner“ ist (geringerer Luftdruck), dementsprechend bildet der Körper besonders viele rote Blut-körperchen. Deren Anzahl sinkt natürlich, wenn der Sportler wieder auf die

„normale“ Höhe zurückkehrt. Die roten Blutkörperchen werden dann wieder abgebaut, was aber mehrere Monate dauert. Höhentraining ist eine legale Methode, um die Ausdauer zu verbessern.

V e r suc h 4

Nachweis von Ephedrin

Geräte

Reagenzgläser, Reagenzglasständer

Chemikalien

Kupfersulfat-Lösung (w = 2%, Xn, gesundheitsschädlich),

Natronlauge (c = 3 mol/l, C, ätzend), Ephedrin

Durchführung

In ein Reagenzglas werden nacheinander 3 ml

Wick®-MediNait-Saft mit 1 ml Kupfersulfat-Lösung

(w = 2%, Xn, gesundheitsschädlich) und 2 ml Natron-

lauge (c = 3 mol/l, C, ätzend) versetzt.

Beobachtung

Das ursprünglich dunkelgrüne Medikament wird dabei

blau-violett, denn Ephedrin bildet in alkalischer Lösung

einen violetten Kupferkomplex (Chen-Kao-Reaktion). Der

ungeladene Komplex kann mit Ether extrahiert werden.

Abb. 8: Chelatkomplexe

Die Chelatkomplexbildung ist mit der Biuret-Reaktion

vergleichbar, die den Schülern als Proteinnachweis

bekannt ist.

Abb. 9: Nachweis von Ephedrin. Von links nach rechts: Nachweis von Ephedrin in Wick®-MediNait, Wick®-MediNait-Saft, Biuret-Reaktion mit einem Proteinhydrolysat, alkalisierte Kupfersulfat-Lösung, Reaktion von Ephedrin-Lösung mit alkalisierter Kupfersulfat-Lösung.

OH

CH3 NCH3

H

+ CuSO4

2 NaOH2

O

CH3N

CH3H

O

CH3 NCH3

H

Cu

Na2SO

4

2 H2O++

+

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20DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

z. B. zur Behandlung der Blutarmut von Dialysepa-tienten, wird aber in zunehmendem – geradezu er-schreckendem – Maße als Dopingmittel missbraucht.

Nachweis von rEPO

Bis zum Jahr 2000 konnte menschliches hEPO nicht von genetisch hergestelltem, rekombinatem rEPO un-terschieden werden. Doch dann wurde ein Testverfah-ren zur Differenzierung der beiden Stoffe entwickelt.13

Die beiden EPO-Moleküle haben nämlich eine et-was andere Zuckersubstitution: Beim rekombinanten rEPO ist der Baustein Neuraminsäure zu etwa 95% am Stickstoff acetyliert (= Sialinsäure), während die Neuraminsäure im menschlichen hEPO bevorzugt nicht acetyliert vorliegt (s. Abb. 10).

Bei dem neuen Testverfahren werden die Proteine im Urin durch isoelektrische Fokussierung (IEF), ein spe-zielles elektrophoretisches Analyseverfahren, getrennt und nachgewiesen. Dabei nutzt man ihre unterschied-lichen isoelektrischen Punkte aus.

Einen isoelektrischen Punkt haben Moleküle, die gleichzeitig basische und saure Gruppen besitzen, also auch die Aminosäuren und Proteine. In Abhängigkeit vom pH-Wert liegt eine Aminosäure in verschiedenen Formen vor. Am isoelektrischen Punkt ist sie ein Zwit-terion. Dieses besitzt zwar Ladungen, ist aber in der Summe elektrisch neutral (s. Abb. 11). Bei welchem pH-Wert der isoelektrische Punkt vorliegt, hängt von den elektronischen Eigenschaften des Aminosäure-Substituenten (R) ab.

Ähnlich wie bei einer Aminosäure ist der isoelektrische Punkt eines Proteins auch maßgeblich von dessen Substituenten, beim EPO insbesondere von den Zu-ckerresten, abhängig.

Bei der isoelektrischen Fokussierung wird auf einem Gel ein pH-Gradient erzeugt. Das aufgetragene Protein wandert, bis der pH-Wert dem isoelektrischen Punkt des Proteins entspricht (pH = IEP). Dann bewegt sich

13 F. Lasne, J. de Ceaurriz: Recombinant erythropoietin in urine. In: Nature 408, 2000, S. 635. Sowie: C. H. Hokke, M. J. H. Roosenboom, J. E. Thomas-Oates, J. P. Kamerling, J. F. G. Vliegenthart: Structure determination of the disilylated poly-(N-acetyllactosamine)-containing O-linked carbohydrate chains of equine chorionic gonadotropin. In: Glycoconjugate J. 11, 1994, S. 35-41

das Molekül im elektrischen Feld nicht mehr weiter, weil seine Nettoladung 0 ist. So können hEPO und rEPO voneinander getrennt werden, weil ihre unglei-chen Seitenketten ihre verschiedenen isoelektrischen Punkte verursachen. Es folgen die Reinigung durch ei-nen Immunoblot sowie die Sichtbarmachung durch Chemolumineszenz (s. Abb. 12).

Neue EPO-Varianten durch Gendoping

Die Herstellung von EPO-Varianten durch genetisch veränderte Säugetierzellen zeigt, wie sich das Gen-doping als neue Form des Dopings entwickelt. Seit 2001 ist ein weiteres EPO-Derivat, Darbepoetin NESP (Novel Erythropoiesis Stimulating Protein), bekannt. Es unterscheidet sich durch fünf Aminosäuren und durch zusätzliche Zucker-Seitenketten vom hEPO14 und wirkt nach einer intravenösen Injektion deutlich länger als letzteres, was sich der Betrüger natürlich wünscht. (Die Halbwertszeit von Darbepoetin NESP beträgt 21 Stunden, die von hEPO nur 8,5 Stunden.) Doch die Dopingfahnder können ihm mittlerweile auf die Schliche kommen. Die Abbildung 12 zeigt die Chromatogramme von hEPO, rEPO und Darbepoe-tin im Vergleich.

Welche Dopingsubstanz ist jetzt schon im Einsatz, kann aber noch nicht nachgewiesen werden? Der vorliegende Artikel kann in Kürze bestimmt weiter geschrieben werden – so traurig es ist. n

Ü b e r d i e A u t o r e n

Volker WiskampMartin Hilfeld((Platz freihalten))

14 Darbepoetin alfa (NESP, Novel Erythropoiesis Stimulating Protein, Aranesp®), hergestellt von der Firma Amgen

Abb. 10: Derivate des EPO-Bausteins

Neuraminsäure

Abb. 12: Ergebnis der isoelektrischen Fokussierung von hEPO (B), rEPO (A), rEPO aus einer positiven Dopingprobe (C) sowie Darbepoetin (D) Quelle: Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln

Abb. 11: Eine Amino-säure bei verschie-denen pH-Werten

N

OOH

OH

OH

CH2OH

CH2OH

CH2OH

H

R

R = H Neuraminsäure

R = COCH3

N-Acetylneuraminsäure (Sialinsäure)

R = COCH2OH N-Glycolylneuraminsäure

NH3+

C COOH

H

R

NH2 C COOH

H

R

NH3+

C COO-

H

R

NH2 C COO-

H

R

in saurem

Medium

in basischem

Medium

Aminosäure Aminosäure als Zwitterion

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21DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Beweglichkeit, Schnelligkeit und Fitness sind entscheidend

im Sport. Aber nicht nur im Sport, sondern in allen Bereichen

des Lebens sind sie von großer Bedeutung. „Wer zu langsam

ist, den bestraft das Leben ...“ – damit ist nicht nur die Schnel-

ligkeit, sondern auch die Flexibilität und die Mobilität gemeint.

Wer mobil ist, ist im Vorteil.

Im Lexikon wird Mobilität oft als Fähigkeit zur Eigenbewegung von Personen – auch unter Nut-zung von Hilfsmitteln – beschrieben1. Die Be-schaffenheit der Hilfsmittel kann die Mobilität verändern. Leichte Materialien lassen sich ein-

fach und schnell bewegen, schwere Materialen nur unter größerem Energieaufwand.

Eine Sportart kann sich grundlegend durch die Einführung eines neuen Werkstoffs ändern. Ein leich-terer Ball, ein handlicherer Tennisschläger bewirken ein viel schnelleres (mobileres) Spiel. Ein biegsamer Hochsprungstab hat zur Folge, dass die Bestleistungen sprunghaft ansteigen.

„Kunststoff lässt Metall oft alt aussehen.“2 Im For-mel-1-Wagen und im Porsche Carrera GT sorgen fa-serverstärkte Kunststoffe bereits für mehr Sicherheit. Am Frauenhofer-Institut arbeiteten Wissenschaftler an einer Großfertigung anspruchsvoller Kunststoff-bauteile, die zukünftig auch Klein- und Mittelklasse-wagen leichter und sicherer machen sollen.

Im Folgenden sollen Inhalte und Denkanstöße zu einem fachübergreifenden Chemie- und Sportun-terricht gegeben werden. Den Schülern soll bewusst werden, wie der Einzug der Kunststoffe den Sport verändert hat. Durch ein niedrigeres Gewicht oder eine höhere Stabilität im Vergleich zu konventio-nellen Materialien wird der Sport schneller, leichter und mobiler. Die aufgeführten Versuchsvorschriften können die Behandlung der Kunststoffe im Chemie-unterricht ergänzen.3

Tennisschläger werden handlicher

Im Sport haben die Kunststoffe längst Einzug gehal-ten und ihn nachhaltig verändert. Tennislegenden wie

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Mobilit%C3%A4t

2 Jakob, Klaus: Kunststoff lässt Metall alt aussehen. Beilage Frauenhofer Ma-gazin 2004

3 Siehe auch: M. Holfeld, V. Wiskamp: Kunststoffe in Sportartikeln. In: RAA-bits-Chemie, Ausgabe 4/2004 (Ergänzungslieferung Dezember 2004), Raabe Verlag, Stuttgart, Kap. 8 II H, S. 1-26

Jimmy Conners oder Björn Borg hätten heute wohl kaum noch eine Chance mit ihren schweren und un-handlichen Schlägern.

Viele Sportgeräte wie z. B. Tennisschläger, Boote, Fahrradrahmen u. Ä. werden heute aus Verbundwerk-stoffen gefertigt. Häufig eingesetzt werden Glasfasern, Aramidfasern oder Karbonfasern, die mit einem Ep-oxid-Härter als Matrix verbunden sind (Versuch 1: Herstellung von Faserverbundmaterialien).

Glasfasern sind, historisch gesehen, die erste Faserart. Die industrielle Fertigung erfolgt seit 1910. Sie besit-zen eine hohe Festigkeit und ein hohes spezifisches Gewicht. Im Sport werden sie vor allem wegen ihrer hohen Stabilität eingesetzt.

Auch die Besaitung der Schläger hat sich grundle-gend verändert. Während man noch vor 25 Jahren mit Naturdarmsaiten die Schläger bespannte, werden die Rackets heute mit verschiedenen Kunststoffen, wie z. B. Nylon bespannt. Bei Regen mussten die Schlä-ger neu bespannt werden, heute macht Nässe der Be-spannung nichts mehr aus (Versuch 2: Herstellung von Polyamid 6.6 durch Phasengrenzflächenkonden-sation („Nylonfaden-Trick“), Versuch 3: Herstellung von Polyamid 6.6 aus AH-Salz).

Hochsprung: Vom Bambus- zum Glasfiberstab

Mit dem neuen Material erreichen die Stabhochsprin-ger neue Höchstleistungen. 1900 wurde noch mit leichten Bambusstäben gesprungen. Dieses Materi-al wurde vier Jahrzehnte im Hochsprung verwendet.

Martin Holfeld

Kunststoffe steigern die Mobilität im Sport

Tennisschläger der letzten 15 Jahre von links (alt) nach rechts (neu). Nicht nur die Schlagfläche ist größer geworden, auch das Material hat sich grundlegend geändert.

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22DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

INFO-BOX

V e r suc h 2

Herstellung von Polyamid 6.6 durch Phasengrenzflächenkondensation („Nylonfaden-Trick“)

Geräte

Messzylinder (25 ml), Becherglas (250 ml),

Fortuna-Pipette (2 ml), Tropfpipette, Pinzette,

Glasplatte

Chemikalien

1,6-Diaminohexan (C, ätzend), Natronlauge

(c = 1 mol/l; C, ätzend), Phenolphthalein-

Lösung (w = 0,1 % in Ethanol; F, leichtent-

zündlich), Adipinsäuredichlorid (C, ätzend),

Hexan oder Petrolether (F, leicht entzünd-

lich)

Sicherheitshinweis

Die entstandenen Fäden

enthalten noch Natronlauge,

deshalb dürfen sie nicht mit

ungeschützten Händen

angefasst werden. Aus diesem Grund müs-

sen Handschuhe getragen werden, falls die

Fäden als Anschauungsmaterial herumgerei-

cht werden sollen, oder sie müssen in eine

Schutzhülle eingepackt werden.

Durchführung

1,1 g 1,6-Diaminohexan werden in 10 ml

Wasser gelöst. Zu der Lösung werden 2

Tropfen Phenolphthalein-Lösung und 20 ml

Natronlauge gegeben. Abschließend wird auf

ein Gesamtvolumen von 50 ml mit Wasser

aufgefüllt (Lösung I). 2 ml Adipinsäuredichlo-

rid werden in 50 ml Hexan oder Petrolether

gelöst (Lösung II). 10 ml der Lösung I werden

in das Becherglas gegeben und vorsichtig mit

der gleichen Menge Lösung II überschichtet.

Dies kann mit einer Tropfpipette erfolgen, die

gegen die Wand des Becherglases entleert

wird. Die beiden Lösungen reichen für 4-5

Versuche. An der Grenzfläche der beiden

Lösungen entsteht eine Haut. Mit einer

Pinzette werden Fäden herausgezogen und

auf einer Glasplatte aufgewickelt. Die Fäden

werden unter fließendem Wasser gewaschen

und an der Luft getrocknet. Dabei kann es

durch restliche Natronlauge zur Hydrolyse

und Bräunung des Produktes kommen.

Entsorgung

Restliche Lösungen werden zu den orga-

nischen Lösungsmittelabfällen gegeben. Die

Polyamidfäden werden getrocknet und im

Hausmüll entsorgt.

INFO-BOX

Geräte

Papp- oder Plastikbecher, Holzspatel

Chemikalien

Fasergewebeproben (Karbonfasern, Glas-

fasern oder Aramidfasermatten), Epoxid-

Laminiersystem (Epoxid EP 210 und Härter

EPH 414 ), alternativ Bayer Versuchspaket 12

Lekutherm E 320® und Kalthärter T 3®

Sicherheitshinweis

Einen Hautkontakt mit dem

Harz und Härter ist unbe-

dingt zu vermeiden. Deshalb

Schutzhandschuhe tragen!

Hinweis

Die Mischung aus Epoxid und Härter muss

unmittelbar nach ihrer Herstellung verwendet

werden.

Durchführung

In einem Papp- oder Plastikbecher werden 10

ml Härter EPH 4141 und 25 ml Harz EP 210

1 Bezugsquelle: Firma Bacuplast Faserverbundtechnik GmbH, Dreherstr. 4, Industriegebiet Groshülsberg, D-42899 Remscheid-Lüttringhausen

mit einem Holzspatel gründlich gemischt. Ein

Fasergewebestück (10 cm2) wird auf Papier

gelegt und mit der Harzmischung bestrichen.

Mehrere Fasergewebestücke können mitei-

nander verklebt werden.

Versuchsalternative unter Verwendung des

Bayer-Versuchspaket 12:

In einem Papp- oder Plastikbecher werden 40

g Lekutherm 320® und 8 g Kalthärter T® 32

mit einem Holzspatel gründlich gemischt. Ein

Fasergewebestück (10 cm2) wird auf Papier

gelegt und mit der Harzmischung bestrichen.

2 Bezugsquelle: Bayer AG, www.bayer.schule.de

Es können mehrere Fasergewebestücke mit-

einander verklebt werden. Die Trocknungszeit

beträgt ca. einen Tag.

Sachinformationen

Epoxidharze entstehen, wenn lineare Oli-

gomere (Molmasse ca. 2.000 g/mol) mit

mindestens zwei Epoxidgruppen, z. B. mit

Diaminen, vernetzt werden.

Wenn Glas-, Kohlenstoff- oder Kunststofffa-

sern, z. B. das flüssigkristalline Polyamid

Kevlar®, in das Harz eingebettet sind, spricht

man von Verbundwerkstoffen.

V e r suc h 1

Herstellung von Faserverbundmaterialien

OCH2CHCH2

OC

CH3

CH3

O CH2 CH O C

CH3

CH3OH

O CH2 CH CH2O

n

R1

CH2 CH CH2O

+ NH2 R2

NH2

R1

CH2 CH CH2 NH R2

NH CH2 CH R1

OH OHN N C

O

H C H

O

H H

n

Abb. 3: KevlarAbb. 2: Vernetzung mit Diaminen

Abb. 1: Epoxidharz

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23DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

INFO-BOX

INFO-BOX

V e r suc h 3

Herstellung von Polyamid 6.6 aus AH-Salz

V e r suc h 4

Herstellung von Kohlenstofffasern aus Polyacrylnitrilfasern

Geräte

Stativ mit Klammer und Muffe, Plastik-

injektionsspritze (20 ml) mit großer Kanüle

(2,1 x 30 mm), Becherglas (400 ml, hohe

Form), Pinzette

Chemikalien

10%ige Lösung von Polyacrylnitril in Dimethyl-

acetamid (T, giftig)

Sicherheitshinweis

Ein Hautkontakt mit der

Polyacrylnitril-Lösung ist

unbedingt zu vermeiden.

Deshalb Schutzhandschuhe

tragen!

Durchführung

Eine Spritze wird senkrecht in ein Stativ

eingespannt, sodass die Kanüle nach un-

ten auf ein mit 300 ml Wasser gefülltes

Becherglas zeigt. Der Spritzenkolben wird

herausgezogen und die Spritze wird mit der

Polyacrylnitril-Lösung gefüllt. Der Kolben wird

wieder auf die Spritze gesetzt und vorsichtig

gedrückt, sodass die Lösung langsam in

das Wasser läuft. Die entstandenen Fasern

werden mit der Pinzette aufgenommen und

an der Luft getrocknet. Anschließend werden

sie über Nacht bei 250° C in den Trocken-

schrank gegeben. Die resultierenden Fasern

sind schwarz und flammfest.

Entsorgung

Die Lösung von Polyacrylnitril in Dimethyl-

acetamid wird in den organischen Lösungs-

mittelabfällen entsorgt.

Sachinformationen zum Versuch

Anisotrope Kohlenstofffasern, die aus inei-

nander greifenden und in Faserrichtung ori-

entierten Graphitschichten bestehen, können

aus Polyacrylnitrilfasern synthetisiert werden.

Diese werden zunächst oberhalb 200° C

an der Luft (Trockenschrank) vorbehandelt.

Dabei wird die Oberfläche der PAN-Faser

unter Bildung von Hydroxyl-, Carbonyl- und

Carbonsäuregruppen- oxidiert und die Faser

dadurch in ihrer Form stabilisiert. Außerdem

setzen Cyclisierungen (Additionen benach-

barter Nitrilgruppen), Dehydrierungen und

Eliminierungen von Ammoniak, Blausäure

und Wasser ein.

Geräte

Reagenzglas, Reagenzglashalter, Brenner,

Feuerzeug, Alufolie, Filterpapier

Chemikalien

AH-Salz, Adipinsäure, 1,6-Diaminohexan

(C, ätzend), Methanol (F, leicht entzündlich;

T, giftig, wasserfreies Kupfersulfat)

Hinweis

Falls das AH-Salz nicht gekauft wird, kann es

selbst hergestellt werden. Dazu werden 8,6

g Adipinsäure in möglichst wenig Methanol

gelöst. 6,8 g Hexamethylendiamin werden

zugerührt wobei sich die Mischung erwärmt,

beim Abkühlen fällt das AH-Salz aus. Es wird

abfiltriert und an der Luft getrocknet.

Durchführung

Ein Reagenzglas wird etwa 2 cm hoch mit

AH-Salz gefüllt. Es wird mit dem Brenner so

lange erhitzt, bis kein Wasser mehr ausge-

trieben und der Inhalt honiggelb wird. Dann

wird dieser auf eine Alufolie gegossen.

Beobachtung

Auf der Alufolie kühlt der Kunststoff aus und

bildet einen weißen Überzug.

Anmerkung

Im Gegensatz zu Kerzenwachs, das beim

Erhitzen auch flüssig wird und bei Abkühlen

wieder fest, kondensiert Wasser. Das Kon-

denswasser bei der Polyamidbildung kann

mit wasserfreiem Kupfersulfat nachgewiesen

werden (Blaufärbung).

Entsorgung

Der Kunststoff und die Alufolie können im

Hausmüll entsorgt werden.

Abb. 5: Formel – Herstellung einer Polyacrylnitrilfaser

Abb. 6: Herstellung einer Polyacrylnitrilfaser

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24DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Der Weltrekord mit einem Bambusstab liegt bei 4,77 m (1942). 1957 verbesserte Bob Gutowski den alten

„Bambus-Weltrekord“ um einen Zentimeter auf 4,78 m mit einem Aluminiumstab. 1960 wurden die Alumini-umstäbe durch Stahl ersetzt und Don Bragg steigerte den Rekord um einen weiteren Zentimeter auf 4,80 m. Eine schlagartige Veränderung der Bestmarken im Stabhochsprung wurde 1956 in den USA eingeleitet. Der Glasfiberstab bewirkte durch seine Handlichkeit und Bruchsicherheit eine Verbesserung des Bestwerts beim ersten internationalen Einsatz um drei Zentime-

ter auf 4,83 m. Heute liegt der Weltrekord bei 6,14 m, gesprungen von Serhij Bubka 1994! Auch wenn Serhij Bubka ein herausragender Stabhochspringer war, des-sen Rekord bis heute nicht übertroffen werden konn-te, steht außer Frage, dass auch er mit einem anderen Material nicht in diese Höhe hätte springen können (siehe Versuch 1, Variante: Glasfiber).4

Fahrräder werden leichter

Heute haben Aramidfasern in vielen Bereichen den Glasfasern den Rang abgelaufen. Besonders beim Bau von Fahrradrahmen ist Aramid wegen seines geringen Gewichts sehr beliebt.5

Aramid ist ein aromatisches Polyamid. Die Fa-sern sind unter dem Handelsnamen Kevlar bekannt. Sie besitzen gute Schlagbeanspruchung und hohes Energieaufnahmevermögen. Im Sport werden sie be-vorzugt in Sportgeräten eingesetzt, die oft stoßartigen Belastungen ausgesetzt werden wie z. B. Tennisschlä-ger, Surfbretter und Skier.

Karbonfasern wurden schon 1880 durch Pyrolyse von Baumwolle hergestellt. 1961 erzeugte der Japa-ner Shindo durch Pyrolyse von Polyacrylnitrilfasern

4 Siehe auch: www.wdrmaus.de/sachgeschichten/stabhochsprung/

5 Michaeli, W., Wegener, M.: Einführung in die Technologie der Faserverbund-werkstoffe. München 1990, S. 58

Kohlenstofffasern mit hervorragenden Festigkeitsei-genschaften (siehe auch Versuch 4)6.

Seitdem haben Kohlenstofffasern wegen ihrer ho-hen Festigkeit und ihrer relativ geringen Dichte zuneh-mend Bedeutung beim Bau von Sportgeräten gefunden. Verursacht durch ihre günstigen gewichtsbezogenen Eigenschaften werden sie u. a. in Skiern, Fahrradrah-men und Tennisschlägern verwendet.

In den letzten Jahren sind viele neue Werkstoffe für Fahrradrahmen entwickelt worden. Die Rahmen wurden immer leichter. Neben dem „alten“ Stahlrah-men haben sich längst Materialien wie Carbonfaser-, Kevlarfaser- und Glasfaserverstärkte Kunststoffe eta-bliert. Auch andere Metalle wie z. B. Aluminium und Titan sowie verschiedene Legierungen werden für den Bau von Fahrradrahmen verwendet.

Noch vor wenigen Jahren fuhren ausschließlich Profiradrennfahrer Fahrräder mit solchen Rahmen. Für den Durchschnittsradler waren diese ultraleichten Rahmen viel zu teuer. Heutzutage sind viele Fahrrad-rahmen aus anderen Materialien als Stahl erschwing-lich geworden. Viele Jugendliche finden den konven-tionellen Stahlrahmen „langweilig“ und altmodisch.

Werkstoffe und ihre Eigenschaften

Neben der Dichte sind die mechanischen Eigen-schaften der Werkstoffe von besonderer Bedeutung. Dazu zählen die Zugfestigkeit, Elastizität, Abriebfe-stigkeit und Steifigkeit der Werkstoffe. Ein Maß für die Steifigkeit ist das Elastizitätsmodul (E-Modul), welches das Verhältnis der auf einen Werkstoff ein-wirkenden Spannung zur Längsdehnung beschreibt. Diese Werkstoffeigenschaft steht im direkten Zusam-menhang mit den Bindungskräften der Atome unter-einander. Je fester die Bindung ist, desto höher ist der Wert des E-Moduls.

Eigenschaften von Werkstoffen im Vergleich7 Werkstoff E-Modul (kN/mm2) Dichte (g/cm2)

Stahl 210 7,8

Aluminium 73 2,8

Glas 73 2,4

Kohlenstofffaser-Verbundwerkstoff

200 2,0

Holz 14 0,5

Aluminiumoxid 380 4,0

Doch die meisten Schäden treten nicht auf, weil das Material einer zu starken Kraft ausgesetzt wird, son-dern durch Materialermüdung. Materialien altern bei ständiger gleichbleibender Belastung.

6 Bukatsch, F., Glöckner W.: Experimentelle Schulchemie, Band 9: Organische Chemie 3. Aulis Deubner & Co Kg, Köln 1997, SS 65-67

7 Easterling Zschech, 1997, S. 37

Abb. 7: Moderne Fahrrad-

rahmen werden aus Carbonfasern oder Aluminium gebaut.

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25DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

Gerade hier hat Eisen einen besonderen Vorteil. Ei-senrahmen sind sehr stabil. Tests haben gezeigt, dass ein Eisentretlager erst nach 25 Mio. Umdrehungen Verschleißerscheinungen zeigt. Eine solch große Zahl an Umdrehungen schafft kein noch so ambitionierter Radfahrer! Zudem sind Rahmen aus Eisen relativ gün-stig, schließlich kann sich nicht jeder Hobbyradfah-rer für eine Bergtour ein neues Fahrrad bauen lassen, wie es für Jan Ullrichs Bergetappen bei der Tour ge-macht wird.

Je mehr neue Materialien im Spitzensport Einzug finden, je häufiger werden sie auch im Breitensport unkritisch und wenig reflektiert übernommen. Aber gerade ein Breitensportler sollte nachrechnen, ob die teuer erkaufte Gewichtsersparnis von wenigen Kilo-gramm überhaupt sinnvoll ist, wenn er z. B. selbst ein paar Kilo zu viel auf die Waage bringt. Im Fahr-radbau ist man teilweise wieder von den High-Tech-Kunststoffen abgekommen und weiß die guten Ma-terialeigenschaften von Stahl und Stahllegierungen wieder zu schätzen.

Bälle – mobile Sportgeräte

Auch das Fußballspiel ist durch die Errungenschaften der Chemie verändert worden. Während Fritz Wal-ter, Uwe Seeler und Franz Beckenbauer bei Regen-schlachten immer damit rechnen mussten, dass das

„Leder“ mit zunehmender Spieldauer schwerer wurde, weil es Wasser aufsaugte, hat Michael Ballack dieses Problem nicht. Sein Spielgerät besteht zu einem großen Teil aus Polyurethan, das Wasser abweist. Der Kunst-stoff bewirkt, dass der Ball nach einem Schuss sehr rasch wieder seine ursprüngliche Form annimmt, so dass die Flugbahn präzise ist. Wie wäre es im Unter-richt mit folgendem Experiment? Ein alter Leder- und ein moderner PU-Ball werden eine Stunde unter Was-ser getaucht. Dann werden die Massenveränderungen bestimmt und mit beiden Bällen Elfmeter geschossen. Ergänzend darf natürlich die Herstellung eines Poly-urethan-Schaumes nicht fehlen (Versuch 5: Chemie des Fußballs), um den Schülern exemplarisch die PU-Stoffklasse vorzustellen.

Schwimmanzüge machen schneller – mobiler

Die neuen Schwimmanzüge gleiten besonders gut durch das Wasser. Eine der Haifischhaut nachemp-fundene Oberflächenstruktur ermöglicht es, dass der Wasserwiderstand herabgesetzt wird. Während sich früher häufig ein Schwimmer seine Körperhaare ab-rasierte, um – aalglatt – als erster das Ziel zu erreichen, werden jetzt neue Anzüge verwendet, um den Wider-stand des Wassers niedrig zu halten. Das Material be-sitzt V-förmige Erhebungen, die in Höhe und Breite wissenschaftlich vermessen wurden und proportio-nal genau den Hautzähnen der Haifischhaut entspre-

INFO-BOX

V e r suc h 5

Chemie des Fußballs

Geräte

Alter, nicht beschichteter Lederball, moderner, kunst-

stoffbeschichteter Fußball, Waage, Korkring, Stativ,

Klemme, Muffe, zwei Eimer, Handtuch; Plastikbecher

(200 ml, weiß oder durchsichtig), Holzspatel

Chemikalien

Desmophen® (X, gesundheitsschädlich), Desmodur® (X,

gesundheitsschädlich)

Sicherheitshinweis

Ein Hautkontakt mit Desmodur® und

Desmophen® ist unbedingt zu vermei-

den. Deshalb müssen Schutzhand-

schuhe getragen werden. Um den Ar-

beitstisch nicht zu verunreinigen, wird

er mit Papier abgedeckt.

Durchführung

a) Wasseraufnahme verschiedener Fußbälle

Ein alter, nicht beschichteter Lederball sowie ein moder-

ner, mit Polyurethan beschichteter Fußball werden auf

einem Korkring gewogen. Anschließend werden beide

Bälle etwa eine Stunde in je einen zur Hälfte mit Wasser

gefüllten Eimer gelegt und mit einem umgebauten Stativ

unter die Wasseroberfläche gedrückt. Dann werden die

Bälle oberflächlich abgetrocknet und gewogen. Der un-

behandelte Lederball nimmt deutlich an Masse zu, der

kunststoffbeschichtete Fußball kaum.

b) Herstellung von Polyurethan-Schaum

In einen Plastikbecher wird 0,5 cm hoch Desmodur®

gefüllt. Dann wird etwa die gleiche Menge Desmophen®

zugegeben. Die beiden Stoffe werden mit einem Holz-

spatel gründlich verrührt, eventuell einige Tropfen Was-

ser zugegeben. Dann wird der Spatel aus der Mischung

genommen und gewartet.

Beobachtung

Nach ca. zwei Minuten beginnt sich Gas in der Mischung

zu entwickeln. Es bildet sich ein Schaumpilz.

Entsorgung

Nach dem Aushärten des Schaums können die Jugend-

lichen den Stoff mit nach Hause nehmen.

Ergänzender Versuch: Bau eines C60-Modells

Mit einem Molekülbaukasten wird ein Modell der Kohlen-

stoffmodifikation C60 gebaut.

Abb. 8: Hightech-Fußball: adidas Jo‘bulani, der Ball der WM 2010.

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26DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

chen.8 Amerikanische Schwimmer waren die ersten, die bei den Olympischen Spielen 2000 mit solchen Anzügen, die eine besonders gut anliegende Faser aus Elastan® (Polyurethan) starteten. In der Zwischenzeit haben viele Schwimmer einen solchen Anzug. Aller-dings sind die Anzüge nicht ganz billig, sodass sich auf Kreis- und Bezirksebene nicht jeder Schwimmer einen solchen Anzug leisten kann.

Der deutsche Schwimmverband erwägt deshalb, diese Schwimmanzüge für deutsche Schwimmer bei allen Wettkämpfen zu sperren. Durch die gleichen Bedingungen auf nationaler Ebene würde so wieder Gerechtigkeit herrschen, gleichzeitig wären die deut-schen Sportler auf internationaler Ebene benachteiligt.

Funktionskleidung

Mobil ist man, wenn man unabhängig ist. Ein Läufer, der bei jedem Wetter sein Lauftraining gestalten kann, ist seinem Konkurrenten, der nur bei schönem Wet-ter trainiert, gegenüber im Vorteil. Jogging bei Wind und Regen ist nicht nur für den Menschen, sondern auch für seine Kleidung eine Herausforderung. Ei-

8 Speedo fast skin: Speedo Deutschland GmbH, Metzingerstraße 75, 72555 Metzingen, www.speedo.de

nerseits muss die Sportkleidung den verdampfenden Schweiß nach außen leiten, damit kein Wärmestau entsteht, und den flüssigen Schweiß aufsaugen, da-mit der Körper des Sportlers trocken bleibt. Ande-rerseits muss sie den Aktiven vor Wind schützen, um eine Unterkühlung zu vermeiden, und Regentropfen abstoßen, damit die Kleidung nicht schwer wird und kein Nässegefühl entsteht.

Früher wurde Baumwolle als Material für Sport-kleidung empfohlen. Die Cellulose hält zwar warm und lässt Luft durch, nimmt aber sehr leicht Wasser

– Schweiß und Regen – auf. Die von Bob Gore entwi-ckelte und nach ihm benannte Gore-Tex®-Membran hat die Sportkleidung revolutioniert. Die hauchdünne Membran aus Polytetrafluorethen (ein Material, das u. a. auch unter dem Handelsnamen Teflon® zur Be-schichtung von Bratpfannen dient) besitzt 1,4 Milliar-den Mikroporen pro Quadratzentimeter. Die Poren-größe ist so, dass gasförmiges Wasser – verdunstender Schweiß – hindurch kann, Regentropfen hingegen abperlen. Nachteilig ist lediglich, dass der flüssige Schweiß nicht aufgesaugt wird. Dieses Defizit hat bei-spielsweise das neue HIGH2OUT®-Laminat der Firma Sympatex® nicht. Dieses Verbundmaterial passt seine Wasserdurchlässigkeit der Schweißmenge an. Auf der Körperseite befindet sich eine Wasser saugende La-ge. Die darauf laminierte Membran hat hydrophobe und hydrophile Elemente, vergleichbar einer Mauer aus Steinen, die mit Mörtel verklebt sind. Die kleinen hydrophilen Kanäle (vergleichbar dem Mörtel) kann lediglich das gasförmige Wasser, also der verdunsten-de Schweiß, durchqueren. Regentropfen von draußen

INFO-BOX

V e r suc h 6

Membrane für atmungsaktive Sportkleidung

Geräte

Becherglas, Tropfpipette, Gore-Tex®-

Membran1, Test-Kit zur HIGH2OUT®-

Membran2 , Polyamid-Frischhaltefolie

Durchführung

Zunächst wird etwas Wasser auf beide

Seiten der Gore-Tex®-Membran bzw.

des Sympatex®-Laminates getropft.

Dann wird die Gore-Tex®-Membran

– und im Vergleichsversuch eine Poly-

1 Bezugsquelle: W. L. Gore & Associates GmbH, Postfach 1162, D-83618 Feldkirchen-Wester-ham, www.gore-tex.com

2 Bezugsquelle (inkl. Informationsmaterial): Sympatex® Technologies GmbH, Postfach 100149, D-42097 Wuppertal

amid-Frischhaltefolie – über ein Glas

mit heißem Wasser gespannt und ein

Spiegel in geringem Abstand darüber

gehalten. Mit dem Sympatex®-Test-Kit

wird auf ähnliche Weise die Wasser-

dampfdurchlässigkeit der HIGH2OUT®-

Membran geprüft (s. Gebrauchs-

anweisung auf dem Test-Kit).

Beobachtung

Die Gore-Tex®-Membran bzw. das

Sympatex®-Laminat lassen von der

Außenseite kein Wasser durch. Das

Wasser bildet einen kugelförmigen

Tropfen. Tropft man Wasser auf die

Innenseite des Sympatex®-Laminates,

so verteilt es sich schnell und wird

von der Laminat-Innenseite aufgenom-

men. Der aufsteigende heiße Wasser-

dampf kann die Gore-Tex®-Membran

von der Innenseite her durchdringen.

Der Spiegel beschlägt.

Die Polyamid-Frischhaltefolie kann

vom Wasserdampf nicht durch-

drungen werden. Das Wasser konden-

siert und bildet an der Innenseite der

Folie Kondens-wasser-Tropfen. Das

Sympatex®-Test-Kit zeigt, dass die

HIGH2OUT®-Membran wie die Gore-

Tex®-Membran eine Durchlässigkeit

für Wasserdampf besitzt.

Abb. 9: Formelausschnitt

eines Polyurethans

NC

O(CH2)4 NC

O CH3

H H

O O

CH3

n

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27DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

können hingegen nicht nach innen. Sie perlen ab. Bei erhöhter Luftfeuchtigkeit, die sich nur auf der körper-nahen Innenseite niederschlägt, quellen die hydrophi-len Bereiche auf, sodass auch der flüssige Schweiß ab-sorbiert werden kann und der Schweißtransport somit insgesamt verbessert wird.

Für die Schüler ist es reizvoll, das Verhalten der Gore-Tex®- und Sympatex®-Materialien gegenüber flüssigem und gasförmigem Wasser zu untersuchen und mit dem beispiel-weise einer Frischhaltefolie aus Po-lyamid zu vergleichen (Versuch 6: Membrane für atmungsaktive Sport-bekleidung).

Ski – Mobilität im Schnee

Wer in den Bergen wohnt, weiß, dass Skier nicht nur Sportgeräte, sondern auch Fortbewe-gungsmittel sein können. Bei tiefem Schnee sind Skier oft das einzige Fortbewegungsmittel – sie machen mobil.

Die ersten Skier waren aus Vollholz (Föhre, Hicko-ry, Ahorn, Buche). Ihre Unterseiten wurde mit Speck- oder Hering-Schwarten bestrichen, um sie gleitfähiger zu machen. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wur-den die Vollholzski durch verleimte Ski ersetzt, die sich durch eine bis dahin nicht gekannte Elastizität auszeichneten. 1950 entwickelte der Luftfahrtpionier Ludwig Bölkow die ersten Kunststoffski. Diese hat-

ten eine hohe Bruchfestigkeit und eine gute Schwin-gungsdämpfung. 1972 wurden die ersten Ski basie-rend auf einem Epoxid-Harz und Carbonfasern von der Firma Völkl hergestellt. Während beim Holzski oft Unfälle mit Skibruch vorkamen, sind die modernen

Skier bruchfest und lassen sich fast zu Ellipsen biegen, ehe sie brechen. Ein Skibelag sollte eine gute Wachs-aufnahmefähigkeit, Alterungsbestän-digkeit, Abriebfestigkeit, Kälteela-stizität und Gleitfähigkeit auf dem Schnee besitzen. Im heutigen Skibau wird für die Lauffläche eine Kombi-nation von Niederdruck-Polyethen für eine gute Wachsaufnahme und Hochdruck-Polyethen für eine gute Festigkeit verwendet. Im Unterricht kann auf die Herstellung der unter-

schiedlichen PE-Typen eingegangen werden, bevor mit einem im Sportgeschäft erhältlichen PE-Stift ein beschädigter Ski repariert und anschließend gewachst wird, wobei die Schüler mit den thermischen Eigen-schaften von Polyethen und Wachs vertraut werden (Versuch 7: Reparieren und Wachsen von Skiern). n

Ü b e r d e n A u t o r

Martin Holfeld((wird ergänzt in Korrektur))

INFO-BOX

V e r suc h 7

Reparieren und Wachsen von Skiern

Abb. 10: Skifahrer mit modernen Kunststoffski

Information

Kleine Löcher in Skiern, die nicht direkt

neben der Kante sind, können mit geschmol-

zenem Polyethen gefüllt werden. Nach dem

Erstarren des Kunststoffes und neuem Wach-

sen sind die Skier wieder einsatzbereit.

Geräte und Chemikalien

Alte Skistücke (ca. 30 cm lang, siehe Anmer-

kung), Messer, Pfeile, Schmirgelpapier, Feu-

erzeug, Ski-Reparaturstangen aus Polyethen,

Spiritus (F, leicht entzündlich) oder Aceton

(F, leicht entzündlich), altes Bügeleisen,

alpines Skihartwachs, Lappen

Durchführung

Mit einem Messer werden ausgefranste

Stellen im Reparaturbereich möglichst gerad-

linig ausgeschnitten. Eine Ski-Reparatur-

stange aus Polyethen wird angezündet und

so über die zu reparierende Stelle gehalten,

dass das schmelzende Polyethen in die zu re-

parierende Stelle tropft. Nach dem Trocknen

und Abkühlen wird der Belag mit einer Pfeile

und Schmirgel-papier geglättet. Altes Wachs

auf dem Skistück wird mit einem in Spiritus

oder Aceton getränkten Lappen entfernt.

Dann wird ein Stück alpines Skihartwachs an

ein altes Bügeleisen (niedrige Wärmestufe)

gehalten. Das Wachs wird flüssig. Die Wach-

stropfen werden in ca. 3-5 cm Abstand auf

die Lauffläche des Skis getropft, sodass sie

möglichst gleichmäßig auf der Lauffläche ver-

teilt sind. Anschließend werden sie mit dem

Bügel-eisen in den Belag gebügelt. Nach dem

Erkalten wird das überschüssige Wachs mit

einer Metall- oder Kunststoffplatte abgezogen.

Beobachtung

Die beschädigte Lauffläche ist repariert. Falls

der Belag farbig ist, ist die beschädigte Stelle

jetzt mit einem weißen Ersatzstoff gefüllt.

Nach dem Reinigen mit einer fettlöslichen

Flüssigkeit sieht der Belag milchig-weiß aus.

Die Oberfläche fühlt sich teilweise rau an.

Ist der Ski neu gewachst, verschwindet der

milchig-weiße Ton und der Belag hat seine

ursprüngliche Farbe. Die Oberfläche ist nach

dem Abziehen glatt und glänzt.

Anmerkung

Auf dem Sperrmüll findet man häufig alte

Ski, die man zersägen kann. Ski-Reparatur-

stangen aus Polyethen sind im Sportgeschäft

erhältlich.

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28DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

In Niedersachsen und Hessen müssen die Referendare im

Laufe ihrer Ausbildung einen fachübergreifenden Unterrichts-

besuch durchführen. In diesem Artikel wird daher ein Entwurf

für die Fächer Chemie und Sport beschrieben. Ausgehend von

der Frage, warum man nach einem Mittelstreckenlauf außer

Atem gerät, soll ein Modellversuch zur Auswirkung der Milch-

säure auf das Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffersystem

des Blutes durchgeführt werden.

Voraussetzungen der Schüler

Die Schüler sollten mit dem Thema „Puffer“ bereits vertraut sein und mit Hilfe der Henderson-Hasselbalch-Gleichung Puffersysteme für beliebige pH-Werte be-rechnen können. Außerdem sollten sie den Kohlen-säure-Hydrogencarbonat-Puffer und den Blutkreislauf des Menschen kennen. Auch dass bei körperlicher Belastung Milchsäure gebildet wird und dass der Lac-tat-Spiegel im Blut von der Art der körperlichen Be-lastung (sportlichen Betätigung) abhängt, sollte im Unterricht bereits behandelt worden sein. Aus ihrem Biologieunterricht kennen sie die Umsetzung von Glu-cose zu Kohlenstoffdioxid und Wasser und die damit verbundene Energiefreisetzung. Zudem kann man davon ausgehen, dass sie schon eigene Erfahrungen

zur verstärkten Atmung nach einem Mittelstrecken-lauf sammeln konnten.

Aufbau der Unterrichtseinheit

Der Lehrplan des Landes Hessen gibt für die 13.2 ver-schiedene Wahlmöglichkeiten vor. Bei diesem Entwurf bildete die angewandte Chemie das Rahmenthema, sodass man verschiedene chemische Inhalte aus den vorhergehenden Halbjahren einschließlich der Mit-telstufe noch einmal vertiefend betrachten und dies zugleich als gute Vorbereitung auf das Abitur nutzen kann. In der kurzen Unterrichtseinheit „Chemie und Sport“ wird die Auswirkung der sportlichen Betäti-gung auf den menschlichen Körper als Anwendung eines Puffersystems untersucht.

Der Blutkreislauf des Menschen bildete den Ein-stieg in die Einheit. Dieser wurde in der ersten Stunde unter biologischen und chemischen Gesichtspunkten betrachtet: Funktion des Hämoglobins für den Sauer-stofftransport, Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffer.

In der zweiten Stunde beschäftigten wir uns mit dem Thema Energie. Bei der Umsetzung von Gluco-se mit Kaliumchlorat wurde den Schülern deutlich, wie viel Energie z. B. in einem Gummibären1 steckt,

1 Der Versuch kann auch mit einem kleinen Stück Würfelzucker durchgeführt werden. Gummibären bestehen eigentlich aus Gelantine (Proteinen).

Annette Rudy, Martin Holfeld

Warum ist man nach einem Mittelstreckenlauf außer Atem?Ein fachübergreifender Unterrichtsentwurf zum Thema Puffer

INFO-BOX

V e r l au fs pl a n d e r s t u n d e

Phase Inhalt Arbeits- und Sozialform Medien

Einstieg Erfahrungen nach dem Mittelstrecken- Unterrichtsgespräch Tafel

lauf – Warum ist man nach einem

Mittelstreckenlauf außer Atem?

Erarbeitungsphase Durchführung des Versuchs, Schülerversuch, Arbeitsblatt (AB),

Bearbeitung der Aufgaben Gruppenarbeit Chemikalien und Geräte

(s. AB), Tippkarten

Sicherungsphase Notieren der Reaktionsgleichung, Schülervortrag Tafel

Beantwortung der Ausgangsfrage Unterrichtsgespräch

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29DENK(T)RÄUME Mobilität Band 5: Chemie und Sport

obwohl ihnen bewusst war, dass im Körper die Ener-giegewinnung langsamer abläuft. Außerdem erfuhren sie, dass bei entsprechender Beanspruchung (wie z. B. in der durchgeführten Abfahrtshocke) Milchsäure in den Muskeln entsteht.

In der dritten Stunde stand der Sport im Vorder-grund, denn es ging nun darum, Mittelstreckenläufe zu trainieren.

Die hier vorgestellte Stunde bildet somit den Ab-schluss der Unterrichtseinheit: Das verstärkte Atmen nach einem Mittelstreckenlauf soll mit Hilfe eines Modell-Blutpuffers unter der Einwirkung von Milch-säure erklärt werden.

Entstehung von Milchsäure

Für die verstärkte Atmung nach einer intensiven Kurz-zeitbelastung sind verschiedene biologisch-chemische Faktoren verantwortlich. Im Folgenden wird dieser Vorgang vor allem unter chemischen Gesichtspunk-ten verkürzt betrachtet.

Bei einem Mittelstreckenlauf findet über die gesamte Belastungsdauer neben der aeroben auch die anae-robe Energiegewinnung statt, während beim Gehen oder beim Dauerlauf die Energie fast ausschließlich auf aerobe Weise erzeugt wird. In den Muskelzellen wird Glucose mit Hilfe von Sauerstoff zu Kohlen-stoffdioxid und Wasser umgesetzt. Ohne Sauerstoff wird das Zuckermolekül nur teilweise zerlegt, wobei Milchsäure entsteht. Der aerobe Abbauweg ist zwar dreizehn Mal effektiver, was die Energieausbeute an-belangt, verläuft aber deutlich langsamer als der an-aerobe Abbau. Daher überwiegt bei intensiven Kurz-zeitbelastungen die anaerobe Energiebereitstellung. Die entstandene Milchsäure geht von der Zelle in das zirkulierende Kapillarblut und wird anschließend mit Hilfe des Blutkreislaufsystems im ganzen Körper verteilt. In der Leber oder in anderen Muskelzellen, die gerade keine Arbeit verrichten müssen, wird die Milchsäure abgebaut.

Von der Milchsäure zur verstärkten Atmung

Ein wichtiges Puffersystem im menschlichen Körper ist der Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffer des Blutes. Dieser ist mit dafür verantwortlich, dass der pH-Wert des Blutes nahezu konstant bleibt (pH= 7,4). Wird Milchsäure von den Muskelzellen an das Blut abge-geben, dann reagiert sie mit den vorhandenen Hydro-gencarbonat-Ionen zu Lactat-Ionen und Kohlensäure. Der Lactat-Spiegel des Blutes steigt an.

Die Kohlensäure zerfällt leicht in Wasser und Koh-lenstoffdioxid. Ein Teil des Kohlenstoffdioxids, das nicht durch das Enzym Carboanhydratase wieder zu Kohlensäure umgewandelt wurde, löst sich im Blut-plasma. Der CO2-Partialdruck steigt. Chemorezeptoren nehmen diesen Anstieg wahr. Das Atemzentrum wird

zur vermehrten Tätigkeit angeregt. Auf diese Weise kann das Kohlenstoffdioxid über die Lunge ausge-schieden werden.

Didaktische Überlegungen

In dieser Stunde erhalten die Schüler die Möglichkeit, ihre körperlichen Erfahrungen nach den Mittelstre-ckenläufen chemisch zu betrachten und die erhöhte Atemfrequenz mit Hilfe eines Modells zu begründen.

Im Zentrum der Stunde steht die Frage, warum man nach einem Mittelstreckenlauf außer Atem ist. Die Schüler werden hauptsächlich davon ausgehen, dass man während des Laufens sehr viel Sauerstoff ver-braucht und man dieses Defizit nach dem Lauf durch die verstärkte Atmung wieder auszugleichen versucht. Da das Thema sehr komplex ist, soll dieser Sachverhalt mit Hilfe eines Modellversuchs zur Auswirkung der Milchsäure auf das Kohlensäure-Hydrogencarbonat-Puffersystem des Blutes erarbeitet werden. Eine 2,5%-ige Natriumhydrogencarbonat-Lösung wird mit soviel 0,1 molarer Salzsäure versetzt, bis der pH-Wert der Lösung 7,4 beträgt. Diese Lösung stellt den Kohlen-säure-Hydrogencarbonat-Puffer im Blut da. Danach werden 10 ml 1%-ige Milchsäure-Lösung zugesetzt, um die Säurebildung bei der intensiven Kurzzeitbela-stung zu simulieren. Mit Hilfe des Magnetrührers wird kräftig durchgerührt, wobei Gasblasen aufsteigen und der pH-Wert langsam wieder auf den ursprünglichen Wert von 7,4 ansteigt (Atmung). Dieser Vorgang dau-ert einige Minuten.

Die Gasblasen bestehen aus Kohlenstoffdioxid, das sich durch den Zerfall der instabilen Kohlen-säure bildet:

Durch das Austreiben des Kohlenstoffdioxids wird das Gleichgewicht der rechten Reaktion nach links verlagert (Prinzip vom kleinsten Zwang) und es wird so lange verstärkt Kohlensäure gebildet, bis die Pro-tonen der Milchsäure verbraucht sind.

Bildunterschrift

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Das Aufstellen der Reaktionsgleichungen für diesen Versuch dürfte den Schülern keine Probleme bereiten, sofern es in der vorhergehenden Unterrichtseinheit (Puffer) mehrfach geübt wurde. Problematisch ist hin-gegen das Anwenden der theoretischen Grundlagen auf dieses konkrete Beispiel. Für die Beantwortung der Ausgangsfrage kann man die Henderson-Hassel-balch-Gleichung und das Prinzip von Le Chatelier verwenden. Diese Grundlagen werden als Tippkarten hereingereicht, um auch schwächern Schülern mög-liche Erklärungshilfen an die Hand zu geben.

Methodische Überlegungen

Zu Beginn der Stunde sollen die Schüler ihre Erfah-rungen nach dem Mittelstreckenlauf wiedergeben. Dies soll den Bezug der Stunde zu ihrer Lebenswelt verstärken.

Aus diesem Gespräch heraus wird die zentrale Frage der Stunde an der Tafel notiert. Die Schüler können hier schon Hypothesen aufstellen, worauf die verstär-kte Atmung zurückzuführen sein könnte. Danach er-halten sie das Arbeitsblatt mit der Versuchsvorschrift und den Aufgaben. Sie können Schülergruppen bis maximal vier Personen bilden, wobei die Anzahl der Gruppen von der Anzahl der eichbaren Messelektro-den abhängt. Der Versuch soll ihnen bei der Beant-wortung der Ausgangsfrage helfen. Zusätzlich werden Tippkarten verteilt, die als Erklärungshilfen zu Rate gezogen werden können. Da der Versuch relativ viel Zeit in Anspruch nimmt, ist es sinnvoll, schon einige Arbeiten, wie z. B. das Herstellen der Natriumhydro-gencarbonat-Lösung oder das Eichen der pH-Mess-elektroden, bereits selbst im Vorfeld vorzunehmen.

In der Sicherungsphase werden die Reaktionsglei-chungen von einzelnen Schülern oder Gruppen an die Tafel geschrieben. Eine Schülergruppe trägt ihre Ant-wort auf die Ausgangsfrage vor. Die anderen Gruppen dürfen diese erweitern bzw. verbessern. Eine Zusam-menfassung wird stichpunktartig an der Tafel notiert. n

L i t e r a t u r

Hessisches Kultusministerium: Lehrplan Chemie, Gymnasialer Bildungsgang der Jahrgangsstufe 8 bis 13. Wiesbaden 2003.

Markworth, P.: Sportmedizin. Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek 2006

Holfeld, M.: Chemie und Sport, Inaugural-Dissertation zur Erlangung des Dok-torgrades. Gießen 2005

Fluck, E./Mahr, C.: Anorganisches Grundpraktikum, VCH Verlagsgesellschaft, 6. bearbeitete und ergänzte Auflage, Weinheim 1985

Ü b e r d i e A u t o r e n

Annette RudyMartin Holfeld((folgt in der Korektur))

TIPPKARTEN

Tippkarte 1

Das Prinzip vom kleinsten Zwang (Le Chatelier)

Jede Störung eines Gleich-

gewichts durch eine Änderung

der Reaktionsbedingungen führt

zu einer Verschiebung der Lage

des Gleichgewichts, die der

Störung entgegenwirkt.

Tippkarte 2

Henderson-Hasselbalch- Gleichung

INFO-BOX

l e r n m ö g l i c h k e i t e n u n d ko m pe t e nz e n

Fachwissen

• Üben im Aufstellen von Reaktionsgleichungen

• Integration des Vorwissens zum Thema Puffer

an einem konkreten Beispiel

Erkenntnisgewinn

• Milchsäure wirkt auf das Puffersystem im Blut ein

• Verstärkte Atemtätigkeit ist auf vermehrte CO2-Bildung

zurückzuführen

Kommunikation

• Verbesserung der Kommunikationsfähigkeit

in den Gesprächen mit Mitschülern

Bewertung

• Entscheidung, welche Hilfen für die Beantwortung

der Ausgangsfrage genutzt werden

• Stellungnahme zu den vorgetragenen Ergebnissen

der Mitschüler