DIE DREIGROSCHENOPER · 2018-04-06 · DIE DREIGROSCHENOPER von Bertolt Brecht | Musik von Kurt...

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Veranstaltungsort: Oper Halle Universitätsring 24 06108 Halle (Saale) Schulabonnement, Kartenreservierung und Verkauf: Karin Preuk Tel. 0345 5110-776 Fax 0345 5110-781 [email protected] neues theater Halle DIE DREIGROSCHENOPER von Bertolt Brecht | Musik von Kurt Weill BEGLEITMATERIAL FÜR PÄDAGOGINNEN & PÄDAGOGEN Alter: ab 14 Jahre Eine Mehrspartenproduktion des neuen theaters, der Oper Halle und der Staatskapelle Halle.

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Veranstaltungsort:Oper Halle

Universitätsring 2406108 Halle (Saale)

Schulabonnement,Kartenreservierung und Verkauf:

Karin PreukTel. 0345 5110-776Fax 0345 5110-781

[email protected]

neues theater Halle

DIE DREIGROSCHENOPERvon Bertolt Brecht | Musik von Kurt Weill

BEGLEITMATERIALFÜR PÄDAGOGINNEN & PÄDAGOGEN

Alter: ab 14 Jahre

Eine Mehrspartenproduktion des neuen theaters,der Oper Halle und der Staatskapelle Halle.

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AB 18. FEB. 2018 IN DER OPER HALLE / TEL. 0345 - 5110 777 / www.buehnen-halle.de

VON BERTOLTBRECHTMUSIK

VON

KURTWEILL

MIT MATTHIAS BRENNER

ALSJONATHAN JEREMIAH PEACHUM

REGIE: HENRIETTE HÖRNIGK

MUSIKALISCHE LEITUNG: MICHAEL

WENDEBERG / KAY STROMBERGAUSSTATTUNG:

CLAUDIA CHARLOTTE BURCHARD

EINE MEHRSPARTEN-

PRODUKTION DER OPER HALLE,

DESNEUEN THEATERS

UND DERSTAATSKAPELLE

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DIE DREIGROSCHENOPERvon Bertolt Brecht | Musik von Kurt Weill nach John Gays THE BEGGARʼS OPERA,übersetzt aus dem Englischen von Elisabeth Hauptmann

Premiere am 18. Februar 2018 in der Oper Halle

DAUERca. 3 Stunden, inklusive Pause

BESETZUNG Macheath, genannt Mackie Messer Martin Reik Jonathan Jeremiah Peachum Matthias Brenner Celia Peachum, seine Frau Elke Richter Polly Peachum, ihre Tochter Annemarie Brüntjen Tiger-Brown, oberster Polizeichef von London Matthias Walter Lucy Brown, seine Tochter Ines Lex Spelunken-Jenny Bettina Schneider Pastor Kimball/Konstabler Smith/Hure Peter W. Bachmann Filch/Hure Hagen Ritschel Moritatensänger/Hure Harald Höbinger Münzmatthias Till Schmidt Hakenfingerjakob Karl-Fred Müller Sägerobert/Hure Jörg Simonides

Staatskapelle Halle

Regie: Henriette Hörnigk Musikalische Leitung: Michael Wendeberg / Kay Stromberg Bühne und Kostüme: Claudia Charlotte Burchard Choreografische Mitarbeit: Rafal Zeh Dramaturgie: Kornelius Paede Mitarbeit Begleitmaterial: Martha König, Praktikantin Musiktheaterpädagogik

KONTAKT MUSIKTHEATERPÄDAGOGIKDER OPER HALLE:Frauke Kuhfuß-KnauerE-Mail: [email protected]: 0345-5110-531

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ZUR ENTSTEHUNGDIE DREIGROSCHENOPER von Bertold Brecht entstand als Bearbeitung der BEGGARʼS OPERA von John Gay (Libretto) und Johann Christoph Pepusch (Musik) aus dem Jahr 1728. Vorbild für die Oper waren Berichte über eine Verbrecher-bande, die in London zu Beginn des 18. Jahrhunderts ihr Unwesen trieb. Vor allem war das Stück aber eine deutliche Parodie der Opern Georg Friedrich Händels, die in London zu der Zeit anhaltende Erfolge feierten. Dass Bettler und Verbrecher zu Protagonisten auf der Opernbühne gemacht wurden war ein Skandal – und das wurde gleichzeitig vom Publikum gefeiert.

Bertolt Brechts Mitarbeiterin Elisabeth Hauptmann stieß 1926 auf die wiederentdeckte BEGGARʼS OPERA und übersetzte sie für Brecht. Von März bis Mai 1928 erarbeiteten Brecht und Hauptmann gemeinsam die Textfassung. Der große Anteil Hauptmanns an der Fassung wird bis heute allerdings nicht entsprechend gewürdigt. Zeitgleich entstand im Zusammenhang mit der geplanten Wiedereröffnung des Berliner Theaters am Schifferbaudamm die Idee zur Auffüh-rung. Für die Musik wurde der aufstrebende, junge Komponist Kurt Weill gewonnen. Er entwickelte mit Brecht in der Arbeit die Idee zu einer neuen Form des Musiktheaters. Das Geschehen auf der Bühne soll die Zuschauer zur kritischen Reflexion anregen.

Im Juni 1928 ließ Brecht das Bühnenmanuskript der Oper unter dem Namen DIE LUDENOPER vervielfältigen. Erst später nannte er sie in DIE DREIGROSCHENOPER um. Probenbeginn war der 1. August 1928 am Theater am Schiffbauerdamm in der Regie von Erich Engel und unter der musikalischen Leitung von Theo Mackeben. Die Probenzeit war problematisch. Die Darstellerin der Polly und der Darsteller des Jonathan Peachum sagten kurzfristig ab und mussten ersetzt werden. Aufgrund vieler Streitereien über die Songs warf auch der Regisseur das Handtuch und Brecht sprang für ihn ein. Noch kurz vor der Premiere (31. August 1928) verlangte der Darsteller des Mackie Messer eine bessere Einführung zu seiner Figur. Daher schrieben Brecht und Weill noch die »Moritat« für ihn, die zum populärsten Song DIE DREIGROSCHEN-OPER avancierte. Trotz der Schwierigkeiten im Entstehungsprozess wurde DIE DREIGROSCHENOPER ein großer Erfolg in der Weimarer Republik und erhielt viel Aufmerksamkeit in der Presse. Um 1933 war das Stück bereits in 18 Sprachen übersetzt.

VITA BERTOLT BRECHTBertolt Brecht wurde am 10. Februar 1898 in Augsburg als Sohn eines Papierfabrikdirektors geboren. Die ersten Jahre verbrachte die Familie in einem handwerklichen Umfeld – so war im Erdgeschoss des Wohnhauses eine Feilenhauerei untergebracht. Brecht war ein eher schüchterner Junge und hatte ein Herzleiden, zur Mutter entwickelte er ein beson-ders inniges Verhältnis. Nach der Volksschule besuchte er von 1908 bis 1917 das Königliche Realgymnasium zu Augs-burg (heute: Peutinger-Gymnasium), das er im Ersten Weltkrieg mit dem Notabitur abschloss. Sein poetisches Talent zeigte sich schon sehr früh: Bereits 1913 schrieb er in seinem Tagebuch: »Ich muß immer dichten«.

Sein Studium in den Fächern Medizin, Theaterwissenschaft, Philosophie und Literatur musste Brecht abbrechen, weil sein Kriegsdienst als Sanitäter ein zeitgleiches Studium nicht zuließ. 1920 starb seine Mutter und sein Sohn Frank wur-de geboren. In dieser Zeit schloss er Bekanntschaften in der Münchner Künstlerwelt, die sein späteres Schaffen deutlich beeinflussten – so z. B. eine enge Freundschaft mit dem berühmten Kabarettisten Karl Valentin. Von da an pendelte Brecht zwischen Berlin und München, um weitere Beziehungen zum Theater und der literarischen Szene aufzubauen. Als überzeugter Kommunist integrierte Brecht seine politischen Ansichten und Ziele mit in seine Werke. Ab 1929 entwi-ckelte er seine Idee des politischen Lehrstücks auf dem Theater.

Einen Tag nach dem Reichstagsbrand flüchtete er am 28. Februar 1933 nach Dänemark. In seinem fünfzehnjährigen Exil, welches ihn und seine Familie über Finnland und Russland schließlich nach Kalifornien führte, entstanden meh-rere seiner berühmtesten Werke (u. a. DAS LEBEN DES GALLILEI, DER AUSHALTSAME AUFSTIEG DES ARTURO UI, DER KAUKASISCHE KREIDEKREIS). Kurz nach dem Krieg wurde Brecht von Freunden gedrängt, nach Deutschland zurückzu-kommen und seine Stücke selbst zu inszenieren, aber erst am 22. Oktober 1948 kehrte er nach Ost-Berlin zurück. Dabei spielten sowohl künstlerische als auch politische Gründe eine Rolle. Als wichtige Aufgabe empfand er es, wieder im Theaterbetrieb Fuß zu fassen. Zusammen mit Helene Weigel gründete er 1949 das BERLINER ENSEMBLE, dessen musi-kalischer Leiter Paul Dessau wird. Brecht war dort als Dramaturg, Regisseur und Autor zahlreicher (Theater-)Texte tätig. Am BERLINER ENSEMBLE konnte er auch die im Exil entstandenen Werke aufführen und seine Theatertheorien in die Praxis umsetzen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er in Ost-Berlin, bis er am 14. August 1956 an den Folgen eines Herzinfarktes starb.

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VITA KURT WEILLKurt Weill wurde am 2. März 1900 in Dessau geboren. Sein Vater war Kantor der jüdischen Gemeinde und erteilte seinem Sohn die ersten Klavierstunden. Daneben interessierte sich der junge Weill auch für Literatur und Theater. Bereits als Kind wohnte er Aufführungen von Wagner-Opern in Dessau bei. Mit 12 Jahren begann er, eigene Stücke zu komponieren. Mit 15 Jahren erhielt er eine private Ausbildung beim anerkannten Komponisten Albert Bing. Nach dem Abitur studierte er ab 1918 in Berlin an der Musikhochschule. Seine Lehrer waren u. a. Engelbert Humperdinck und Rudolf Krasselt. Schon im Sommer des folgenden Jahres verließ er die Hochschule. Auf eine Korrepetitorstelle am Dessauer Theater und die Arbeit als Kapellmeister in Lüdenscheid folgte Ende 1920 die Aufnahme in Ferrucio Busonis Meisterklasse für Kom-position in Berlin. Busonis Lehransatz zeigt sich u. a. an Weills Orchestrationsweise, welche die »Idee« über die Mittel stellt und alles Überflüssige vermeiden möchte. 1922 schloss er sich der Musiksektion der NOVEMBERGRUPPE an, zu der auch Hanns Eisler gehörte. Weill entwickelte sich zu einem der profiliertesten jungen Komponisten der Weimarer Republik. Während seiner Studien, die bis Dezember 1923 dauerten, schrieb er bereits seine ersten Stücke, die – wie etwa das Ballett DIE ZAUBERNACHT – auch erfolgreiche Aufführungen erlebten. Durch die Zusammenarbeit mit dem ex-pressionistischen deutschen Bühnenautor Georg Kaiser lernte Kurt Weill 1924 die Schauspielerin Lotte Lenya (Karoline Blaumauer) kennen, die er 1926 heiratete.

Die Oper DER PROTAGONIST von Weill und Kaiser an der Dresdener Staatsoper im März 1926 wurde ein glänzender Er-folg. Dies bedeutete den Durchbruch in der Karriere Weills. Im März 1927 begann die nur drei Jahre dauernde, aber den-noch eine der fruchtbarsten und berühmtesten Kooperationen in der Theatergeschichte des 20. Jahrhunderts von Kurt Weill und Bertolt Brecht. In Zusammenarbeit mit Brecht schuf Weill die Werke DIE DREIGROSCHENOPER (1928), HAPPY END (1929) und AUFSTIEG UND FALL DER STADT MAHAGONNY (1930). Die Premiere von MAHAGONNY an der Leipziger Oper wurde durch Nazi-Schergen allerdings so gestört, dass die Aufführung abgebrochen werden musste. Bis zu ih-rer Machtübernahme 1933 gelang es den NSDAP-Anhängern, die Opern Weills von deutschen Bühnen zu verbannen. Weill schrieb in Zusammenarbeit mit Kaiser die Oper DER SILBERSEE, die 1933 trotzdem noch erfolgreiche Premieren in Leipzig, Erfurt und Magdeburg erfuhr. Bereits einen Monat später jedoch konnte Weill seiner Verhaftung durch die Gestapo nur durch Flucht nach Frankreich entgehen. Im Juni 1933 erlebte ein weiteres gemeinsames Werk mit Brecht, das Ballett DIE SIEBEN TODSÜNDEN DER KLEINBÜRGER, seine Premiere am Pariser Théâtre des Champs Élysées. Im September 1935 brachen Weill und Lenya in die USA auf, wo er zu Jahresbeginn 1937 in New York die Premiere seines biblischen Dramas DER WEG DER VERHEISSUNG selbst dirigierte. Im Herbst 1938 wurde KNICKERBOCKER HOLIDAY zu Weills erstem Broadway-Erfolg, dem 1941 LADY IN THE DARK folgte und 1943 ONE TOUCH OF VENUS. Seine Kompositio-nen in der Nachkriegszeit konnten an diese Erfolge nicht heranreichen. In Zusammenarbeit mit Maxwell Anderson schuf Weill sein letztes Werk unter dem Titel LOST IN THE STARS, das Ende Oktober 1949 seine New Yorker Premiere erlebte. Am 3. April 1950 verstarb Kurt Weill in einem New Yorker Krankenhaus.

NOTIZEN ZU DEN ZEITEBENEN DES STÜCKESENGLAND UM 1728. ENTSTEHUNG DER »BEGGARʼS OPERA«• aktuelles, zeitgenössisches Stück als politische Satire und Parodie der opera seria, großer Publikumserfolg

VIKTORIANISCHES ENGLAND (ZWEITE HÄLFTE DES 19. JAHRHUNDERTS).HANDLUNG »DER DREIGROSCHENOPER«• Hochphase der Industrialisierung und Kolonisierung• London dieser Zeit: hohe Arbeitslosigkeit, starke Verarmung, Einkommen durch Bettelei, Kriminalität undProstitution, hohe Sterblichkeit durch Krankheiten

ANFANG DER 1920ER JAHRE. LONDON• Wiederentdeckung der BEGGARʼS OPERA durch Londoner Theater• großer Erfolg

ENDE DER 1920ER JAHRE. ENTSTEHUNG »DER DREIGROSCHENOPER«• Weimarer Republik, politische Wirren, Arbeitslosigkeit, Armut• Neue Kunstformen, Expressionismus, Revuetheater

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Die Atmosphäre der Dreigroschenoper entspricht eher dem Berlin der Weimarer Zeit. […] Das Stück eindeutig in eine Zeit zu verlegen, wird ihm nicht gerecht. Der Prozess des »Historisierens« muss daher eher verstanden werden als ein »historischer Vergleich«, damit – im Sinne Brechts – vom eigenen Standpunkt gegenüber dem Verhalten der Personen aus anderen Epochen Kritik geübt werden kann: Wo sind die Besonderheiten der vor uns Geborenen? Hat die geschichtliche Entwick-lung uns ihr Verhalten entfremdet? Was hat sich durch den Gang der Geschichte als überholt und überholbar herausgestellt? Die brennendste Frage aber muss vielleicht lauten: Warum hat sich nichts geändert?

Megnet Brinkmann, aus: Die Dreigroschenoper. Szenische Interpretation von Opern. S. 13

HANDLUNGDas Stück spielt in Soho, einem Stadtteil von London. Der Hinweis auf Krönungsfeierlichkeiten lässt als Zeit der Hand-lung das Jahr 1837 (Krönung der Königin Viktoria) annehmen. Im Mittelpunkt stehen der Konkurrenzkampf zweier krimineller und skrupelloser Geschäftemacher, des attraktiven und charmanten Macheath einer- und des gerissenen Peachum andererseits, sowie die Bloßstellung ihrer Doppelmoral. Jonathan Jeremiah Peachum betreibt die Firma »Bettlers Freund«. Er verkleidet arme Leute als Bettler, schickt sie auf die Straßen und ist an ihren Betteleinnahmen beteiligt. Sein Schlägerkommando überfällt Bettler wie Filch, die versuchen, auf eigene Rechnung zu arbeiten.

Peachums Tochter Polly heiratet heimlich den Gegenspieler ihres Vaters, den Verbrecher Macheath (genannt Mackie Messer oder Mac). Für die Hochzeit in einem Pferdestall lässt Mac seine Männer alles Notwendige stehlen und her-beischaffen. Der Raubzug kostet etliche Menschenleben. Pollys anfängliche Enttäuschung über die ungewöhnliche Hochzeit legt sich bald und sie hat Freude an den – ebenfalls gestohlenen – Geschenken. Unter den Gästen ist auch Macs enger Freund Jackie Brown, der oberste Polizeichef von London.

Pollys Eltern sind entsetzt über die Wahl ihrer Tochter, und da Polly einer Scheidung nicht zustimmt, beschließt Peachum Macheath anzuzeigen, während seine Frau zu Macs Huren geht, um ein Kopfgeld auf ihn auszusetzen. Nach Peachums Anzeige kann Brown seinen Freund nicht mehr schützen. Brown und Polly raten Mac zu fliehen. Mac über-gibt seiner Frau Polly die Geschäfte. Sie soll das Geld aus der Firma an ein Bankhaus schicken und anschließend seine Männer anzeigen.

Statt zu fliehen begibt Mac sich ins Hurenhaus, wo er von Jenny, deren Zuhälter er früher gewesen ist, an die Polizei verraten wird. Im Gefängnis von Old Bailey lässt sich Brown nicht bewegen, Mackie freizulassen. Seine Tochter Lucy erscheint und erhebt Ansprüche auf Mackie. Polly kommt ebenfalls in Gefängnis. Die beiden Frauen streiten um Mac, der sich auf Lucys Seite schlägt. Er kann sie dafür gewinnen, ihm bei der Flucht aus dem Gefängnis zu helfen.

Macheath flieht und Peachum wirft Brown daraufhin Versagen vor. Er droht, mit seinen Mitarbeitern die anstehenden Krönungsfeierlichkeiten zu sabotieren und die Polizei vorzuführen.

Als Peachum die Bettler für sein Vorhaben mobilisiert, erscheint Brown, um sie wegen Bettelei festzunehmen. Gelassen weist Peachum Brown darauf hin, dass die Stadt voll von Armen und Elenden sei, mit denen sich der Krönungszug stören lasse. Der so unter Druck gesetzte Brown verkündet, Macheath erneut festnehmen zu lassen.

Weder Lucy noch Polly wissen, wo Mac sich aufhält. Sie erkennen, dass sie beide betrogen worden sind. Lucy gesteht Polly, die Schwangerschaft nur vorgetäuscht zu haben.

Macheath ist wieder im Gefängnis. Er soll am nächsten Morgen hingerichtet werden. Seine Männer geben sich wenig Mühe, das notwendige Bestechungsgeld aufzubringen. Auch Polly kann ihn nicht retten. Da kann nur noch der plötz-lich auftauchende Bote der Königin helfen, der Macs Freilassung verkündet.

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AUSFÜHRLICHE SZENENÜBERSICHTERSTER AKT1. BildPeachums Geschäft »Bettlers Freund« Jonathan Jeremiah Peachum betreibt die Firma »Bettlers Freund«. Seine Geschäftsidee ist es, arme Leute Mitleid er-regend auszustaffieren und als Bettler auf die Straße zu schicken. Er ist zu mindestens fünfzig Prozent an ihren Ein-nahmen beteiligt. Der Bettler Filch erscheint. Er hat bis gestern auf eigene Rechnung gebettelt und ist deshalb von Peachums Leuten zusammengeschlagen worden. Peachum klärt Filch darüber auf, dass London in vierzehn Distrikte unterteilt sei, in denen die Lizenznehmer seiner Firma ihr Gewerbe professionell ausüben. Filch kauft eine Lizenz von Peachum und zieht das bereitgestellte Bettlerkostüm an. Derweil erkundigt sich Peachum bei seiner Frau nach dem Verehrer ihrer gemeinsamen Tochter Polly. Peachum sieht sein Geschäft in Gefahr, weil er annimmt, dass Polly seine Praktiken ausplaudern würde. Er identifiziert den bisher namenlosen Verehrer als den berüchtigten Mackie Messer. Als die Eltern sehen, dass Polly in der Nacht nicht nach Hause gekommen ist, beklagen sie im »Anstatt-Dass-Song« die gefährliche Sehnsucht junger Mädchen nach romantischer Liebe.

2. BildMacheath heiratet Polly im Pferdestall Der Bandit und Bandenchef Macheath (auch Mac genannt) feiert seine Hochzeit mit Polly Peachum in einem Pfer-destall. Macheathʼ Leute bringen gestohlene Möbel, Geschirr und Speisen für die Feier. Ihr Raubzug hat etliche Men-schenleben gekostet. Polly trägt ein Brautkleid und bedauert, dass die Hochzeit nicht ihren Vorstellungen entspricht. Später freut sie sich jedoch über die – ebenfalls gestohlenen – Hochzeitsgeschenke. Als der Geistliche Kimball ein-trifft, verlangt Mac von seinen Gästen kulturelle Beiträge: Die Männer singen ein zynisches »Hochzeitslied für ärmere Leute« und Polly trägt die Ballade der »Seeräuber-Jenny« vor. Der oberste Polizeichef (Sheriff) von London, Jackie Brown, erscheint. Er ist seit der gemeinsamen Armeezeit ein enger Freund von Mac. Gemeinsam singen sie den »Kano-nen-Song«. Als die Gäste gegangen sind, versichern Polly und Mac sich ihrer gegenseitigen Liebe und Treue.

3. BildDie Hochzeit führt zum Familienstreit bei Peachums Polly schockiert ihre Eltern mit der Nachricht von ihrer Hochzeit. Sie singt ein Lied, das auf Macheath als Bräutigam hinweist. Der Vater wirft Polly vor, die Familie wirtschaftlich ruiniert zu haben, die Mutter fällt in Ohnmacht. Die Eltern verlangen von Polly sich scheiden zu lassen. Weil Polly in ihrer Liebe zu Macheath nicht zu erschüttern ist, planen ihre Eltern diesen beim Sheriff von London anzuzeigen. Gelassen erzählt Polly von der Freundschaft zwischen Brown und Macheath. Polly begleitet ihren Vater zum Sheriff, während Frau Peachum Macs Huren aufsuchen will. Zuvor singen sie zu dritt das »1. Dreigroschen-Finale: Über die Unsicherheit menschlicher Verhältnisse«. Darin heißt es, dass die Welt arm ist und die Menschen auf Grund der Verhältnisse schlecht sind.

Foto: Falk Wenzel

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ZWEITER AKT4. BildMacheath muss fliehen Nach Peachums Anzeige kann Brown seinen Freund nicht länger schützen. Polly überbringt ihrem Mann die lange Anklageliste und rät ihm – auch in Browns Namen – unterzutauchen. Mac lässt sich davon überzeugen, dass er in Gefahr ist. Er übergibt Polly seine Geschäfte und weiht sie in die Personalangelegenheiten ein. Im Übrigen solle sie in den nächsten Wochen alles Geld aus dem Geschäft zu ziehen und an ein Bankhaus schicken. Anschließend solle sie seine Leute an Brown verraten. Polly erschrickt über Macs Kaltblütigkeit. Sie übernimmt das Geschäft und stellt sofort ihre Führungsqualitäten unter Beweis. Angesichts der unmittelbar bevorstehenden Krönungsfeierlichkeiten, die ein gutes Geschäft versprechen, bedauern Macheath‘ Leute die Flucht ihres Chefs. Zwischenspiel vor dem geschlossenen Vorhang Frau Peachum ist im Gespräch mit der Hure Jenny und verspricht ihr ein Kopfgeld für Macheath. Jennys Zweifel, dass Mac bei den Huren erscheint, zerstreut Frau Peachum mit der »Ballade von der sexuellen Hörigkeit«.

5. BildMacheathʼ Festnahme Statt zu fliehen geht Macheath ins Hurenhaus in Turnbridge, wo es am Nachmittag häuslich zugeht. Jenny stiehlt sich hinaus und verrät Macheath an Constabler Smith. Unterdessen erinnert Macheath sich an die gemeinsame Zeit mit Jenny und stimmt die »Zuhälterballade« an, in die Jenny einfällt, als sie mit Smith zurückkommt. Am Ende des Lieds will Smith Macheath verhaften. Dieser versucht durch das Fenster zu entkommen, wird jedoch draußen von Frau Peachum und weiteren Polizisten erwartet.

6. BildAnkunft in Old Bailey – und Flucht aus dem Gefängnis Bei der Ankunft im Gefängnis von Old Bailey straft Macheath seinen Freund Brown mit stummer Verachtung, woraufhin dieser zu weinen beginnt. Andererseits fürchtet Macheath, dass Brown von seinem Verhältnis mit dessen Tochter Lucy erfährt. Er singt die »Ballade vom angenehmen Leben«. Die schwangere Lucy erscheint und macht Macheath schwere Vorwürfe wegen der Hochzeit mit Polly. Macheath bestreitet, mit Polly die Ehe eingegangen zu sein. Auch als Polly er-scheint – voller Mitleid für ihren Mann –, verleugnet er sie. Die beiden Frauen singen das »Eifersuchtsduett«, in dem sie sich gegenseitig beschimpfen und jede behauptet, dass Macheath nur sie liebe. Macheath ist weiterhin auf der Seite von Lucy, als Pollys Mutter erscheint und Polly gewaltsam fortbringt. Macheath umwirbt Lucy, bis diese ihm zur Flucht aus dem Gefängnis verhilft. Während Brown über die Flucht seines Freundes erleichtert ist, wirft Peachum ihm Versagen vor und droht, mit seinen Bettlern die Krönungsfeierlichkeiten zu sabotieren und die Polizei vorzuführen. Vor dem geschlossenen Vorhang singen Macheath und Jenny das »2. Dreigroschen-Finale«, in dem es heißt, dass der Mensch unmenschlich und schlecht sei.

Foto: Falk Wenzel

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DRITTER AKT7. BildPeachum fordert Brown heraus Peachum mobilisiert seine 1.432 Mitarbeiter, die während des Krönungszuges als Bettler das Elend demonstrieren sollen. Die Huren erscheinen und fordern das versprochene Kopfgeld für Macheath. Als die Peachums sich weigern zu zahlen, braust Jenny auf und verrät nebenbei, dass Macheath dabei sei Suky Tawdry zu trösten. Peachum schickt Filch mit der Information zur Polizei. Doch Brown ist schon auf dem Weg zu Peachum, um ihn und seine Leute wegen Straßenbettelei festzunehmen. Peachum reagiert gelassen auf die bevorstehenden Festnahmen: Er könne jederzeit weitere der zahllosen Armen in der Stadt für seine Zwecke einsetzen. Er lässt »Das Lied von der Unzulänglichkeit menschlichen Strebens« spielen. Der unter Druck gesetzte Brown sagt zu, Macheath unter der von Jenny genannten Adresse festnehmen zu lassen. Peachum dirigiert die Bettler weg von der Krönungskirche hin nach Old Bailey. Vor dem geschlossenen Vorhang singt Jenny den »Salomo-Song«. Darin warnt sie vor den fatalen Folgen von Weisheit, Schön-heit, Kühnheit und Verschwendung.

8. BildLucy und Polly – zwei betrogene Frauen Polly sucht Lucy in deren Zimmer in Old Bailey auf, angeblich, um sich für ihr Verhalten am Vortag zu entschuldigen. Gleichzeitig versucht sie von Lucy Macheath‘ Aufenthaltsort zu erfahren. Lucy durchschaut sie, weiß aber auch nicht, wo Macheath sich versteckt hält. Als sie erkennen, dass sie beide betrogen worden sind, werden sie Freundinnen. Lucy zeigt Polly den Muff, mit dem sie die Schwangerschaft vorgetäuscht hat. Vom Fenster aus sehen sie, dass Macheath wieder ins Gefängnis eingeliefert wird. Pollys Mutter erscheint mit einem Witwenkleid, das Polly in stiller Verzweiflung überstreift.

9. BildVorbereitungen für Macheathʼ Hinrichtung und seine Begnadigung Um sechs Uhr morgens soll Macheath gehenkt werden, damit die Hinrichtung nicht die Schaulustigen vom Krönungs-zug abziehe. Macheath lotet Smith‘ Bestechlichkeit aus, für den Fall, dass es ihm gelingt, das Geld aufzutreiben. Smith geht und Macheath singt die erste Strophe des Liedes aus der Gruft. Nur zögernd kommen Macheathʼ Männer der Bitte des Chefs nach, soviel Geld wie möglich aus der Kasse zu ziehen. Zwischendurch bestellt Macheath bei Smith Spar-gel als Henkersmahlzeit. Während der Galgen aufgestellt wird, singt Macheath die zweite Strophe der Liedes aus der Gruft. Polly verschafft sich Zutritt zu ihrem Mann. Sie hat kein Geld um ihm zu helfen. Die beiden nehmen Abschied. Brown persönlich serviert Macheath den Spargel, doch dieser ist unversöhnlich. Als Brown sich in seiner Ehre verletzt fühlt, ordnet er die sofortige Vollstreckung an. Die Zuschauer werden hereingelassen, unter ihnen alle Huren, die eachums, zwei von Macheath‘ Leuten und Polly. Macheath nimmt in einer kurzen Ansprache Abschied von den Zeugen der Hinrichtung. In der »Ballade, in der Macheath jedermann Abbitte leistet« bittet Macheath alle um Verzeihung, wünscht allerdings den Polizisten einen brutalen Tod. Als Macheath oben auf dem Galgen steht, wendet sich Peachum an das Publikum und kündigt an, dass in diesem Stück – anders als im wirklichen Leben – Gnade vor Recht ergehen soll. Im »3. Dreigroschen-Finale« kündigt der Chor einen reitenden Boten des Königs an. Dieser verkündet Macheath‘ Begnadigung durch die Königin. Anlässlich ihrer Krönung wird Macheath zudem reich beschenkt. Jubel macht sich breit. Peachum mahnt, dass reitende Boten selten seien und lässt den »Choral der Ärmsten der Armen« zu singen, der dazu aufruft, angesichts des weltlichen Jammertals manchem Unrecht gegenüber Nachsicht walten zu lassen.

8Foto: Falk Wenzel

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DIE MUSIKKurt Weill vermischte Elemente aus Jazz und Tango, Blues und Jahrmarkts-Musik und garnierte sie mit ironischen Sei-tenhieben auf Oper und Operette. DIE DREIGROSCHENOPER ist keine durchkomponierte Oper, sondern ein politisch engagiertes Theaterstück mit 22 abgeschlossenen Gesangsnummern, für die bis auf die Rolle der Lucy keine Opern-sänger, sondern singende Schauspieler benötigt werden. Brecht und Weill schufen erstmals ein neues Genre musika-lischen Theaters mit konsequenter Anwendung von Brechts epischem Theater und dem Kompositionsstil von Weill, der an der Schnittstelle zwischen E- und U-Musik angesiedelt ist.Kurzer Exkurs: U-Musik=Unterhaltungsmusik; E-Musik=Ernste Musik → Musik, die sich wirtschaftlich nicht trägt aber im Urteil vieler Hörer interessant und erhaltenswert ist. Historisch gesehen ist vor allem die Vorstellung des »Geistes-adels« mit dem Begriff der E-Musik verbunden, die im Kern darin besteht, dass sich bessere Leistung gegen bessere Abstammung behaupten soll: Ein Mensch könne und solle durch seine Bildung und seine besonderen Fähigkeiten Zugang zum aristokratischen Hof erhalten, was ihm durch seine Geburt verwehrt wäre. Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/E-,_U-_und_F-Musik )

In der Musik spiegelt sich die Darstellung der Milieus wider. Der bürgerliche Peachum etwa singt einen seine Religio-sität unterstreichenden Morgenchoral, seine Frau mit der Ballade von der sexuellen Hörigkeit eine opernhafte Arie, Mackie Messer und Polizeichef Brown mit dem Kanonensong in Erinnerung an ihre gemeinsame Militärzeit einen mar-schähnlichen Foxtrott, Mackie und die Hure Jenny im Bordell mit der Zuhälterballade einen Tango, dessen Ursprung in den Bordells von Buenos Aires angesiedelt wird. Die Songs und Balladen sind dramaturgisch aus der Handlung herausgehoben, sie stehen in einem inhaltlich gebrochenen Verhältnis zur Handlung (Einschübe und Zwischenspiel). Das Ich der Songs ist selten identisch mit der Figur des Singenden, z.B. Seeräuber-Jenny, Kanonensong...

Als Entsprechung zu Brechts artifiziellen sprachlichen Kraftmeiereien kreierte [Weill] eine »beschädigt« wirkende, gequälte Musiksprache von dennoch größter Direktheit und Vitalität. Vordergründig bedient er sich der Stilmittel zahlreicher der Mode gehorchender Tanzkapellen, die statt Operettenmusik nun mit dem Mut der Verzweiflung spiel-ten, was sie für Jazz hielten. Eingängig-sentimentale Melodik, für die Weill besondere Begabung besaß, kontrastiert mit trockener und aggressiver Rhythmik, häufige Ostinatobegleitung der Singstimme mit lakonischen Einwürfen des Orchesters. Pipers Enzyklopädie des Musiktheaters, S. 695

Was wir machen wollten, war die Urform der Oper. Bei jedem musikalischen Bühnenwerk taucht von neuem die Frage auf: Wie ist die Musik, wie ist vor allem der Gesang im Theater überhaupt möglich? Diese Frage wurde hier auf primitivste Art gelöst. Ich hatte eine realistische Handlung, mußte also die Musik dagegen setzen, da ich ihr jede Möglichkeit einer realistischen Handlung abspreche. So wurde die Handlung entweder unterbrochen, um Musik zu machen, oder sie wurde bewußt zu einem Punkte geführt, wo einfach gesungen werden mußte. Kurt Weill

Zitiert nach: Bringmann/Megnet Szenische Interpretation von Opern. Die Dreigroschenoper

Orchesterbesetzung: Altsaxophon in Es (auch Flöte, Klarinette in B und Baritonsaxophon in Es) Tenorsaxophon in B (auch Sopransaxophon in B, Fagott, eventuell Bassklarinette) 2 Trompeten Posaune (auch Kontrabass) Banjo (auch Violoncello, Gitarre, Hawaii-Gitarre und Bandoneon, eventuell Mandoline) Pauke Schlagwerk Harmonium (auch Celesta) Klavier (Direktion)

Im Gegensatz zur von Weill vorgesehenen Besetzung der Dreigroschenoper, welche 22 Instrumente, gespielt von neun Musikern, vorsah, spielen in der Produktion an der Oper Halle fast alle Instrumentalisten nur ein Instrument. Damit tritt sie der ursprünglichen Idee einer Salonbesetzung entgegen und lässt den Klang der Musiknummer weitaus satter erscheinen.

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DAS EPISCHE THEATERBrecht begann die Entwicklung seiner Theorie zum epischen Theater in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts. In Ab-grenzung zum expressionistischen und von allem zum naturalistischen Theater suchte er nach einer politischen The-aterform, die zeitgemäß sein sollte. Das Theater sollte nicht abbilden, sondern soziale Missstände aufzeigen und das Publikum aktiv mitdenkend einbeziehen. Dazu entwickelte Brecht verschiedene theatrale Techniken, die in DER DREIGROSCHENOPER erstmals zum Einsatz kamen:

Montage von Szenen – bekannte Modelle (wie hier die traditionelle Opernform) werden verfremdet

Trennung der Elemente – Musik und Handlung werden klar getrennt

Gestischer Gesang – Lieddarstellung, die erzählendes und zeigendes Element miteinander verbindet(Vorbilder: Bänkelsang, Songs im Kabarett)

Darstellungsweise – der Schauspieler verbindet seine Aussage mit dem deutlichen Gestus des Zeigens, direkteAnsprache an das Publikum möglich

Bühne – Aufhebung der vierten Wand, keine Imitation eines realistischen Raumes, Musiker sitzen sichtbar aufoder neben der Bühne, Szenenanweisungen werden eingeblendet, Technikquellen sind teilweise sichtbar

Verfremdung – etwas anders darstellen, als es erwartet wird, Distanz schaffen, das Selbstverständlichewird unverständlich gemacht, damit es Ende klarer wird

Historisieren – soziale Verhältnisse und Verhaltensweisen aus der Entstehungszeit des Stückes werden aus ihrerEntstehungszeit in eine andere Zeit versetzt, zeitliche Distanz schafft Raum für Reflektion über notwendigeVeränderungen im sozialen Umfeld des Zuschauers

Foto: Falk Wenzel

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FRAGEN AN DIE REGISSEURIN HENRIETTE HÖRNIGKWAS IST DIE BESONDERHEIT DIESER INSZENIERUNG ALS GEMEINSCHAFTSPRODUKTION?Die Besonderheit in unserer Kooperation besteht darin, dass wir nach der Erfahrung mit WUT von Elfriede Jelinek auf der Raumbühne die Zusammenarbeit mit der neuen Opernleitung unter Florian Lutz weiterführen wollten. Die Idee bei dieser Inszenierung war, dass hier alle Sparten zusammen kommen: Eine Opernsängerin ist dabei, die Staatskapelle spielt eben nicht nur ihre Musik, sondern agiert auch schauspielerisch. Das ist toll und es ist normalerweise nicht so üblich, dass die Musiker sich mit ihren Instrumenten auf die Bühne begeben. Dass diese Zusammenarbeit zwischen Schauspiel, Staatskapelle und Opernensemble so eng wurde, ist eine wunderbare Erfahrung und trägt enorm zur Stimmung der Inszenierung bei.

WARUM GERADE DIE DREIGROSCHENOPER? WAS IST DAS BESONDERE ODERAUCH SCHWIERIGE, WENN MAN DIESES STÜCK INSZENIEREN MÖCHTE? Ausgehend davon, dass wir in Halle eben ein Orchester, eine Oper und ein Schauspiel haben, hat Florian Lutz uns gefragt, ob wir Dreigroschenoper machen wollen. Ich hatte Lust darauf und es war klar, dass Matthias Brenner das Stück selbst nicht inszenieren wollte, aber gern mitspielen würde. Das ist wohl eines der Stücke, bei dem man durch die Flut an Vorbildern so geprägt ist, dass man sagt: ›Also auf alle Fälle immer gucken, aber nicht machen müssen.‹ Alle kennen irgendwie den Haifischsong und die einschlägigen Hits. Die Geschichte hingegen spannend zu erzählen, davor graut jedem Regisseur ein bisschen, weil man eben schon so viel gesehen hat.

WELCHES REGIEKONZEPT LIEGT DER INSZENIERUNG ZUGRUNDE?Charlie Burchard und ich fragten uns: Wo findet das Ganze statt und wie modern sind die Menschen aus einemneunzig Jahre alten Stück? Uns war wichtig, dass die Räume leicht wiederzuerkennen sind, dass es keine ge-schlossenen Räume sind. Aber dass es auch keine abstrakte Konfiguration ist, sondern die Bewegung zwischenKriminalität und Legalität, zwischen Liebe und Verrat, zwischen Einsamkeit und Massenauflauf in so einer Opern-bühne gegeben seinmuss. Weil wir hier im nt so begrenzte technische Möglichkeiten haben und in der Oper mit der Drehbühne und dem Magazin doch zu größerem »Besteck« auffahren können. Normalerweise heißt es bei Brecht, dass durch einen einfachen Vorhang Lieder und Szene voneinander getrennt sind. Hier haben wir gedacht: Eigentlich müsste diese Stadtlandschaft, für die wir uns dann entschieden haben, mehr oder weniger nur eine Kulisse sein für ein ganz intimes Theaterspiel. Die Stadt, die an einem vorbeizieht, ist eigentlich nur eine Folie für das, was privat und geschäftlich zwischen den Leuten läuft. Die Assoziationsfläche war wichtig. Dass auf der Bühne Arbeit neben Ver-gnügen und Untergrund abgebildet ist. Und dieser Untergrund sind entweder die Katakomben, von denen auch die Rede ist, oder eben das Dach. Bei uns spielt es auf den Dächern, weil die ein guter Ort sind, um zu fliegen, zu fliehen und sich unsichtbar zu machen. Ein mobiler Ausnahmezustand. Dann war ein wichtiger Punkt, die Drehbühne so mit einzubeziehen, dass die Maschine, ähnlich wie diese Oper, zwischen den 22 Musiknummern einfach rotiert. Das ist wie so ein Leierkasten: Wenn der einmal an ist, dann läuft das dem Ende entgegen, was im Stück ja auch relativ schnell klar ist. Macheath soll am Galgen landen, das wird schon ganz am Anfang gesagt und darauf geht eigentlich die Geschichte zu. Und das Tolle ist, dass die Songs wie Zwischenbremsen sind, die immer wieder emotional Räume eröffnen – familiär, geschäftlich, philosophisch –, die einen noch mal in eine ganz andere Ebene bringen. Eben nicht nur der Geschichte zu folgen, sondern allgemeingültige Erkenntnisse und Weisheiten über das Leben musikalisch präsentiert zu bekommen. So eine Art Kaleidoskop, fast ein Wimmelbild.

WARUM GERADE DIE 70ER JAHRE?Ob das nun gerade die 70er oder auch die 80er oder vielleicht einfach Vintage sind, ist erst mal egal. Es geht darum, eine eigene, freie Welt jenseits der Gegenwart und den damit verbundenen spielerischen Zwängen zu gestalten. Die Bettler sollen nicht als Bettler in urbanen Kontexten gezeigt werden. Vielmehr ist die Geschichte von einem Bettler-und einem Ganovenkönigen fast schon ein modernes Märchen. Auch in den 50er Jahren wurden Inszenierungen derDreigroschenoper in die 20er Jahre zurückverlegt. Die Zeit anderthalb Generationen vorher scheint ein guter Blick zurück zu sein, um noch einen Bezug dazu zu haben, gleichzeitig aber zeitlos zu werden. Außerdem waren die 70er, ähnlich den 20ern oder auch den 90ern mit Techno und sich verschärfender Irakkrise, geprägt von Partys, Tanz undRausch und gleichzeitig mit dem Kalten Krieg hoch politisch. Dieser Tanz auf dem Vulkan zeigt sich auch in der Drei-groschenoper in ihren Texten und Liedern, die vom Ende der goldenen Zwanziger zeugen, dieser künstlerisch so aufwühlenden Zeit, auch ein buntes Finale, bevor die Welt endgültig auseinanderbrach.

WAS HAT IM PROBENPROZESS BESONDERS SPASS GEMACHT?Neu war für mich die Arbeit mit den Musikern, der musikalischen Leitung und den Korrepetitoren. Das ist ein andererProbenprozess als im Schauspiel. Sich gegenseitig zu beobachten, zu beeinflussen und voneinander zu lernen, das war gut. Und Weills Musik begleitet einen intensiv. Sie ist der Herzschlag dieser Arbeit. Zu erfahren, wie sich die Spieler im Laufe der Arbeit die Songs souverän körperlich und gesanglich erobern und damit gleichsam eine zweite Inszenierungsebene jenseits der Spielszenen entwickeln – dazu gehört gegenseitige Geduld, Vertrauen, Ausdauer und Lust aufeinander. Ich erlebe am liebsten die letzten zwei Arbeitswochen, in denen sich der gesamte Apparat dem Kunstwerk hingibt und alles zusammen geschoben werden muss, was man sich ausgedacht hat.

Das Gespräch mit der Regisseurin führte Martha König

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SZENEN UND ZITATEBEISPIELHAFTE TEXTSTELLEN DER DREIGROSCHENOPER FÜR DEN UNTERRICHTSZENE 1.1UM DER ZUNEHMENDEN VERHÄRTUNG DER MENSCHEN ZU BEGEGNEN, HATTE DER GESCHÄFTSMANN J. PEACHUMEINEN LADEN ERÖFFNET, IN DEM DIE ELENDSTEN DER ELENDEN JENES AUSSEHEN ERHIELTEN, DAS ZU DEN IMMERVERSTOCKTEREN HERZEN SPRACH.

Peachum. Ihr Name? Filch. Charles Filch. Peachum. Das sind die Grundtypen des Elends. Sie sind geeignet, das menschliche Herz zu rühren. Der Anblick solcher Typen versetzt den Menschen in jenen unnatürlichen Zustand, in welchem er bereit ist, Geld herzugeben. Ausstattung 23: Opfer des Verkehrsfortschritts Ausstattung 45: Opfer der Kriegskunst. Ausstattung 112: Opfer des industriellen Aufschwungs. Du wirst in einem Menschenleben kein Bettler! So wie du aussiehst, taugst du höchstens zum Passanten! Also Ausstattung 23. Filch. Und was geschieht mit meinen Sachen? Peachum. Gehören der Firma. Ausstattung 342: Junger Mann, der bessere Tage gesehen hat, beziehungsweise dem es nicht an der Wiege gesungen wurde. Filch. Warum kann ich das nicht mit den besseren Tagen machen? Peachum. Weil einem niemand sein eigenes Elend glaubt.

SZENE 1.2.d

Mac. Und jetzt muß das Gefühl auf seine Rechnung kommen. Der Mensch wird ja sonst zum Berufstier. Walter und die Verbrecherbande Na, und nun der unauffällige Aufbruch. Mac. Siehst du den Mond über Soho? Polly. Ich sehe ihn, Lieber. Fühlst du mein Herz schlagen, Geliebter? Mac. Ich fühle es, Geliebte. Polly. Wo du hingehst, da will auch ich hingehen. Mac. Und wo du bleibst, da will auch ich sein.

LIEBESLIED Beide. Und gibt’s auch kein Schriftstück vom Standesamt Und keine Blume auf dem Altar Und weiß ich auch nicht, woher dein Brautkleid stammt Und ist keine Myrte im Haar – Der Teller, von welchem du issest dein Brot Schau ihn nicht lang an, wirf ihn fort! Die Liebe dauert oder dauert nicht An dem oder jenem Ort.

ZWEITES DREIGROSCHEN-FINALE

Mac. Ihr Herrn, die ihr uns lehrt, wie man brav leben Und Sünd und Missetat vermeiden kann Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben Dann könnt ihr reden: damit fängt es an. Ihr, die ihr euren Wanst und unsre Bravheit liebt Das eine wisset ein für allemal: Wie ihr es immer dreht und wie ihr’s immer schiebt Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Erst muß es möglich sein auch armen Leuten Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden. Peachum. Denn wovon lebt der Mensch? Mac. Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frißt. Nur dadurch lebt der Mensch, daß er so gründlich Vergessen kann, daß er ein Mensch doch ist.

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Chor. Ihr Herren, bildet euch nur da nichts ein: Der Mensch lebt nur von Missetat allein! Jenny. Ihr lehrt uns, wann ein Weib die Röcke heben Und ihre Augen einwärts drehen kann. Zuerst müßt ihr uns was zu fressen geben Dann könnt ihr reden: damit fängt es an. Ihr, die auf unsrer Scham und eurer Lust besteht Das eine wisset ein für allemal: Wie ihr es immer schiebt und wie ihr’s immer dreht Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral. Erst muß es möglich sein auch armen Leuten Vom großen Brotlaib sich ihr Teil zu schneiden. Peachum. Denn wovon lebt der Mensch? Jenny. Denn wovon lebt der Mensch? Indem er stündlich Den Menschen peinigt, auszieht, anfällt, abwürgt und frißt. Nur dadurch lebt der Mensch, daß er so gründlich Vergessen kann, daß er ein Mensch doch ist. Chor. Ihr Herren, bildet euch nur da nichts ein: Der Mensch lebt nur von Missetat allein!

BRECHTS GESAMMELTE ANMERKUNGENZUR DREIGROSCHENOPERAUS DER GROSSEN KOMMENTIERTEN BERLINER UND FRANKFURTER AUSGABE (SCHRIFTEN 4)S. 57 »Was die Dreigroschenoper betrifft, so ist sie – wenn nichts anderes – eher ein Versuch, der völligen Verblödungder Oper entgegenzuwirken. Die Oper scheint mir bei weitem dümmer, wirklichkeitsferner und in der Gesinnung niedriger als die Operette.«

S. 65 Über das Singen der Songs »Indem er singt, vollzieht der Schauspieler einen Funktionswechsel. Nichts istabscheulicher, als wenn der Schauspieler sich den Anschein gibt, als merke er nicht, dass er eben den Boden dernüchternen Rede verlassen hat und bereits singt. Die drei Ebenen: nüchternes Reden, gehobenes Reden und Singen, müssen stets voneinander getrennt bleiben, und keinesfalls bedeutet das gehobene Sprechen eine Steigerungdes nüchternen Redens und das Singen eine solche des gehobenen Redens. Keinesfalls also stellt sich, wo Worteinfolge des Übermaßes der Gefühle fehlen, der Gesang ein.«

Einleitender Text von Bertolt Brecht zur Schallplatten-Aufnahme der DREIGROSCHENOPER: »Sie werden jetzt eine Oper hören. Weil diese Oper so prunkvoll gedacht war, wie nur Bettler sie erträumen, und weil sie so billig sein sollte, dass Bettler sie bezahlen können, heißt sie ›Die Dreigroschenoper‹.«

Der Zuschauer des dramatischen Theaters sagt: Ja, das habe ich auch schon gefühlt. – So bin ich. – Das ist nur natürlich. – Das wird immer so sein. – Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es keinen Ausweg für ihn gibt. – Das ist große Kunst: da ist alles selbstverständlich. – Ich weine mit den Weinenden, ich lache mit den Lachenden.«Der Zuschauer des epischen Theaters sagt: Das hätte ich nicht gedacht. – So darf man es nicht machen. – Das ist höchst auffällig, fast nicht zu glauben. – Das muß aufhören. – Das Leid dieses Menschen erschüttert mich, weil es doch einen Ausweg für ihn gäbe. – Das ist große Kunst:da ist nichts selbstverständlich. – Ich lache über den Weinenden, ich weine über den Lachenden. Bertolt Brecht

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ZUR PÄDAGOGISCHEN AUFBEREITUNGZUR HANDLUNGROLLENKARTEN FÜR DIE SZENISCHE INTERPRETATION IM UNTERRICHT

AUFGABENSTELLUNG: MIT DEN ROLLENKARTEN BIETEN SICH VIELFÄLTIGEMÖGLICHKEITEN DER EINFÜHLUNG IN DIE ROLLEN AN.

• Rollenkarten (siehe Anhang Materialien) an die Schüler austeilen, durchlesen lassen• Im Gehen laut jeder für sich den ersten Text in Ich-Form vorlesen• Jeder für sich verschiedene Varianten des Vorlesens und einer Haltung dazu ausprobieren• In den jeweiligen Rollengruppen (z.B. alle Mackies) zusammenfinden, die Fragen zur Rolle diskutieren• Als Gruppen auftreten (die Bühne als Ort vorher bestimmen und bei jedem Auftritt mit den Zuschauenden einenakustischen Vorhang machen) und Text chorisch in Ich-Form vorlesen, dann einzeln vortreten und Zitat mit einerHaltung zur Rolle vorlesen

• Skulpturenpark: Standbilder mit zwei je »Bildhauern« und zwei »Skulpturen« (in ihrer jeweiligen Rolle) zurDreigroschenoper bauen. Die »Bildhauer« dürfen anschließend rumgehen und die die Skulpturen beimMuseumsrundgang begutachten. Wenn sie angetippt werden, sagen die Skulpturen ihr Lebensmotto.Danach Wechsel von Bildhauern und Skulpturen für einen zweiten Durchgang.

ZUR MUSIK• MUSIKALISCHE BLITZLICHTER:Standbilder bauen zu einzelnen Songs, jeweils etwa 30 Sekunden Musik. Erst die Musik anhören, dann in Dreiergruppen das Standbild ausprobieren, anschließend den anderen die jeweiligen Standbilder vorführen (mit Musik).Musikvorschläge: Haifischsong, Lied der Seeräuber-Jenny, Kanonensong, Lucys Arie

• MUSIKALISCHE ANALYSE DURCH STANDBILDERMusiknummern, die so klar aufgebaut sind wie die »Ballade der sexuellen Hörigkeit«, können analysiert werden, indem man die einzelnen Elemente der Musik (hier deutlich durch die drei Stimmen Gesang, akkordische Begleitung und Bass linie zu unterscheiden) in Standbilder umsetzen. In diesem Fall entstehen drei Facetten der Person Celia Peachum: das posenhafte des Gesangs, das religiöse Element in den Mittelstimmen und das lasziv-erotische in der Unterstimme. Stellt man alle drei Bilder nebeneinander und kommentiert sie, wird die Doppelmoral der Figur deutlich. Weills Art zu komponieren kann an dieser Stelle beispielhaft erfahren werden. An das Verfahren schließe sich gut Testaufgaben an: Wie wird Frau Peachum in diesem Song musikalisch charakterisiert? Welche Wirkung will der Komponist damit erreichen? Findet sich diese Komposi-tionsweise in anderen Liedern der Dreigroschenoper wieder?

(entnommen aus Brinkmann / Megnet: Die Dreigroschenoper. Szenische Interpretation von Opern. S. 76)

ZU DEN THEMEN »ARMUT« UND »BETTLER«Jens Rostocks Zwei auf einer Insel. Lotte Lenya und Kurt Weill, S. 123:Die Lumpen, Huren und Krüppel wissen, wovon sie reden und singen, und die Zuhörer können es ihnen überraschend gut nachfühlen: Auf den Straßen der deutschen Großstädte vervielfältigt sich das Arbeitslosenheer beim bloßen Hinsehen; der Kollaps der internationalen Wirtschaft, der große Börsen-Crash sind nur wenige Kalenderblätter weit entfernt. In den Songs von Lucy, Polly, Jenny und Macheath erkennen viele Theaterbesucher die bitteren Fakten der sozialen Wirklichkeit wieder, die sie tagtäglich in Neukölln oder am Prenzlauer Berg erleben.

Umsetzung in DER DREIGROSCHENOPER Wie oben beschrieben war das Stadtbild Berlins geprägt durch Kriegsversehrte, Bettler, Arbeitslose und Prostituierte. Das Geschäft des Herrn Peachums, welches Bettler verkleidet durch die Straßen ziehen lässt, muss in diesem Zusammenhang als groteske Satire auf die gesellschaftlichen Verhältnisse betrachtet wer-den. Es wirkt daher als künstlerisches Stilmittel der Provokation und gleichzeitigen Verfremdung.DIE DREIGROSCHENOPER konfrontiert SchülerInnen und LehrerInnen gleichermaßen mit Menschen, die aus Lebens-zusammenhängen kommen, in denen andere Verhaltensweisen und Wertvorstellungen zu finden sind als in ihren igenen. Prostituierte, Kriminelle und Bettler gehören zwar zur Gesellschaft, ihre Lebensweise unterscheidet sich aber von der

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eigenen und wirkt daher »fremd«. Diese Fremdheit innerhalb der eigenen Kultur bewirkt Klischeevorstellungen, Vorur-teile und Ausgrenzungen, denen die Figuren des Stücks schnell ausgeliefert sein können. Es muss also bewusst mit der Lebenswelt dieser Figuren umgegangen werden, um nicht ihre Außenseiterposition zu verstärken. Erst wenn die Hinter-gründe und Lebensumstände betrachtet wurden, wenn Biographien der Figuren entworfen sind, dann kann ein klarer Blick auf das Milieu geworfen werden, aus dem sie stammen.

Mögliche Aufgabenstellung:• Bildet zwei Gruppen: die Bettler und die Gauner.• Welche Haltung, welchen Gang nehmt Ihr als Gruppe ein?• Stellt Euch gegenüber auf, geht bis zur Mittellinie aufeinander zu und zeigen eine Geste.• Probiert das gleiche mit der Musik der Ouvertüre aus.• Die Gruppen laufen aufeinander zu und aneinander vorbei, zeigen ihre Geste und taxieren dabei die anderen.• Wie könnte man das im Sinne Brechts verfremden?

ZUR NACHBEREITUNGDES AUFFÜHRUNGSBESUCHSSCHREIBEN EINER KRITIKAls Vorbereitung auf das Schreiben einer Kritik zum Aufführungsbesuch füllen die SchülerInnen den Fragebogen aus.Danach kann schon darauf hingewiesen werden, dass der Fragebogen – ähnlich einer Kritik – sowohl Beschreibungen,als auch Meinungen dazu beinhaltet.Zum Vergleichen der Ergebnisse können die SchülerInnen als Interviewende (1 Person) und Interviewte (1 bis 3 Personen) eine fiktive Radiosendung vor ihren Mitschülern spielen und dabei die Fragen und Antworten auf dem Fragebogen als Hilfestellung nutzen.In einem dritten Schritt sollte im Plenum darüber gesprochen werden, was beim Schreiben einer Kritik zu beachten ist. Dazu können auch bereits bestehende Kritiken betrachtet werden.Zum Schluss können sich die SchülerInnen gut vorbereitet an das Schreiben einer eigenen Kritik wagen.Der Fragebogen und eine beispielhafte Kritik finden sich im Anhang.

15Foto: Falk Wenzel

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MATERIALIENA. ROLLENKARTENB. FRAGEBOGEN ZUM SCHREIBEN EINER KRITIKC. KRITIK ZUR HALLENSER INSZENIERUNG IN DER »NEUEN MUSIKZEITUNG«

Polly Peachum (Peachums Bettlergarderobe): Du bist eine schöne junge Frau und arbeitest im Geschäft Deines Vaters »Peachums Bettlergarderoben«. Du bist im heiratsfähigen Alter und da Du romantisch veranlagt bist, träumst von einer abenteuerlichen Liebe, wie Du sie aus Romanen kennst. Vor einigen Tagen hast Du den Herrn Macheath kennengelernt, der Dich einige Male zum Tanzen ins Tintenfischhotel eingeladen hat, natürlich in Begleitung Deiner Mutter. Weil er so ein feiner Herr ist, hast Du seinen Heiratsantrag gleich angenommen. Womit er eigentlich sein Geld verdient, weißt Du aber nicht, das ist Dir egal. Da Mackie glaubt, dass Dein Vater etwas gegen die Heirat haben könnte, findet sie heimlich ohne Deine Eltern statt. Das findest Du aufregend.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen?Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du? Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

FINDE DEIN LEBENSMOTTO!

Zitat: »Was ich möchte, ist es viel? Einmal in dem tristen Leben einem Mann mich hinzugeben. Ist das ein zu hohes Ziel?«

Jonathan Jeremiah Peachum (Pechums Bettlergarderobe): Du bist ein sehr christlicher Mensch, die Bibel ist der einzige Geschäftsgegenstand, den Du nicht missen kannst. Du hast das florierende Unternehmen „Peachums Bettlergarderoben aufgebaut, dass die Bettler in London organisiert. Du kleidest sie entsprechend elend ein und gibst ihnen Bibelsprüche mit auf den Weg, damit sie möglichst viel Mitleid erregen. Deine stets betrunkene Ehefrau fertigt die Kostüme an, Deine Tochter Polly hilft mit im Geschäft, weil sie mit ihrem hübschen Äußeren für gute Laune bei den Bettlern sorgen soll. Das Elend ist für Dich eine Ware. Du glaubst weder an die Wirkung des Geldes noch des Intellekts. Du bist durch und durch resigniert.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen?Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du? Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

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Zitat: »Denn die Gemeinheit der Welt ist groß, und man muß sich die Beine ablaufen,damit sie einem nicht gestohlen werden.«

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Filch (Bettler): Du bist 23 Jahre alt und lebst allein zur Untermiete in einer kleinen Dachkammer in einer heruntergekommenen Gegend. Da Du die Miete gerade fast nicht mehr aufbringen kannst, rechnest Du damit, aus der Wohnung zu fliegen. Tags-über hängst Du meistens in Kneipen rum oder bettelst auf der Straße. Du hast nichts gelernt, da Dein Vater alles verspielt und Deine Mutter den Rest versoffen hat. Du hast zu oft die Schule geschwänzt und auch keine Lehrstelle bekommen. estern bist Du beim Betteln auf der Straße von zwei Männern einfach so zusammengeschlagen worden. Danach haben die beiden Dir eine Visitenkarte von »Peachums Bettlergarderoben« gegeben, bei dem Du jetzt bald mal vorbeischauen willst.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen?Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du? Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

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Zitat: »Meine Mutter war eine Säuferin, mein Vater ein Spieler. Von früh an auf mich selber angewiesen, ohne die liebende Hand einer Mutter geriet ich immer tiefer in den Sumpf der Großstadt.«

Macheath gennnt Mackie Messer (Gang): Du bist 38 Jahre alt und Londons oberster Verbrecherchef und hast Verbindungen in alle Schichten und Kreise. Dein Erfolg gründet sich aber auch auf der Disziplin in der Deiner Gang, die Dir sehr ergeben ist und bei allem mitzieht. Nun willst Du nur noch „ein paar Dinger drehen“ und Dich dann im Bankgewerbe selbstständig ma-chen. Du pflegst täglich Deine Gewohnheiten – den Tee im Tintenfischhotel ebenso wie den Besuch im Hurenhaus. Dort ar-beitet Deine alte Liebe Jenny. Heutzutage hältst Du Dich allerdings mehr an reiche Bürgertöchter. Gestern warst Du mit Lucy, der Tochter Deines alten Freundes und oberstem Polizeichef von London, zusammen. Heute heiratest Du Polly Peachum, die Tochter des Bettlerkönigs von London. Allerdings ohne alle Formalitäten, so kannst Du sie schneller wieder loswerden.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen?Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du? Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

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Zitat: »Meine Damen, lang bevor mein Stern über dieser Stadt aufging, lebt ich in den dürftigsten Verhältnissen mit einer von Ihnen, meine Damen. Und wenn ich auch heute Mackie Messer bin, so werde ich doch niemals im Glück die Gefährten meiner dunklen Tage vergessen.«

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Spelunken-Jenny (Hure): Du bist 29 Jahre alt und lebst und arbeitest im Hurenhaus. Jede von Euch hat ihren eigenen Zu-hälter, der für sie sorgt und abkassiert. Dir bleibt von dem Geld nur wenig. Neben Deiner Arbeit hast Du noch alltägliche Dinge zu tun wie Bügeln, Stopfen und Einkäufe erledigen. Das machst Du nachmittags, Dein Dienst beginnt um 18.00 Uhr und morgens schläfst Du. Du siehst gut aus und hast viele Freier. Die Arbeit im Hurenhaus ist für Dich eine Arbeit wie jede andere auch. Dir geht es dort nicht schlecht. Vor einiger Zeit warst Du mit Mackie Messer zusammen und Du warst sehr ver-liebt in ihn. Er war Dein Zuhälter und manchmal war er brutal zu Dir. Das gemeinsame Kind hast Du durch eine Fehlgeburt verloren. Mackie hat Dich verlassen, jetzt hast Du einen neuen Zuhälter.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen?Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du? Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

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Zitat: »Nur dadurch lebt der Mensch, dass er so gründlich vergessen kann, dass er ein Mensch doch ist.«

Lucy Brown (Polizei): Du bist die 19-jährige Tochter des obersten Polizeichefs von London. Du lebst mit ihm zusammen in einer großen Wohnung neben dem Staatsgefängnis Old Bailey. Du arbeitest in der Kanzlei eines Rechtsanwaltes, weil Du etwas lernen sollst. Die Arbeit gefällt Dir. Durch Deinen Vater hast Du seinen Freund Mackie Messer kennengelernt, mit dem er zusammen Geschäfte macht. Er schaut häufig bei Euch zuhause rein, in letzter Zeit auch, wenn Dein Vater nicht da ist. Er gefällt Dir gut, Du hast Dich in ihn verliebt. Davon darf Dein Vater aber auf keinen Fall etwas erfahren, er würde Dich wahr-scheinlich totprügeln. Um Mackie zu einer Heirat zu bewegen, täuscht Du eine Schwangerschaft vor. Das hilft allerdings leider nichts.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen? Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du?Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

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Zitat: »Eifersucht! Wut! Liebe und Furcht reißen mich in Stücke. Vom Sturm hin und her geworfen,von Kummer zerbrochen.«

Inspektor Jack Brown (Polizei): Du bist 45 Jahre alt und der oberste Polizeichef von London. Du nimmst Deinen Beruf sehr ernst und bist erfolgreich. Das erwartest Du auch von deinen Untergebenen. Mit Mackie bist Du gemeinsam im Krieg ge-wesen, er hat Dir einmal das Leben gerettet. Du fühlst Dich ihm gegenüber verpflichtest und Du übersiehst geflissentlich die Verbrechen seiner Gang. Du gerätst dadurch in schwierige und manchmal peinliche Situationen. Du willst den Freund schützen, musst aber auch Deinem Berufsethos gerecht werden. Dieser Konflikt bestimmt Dein Leben. Zurzeit bist Du mit den schwierigen sicherheitstechnischen Vorbereitungen für die anstehenden Krönungsfeierlichkeiten beschäftigt, bei de-nen nichts schief gehen darf. Deine Tochter Lucy liebst Du über alles. Sie soll mal einen Rechtsanwalt heiraten.

Fragen an die Rolle: Wie alt bist Du? Wie und wo lebst Du? Mit welchen Menschen und welcher sozialen Umgebung?Welchem Milieu gehörst Du an? Wo hältst Du Dich in London meistens auf? Hast Du eine Familie?Wenn ja – was bedeutet sie für Dich? Wen magst Du, wen nicht und warum? Hast Du Freunde oder Freundinnen? Wenn ja, was machst Du mit Ihnen? Liebst Du jemanden und was bedeutet Dir das? Magst Du Dich selbst?Was erwartest Du vom Leben? Wie wirst Du von anderen gesehen? Welche Träume hast Du? Worunter leidest Du?Wie ist Deine materielle Situation? Was für einen Beruf hast Du? Liebst Du Deine Arbeit? Warum?Was weißt Du von Mackie Messer? Hast Du von seinen Untaten gehört? Was hältst Du davon?

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Zitat: »Du weißt doch, Mac, daß ich dir nichts abschlagen kann. Ich muß gehen, ich habe den Kopf wirklich so voll;wenn bei der Krönung nur das Geringste passiert.«

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KRITIK ZUR DREIGROSCHENOPERAN DER OPER HALLE VON .............................................................................................

Wie war Deine Erwartung? Wie war der erste Eindruck? Wie könnte man die Bühne / die Kostüme beschreiben? In welcher Zeit ist die Inszenierung angesiedelt? Wie wird die Geschichte erzählt? Mit welchen Mitteln? Wenn du an Brechts Theaterideen denkst: Wie wurden diese bei dieser Inszenierung umgesetzt? Wie war die Musik (das Orchester, der Gesang)? Hat Dich die Musik berührt? Wie gefiel dir der Gesang? Was war ungewöhnlich an der Aufführung? Was hat Dir gefallen, was nicht? Und zum Schluss – wem würdest Du DIE DREIGROSCHENOPER weiterempfehlen, wem nicht?

BEISPIEL:

DA GRINST DER HAIFISCH SICH EINS – DIE DREIGROSCHENOPERVON KURT WEILL UND BERT BRECHT IN HALLEKritik von Joachim Lange in der »neuen musikzeitung« vom 20. Februar 2018

(nmz) – In DER DREIGROSCHENOPER könnte wohl jeder Theater- bzw. Opernfreund ab einem gewissen Alter überdurch-schnittlich viele Songs mitsingen. In der jüngsten Gemeinschaftsproduktion von Schauspiel und Oper in Halle wird nach der Pause aus dem »könnte« ein »sollen«. Und es funktioniert! Das Publikum singt mit. Den Mackie-Messer-Song, was sonst. Laut und leise. Da grinst der Haifisch sich eins. Da schwappt der Drive, der vor 90 Jahren die Gemüter erhitzte über jedes Verfremdungsgebot hinweg ganz direkt ins Gemüt. Damit hatte es schon angefangen, als Harald Höbinger als Moritatensänger mit leichter Brecht-Anmutung, zu Beginn diesen Song aus einer kleinen Spieluhr zauberte und dann die ganze Truppe vor den Vorhang zitierte. Da sah und hörte man sie schon mal.

Wie gut, dass man die Dreigroschenoper nicht nur im Gedächtnis hat, sondern dass sie nach 15 Jahren in aller Pracht und ziemlich theaterdeftig frisch wieder auf die Bühne kommt. Diesmal auf die des Opernhauses. Mit einer Dreigroschenvariante der Staatskapelle (gutes Dutzend) im hochgefahrenen Graben, die Michael Wendeberg vom Klavier aus leitet. Und das, bwohl die Musiker von Mackies Gangstertruppe mit vorgehaltener Waffe und ziemlich ruppig an ihren Arbeitsplatz getrie-ben wurden. Schon das machen sie fabelhaft. Die Musik dann um so mehr! Mit spürbarer Lust, an dieser Art von engem Kontakt zur Bühne. Auf die Drehbühne hat Ausstatterin Claudia Charlotte Burchard ein verlottert urbanes Mehrzweck -e tablissement gebaut, das entfernt an eine Castorf Bühne der Marke Alexandar Denic erinnert, und genauso imaginierend und stückzusammenhaltend funktioniert. Im zweiten Teil ist Platz für die Zelle gleich hinter der Leuchtreklame des Hotels.

Die Verhältnisse, die sind halt so …Mit dieser Produktion zahlt sich die organisatorische Klammer zwischen Schauspiel, Orchester und Oper in Halle mal ganz direkt auch künstlerisch aus. Was natürlich nicht funktionieren würde, wenn nicht auch der Opern- und der Schauspiel-intendant und ihre Gefolgschaft das wollen. Und können. Der eine, Matthias Brenner, sogar als doppelter Chef: als der des Schauspiels, der sich ohne Egoproblem von seiner Chefdramaturgin Henriette Hörnigk in Szene setzen lässt und als Oberhaupt der Bettlerfirma Peachum auf der Bühne! Dass es ihm gelingt, auch noch den Animateur zu geben und das

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Publikum beim Mitsingen zu dirigieren, spricht nicht nur für ihn, sondern auch für das gute alte Erbstück aus der Abteilung Klassenkampf und Sozialkritik. Wobei es Brecht vor allem um eine Dialektik geht, die nicht nervt, sondern als Bonmot, nicht mehr aus dem Kopf zu kriegen ist. Wenn er etwa die Gründung einer Bank mit dem Einbruch in solch ein Institut vergleicht und suggeriert, dass das erste fieser als das zweite ist. Versteht jeder. Stimmt trotzdem nur halb. Auch über das Primat von Fressen und Moral ließe sich trefflich streiten. Wenn man aber zu der Musik hört, dass erst das Fressen und dann die Moral kommt, dann glaubt man das einfach. Die Verhältnisse, die sind halt so. Oder eben nicht.

… oder eben nichtDiese Dreigroschenoper glaubt man, weil sie nicht in Cent umgerechnet wird. Ein paar Körnchen Gegenwartsaroma, »vor-wärts immer, rückwärts nimmer«, oder »you are fired«, eine Prise Fuck-you-Slang und einmal Village People. Auch schon irgendwie nostalgisch. Dieser Abend setzt voll auf Theater und ein Ensemble, das es eben drauf hat. Der erste Dialog im Hause Peachum zieht sich etwas, doch er schafft es, dass man von da ab sehnsüchtig auf jeden Auftritt von Celia Peachum wartet. Denn Elke Richter übertrifft sich selbst: Kann die Fänden in der Hand und Kurs beim Torkeln halten, Slapstick und fabelhaft singen. Brenner hat für seinen Peachum neben aller Ironie auch einen Zipfel Theaterkönigswürde dabei. Damit lassen sich auch die Songs flankieren. Natürlich ist Martin Reik als Mackie Messer eines der Pfunde dieser Inszenierung. (Naja – ein paar mehr als eins). Raumfüllend präsent, phantastisch bei Stimme, der sympathische Ganove von nebenan, dem die Frauen natürlich zu Füßen liegen. Vor allem die zarte Tochter der Peachums und die von Polizeichef Tiger-Brown. Wunderbar wie Annemarie Brüntjen als Polly die Höhe der Seeräuber Jenny erklimmt oder wie Ines Lex als Lucy mal kurz überm Kinderwagen die vokale Tür zur großen Oper öffnet. Eine Show für sich ist, wenn die beiden Frauen beim Knastbe-such aufeinander losgehen – Zickenkrieg vom Feinsten. Toll wie Till Schmidt (Münzmatthias), Karl-Fred Müller (Hakenfinger-jakob) und Jörg Simonides (Sägerobert) die Gangstertruppe hintrotteln. Oder wie Bettina Schneider als Spelunken-Jenny ihre Huren kommandiert, Peter W. Bachmann zwischen Pastor, Bulle und Hure und Hagen Ritschel zwischen Nachwuchs-bettler, Hure und Tanzfee wechseln. Und wie Matthias Walter seinen Tiger-Brown dazwischen schlackst. Den reitenden Boten des Königs (oder der Königin?), den übernimmt hier der Moritatensänger Brecht als fliegender Superman-Engel.

In der Oper Halle setzen sie auf das Stück, vertrauen ihm und dem, was sich die Leute dazu denken (können). Und sie ge-winnen. Jubel ohne Widerspruch. Auch mal schön.

(https://www.nmz.de/online/da-grinst-der-haifisch-sich-eins-die-dreigroschenoper-von-kurt-weill-und-bert-brecht-in-halle)