Die Linde, der geweihte Baum der Göttin Freyawie möglich auf einer Bank am Busen der Linden-Mutter...

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3 Dieter Kremp Die Linde, der geweihte Baum der Göttin Freya Die Linde als Heilpflanze Engelsdorfer Verlag Leipzig 2012 Diese Leseprobe ist urheberrechtlich geschützt!

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Dieter Kremp

Die Linde, der geweihte Baum der Göttin Freya

Die Linde als Heilpflanze

Engelsdorfer Verlag Leipzig 2012

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Bibliografische Information durch die Deutsche Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek

verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.

ISBN 978-3-86268-754-1

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Gewidmet Waltrud Kremp, Julia Koch, Jutta Kremp, Joshua Koch, Helena Kremp, Samuel Kremp, Dieter Koch,

allen Frauen mit den Vornamen Linde, Linda und Gerlinde, der Luitpoldlinde in Hoof und alles Gasthäusern mit dem

Namen „Zur Linde“.

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Vom Zauber der Linde Linde … schon allein der Klang des Namens dieses Baumes weckt Bilder, Träume, Düfte und Töne. War-me, milde Sommerluft in den Mittsommertagen um Johanni, der Duft von Blüten und Honig, das tiefe Summen vieler Tausend Bienen. Es ist schon so oft beschrieben worden, dass man es nicht mehr hören kann. Aber wenn man dann wirklich in einer lauen Sommernacht durch eine Lindenallee schlendert, af der Ruhebank unter der alten Dorflinde sitzt, dann empfindet man alle Lobeshymnen auf die Linde noch untertrieben. Alles an der Linde ist weich und süß, eben lind. Und um soviel wie möglich an der Linde teilzuhaben, um so nah wie möglich auf einer Bank am Busen der Linden-Mutter sitzen zu können, haben die Menschen seit langen Zeiten die Linde zum klassischen Mittelpunkt ihrer Dörfer und Städte gemacht. Diese Liebe beruht auf Gegenseitigkeit. Auch die Linde scheint die Nähe des Menschen zu lieben, sie wächst nicht gern, Baum an Baum gedrängt, im Wald. Hier, auf dem Dorfplatz, breitet sie sich gewaltig aus, weich und einhüllend wölbt sie ihre Krone über die Bänke, manchmal schon seit über tausend Jahre. Ganze Bücher voller Gedichte, Lieder, Sagen sind darüber geschrieben worden, was sich im Schatten dieses heili-gen Baumes alles zugetragen hat. Junge Paare tanzten im Mittelalter, begleitet von der Handtrommel, um den

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Baum. Besonders im Mai und Juni löste ein Tanzfest das andere ab. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte änderten sich die Trachten, Instrumente und Tänze, aber die alte Linde blieb der Mittelpunkt vieler Feste. Hier, unter der Linde, soll Zwergenkönig Laurin die Schwester Dietrich von Bern’s geraubt haben und hier besiegte Siegfried den Drachen. Walther von der Vogelweide bereitete sein berühmtes Liebeslager aus Heidekraut und Rosen unter der Linde, und sicher viele andere Paare im Laufe der folgenden Jahrhunderte. Überhaupt sind die meisten Lindengeschichten zugleich auch Liebesgeschichten, denn die Linde ist der Baum der Liebe. Sie war natürlich einer Göttin geweiht. In der Antike wurde unter einer Linde der Liebesgöttin Aph-rodite geopfert. Die Germanen verehrten Freya, die Göttin der Liebe und des Glücks, in der Linde. Später sind dann aus den vielen Freya-Linden die Maria-Linden geworden. Die Linde, als Baum der Liebe, trägt tausende von kleinen Herzen an ihren Zweigen. Ihre unregelmäßig geformten Blätter haben nämlich genau die Form des menschlichen Herzens. Der Baum der Göttin Freya war für die Germanen zugleich auch der Gerichtsbaum, unter dem ihre Ge-richtsverhandlungen und Thingversammlungen abgehal-ten wurden. Freyas Baum, so glaubten sie, könne bewir-ken, dass die reine Wahrheit ans Licht komme.

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Durch den süßen Duft dieses Baumes hat sich sicher so mancher Richter zu einem milderen Urteil bewegen lassen. Die Urteile unter Donars Eichen wären vielleicht strenger ausgefallen. Bis in unsere Zeit waren die Linden Gerichtsbäume; viele der alten Linden, die noch heute stehen, waren einmal Gerichtssaal und Richtstätte zugleich. So gibt es nicht nur Geschichten um die Liebe, die sich um die alten Linden ereigneten, sondern auch viele Sagen und Märchen, die von weisen oder ungerechten Urteilen unter den Linden erzählen. In seiner Geschich-te »Die drei Linden« hat Hermann Hesse von solch einem Linden-Urteil erzählt. Was hat die Linde mit einem Lindwurm gemeinsam? Um diese Frage zu beantworten, müssen wir wieder in germanische Zeiten hinabtauchen. Zuerst muss man einen Lindwurm mal genauer beschreiben. Es ist ein ganz »gewöhnlicher Drache«, jedoch unterscheidet er sich von anderen durch seine Flügellosigkeit. Er kann sich nicht in die Lüfte erheben, ist aber dafür auf der Erde umso wendiger. Die deutsche Bezeichnung »Linde« geht auf einen germanischen Baumnamen zurück, der seine Wurzel in dem indogermanischen Adjektiv »lento-s« = biegsam, hat. Die Biegsamkeit des Lindenbastes und des Holzes scheint der Linde ihren Namen verliehen zu haben. Auch der Lindwurm verdiente diese Bezeichnung, er ist besonders »lint«, das heißt, biegsam und beweglich.

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Außer dieser etymologischen Erklärung gibt es noch eine recht abenteuerliche Geschichte, die einen weiteren Zusammenhang der Linde mit dem Lindwurm be-schreibt: In der Siegfried-Sage kämpft der junge Held mit einem riesigen Lindwurm. Fafnir ist ein ekelhafter, sich win-dender Drache, der rote und blaue Flammen speit. Siegfried gelingt es, den Drachen mit seinem Schwert zu töten. Vom Drachenblut konnte man, wie zu dieser Zeit jeder wusste, Unsterblichkeit erlangen. Also badete Siegfried im Blut des Lindwurmes. Und gerade in diesem Moment ließ die nahe stehende Linde ein Blatt fallen. Es blieb genau zwischen Siegfrieds Schulterblät-tern haften. Diese einzig verwundbare Stelle sollte ihm später zum Verhängnis werden. Wieder unter einer Linde, gab ihm Hagen den Todesstoß, genau in diese verwundbare Stelle hinein. Als niemand mehr an Drachen glaubte und es verboten war, unter heiligen Bäumen irgendeinem heidnischen Gott zu opfern, da waren es die Linden, die als einzige Baumheiligtümer in die neue Zeit hinübergerettet wurden. Nachdem an der alten Gerichts- oder Freyalin-de ein Kreuz oder eine Mariafigur befestigt worden war, sahen die Ordnungshüter in den Bäumen nichts Gefähr-liches mehr und sie durften weiterhin im Mittelpunkt des dörflichen Lebens stehen bleiben. Die Linde blieb der Schutz- und Familienbaum, der der Gemeinde oder einer einzelnen Familie Glück und Gesundheit bescheren sollte.

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Von dem Botaniker Linné, der die Pflanzen in ein bis heute gültiges System einteilte, berichtet Wilhelm Mannhardt in seinem Buch über Baumkulte solch eine Familien-Baum-Geschichte: »In Lindegard in Schweden stand eine große, dreistäm-mige Linde, die der Familienbaum dreier Familien war: Linnaeus (Linne), Lindelius und Tiliander. Alle drei Familien hatten sich nach der Linde benannt. Als die Familie Lindelius als erste ausstarb, vertrocknete einer der Hauptäste. Nach dem Tode der Tochter des Botanikers hörte der zweite Ast auf, Blätter zu tragen. Als dann die letzte der Familie ausstarb, war auch die Kraft des Baumes erschöpft. Er starb ab.« Von den alten Dorf- und Familienlinden sind noch einige übriggeblieben. Mit einer kleinen Tafel versehen und ordentlich renoviert stehen sie noch immer n ihrem alten Platz. Nicht nur in Deutschland erzählt man sich Geschichten um die alten Lindenbäume, sondern auch in der griechi-schen und römischen Literatur gibt es Erzählungen um diese Bäume. Nach der griechischen Sage soll die Linde eng mit der Philyra, einem Geistwesen, verbunden gewesen sein. Für die Griechen war es eine Gnade der Götter, in einen Baum verwandelt zu werden. Das Liebespaar Philemon und Baucis wurde wie Daphne in zwei Bäume verwan-delt. Hermes und Zeus wanderten über die Erde, um die Menschen zu prüfen. Als zwei arme Wanderer verklei-

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det, klopften sie an die Türen und baten um Unterkunft. Überall wurden sie unfreundlich und abweisend behan-delt. Nur das alte Bauernehepaar Philemon und Baucis, die besonders arm waren, öffneten den Wanderern die Tür. Sie bewirteten die beiden mit allem, was sie noch besa-ßen. Nach dem Essen sprachen die beiden Fremden von einer bevorstehenden Sintflut und befahlen dem Paar, sofort das Haus zu verlassen. Es stürmte schon bedrohlich, als die beiden, Arm in Arm, das Haus verließen. Sie kämpften sich durch Regenfluten eine Anhöhe hinauf, genauso, wie es die beiden Wanderer geraten hatten. Es wurde immer finsterer, und die Bäche hatten sich in reißende Fluten verwandelt. Endlich, am Fuße des Berges angelangt, suchten sie in einer Ruine Unterschlupf und schliefen erschöpft ein. Während sie schliefen, wurde das Dorf, in dem sie gewohnt hatten, und alle anderen menschlichen Behausungen von den Fluten weggerissen. Als Philemon und Baucis wieder erwachten, war das Unwetter vorbei, und sie entdeckten, dass die beiden Wanderer ihnen das Leben gerettet hatten. Die Ruine, in der sie jetzt aufgewacht waren, war ein alter Tempel. Beide lebten noch lange dort und hüteten das verlassene Heiligtum. Sehnlichst wünschten sie sich, nicht durch den Tod getrennt zu werden und an diesem schönen Platz bleiben zu dürfen. Die Götter erfüllten ihnen diesen Wunsch. Baucis verwandelten sie in eine Linde, und Philemon wurde zur Eiche. Eng

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umschlungen sollen beide Bäume noch jahrhunderte-lang das Dach des Tempels wie Säulen getragen haben. Die Linde spielte nicht nur in der Mythologie eine Rolle, sondern auch im alltäglichen und sozialen Leben. Jedes europäische Dorf hatte früher seine Dorflinde, die das Zentrum bildete und wichtiger Kommunikations-platz war. So ist es kein Wunder, dass so viele Geschich-ten, wahre oder erfundene, unter einem Lindenbaum spielen. Das soziale Leben hat sich verändert, es besteht kein Bedarf mehr an einer Dorflinde. Die Menschen verbrin-gen ihre Abende meist isoliert vor dem Fernseher und am Computer, die Kommunikation ist unterbrochen. Welcher Städteplaner reserviert schon in der Mitte einer Trabantenstadt einen Platz für eine Linde, unter der Tanzveranstaltungen und Feste, oder auch nur der kleine Plausch am Abend stattfinden können. Das Zentrum der neuen Siedlungen ist heute meist ein großer Supermarkt oder eine Fußgängerzone, die mit Waschbetonbehältern ausstaffiert in allen Städten Europas gleich aussieht. Es hat noch einen weiteren Grund, warum es immer weniger alte Linden in unseren Städten gibt. Sie sind besonders empfindlich gegen Abgase. Linden sind auch in unseren Wäldern zur Rarität ge-worden. Sie haben in der modernen Forstwirtschaft keine Bedeutung mehr. Ihr Holz ist nicht gefragt. Dabei war es einmal das »Lignum sanctum«, das »heilige Holz«, aus dem Riemenschneider, Veit Stoß und viele unbe-

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kanntere Meister ihre Werke schufen, denn das weiche Holz der Linde eignet sich sehr gut für Schnitzereien. Lindenholz ist nicht als Nutz- oder Bauholz verwend-bar, und als Brennholz versagt es. So werden heute so profane Dinge wie Pinselstiele, Uhrenkästen, Spulen und Reißbretter aus dem Lindenholz hergestellt. Über sehr lange Zeit hinweg wurden die Linden hauptsächlich ihres Bastes wegen geschätzt und angepflanzt. Schon in steinzeitlichen Pfahlbauten fand man Lindenbast. Die Bewohner dieser Hütten hatten aus dem Lindenbast Matten, Betten und sogar Kleidungsstücke gefertigt. Später waren es die Seiler, die diese alte Kunst weiter-pflegten. Sie stellten daraus Matten und Seile her. Im Mai wurde die Rinde der Linde abgeschält, die weiche Innenseite abgetrennt und zu Büscheln zusam-mengebunden. Diese legte man so lange ins Wasser, bis sich der reine Bast leicht ablöste. Dieser wurde danach an der Sonne getrocknet. Den größten Nutzen von der Linde haben die Bienen. Sie ist für sie eine riesige Bienenweide, die aus bis zu 60 000 Blüten zusammengesetzt ist. Die Linden locken die Bienen mit ihrem besonders süßen und duftenden Nektar an. Er rinnt ihnen geradezu aus den Blüten und von den Blättern. Geschäftig und äußerst befriedigt summen die Bienen von einer Blüte zu anderen und besorgen so nebenbei die Bestäubung. Die Linden bilden die eigene Familie der Lindenge-wächse. Alle tragen folgende gemeinsame Merkmale: viele in Gruppen stehende Staubbeutel, ein verzweigter,

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abgeflachter Blütenstand, 5 Kelch- und Blütenblätter, ein Fruchtknoten mit 5 Fruchtblättern und eine Frucht mit 1 bis 3 Samen. Von den etwa 400 Lindenarten, die hauptsächlich in den Tropen vorkommen, sind vier bei uns heimisch. Sie neigen sehr stark zur Bastardbildung, dass es oft schwer ist, sie voneinander zu unterscheiden. Hauptsächlich sind die Linden jedoch bei uns durch die Sommerlinde und die Winterlinde vertreten. Die medizinische Verwendung der Lindenblüten ist uralt. Wenn man im Winter einen Tee aus Lindenblüten bereitet, so ist es, als habe sich in seinem Duft ein Stück Sommer erhalten. Besonders die Winterkrankheiten wie Erkältung, Schnupfen, Grippe, Husten und Bronchitis werden durch den sommerlichen Lindenblütentee ge – lind – ert. Die Blüten enthalten schweißtreibende Glycoside, die dem Tee eine ähnliche Wirkung verleihen wie dem Holunderblütentee. Die Anwendung ist bei beiden gleich: der Tee wird heiß getrunken und mit Honig gesüßt. Die Wirkung wird noch verstärkt, wenn man einige Tassen des Tees im Bett zu sich nimmt, und die gleiche Prozedur durchführt wie beim Holunderblüten-tee. Der Blütentee wirkt außerdem schleimlösend und krampfstillend. Das macht ihn zu einem guten Husten-tee. Einige Tassen davon trinkt man über den Tag verteilt. Pfarrer Kneipp rühmt den Lindenblütentee als ein treffliches Mittel bei altem Husten, Verschleimung der

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Lunge und der Luftröhre, bei Unterleibsbeschwerden, die ihren Ursprung in der Verschleimung der Nieren haben-. Die Blüten sammelt man im Juni/Juli Auf ein Tuch oder Gitter ausgebreitet, werden sie getrocknet und danach gut verschlossen aufbewahrt. Man muss schon jedes Jahr »in die Linden gehen«, denn der Tee verliert nach einem Jahr seine Heilwirkung. Auf 1 Tasse Wasser gibt man 2 Teelöffel der Blüten. Mit dem kochenden Wasser überbrühen, ziehen lassen, abseihen und mit Honig süßen. Lindenblütentee oder Lindenblütenwasser können auch äußerlich angewendet werden. »Im Sommer soll man sich, wenn man schlafen gehet, mit frischen Lindenblättern die Augen und das ganze Gesicht bedecken. Das macht die Augen rein und klar«, so schreibt Hildegard von Bingen vor 800 Jahren über die äußere Anwendung der Lindenblätter. Noch heute werden die Zubereitungen aus der Linde als gutes Augenheilmittel empfohlen. Bei entzündeten oder ermüdeten Augen bereitet man sich einen Lindenblüten-tee, lässt ihn etwas abkühlen, seiht ab und tränkt darin eine Kompresse, die man sich über die Augen legt. Auch das Lindenblütenwasser kann auf die gleiche Weise verwendet werden. Dieses Wasser stärkt und reinigt die Haut. Es ist ein mildes Gesichtswasser be-sonders für empfindliche Haut. Man kann statt dem Lindenblütenwasser auch den Tee verwenden.

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Aus dem Holz der Linde wird die Lindenkohle herge-stellt. Sie ist in der Volksheilkunde ein altbekanntes Heilmittel gewesen, heute aber fast ganz vergessen. Die fein gepulverte Lindenkohle, die in der Apotheke erhältlich ist, wirkt desinfizierend und kann, eingenom-men, Giftstoffe und Säure im Magen an sich binden. Diese können dann mit einem anschließend eingenom-menen Abführmittel aus dem Körper ausgeschieden werden. Bei Blähungen, Erbrechen, entzündlichem Magen, Darmerkrankungen und Sodbrennen nimmt man die Lindenkohle messerspitzenweise ein. Tagesdo-sis sind 1 bis 2 Messerspitzen. Zu einem Zahnpulver verarbeitet, reinigt , desinfiziert und stärkt die Lindenkohle das Zahnfleisch. Auch in der Tierheilkunde ist die Lindenkohle ein bewährtes Mittel. Sie stillt Durchfälle und hilft bei Blähungen und Vergiftungen. Man mischt sie teelöffel-weise unters Futter oder rührt sie in Milch ein.

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Wintertee 2 Teile Lindenblüten, 1 Teil Holunderblüten, 1 Teil Schlüsselblumen. Es ist ein erwärmender und stärkender Tee für die Winterzeit. 1 Tasse Wasser aufkochen lassen, 2 Teelöf-fel der Mischung zugeben und den Topf vom Herd nehmen. Abdecken und ca. 10 Minuten ziehen lassen. Mit Honig süßen. Zahnpulver 1 Teil Lindenkohle, 1 Teil Salbeiblätter. Beides, fein gepulvert, mischen. Etwas davon auf die Zahnbürste geben und das Zahnfleisch damit gründlich massieren.

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Die Linde – Wohnstatt der Götter Unseren Altvorderen war die Linde heilig, sie war der Freia (Freya, Frigga) geweiht, der germanischen Göttin der Fruchtbarkeit, des Wohlstandes und der Liebe; wer diesen Baum mutwillig beschädigte, hatte mit Strafen von höchster Stelle zu rechnen. In der deutschen My-thologie hatte sie einen bevorzugten Platz: Unsere Ahnen betrachteten die Linde als »Abbild des Kosmos mit seinen drei Bereichen«. Der Raum unter dem Blät-terdach war die Unterwelt, sie wurde den Dämonen und Unholden zugewiesen; oberhalb der ersten Aststufe befand sich die Erde, der Raum für die Menschen; darüber – im Himmel – wohnten die Asen. In jedem Dorf war der zur Verhandlung der Dorfange-legenheiten ausgewählte Platz zugleich die Kultstätte; sie war zumeist von Linden umstanden. In diesen heiligen Bäumen wohnte die schützende Gottheit. Bei feierli-chen Anlässen wurden sie prächtig geschmückt, dann wurde unter ihnen getanzt. Noch heute gibt es Erinne-rungen an solche heiligen Bäume, meist in der Nähe der Kirche; die Kneipe daneben heißt manchmal heute noch »Zur Linde«. Frigga, die Liebesgöttin, war die wichtigste Bewohnerin. Im Lindenbaum ahnten die Alten das »milde Ange-sicht«, den mütterlichen Schutz der Göttin, die Zuflucht der Liebenden, die sich unter den »Tanzlinden« fanden. Nach der Christianisierung wurde der Baum oft zur »Marienlinde«, behängt mit frommen Bildchen. Andere

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Linden wurden aber auch zu Hexenbäumen, unter den sich die Hexen versammelten, um von dort aus zum Sabbat zu fliegen. Wie es da zuging, lässt der berüchtigte Hexenjäger Pierre de Lancre in »Tableau de l’Inconstance« von einem seiner Opfrer beschrieben: »Jeanette d’Abadie, sechzehn Jahre alt, hat ausgesagt, dass sie dort den Teufel in Gestalt eines schwarzen und scheußlichen Mannes gesehen habe, mit sechs Hörnern auf dem Kopf und einem großen Schwanz hinten …; dass die besagte Gratienne (eine Hexe), nachdem sie präsentiert habe, eine Handvoll Gold als Belohnung eingefangen habe, dann habe der Teufel sie widersagen und abschwören lassen ihrem Schöpfer, der heiligen Jungfrau, den Heiligen, der Taufe, Vater, Mutter, dem Himmel, der Erde und allem, was in der Welt ist … dann sei sie daran gegangen, ihn auf das Gesäß zu küssen; dass der Teufel sie sein Gesicht, dann seinen Nabel, dann sein Glied, dann sein Gesäß habe küssen lassen… In Bezug auf die Paarung hat sie ausgesagt, dass sie gesehen habe, wie jedermann sich auf inzestuöse Weise und gegen alle Ordnung der Natur vermischt habe … wobei sie sich angeklagt hat, selbst durch Satan deflo-riert worden zu sein und unzählige Male (fleischlich) erkannt worden sei durch einen ihrer Verwandten und andere, die sie dazu aufforderten, dass sie der Paarung mit dem Teufel ausgewichen sei, weil er, da er ein aus Schuppen gebildetes Glied habe, die Erduldung eines außerordentlichen Schmerzes bewirke; außerdem, dass

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sein Same äußerst kalt sei, dass er niemals schwängere, auch nicht derjenige (Samen) der anderen Männer, obwohl er natürlich sei. Dass sie außerhlb des Sabbats niemals Schuldhaftes getan habe, dass sie aber auf dem Sabbat ein wunderbares Vergnügen bei den Paarungen gehabt habe … Dass sie gesehen habe, wie Hexen sich in einen Wolf, einen Hund, eine Katze und andere Tiere verwandelt hätten … , und wie sie ihre Gestalt wiedererlangt hatten, wenn es ihnen gut erschienen sei. Dass es an den großen Festen allgemeine Versammlungen der Hexen gebe; dass man dabei eine Form von Rat anhalte, wo nur beschlossen werde, dass jeder so viel Böses tun solle, wie er tun könne, und zu diesem Zweck wurden das Gift und die verschiedenen Pulver an einen jeden ausgeteilt.« Auf der anderen Seite galt die Linde aber auch als dämonen- und hexenabwehrend, wurde zum Schutz-baum für das Gehöft oder das ganze Dorf. Man pflanz-te ihn in die Nähe des Bauernhauses, um den Hexen keine Chance zu lassen, ihr Unwesen auf dem Hof zu treiben. Zum Schutz vor Schadenszauber genügte es schon, wenn man Lindenzweige in den Dunghaufen steckte oder an Haus und Stall befestigte. Am Johan-nistag aber waren die Hexen besonders aktiv, da muss-ten besondere Vorkehrungen getroffen werden, um sie gar nicht erst in Haus und Stall eindringen zu lassen. Die Tiere wurden an diesem Tag mit Lindenbast angebun-den oder man wand ihnen den Bast um die Hörner.

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Hatte die Hexe es dennoch geschafft, die Tiere so zu verzaubern, dass sie keine oder verdorbene Milch gaben, beräucherte man die Tiere mit Rauch aus Lindenblüten. Dem Menschen bot ein Amulett aus einem Lindenblatt Schutz vor bösen Geistern. – Äcker und Gärten wurden von Ungeziefer frei, wenn man sie mit Asche aus Lin-denholz bestreute. – Wollte man Heilkräuter ausgraben, die man gegen angezauberte Leiden einsetzte, musste man das unbedingt mit einer Schaufel aus Lindenholz tun. – Unter der Linde glaubte man sich auch vor Blitzschlag sicher, weil die Heilige Familie auf der Flucht nach Ägypten unter einem Lindenbaum Schutz gefun-den haben soll. Neuere Untersuchungen belegen aber, dass gerade die Linde bevorzugt vom Blitz heimgesucht wird. Die Linde hatte auch prophetische Gaben, die Schuld oder Unschuld eines Menschen offenbaren konnten. Ein Beispiel: Der Schlossherr von Buchlau wurde ermordet, und verdächtigt wurde einer seiner Knappen, »der sich nicht anders zu rechtfertigen wusste, als dass er einen jungen Baum nahm und ihn verkehrt in die Erde pflanzte. Da nun die Wurzeln bald Blätter trieben, erkannte man seine Unschuld.« Auch die Gertrudenlinde auf einem Kirchhof in Olden-burg soll als Unschuldszeichen gewachsen sein. »Eine reiche Kaufmannsfamilie nahm einst ein Waisenmäd-chen namens Gerlinde an. Durch ihre Tugendhaftigkeit gewann sie bald die Herzen der Pflegeelten. Allmählich

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