Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

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Stefan Jarolimek Die Transformation von Öffentlichkeit und Journalismus

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Stefan Jarolimek

Die Transformation von Öffentlichkeit und Journalismus

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VS RESEARCH

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Stefan Jarolimek

Die Transformation von Öffentlichkeit und JournalismusModellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Arnulf Kutsch

VS RESEARCH

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Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über<http://dnb.d-nb.de> abrufbar.

Dissertation Universität Leipzig, 2007

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung des Sasakawa Young Leaders Fellowship Fund (SYLFF)an der Universität Leipzig.

1. Auflage 2009

Alle Rechte vorbehalten© VS Verlag für Sozialwissenschaften | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009

Lektorat: Christina M. Brian / Britta Göhrisch-Radmacher

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Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, HeidelbergGedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany

ISBN 978-3-531-16270-6

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Meinen Eltern

&

Isabell

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Zum Geleit

Auf die politischen Umbrüche in Mittel- und Osteuropa vor gut zwei Dezennien reagierten die Sozialwissenschaften mit intensiven und langjährigen Analysen, für die sich die Bezeichnung Transformationsforschung durchsetzte. Die Bedeutung der Medien wurde in der zunächst auf Politik und Wirtschaft konzentrierten wissen-schaftlichen Debatte nur implizit erörtert. In der (deutschsprachigen) Kommunika-tionswissenschaft besitzt die Transformationsforschung bis heute eine Randstel-lung. Schon deshalb verdient die vorliegende Studie, die aus einer Dissertation an der Universität Leipzig hervorgegangen ist, die Aufmerksamkeit der Kommunikati-onswissenschaft. Für das von Stefan Jarolimek gewählte Fallbeispiel wird gerade im Zusammenhang mit der aktuellen Diskussion über eine schrittweise Öffnung der Isolationspolitik der so genannten Europäischen Troika gegenüber Belarus deutlich, dass die Widrigkeiten in der alltäglichen Arbeit von unabhängigen Journalisten und anderen Akteuren der Öffentlichkeit beharrlich weiter bestehen - ungeachtet der positiven politischen Signale aus Minsk.

Für die Transformationsforschung in der Kommunikationswissenschaft be-deutet es einen wichtigen Erkenntnisfortschritt, dass Stefan Jarolimek das System Öffentlichkeit als zentrales Formalobjekt in seine Analyse aufnimmt. Wegen seiner gesellschaftlichen und politischen Bedeutung kommt darin dem Journalismus ein herausragender Stellenwert zu. Das in der vorliegenden Studie konzipierte Modell ist jedoch unabhängig von diesbezüglichen a priori-Festlegungen; es umschließt vielmehr alle Formen organisierter öffentlicher Kommunikation und damit auch die in den fraglichen Transformationsprozessen zunächst national je unterschiedlich ausgeprägten politischen Kundgebungen, Demonstrationen und Proteste, das Ka-barett oder Musikveranstaltungen oder – in der oder den ersten Transformations-stufen - die politische oder kommerzielle Werbung oder beispielsweise Public Rela-tions. Diese Denkrichtung eröffnet grundsätzlich nicht nur die Möglichkeit, son-dern auch die Notwendigkeit, im je nationalen oder international vergleichenden Rahmen die Bedeutung von unterschiedlichen Formen öffentlicher Kommunikati-on des diesbezüglichen gesellschaftlichen, politischen, kulturellen usw. Wandels zu analysieren – und zwar sowohl als seinen Gegenstand oder sein Ziel als auch als seinen Motor, im weitesten Sinne mithin als Auswirkungen oder Folgen der organi-sierten öffentlichen Kommunikation auf die beispielsweise gesellschaftliche oder politische Ordnung transformierenden Prozesse.

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8 Zum Geleit

Um diese für sich zunächst abstrakte theoretische Konstruktion für die Analy-se eines historisch konkreten Transformationsprozesses anzuwenden, liegt es nahe, ein exemplarisches Teilsystem auszuwählen und seine Dimensionen und Zusam-menhänge aufzuzeigen, theoretisch zu begründen und soweit zu erläutern, dass sie empirisch überprüft werden können. Dafür wählt Stefan Jarolimek zunächst den Journalismus als ein Leistungssystem der Öffentlichkeit aus und grenzt dieses Teil-system weiter auf den Zeitungsjournalismus ein. Diese hauptsächlich forschungs-ökonomisch begründete Engführung gleicht er durch die differenziert angelegten Analysedimensionen und –zusammenhänge aus. Die Dissertation von Stefan Jaro-limek ist die erste Transformationsstudie, die nicht nur als Erkenntnisziel formu-liert, die Vielfalt im Journalismus eines Transformationslandes untersuchen und sie als Bewertungsmaßstab für die Identifizierung von unterschiedlichen Stadien der Transformation von Öffentlichkeit heranziehen zu wollen, sondern die Vielfalt im Zeitungsjournalismus tatsächlich auch systematisch für das Fallbeispiel Belarus inhaltsanalytisch misst, auswertet und dadurch zu empirisch gesicherten Resultaten für eine Identifizierung und Qualifizierung von Transformationsstadien gelangt.

Die Befunde bestätigen zwar weitgehend die von Astrid Lorenz aus politikwis-senschaftlicher Perspektive vorgenommene Periodisierung und Bewertung der politischen Transformation in Belarus. Sie vermögen jedoch diese Transformations-stufen u. a. durch die Differenzierung von interner und externer Vielfalt (hervorzu-heben auch die Messung der journalistischen Quellen/Agenturen) und der kaum ausgebildeten kommunikativen Rückkopplung (über das Hilfskriterium Leserbriefe) im dortigen Zeitungsjournalismus zu präzisieren, kommunikationswissenschaftlich zu qualifizieren und – für dieses Leistungssystem exemplifiziert – die Bedeutung von Öffentlichkeit im und für den Transformationsprozess verständlich zu machen.

Arnulf Kutsch

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Danksagung

Die vorliegende Arbeit ist die gekürzte, überarbeitete und aktualisierte Fassung meiner Dissertation, die im Zeitraum von Mai 2003 bis Dezember 2006 entstand, und 2007 von der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig angenommen wurde. In diesen mehr als drei Jahren haben mich die unter-schiedlichsten Menschen in Minsk, Leipzig und Berlin unterstützt. Einige von ihnen sollen an dieser Stelle Erwähnung finden.

Mein Dank gilt zunächst Prof. Dr. Arnulf Kutsch, der seit unserem ersten Treffen im Frühjahr 2003 die Arbeit über das normale Maß hinaus betreute und jederzeit ein offenes Ohr für „virulente Fragen“ und Probleme hatte. Des Weiteren danke ich allen Mitarbeitern des Lehrstuhls „Historische und Systematische Kom-munikationswissenschaft“ an der Universität Leipzig, die für meine Anliegen immer eine Minute Zeit fanden und mit Anregungen nicht geizten.

Der Sasakawa Young Leaders Fellowship Fund (SYLFF) an der Universität Leipzig hat die vorliegende Arbeit über drei Jahre finanziell unterstützt und zudem die Drucklegung großzügig bezuschusst. Dem Komitee danke ich für das in mich ge-setzte Vertrauen. Der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unterstützte mit einem Kurzstipendium für Doktoranden meinen längsten Forschungsaufenthalt in Belarus im Sommer 2005.

In Minsk danke ich besonders allen Mitarbeitern des Instituts für Deutschlandstu-dien am Center for International Studies (CFIS), die mich im Sommer 2005 als Gastwis-senschaftler aufnahmen, mir einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellten und bei organisatorischen Hürden stets zur Seite standen. Für die Hilfe bei der Informati-onsbeschaffung danke ich dem OSCE Office in Belarus und der Belaruskaja Asacyjacyja Žurnalista� (BAŽ). Ebenso danke ich allen Interviewpartnern in Belarus.

Sonja und Leonid in Minsk danke ich für Unterkunft, Fürsorge, Ausflüge, Zei-tungssendungen und vieles mehr in den vergangenen Jahren.

In Leipzig gilt mein Dank dem Leipziger Kreis. Forum für Wissenschaft und Kunst für die belebende Diskussionskultur, im Speziellen Katja Naumann und Thomas Klemm, die mir den Einstieg in die Untiefen der Leipziger Universität erleichtert haben.

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10 Danksagung

Ein ganz spezieller Dank gebührt Erik Koenen, der in den vergangenen drei Jahren stets zur Stelle war, wenn es galt, Probleme meiner Arbeit zu diskutieren. Ihm und auch Michael Hein danke ich für die kritischen Kommentare zur ersten Fassung. Elena Temper danke ich für die Durchsicht meiner Übersetzungen der belarussischen und russischen Originalzitate.

Mein letzter Dank gilt meiner Familie, meinen Eltern Gerda und Bernd Jaro-limek, die seit der Schulzeit mein Interesse für Journalismus, Medien etc. jederzeit unterstützt haben; sowie meiner Frau Isabell Rausch-Jarolimek, die durch ihre mo-ralische Unterstützung und ihre Liebe die Arbeit stetig vorangetrieben hat.

Stefan Jarolimek

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Inhaltsverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ...........................................................15

Einleitung ....................................................................................................... 17 Theoretische Annäherung 1 Transformation, Öffentlichkeit –

Begriffe und Forschungsstand ........................................................ 25 1.1 Transformation ................................................................................................. 25 1.1.1 Definitionen und Phasen ................................................................................ 26 1.1.2 Forschungsstand in Nachbardisziplinen ....................................................... 31 1.1.3 Ausblick: Integrative Ansätze und das Problem des „Wie“ ...................... 37 1.2 Öffentlichkeit .................................................................................................... 39 1.2.1 Konzepte ........................................................................................................... 41 1.2.2 Öffentlichkeit als Funktionssystem ............................................................... 45 1.2.3 Journalismus als Leistungssystem der Öffentlichkeit ................................. 48 1.2.4 Weitere Kandidaten der Öffentlichkeit ........................................................ 50 2 Transformation und Öffentlichkeit –

Theoretische Annäherung .............................................................. 53 2.1 Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung ............... 53 2.1.1 Defizite ............................................................................................................... 54 2.1.2 Vorschläge ......................................................................................................... 56 2.1.3 Der theoretisch-methodologische Beitrag

von Katharina Hadamik .................................................................................. 58 2.1.4 Exkurs: Modellleistung .................................................................................... 61 2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf

eines Analysemodells ....................................................................................... 62 2.2.1 (Rationales) Handeln ....................................................................................... 63 2.2.2 Struktur/Institution ......................................................................................... 65 2.2.3 Makrokosmos: Gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang ........................ 75 2.2.4 Weitere methodologische Komponenten zum Modellentwurf ................ 76

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3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell ............... 79

3.1 Forschungsfragen ............................................................................................. 79 3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) ....................... 80 3.2.1 Für und Wider einen systemtheoretischen Ausgangspunkt ...................... 81 3.2.2 Öffentlichkeit und Journalismus .................................................................... 83 3.3 Start und Ziel .................................................................................................... 90 3.3.1 „Pachydermisierung“, „Refolution“ und Demokratie ................................ 90 3.3.2 Phasen der Transformation ............................................................................ 92 3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach .............................................. 93 3.4.1 Die Spielregeln: Institutionen der Öffentlichkeit ........................................ 93 3.4.2 Die Spieler: Journalisten, andere öffentliche Akteure, Publikum ............. 95 3.4.3 Das Spiel: Journalistische Angebote und Öffentliche Aktionen ............... 97 3.4.4 Erste Spielzüge im Mehrebenenmodell ........................................................ 99 Belarus

Die Transformation von Öffentlichkeit und Journalismus

am Fallbeispiel Belarus ................................................................................ 105

4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel ................................ 107

4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge .................................................................... 107 4.1.1 „Land und Leute“ .......................................................................................... 108 4.1.2 Leichtigkeit mit Hindernissen. Forschen in Belarus ................................ 109 4.1.3 Transformationsphasen. Politologisch ....................................................... 111 4.1.4 Auch Journalismus. Rundfunk, Internet, Nachrichtenagenturen .......... 113 4.1.5 Auch Öffentlichkeit. Demonstrationen, Flugblätter, Samizdat… ......... 124 4.1.6 Der erste Präsident der Republik Belarus .................................................. 127 4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest ................................... 128 4.2.1 Constraints für den Journalismus ................................................................ 129 4.2.2 Presseberichterstattung ................................................................................. 131 4.2.3 Rollen im Journalismus ................................................................................. 136 5 Constraints für den Journalismus.

Norm- und Strukturkontext .......................................................... 139 5.1 Historische Rahmenbedingungen ............................................................... 139 5.1.1 Belarussische Geschichtskultur ................................................................... 140 5.1.2 Historische Symbole und Faktoren des Umbruchs ................................. 141 5.1.3 Journalismusspezifische Aspekte ................................................................ 142 5.2 Medienrecht und –politik ............................................................................. 142 5.2.1 Verfassung der Republik Belarus ................................................................ 143

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Inhaltsverzeichnis 13

5.2.2 Gesetz „Über die Presse und andere Massenmedien“ ............................. 144 5.2.3 Ein neues Mediengesetz ............................................................................... 146 5.2.4 Ukaze ............................................................................................................... 149 5.3 Ökonomie ....................................................................................................... 152 5.3.1 Allgemeine Wirtschaftsentwicklung ............................................................ 152 5.3.2 Situation für die Presse ................................................................................. 154 5.4 Eigene Grenzen. Journalistenverbände ...................................................... 158 5.4.1 Belorusskij Sojuz Žurnalistov BSŽ ............................................................. 158 5.4.2 Belaruskaja Asacyjacyja Žurnalista� BAŽ .................................................. 160 5.5 Externe Faktoren ........................................................................................... 162 5.5.1 DW. Deutsche Welle ......................................................................................... 163 5.5.2 EU. Europäische Union .................................................................................... 164 5.5.3 IBB. Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte Minsk ................................ 164 5.5.4 IREX ............................................................................................................... 165 5.5.5 OSZE. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa ................. 165 5.5.6 RFE/RL. Radio Free Europe/Radio Liberty, „Radyjo Svaboda“ ................... 166 5.6 „La règle du jeu.“ Ein Zwischenfazit ......................................................... 167 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext ................................... 171 6.1 Überblick. Transformation der belarussischen Presse ............................. 172 6.1.1 Entwicklung von Quantität und Qualität .................................................. 172 6.1.2 Verwarnungen, Verbote und Zensur .......................................................... 174 6.1.3 Publikum ......................................................................................................... 176 6.2 Charakterisierung der Zeitungen der Stichprobe ...................................... 177 6.2.1 Sovetskaja Belorussija ........................................................................................ 177 6.2.2 Narodnaja Volja ............................................................................................... 178 6.2.3 Belorusskaja Delovaja Gazeta ........................................................................... 178 6.2.4 Belorusskij Rynok .............................................................................................. 179 6.2.5 Naša Niva ........................................................................................................ 179 6.2.6 Ein erstes Ergebnis ........................................................................................ 180 6.3 Berichterstattung zur Unabhängigkeit 1991 .............................................. 181 6.3.1 Ereignis ............................................................................................................ 181 6.3.2 Vorgehen ......................................................................................................... 182 6.3.3 Belorusskij Rynok .............................................................................................. 183 6.3.4 Naša Niva ........................................................................................................ 184 6.3.5 Sovetskaja Belorussija ........................................................................................ 186 6.3.6 Fazit ................................................................................................................. 188 6.4 Berichterstattung zum Referendum 1996 .................................................. 188 6.4.1 Ereignis ............................................................................................................ 188 6.4.2 Vorgehen ......................................................................................................... 190 6.4.3 Belorusskaja Delovaja Gazeta ........................................................................... 190

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6.4.4 Belorusskij Rynok .............................................................................................. 195 6.4.5 Narodnaja Volja ............................................................................................... 197 6.4.6 Naša Niva ........................................................................................................ 202 6.4.7 Sovetskaja Belorussija ........................................................................................ 208 6.4.8 Fazit ................................................................................................................. 212 6.5 Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 .................................. 213 6.5.1 Ereignis ............................................................................................................ 213 6.5.2 Vorgehen ......................................................................................................... 214 6.5.3 Belorusskaja Delovaja Gazeta ........................................................................... 215 6.5.4 Belorusskij Rynok .............................................................................................. 219 6.5.5 Narodnaja Volja ............................................................................................... 222 6.5.6 Naša Niva ........................................................................................................ 227 6.5.7 Sovetskaja Belorussija ........................................................................................ 232 6.5.8 Fazit ................................................................................................................. 236 6.6 Berichterstattung im Wandel ....................................................................... 238 6.6.1 Politische Grundhaltung ............................................................................... 238 6.6.2 Wachsende Kluft ........................................................................................... 240 6.6.3 Generelle Entwicklung ................................................................................. 241 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext ................................................... 245 7.1 Professionalisierung. Ideologie vs. „vierte Gewalt“ ................................. 246 7.2 Redaktionsalltag in Belarus. Propaganda und Selbstzensur .................... 251 7.3 Journalist. Ein gefährlicher Beruf ................................................................ 256 8 Öffentlichkeit in Belarus? Access denied! ..................................... 261

8.1 Transformationsphasen und Bewertung ..................................................... 261 8.1.1 Prä-Transformation (1986-1990/1991) ....................................................... 261 8.1.2 Liberalisierung (1990/1991-1994) ................................................................ 262 8.1.3 Kampf um die Öffentlichkeit (1994-1996) ................................................. 263 8.1.4 Zunehmende Gleichschaltung von Öffentlichkeit (seit 1996) ................. 264 8.2 Gescheitert! Oder nur ein anderer Weg? ..................................................... 267 8.3 Öffentliche Funktion. Was leistet der Journalismus in Belarus? ............. 269 Schlussakkord in Moll................................................................................... 273

Literatur- und Quellenverzeichnis .............................................................. 279

Anhang ............................................................................................................. 295

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Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Registrierungsdaten, Entwicklung der Presse von 1993-2005 ........ 173 Abbildung 2: Titel der Belorusskaja Delovaja Gazeta vom 21. November 1996 ...... 195 Abbildung 3: Titel der Narodnaja Volja , Nr. 110 (November 1996) ...................... 203 Abbildung 4: Titel der Naša Niva vom 2. Dezember 1996 ...................................... 207 Abbildung 5: Titel der Sovetskaja Belorussija vom 2. Dezember 1996 ...................... 208 Abbildung 6: Vergleich. Demonstranten in Sovetskaja Belorussija

und Naša Niva ......................................................................................... 211 Abbildung 7: Titelbild der Narodnaja Volja vom 3. Dezember 2004 ...................... 226

Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Synopse systemtheoretischer Entwürfe der Journalismusforschung .... Tabelle 2: Ebenen der Medientransformation (nach Hadamik) .............................. Tabelle 3: Kontexte des Journalismus (nach Weischenberg) ................................... Tabelle 4: Pluralitätskriterien (nach Sarcinelli) ............................................................ Tabelle 5: Mehrebenenmodell mit Beispielen ........................................................... 100 Tabelle 6: Publikationen der Stichprobe zur Inhaltsanalyse ................................... 133 Tabelle 7: Gesprächspartner der Experteninterviews .............................................. 137 Tabelle 8: Artikel 33 bis 35 der belarussischen Verfassung .................................... 144 Tabelle 9: Struktur des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“. 145 Tabelle 10: Artikel 5 des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“ 146 Tabelle 11: Ukaz Nr. 247 vom 31. Mai 2005 ............................................................... 151 Tabelle 12: Wirtschaftsentwicklung Belarus’ in der Bewertung deutscher Forschungsinstitute ..................................................................................... 152 Tabelle 13: Constraints. Maßnahmen und Entwicklungen im Überblick ............... 168 Tabelle 14: Stichproben der Inhaltsanalyse ................................................................. 171 Tabelle 15: Anzahl der Verwarnungen und Suspendierungen (2000-2004) ........... 175 Tabelle 16: Nutzung von Zeitungen ............................................................................. 177 Tabelle 17: Anzahl der Artikel nach Zeitung und Stichprobenzeitraum ................ 181

44 60 85 87

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Einleitung

In der anfänglichen wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Belarus wurde überaus schnell deutlich, dass sein Mediensystem wenig erforscht ist. Zu den Ver-änderungen der Öffentlichkeit resp. des Journalismus in Belarus existieren im deutschsprachigen Raum lediglich die Ausführungen zu den Massenmedien von Uladzimir Dorocha�, mittlerweile auch noch zwei kleinere Bände von Aleh Ma-nae�. Eine umfassende Aufarbeitung des Transformationsverlaufs aber existiert bislang nicht.

Auf der Suche nach theoretischen Ansätzen, die ein Untersuchungsraster für die Veränderungen im Transformationsprozess aus kommunikationswissenschaftli-cher Sicht leisten, folgt die nächste Enttäuschung. Erste Grundlagen wurden zwar erarbeitet, aber im Fachdiskurs kaum weitergeführt. Der Blick in die Fachorgane hinsichtlich Forschungsergebnisse zu Mittel- und Osteuropa generell ist ernüch-ternd. Da nimmt es nicht wunder, wenn auch die wenigen Osteuropainteressierten im Fach ihren Blick in Richtung der Nachbardisziplinen wenden, die eine lebendige theoretische Debatte zu postsozialistischen Transformationen führten und führen. Ein forschungsleitender Entwurf der Herangehensweise an das Problem der post-sozialistischen Gesellschaftstransformation aus kommunikationswissenschaftlicher Perspektive ist auf diese Weise jedoch bislang nicht entstanden. Kurzum: Die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung liegt brach. Die The-oriebildung benötigt im Folgenden eine interdisziplinäre Sichtweise, ohne die Rück-bindung an kommunikationswissenschaftliche Ansätze, Methoden, Problem- und Fragestellungen zu vernachlässigen.

Der Titel Transformation von Öffentlichkeit und Journalismus legt nahe, dass eine grundlegende Aufarbeitung dieses Gesellschaftsphänomens geleistet wird. Obgleich dies zutrifft, hebt der theoretische Teil hauptsächlich auf die Begriffe der Öffent-lichkeit und der Transformation ab. Beobachtet man jedoch die Selbstverständnis-debatten1 der Fachgesellschaft (Deutsche Gesellschaft für Publizistik und Kommu-nikationswissenschaft DGPuK) einer sich ausdifferenzierenden Disziplin, so kann

1 Für eine kritische Bewertung der Selbstverständnisdebatten im Fach vgl. Rühl (2006: 363f.)

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18 Einleitung

man durchaus lernen, dass sich die Forschungsbemühungen unter dem weit gefass-ten Bereich der Öffentlichkeit (resp. öffentliche Kommunikation) subsumieren lassen. In der Begriffsexplikation wird zudem ersichtlich, weshalb dieser Begriff zumindest für das vorliegende Problem handhabbarer erscheint als andere semanti-sche Platzhalter der Publizistik-, Kommunikations- und Medienwissenschaft. Fragestellung, Zielsetzung und Vorgehen Transformationsforschung verfolgt, grob gesprochen, die Veränderungen von ei-nem Gesellschaftssystem zu einem anderen: Für den Fall der ostmittel- und osteu-ropäischen Gesellschaften nunmehr vom kommunistischen System zu beispielswei-se einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Da für den Forschungsbereich der Kommunikationswissenschaft die Herangehensweise an diese Entwicklungen bislang kaum beschrieben wurde, gilt es zunächst dieses Defizit aufzuarbeiten. Da-bei geht es um folgende Fragenkomplexe: � Was ist der Untersuchungsgegenstand einer kommunikationswissenschaftli-

chen Transformationsforschung? Wie lassen sich Beginn und Ziel dieses Pro-zesses benennen? Worin sind die Kriterien einer erfolgreichen Transformation der Öffentlichkeit zu sehen?

� Wie lässt sich ein Analysemodell entwerfen, das möglichst umfassend die für die Kommunikationswissenschaft relevanten Aspekte der Transformation der Öffentlichkeit beinhaltet? Mittels welcher Methoden der empirischen Sozial-forschung kann die Untersuchung durchgeführt werden?

Ziel ist dabei zunächst der Entwurf eines Analysemodells im theoretischen Teil, das in dieser Form für alle Transformationsstaaten in Ostmittel- und Osteuropa mit geringen Modifikationen anwendbar ist. Dabei müssen unterschiedliche Perspekti-ven bzw. Theorieebenen betrachtet werden. Die Transformationsforschung, maß-geblich der Politikwissenschaft und Soziologie, hat bereits gezeigt, dass kein ‚Kö-nigsweg’ in einem einzigen theoretischen Zugang zu finden ist. Daher wurden zu-nächst Ansätze der transformationstheoretischen Debatte aufgearbeitet, darunter auch die wenigen kommunikationswissenschaftlichen. Auf Grundlage dieser Er-kenntnisse und der erkannten Defizite wurden Ansätze der soziologischen Theorie, aber auch und vor allem darauf aufbauende kommunikationswissenschaftliche Ar-beiten dahingehend befragt, ob sie für ein Analyseinstrumentarium der kommunika-tionswissenschaftlichen Transformationsforschung einen Mehrwert erwarten lassen.

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Einleitung 19

Die folgende Methodendiskussion führt geradewegs zum Fallbeispiel. Warum Belarus? Diese Frage wurde dem Autor während seiner mehrjährigen Beschäftigung mit diesem Land regelmäßig gestellt; übrigens nicht nur von Deutschen sondern auch von Belarussen selbst. Zunächst einmal verschwindet durch die Beschäftigung mit Belarus ein weißer Fleck von der kommunikationswissenschaftlichen Transfor-mationslandkarte. Dabei ist es als Übergangsstaat von Europäischen Union zur Russländischen Föderation von besonderer, geostrategischer Bedeutung und besitzt kulturell-historische Bezüge zu beiden politischen Gebilden. Im Hinblick auf die Forschungsökonomie verfügt Belarus über einen überschaubaren Medienmarkt und eine überschaubare Anzahl von Akteuren, auch bedingt durch die starke Rolle des Staates. Die wohl vordergründigste Erklärung für dieses Fallbeispiel ist jedoch da-mit verbunden, dass Belarus als einziger Staat in Europa zu den Transformations-verlierern gezählt bzw. der Demokratisierungsprozess als gescheitert angesehen wird. Bereits existierende Beschreibungen idealtypischer Verläufe der Transformati-onsprozesse fußen meist auf den mehr oder weniger gelungenen Systemwechseln, etwa von Polen oder der Tschechischen Republik. In Belarus ist dieser Prozess jedoch gerade nicht derart erfolgreich verlaufen, wobei die Journalisten selbst, etwa nach Auffassung von Oleg Panfilov (2003: 1), auch nicht ganz unschuldig an ihrer heutigen miserablen Lage sind:

In Belarus, everything changed in 1994, when Alexander Lukashenko, an unknown director of a collective farm, was elected president. Lukashenko’s campaign emphasized the need for corruption prevention and his program was broadly advertised by independent newspapers. At that time, they did not know that their demise would begin in just six months.

Daher schließen sich auch an die genannten Punkte und die Erkenntnisse aus dem theoretischen Teil folgende Fragekomplexe für die Untersuchung des Fallbeispiels an: � Konnte die Öffentlichkeit direkt oder indirekt Einfluss auf die Transformation

von v. a. Politik ausüben bzw. inwieweit konnte das polische System direkt oder indirekt Einfluss auf die Transformation der Öffentlichkeit nehmen?

� An welchem Punkt des Transformationsprozesses steht Belarus heute? Lassen sich qualitative Phasen beschreiben? Unterscheiden sich diese von der Phasen-einteilung der politik- und wirtschaftswissenschaftlichen Forschung?

Das Ziel besteht zunächst in einer umfassenden Beschreibung der Transformati-onsverlaufes aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht. Da die Öffentlichkeit einen überaus großen gesellschaftlichen Teilbereich umfasst, kann sich die Analyse

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20 Einleitung

des Fallbeispiels nur auf einen Teilbereich der Öffentlichkeit stützen, den Journa-lismus, noch spezifischer auf die Zeitungspresse, ohne jedoch weitere Teile der öffentlichen Kommunikation gänzlich außer Acht zu lassen. Die Gründe hierfür liegen auch in der speziellen Situation, in der sich der belarussische Medienmarkt seit einigen Jahren befindet. Auf Grundlage des Analysemodells werden unter-schiedliche Ebenen untersucht und die Entwicklungen beschrieben. Handlungsop-tionen, Einschränkungen, Professionalisierungstendenzen der Journalisten, Ent-wicklungen der Medieninhalte und vieles andere mehr werden peu à peu untersucht.

Aufbau der Arbeit Zu Beginn werden die für die vorliegende Arbeit maßgeblichen Grundbegriffe Transformation und Öffentlichkeit erläutert und unterschiedliche Konzepte erör-tert, die damit im Zusammenhang stehen (Kapitel 1). Diese Begriffsexplikation beinhaltet bereits einen groben Überblick über den Forschungsstand zu Transfor-mation einerseits und Öffentlichkeit andererseits. Danach mündet diese Diskussion in eine theoretische Annäherung an die kommunikationswissenschaftliche Trans-formationsforschung (Kapitel 2). Die wenigen vorliegenden Ansätze, die versuchen Transformation mit Öffentlichkeit (oder Massenmedien, Medien, Journalismus) zu verbinden, werden diskutiert. Neben einem Einblick in die Forschungsbestrebun-gen werden die Defizite benannt und Verbesserungsvorschläge vorgetragen. Nach einem kurzen Exkurs zu Sinn und Funktion eines Modells folgen weitere theoreti-sche Vorüberlegungen im Hinblick auf die Entwicklung eines Analysemodells. Dabei gilt es zunächst die unterschiedlichen theoretischen Zugänge zu erläutern und die meist soziologischen Ansätze auf die Anwendbarkeit in der kommunikations-wissenschaftlichen Transformationsforschung zu prüfen. Dabei kristallisieren sich maßgebliche Konzepte heraus, denen – da von zentraler Bedeutung – erst im fol-genden Kapitel Rechnung getragen wird. Nunmehr münden die wichtigsten theore-tischen Vorüberlegungen in den Entwurf eines Analysemodells, das möglichst kompakt beschrieben wird (Kapitel 3). Dabei werden Fragekomplexe und Untersu-chungsgegenstand einer kommunikationswissenschaftlichen Transformationsfor-schung benannt, sowie Beginn und Ziele dieses gesellschaftlichen Prozesses. Hinter der Überschrift „Transformationsforschung: Spielend einfach“ verbirgt sich der Versuch, maßgebliche theoretische Leitansätze näher zu beleuchten, auf ‚Spieler’, ‚Spielfeld’ und ‚Spielregeln’ des Transformationsprozesses zu übertragen und erste Vorschläge zur empirischen Umsetzung zu unterbreiten.

Dieser Dreischritt von 1. Begriffsexplikation und Forschungsstand, 2. Analyse der bestehenden kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung

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Einleitung 21

und theoretischen Vorüberlegungen, und 3. Entwurf eines Analysemodells und Ausführung theoretischer Spezifika führt in der Darstellung gelegentlich zu Redun-danzen. Ziel ist es jedoch, sich im dritten Kapitel, d.h. dem Entwurf des Analyse-modells nicht in Details einzelner theoretischer Ansätze zu verlieren, sondern einen kompakten, etwas mehr als 20-seitigen Entwurf zu leisten. Dieser rekurriert auf die vorhergehenden theoretischen Überlegungen, ohne die er nicht möglich wäre, ver-tieft diese jedoch nicht mehr und legt sein Augenmerk bereits auf die empirische Umsetzung und Umsetzbarkeit.

Aufbauend auf diesen theoretischen Vorüberlegungen, die auf Grund eines transformationstheoretischen Defizits in der Kommunikationswissenschaft not-wendig waren, wird das Modell auf die postsozialistischen Transformationsprozesse vornehmlich der Zeitungspresse in Belarus angewendet. Zu Beginn des empirischen Teils steht ein genereller Überblick zum „Stand der Dinge“ in Belarus (Kapitel 4), worunter auch allgemeine Informationen zu Rundfunk, Internet und anderen Teilen der Öffentlichkeit gegeben werden. Gleichwohl können an dieser Stelle lediglich einzelne Facetten in der Entwicklung des Landes dargelegt werden. Auf die Opera-tionalisierung des Analysemodells folgen Abhandlungen zu Restriktionen bzw. Handlungsmöglichkeiten für die Akteure im Öffentlichkeitssystem (Kapitel 5), die sich in unterschiedlichen Gesellschaftsteilen verorten lassen. Auch selbst aufgestell-te Handlungsempfehlungen sind Teil dieses Kapitels. Veränderungen in der Be-richterstattung, also dem von Forschern meist vernachlässigten Funktionskontext, zeigen die Ergebnisse der Presseauswertung belarussischer Zeitungen (Kapitel 6). An dieser Stelle sei bereits darauf hingewiesen, dass dieses Kapitel im Vergleich zu den anderen relativ lang ist. Dies hat unterschiedliche Gründe: Bisherige Abhand-lungen einer vergleichbaren kommunikationswissenschaftlichen Transformations-forschung beachteten wenn überhaupt nur sporadisch die Veränderungen in der Berichterstattung. Daraus ergibt sich erstens, dass die vorliegende Arbeit in dieser Hinsicht wiederum Neuland betritt, in dem es sich erst einmal zu orientieren gilt. Wie bei allen Untersuchungen neuer Phänomene in der Sozialforschung kommen auch an dieser Stelle vorwiegend qualitative Verfahren zur Anwendung, die am Einzelfall arbeiten. Daraus ergibt sich zweitens ein höherer Diskussionsaufwand und folgerichtig eine längere Darstellung. Des Weiteren werden neben dem belarus-sischen resp. russischen Originalzitaten deutsche Übersetzungen angeboten, die schließlich drittens zu einer Textverlängerung führen. Diese Punkte seien bei der Lektüre des sechsten Kapitels bedacht, das in seiner Form ein Novum in der kom-munikationswissenschaftlichen Transformationsforschung darstellt und daher einen zentralen Stellenwert einnimmt.

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22 Einleitung

Das darauf folgende siebte Kapitel widmet sich den Veränderungen der jour-nalistischen Akteure, beleuchtet nicht nur die Ausbildungsmöglichkeiten und den Grad der Professionalisierung sondern auch den journalistischen Alltag in Belarus. Die fehlende Rechtsicherheit für diesen Berufsstand lässt sich beispielhaft an aus-gewählten Gerichtsentscheidungen aufzeigen. Abschließend soll der Transformati-onsprozess des Journalismus in Belarus bewertet werden und in eine Phaseneintei-lung münden (Kapitel 8). Ein generelles Fazit zu beiden Teilen der Arbeit und ein Ausblick für die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung beschließen thesenartig die Arbeit. Impetus Vorliegende Herangehensweise versucht einen in der Kommunikationswissenschaft vernachlässigten Forschungsbereich grundlegend aufzuarbeiten. Dazu gehört nicht nur der Blick in die Nachbardisziplinen, sondern auch die Rückbindung an die eigene Disziplin mit ihrer Problem- und Fragestellung zu prüfen. Mit der Entwick-lung eines Analysemodells und Ausarbeitung am Fallbeispiel werden nachfolgenden Arbeiten das Handwerkzeug oder zumindest eine breite Diskussionsgrundlage be-reitet. Dieser interdisziplinäre Zugang mit dem Rückbezug zum eigenen Fach muss auf Grund seines Ausmaßes Lücken offenbaren. Lücken, die die vielen „Projektar-beiten“ nicht kennen. Damit ist jedoch im Anschluss an Rühl (2006: 363f.) der Wille verbunden, eine Transformationsforschung zu etablieren, die nicht nur kommuni-kationswissenschaftlich heißt, sondern auch Kommunikationswissenschaft tut. Lesehinweis: Zum Umgang mit Quellen und Literatur Sofern in der Arbeit fremdsprachige Quellen zitiert werden, ist das Originalzitat ausschlaggebend. Darüber hinaus werden für russische und belarussische Quellen deutsche Übersetzungen angeboten. Falls nicht anderweitig gekennzeichnet, stam-men die Übersetzungen vom Autor dieser Arbeit. Eigennamen und weitere Be-zeichnungen im Kyrillischen werden in der wissenschaftlichen Transliteration wie-dergegeben (Transliterationstabelle im Anhang). Durch Publikationen in Deutsch, Belarussisch, Russisch und Englisch kann es zu verschiedenen Schreibweisen von Autoren kommen, etwa Daracha�, Dorochow, Dorochov, Dorokhov. Soweit mög-lich wird im Text die Transliteration der belarussischen Eigennamen verwendet. Verweise auf kyrillische Texte werden ebenfalls über den transliterierten Eigenna-men gekennzeichnet. Der Originaltitel findet sich unter diesem lateinischen Pseu-donym im allgemeinen Literatur- und Quellenverzeichnis. Beispiel: Feduta 2005 – ������, ���� �� (2005): ������ ��. ����������� ���������. ������.

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Theoretische Annäherung

Grundlegung einer kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung

und Entwurf eines Analysemodells

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1 Transformation, Öffentlichkeit –

Begriffe und Forschungsstand Eine Arbeit, die auf den Begriffen Transformation und Öffentlichkeit aufbaut, kommt nicht umhin, diese näher zu spezifizieren. Darüber hinaus müssen sie von jenen unterschieden werden, die mit Transformation und Öffentlichkeit in Verbin-dung stehen, etwa Transition, sozialer Wandel, (Massen-)Medien etc., um Ver-wechslungen, Unstimmigkeiten und dergleichen zu vermeiden.

Mit der Begriffsexplikation sollen die Forschungsstände zu den Einzelphäno-menen skizziert und jene Ansätze herausgearbeitet werden, auf die das Analysemo-dell zurückgreifen wird. Beim Forschungsstand zur Öffentlichkeit wird größtenteils auf kommunikationswissenschaftliche Arbeiten rekurriert. Das Gros der Forschun-gen zur Transformation entspringt jedoch den Nachbardisziplinen, vor allem der Soziologie und der Politologie. Kommunikationswissenschaftliche Arbeiten und Ansätze, die direkt auf die Verbindung von Transformation und Öffentlichkeit abzielen, stellen eine außerordentliche Vorleistung dar und sollen daher im zweiten Kapitel eingehender untersucht werden.

1.1 Transformation

Tendiert einerseits die Zahl der Ansätze zur Transformationsforschung in der Kommunikationswissenschaft gegen Null, ist die Fülle der Ansätze in Soziologie und Politikwissenschaft andererseits überwältigend. Wohl auch bedingt durch den Umbruch in Ostdeutschland, fühlten sich sehr viele Sozialwissenschaftler und sozi-alwissenschaftliche Institute dazu berufen, das Phänomen Transformation näher zu ergründen.2 Ein Konsens wurde kaum erreicht (vgl. a. kritisch Lauermann 1996, Mayer 1994). Nach fast zwanzig Jahren intensiver Forschung stellen sich weiterhin die Fragen: Was ist Transformation? Von wo nach wo verläuft sie? Lassen sich einzelne Stufen oder Phasen der Transformation ausmachen? Und: Lässt sich eine Theorie der Transformation beschreiben?

2 „Schon wenige Zahlen machen deutlich, wie ausgiebig die Sozialwissenschaften der Transformation in den neuen Bundesländern nachgegangen sind. Allein die ‚Kommission für die Erforschung des sozialen und politischen Wandels in den neuen Bundesländern’ (KSPW) hat 176 ‚Kurzstudien’, 54 große For-schungsprojekte und etwa 120 ‚Expertisen’ in Auftrag gegeben.“ (Hradil 1996: 299)

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26 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

Angesichts dessen fragt man sich, warum das Interesse nachläßt. Und man fragt sich, ob diese Sät-tigungstendenzen signalisieren, daß die Transformationsforschung überhaupt ihrem Ende entge-gengeht. (Hradil 1996: 299)

Im Weiteren spricht sich Hradil in seinem kritisch-reflexiven Aufsatz mit dem pro-grammatischen Titel „Die Transformation der Transformationsforschung“ für den Übergang in eine zweite Phase der Transformationsforschung aus. Dabei fordert er vier weit reichende Änderungen: Erstens wird die Transformationsforschung ver-netzter betrieben werden und zweitens längerfristiger angelegt sein müssen. Drittens wird sie internationale Vergleiche einbeziehen und viertens über Handlungsempfeh-lungen stärker in die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Praxis einmi-schen müssen. Auch wenn bei der vierten Forderung strittig bleibt, ob und wie dies geschehen soll, scheinen die ersten drei Forderungen ebenso wichtig wie unum-gänglich. Daher steht im Weiteren der Versuch im Vordergrund, diese Forderungen in einem Analysemodell für die kommunikationswissenschaftliche Transformations-forschung zu bedenken. 1.1.1 Definitionen und Phasen Die Definitionen von Transformation reichen von recht lapidaren Aussagen wie „’Transformation’ bedeutet: Systemwechsel von autokratischer zu demokratischer Herrschaft“ (Merkel/Puhle 1999: 13) oder „[m]it ‚Transformation’ ist gemäß einem sich in der Forschergruppe an der Freien Universität Berlin herausbildenden Kon-sens die Doppelbewegung der Umstellung der Ökonomie (von Plan- zur Marktwirt-schaft) sowie der Politik (von der Diktatur hin zur Demokratie) angesprochen, während ‚Transition’ lediglich die letztgenannte Sphäre der Politik thematisiert“ (Albrecht 1998: 179, Anm. 1) bis zu einigen sehr umfangreichen Definitionen3. Kompakt wirkt dagegen der Definitionsversuch von Raj Kollmorgen (1994: 383f.), der sowohl die Prozesshaftigkeit der Transformation aufnimmt als auch mögliche Zielvorgaben einräumt und sich bereits um einzelne Untersuchungsebenen bemüht:

„Wenn ein Prozeß als Transformation interpretiert und bezeichnet wird, handelt es sich immer um längerfristige, komplexe, sukzessive Wandlungsprozesse von ‚definierbaren’ Gesellschaften bzw. Teilbereichen oder ‚Systemen’ von einem ‚Ausgangszustand’ in einen ‚angebbaren’ (z. T. ‚theore-

3 So etwa von Rolf Reißig (1994: 7, Hervorhebung im Original): „Als Leitbegriff für inhaltliche Analysen gesellschaftlicher Umbruchprozesse ist der Begriff der ‚Transformation’ nur tauglich, wenn er eine inhaltliche Präzisierung erfährt. An systemtheoretische Überlegungen anknüpfend, kann Transformation zunächst als ein spezifischer Typ sozialen Wandels interpretiert werden. Transformation ist durch eine Intentionalität von gesellschaftlichen Akteuren, durch einen Prozeß mehr oder minder bewußter Ände-rung wesentlicher Ordnungsstrukturen und -muster sowie durch einen über verschiedene Medien ge-steuerten Umwandlungs- (Umwälzungs-) prozeß gekennzeichnet.Transformationen sind gesteuerte und eigendynamische Prozesse, deren Relationen sich im Transformationsprozess verändern. Damit können diese Transformationsprozesse von sozialem Wandel und Innovationen, z. B. innerhalb moderner westlicher Gesellschaften, unterschieden werden, die stärker auch nichtintentionalen, evolutionären Mustern folgen.“

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1.1 Transformation 27

tisch prognostizierten’) ‚Folgezustand unter bestimmten Übergangserscheinungen’. Jene Prozesse führen in ihren Ergebnissen sowohl auf der Makro- bzw. Meso- wie auch auf der Mikroebene zu einschneidenden Veränderungen, welche – wenn überhaupt – nicht dekretistisch umkehrbar sind, sondern sich in sozialen Makro-Strukturen, Institutionen, Organisationen und Handlungsweisen der Individuen festgesetzt haben.“

Transformation stellt dabei eine „spezielle Form, eine Unterklasse sozialen Wandels dar, die sich sowohl von unmittelbar revolutionärem Geschehen wie von einer evolutionären Drift absetzen läßt“ (Kollmorgen 1994: 384).4

Zu unterscheiden gilt es des Weiteren zwischen Transformation als realen Vorgang und Transformation als Beobachtungsschema. Mit der Zielstellung der Entwicklung eines Analysemodells, dass zudem für die vergleichende Forschung eingesetzt werden könnte, geht es an dieser Stelle um die Transformation als Beo-bachtungsschema. Unerlässlich ist dabei, einen Ausgangs- und einen Endpunkt des Transformationsprozesses zu beschreiben, damit der Unterschied zu stetigem sozia-len Wandel sichtbar bleibt. Die Setzung eines Endpunktes ist dabei willkürlich, meist normativ geladen, aber trotzdem notwendig. Denn nur so ist es möglich, über Anfang, Ende und Phasen eines Transformationsprozesses zu diskutieren. Im Hin-blick auf dieses Ende gibt Sundhausen (1995: 77) zu bedenken, dass dieser Prozess auch dann beendet ist, wenn die zunächst verfolgten Ziele „aufgegeben und ein neuer, in dieser Form zunächst nicht vorhersehbarer Systemzustand [...] erreicht wird.“ Die Frage bleibt dabei offen, ob in diesem Fall von einem einfachen Ende oder einem „Scheitern“ der Transformation die Rede sein kann. Wann und wie ein Ende letztlich empirisch aufgezeigt werden kann, blieb bislang offen. Gleichwohl scheint unverkennbar, dass sich das Ende oder das Ziel eines Transformationspro-zesses nicht in actu, sondern lediglich ex post nach einer Phase der Stabilität feststel-len lässt. Im Rückgriff auf medizinisches Vokabular könnte man es auch eine Phase der Rekonvaleszenz nennen.5 Wie lange eine solche Phase andauern muss, um zu ei-nem Ergebnis zu kommen, bleibt bis dato unklar.

Neben den Ausgangs- und Folgezuständen der Gesellschaften bzw. gesell-schaftlichen Teilsysteme müssen vor allem die Übergangserscheinungen sowie die 4 Vgl. zudem die weiteren Ausführungen Kollmorgens (1996: 283): „Trans-Formationen bedeuten also die gerichteten und ‚zeitlich dramatisierten’ (M. R. Lepsius) Übergangsprozesse gesellschaftlicher Form-bestimmtheiten, d.h. der Re- und Neu-Produktionsweisen sozialer Beziehungen, die sich inhaltlich und zeitlich relativ eindeutig bestimmen lassen. Transformationsprozesse stellen so eine Unterklasse von Phänomenen sozialen Wandels bzw. sozialer Entwicklung oder Evolution dar. [...] Gesellschaftliche Transformationen heben sich vom Wandel innerhalb bestehender Formationen oder Gesellschaftssys-teme (‚Systemwandel’) sowohl durch den Zusammenbruch des alten Systems wie durch die von relativ klaren Akteuren intendierten Bemühungen zur Konstitution fundamental anderer gesellschaftlicher Formbestimmtheiten (in Wirtschaft, Recht, Politik, Kultur) ab. Sie können demnach nicht als Adaptio-nen, historische Formen etc. innerhalb einer Formation bzw. eines Gesellschaftssystems gedeutet wer-den.“ 5 So lässt sich etwa die endgültige Gesundung von Leukämie-Patienten erst ex-post nach einer etwa fünf-jährigen Phase der Rekonvaleszenz, also einer Phase der Genesung, feststellen.

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28 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

Art der einschneidenden Veränderungen beschrieben werden. Zügig haben sich Phasenmodelle herausgebildet, die in zwei bis vier Stufen versuchen, die Etappen des Transformationsprozesses zu klassifizieren. Kollmorgen (1994: 385) identifiziert zu einem frühen Zeitpunkt lediglich zwei Phasen, die „für den deutschen Fall da-tiert werden, jedoch mit Modifikationen auch für alle anderen Fälle Anwendung finden können“. Die erste Phase beschreibt eine ‚politische Revolution’, worunter er auch ‚liberale’, ‚samtene’ Revolution etc. oder auch ‚die Wende’ subsumiert. Danach setzt Kollmorgen eine Transitionsphase. Er versteht dabei Transition im engeren Sinne, d. h. als die Phase der maßgeblichen politisch und rechtlichen Veränderun-gen und Institutionalisierungen (vgl. Kollmorgen 1994: 385). Die Transformation wird folglich durch die Transition eingeleitet. Beide Begriffe sind somit auch nicht gleichzusetzen. Auch in anderen Publikationen (vgl. etwa Welsh 1994) werden Transformation und Transition – mehr oder minder trennscharf – voneinander begrifflich unterschieden. Transition wird u. a. für die politische Umwälzung aber auch für die zielgerichtete Entwicklung eingesetzt, während Transformation den gesamten gesellschaftlichen Prozess oder eine offene Entwicklung umschreibt. Zudem unterscheidet sich die englische und deutsche Verwendung.

Über diese einfache zweiphasige Unterteilung bildeten sich später Modelle heraus, die drei Phasen beschreiben. Auch Kollmorgen konkretisiert frühere Über-legungen mit einer dritten, längerfristigen Phase, die er als Strukturierungsphase6 bezeichnet, die im weitesten Sinne mit einer Phase der Konsolidierung identisch ist. Diese Phasen stimmen bei der Mehrzahl der Autoren7 überein und teilen den Transformationsprozess in:

1. Ablösung eines autokratischen (eines nicht-demokratischen) Systems 2. Institutionalisierung der Demokratie 3. Konsolidierung der Demokratie/Strukturierungsphase

Beide angeführten Beispiele verkürzen den Transformationsprozess, wenngleich Merkel (1999: 122) die zu beachtenden Kriterien von „Demokratieerfahrung“ und „Art und Dauer des Regimes“ der ersten Stufe voraussetzt bzw. eine „Bewertung der konsolidierten Demokratie“ anregt. Die Phaseneinteilungen beziehen sich im Groben auf das politische und rechtliche System. Veränderungen dieser Institutio-nen besitzen zwar für die Gesellschaft weit reichende Konsequenzen, wesentliche Veränderungen für die Öffentlichkeit in diesem Prozess bleiben jedoch unerwähnt (gleiches gilt etwa für Kultur). Ein Modell von vier Phasen, dass speziell für eine „media reform“ erarbeitet wurde, und mit dem hier vorgestellten Begriff der Trans-

6 „Ich wähle diese Bezeichnung und nicht den aus der Transformationsforschung bekannten und weithin verwendeten Begriff der ‚Konsolidierung’, da letztgenannter eher auf die Festigung bereits vollzogener Umbauten abhebt, was bei den betreffenden Gesellschaften, die in erster Linie die politische und rechtli-che Sphäre demokratisch umgestalten, vielleicht auch zutrifft.“ (Kollmorgen 1996: 285) 7 Anstatt vieler Merkel 1999

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1.1 Transformation 29

formation zu vergleichen ist, legte Beata Rozumilowicz (2002: 17ff.) vor. Sie unter-scheidet folgende Phasen:8

1. Pre-Transition stage 2. Primary transition 3. Second stage 4. Late or mature stage

Auffällig ist bei dem vorgeschlagenen Modell die Phase der pre-transition (1). Diese Phase tritt ein, bevor ein politischer Transitionsprozess beginnt, also auch vor der Transformation. Es gilt hierbei die Vorboten zu erkennen, die die Transition er-möglichten, um somit auch die nachfolgenden Entwicklungen zu verstehen. Diese Phase wird bei den zuvor genannten Modellen meist auch berücksichtigt, erhält aber dort kaum Bedeutung.9 Nach Rozumilowicz (vgl. 2002: 17) hat diese Phase einen generellen Einfluss auf den Verlauf des Transformationsprozesses und ist von ent-scheidender Bedeutung, um die Entwicklung der freien und unabhängigen „Me-dien“ nachzuvollziehen. Beispiele für die einsetzende pre-transition sind eine Politik der Öffnung, also etwa in der Sowjetunion Glasnost’ und Perestrojka, mit Bezug zu Belarus’ der Reaktorunfall von �arnobyl’ (Tschernobyl) und die Informationspolitik Moskaus sowie die Funde der Massengräber von Kurapaty und die anschließende Gründung der Partei BNF (Belarussische Nationale Front).10 Mit Bezug auf das System Öffentlichkeit, ist etwa die Herausbildung einer Gegen- oder zweiten Öf-fentlichkeit als der Teil dieser pre-Transition anzusehen.

Die Phase der primary transition (2) fasst zusammen, was Kollmorgen in sei-nen beiden ersten Stufen ausführt, sowohl den Umbruch als auch den Institutione-numbau, die eigentliche ‚Transition’. Die Problematik des Institutionenumbaus wurde treffend mit dem Ausspruch „Building the ship at sea“ (Elster et al. 1998) umschrieben. Die darauf folgende secondary stage (3) der „media reform“ be-schreibt eine Phase der Feinjustierung der neuen Institutionen. Darunter versteht Rozumilowicz (vgl. 2002: 21) v. a. die medienrechtliche Neuordnung. In dieser Phase sieht sie für die weitere Entwicklung zwei maßgebliche Gefahren: „i-nappropriate structuring“ und „inappropriate utilization“. Diese Phase beschreibt also im Kern schon die der Konsolidierung, wie sie etwa Wolfgang Merkel und Hans-Jürgen Puhle in ihrer gemeinsamen Publikation benennen.

8 Die von Rozumilowicz vorgeschlagenen „stages of transition“ bilden dabei zugleich ein Analysemodell. 9 Rozumilowicz bezieht sich in ihrem Text bzw. generiert ihre Stufen zu großen Teilen aus einem Auf-satz von Dankwart A. Rustow, der bereits 1970 ein Modell vorlegte, das in der deutschen Transformati-onsforschung kaum beachtet wurde, oder zumindest keinen Niederschlag in den Literaturverzeichnissen fand. Unter dem Titel “Transitions to democracy. Towards a dynamic model“ identifiziert Rustow (1970: 350ff.) vier Phasen: A. Background Condition, B. Preparatory Phase, C. Decision Phase, D. Habituation Phase. 10 Vgl. dazu genauer Kapitel 5.1

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30 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

Die Phase der late or mature transition (4) führt diese Konsolidierung fort, nun jedoch nicht auf der Ebene der Strukturierung als vielmehr auf der Ebene der Anwendung. In der letzten Phase der „media reform“ geht es darum, „to consoli-date commitment to this new system while drawing ever larger segments of society into the forum. This should strengthen commitment through participation.“ (Ro-zumilowicz 2002: 23) Gerade die Partizipation scheint wesentliches Merkmal zu sein, um eine Aussage darüber treffen zu können, ob die Ziele der politischen Transformationsbestrebungen erreicht und nicht nur auf institutioneller Basis um-gesetzt, sondern von der Gesellschaft auch als „Selbstverständlichkeit“ (Offe 2000: 128) verinnerlicht wurden (vgl. a. Shin 1994: 144f.). Dabei geht es folglich um die Untersuchung der Teilhabe der Bevölkerung an Diskussionen über politisch-rechtlichen Veränderungen, aber auch von Bildung, Kultur etc.

Nicht zuletzt muss nochmals darauf hingewiesen werden, dass der Transfor-mationsprozess nicht nur politische und rechtliche Veränderungen bedeutet, son-dern auch solche in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, aber auch in der Öffentlich-keit. Durch die gleichzeitigen Veränderungen in allen gesellschaftlichen Bereichen, und da ein paralleler Verlauf höchst unwahrscheinlich ist, entsteht das von Offe geprägte und viel zitierte „Dilemma der Gleichzeitigkeit“ (Offe 1994: 64ff.). Damit hebt Offe auf die gleichzeitigen Veränderungen in unterschiedlichen Gesellschafts-teilen ab. Im Hinblick darauf, dass die Veränderungen und Entwicklungen wohl kaum zeitlich abgestimmt, also nicht gleichzeitig verlaufen, lässt sich auch von dem „Dilemma der Ungleichzeitigkeit“ sprechen. „Insofern wandeln sich die Dilemmata der Gleichzeitigkeit (s. Przeworski, Elster, Offe), in Dilemmata der Ungleichzeitig-keit.“ (Kollmorgen 1996: 321) Diese Dilemmata11 zu minimieren, also die verschie-denen Abläufe zu synchronisieren, könnte Aufgabe der Öffentlichkeit sein, wenn sie die ihr zugewiesene „Synchronisationsfunktion“ (vgl. dazu auch Kapitel 1.2, Görke 1999: 303f.) übernimmt.

Die zuletzt vorgestellte Phaseneinteilung scheint am ehesten imstande, zum ei-nen die Übergänge im Prozess der Transformation zu beschreiben, und zum ande-ren diesen Prozess auf die spezifischen Veränderungen der Öffentlichkeit zu über-tragen. Gleichwohl sollen der folgenden Analyse keine allgemeinen Phasen voran-gestellt werden, obschon beim Fallbeispiel Belarus Phasen des politischen, instituti-onellen Wandels aufgenommen und diskutiert werden.

Nachdem der Begriff der Transformation grundlegend geklärt wurde und mögliche Phasen erläutert wurden, sollen im Weiteren verschiedene theoretische Herangehensweisen vor allem der Politikwissenschaft und der Soziologie vorgestellt werden, die eine Aussage über den Forschungsstand der Transformationsforschung erlauben.

11 Rüb (1995), Müller (1991: 284ff) und vor allem Nikoli� (1998) beschreiben ausführlich weitere Parado-xa, die der Transformation zu eigen sind.

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1.1 Transformation 31

1.1.2 Forschungstand in Nachbardisziplinen Der von den Sozialwissenschaften nicht vorhergesehene Umbruch in den Staaten des Ostblocks, führte zu ausgedehnten theoretischen Debatten über diese „histori-sche Überraschung“ (Mayntz 1995).12 Einen Überblick der Vielzahl der transforma-tionstheoretischen Ansätze bietet Kollmorgen (1996: 288). Er unterteilt die Bestre-bungen einer theoretischen Erfassung der Prozesse paradigmatisch und benennt die Hauptvertreter der jeweiligen Ansätze. In Anlehnung an diese Einteilung werden die einzelnen Theoriestränge im Folgenden kurz vorgestellt und diskutiert. Ein Ergebnis kann bereits vorweg genommen werden: Allen Vertretern, die eine theore-tische Lösung anhand nur einer (theoretischen) Herangehensweise zu finden glau-ben, erteilt Merkel (1994: 325f.) eine Absage:

“Gibt es einen Königsweg in der Transformationsforschung? Mit Sicherheit nicht den, der sich exklusiv an den Axiomen, Theoremen und Reduktionen einer soziologischen Großtheorie alleine orientiert. [...] Ein Ansatz zur Systemwechselforschung, der funktionale Teilsystemlogiken, syste-mische Legitimationserfordernisse, Sozial- und Machtstrukturen, Institutionen sowie den interna-tionalen Kontext als jeweils zu konkretisierende constraints für das strategische Handeln politi-scher Akteure begreift, vermag die Logik und den Ablauf von Systemwechseln angemessener zu entschlüsseln als Ansätze, die auf eine einzige Theorie verpflichtet werden.”

Eine theoretische Annäherung – auch für die Erarbeitung eines Analysemodells – verlangt somit das Zusammengehen verschiedener Perspektiven. Wie diese Per-spektiven sinnvoll kombiniert werden können, soll nach der nun folgenden Ab-grenzung der Begriffe und Denkrichtungen in Kapitel 2 bedacht werden. Der systemtheoretische Zugang Die von Parsons entwickelte Modernisierungstheorie war schon fast in der wissen-schaftlichen Versenkung verschwunden, als der Kollaps des kommunistischen Sys-tems ihr zu neuem Ruhm verhalf. Mit Hilfe der in seiner Modernisierungstheorie zentralen „evolutionären Universalien“ (vgl. Parsons 1979: 55) beschreibt er die Entwicklung von Gesellschaftssystemen. Mittels seiner Theorie, die die Universalien „Religion“, Kommunikation durch Sprache, soziale Organisation durch Verwandt-schaftsordnungen und Technologie, soziale Schichtung, kulturelle Legitimierung differenzierter gesellschaftlicher Funktionen, Verwaltungsbürokratie, Geld- und Marktorganisationen, demokratische Assoziation oder Genossenschaft mit gewähl-ter Führung und allgemeinem Wahlrecht enthält, gelangt Parsons zu einer weit reichenden Schlussfolgerung für totalitäre kommunistische Systeme. Bereits in 1960er Jahren sieht er den Kollaps des Ostblocks voraus: 12 Mayntz (1995: 3f., Hervorh. im Orig.) rechtfertigt im Weiteren, dass „die geringe Prognosefähigkeit der Sozialwissenschaften nicht in ihrer Unreife liegt, sondern prinzipieller Natur ist. Das heißt, das bestimmte objektive Eigenschaften der sozialen Wirklichkeit, die ich unter den Stichworten Multikausali-tät, Nichtlinearität und Interferenz diskutieren werde, die Prognostizierbarkeit sozialer Ereignisse grund-sätzlich einschränken – ohne uns jedoch deshalb zu einer theoriefernen Beschreibung zu verdammen.“

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32 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

„Es ist mir klar, was aus dieser Auffassung folgt: nämlich daß es die totalitäre kommunistische Or-ganisation langfristig wahrscheinlich mit der ‚Demokratie’ und ihren politischen und integrativen Kapazitäten nicht voll aufnehmen kann. Ich stelle tatsächlich die Prognose, daß sich die kommu-nistische Gesellschaftsorganisation als instabil erweisen wird und entweder Anpassungen in Rich-tung auf die Wahlrechtsdemokratie und ein pluralistisches Parteiensystem machen oder in weniger entwickelte und politisch weniger effektive Organisationsformen ‚regredieren’ wird, im zweiten Fall würden sich die kommunistischen Länder viel langsamer weiterentwickeln als im ersten Fall.“ (Parsons 1979: 70f.)

Obwohl Parsons auf Grund seiner theoretischen Überlegungen zu dem Schluss kommt, dass das kommunistische System den Wahlrechtsdemokratien nicht ge-wappnet sei, wurden gegen die Anwendung dieses Ansatzes viele Argumente vor-gebracht, „die im Kern schon bereits älteren Datums sind. Kritisiert wurden und werden: Abstraktionshöhe, starke politische und normative Gehalte, damit verbun-den, Universalisierung eines singulären Prozesses, sowie Zirkularität der Begrün-dung von Modernität, evolutionäre ‚Einbahnstraße’, dominante Makrofundierung, mithin Vernachlässigung der Akteursebene, grundlegend statischer Charakter für neue Trends (teleologischer Charakter) u. a.“ (Kollmorgen 1994: 388, vgl. auch Müller 1991)

Einige Autoren hielten jedoch an der Modernisierungstheorie fest und ver-suchten, durch Modifikationen, diese für die Beschreibung und Erklärung der Transformationsprozesse fruchtbar zu machen, etwa weitergehende Modernisierung (Zapf 1990), oder nachholende Revolution (Habermas 1992). So ist nach der Auf-fassung von Wolfgang Zapf die ‚gehärtete’ Modernisierungstheorie ein viel verspre-chender Ansatz, um die Transformationsprozesse nachzuvollziehen. „Inklusion, Wertegeneralisierung, Differenzierung, Statusanhebung sind die Mechanismen des sozialen Wandels. Dies nenne ich ‚weitergehende Modernisierung’ im Doppelsinn von Richtungskonstanz und Strukturverbesserung.“ (Zapf 1990: 35, Hervorhebung im Original) Aber auch Zapf sieht für sein Modell der weitergehenden Modernisierung selbst schwerwiegende Gegenargumente13, wie für die neueren Anstrengungen einer Modernisierungstheorie generell: Erstens würden die Warnungen vor den längerfris-tigen Abläufen der gesellschaftlichen Transformationsprozesse von vielen nicht ernst genug genommen, und zweitens habe die Modernisierungstheorie zumindest einen gravierenden Mangel: Sie sei zu sehr zukunfts- und entwicklungsorientiert und unterschätze auf diese Weise Rückfälle, ungeahnte Konflikte oder andere Abwei-chungen. Zapfs Bemühungen einer modernisierten Modernisierungstheorie erin-nern letztlich an „ein immunsierungsträchtiges theoretisches Potpourri“ (Kollmor-gen 1996: 295f.) und erscheinen doch als Ansatz „einer im wesentlichen erfolgrei-chen Modernisierung“ (Müller 1991: 278). Diesen Umstand gilt es im Weiteren zu beachten, stehen doch Staaten wie etwa Belarus meist für eine missglückte Moderni-sierung oder zumindest für eine gescheiterte Transformation. Auch wenn es Parsons

13 Diese sind: Exklusion, Epochaler Bruch, Institutionelle Erosion und Weltprobleme; vgl. Zapf 1990: 36

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1.1 Transformation 33

„nicht um einen Sieg des westlichen Prinzips“ (Müller 1991: 278) ging, ist die Mo-dernisierungstheorie daher in ihrer ursprünglichen Form, aber auch in der Spielart der „nachholenden Modernisierung“ trotz aller Implikationen für zeitgenössische Transformationsanalysen nicht tragfähig. In Anbetracht dieser Sachlage fasst Reißig (1994: 21) zusammen:

„Damit wird das Denken in eine Richtung gelenkt, die offensichtlich nicht wenige in die Trans-formationsforschung involvierte Sozialwissenschaftler bewegt, nämlich wie systemtheoretische Erklärungen gesellschaftlicher Differenzierung stärker mit dem Akteursbezug ‚kombiniert’ werden können.“

Neben der „klassischen“ Modernisierungstheorie Parsons werden auch noch weite-re systemtheoretische Ansätze debattiert. Während jedoch Luhmann nicht konkret auf den Transformationsbegriff eingeht, setzt sich Dirk Baecker dezidiert mit ihm auseinander, und kommt zu dem Schluss: „Ein kybernetischer Transformationsbeg-riff ist geeignet, einen Großteil der Annahmen und Ergebnisse der bisherigen Transformationsforschung zu rekonstruieren.“ (Baecker 1995: 101). Ebenso wie bereits bei der Modernisierungstheorie Parsons’ wird deutlich, worin der wesentli-che Vorteil einer makrotheoretischen Betrachtungsweise liegt. Im Gegensatz zu handlungstheoretischen Ansätzen ist es möglich, die Ergebnisse der Transformati-onsforschung in einen gesamtgesellschaftlichen Zusammenhang einzubetten, d.h. Ausgangs- und Endzustand, Ziele, Entwicklungsstufen und Übergänge zu benen-nen. Baecker führt im Weiteren aus, dass die Transformation selbst einer Transfor-mation unterliege und insofern nur auf Transformation verweisen könne. Aus ihr würde ein „Spezialfall von Rekursivität, in der alle Elemente, die einen Prozeß bestim-men, von diesem Prozeß selbst hervorgebracht werden. [...] Mit der Bezeichnung der Transformation als Spezialfall von Rekursivität geht eine Enttrivialisierung des Transformationsbegriffes einher.“ (Baecker 1995:107). Er leitet aus seiner Überlegung der nichttrivialen Transformation (mindestens) drei wesentliche Einsichten für eine Theorie der Transformation ab: Zunächst seien Transformationsvorgänge unvor-hersehbar und historisch abhängig. Zweitens gelangt er zur Einsicht, dass die Be-stimmungen von Ausgangs- und Endzustand artifiziell, m. a. W. normativ vorbelas-tet und gesetzt sind. Die dritte Einsicht hält letztlich fest, dass Transformationsge-sellschaften im fortwährenden Prozess in der Lage sind, eigene Voraussetzungen im Hinblick auf Zielerreichung zu negieren, zu stärken oder erst zu schaffen. Baecker folgert daraus, dass sich die Transformationsforschung gegenwärtig (1995) auf den Punkt der Deskription der Ereignisse reduzieren lässt:

„Übersetzt (!) man nun diese Einsichten in eine soziologische Theorie der Transformation, so kann es zunächst einmal nur darum gehen, (a) ihre Unvorhersehbarkeit, (b) die Einheit der Gesell-schaft, in der sie stattfindet und (c) die Veränderung der Gesellschaft, in der sie stattfindet, durch den Umstand, daß sie stattfindet, zu beschreiben. Man sieht, dass sich die ursprüngliche Absicht der Transformationsforschung auf den dritten Punkt dieser Liste reduziert sieht.“ (Baecker 1995: 108)

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34 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

Die systemtheoretischen Ausführungen erlauben eine neue, im Theoriegebäude der Systemtheorie abgesicherte Analyse der Vorgänge. Verfolgt man jedoch das Ziel, Transformationsvorgänge mittels empirischer Analysen voneinander abzugrenzen, ergeben sich Schwierigkeiten, etwa im Umgang mit der Operationalisierung oder der Einbettung von Akteuren und Netzwerken. Nicht zu Unrecht wurde bereits in der Forschungsliteratur darauf hingewiesen, dass bisher keine Einzeltheorie vorliegt, die die komplexen Transformationsprozesse im Ganzen zu erfassen vermag.

So viel versprechend und elaboriert Dirk Baeckers Kritik an der Transformati-onsforschung und seine systemtheoretischen Ausführungen zu „nichttrivialen Transformationen“ zunächst erscheinen, im Sinne einer Entwicklung eines praxis-tauglichen Analysemodells sind seine Überlegungen weniger nützlich. Lediglich seine drei Einsichten zu einer soziologischen Transformationstheorie sind für die anstehenden grundsätzlichen Überlegungen hilfreich. Am viel versprechendsten erscheint auf makrotheoretischer Ebene der Ansatz Pollacks (1990, 1991), der in Anlehnung an Parsons und Luhmann „die mangelnde funktionale Ausdifferenzie-rung von eigencodierten und autonomen Teilsystemen von Gesellschaft im Realso-zialismus“ herausstellt. „Dies mußte unterbleiben, weil ideologie- und machtseitig das „Supersystem“ Politik als Zentrum einer Organisationsgesellschaft unabdingbar war.“ (Kollmorgen 1996: 289) Jedoch argumentiert Pollack, ebenso wie bereits Parsons, dass diese Gesellschaft, die die gesamte Wirklichkeit mittels der dualen Codierung sozialistisch vs. nicht-sozialistisch deutet, nicht dauerhaft Bestand haben kann:

„Die Tendenz zur gesellschaftlichen Differenzierung setzt sich immer wieder durch, denn eine Gesellschaft läßt sich unter modernen Bedingungen, also mit der Erreichung eines bestimmten Komplexitätsniveaus, nicht mehr hierarchisch organisieren, sondern verlangt den Ausbau funktio-naler Spezialisierung.“ (Pollack 1990: 296f.)

Am Ende seiner Analyse zu Ostdeutschland interpretiert Pollack nicht die immer wieder als Haupteinflussfaktor gehandelten „Westmedien“ als maßgeblichen Motor des Umbruchs, sondern die Perestrojka, die zeigte, dass selbst in der Sowjetunion Mitbestimmung, Transparenz und freie Meinungsäußerung möglich sein konnte.

Abseits dieser „rein“ systemtheoretischen Ansätze plädiert Sandschneider je-doch für einen integrativen Ansatz, der zwar systemtheoretische Erklärungsmuster übernimmt, gleichwohl diese – wo nötig – um akteurtheoretische Annahmen zu erweitern versucht, wie es etwa auch Reißig (siehe oben) bereits vorschlug. Daraus ergibt sich für Sandschneider (1996: 25), ein Plädoyer für einen „interdisziplinären theoretischen Pluralismus“, wozu er die systemtheoretischen Möglichkeiten „zur Entwicklung eines Analyserasters“ diskutiert. Er spricht sich für eine Integration der Erklärungsansätze aus, die auf den drei bekannten Ebenen Makro, Meso, Mikro unterschieden werden können, und „die untereinander als in hohem Maße vernetzt zu betrachten sind. [...] Erst aus der Integration von Erklärungsansätzen aller drei

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1.1 Transformation 35

Analyseebenen können Elemente einer aussagefähigen Transformationstheorie gewonnen werden.“ (Sandschneider 1996: 25) Wie Reißig für die Modernisierungs-theorie sieht Sandschneider (vgl. 1996: 37) eine Chance in einer Multiperspektive, die neben der systemtheoretischen Argumentation auch andere Ansätze zulassen soll und spricht von einer Art „weichen“ Systemtheorie, die sich für die Implikatio-nen weiterer theoretischer Perspektiven öffnet, um die Komplexität der Transfor-mationsprozesse abzubilden. Der Vorschlag Sandschneiders läuft m. E. aus zwei Gründen in die falsche Richtung. Erstens ist die Systemtheorie nicht nur eine Mak-rotheorie, sondern schließt auch etwa Personen auf der Mikroebene ein. Um die Grenzen der Systemtheorie zu umgehen, ist es zweitens nicht nötig und nicht zweckmäßig, eine „weiche“ Variante zu proklamieren. Vielmehr könnte mittels einer ernst gemeinten methodologischen „Multiperspektive“ unterschiedliche „har-te“ Ansätze in der Analyse der postsozialistischen Transformationsprozesse An-wendung finden. Dieser Gedanke soll weitergeführt und nach der Diskussion der akteur- resp. handlungstheoretisch orientierten Konzepte im Modellentwurf aufge-griffen werden.

Die Grundargumentation der Ansätze des systemtheoretischen Paradigmas ist insgesamt doch recht ähnlich (vgl. a. Baecker 1995: 109). Mit dem Extrakt Pollacks (1990: 289) soll an dieser Stelle eine typische Darstellung und der systemtheoreti-schen Rahmen der gesellschaftlichen Veränderungen gezeigt werden, die erklärt, warum die kommunistische Gesellschaft unter der Vormachtstellung der Politik keinen Bestand haben konnte:

„Diese Konstruktion verhinderte zunehmend die Outputeffizienzen der subsumierten Teilsysteme wie deren Vermittlungen. Die damit anwachsenden Steuerungs-, mithin Leistungsdefizite der Sys-teme wie der Gesamtgesellschaft, die zugleich von Autonomieverlusten in der Interessenartikulati-on und -vermittlung begleitet waren, entluden sich 1989 in einer Implosion des Gesellschaftssys-tems […] Die postsozialistischen Transformationsprozesse lassen sich daher im Kern als ‚nachho-lende Modernisierungen’ deuten, wobei ‚das Ziel bekannt ist’, nämlich die Einführung moderner Basisinstitutionen: ‚Konkurrenzdemokratie, Marktwirtschaft, Wohlstandsgesellschaft mit Massen-konsum und Wohlfahrt’.“

Eine funktionierende Öffentlichkeit oder die gesellschaftliche Leistung von Journa-lismus, auch gerne als so genannte „vierte Gewalt“ bezeichnet, spielt dabei keine Rolle. Zumindest zählen diese in der politologischen resp. soziologischen Trans-formationsdebatte nicht zu den modernen Basisinstitutionen. Der akteur-/ handlungstheoretische Zugang Zunächst gilt es festzuhalten, dass auf Seiten der Akteurtheorien ebenfalls Bemü-hungen vorliegen, ihre Annahmen mit anderen grundlagentheoretischen Zugängen zu kombinieren (vgl. Kollmorgen 1996: 229). Jedoch greift der akteurtheoretische Zugang dabei vor allem auf den Rational-Choice-Ansatz und dessen verschiedene Spielarten zurück. Diese Engstirnigkeit lässt sich wohl auf die Vorannahme zurück-

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36 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

führen, dass es alleine die Akteure seien, deren Handlungen die Transformationser-eignisse bestimmten.14

Bemerkenswert ist die Fülle US-amerikanischer Wissenschaftler, die diesen Zugang zur Erklärung der Transformationsprozesse suchen (etwa Przeworski u. a. 1990, 1991, 1992, 1995, O’Donnell/Schmitter/Whiteland 1991). Im Gegensatz zu deutschen Transformationsforschung, die weitgehend erst mit dem ‚Fall der Mauer’ begann, bemühten sich die genannten Autoren bereits früh um die Erklärung der Prozesse etwa in Lateinamerika und konnten so auf einige Erfahrungen im theoreti-schen und empirischen Umgang zurückgreifen.

Vor allem Przeworski steht maßgeblich für diese US-amerikanische Transfor-mationsforschung und soll an dieser Stelle „schon wegen der theoretischen Strenge“ (Kollmorgen 1996: 290) vorgestellt werden. Dem Rational-Choice-Ansatz (auch Rational-Choice-Theorie RCT genannt) folgend geht Przeworski von rational-nutzenmaximierenden Akteuren aus, die er spieltheoretisch in sein Modell einbaut. „Er blendet dabei externe und systeminterne strukturelle Faktoren aus, rechnet also nur mit den von ihm angenommenen Interessen und Präferenzen der beteiligten Akteure.“ (Bos 1996: 83) Auf vorwiegend politischer Ebene entwirft er Verlaufs-modelle mit den Stufen ‚Liberalisierung’, ‚Demokratisierung’ und ‚demokratische Konsolidierung’, die zu verschiedenen Zeitpunkten verschiedene Handlungsmög-lichkeiten offerieren. Generell unterscheidet Przeworski zwischen Soft- und Hardli-nern (dazu kritisch Garton Ash 1990: 15). Przeworski behauptet, dass Transforma-tionsprozesse „durch die Analyse der Präferenzen, gegenseitigen Wahrnehmungen und Strategien sowie Interaktionsmodi (z.B. Koalitionsbildungen) der bedeutenden Akteure erklärbar sind, mithin spieltheoretisch modelliert und i.g.W. auch praktisch-politisch operationalisiert werden können“ (Kollmorgen 1996: 290). Großer Vorteil seines Zugangs ist der immer wieder mögliche „backlash“, d.h. das Zurückfallen in ein autoritäres System, was eine gewisse Offenheit der Ereignisse im Transformati-onsprozess zulässt. Andererseits wird ein klares Ziel des Transformationsprozesses nicht gesetzt, Transition bedeutet an dieser Stelle den Übergang von einem autoritä-ren Regime in ein „something else“. Die Annahmen des Rational-Choice-Ansatzes können sicherlich einige Verläufe und Handlungsentscheidungen maßgeblicher Akteure erfassen und z. T. erklären, die eine funktionalistische Analyse nicht zu leisten imstande ist.15 Dazu muss Przeworski jedoch zusätzlich soziologische und 14 Vgl. etwa folgende beiden Einschätzungen: „In der Grundfrage, ob ‚System oder Akteur’ vorrangig zu thematisieren sind, neigt sich in der Transformation als einer Phase forcierten sozialen Wandels die Waage eindeutig zugunsten der Akteursansätze – die Gründe liegen auf der Hand.“ (Albrecht 1998: 185) Und: „Es wird angenommen, daß Demokratien nicht zwangsläufig aus bestimmten ökonomischen und sozialen Bedingungen entstehen, sondern von politischen Akteuren im wahrsten Sinne des Wortes hergestellt oder gemacht werden. Im Mittelpunkt der Analysen steht deshalb das strategische Handeln der an den Prozessen beteiligten Akteure.“ (Bos 1996: 81) 15 „Eine allein systemtheoretische, funktionalistische Betrachtung kann dies hingegen nicht leisten, wiewohl sie als Ex-post-Analyse nicht sinnlos sei.“ (Kollmorgen 1996: 291)

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1.1 Transformation 37

psychologische Variablen einführen und den Akteuren auch irrationales Verhalten unterstellen (vgl. Bos 1996: 94).

Der Ansatz bekommt weiterhin dort Probleme, wenn es darum geht, die Ent-scheidungen in einen gesamtgesellschaftlichen Rahmen einzubetten. Die Vielzahl der für die Akteure relevanten Imperative kann wohl mit Hilfe des Rational-Choice-Ansatzes kaum abgeschätzt werden, und vor allem können nicht alle Akteure mit in eine mögliche Berechnung einfließen. Zudem sind vor allem politische Eliten und oppositionelle Gruppen Gegenstand der akteurtheoretischen Analyse.

Mit Bezug auf die relevanten Aspekte der Öffentlichkeit und des Journalismus spielen sicherlich die politischen Ereignisse und Entscheidungen eine herausragende Rolle. Jedoch müssen dort die Eliten neu definiert und im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Situation betrachtet werden. Eine rein akteurtheoretische Betrach-tungsweise kann dies m. E. nicht leisten bzw. kommt dort in eine missliche Lage, wo die Anzahl der Akteure überhand nimmt und eine Rational-Choice-Analyse praktisch nicht mehr durchführbar wird. Bos (vgl. 1996: 103) schlägt daher vor, die Analyse nicht nur auf Akteure zu reduzieren, sondern das strukturelle und instituti-onelle Beziehungsgeflecht mit einzubeziehen. Die Handlungen der Akteure sollen so als Konsequenz der institutionellen Zwänge und der funktional-strukturellen Rahmenbedingungen gewertet werden.

Den handlungstheoretische Zugang verbindet mit dem akteurtheoretischen die Skepsis (besser: das Vorurteil) gegenüber der Systemtheorie. Er grenzt sich jedoch insofern ab, als er die Erklärungen auf Grundlage von rationalem Handeln oder spieltheoretischer Annahmen als zu einseitig oder fehlgeleitet bewertet und sucht stattdessen „Voraussetzungen und Prozesse der Transformationen (auch) aus den gruppen- und individuenspezifischen Traditionen und Umbrüchen der kulturellen, lebensweltlichen Handlungssphäre zu deuten“ (Kollmorgen 1996: 292). Lediglich erwähnt seien noch weitere Ansätze in der Transformationsforschung, etwa der Neo-Institutionalismus (vgl. Lehmbruch 1996) oder die Neue Institutionen-ökonomik (vgl. zur Einführung Richter 1999), die als integrative Konzeptionen auftreten.

1.1.3 Ausblick: Integrative Ansätze und das Problem des „Wie“ Die offensichtliche Notwendigkeit integrativer Ansätze, die von der Mehrzahl der Transformationstheoretiker gefordert wird, kann allein auf Grund dieser Ansage noch keine wissenschaftliche Geltung besitzen. Und darüber hinaus besteht das Problem der Umsetzung, des ‚Wie’. Wie sollen die Ansätze verbunden werden? Wo sind sie anschlussfähig?

Schimank und Weyer greifen im Rahmen eines Vortrags die Anknüpfungs-punkte auf, und konstatierten, dass „die eigentliche Differenzlinie zwischen diesen Paradigmen eher durch die Unterscheidung von ‚handlungsprägenden’ und ‚hand-lungsfähigen’ Sozialsystemen freigelegt werden kann. Zwar sind alle Sozialsysteme

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38 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

handlungsprägend [...] Darüber hinaus existieren aber auch handlungsfähige Sozial-systeme die als (intentionale) Akteure auftreten, wie Gruppen, soziale Bewegungen, formale Organisationen und Interorganisationsverbunde. Gerade die Thematisie-rung handlungsfähiger Systeme gestattet es dann auch, das ‚genetische Erklärungs-defizit’ der Systemtheorie zu beheben.“ (zit. nach Kollmorgen 1996: 298) Weiter sehen Schimank und Weyer für einen integrativen Ansatz die Notwendigkeit der Einbindung der Theorie des „policy networks“, „’weil sie sich zur Erklärung von Vorgängen gesellschaftlicher Restabilisierung durch die Schaffung neuer institutio-neller Ordnungen eignet’. [...] ‚Ohne eine solche komplexe Theoriekombination läuft die soziologische Analyse ... an den Realitäten’ Osteuropas vorbei.“ (Schi-mank/Weyer 1995, zit. nach Kollmorgen 1996: 299)

Der an dieser Stelle viel zitierte Soziologe Raj Kollmorgen, der m. E. die bis-lang prägnanteste Zusammenschau theoretischer Transformationsansätze verfasst hat, stellt am Ende resignierend fest, dass die Versuche zur Erklärung der Trans-formation mindestens so viele Fragen aufwerfen, wie sie Lösungen anbieten. Zu-dem hält Kollmorgen (1996: 302f.) drei maßgebliche Forderungen resp. Rück-schlüsse der vorliegenden Ansätze fest, die bis heute Gültigkeit besitzen: erstens fordert er dazu auf, die Entscheidung für oder gegen eine theoretische Selektion zu begründen. Die reine Zusammenführung reicht an dieser Stelle nicht aus. Zweitens erinnert er daran, die Grenzen und Reichweiten gerade der Ausgangstheorien aus-zuloten. Beispielhaft nennt er den Irrtum, Systemtheorie sei reine Makrotheorie.16 Letztlich moniert Kollmorgen, dass die unterschiedlichen Kombinationsvorschläge und Vorstellungen über Transformationsprozessen in Gegenstand und Reichweite stark variieren. Was bleibt von der Diskussion für die Kommunikationswissenschaft? Aus der zugegebenermaßen oberflächlichen Skizzierung des Forschungsstandes in den sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen wird deutlich, auf welchen unter-schiedlichen Ebenen bzw. Niveaus und wie umfangreich transformationstheoreti-sche Überlegungen diskutiert wurden und werden. Die komplexen Vorgänge im Transformationsprozess verschließen sich einer einzigen Antwort. Auch Kollmor-gen sieht sich mit diesem Problem konfrontiert und vermag ebenso keine eindeutige Lösung anzubieten:

„Wie sich Gesellschaften reproduzieren und entwickeln (werden) ist nicht allein ein Problem des Postsozialismus, sondern auch – und heute gerade – ein Problem des Westens und Südens, und al-

16 „Es ist schon merkwürdig, wie hartnäckig sich bei bestimmten Handlungs- und Akteurtheoretikern, teils selbst bei Systemtheoretikern das ‚Gerücht’ hält, Systemtheorie sei per se Makrotheorie (von Beyme, Merkel, Sandschneider, Welzel u.a.). Merkel vermerkt, daß sich System- und akteurtheoretische Ansätze gar nicht in wirklicher Konkurrenz begegnen können, da sie sich auf ‚unterschiedliche Erkenntnisobjek-te’ (!) beziehen; im Fall ‚systemisch orientierte Analysen’ eben ausschließlich auf die Makroperspektive.“ (Kollmorgen 1996: 306).

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1.2 Öffentlichkeit 39

les andere als akademische Taschenspielerei. Schöne Aussichten? Die praktischen und theoreti-schen Gemengelagen verweigern einfache Antworten.“ (Kollmorgen 1996: 324)

Jedoch erscheinen gerade zwei Ideen, wenn nicht Innovationen, der Transformati-onsforschung, die bislang nicht aufgegriffen wurden, wegweisend für die Modell-entwicklung in der vorliegenden Arbeit: die historisch-empirische Transformations-theorie (Müller/Schmid) und die phasenweise Sequentialisierung des Transformati-onsprozesses (Kollmorgen). Beide Ansatzpunkte sollen daher in die folgenden theoretischen Vorüberlegungen (vgl. Kapitel 2.2) eingebunden werden.

Abseits der Vorarbeiten von Politologie und Soziologie kann auch die Kom-munikationswissenschaft zur Untersuchung der gesellschaftlichen Transformati-onsprozesse beitragen, sofern sie imstande ist, ihre Diagnosefunktion und ihre Prognosefunktion auszuarbeiten. Dazu wird eine Rückbindung der Erkenntnisse notwendig sein, die etwa nicht nur die Akteure oder Eliten der Öffentlichkeit (z.B. Journalisten, Verleger, Verbände) identifiziert, sondern auch fachspezifische Vorar-beiten beispielsweise zu Professionalisierung, Propaganda, Ideologisierung, Journa-lismus in der Gesellschaft in die Analyse einbringt.

Die politologische und soziologische Transformationsforschung hat eine große Anzahl trans-formationstheoretischer Ansatzpunkte geliefert. Auch Journalismusforschung kann diesen „sozial-wissenschaftlichen Theorienpluralismus nicht ignorieren“ (Rühl 2004: 118). Als Quintessenz lässt sich festhalten, dass der Schlüssel zur Erforschung dieser gesellschaftlichen Wandlungsprozesse nicht in einer einzigen Theorie sondern in einem integrativen Ansatz unterschiedlicher Konzepte zu finden ist. Die in diesem Kapitel lediglich genannten methodologischen Ideen der ‚historisch-empirischen Transformationsforschung’ und der ‚phasenweisen Sequentialisierung’ werden in die konzeptionellen Vorüberlegungen (Kapitel 2) einfließen. Obwohl immer wieder genannt, spielen Öffentlichkeit, Journalismus oder Massenmedien „überraschenderweise“ kaum eine Rolle in der politologischen (und zum Teil auch der kommunikationswissenschaftlichen) Transformationsfor-schung (vgl. a. Voltmer 2000: 123f., Hribal 2003: 56, Thomaß/Tzankoff 2003: 183).

1.2 Öffentlichkeit Die Überschrift des Kapitels nimmt das vorläufige Ende einer vorwiegend kommu-nikationswissenschaftlichen Diskussion bereits vorweg, welche die Beschreibung eines Systems Journalismus, Publizistik, (Massen-)Medien, (Massen-) Kommunika-tion zum Ziel hatte. Um die Frage beantworten zu können, wie die Öffentlichkeit transformiert wurde, muss zuerst geklärt werden, was unter Öffentlichkeit verstan-den wird. Mittlerweile liegen hierfür unterschiedliche Konzepte vor (zum Überblick vgl. etwa Donges/Imhof 2005). Geht es um Veränderungen der Öffentlichkeit wird oft die Konzeption von Habermas (vgl. 2002) genannt. Jedoch kann dieser Ansatz – so kritisiert auch Rühle (2003: 9f.) – kaum auf die Verhältnisse und Werthaltungen staatssozialistischer Systeme übertragen werden. Die gesellschaftliche Ausgangssitu-

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ation einer feudalen Gesellschaft unterscheidet sich maßgeblich von den sozialisti-schen Realitäten. Rühle selbst verwendet das Öffentlichkeitskonzept von Ger-hards/Neidhardt (1990), die drei unterschiedliche Ebenen von Öffentlichkeit be-nennen. Wenngleich dies als gangbarer Weg erscheint, werden im Folgenden aus-schließlich systemtheoretische Konzepte von Öffentlichkeit vorgestellt, von denen drei näher beleuchtet werden. Diese Theorieentwürfe stellen die jüngsten Konzepte einer Diskussion dar, die nicht nur versucht, konzise Begrifflichkeiten hervorzu-bringen und die Rolle der Massenmedien, Journalismus etc. zu beschreiben, son-dern damit auch das Selbstverständnis und den „Zuständigkeitsbereich“ (Koh-ring/Hug 1997: 15) der Kommunikationswissenschaft abgrenzt. Der Vorteil dieser systemtheoretischen Ansätze liegt nicht nur in der dem Untersuchungsgegenstand angemessenen Komplexität, sondern vor allem in der Konnektivität (vgl. auch Saxer 2004: 85). Daher lassen sich nicht nur eigene Grenzen abstecken, sondern darüber hinaus die Verbindungen zu weiteren gesellschaftlichen Teilsystemen im selben Gedankenkonstrukt darstellen. Unter diesem Einfluss hat sich die „Qualität kommu-nikationswissenschaftlicher Theoriebildung […] entschieden verbessert“ (Saxer 2004: 92, Hervorh. im Orig.). Dieses Kapitel diskutiert daher die Ansätze der systemtheoreti-schen Journalismusforschung innerhalb der deutschsprachigen Kommunikations-wissenschaft, die eine notwendige Abgrenzung des Forschungsgegenstandes geleis-tet haben. Sie sind somit auch imstande, die Ergebnisse in einen gesamtgesellschaft-lichen Rahmen einzubetten. Die favorisierten Ansätze werden dort zu ergänzen sein, wo die Systemtheorie m. E. Schwächen zeigt.

Da die systemtheoretische Konzeption von öffentlicher Kommunikation ein relativ neuartiges Bestreben darstellt, ist die Anzahl der vorgelegten Konzepte bis-her überschaubar. Den Ausgangspunkt bzw. kleinsten Nenner der Ansätze bildet die Beschreibung von Journalismus. Trotz Benennung verschiedener Systeme (Journalismus, Publizistik, Öffentlichkeit, Massenmedien) und begrifflicher Unge-nauigkeiten, welche die Vergleichbarkeit der Theorieentwürfe erschweren, werden die vorgelegten (systemtheoretischen) Ansätze meist gemeinsam diskutiert (vgl. anstatt vieler: Scholl/Weischenberg 1998: 63ff.). Auch an dieser Stelle sollen die Entwürfe in einem gemeinsamen Kontext besprochen werden, um die Entschei-dung für eine Variante nachvollziehbar zu gestalten. Es können nicht alle Theorie-entwürfe in extenso besprochen werden, weil dies den Rahmen dieser Arbeit spren-gen würde. Die Hauptargumente für und wider die Ansätze sollen an dieser Stelle genügen, um zu zeigen, „worum es einer systemtheoretischen Journalismustheorie primär geht – nämlich die Grenzen des Journalismus als Sinngrenzen zu beschrei-ben – weil er nur so von anderen gesellschaftlichen Handlungsbereichen zu unter-scheiden ist“ (Kohring 2000: 153; Hervorhebung im Original).

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1.2 Öffentlichkeit 41

1.2.1 Konzepte Manfred Rühl legte 1980 einen ersten Theorieentwurf zum System Journalismus vor. Diese Konzeption, die von Beobachtungen redaktioneller Arbeitsweisen ge-prägt ist, lieferte eine erste Bestandsaufnahme und einen ersten Theorieentwurf zu Journalismus als (Organisations-)System. Doch erst zu Beginn der 1990er Jahre entstand vor allem durch die Beiträge von Marcinkowski (1993), Blöbaum (1994), Luhmann (1996), Hug (1996), Kohring (1997) und Görke (1999) eine breite system-theoretische Diskussion in der Kommunikationswissenschaft. Auch Gerhards (1994) regte in einem system- und akteurtheoretischen Ansatz dazu an, indem er den Begriff der (politischen) Öffentlichkeit in die laufende Diskussion einbrachte. Der Entwurf von Weber (2000) verlässt die Pfade der reinen Systemtheorie und diskutiert Journalismus unter Zuhilfenahme dreier weiterer Theorien, was er als „’Flurbereinigung’ des Objektbereichs“ (ebd.: 60) bezeichnet. Das dies „nicht selten zur Zerstörung der alten Kulturlandschaft“ (Kohring 2001: 225) führt, kann jedoch nicht das Argument gegen dieses Vorgehen sein. Vielmehr scheint es gewinnbrin-gender, zunächst die (konventionelle) systemtheoretische Diskussion – die bislang fast ausschließlich den Journalismus zum Thema hatte – auf das gesamte Fachgebiet auszubreiten, also in Zukunft auch PR, Unterhaltung und Werbung in die Diskussi-on einzubeziehen, was teilweise bereits geschehen ist (vgl. Kohring 2004: 151; Gör-ke 2005: 58ff., 2008). Daher bleiben die Gedanken Webers hier außen vor.

Wie bereits erwähnt, legte Rühl 1980 einen ersten Theorienentwurf vor. Die Hauptfunktion des Journalismus sieht er in der „Herstellung und Bereitstellung von Themen zur öffentlichen Kommunikation“ (Rühl 1980: 323). Dabei klärt Rühl allerdings nicht, was unter öffentlicher Kommunikation zu verstehen ist, und worin der Unterschied zu Journalismus besteht (vgl. auch Marcinkowski 1993: 46). Die allgemeine Funktionszuweisung sowie die redaktionelle Linie in seinem Ansatz führen dazu, dass PR-Organisationen ebenso wie „diese ‚klassischen’ Medienorgani-sationen“ (Rühl 1980: 327) im System Journalismus verortet werden. „[D]ie Infor-mations- und Public Relations-Agenturen[...]; sie und noch viele andere sind ebenso Hersteller journalistischer Themen“ (ebd.: 327). Eine strikte Abgrenzung der für die Kommunikationswissenschaft u. a. relevanten Bereiche Journalismus, Public Relati-ons, Werbung etc. wird an dieser Stelle nicht geleistet.

Den Grundstein für eine breit angelegte Diskussion legte Marcinkowski (1993). Er nimmt als Erster Abschied von dem Gedanken, Journalismus als gesell-schaftliches Teilsystem zu konzipieren. Er benennt ein Funktionssystem Publizistik mit einem Leistungssystem Journalismus. Die Problemlösungskompetenz der Pub-lizistik sieht er in der „Selbstbeobachtung der Gesellschaft und Herstellung einer Selbstbeschreibung mittels Veröffentlichung von Themen und darauf bezogenen Beiträgen“ (ebd.: 118). Durch diese Primärfunktion steuert das System Publizistik dem Verlust gesellschaftlicher Einheit entgegen, stabilisiert langfristig die Gesell-schaft und bietet „sinnhafte Orientierung in dieser Welt“ (ebd.: 120). Die Abgren-

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42 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

zung zur Umwelt erfolgt bei Marcinkowski über den Code veröffentlicht vs. nicht-veröffentlicht bzw. öffentlich vs. nicht-öffentlich (vgl. ebd.: 65). Diese Abgrenzung ist problematisch, da sie einerseits eine technische, auf den Verbreitungsmedien beruhende Grenze zur Umwelt darstellt und andererseits das sog. „Crossing“, d. h. das Wechseln vom positiven zum negativen Codewert, nicht ermöglicht. Denn was einmal veröffentlicht wurde, kann nicht mehr in nicht-veröffentlicht umgewandelt werden (vgl. a. Görke/Kohring 1997: 10).

Fast zeitgleich mit Marcinkowskis Entwurf erschien Blöbaums (1994) Vor-schlag. Er benennt Journalismus als Funktionssystem. In seiner Argumentation stützt sich Blöbaum weitgehend auf die Annahme, dass Journalismus Aktualität herstelle. Infolgedessen bezieht er sich hauptsächlich auf die zeitliche Dimension. Leider geht er diesen Weg nicht konsequent bis zum Ende, da er nicht den argu-mentativ nachvollziehbaren Code aktuell vs. nicht aktuell als Sinngrenze auswählt, sondern für den Code Information vs. Nicht-Information plädiert. Daraus ergibt sich nicht nur ein Bruch in der Argumentationslinie Blöbaums, sondern er handelt sich ein zusätzliches Problem mit seinem Code ein, da die Selektion von Informati-on eine Selektionsstufe jeder Kommunikation darstellt.17 Die von ihm gewählten Begriffe Information und Aktualität werden in der Primärfunktion vereinigt, die Blöbaum (ebd.: 261) als „[a]ktuelle Selektion und Vermittlung von Informationen zur öffentlichen Kommunikation“ beschreibt. Weiter kann man Blöbaum zur Last legen, dass er unpräzise Begriffsarbeit leistet, da er nicht ernsthaft klärt, was „öffent-liche Kommunikation“ resp. „Öffentlichkeit“ bedeutet. Scholl (1995: 383) merkt darüber hinaus in seiner kritischen Rezension an, dass Blöbaum Journalismus nicht gegenüber anderen Teilsystemen abgrenzt: „Oder gehören Public Relations etwa zum Journalismus? Eine Abgrenzung gelingt dem Autor an keiner Stelle.“

Luhmann (1996) als wohl bekanntester Vertreter der funktional-strukturellen Systemtheorie griff Mitte der 1990er Jahre in die Diskussion ein. Im Gegensatz zu den vorherigen Ansätzen beschreibt Luhmann nicht Journalismus, Öffentlichkeit oder Publizistik als System sondern entwirft ein gesellschaftliches Teilsystem Mas-senmedien. Damit konzipiert er ein System, das vor allem eins bedingt: Vermittlung. Ebenso wie das von Marcinkowski beschriebene System beruht die Grenze der Luhmann’schen Massenmedien auf dem Prozess des Mitteilens und bildet somit keine Sinngrenze sondern eine technische Abgrenzung zur Umwelt (vgl. dazu näher Görke 1999: 260ff.). Die Codierung der Massenmedien erscheint zunächst seltsam. Mit dem Code Information vs. Nicht-Information wählt Luhmann ebenso wie Blöbaum einen Begriff, der als erste Selektionsstufe des Kommunikationsbegriffs vorbelegt ist. Doch Luhmann argumentiert, dass die Massenmedien „Information als Information“ kommunizieren, was diese von anderen Kommunikationen unter-

17 Auch Luhmann (1996) verwendet den Code Information vs. Nicht-Information, begründet seine Entscheidung jedoch anders, wenn Massenmedien Information als Information kommunizieren.

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1.2 Öffentlichkeit 43

scheidet. „Eine ‚Verwechslung’ und damit ungenügende Spezifizität der beiden ‚Informations-Ebenen’ ist deshalb systemtheoretisch von vorneherein ausgeschlos-sen“ (Brill 1996: 426). Journalismus, Werbung und Unterhaltung finden auch Ein-gang in die Konzeption Luhmanns. Jedoch werden diese Begriffe eher kurz umris-sen, als vollständig in den Entwurf eingebettet. Die Primärfunktion der Massenme-dien besteht in der „[s]tändigen Erzeugung und Bearbeitung von Irritation“ (Luh-mann 1996: 174). Jedoch urteilt letztlich Neuberger (vgl. 1996: 347), ähnlich wie auch Görke/Kohring (1996), dass damit der Systemtheorie noch keine klare Ab-grenzung durch eine einfache Primärfunktion oder Leitcode gelungen sei.

Eine Art Sonderstellung nimmt Gerhards (vgl. 1994) in der Diskussion ein. Er unternimmt den Versuch, die System- und Akteurtheorie zu verbinden, um die Defizite der Einzeltheorien auszugleichen. Gerhards benennt in diesem Kontext als Erster ein gesellschaftliches Teilsystem Öffentlichkeit. Dabei argumentiert er, dass sich Öffentlichkeit als Funktionssystem der Gesellschaft historisch erst durch die Entwicklung von Massenmedien und die Entstehung der modernen Gesellschaft ausdifferenzierte (vgl. ebd.: 84). Hier stellt sich natürlich die Frage, warum sich überhaupt Massenmedien herausgebildet haben. Die Funktion des Öffentlichkeits-systems bezeichnet er als Selbstbeobachtung, Kontrolle und Integration der Gesell-schaft. Schwierigkeiten bekommt Gerhards bei der Wahl des Codes: Aufmerksam-keit vs. Nicht-Aufmerksamkeit. Zwar ist es u. U. richtig, dass öffentliche Kommu-nikation große Aufmerksamkeit benötigt, aber welche Kommunikation benötigt keine? Daraus lässt sich – an dieser Stelle stark verkürzt – ableiten, dass der gewähl-te Code nicht in der Lage ist, eine sinnvolle Abgrenzung zwischen Öffentlichkeit und ihrer Umwelt zu beschreiben.

Die Ansätze von Hug (1996), Kohring (1997) und Görke (1999) stellen (noch immer) die eingängigsten Theorieentwürfe in der systemtheoretischen Journalis-musdiskussion dar. Mit dem Wissen um die Stärken und Schwächen der früheren Ansätze und der Plattform gemeinsamer Diskussionen resp. Aufsätze (vgl. Gör-ke/Kohring 1996, 1997, Kohring/Hug 1997) gelangen die „drei Münsteraner Dis-sertationen“ (Hoffjann 2001: 29) zur Benennung gleicher Systeme. Sie wenden sich strikt von vermeintlich unbrauchbaren Begriffen wie Massenmedien und Massen-kommunikation ab und reduzieren die Anzahl der Begriffe aufs Wesentliche. Durch diesen „Abschied ohne Tränen“ (Görke/Kohring 1997: 10f) gelingt es ihnen wei-testgehend, klare und in sich schlüssige Theorieentwürfe abzuliefern. Sie konzipie-ren Öffentlichkeit als Funktionssystem der Gesellschaft mit einem Leistungssystem Journalismus.

Im Detail (z. B. Funktion, Code, Programm) weisen die Ansätze jedoch Unter-schiede auf. Die Vorschläge dieser Autoren werden nun in eine breitere Diskussion münden. Es sind nicht nur die jüngsten in sich geschlossen Beiträge der systemthe-oretischen Diskussion, sondern auch jene, die bislang in der kommunikationswis-senschaftlichen Transformationsforschung merkwürdigerweise nicht beachtet wur-

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den. Sie erscheinen jedoch von Interesse, wenn Görke/Kohring (1996: 15f., 29) eine eindeutige Abgrenzung der Untersuchungsgegenstands und die Einbettung traditioneller Forschungsansätze proklamieren, ohne jedoch zu verheimlichen, dass Wunder auch hier nicht zu erwarten sind. Ziel dieser Synopse war es, die Praktikabi-lität der vorliegenden Theorieentwürfe zu diskutieren und die Entscheidung, auf die neueren Ansätze zurückzugreifen, argumentativ zu stützen. Die Kernpunkte der Konzeptionen werden daher bereits an dieser Stelle in einer grafischen Darstellung (Abb. 1) zusammengefasst. System Code (Primär-) Funktion

Rühl (1980)

Journalismus/ Redaktion

Keine Aussage Herstellung und Bereitstellung von Themen für die öffentliche Kommunika-tion (322ff.)

Marcin-kowski (1993)

Publizistik (Journalismus)

(ver)öffentlich(t) vs. nicht-(ver)öffentlich(t) (65)

Selbstbeobachtung der Gesellschaft und Herstellung einer Selbstbeschreibung mittels Veröffentlichung von Themen und darauf bezogenen Beiträgen (118)

Gerhards (1994)

Öffentlichkeit (mit Medien-system)

Aufmerksamkeit vs. Nicht-Aufmerksamkeit (89)

Selbstbeobachtung der Gesellschaft plus Sekundärfunktion: Kontrolle, Integration (87)

Blöbaum (1994)

Journalismus Information vs. Nicht-Information (273)

Aktuelle Selektion und Vermittlung von Informationen zur öffentlichen Kommu-nikation (261)

Luhmann (1996)

Massenmedien Information vs. Nicht-Information

Ständige Erzeugung und Bearbeitung von Irritationen (174)

Hug (1996) Öffentlichkeit (Journalismus)

umweltrelevant vs. nicht-umweltrelevant (329)

Generierung und Kommunikation von Beobachtungen umweltrelevanter Aspek-te teilsystemischer Binnenoperationen (318)

Kohring (1997)

Öffentlichkeit (Journalismus)

mehrsystemzugehörig vs. nicht-mehrsystemzugehörig (251)

Beobachtung der Vielfalt der gesellschaft-lichen Ereignisse und Kommunikation solcher Ereignisse, die für die Ausbildung von gesellschaftlichen Umwelterwartun-gen herangezogen werden können (248)

Görke (1999)

Öffentlichkeit (Journalismus)

aktuell vs. nicht-aktuell (313)

Synchronisation (300)

Tabelle 1: Synopse systemtheoretischer Entwürfe der Journalismusforschung.

Page 42: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

1.2 Öffentlichkeit 45

1.2.2 Öffentlichkeit als Funktionssystem Bevor im Folgenden geklärt wird, wie Kohring und Görke in ihren Ansätzen die Funktion des Systems Öffentlichkeit definieren, sollen zunächst die Gründe be-trachtet werden, die zur Ausdifferenzierung eines solchen Systems geführt haben. Eine detaillierte, historische Betrachtung der Gesellschaftsentwicklung, die zur Ausdifferenzierung beitrug, liefert Görke (1999: 290f.). Dabei argumentiert er, dass bereits lange vor der Herausbildung eines eigenen gesellschaftlichen Teilsystems Öffentlichkeit frühe bzw. archetypische Formen von Öffentlichkeit existiert haben. Als Beispiele nennt Görke die so genannte ‚Stammtisch-Kommunikation’, Klatsch, Gerüchte, Mundpropaganda etc., die über politische (oder wirtschaftliche oder rechtliche...) Kommunikation kommunizieren, „ohne sich deren Code zu unterwer-fen“ (ebd.: 290). Diese frühen Formen der öffentlichen Kommunikation existieren auch heute noch, jedoch nur noch mit mäßigem Erfolg.18 Damit sich aber ein Funk-tionssystem Öffentlichkeit ausdifferenzieren kann, muss zuerst die gesellschaftliche Komplexität selbst zum Problem werden. Dieser Zustand wurde erst im Übergang von der stratifikatorischen zur funktional differenzierten Gesellschaft erreicht, da die Hierarchisierung von Kommunikationen zugunsten einer Gleichberechtigung aufgelöst wurde. In ähnlicher Weise argumentieren auch Kohring (vgl. 1997: 248) und Hug (vgl. 1996: 118).

Doch welche Qualität dieses Problem besitzt bzw. welches Problem Öffent-lichkeit bearbeitet, wird von den Autoren unterschiedlich beschrieben. Durch die funktional differenzierte Gesellschaft gewinnen Systeme, die sich auf nur eine be-stimmte Funktion spezialisiert haben, an Autonomie. Damit einher geht auch, dass diese Systeme infolge dieser operativen Geschlossenheit (Bearbeitung eines Prob-lems) „prinzipiell indifferent gegenüber ihrer gesellschaftlichen Umwelt“ (Koh-ring/Hug 1997: 18) agieren. Die gesellschaftlichen Teilsysteme richten sich in sach-licher, sozialer und zeitlicher Hinsicht verschieden aus. Dies könnte so weit gehen, dass z. B. das Funktionssystem Erziehung nur noch Bankkaufleute ausbilden würde. Das Wirtschaftssystem könnte jedoch so viele Banker gar nicht aufnehmen und etwa im Rechtssystem würde dies zu Fachkräftemangel führen. Anhand des Bei-spiels wird deutlich, dass Systeme voneinander abhängig sind und auf Irritationen aus ihrer Umwelt gefasst sein müssen (vgl. auch Kohring/Hug 1997: 19). Sie müs-sen Umwelterwartungen ausbilden. Würde dies nicht gewährleistet und handelten die Systeme vollständig abgeschlossen – was Autarkie bedeuten würde – führte dies

18 Was an dieser Stelle von den genannten Autoren für die weitgehend ausdifferenzierten westlichen Gesellschaften zuzutreffen vermag, ist von größter Bedeutung für die Transformationsgesellschaften. Gerade diese frühen Formen der Öffentlichkeit sind es, von denen angenommen wird, dass sie großen Einfluss auf den Transformationsprozess besitzen, etwa die Civil Society oder Untergrundorganisatio-nen, die über Mundpropaganda, Flugblätter, Straßenaktionen, Demonstrationen die Öffentlichkeit mitbestimmen. Vgl. dazu auch Kapitel 4.1.5

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46 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

zu einer „gesellschaftstheoretisch bedeutsamen Konsequenz: dem Verlust gesell-schaftlicher Einheit“ (Kohring/Hug 1997: 17). Und:

„Findet aber überhaupt keine Abstimmung zwischen den unterschiedlichen Operationsweisen der gesellschaftlichen Funktionssysteme statt, wäre die Folge ein Dauerkonflikt, der sämtliche Vorteile der Ausdifferenzierung zunichte machen würde.“ (Kohring/Hug 1997: 20)

Aber auch ohne Massenmedien, Journalismus, Öffentlichkeit wären gesellschaftli-chen Teilsysteme durch strukturelle Kopplungen (Interpenetrationen) verbunden (vgl. Brodocz 2003). Jedoch, so könnte man argumentieren, besteht ein zunehmender Orientierungsbedarf (vgl. Kohring/Hug 1997: 19). Diesem Bedarf tritt die Gesell-schaft mit der Ausdifferenzierung eines eigenen Funktionssystems Öffentlichkeit entgegen, da die ständige Selbstbeobachtung und Beobachtung anderer Teilsysteme (oder zusammenfassend: Gesellschaft) von den Einzelsystemen selbst auf Dauer nicht geleistet werden kann. Der Orientierungsbedarf und somit die Problembear-beitung des Systems Öffentlichkeit wird unterschiedlich beschrieben. So sieht Hug (1996: 318) die Funktion von Öffentlichkeit in der „Generierung und Kommunika-tion von Beobachtungen umweltrelevanter Aspekte teilsystemischer Binnenoperati-onen“. Laut Kohring (1997: 248, Hervorhebung im Original) besteht die Funktion von Öffentlichkeit darin, „die Vielfalt der gesellschaftlichen Ereignisse zu beobach-ten und solche Ereignisse zu kommunizieren, die für die Ausbildung von gesell-schaftlichen Umwelterwartungen herangezogen werden können.“ Beiden gemein-sam sind also die Fremdbeobachtung und die Kommunikation umweltrelevanter Ereignisse. Zwar benennt Kohring (vgl. 1997) im Weiteren Mehrsystemzugehörig-keit als generalisiertes Kommunikationsmedium, während Hug (vgl. 1996) am Beg-riff der Umweltrelevanz festhält, jedoch handelt es sich dabei um einen „relativ unbedeutenden semantischen Unterschied“ (Kohring/Hug 1997: 22, Anm. 4). Der Begriff der Umweltrelevanz bzw. der Relevanz hat jedoch den Nachteil, dass er eines der Selektionskriterien des journalistischen Programms darstellt. Der Begriff Mehrsystemzugehörigkeit scheint deshalb wenn nicht plausibler, so jedoch prakti-kabler, wenngleich systemtheoretisch auch nicht unproblematisch. Als Code wählt Kohring (vgl. 1997) folgerichtig das Wertedual mehrsystemzugehörig vs. nicht mehrsystemzugehörig, während Hug (vgl. 1996) umweltrelevant vs. nicht umweltre-levant vorschlägt. Zur Mehrsystemzugehörigkeit zählt Kohring (1997: 249) „[s]olche Ereignisse, die in mehr als einem System kontextualisiert werden können und auf diese Weise jeweils systemspezifische Anschlußkommunikationen zu erzeu-gen in der Lage sind.“ Da Code, generalisiertes Kommunikationsmedium und Funktionsbestimmung bei beiden Ansätzen fast vollständig übereinstimmen, ist davon auszugehen, dass sie die Grenze des Systems Öffentlichkeit bzw. öffentlicher Kommunikation gleich begreifen.

Görke (vgl. 1999) sieht in erster Linie die Funktion der Öffentlichkeit weniger in einem Orientierungs- als vielmehr in einem Synchronisationsbedarf. Die System-

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1.2 Öffentlichkeit 47

differenzierung betrachtet er vor allem – auch im Hinblick auf Transformation von Bedeutung – in zeitlicher Hinsicht: „Funktionale Differenzierung bedingt die zu-nehmende Temporalisierung von Komplexität und führt schließlich zur Ausbildung systemspezifischer Eigenzeiten“ (Görke 1999: 293). Sachliche und soziale Dimensi-onen werden jedoch weitgehend ausgeblendet. Seiner Argumentationslinie folgend, schlägt Görke einen zeitbezogenen Code vor: aktuell vs. nicht-aktuell. Auch das generalisierte Kommunikationsmedium benennt er mit Aktualität. Weiter formuliert er Vorbehalte gegen den Begriff Mehrsystemzugehörigkeit in seinem temporalen Sinne. So argumentiert Görke (1999: 312) gegen die Abgrenzung von Kohring (vgl. 1997), da diese die zeitliche Dimension vernachlässigen würde, welche markant die journalistische von anderen Operationsweisen unterscheide. Diese Ansicht soll hier nicht vertreten werden. Vielmehr bezeichnet Synchronisation einen Teil der Orien-tierung, der ebenso wie die zeitliche nur eine (neben sachlicher und sozialer) Sinn-dimension repräsentiert. Als weiteren Vorbehalt nennt Görke die Tatsache, dass sich Mehrsystemereignisse nur in actu oder a posteriori beobachten ließen. „Sele-giert würden demnach lediglich Ereignisse, die potentiell mehrsystemzugehörig sind (vgl. Kohring 1997: 251). Doch das heißt eben auch: Sie sind gleichzeitig nicht mehrsystemzugehörig“ (Görke 1999: 312). Daher beschreibt Kohring auch die journalistischen Selektionskriterien als eine „Potenz“. Diese Annahme macht Sinn, da z. B. ein Journalist die potentielle Mehrsystemzugehörigkeit im Voraus abschätzen muss, bevor er den Artikel schreibt und dieser redigiert und gedruckt wird. System-theoretisch führt dies jedoch zu Abgrenzungsschwierigkeiten, da die Umweltsyste-me jeweils mit ihrem eigenen Code operieren. Als einen letzten Einwand merkt Görke (ebd.: 312) an, dass die von ihm getroffene „Begriffswahl attraktiver und unmißverständlicher als die doch etwas sperrigen Wortschöpfungen Mehrsystemzu-gehörigkeit (Kohring) und Umweltrelevanz (Hug)“ wäre.19 Die „Sperrigkeit“ des Begriffs ist kein Kriterium für die sinnvolle Beschreibung der Grenzen sozialer Systeme. Dieser Kritikpunkt ist abwegig, umso mehr als auch Görke selbst mit sperrigen Wortschöpfungen (Pachydermisierung, enthemmte Relevanz) aufwartet. Deshalb soll auch im Folgenden der Code mehrsystemzugehörig vs. nicht mehrsys-temzugehörig als sinnvolle, kommunikative Abgrenzung des Funktionssystems Öffentlichkeit verwendet werden – in Ermangelung eines systemtheoretisch präzi-seren Theorieentwurfs, der etwa auch den Begriff der „strukturellen Kopplung“ stärker hervorhebt. (Ein solcher Theorieentwurf kann aber an dieser Stelle nicht geleistet werden.) Gleichwohl scheint gerade hinsichtlich einer Untersuchung von (Transformations-) Prozessen die Annahme der Synchronisationsfunktion Görkes

19 Zu bemerken bleibt, dass der Begriff Mehrsystemzugehörigkeit keine systemtheoretische Wortneu-schöpfung darstellt, sondern innerhalb der Luhmann’schen Terminologie bereits verwendet wird: „Mehrsystemzugehörigkeit eines Ereignisses ist immer dann gegeben, wenn das betreffende Ereignis für mindestens zwei autopoietische Systeme gleichzeitig unterschiedlich informationell [.] relevant ist.“ (Krause 2001: 172)

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48 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

von Belang, wenn durch die gleichzeitigen Veränderungen in verschiedenen gesell-schaftlichen Teilsystemen (Irritations-)Routinen und damit verbunden Institutionen wegbrechen, und dem „Dilemma der Ungleichzeitigkeit“ qua Synchronisation durch Öffentlichkeit abgeholfen werden könnte – theoretisch. 1.2.3 Journalismus als Leistungssystem der Öffentlichkeit Um seine Funktion erfüllen zu können, muss jedes gesellschaftliche Teilsystem weitere systeminterne Strukturierungen vornehmen. Deshalb kommt es zur Ausdif-ferenzierung von organisierten Leistungsrollen, sog. Leistungssystemen20. Als Leis-tungssystem des Funktionssystems Öffentlichkeit fungiert Journalismus. In diesem Punkt herrscht Einigkeit in den Ansätzen von Hug (vgl. 1996: 335), Kohring (vgl. 1997: 251f.) und Görke (vgl. 1999: 301). Journalismus wird nicht, wie z. B. im An-satz von Blöbaum (vgl. 1994), als eigenes Funktionssystem konstruiert,

„weil das klassische Verständnis des Nachrichtenjournalismus bei weitem nicht alles mit einbe-zieht, was einem Funktionssystem Öffentlichkeit zugeordnet werden kann.“ (Kohring 1997: 252)

Zum Bereich der öffentlichen Kommunikation zählen auch Kommunikationsfor-men wie beispielsweise Werbung, Public Relations oder Kabarett. Daraus ergibt sich der Schluss, dass journalistische zwar immer öffentliche Kommunikation darstellt, aber öffentliche nicht immer journalistische Kommunikation (vgl. Kohring 1997: 252). Eine exakte Trennung der Ebenen (Funktionssystem, Leistungssystem) sollte also gewährleistet sein – zumal in systemtheoretischen Entwürfen. Auch die Leis-tung, die dem Journalismus zugeschrieben wird, erhält von den Autoren unter-schiedliche Nuancen. Hug (1996: 335f) beschreibt die Ausdifferenzierung und die Leistung von Journalismus kompakt:

„Die Ausdifferenzierung von Journalismus, die Professionalisierung journalistischer Tätigkeit, die Herausbildung journalismusspezifischer Kommunikationsformen, die Entstehung sozialer Organi-sationen in Form von Redaktionen, in denen dieser Beruf eingebunden ist, sind die notwendigen Bedingungen für eine dauerhafte Kommunikation im Öffentlichkeitssystem (zeitliche Dimension), die sich prinzipiell auf alle umweltrelevanten Aspekte aller teilsystemischen Binnenoperationen er-streckt (sachliche Dimension) und potentiell jedes Gesellschaftsmitglied einbezieht (soziale Di-mension).“

Auch Görke (1999: 303, Hervorh. im Orig.) hebt innerhalb seiner vorrangig tempo-ralen Argumentationslinie die auf Dauer gestellte Kommunikation hervor, da an-sonsten die Funktion von Öffentlichkeit nur sporadisch bedient werden könnte, und stellt fest: Der gesellschaftliche Synchronisationsbedarf „findet schließlich in der journalistischen Aktualitätskonstruktion seine professionelle Entsprechung: Indem

20 Der Begriff des „Leistungssystems“ taucht klassisch nicht in der Terminologie Luhmanns auf, kann und wird jedoch als Bezeichnung für Subsysteme verwendet, die eine spezifische Leistung für andere gesellschaftliche Teilsysteme erbringen.

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1.2 Öffentlichkeit 49

Journalismus Aktualität konstruiert synchronisiert er (Welt-)Gesellschaft: sachlich, sozial vor allem aber temporal.“ Der Journalismus fungiere als „Metronom der (Welt)Gesellschaft“ (Görke 1999: 304, Hervorh. im Orig.). Ergänzend lässt sich mit Kohring noch hinzufügen, dass Journalismus (im System Öffentlichkeit) damit eine Funktion erfüllt, die andere Funktionssysteme bei weitem überfordern würde. Wei-ter bestünde der Vorteil für die Gesellschaftssysteme darin, „daß sie zur Ausbildung eigener Umwelterwartungen [...] sich hauptsächlich auf die Beobachtung journalisti-scher Berichterstattung stützen kann“ (Kohring 1997: 252). Journalistische Kom-munikation reicht aber nicht direkt in andere Funktionssysteme hinein oder richtet sich an sie, was aufgrund der operativen Geschlossenheit nicht möglich wäre. Aus der Perspektive der verschiedenen Funktionssysteme „gibt es nur eine mögliche Sicht von Gesellschaft, und das ist ihre eigene“ (ebd.: 253). Daraus resultiert die Leistung von Journalismus im Funktionssystem Öffentlichkeit: Orientierung schaffen.21

Wie schon in der Diskussion um den Code für das Funktionssystem Öffent-lichkeit geschildert, existieren auf der Ebene des Leistungssystems unterschiedliche Auffassungen zum (Entscheidungs-)Programm. Dabei geht es also um die Frage, wie Journalisten die Kommunikationen selegieren, die dem Präferenzwert mehrsys-temzugehörig (bzw. umweltrelevant, aktuell) zuzuordnen sind. Hug (1996: 341ff.) nennt als Selektoren für das journalistische Programm für den Code umweltrelevant vs. nicht umweltrelevant u. a. Provokation, Skandal und Krise, die alle zusammen auf Verletzungen von Normen und Werten beruhen. Die Ausführungen Hugs, anhand derer sich journalistische Selektionen nur schwerlich nachvollziehen lassen, sind sehr allgemein gehalten. Görke (1999: 313) führt den Begriff der „enthemmten Relevanz“ ein. Dieser ist mit dem Gedanken verbunden, dass Journalismus Ereig-nisse nicht danach auswählt, welche Funktionssysteme davon betroffen sind, also irritiert werden, sondern dass generell gelte:

„Je größer das Irritationspotential ist, desto eher wird Journalismus dies thematisieren.“ (Görke 1999: 314)

Mit dem Begriff der „enthemmten Relevanz“ ist der traditionelle Gedanke oder (Irr-)Glaube verbunden, Journalismus verfüge über vollständige Autonomie. Jour-nalismus ist zumindest auf seine Rezipienten angewiesen, ohne deren Unterstützung und vorläufige Annahme der Kommunikation qua monetärer Abgaben die Organi-sationssysteme Zeitung, Radiosender, Fernsehsender etc. keine Anschlusskommu-nikationen realisieren könnten. Das bemerkt auch Görke (1999: 314), wenn er fest-stellt:

„Journalistische Relevanz ist nur insofern enthemmt, als sie buchstäblich sämtliche Ereignisse ins Visier nimmt, für die sich ein Publikum finden lässt.“

21 Auch Luhmann (1996: 173) spricht bereits von der Erzeugung einer „Hintergrundrealität“.

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50 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

Nach einer ausführlichen Diskussion der Nachrichtenwerte (vgl. auch Gal-tung/Ruge 1965, Ruhrmann 1989: 14ff.) gelangt Görke (1999: 335) in einem Zwi-schenresümee zu einem sehr offenen Ergebnis:

„Das (öffentliche) Programm ist insofern vergleichsweise flexibel, als im Prinzip jede gesellschaft-liche [sic!] folgenreiche Differenz hier operativ umgesetzt werden kann, welche es dem Journalis-mus erlaubt, ein Publikum zu finden.“

Bestimmte Kriterien, anhand derer Journalismus Ereignisse selegiert, werden daraus nicht ersichtlich. Kohring (vgl. 1997: 255f.) bezeichnet das (Entscheidungs-) Pro-gramm des Journalismus als Potenz aus den Kriterien Neuigkeit und Relevanz, die als journalistische Aktualität zusammenkommen. Ebenso wie Görke nennt Kohring (1997: 257) keine konkreten Kriterien und stellt fest:

„Journalismus gewinnt seine Kriterien von Neuigkeit und Relevanz jeweils in Relation zu der spe-zifischen Operationsweise derjenigen Kommunikationssysteme, die er der gesellschaftlichen Um-welt des beobachteten Systems zurechnet.“

Wie bereits aus Vorstudien zu der vorliegenden Analyse deutlich wird, sind Nach-richtenwerte und Nachrichtenauswahl – das Entscheidungsprogramm westlicher Nachrichtenproduzenten – nicht 1:1 übertragbar auf die Realitäten postsowjetischer Mediensysteme. Daher muss zu diesem Aspekt die Einzelanalyse zeigen, wie journa-listische Aktualität hergestellt wird.

1.2.4 Weitere Kandidaten der Öffentlichkeit Die vorgestellten Konzepte zur Öffentlichkeit haben ihren Ursprung in der Journa-lismusforschung. Daher verwundert es nicht, wenn Journalismus in diesen Beiträ-gen eine herausragende Rolle besitzt. Während anfänglich andere Teilbereiche der Kommunikationswissenschaft (Public Relations, Unterhaltung) mit teilweise dubio-sen Begründungen in die Umwelt der neu gewonnenen Öffentlichkeit verdrängt wurde, debattiert man heute durchaus über weitere Leistungen und Leistungserb-ringer eines Systems Öffentlichkeit. Daher soll zumindest ein weiterer „Kandidat“ für ein Leistungssystem innerhalb des entworfenen gesellschaftlichen Teilsystems vorgestellt werden, um die Konzeption und Diskussion abzurunden: Public Relati-ons. Kohring argumentiert, dass der wesentliche Unterschied zwischen Public Rela-tions und Journalismus darin bestünde, woher die Systeme ihre Kriterien von Neu-igkeit und Relevanz gewinnen. Journalismus beziehe diese aus der gesellschaftlichen Umwelt des beobachteten Systems. Public Relations jedoch,

„gewinnt ihre Kriterien von Neuigkeit und Relevanz zuerst aus der Operationsweise des Systems, über dessen Ereignisse sie kommuniziert, auch wenn sie diese Selektionskriterien aus strategischen Gründen nicht mitteilen wird.“ (Kohring 1997: 258)

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1.2 Öffentlichkeit 51

Jedoch stellt sich die Frage, warum erst in einem Detail des journalistischen Pro-gramms die wesentliche Unterscheidung zu Public Relations vollzogen werden kann, wenn doch PR in allen drei Entwürfen als Umwelt des Systems Öffentlichkeit erachtet wird. Der Hauptunterschied müsste doch schon auf der Funktionsebene deutlich werden, wenn PR-Kommunikation als Umwelt von Öffentlichkeit verstan-den wird. Ein weiterer Vorbehalt, der gegen Public Relations als Teil des Öffent-lichkeitssystems vorgebracht wird ist, dass PR-Kommunikation nicht auf Fremdbe-obachtung beruhe und dass sie auf Eigeninteressen zugeschnitten sei (vgl. Görke 1999: 306). Auch Kohring (1997: 246) betont das Eigeninteresse der Public Relati-ons, wenn er schreibt:

„Zwar ist Public Relations laut ihrem Selbstverständnis auf das Allgemeinwohl der Gesellschaft ausgerichtet; man darf aber aus soziologischer Sicht nicht von Selbstbeschreibungen auf Funktio-nen schließen. Public Relations – es wäre unredlich, daraus einen Vorwurf abzuleiten – ist immer auf die Eigeninteressen eines Systems ausgerichtet.“

Dass Public Relations auf das Allgemeinwohl der Gesellschaft ausgerichtet sei, ist vor allem durch den Theorieansatz von Ronneberger/Rühl (vgl. 1992) behauptet worden. Das Autorenteam stieß dabei einerseits auf heftigen Widerstand unter Praktikern, die ein mögliches Selbstbild prägen, andererseits kann man aber Ronne-berger/Rühl einen soziologischen Hintergrund nicht absprechen. In ähnlicher Wei-se wie Görke und Kohring argumentiert auch Hug (vgl. 1996: 330) und behauptet, dass Public Relations dem Öffentlichkeitssystem regelmäßig vorselektierte Beobach-tungsmöglichkeiten empfiehlt und eröffnet oder der Öffentlichkeit auf diese Weise andere Beobachtungsmöglichkeiten verwehrt und erschwert. Kohring/Hug (1997: 28) kommen zu dem Schluss: „PR bietet Selbstbilder als Fremdbilder an.“ Diese Aussage ist jedoch nur so lange schlüssig, wie Public Relations als Umwelt des Funktionssystems Öffentlichkeit gedacht wird. Was bleibt, ist die Feststellung, dass PR im Eigeninteresse handele. Doch tut dies Journalismus nicht auch, wenn er Ereignisse daraufhin auswählt, ob sie ein mögliches Publikum erreichen? Journalis-mus ist von den Rezipienten abhängig, da ohne sie das System zusammenbricht. Einfacher: Wenn eine Zeitschrift keinen Leser findet, verschwindet sie vom Markt. Deshalb verfolgt auch der Journalismus ein zwar gesellschaftlich akzeptiertes, aber nicht zu unterschätzendes Eigeninteresse. Die Abgrenzungen zu PR innerhalb der Ansätze von Hug, Kohring und Görke sind äußerst knapp formuliert. So finden die Gedanken von Hug (vgl. 1996) und Görke (vgl. 1999) zur PR auf wenigen Seiten Platz. Dies zeigt einmal mehr, dass kommunikationswissenschaftliche Ansätze hauptsächlich vor dem Hintergrund der Journalismusforschung diskutiert werden. Noch 1996 diskutierten Görke/Kohring „Neuere Theorieentwürfe zu Publizistik, Massenmedien und Journalismus“ ohne – wie Rühl berechtigt kritisiert – „darüber hinaus ausdrücklich von Public Relations (Öffentlichkeitsarbeit), Werbung oder Propaganda zu reden“ (Rühl 1996: 225). Jedoch scheint diese Diskussion noch

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52 1 Transformation, Öffentlichkeit – Begriffe und Forschungsstand

nicht beendet, wenn nun acht Jahre danach Kohring (2004: 151) einräumt, dass „mit Public Relations ein mutmaßliches weiteres Leistungssystem“ denkbar ist. Eine endgültige, schlüssige Antwort auf die Frage, ob PR Teil der Öffentlichkeit ist oder nicht, oder wie sich die Public Relations in das systemtheoretische Gesamtgefüge einbetten lässt, wurde bislang nicht gegeben. Gleiches gilt etwa für Unterhaltung, Werbung, Infotainment usw. (vgl. a. Görke 2005, 2008).

Der Überblick über die systemtheoretischen Ansätze hat gezeigt, wie die maßgeblichen Auto-ren Öffentlichkeit mit dem Leistungssystem Journalismus konzipieren. Die Ansätze wurden ausgewählt, da sie nicht nur innerhalb der Kommunikationswissenschaft zur Klärung zentraler Begriffe und Abgrenzung des Gegenstandsbereichs beigetragen haben, sondern darüber hinaus auf Grund ihrer Methodik anschlussfähig an die Konzepte und Ansätze der soziologischen und polito-logischen (Transformations-) Forschung sind.

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2 Transformation und Öffentlichkeit –

Theoretische Annäherung

Im vorangegangenen Kapitel wurde bereits festgestellt, dass es die Transformations-theorie nicht gibt und wahrscheinlich auch nicht geben kann. Die Bemühungen der Kommunikationswissenschaft, die Transformation der „Medien“ oder nun präziser: die Transformation der Öffentlichkeit theoretisch zu fassen und empirisch zu un-tersuchen, sind gering. Schon die Anzahl der Publikationen zu diesem Thema lässt dies vermuten. Anknüpfend an die transformationstheoretischen Überlegungen in den Nachbardisziplinen sollen daher die wenigen Bemühungen kritisch aufgearbei-tet werden und in theoretische Vorüberlegungen münden, die von verschiedenen Zugängen geprägt sind, sowohl von der Kommunikationswissenschaft als auch von ihren sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen.

2.1 Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung

Es wird im Folgenden darum gehen, die Defizite und Perspektiven der Transforma-tionsforschung für die Kommunikations- und Medienwissenschaft zu formulieren. Auf Basis der erkannten Defizite sollen einige Vorschläge zur umfassenden Unter-suchung der Transformationsprozesse aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht erarbeitet werden.

Doch zunächst die Frage: Was untersucht eigentlich die Kommunikations- und Medienwissenschaft? Sind es wie immer „die (Massen-)Medien“, der Journa-lismus, das Mediensystem oder nun doch die Öffentlichkeit? Wenn wir schon nicht wissen, was wir untersuchen, und dem Fach immer wieder eine gewisse „Theorie-armut“ vorgeworfen wird, schwenkt der Blick zunächst auf die Forschungsergeb-nisse anderer Disziplinen. Vor allem Politologen und Soziologen führten – wie bereits gesehen – eine kontroverse Diskussion zum Thema Transformationstheorie. Da sich die beiden Sozialwissenschaften sehr früh und ausgiebig der Transformati-on widmeten, kommt man nicht umhin, deren Ergebnisse mit einzubeziehen. Zu einer neuen Theorie des gesellschaftlichen Umbruchs kam es in den Nachbardiszip-linen aber nicht. Im Zusammenhang mit der Analyse empirischer Daten erwuchsen teilweise resolute Phasen-Modelle des Transformationsprozesses mit dem normati-ven, ja geradezu idealistischen Ziel einer demokratischen Gesellschaft.

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54 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

2.1.1 Defizite Leider muss konstatiert werden, dass sich bislang nur sehr wenige Kommunikati-onswissenschaftler dieses Problems angenommen haben und sich daher die Diskus-sionsbasis etwas mager gestaltet. Als ein wesentlicher Schritt kann daher sicherlich der von Michaela Tzankoff und Barbara Thomaß (vgl. 2001) herausgegebene Sam-melband „Medien und Transformation in Osteuropa“ gesehen werden. Die He-rausgeberinnen selbst betrachteten diese Aufarbeitung zutreffend als „Steinbruchar-beit“.22 Zu Beginn der Publikation widmet sich Thomaß ausführlich kommunikati-onswissenschaftlichen Überlegungen, in denen sie vornehmlich die politikwissen-schaftlichen Theorieangebote diskutiert. Ebenso wie in der Politikwissenschaft und der Soziologie kommt Thomaß bei ihren Überlegungen zu demselben Ergebnis:

„Ähnlich wie in der Transformationsforschung ist offenbar die Rolle der Medien auch aus kom-munikationswissenschaftlicher Sicht am ergiebigsten mit einer kombinierten Herangehensweise aus akteurs- und systemtheoretisch orientierter Betrachtungsweise, die die Analyse struktureller Bedingungen berücksichtigt, zu bestimmen.“ (Thomaß 2001: 60, vgl. a. zu Mediensystemen allge-mein Thomaß 2002: 62)

Dieses Ergebnis versucht Thomaß kommunikationswissenschaftlich zu unterfüt-tern. Sie sucht daher nach makrotheoretischen Diskussionen innerhalb der Kom-munikations- und Medienwissenschaft. Sie greift die systemtheoretische Diskussion um das System Medien innerhalb des eigenen Fachs auf. Sie referiert die Vorzüge und Nachteile der Theorien von vor allem Marcinkowski (1993) und Luhmann (1996), wenngleich beide keine genuinen Kommunikationswissenschaftler sind. Sie konzipieren in ihren Theorieentwürfen ein gesellschaftliches Teilsystem Journalis-mus bzw. Massenmedien (vgl. Kapitel 1.2). Die neueren systemtheoretischen und genuin kommunikationswissenschaftlichen Ansätze, wie sie Hug (1996), Kohring (1997) und Görke (1999) vorlegten, werden nicht berücksichtigt. Genau jene Auto-ren also, die ausgehend von den besprochenen Entwürfen nicht mehr für ein Sys-tem Medien, Massenmedien o. ä. sondern für ein System Öffentlichkeit plädieren, dessen wichtigstes Leistungssystem der Journalismus sei.

So lässt sich das erste Defizit in der kommunikationswissenschaftlichen Trans-formationsforschung ausmachen: Die transdisziplinäre Ausrichtung ist sicherlich eine der effektiven Problemlösestrategien, die sich auch in vielen anderen Teilberei-chen der Kommunikations- und Medienwissenschaft als nützlich erwiesen hat. Jedoch müssen im Rückbezug auch die kommunikationswissenschaftlichen Ansätze diskutiert und berücksichtigt werden. Dies umfasst sowohl Entwürfe systemtheore-tischer Journalismusforschung als auch andere Ansätze, etwa der Medienwirkungs-forschung (zum Überblick u. a. Bonfadelli 1999, 2000). Man gewinnt immer noch

22 So Michaela Tzankoff im Gespräch beim Doktorandenforum am ZZF in Potsdam, Februar 2005, vgl. a. Thomaß/Tzankoff (2003: 185).

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2.1 Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung 55

den Eindruck, Teile der Kommunikationswissenschaft wären näher an anderen Disziplinen als an der eigenen bzw. der eigenen Disziplin entfremdet.

Einmal die Prämisse der kombinierten Herangehensweise aus akteur- und sys-temtheoretischer Sichtweise formuliert, wäre es wünschenswert, dass die nachfol-genden Fallstudien in dem erwähnten Sammelband dieses Konzept aufgenommen hätten. Jedoch bieten die Fallstudien, die nach gewohntem Schema die Länder Po-len, Tschechien und Russland plus X der Transformationslandkarte aufnehmen, ein anderes Bild. Die Autoren der Fallstudien lassen in keiner Weise eine Verbindung zu Theorieansätzen erkennen: So finden etwa system- und akteurtheoretische Be-grifflichkeiten kaum Widerhall in den Aufsätzen. Nur wenn man die Beschreibung der Veränderungen der Gesetzgebung und der Parteien bzw. die Erfassung ver-schiedener Vertreter der Politik und der diffusen Civil Society als die pragmatische Umsetzung von Makro- und Mikroperspektive begreift, muss man diese Kritik revidieren. Ansonsten aber erweisen sich die Fallstudien als induktive Sammlung (möglicherweise) relevanter Daten.

Insofern lassen sich ein zweites und ein drittes Defizit festhalten. Zweitens: Der Schwerpunkt der Betrachtung der Transformation liegt auf einigen wenigen Län-dern, etwa Polen und Tschechien. Dass wir aus deutscher Sicht natürlich das Au-genmerk besonders auf unsere direkten Nachbarn legen, ist verständlich, zumal nach der EU-Erweiterung die Grenzen durchlässiger geworden sind. Doch erst langsam setzt sich die Einsicht durch, dass mit diesem Schritt neue Grenzen im Osten entstanden sind, die unsere Aufmerksamkeit verdienen, etwa die neue EU-Grenze zu dem autoritär beherrschten Belarus und zur temporär „demokratischen“ Ukraine. Und davon abgesehen: Was wissen wir denn über die Transformationen oder die Mediensysteme in Kasachstan, Turkmenistan oder Georgien?

Das dritte Defizit bezieht sich auf die Systematik. So lobenswert die Auseinan-dersetzungen mit Theorien sind, so unfruchtbar blieben diese scheinbar für die Bearbeitung der nationalen Transformationsprozesse. Die Fallstudien etwa in dem Band von Tzankoff und Thomaß (2001) sind nicht komparatistisch zu erschließen, da es keine einheitliche Vorgehensweise gibt, nach der festgelegt wurde, welche Teile der Gesellschaft untersucht und welche Akteure aus welchem Grund ausge-sucht wurden. Damit sollen in keiner Weise die Kompetenz, das umfassende Wis-sen zu den betreffenden Staaten und die notwendigen Vorarbeiten geschmälert werden. Vielmehr wäre ein systematischer, nachvollziehbarer Zugang wünschens-wert, den die Autorinnen auch selbst fordern, nachdem sie erste kommunikations-wissenschaftliche Überlegungen gemacht haben.

Des Weiteren fällt auf, dass die Studien – wohl auf Grund der soeben geschil-derten Defizite – Lücken in ihren Untersuchungen aufweisen. Und dies betrifft keineswegs nur einzelne Beiträge. Es ist geradezu üblich, lediglich einige Teile von „den Medien“ darzustellen. So werden die Veränderungen und Entwicklungen der Mediengesetzgebung, der Medienökonomie und der Strukturen von Redaktionen

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56 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

nachgezeichnet. Auch die Rolle der Journalisten in und nach der Umbruchsituation (Rollenselbstverständnis, Gehälter, einhergehender Elitenwechsel) wird noch relativ häufig thematisiert. Aber die Produkte des Mediensystems, d. h. Zeitungen, Zeit-schriften, Rundfunk etc. und deren Inhalte werden kaum beschrieben, sondern in diesem Zusammenhang lediglich Auflagenhöhen, Nutzerstrukturen oder Werbeer-löse feilgeboten. Man kann somit – als viertes Defizit – festhalten, dass die Erfassung der medienrelevanten oder (mit Bezug zur Fachdisziplin) kommunikationswissen-schaftlich relevanten Prozesse als unvollständig zu betrachten ist.

Zusammenfassend lassen sich in der kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung folgende Defizite ausmachen:23

1. Die theoretische Ausrichtung strebt bislang noch zu sehr und ausschließlich in

Richtung der Politikwissenschaft und der Soziologie. Eine Auseinandersetzung vor allem (begriffs-)theoretischer Art mit den Ansätzen der Kommunikations- und Medienwissenschaft findet kaum statt.

2. Der Schwerpunkt der geografischen Untersuchungsräume beschränkt sich weitgehend auf die „üblichen Verdächtigen“ der Transformationslandkarte. Das Interesse für einzelne Transformationsstaaten nimmt umgekehrt propor-tional zur räumlichen Entfernung und proportional zur Landesgröße und weltpolitischen Bedeutung ab.

3. Die empirische Analyse der Veränderungen in den Staaten Ost- und Ostmit-teleuropas geht wenig systematisch von Statten. Weitgehend beliebig werden Interesseschwerpunkte gesetzt, zweifelsohne auch aus forschungspragmati-schen Gründen.

4. Durch die mangelnde Begriffsarbeit und die unzureichende Systematik muss die Analyse eines wie auch immer zu bezeichnenden „Medienbereichs“ unvoll-ständig bleiben.

2.1.2 Vorschläge Mit dem Wissen um diese Defizite in der kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung, soll kein Masterplan entwickelt, aber zumindest der Blindflug, den man häufig für die Transformationsprozesse annimmt, in deren Erforschung ausgeblendet und einem systematischeren Zugang zugeführt werden. Im Folgenden werden einige erste Vorschläge unterbreitet, wie man diese Defizite aufarbeiten und zu einem umfassenden Konzept der Erforschung der für unser Fach relevanten Aspekte gelangen kann (vgl. a. Jarolimek 2004). Diese Überlegun-gen münden in weiterführende theoretische Vorüberlegungen (Kapitel 2.2) bzw. stellen wesentliche Pfeiler für den Entwurf des Analysemodells (Kapitel 3) dar. 23 Es steht zu befürchten, dass sich diese Defizite nicht nur für die Transformationsforschung sondern generell für die Kommunikationswissenschaft feststellen lassen. So kommt Jarren (vgl. 2005) zur Benen-nung ähnlicher Mängel für die gesamte Disziplin.

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2.1 Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung 57

Die basalen Begriffe Transformation und Öffentlichkeit wurden bereits im ers-ten Kapitel expliziert. Aber wenn im politischen Sinne Transformation der Über-gang von einem autokratischen System zur Demokratie ist, und in der Ökonomie von der Plan- zur Marktwirtschaft, worum geht es also in der Kommunikations- und Medienwissenschaft?

Aus dieser Fragestellung ergibt sich ein erster Vorschlag: Die Aufarbeitung kommunikationstheoretischer Ansätze und die Benennung eines klaren Bezugsrah-mens. Zieht man die neueren systemtheoretischen Entwürfe unserer Disziplin zu Rate, ergibt sich eine Lösung dieses Defizits. Mit Bezug auf die Ansätze von Hug (1996), Kohring (1997) und Görke (1999) kann man festhalten, dass die wesentli-chen kommunikationswissenschaftlichen Aspekte in einem neben Wirtschaft, Poli-tik etc. gleichberechtigten System Öffentlichkeit bzw. in dem Subsystem Journalis-mus zu suchen und zu finden sind.

Daraus ergibt sich zweitens: Wenn wir von einem gesellschaftlichen Teilsystem Öffentlichkeit ausgehen, können wir nun eine Aussage darüber treffen, was Aus-gangspunkt und ein mögliches Ziel der Transformation ist. In dem Titel ihres Auf-satzes „Zwischen Verlautbarungsorgan und ‚vierter Gewalt’“ erfassen Klaus-Dieter Altmeppen und Martin Löffelholz (1998) die wesentlichen Eckdaten dieses Prozes-ses. Ein mögliches Ziel (oder besser: das Ziel) ist also die Ausbildung einer so ge-nannten ‚vierten Gewalt’, oder anders: einer demokratischen, pluralistischen Öffent-lichkeit (vgl. auch Thomaß 2001: 54f.). Ob diese jenseits der normativen Idealvor-stellung24 real existiert, steht auf einem anderen Blatt. Selbst bei den westeuropäi-schen Vorbildern ist dies unklar: Ist die deutsche Öffentlichkeit tatsächlich pluralis-tisch? Oder ist es das italienische Modell? Einer näheren Erörterung von Beginn und Ziel/Ende der Transformation, sowie der Faktoren zur Messung von Pluralis-mus widmet sich das Kapitel 3.2.

Auf die umfassende Beschreibung zielt der dritte Vorschlag ab: Die systemtheo-retischen Ansätze von Kohring und Görke sind sehr komplex. Aber bereits einfa-che Modelle können eine Hilfestellung bei der Bearbeitung von Transformations-prozessen leisten. So erfasst die etwa aus der vergleichenden Journalismusforschung hinlänglich bekannte Darstellung der Kontexte des Journalismus von Siegfried Weischenberg (1998) alle relevanten Aspekte, die zur Untersuchung des Journalis-mus notwendig sind. Die auf Grund ihres Aufbaus auch „Zwiebelmodell“ genannte Darstellung erfasst nicht nur in den äußeren Schalen, den Kontexten von Normen und Struktur, die Relevanz von gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, histori-schen und rechtlichen Grundlagen, Kommunikationspolitik, professionellen und ethischen Standards sowie von ökonomischen, politischen, organisatorischen und 24 Die Normativität all dieser Ansätze lässt sich natürlich nicht leugnen. Jedoch ist es m. E. nicht mög-lich, sich dieser Normativität gänzlich zu entziehen. Immer, wenn es sich um Normen, Werte und Ziele etc. handelt, kommt man nicht umhin, sich die Normativität einzugestehen und in kritischer Reflexion die Ergebnisse zu evaluieren und nachvollziehbar zu dokumentieren.

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58 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

technischen Imperativen, sondern beschreibt im Innern des dargestellten Schemas auch einen Funktionskontext, der wesentlich auf die Inhalte abzielt und einen Rol-lenkontext, der auf die Situation der journalistischen Akteure verweist. Gerade der Funktionskontext, also der Inhalt der Berichterstattung, bleibt in den Fallstudien meist unberücksichtigt. Weischenberg nennt hier die Informationsquellen und Refe-renzgruppen, Berichterstattungsmuster und Darstellungsformen, die Konstruktio-nen von Wirklichkeit und die Wirkungen bzw. Rückwirkungen. Auch mit Bezug auf die Kombination von Makro- und Mikroperspektive, die weiter unten noch einmal Thema sein wird, bietet die Darstellung von Weischenberg eine weitere Chance: So kann man etwa die Entwicklungen und Voraussetzungen, die durch den Normen- und Strukturkontext gegeben sind, als Restriktionen, als „constraints“ oder Hand-lungsmöglichkeiten für die journalistischen Akteure und ihre Produkte bezeichnen.

Der vierte Vorschlag geht auf die Modelle bzw. Phasenmodelle der Transforma-tion ein. Die bisherigen Modelle verallgemeinern sehr stark die individuellen Pro-zesse der Länder.25 Streng genommen müsste man für (fast) jeden Transformations-staat auf Grund empirischer Daten eigene Phasen ausfindig machen. Der Sinn all-gemeiner Transformationsmodelle kann jedoch darin liegen, qualitative Phasen zu beschreiben, die zumindest als heuristisches Instrument dienen. Einen trotz aller Kritik brauchbaren, aber bislang wenig beachteten Vorschlag legte Beata Rozumi-lowicz (2002) vor. Er wurde bereits im ersten Kapitel vorgestellt. Sie gestaltet das Modell derart freizügig, dass Rückschläge und das Vertauschen der Transformati-onsstufen möglich sind. Ebenfalls werden historisch vorgeprägte Pfade und Aus-gangsbedingungen der Transformation in einer Pre-Transition-Phase stärker be-rücksichtigt als in anderen Konzeptionen.

Die hier festgestellten theoretischen und empirischen Defizite in der kommu-nikationswissenschaftlichen Transformationsforschung sind virulent. Welche Erklä-rungskraft ein offenes Modell in sich birgt, muss sicherlich noch en detail erörtert werden. Es bietet zunächst gleichwohl ein Diskussionsangebot jenseits der festge-fahrenen Modelle, die seit mehreren Jahren wiederholt referiert werden. 2.1.3 Der theoretisch-methodologische Beitrag von Katharina Hadamik Eine der wenigen Publikationen der letzten Jahre in den einschlägigen deutschspra-chigen kommunikationswissenschaftlichen Fachzeitschriften zu Transformation und „Medien“ ist der Beitrag Katharina Hadamiks (2004) in der Publizistik. Der Aufsatz hebt sich sowohl inhaltlich als auch zeitlich von den bestehenden Schriften ab, weshalb er als zentraler Text gewertet und hier gesondert diskutiert wird.

Nachvollziehbar weist Hadamik gleich zu Beginn darauf hin, dass man es wohl nicht mit einer Transformation sondern unterschiedlichen Transformationsprozes- 25 Etwa die grobschlächtige Einteilung in Gewinner und Verlierer der Transformation, was nicht nur stark wertend ist, sondern auch den einzelnen Ereignissen und Prozessen in den betreffenden Ländern nicht gerecht wird. (vgl. anstatt vieler Thomaß 2001: 60f., Merkel/Puhle 1999: 263ff.)

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2.1 Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung 59

sen in Osteuropa zu tun hat. Somit bleibt festzuhalten, „dass die ehemals kommu-nistischen Länder nicht einmal annäherungsweise ein homogenes Gebilde darstel-len, was zur Folge hat, dass eine Vielfalt nationaltypischer Transformationspfade existiert. Die einzelnen Länder entwickeln sich in verschiedene Richtungen, und auch das Tempo und die Dynamik der Prozesse variieren zum Teil erheblich.“ (Hadamik 2004: 254, vgl. a. Rupnik 2000). Ebenso richtig stellt sie fest, dass „die Medien“ nicht losgelöst von der restlichen Gesellschaft betrachtet werden können, und disziplinenübergreifend die Ergebnisse der politikwissenschaftlichen und sozio-logischen Transformationsforschung einbezogen werden müssen (vgl. dazu a. Pi-ckel 2001: 144). Kritisch anzumerken bleibt, dass Hadamik lediglich von den „Me-dien“ spricht, ohne diese näher zu spezifizieren.

In ihren weiteren Ausführungen entwickelt Hadamik ein „mehrdimensionales methodologisches Instrument zur Analyse medienbezogener Transformationsver-läufe in postkommunistischen Ländern“. Das skizzierte Untersuchungsraster sei „geeignet, folgende Transformationsdimensionen abzubilden:

die unterschiedlichen Stufen, die Transformationsfortschritte dokumentieren; die besonderen historisch-kulturellen Voraussetzungen sowie politischen und sozioökonomischen Rahmenbedingungen; die unterschiedlichen Ebenen des Transformations- und Entwicklungsprozesses in den Medien“ (Hadamik 2004: 455)

Im Folgenden versucht die Autorin die Transformationsziele zu erfassen: Aufhebung der Zensur und der Informationsbarrieren Ende der Parteikontrolle und der parteilichen Lenkung der Medien Aufhebung der Uniformität Aufhebung von Monopolen Entstaatlichung der Medien Dezentralisierung

Ihre Zielstellung einer Rückkehr nach Europa bzw. Hinwendung zum westlichen Typ scheint zunächst logisch. Inwiefern diese Zielstellung von den machtvollen Eliten des entsprechenden Landes geteilt wird, bleibt fraglich. Präziser müsste man folgern, dass aus dieser Annahme der „Rückkehr“ normative Kriterienkataloge folgen, die es gilt stetig zu überprüfen, zu korrigieren und somit zu reflektieren.

Auch die Periodisierung der Transformationsverläufe greift zu kurz, vor allem, wenn sie den „path-dependency“-Ansatz in den Vordergrund stellt. Daran anknüp-fend müsste sie eine „Phase der Vortransformation“ stärker in den Vordergrund rücken, die Aufschluss über die Gründe des Umbruchs gibt (vgl. etwa Rozumilo-wicz 2001, Rustow 1970.) Auch Merkel betrachtet Vorstufen der Transformation.

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60 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

Ebenen der Medientransformation

Legislative und strukturelle Ebene � Wurden rechtliche Rahmenbedingungen für die Umgestaltung der Medienordnung geschaffen? � Wurde die Zensur abgeschafft? � Wurde die Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit gesetzlich verankert? � Existiert Meinungs-, Presse- und Informationsfreiheit? (de jure und de facto?) � Gibt es neue gesetzliche Grundlagen, die die Pressefreiheit beschränken können? � Wurden Maßnahmen getroffen, um Medien zu rekonstruieren? � Wurden zentralistische und monopolistische Strukturen abgeschafft? � Existieren kartellrechtliche Bestimmungen zur Vermeidung von Monopolbildung? � Konnten neue Akteure den Medienmarkt betreten? Ökonomische Ebene � Wurden ehemals staatliche bzw. parteiliche Medien privatisiert? � Erfolgte eine Liberalisierung des Marktes? � Welche Rolle spielen ausländische Investoren? � Welche Rolle spielen einheimische Investoren? � Wie hat sich der Werbemarkt entwickelt? � Welche Rolle spielen ausländische Unternehmen, inländische Unternehmen sowie staatliche

oder staatsnahe Betriebe als Werbekunden? Ebene Staat, Machteliten und Medien � Ist es den Medien gelungen, sich vom staatlichen/parteilichen Einfluss zu lösen? � Wie groß ist die Unabhängigkeit vom Staat und von den Machteliten heute? � Fungieren Medien noch immer als Sprachrohre bestimmter politischer Gruppierungen oder

staatlicher Institutionen? � Gibt es Kontroll- und Steuerungsmechanismen der Politik und/oder des Staates?

Tabelle 2: Ebenen der Medientransformation (nach Hadamik) Ihrer einführenden Bemerkung von der individuellen Entwicklung der Länder wi-dersprechend, gruppiert Hadamik die Transformationsstaaten. Gerade im Hinblick auf ihre historisch anmutende Argumentation müsste auffallen, dass die Verlierer der Transformationslandkarte ausschließlich in Zentralasien verortet sind. Bedenkt man historische und kulturelle Parameter26 dieser Länder, sollte man die selbster-nannten Analysekriterien reflektieren (siehe oben), oder zumindest eine wertende Einteilung („Loser“) unterlassen. Die von Hadamik entwickelten Kriterien oder Fragestellungen (vgl. Tabelle 2) scheinen jedoch hilfreich, relevante Aspekte der so genannten „Medientransformation“ zu benennen (vgl. auch Hadamik 2004: 465-468).

Gleichwohl sucht man vergeblich nach einem systematischen Untersuchungs-konzept, das die gesamtgesellschaftlichen Zusammenhänge und Ebenen berück-sichtigt, wie sie etwa aus der internationalen Journalismusforschung vorliegen (u. a.

26 Historische Parameter (nach Hadamik 2004: 466): Identifikation der Bevölkerung mit dem Kommu-nismus, Typ des Kommunismus bis 1989, Bereitschaft des kommunistischen Systems zu Reformen, Interne Opposition, Religiös-kultureller Zivilisationstyp.

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2.1 Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung 61

Esser 2000). Ebenso bleibt ungeklärt, welche theoretische Basis genutzt werden sollte. Im Hinblick auf Nachbardisziplinen, deren Eingang sie ja fordert, müsste auch die dort vorherrschende Diskussion um System-, Handlungs- und Akteurtheo-rien sowie integrative Ansätze aufgenommen werden. Methodisch werden an dieser Stelle keine Vorschläge gemacht, wie Medientransformationen untersucht werden sollten: Es wird keine Aussage getroffen, ob dazu Befragungen von Eliten, Doku-mentenanalysen oder Inhaltsanalysen der Medieninhalte etc. durchgeführt werden sollten. Zur Analyse der Transformationsprozesse postkommunistischer Länder hat damit die Kommunikationswissenschaft noch kein geeignetes Modell gefunden. 2.1.4 Exkurs: Modellleistung Wenn wir nicht umhin kommen, immer wieder zu konstatieren, dass es eine Theo-rie der Transformation nicht gibt, so kann man gleichwohl den Versuch unterneh-men, ein Modell zu entwickeln. Unter Umständen kommt man auf diesem Wege einem Theorieentwurf zur Transformation der Öffentlichkeit näher, wenn man mit Esser (vgl. 2000: 134) die Meinung vertritt, dass eine Vorstufe dieser Theoriebil-dung die Entwicklung von Modellen sei.

Doch was leisten Modelle? Schmidt und Zurstiege beschreiben unterschiedli-che Funktionen, die ein Modell besitzen kann. Das Autorenduo hält fest, dass Mo-delle uns zwar nicht sagen, „was das Modellierte tatsächlich ist, dafür aber, wie es für uns funktioniert, worin seine Besonderheit liegt und wie wir es eben erleben“ (Schmidt/Zurstiege 2000: 51, Hervorh. im Orig.). Im Falle des im Folgenden kon-zipierten Modells wird es zunächst nicht darum gehen, wie Transformation funktio-niert. Dies kann und wird bestenfalls eine durchaus erwünschte Nebenwirkung sein, die durch das Modell geleistet werden kann, das zunächst eine andere Funktion erfüllt. Zunächst sollen einzelne Aspekte des Problembereichs Transformation der Öffentlichkeit erkannt und geordnet, d. h. systematisiert, und für die empirische, auch komparative Forschung fruchtbar gemacht werden.

„Modellbildung selbst kann aber niemals ein Ersatz für die theoretische Argumentation und die empirische Prüfung sein. Modelle integrieren eine Vielzahl von Einzelaspekten eines Gesamtzu-sammenhangs – man nennt dies die Organisationsfunktion von Modellen. Als heuristisches (also erkenntnisförderndes) Werkzeug sind Modelle oftmals Annahmen zum Zweck des besseren Ver-ständnisses eines Sachverhalts […] Wie alltagstheoretische Modelle ermöglichen es auch wissen-schaftliche Modelle, Wissen zu systematisieren und Erfahrungen zu machen, und das heißt in wis-senschaftlichen Zusammenhängen: Probleme wahrzunehmen. Insofern haben Modelle in der Wis-senschaft forschungsleitenden Charakter […] (Schmidt/Zurstiege 2000: 57f., Hervorh. im Orig.)

Es geht an dieser Stelle nunmehr darum, auf Grundlage der erkannten Defizite, etwa der fehlenden Gesamtheit öffentlichkeitsrelevanter Aspekte, ein Modell zu entwerfen, das den diesen Modellen zugeschriebenen forschungsleitenden Charak-ter repräsentiert. Ein Modell, auch darauf weisen die Autoren hin, kann die theoreti-sche Grundlage oder empirische Überprüfung nicht ersetzen. Folgt man den Aus-

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62 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

führungen Essers, so wurde mit dem Blick auf die makrotheoretischen Ansätze der Kommunikationswissenschaft eine Grundlage für eine komparatistische Betrach-tung gelegt:

„Vergleichende Forschung ist zudem auf das Engste mit Theoriebildung verbunden. Theorien mittlerer Reichweite können in verschiedenen Länderkontexten auf breiter Basis getestet, schritt-weise verfeinert und dadurch für die globale Anwendung abgesichert werden. Systemtheoretisch inspirierte Heuristiken erlauben darüber hinaus – trotz der diskutierten Schwachpunkte – die Ent-wicklung eines allgemeinen Analyserahmens, mit dem individuelle Länder einem einheitlichen Ver-gleich zugänglich gemacht werden können.“ (Esser 2000: 145)

Diesen Ausführungen folgend, verspricht der bisher gegangene Weg Erfolg. Über diese ersten Ideen und Vorschläge hinaus folgen nun weitere theoretische Vorüber-legungen, die zum Entwurf eines Analysemodells führen sollen.

2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells

Wie bereits einleitend erwähnt, handelt dieser theoretische Teil (A) weniger von der Entwicklung einer „neuen“ Theorie als vielmehr von der Erarbeitung eines fundier-ten, umfassenden Analysemodells für die Erforschung der Transformation der Öffentlichkeit. In diesem Sinne wird die Vielzahl an Theorien und theoretischen Perspektiven, die in der Transformationsforschung diskutiert werden, auf ihre An-wendbarkeit überprüft. Ziel ist dabei nicht etwa ein Zusammenschustern von We-ber, Schütz und Luhmann, sondern sich die Erkenntnisse aus verschiedenen For-schungsrichtungen zu Nutze zu machen. Im Sinne Giddens’ (1997: 31):

„Die Aufgabe der Sozialtheorie ist es, Konzepte des Wesens menschlichen sozialen Handelns und des menschlichen Akteurs zu erarbeiten, die für die empirische Forschung fruchtbar gemacht wer-den können.“

Um eine gewisse Ordnung, ungleich einer Rangordnung, zu erreichen, wird zu-nächst der Begriff der Handlung ins Visier genommen und damit zusammenhän-gend Struktur und Institution, um danach eine gesamtgesellschaftliche, makrotheo-retische Perspektive einzunehmen. Wenn im Verlauf der Kapitel von Mikro, Meso und Makro die Rede sein wird, dann besagt dies nicht – notabene -, dass sich die einzelnen Theorien nur auf Makro- oder nur auf Mikroebene bewegen, es geht lediglich um die Perspektive, aus der die Ansätze argumentieren. Abschließend sollen Theorieansätze der Kommunikationswissenschaft diskutiert werden, die auf einen Mehrwert hoffen lassen.

Ziel der theoretischen Vorüberlegungen ist es, den Nutzen einzelner Ansätze auszuloten. Dadurch soll im dritten Kapitel ein kompakter Entwurf eines Analyse-

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 63

modells gewährleistet werden, der nicht mehr auf die Einzelansätze in extenso einge-hen muss. 2.2.1 (Rationales) Handeln Fragt man nach dem Begriff des „Handelns“, verweisen nahezu alle Arbeiten auf die Begriffsklärung Max Webers, der Handeln in seiner Klärung soziologischer Grundbegriffe als „ein menschliches Verhalten (einerlei ob äußerliches oder innerli-ches Tun, Unterlassen oder Dulden)“ ansieht, „wenn und insofern der oder die Handelnden mit ihm einen subjektiven S i n n verbinden“ (Weber 1985: 1, Her-vorh. im Orig.). Das worum es dieser Arbeit geht, ist jedoch soziales Handeln. Das wiederum - klassisch nach Weber (ebd.) definiert - „soll ein solches Handeln heißen, welches seinem von dem oder den Handelnden den gemeinten Sinn nach auf das Verhalten a n d e r e r bezogen wird und daran in seinem Ablauf orientiert ist.“ Die Grenze zwischen Handeln und sozialem Handeln ist dabei bekanntermaßen „derart flüssig, daß eine Unterscheidung oft kaum möglich erscheint“ (Weber 1985: 11).

Alfred Schütz, oder auch Thomas Luckmann haben den Handlungsbegriff Webers noch weiter (phänomenologisch) diskutiert und Soziales Handeln als Teil der Strukturen der Lebenswelt identifiziert (vgl. Schütz/Luckmann 1979, oder auch Altmeppen 2000: 296f.). Die klassische Variante Webers soll an dieser Stelle genü-gen, um weitere Überlegungen zu betreiben, die an Webers Typologie des sozialen Handelns (vgl. Weber 1985: 12) anknüpfen. Weber unterscheidet zwischen zweckra-tionalem, wertrationalem, traditionalem und affektuellem Handeln. Die Grenzen zwischen ihnen, dessen ist sich Weber bewusst, sind jedoch fließend, da

„Handeln, insbesondere soziales Handeln, n u r in der einen o d e r der andren Art orientiert. Ebenso sind diese Arten der Orientierung natürlich in gar keiner Weise erschöpfende Klassifikati-onen der Arten der Orientierung des Handelns, sondern für soziologische Zwecke geschaffene, begrifflich reine Typen, denen sich das reale Handeln mehr oder minder annähert, oder aus denen es – noch häufiger – gemischt ist. Ihre Zweckmäßigkeit für u n s kann nur der Erfolg sein.“ (Weber 1985: 13, Hervorh. im Orig.)

Homo Oeconomicus vs. Homo Sociologicus …und kreatives Handeln An diese Konzeption schließen sich zwei soziologische Auffassungen von Akteuren an, die immer wieder, teilweise konträr, diskutiert werden: der Homo Sociologicus und der Homo Oeconomicus27 (vgl. dazu ausführlich Schimank 2002: 37ff.).28 Wäh-rend der Homo Sociologicus in klassisch soziologischem Sinne wertrational handelt, 27 Das Konzept des Homo Oeconomicus wurde vor allem in den Wirtschaftswissenschaften entwickelt, findet aber auch in der Kommunikationswissenschaft Anwendung, vgl. etwa Fengler/Ruß-Mohl (2004), kritisch Rühl (2004: 130). 28 Ein weiterer Typ, der speziell auf die Sowjetunion gemünzt ist, der Homo Sovieticus, soll an dieser Stelle nicht betrachtet werden. Das Sowjetvolk als eine besondere Klasse darzustellen, kann wohl eher als „sozialer Mythos“ der sowjetischen Propaganda angesehen werden (vgl. auch Lewada 1994).

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64 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

agiert der Homo Oeconomicus zweckrational, stellt also den persönlichen, meist wirtschaftlichen Nutzen heraus. Beide sind jedoch voneinander nicht zu trennen, da der persönliche Nutzen ja auch im Erfüllen eines Wertes liegen kann (etwa Ehrlich-keit). Ebenso bilden beide Akteurtypen Handlungsroutinen aus, die im Weiteren ihr Handeln bestimmen, oder kulturell geprägt sind, was wohl in etwa traditionalem Handeln entspricht. Auch das affektuelle oder emotionale Handeln gilt es zu be-rücksichtigen. Eine Spezifikation dieser weniger rationalen Handlungstypen leistete Hans Joas, indem er die „Kreativität des Handelns“ (1992) diskutiert:

„Alle Handlungstheorien, die von einem Typus rationalen Handelns ausgehen, unterstellen min-destens dreierlei – und zwar unabhängig davon, ob sie Rationalität enger oder weiter, utilitaristisch oder normativistisch fassen. Sie unterstellen den Handelnden erstens als fähig zum zielgerichteten Handeln, zweitens als seinen Körper beherrschend, drittens als autonom gegenüber seinen Mit-menschen und seiner Umwelt. [...] Nun wissen die Vertreter solcher Konzeptionen sehr wohl, daß im empirisch vorfindlichen Handeln die im Modell des rationalen Handeln unterstellten Voraus-setzungen sehr häufig nicht gegeben sind; sie sind aber gezwungen, die eingeschränkte Gültigkeit solcher Voraussetzungen als Defizit nicht ihrer Theorie, sondern den Handelnden selbst zuzu-schreiben.“ (Joas 1992: 216f.)

Im Hinblick auf eine theoretische Fassung oder Unterscheidung von Handlungsty-pen könnte man diese Diskussion erneut ausbreiten, weiter ins Detail gehen und mit Beispielen aus dem Alltag unterfüttern. Lenken wir den Blick jedoch auf das empiri-sche Vorhaben, führen diese Diskussionen zu weit. Es gilt daher, sich frühzeitig zu überlegen, welche Form von Handeln man untersuchen will, und ob bzw. wie dies umsetzbar ist. Schimank (vgl. 2002: 153ff.) weist darauf hin, sich auf Grundlage eines Fragekataloges zu überlegen, welches Handlungsmodell man übernehmen möchte. Für die Transformationsforschung scheint ein rein zweckrationales (i. S. eines persönlichen, meist wirtschaftlichen Nutzens) Handeln nicht ausreichend. Der persönliche Nutzen ist oft genug unklar, die Ziele haben sich oft und frühzeitig geändert. Auch wenn damit vieles scheinbar leicht zu erklären ist29, müssen zwei-felsohne auch Normen und Werte als Determinanten bedacht, also wertrationales Handeln berücksichtigt werden. Ebenso gilt es, kreatives Handeln, nicht im Sinne kreativ-ästhetischen Handelns, sondern als freies Handeln (s. o.) zu beachten, wenn etwa bestehende Institutionen, Normen und Handlungsroutinen wegfallen (etwa in Umbruch- bzw. turbulenten Situationen), gleichwohl Handlungsentscheidungen getroffen werden müssen.

Verfolgt man diesen Gedanken der Unterschiedlichkeit des sozialen Handelns weiter, gelangt man zu einer nächsten Unterscheidung auf der Ebene der Akteure, nämlich entsprechend ihres Rollenverhaltens: Role-Making und Role-Taking. Das Modell des ‚role-taking’ ist auf Situationen anwendbar, in denen Erwartungssicher-heit durch Normen komplikationslos gegeben ist. Das Modell des ‚role-making’ 29 Etwa spieltheoretische Erklärungen, warum und wann Menschen massenhaft auf die Straße gehen, um zu protestieren.

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 65

bezieht sich demgegenüber auf solche Situationen, in denen das Rollenhandeln auf Komplikationen stößt. Diese Komplikationen können derart beschaffen sein, dass aufseiten des Akteurs das primäre Erfordernis von Erwartungssicherheit besteht und problematisch wird. (Schimank 2002: 64f.)

Dieses – von Schimank mit Bezug auf den Homo Sociologicus – ausgeführte Rollenverhalten ist jedoch nicht als absolutistisches Verdikt zu verstehen. Es be-schreibt vielmehr eine Häufigkeit in den jeweiligen Situationen. In Umbruch oder turbulenten Situationen wird es häufiger zum Modell des Role-Making kommen, in „normalen“ Situationen eher zum Role-Taking. Keine Situation verneint das eine oder das andere Rollenverhalten. Bevor dieses Handeln noch speziell für Journalis-mus, als journalistisches Handeln, näher ausgeführt wird, sollen zunächst jedoch die Determinanten resp. Möglichkeiten sozialen Handelns erörtert werden. 2.2.2 Struktur/Institution Handeln steht nicht losgelöst in der Gesellschaft. Die Typologien Max Webers machten es bereits deutlich. Es existieren unterschiedliche Determinanten, die handlungsleitend sind oder sein können. Handeln ist folglich so abhängig von Strukturen, wie Strukturen abhängig von Handeln sind („Dualität von Struktur“, Giddens 1997: 77). Auch aus makrotheoretischer Perspektive beschreibt Struktur „eine von Augenblick zu Augenblick zu aktualisierende kontingent-selektive Ver-knüpfung von Elementen von relativer Dauerhaftigkeit [...] S[truktur] grenzt Wahl-möglichkeiten ein, verbürgt eine gewisse Sicherheit von Erwartungen. Eine S[truktur] ist eine bis auf weiteres festgelegte Anweisung für die Bildung von Erwar-tungen in verschiedenen Situationen. S[truktur]en stehen anders als Prozesse für die Irreversibilität der Zeit. Autopoietische Systeme sind grundsätzlich strukturdetermi-nierte Systeme.“ (Krause 2001: 205) In der Fachliteratur werden diese Determinan-ten der Struktur meist als „constraints“ bezeichnet, also als eine klare Handlungs-einschränkung gesehen. Unter diesem Begriff wird aber auch das Ermöglichen bestimmter Handlungsoptionen gefasst, und darf insofern nicht mir Zwang gleich-gesetzt werden (vgl. Giddens 1997: 78).

Was sind also die Strukturen, die Handlungsvorgaben? Genannt werden: Insti-tutionen, Normen, Werte, Organisationen. Das besondere ist, so scheint es, dass jeder dieser Begriffe mit dem anderen irgendwie zusammenhängt, oder dass diese zumindest derart verwendet werden. Für die Erforschung der Transformationspro-zesse mitunter leitend ist bekanntlich die Institutionenanalyse (vgl. für politische Institutionen etwa Rüb 1996, in Belarus: Lorenz 2001). Die Publikationsreihe mit dem Titel ‚Systemwechsel’ widmet einen Band alleine der Institutionalisierung. Darin hält Merkel (vgl. 1996: 73f.) zum Stellenwert der Institutionenanalyse in der Systemwechselforschung fest, dass diese als „missing link“ zwischen akteur- und systemtheoretischen Überlegungen betrachtet werden kann. Giddens (1997: 76) vermerkt allgemein zum Zusammenhang von Struktur und Institutionen:

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66 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

„Die wichtigsten Aspekte der Struktur sind Regeln und Ressourcen, die rekursiv in Institutionen eingelagert sind. Institutionen sind definitionsgemäß die dauerhafteren Merkmale des gesellschaft-lichen Lebens.“

Institutionen spielen als Regeln und Ressourcen eine maßgebliche Rolle im Trans-formationsprozess und nehmen somit einen zentralen Stellenwert in der vorliegen-den Arbeit ein. Dabei wird es vor allem um die Klärung dessen gehen, wie sich der Prozess der Institutionalisierung vollzieht und was mit ihm verbunden ist. Diese Diskussion muss in die Übertragung auf Öffentlichkeit münden, d.h. welche Institu-tionen für die Öffentlichkeit oder den Journalismus ausschlaggebend sind, also ähnlich wie der Handlungsbegriff auf journalistisches Handeln angewendet werden muss.

Institutionen Obwohl meist alltagssprachlich gleichgesetzt, gilt es Institution und Organisation als wissenschaftliche Termini zu unterscheiden. Wichtig erscheint, dass Institutionen nicht nur als „Organisation“ oder „Behörde“ betrachtet, sondern eben als die dauer-haften Merkmale der Gesellschaft gesehen werden oder anders als „jegliche Form bewusst gestalteter oder ungeplant entstandener stabiler, dauerhafter Muster menschlicher Beziehungen, die in einer Gesellschaft erzwungen oder durch die allseits als legitim geltenden Ordnungsvorstellungen getragen und tatsächlich ‚ge-lebt’ werden.“ (Hillmann 1994: 375) Lepsius beschreibt Institutionen prägnant als Prozesse, „die soziales Verhalten strukturieren und [sich] auf Wertvorstellungen beziehen“ (Lepsius 1997: 58). So bezeichnet die „Zeitung“ zunächst eine Organisa-tion. Die Institutionen liegen als Hintergrundfolie darunter, und bezeichnen Hand-lungsroutinen und –muster, redaktionsinterne Regeln oder allgemeingültig journalis-tische Kodizes etc, die die tägliche Arbeit der „Institution Zeitung“ strukturieren. Organisationen können so als die praktische Umsetzung von Institutionen, oder als „Verdinglichung“30 von Institutionen verstanden werden.

Lipp (1994: 377f.) beschreibt drei wesentliche Faktoren von Institutionen: (1) Ansätze der Institutionen sind sowohl an Handlungstheorien als auch an systemi-sche Ansätze anschlussfähig; (2) Institutionen sind prinzipiell offen. Durch die so beschriebene Elastizität werde es ermöglicht auf Spannungen einzugehen und Stabi-lität aufrechtzuerhalten, wobei die Spannung einen grundlegenden Zug von Institu- 30 „Verdinglichung bedeutet, menschliche Phänomene aufzufassen, als ob sie Dinge wären, das heißt als außer- oder gar übermenschlich. Man kann das so umschreiben: Verdinglichung ist die Auffassung von menschlichen Produkten, als wären sie etwas anderes als menschliche Produkte: Naturgegebenheiten, Folgen kosmischer Gesetze oder Offenbarungen eines göttlichen Willens. Verdinglichung impliziert, dass der Mensch fähig ist, seine eigene Urheberschaft der humanen Welt zu vergessen, und weiter, daß die Dialektik zwischen dem menschlichen Produzenten und seinen Produkten für das Bewusstsein verloren ist. Eine verdinglichte Welt ist qua definitionem eine enthumanisierte Welt. Der Mensch erlebt sie als fremde Faktizität, ein opus alienum, über das er keine Kontrolle hat, nicht als opus proprium seiner eigenen produktiven Leistung.“ (Berger/Luckmann 1997: 94f., Hervorh. im Orig.)

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 67

tionen darstelle. (3) Durch die Aufrechterhaltung von Spannungen erzielen Institu-tionen Entlastung für den Einzelnen. Durch die Stabilisierung von Spannungen, die sowohl auf den Einzelnen als auch auf die Gesellschaft Auswirkungen hat, schaffen Institutionen somit Ordnung. Institutionen erstellen, bewahren und führen Ord-nung fort, durch das „Zusammenbringen nicht nur von ‚Antinomien’, sondern hochgradigen aktionellen und systematischen ‚Unwahrscheinlichkeiten’“ (Lipp 1994: 378). (De-/Ent-)Institutionalisierung Institutionalisierung31 kann somit verstanden werden als der Prozess des Erhalts von Spannungen bzw. als das Management von Unwahrscheinlichkeiten und Anti-nomien. Dieser Prozess besitzt nicht die Statik, die zunächst kennzeichnend für „herkömmliche“ Institutionen (etwa Gesetze) ist. Durch die grundlegend beschrie-benen Faktoren oder Eigenschaften von Institutionen besitzen diese eine eigen-ständige Dynamik, die auf gesellschaftliche Prozesse eingeht. Somit formulieren Institutionen immer wieder (neue) Handlungsmöglichkeiten resp. -restriktionen. Institutionen können jedoch dieses Spannungsverhältnis nicht immer aufrechterhal-ten, bzw. können nicht mehr angemessen auf gesellschaftliche Ereignisse reagieren. Die Folgen können beispielsweise an einem Leistungsrückgang der Wirtschaft, Stillstand der Politik, oder steigender Kriminalitätsrate abgelesen werden. Das Ge-samtsystem kann auf „die schiefe Bahn der De-Institutionalisierung“ (Lipp 1994: 379) gelangen. Entinstitutionalisierung als Begriff oder Wort taucht erstmals bei Berger/Luckmann32 auf, mit Verweis zu Arnold Gehlen (1956), der den Begriff aber nicht verwendet (vgl. Lipp 1994: 462, Anm. 30). Lipp gibt dem Begriff Entin-stitutionalisierung im Gegensatz zu „De-Institutionalisierung“ den Vorrang, da Entinstitutionalisierung eher den Verfall, den Untergang und den Wandel von Insti-tutionen beinhalte. Fragwürdig wird nun letztlich, wie sich institutionelle Entwick-lung als Fortschritt oder Modernisierung oder eben als „Verfall“ fassen und be-

31 Die Systemtheorie bzw. einer ihrer maßgeblichen Vertreter, Niklas Luhmann, erzürnt sich alleine an dem Wort der Institutionalisierung, wenngleich er dann doch mit Verweis auf den Mechanismus der Stabilisierung ähnlich wie auch Lipp argumentiert: „Umformungen des Sprachgebrauchs, die sich scheinbar absichtslos verbreiten und einleben, verraten zuweilen ein sich wandelndes Interesse. Die häßliche Neubildung ‚Institutionalisierung’ hat diesen symptomatischen Wert. Sie bringt nicht nur eine modische Variation der Terminologie zum Ausdruck und dient auch nicht nur dazu, alte Probleme beiseite zu schieben, die sich am Begriff der Institution kristallisiert hatten. Sie erbringt darüber hinaus einen besonderen Erkenntnisgewinn, indem sie diesen Begriff ins Prozeßhafte, Dynamische und Funkti-onelle übersetzt. Man kann dann offenlassen, was eine Institution ist und mit welchem Recht sie gilt und sich der Frage zuwenden, was sie leistet und wie sie ihre Funktion erfüllt.“ (Luhmann 1970: 28) Er favorisiert daher im Folgenden den Begriff des sozialen Systems. Der Begriff der „Institution“ (bzw. „Institutionalisierung“) spielt in den folgenden Jahrzehnten seiner Theoriebildung keine Rolle mehr. 32 „Aus einer Vielzahl historischer Gründe kann der Spielraum für institutionalisierte Tätigkeiten auch kleiner werden. Entinstitutionalisierung gewisser Bereiche des gesellschaftlichen Lebens kann um sich greifen.“ Berger/Luckmann 1997: 86 [1969]

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schreiben lässt. Lipp hält genauso wie Lepsius fest, das Institutionen nicht nur funk-tional oder eufunktional sind, sondern auch dysfunktional wirken können33:

Institutionen zwar sind Institutionen: organisierte, handlungs- und verhaltensführende Sozialgebil-de. Sie können aber [...] im Sinne ihrer Grundfunktionen: der „Hintergrundserfüllung“ und „Ent-lastung“ des Menschen, der „Stabilisierung“ der Gesellschaft und ihrer Fortentwicklung, nicht nur „eufunktional“, sondern „dysfunktional“ geschaltet sein […]. (Lipp 1994: 460f.)

Welche Faktoren, welche Phasen innerhalb von Institutionen dazu beitragen, das Gesamtgefüge zu schwächen bzw. Fortschritte einzuleiten, dies ist nicht geklärt und bedarf erst der konkreten empirischen Analyse (vgl. a. Lipp 1994: 463). Für die Kommunikationswissenschaft bedeutet dies zunächst zu klären, wie Institutionen der Öffentlichkeit zu bezeichnen sind, und wodurch sie sich auszeichnen. Institutionenlehre und Transformationsforschung In seinem Buch „Drama Kultur“ nimmt Wolfgang Lipp (1994) in dem abschließen-den Kapitel unter der Überschrift „Über die Bedeutung von Institutionen, zumal im gesellschaftlichen Transformationsprozeß“ eindeutig Bezug auf die Veränderungen in Osteuropa. Dabei kritisiert er zunächst den Realitätsverlust und die Prognosefä-higkeit der Sozialwissenschaften, vor allem gewisser ideologischer Strömungen der deutschen Soziologie. Lipp (1994: 477) führt dies auf die „neurotische Institutio-nenblindheit“ zurück: „Man wollte von Institutionen nichts wissen und hielt es für richtiger, Institutionen und ihre Sachwalter geringzuschätzen, als über Institutionen erst überhaupt nachzudenken.“ Auch Lepsius (1990: 7) benennt dieses Defizit sehr direkt:

„Die gegenwärtige Auflösung der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Ordnung des Ost-blocks zeigt die Mängel von Ordnungsvorstellungen, die, von der Klassenanalyse ausgehend, keine differenzierte Institutionenanalyse zu entwickeln vermochten. Durch die Auflösung, Homogeni-sierung und politische Fusion von Institutionen wurden die Gesellschaften des Ostblocks zuneh-mend ökonomisch entwicklungsgehemmt, kulturell ritualistisch und in der Lebensführung auf bloße Fügsamkeit diszipliniert. Das bestehende Institutionengefüge des Westens ist seinerseits nicht ohne Mängel. Doch im Vergleich mit dem Ostblock zeigt es, daß die Ausdifferenzierung, Heterogenität und konfliktorische Koordination von Institutionen größere Freiheit in der Lebens-führung, raschere Anpassungselastizität in der Problemverarbeitung und höhere Differenzierung von Wertbeziehungen ermöglichen.“

Dies verdeutlicht, was bislang in der Analyse gesellschaftlicher Ordnungssysteme vernachlässigt und nun verstärkt werden müsste: Die Analyse der (De-) Institionali- 33 Zur Vorstellung einer ordnungsschaffenden Kraft der Institutionen, und zugleich des Verfalls, ver-merkt Luhmann: „In diesem Sinne leistet Institutionalisierung die Generalisierung von Konsens. Ähnlich wie schon in der Sprache, die bei Bejahung gleicher Worte Konsens suggeriert, wird durch Institutionali-sierung der Konsens-wert aktuellen Erlebens im Hinblick auf Erwartung von Verhaltenserwartungen überzogen. Man könnte auch formulieren: Institutionalisierung dient dazu, Konsens erfolgreich zu überschätzen.“ (Luhmann 1970: 30)

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 69

sierung. Die Institutionenlehre hat im Weiteren auch keinen monolithischen son-dern pluralistischen Charakter. Institutionen geben dem Handelnden also nicht nur vor, „’was zu tun ist’ – so die seinerzeit von Helmut Schelsky geprägte Formel –; sie geben dem oder den Menschen zugleich auch an, was nicht zu tun oder was zu unterlassen ist, und weiterhin: was an anderer Stelle anders zu tun oder zu unterlas-sen ist, und ermöglichen, indem sie als Trenninstanzen fungieren, den Aufbau un-terschiedlicher, autonomer, für sich rationalisierbarer sozialer Handlungsfelder“ (Lipp 1994: 479). Diese von Institutionen ausgehenden Handlungsanweisungen harmonieren mit den von Schimank für das funktionale Verhältnis von Handeln und Strukturen beschriebenen ‚constraints’. Diese umfassen – um es noch einmal klarzustellen – nicht nur Restriktionen, sondern im gleichen Umfang auch Hand-lungsmöglichkeiten. Sie sind folglich Optionen, die erst – qua Komplexitätsredukti-on – Handeln ermöglichen. Dabei ist es zunächst unwichtig, ob diese „eufunktiona-le“ oder „dysfunktionale“ Wirkungen besitzen. Zum Umbruch in den osteuropäi-schen Gesellschaften schreibt Lipp weiter:

„Stürzen in Gesellschaften, die sich zu teils hochartifiziellen, ideologisch abgehobenen, teils durchbürokratisierten, hoch zwangshaften Systemen entwickelt haben, die „Superstrukturen“ (Gehlen) plötzlich ein, treten notwendig die tiefer liegenden, institutionellen Wurzeln der Kultur wieder hervor; Mutterboden tut sich gleichsam auf, Ursprünglichkeit in all ihrer Kraft – und frei-lich auch all ihrer Schwäche –, und eben diese Dialektik ist es, die die Werte des Nationalen, der ethnischen Solidarität, aber auch von alten religiösen Bindungen, die in Osteuropa so lange unter-drückt waren, zum Hoffnungsanker für Neubau und endlich reelle, zivilisatorische Entwicklung macht.“ (Lipp 1994: 480f.)

Wenngleich der pathetische Ton (Mutterboden, Ursprünglichkeit in aller Kraft, Hoffnungsanker) einerseits, und die Negativierung der kommunistischen „Super-strukturen“ andererseits fernab gewohnter wissenschaftlicher Prosa liegen, weist Lipp damit auf Punkte hin, die auch in der transformationstheoretischen Diskussion von Bedeutung sind: Erstens verweist er implizit auf die „Pfadabhängigkeit“ (vgl. etwa auch Mense-Petermann 2002, mit Verweis auf den Neoinstitutionalismus) der Prozesse hin, die an zurückliegende (religiöse oder aber auch demokratische) Tradi-tionen anknüpft, was zweitens in eine Phase des „Nation-Building“ mündet, auf der Suche nach der eigenen Kultur (für Belarus’: vgl. etwa Lindner 1994, Maldsis 1992, Marples 1999). Drittens wird diese zivilisatorische Entwicklung von der aufkeimen-den „Zivilgesellschaft“ (oder Civil Society) getragen (vgl. u. a. Kraus 2000, Crois-sant/Lauth/Merkel 2000, Merkel 2000).

Der Mutterboden scheint sich auch nicht ganz aufzutun, wenn es „in Zeiten des Umbruchs weniger darauf ankommt, die alten defizienten Institutionen nur zu reformieren; es ist vielmehr geboten, neue Anfänge zu setzen [...] Institutionen zu gründen heißt am Ende, Ordnungen aufzuheben“ (Lipp 1994: 483). Oder anders: Scheinbar finden mit dem Zusammenbruch einige Institutionen ihr Ende und ent-stehen somit Freiräume für (kreatives) Handeln, während andere Institutionen erst

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tief greifend aufgehoben und neue „gegründet“ werden müssen. Dabei scheint gerade die Öffentlichkeit, die journalistische Berichterstattung vorneweg, eine wich-tige Leistung zu erbringen, wenn es darum geht, die Gesellschaft am Neubau der Institutionen breit zu beteiligen und Partizipation zu ermöglichen Diese kann mit-tels Räten, Ausschüssen oder Runden Tischen erreicht werden, aber auch und vor allem durch weitere Formen öffentlicher Kommunikation. Diese jedoch „erfordern freiheitliche Praktiken der Publizistik und setzen die Existenz gegliederter, verfah-rensgeschützer, pluralistischer Regeln der Willensbildung überhaupt voraus“ (Lipp 1994: 486). Insofern besitzt die öffentliche, und darin maßgeblich die journalistische Kommunikation einen hohen Stellenwert für die Transformation(sforschung) gene-rell. Bislang konnte sich diese Erkenntnis nicht durchsetzten, wenngleich auch kommunikationswissenschaftliche Ansätze (vgl. Kapitel 1.2) auf die Ordnungs- oder Synchronisationsfunktion des Systems Öffentlichkeit verweisen.

Dass Lipp in seinem „Drama Kultur“ auf die Veränderungen in Osteuropa eingeht ist lobenswert, bietet seine Analyse doch ein Beispiel für den Einsatz der Institutionenlehre in der Transformationsforschung. Gleichwohl bleibt zu bemer-ken, dass seine Aussagen zur Transformation über eine pathetische, vereinfachte Argumentation aus westlicher Sicht nicht hinaus kommt. Eine Kritik, die selbst für einige empirische Arbeiten der Transformationsforschung zutrifft (vgl. etwa die Arbeit von Förster 1998 und die darauf bezogene Kritik von Lorenz 2001: 33). Dieses Defizit macht auch Mense-Petermann (2002: 227) aus, vertritt aber gegen-über aller Kritik zu institutionalistischen Ansätzen die These, dass diese geeignet sind, „zentrale Elemente und Verlaufslogiken der postsozialistischen Transformati-onsprozesse zu erhellen. Allerdings – und dazu fordert die vorgebrachte Kritik heraus – bedarf der Institutionenbegriff, mit dem in der Transformationsforschung gearbeitet werden soll und der in den frühen, institutionalistisch inspirierten Studien [...] eher implizit blieb, einer weiteren Klärung und Präzisierung.“ Für die Untersu-chung von Transformationsverläufen biete diese Herangehensweise zudem den Vorzug, dass länderspezifische Unterschiede genauer in den Blick genommen wer-den und diese Differenzen auch erklärt werden könnten. Neoinstitutionalistische Perspektive Im Folgenden orientiert sich Mense-Petermann – explizit oder implizit – am ameri-kanischen Neo-Institutionalismus (vgl. etwa March/Olsen 1984, 1989, Po-well/DiMaggio 1991, oder auch Alexander 1985). Im Gegensatz zu makrotheoreti-schen Überlegungen sieht Mense-Petermann (vgl. 2002: 230) vor allem in folgenden Punkten den Mehrwert in einem institutionalistischen Vorgehen: (1) Die Rolle von Beharrungsmomenten und institutionellen „Hinterlassenschaften“; (2) Die Pfadab-

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 71

hängigkeit34 von Transformationsprozessen (Mense-Petermann 2002: 325); (3) Offenheit und begrenzte Steuerbarkeit. Mense-Petermann (2002: 231) schließt aus den genannten Defiziten auf zwei Fragen, die sich Transformationsforscher, die einen institutionalistischen Ansatz vertreten, stellen müssen:

„Erstens, ob das theoretische Konzept den Akteuren und ihren (strategischen) Wahlmöglichkeiten in der Transformationssituation angemessenen Raum gibt; und zweitens, ob das theoretische Konzept rapiden und tiefgreifenden Wandel erklären kann.“

Institutionen können über die dem Kapitel vorangestellte Definition Giddens hin-aus als „eine Reihe von miteinander verbundenen Regeln und Routinen, die eine adäquate Handlung als eine Beziehung zwischen einer Rolle und einer Situation definieren“ beschrieben werden (Mense-Petermann 2002: 232, vgl. auch March/Olson 1984, 1989). Diese Regeln können sowohl Rechtsnormen als auch gesellschaftliche Werte und Normen darstellen. Grundsätzlich – so Mense-Petermann mit Powell/DiMaggio – ließen sich zwei Ursachen institutionellen Wan-dels unterscheiden. Zunächst seien dies Ursachen, die durch institutionelle Wider-sprüche entstünden. Also die Möglichkeit von Konflikten darüber, welche instituti-onelle Ordnung für ein „Problem“ zuständig sei. Zweitens ließen sich externe Ursa-chen ausmachen etwa geografische Veränderungen oder politische Aufstände. Pow-ell (1991: 200) gesteht sich aber auch die Grenzen des Ansatzes ein: „Obviously, not all forms of social change can be explained from an institutional point of view.”

Als prinzipiell daran anschlussfähig erweisen sich die Ausführungen von Don-ges (2006), der ebenfalls aus neo-institutionalistischer Perspektive Medien als Insti-tutionen für die kommunikationswissenschaftliche Debatte aufbereitet. Er be-schränkt sich jedoch auf die Auswirkungen der Medieninstitutionen auf Organisati-onen (Donges 2006: 565). Für die Transformationsdebatte scheint vorerst eine andere Perspektive von Interesse. Erst einmal rücken die Institutionen in den Fo-kus, die für das Zustandekommen öffentlicher Kommunikation von wesentlicher Bedeutung sind. Im Spezialfall Journalismus gilt die Aufmerksamkeit spezifischer den Regeln zum Zustandekommen professionalisierter öffentlicher Kommunikati-on, etwa der Nachrichtenproduktion. Besonders auffällige und widerstandsfähige Regeln nennt Sparrow (2006: 149.) „multivocals institutions” und versteht darunter

34 „Die institutionelle Strukturiertheit von Wandlungsprozessen verweist auf die Pfadabhängigkeit der Transformationsprozesse [...] Laut Stark liegt die Stärke von Pfadabhängigkeitskonzepten gerade in ihrer analytischen Fertigkeit, Prozesse zu erklären, in denen strategisch handelnde Akteure bewusst Auswege aus etablierten Routinen suchen und die Spielregeln neu definieren wollen. Pfadabhängigkeitskonzepte halten dann nämlich zu der Frage an, auf welche institutionellen Ressourcen die Akteure dabei zurück-greifen können und welche Grenzen ihren strategischen Handlungen durch Institutionalisierungen gesetzt sind. Das Pfadabhängigkeitskonzept konzipiert Wandel also in expliziter Abgrenzung zu revolu-tionstheoretischen oder sonstigen ‚Tabula-rasa-Vorstellungen’ als Prozess komplexer Rekonfiguration, Rearrangement, Anpassung und Veränderung, der mit vorhandenem institutionellem ‚Material’ arbeitet.“ (Mense-Petermann 2002: 235)

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“those working news conventions that allow media firms (i.e., their tiers of editors and producers) simultaneously resolve their economic, professional, and informal pressures”. Folglich liegt der Fokus auf der Betrachtung der Institutionen, die Ein-fluss auf die öffentliche Kommunikation besitzen: ökonomisch, juristisch, kulturell und vor allem politisch (vgl. a. Cook 2006: 159f.).

Halten wir fest: Die Erklärung des Wandels der Institutionen kann folglich nicht auf einer Meso-Ebene alleine getroffen werden, sondern sie verlangt das Zu-sammenspiel der Analyse sowohl der Akteure, die die Institutionen produzieren und reproduzieren, als auch die Erklärung aus der makrotheoretischen Perspektive, die die Veränderungen im Gesamtzusammenhang darzustellen in der Lage ist. Obgleich sich nicht alle beteiligten Sozialwissenschaftler damit anfreunden können, scheint die Institutionenanalyse den missing link, oder zumindest einen gangbaren Weg für die Transformationsforschung darzustellen. Handeln und Strukturen – Überlegungen zur empirischen Umsetzung Zunächst schließen sich an diese Überlegungen weitere Fragen an: Was bedeuten diese Ausführungen für journalistisches Handeln im Transformationsprozess? Was kann man untersuchen und wie? Was sind eigentlich Institutionen der Öffentlich-keit? Diese Fragen werden hauptsächlich im dritten Kapitel konkret auf die Trans-formation der Öffentlichkeit bezogen besprochen. Jedoch kann man bereits an dieser Stelle festhalten, dass man wohl – forschungspragmatisch – einen Begriff des Handelns anlegen muss, der „rational“ ist, i. S. einer hauptsächlichen Zweckrationali-tät, die auf den Determinanten (maßgeblich Institutionen) beruht, und einer Wertra-tionalität, die sich historisch und kulturell erklären oder zumindest aufzeigen lässt. Diese Art des Handelns lässt sich natürlich nicht in Zahlen und Formeln pressen – einen Willen an ein Mindestmaß an Aussagekraft vorausgesetzt. Eine Erweiterung für empirische Überlegungen versucht Hans Joas (1992: 217) zu erreichen, indem er die Kreativität des Handelns hervorhebt.

„Die empirische Nützlichkeit rationaler Handlungsmodelle für Analysen von bestimmten sozialen Phänomenen soll hier in keiner Weise bestritten werden. In Frage gestellt wird allerdings der An-spruch, aufgrund solcher Nützlichkeit das voraussetzungsreiche Modell rationalen Handelns ohne gründliche Reflexion seiner inhärenten Annahmen auf immer neue Gegenstandsbereiche anzu-wenden.“

Wichtig im Sinne der Transformationsforschung scheint, dass kreatives Handeln vor allem dann einsetzt, wenn Institutionen plötzlich nicht mehr existieren und somit Handlungsroutinen unterbrochen werden und Gewohnheiten wegfallen. Genau dies ist der Fall im Transformationsprozess. Maßgebliche Institutionen (so-zialistische Normen und Werte) verschwinden, werden neu geordnet bzw. neue Institutionen entstehen. Dabei ist Kreativität als solche „in dieser Perspektive nicht per se etwas Gutes (oder Schlechtes)“ (Joas 1992: 287f.). Wenn die Abgrenzung

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 73

sozialen Handelns sich bereits theoretisch derart schwierig gestaltet, wie soll man dies dann empirisch umsetzen? Eine (oft gewählte) Möglichkeit ist es, Handeln auf rationales Handeln zu verkürzen, wobei häufig unklar bleibt, was denn das Rationa-le des „rationalen“ Handelns bezeichnet. „Rational Choice Theorie“ als Lösungsansatz? Dezidiert beschäftigt sich der Rational-Choice-Ansatz, auch „Rational Choice The-orie“ (RCT) genannt, mit dem Problem von Handeln und Struktur. Klassische Formen dieses Konzepts gehen davon aus, dass alle Akteure aufgrund gegebener Restriktionen („constraints“) „rational“ handeln. Dieser klassische oder harte An-satz ist zwar in der Lage, empirische Ergebnisse in Form von Kennzahlen zu lie-fern, greift jedoch zu kurz, wenn nicht alle Restriktionen erfasst werden können.

„Diese Spezifizierung erfolgt in vielen Rational-Choice-Analysen auf eine von zwei gleichermaßen unbefriedigenden Weisen. Zum einen werden die abstrakten Nutzenkalküle oftmals durch alltags-weltliche Plausibilitäten substantialisiert. […] Zum anderen hält man sich ebenso häufig an die ex-plizite Nutzenartikulation der untersuchten Akteure – findet also beispielsweise durch Dokumen-tenanalysen oder Befragungen heraus, was ein bestimmter Akteur in einer Situation gewollt hat.“ (Schimank 2002: 101)

Neuere, „weiche“ Spielarten der Rational-Choice-Theorie nehmen in ihrem Vorge-hen eine Teilung in Grund- und Zusatzannahmen vor:

„Die moderne Rational-Choice-Theorie geht über das eingeschränkte Homo-oeconomicus-Modell weit hinaus, insofern auch nicht materielle Interessen, altruistische Handlungen, der Einfluss sozia-ler Strukturen (Institutionen, sozialer Kontext, Netzwerke, Sozialkapital) auf die Handlungsbedin-gungen und die häufig nicht-intendierten, aggregierten Handlungsfolgen den Gegenstand der The-orie bilden.“ (Diekmann/Voss 2004: 13)

Zieht man die getroffenen Grundannahmen rationalen Handelns heran, wird der Begriff des rationalen Handelns derart aufgelöst, dass lediglich die Grundannahme bestehen bleibt, dass es ein Handeln gibt, das von bestimmten Restriktionen einge-schränkt wird. „Der Begriff der ‚Rationalität’ sollte dann keine Verwirrung mehr stiften.“ (Diekmann/Voss 2004: 13) Wozu man dann noch eine Rational-Choice-„Theorie“ benötigt, ist zumindest fragwürdig. Schließlich ist diese Feststellung (In-terdependenz von Handeln und Struktur) bereits etwa bei Max Weber oder Alfred Schütz zu finden. Im Hinblick auf die doch sehr komplexen Ereignisse innerhalb der Transformationsprozesse kann es wohl kaum um die „Formulierung generalisie-render Modelle, die deduktiv zu empirisch prüfbaren Hypothesen führen“ (Diek-mann/Voss 2004: 14) gehen.

Dies soll keine Fundamentalkritik an dem Rational-Choice-Ansatz sein. Jedoch ist m. E. keine der Rational-Choice-Spielarten35 in der Lage, komplexe, gesell-

35 Einen kompakten Überblick der klassischen Rational-Choice-Konzepte bietet Wiesenthal (1987).

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schaftsweite Prozesse – durch Berechnungen – abzubilden. Wenn es in Zukunft einmal möglich sein sollte, weit mehr Kriterien aufnehmen zu können, und mehrere Ebenen in einer solchen Berechnung einführen zu können, wird dies ein Fortschritt sein. Die Mehrebenenanalyse (vgl. einführend z.B. Ditton 1998) ist auf dem Weg dahin. Generell muss gefragt werden, ob es mit den Grundannahmen des Rational-Choice-Ansatzes überhaupt möglich sein wird, komplexe gesellschaftliche Prozesse abzubilden – und darüber hinaus – zu erklären. Der Begriff des „Rationalen Han-delns“ erscheint elastisch, und indifferent. In den angestellten Vorüberlegungen wird rationales Handeln sowohl als normorientiertes als auch als zweckorientiertes Handeln verstanden. Darüber hinaus, wird – im Hinblick auf Transformationspro-zesse relevant – kreatives Handeln mit berücksichtigt. Handeln und Struktur in der Kommunikationswissenschaft Uwe Schimank bearbeitete maßgeblich das Thema Handeln und Struktur. Durch seine Kombination verschiedener theoretischer Ansätze – ähnlich wie es hier ge-schehen soll – erntete er viel Kritik, und doch scheint es praktikabel. Wenngleich die strikte Abkehr von Funktionalismus (vgl. klassischerweise etwa Giddens 1976) hier nicht geteilt wird. Innerhalb der Kommunikations- und Medienwissenschaft sind die Ansätze von Schimank oder Esser verbreitet. Für ein ähnliches For-schungsproblem, nämlich die politische Steuerung des Rundfunks, argumentiert Patrick Donges (2002: 62) für eine akteurtheoretische Herangehensweise: Der ak-teurtheoretische Ansatz sei „für empirische Analysen auf der Meso- und Makroebe-ne, die sich mit der Steuerung des Rundfunks durch die Politik befassen, grundsätz-lich besser geeignet, da er zur Handlungstheorie hin offen ist und Akteure in das Zentrum seiner Theoriebildung stellt.“ Donges Vorgehen ist praktikabel, wendet sich jedoch vorschnell von einer systemtheoretischen Perspektive ab. In seiner Dissertation werden die theoretischen Schwierigkeiten des Zusammenbringens beider Zugänge deutlich.

Eine Vielzahl weiterer Kommunikationswissenschaftler nähert sich dem Prob-lem über die klassischen Handlungskonzeptionen. Eigentlich alle klassischen sozio-logischen Konzepte sozialen Handelns werden aufbereitet und finden in Verbin-dung mit kommunikationswissenschaftlichen Ansätzen Anwendung (vgl. die Über-sicht von Renckstorf/Wester 2001). Das Gros dieser Ansätze zielt jedoch auf As-pekte der Medienwirkung bzw. der Mediennutzung. So diskutiert beispielsweise Mehling (2001) im Rückgriff auf „vergessene“ handlungstheoretische Konzepte (Weber, Schütz) den Uses-and-Gratifications-Approach für das Fernsehen. Der Kommunikator wird dabei nicht vernachlässigt, jedoch steht die Mediennutzung als soziales Handeln im Vordergrund. Im Unterschied zu diesem publikumszentrierten Modell zielen gesellschafts- oder kulturzentrierte Herangehensweisen auf die Ein-flussnahme der Massenmedien auf die Gesellschaft. Aus einer Makroperspektive soll die Rolle der Massenmedien auf die Konstruktion sozialer Realität nachge-

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zeichnet werden. Die Folgen für den einzelnen Rezipienten werden dort nicht un-tersucht. Vielmehr stehen die Auswirkungen auf gesellschaftliche Normen und Werte im Vordergrund. Da die Vielzahl der hierbei verwendeten theoretischen Konzepte nicht auf die empirische Überprüfbarkeit ausgelegt sind, und der Begriff und Prozess der „Massenkommunikation“ bislang nicht einheitlich konzipiert wur-den, stößt das gesellschaftszentrierte Modell auf dieselben Probleme wie die Trans-formationsforschung (vgl. zu den genannten Modellen Renckstorf/Wester 2001: 155f.). Am Ende ihrer Diskussion handlungstheoretischer Referenzen beschreiben Renckstorf und Wester forschungspraktische Konsequenzen für kommunikations-wissenschaftliche Studien. Was das Autorenduo für die hauptsächlich rezipienteno-rientierte Analyse formuliert, besitzt dabei m. E. für die kommunikationswissen-schaftliche Transformationsforschung gleichermaßen Gültigkeit.

„Vor diesem Hintergrund wird deutlich, daß z.B. der ‚Case-Study’, der Fall-Studie, eine neue Bedeu-tung als Untersuchungsmodell der Kommunikationsforschung zukommen dürfte […] Damit zeichne-te sich eine deutliche Akzentverschiebung zugunsten kleiner, absichtsvoll konstruierter Stichpro-ben, ‚verstehender’ Methodik im allgemeinen und eine deutliche Abkehr vom Muster bevölke-rungsrepräsentativer Surveys […] als dem Königsweg der Kommunikationsforschung im besonde-ren ab.“ (Renckstorf/Wester 2001: 171, Hervorh. im Orig.)

Wenngleich die Fallstudie nicht als Untersuchungsmodell bezeichnet werden soll, so soll gleichwohl – als Quintessenz – ihr Votum für Fallstudien und konstruierte Stichproben weiterverfolgt und für die Transformationsforschung eine pragmati-sche Lösung gefunden und entwickelt werden. 2.2.3 Makrokosmos: Gesamtgesellschaftlicher Zusammenhang So durchwachsen wie die transformationstheoretische Debatte, so geht die Diskus-sion an dieser Stelle ebenfalls etwas hin und her. Zunächst erfolgt ein Überblick über die Transformationsforschung, der die verschiedenen Herangehensweisen in Soziologie und Politologie aufzeigt; danach wird ein rein systemtheoretisches Kon-zept von Öffentlichkeit und Journalismus präsentiert, um dann Handeln und Struk-tur in der akteurtheoretischen Soziologie darzulegen. Wozu das Ganze? Die Trans-formationsforschung zeigt, dass die beste Möglichkeit zur Untersuchung der Trans-formationsprozesse in integrativen Ansätzen, also der Verbindung von Mikro- und Makroperspektive, zu finden ist. Zumindest wird dies immer wieder aufs Neue behauptet. Aus der Journalismusforschung werden die Konzepte ausgewählt, die eine eindeutige Abgrenzung des Forschungsfeldes erhoffen lassen. Diese sind sys-temtheoretischer Natur. Im Weiteren wird danach die Frage des Handelns wieder aufgriffen, ein Begriff des rationalen Handelns unterbreitet und auf Struktur ange-wendet. Zweckdienlich scheint die Institutionenanalyse in diesem Zusammenhang. Nun soll die Integration der getroffenen Aussagen auf makrotheoretische Annah-men vorangetrieben und der Nutzen eines solchen Vorgehens aufgezeigt werden.

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Auch Uwe Schimank verfolgt in seinem Aufsatz von 1985 dieses Ziel, wenn er sehr deutlich auf Vorzüge und Nachteile der Einzelperspektiven hinweist und vor allem auf Potentiale der Verbindung von Makro- und Mikrotheorien aufmerksam macht. Die Trennung der „two sociologies“ (Dawe) wird jedoch weiterhin gepflegt, und auch in der Kommunikationswissenschaft weitergeführt. Diese beziehen sich beide auf Sozialität, nur mit einem anderen Schwerpunkt. Während die Akteur- oder Handlungstheorien vor allem den Menschen als „Bestimmer“ der Gesellschaft sehen, setzt etwa die Systemtheorie den Fokus auf die sich reproduzierende Struktu-ren, die nicht nur vom einzelnen Menschen gemacht, sondern fortgeführt werden.

„Für die Journalismusforschung hat jedoch schon Rühl darauf hingewiesen, daß eine systemratio-nale Trennung von System und Mensch notwendig sei, um die je spezifischen Merkmale von Sys-tem und Person empirisch festhalten zu können […].“ (Altmeppen 2000: 293f.)

Dies muss nicht zum Bruch zwischen beiden Zugängen führen, wie etwa Giddens mit seiner Theorie der Strukturierung beabsichtigt und gezeigt hat, und auch Joas darauf hinweist. Maßgeblicher Vorteil einer makrotheoretischen Perspektive ist der gesamtgesellschaftliche Zusammenhang, weshalb die Verwendung einer systemthe-oretisch geprägten Begrifflichkeit von Öffentlichkeit/Journalismus sinnvoll er-scheint. Die Systemtheorie beinhaltet dabei auch eine Theorie des Handelns (vgl. etwa Kollmorgen 1996: 307f.; Kieserling 1999). Gleichwohl ist zu bemerken, dass sich Schwierigkeiten bei der Beobachtung der Kommunikationen einzelner Akteure ergeben. Da psychische Systeme in verschiedenen Situationen unterschiedliche Rollen einnehmen, könnten u. U. Querverbindungen durch verschiedene Rollen nicht dargestellt werden. Darin besteht das Analysedefizit der Systemtheorie (vgl. a. Altmeppen 2000: 293f.). Damit soll nicht – man muss es wohl immer wieder beto-nen – der „Unfug von der Vertreibung des Menschen aus dem Paradies der System-theorie“ (Willke 2000: 284) nachgebetet werden. Aber gerade hinsichtlich der Ent-wicklung einer praktikablen Heuristik zur empirischen Analyse der Handlungen ist die Systemtheorie – wie Altmeppen treffend bemerkt – weniger hilfreich. Sinnvoll erscheint die Verwendung systemtheoretischer Überlegungen jedoch in einer Ein-bettung gesamtgesellschaftlicher Prozesse (Stichwort: Konnektivität), etwa in Ver-bindung mit dem politischen und wirtschaftlichen System, die zweifelsohne Einfluss auf die Öffentlichkeit ausüben – et vice versa. 2.2.4 Weitere methodologische Komponenten zum Modellentwurf Wie im ersten Kapitel ausgeführt, plädiert die Vielzahl der Transformationstheore-tiker für eine Verbindung von Mikro- und Makroebene aus. Kollmorgen nimmt diesen Gedanken auf, wenn er sich dafür ausspricht, zu verschiedenen Zeitpunkten bzw. –räumen verschiedene Theorieperspektiven einzunehmen. Dieser Gedanke lässt sich mit dem Vorschlag von Müller/Schmid verbinden, die dezidiert eine his-torisch-empirische Herangehensweise in den Vordergrund stellen.

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2.2 Theoretische Vorüberlegungen zum Entwurf eines Analysemodells 77

Müller und Schmid (1995) plädieren in ihrer gemeinsamen Publikation für eine ‚dreistufige Erklärungslogik’ zur Entwicklung von Theorien sozialen Wandels: Mo-dellbildung, Theoriebildung und historisch-empirische Transformationstheorie. In ihrer Sicht zielt die letzte Stufe dabei nicht auf eine Spezifizierung des Gegenstan-des, sondern stellt ein qualitative Stufe in der Theoriebildung dar, die „in empirisch kontrollierter Weise Wandlungs- und Entwicklungsverläufe rekonstruiert“ (Mül-ler/Schmid 1995: 37). Die inhaltliche Ausgestaltung einer derartigen historisch-empirischen Transformationstheorie beschreiben Müller/Schmid (1995: 37ff.) so:

„[E]ine Transformationstheorie [geht] in der Regel von einer (zumeist normativ) festgelegten Ent-wicklungsrichtung, von einer raum-zeitlichen Spezifizierung des Entwicklungsverlaufs und von ei-nem konkret identifizierbaren Ensemble von Institutionen, Akteuren und Umwelten aus. [...] Eine Transformationstheorie wird dabei nicht umhin können, sowohl die Bezugsgesellschaft als auch den Untersuchungszeitraum exakt zu definieren, um einesteils konkrete Wandlungsbarrieren und Entwicklungshindernisse rechtzeitig erkennen zu können, andererseits aber auch zieldienliche Pro-zesse und Mechanismen zu identifizieren, wozu unausweichlich auf die vorgelagerten Modelle und theoretischen Kenntnisse zurückgegriffen werden muß. In diesem Zusammenhang wird sie unter-schiedliche Transformationsrythmen einzelner gesellschaftlicher Sektoren wie Wirtschaft, Politik und Kultur ebenso einbeziehen wie die vorhandene Konfiguration von Institutionen und die Machtverhältnisse zwischen den Akteuren.“

Hinsichtlich der Modell- und Theoriebildung enthält der Vorschlag von Müller und Schmid unerlässliche Implikationen. Gerade die Definition des Untersuchungszeit-raums und der Bezugsgesellschaft erscheint bislang defizitär. Auch die exakte Be-zeichnung des Untersuchungsgegenstandes wurde bislang – zumindest für die kommunikationswissenschaftliche Diskussion – selten vorgenommen, wenn verall-gemeinernd von „den Medien“ gesprochen wird (vgl. dazu die ausführliche Kritik in Kapitel 2.1). Mit den Vorschlägen von Müller/Schmid wird nicht nur eine histori-sche und empirische Komponente in den Vordergrund gerückt. Damit verbunden ist auch die Folgerung, dass eine solche Transformationstheorie nicht mehr länger einen Allgemeinheitsanspruch besitzen kann (vgl. a. Kollmorgen 1996: 287), son-dern dezidiert auf den entsprechenden Staat und seine Prozesse eingeht. Dieses Umdenken ist dringend erforderlich, da die Transformation ansonsten „weder mit ähnlichen Vorgängen verglichen noch angemessen zeitdiagnostisch bewertet wer-den kann“ (Müller/Schmid 1995: 39). Kollmorgen (1996: 287) hebt ebenfalls die Innovationskraft dieser Überlegungen als Messlatte für die transformationstheoreti-sche Diskussion hervor. Innerhalb seiner Kritik integrativer Transformationsansätze schlägt Kollmorgen eine „phasenweise Sequentialisierung“ vor. tragfähig. Dabei geht es darum, zu verschiedenen Zeitpunkten im Transformationsprozess den Fo-kus jeweils eher auf eine Mikro- oder eine Makroperspektive zu legen.

„Zusammenfassend ließe sich also pointieren, daß je turbulenter die gesellschaftlichen Zustände sind, desto analytisch gefragter ein handlungstheoretisches Paradigma wird. Demgegenüber wird, je gefestigter soziale Re- und Neuproduktion verläuft, das systemtheoretische Paradigma von ana-lytischem Belang sein.“ (Kollmorgen 1996: 322, vgl. auch Kollmorgen 1994)

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78 2 Transformation und Öffentlichkeit – Theoretische Annäherung

Im Anschluss an die Überlegungen Kollmorgens wird die (phasenspezifische) Se-quentialisierung als brauchbar erachtet. Jedoch soll hier unterschieden werden, zwischen einerseits den üblichen Transformationsphasen und andererseits den beschriebenen Phasen von Turbulenz und gefestigter Re- und Neuproduktion an den Rändern dieser Transformationsstufen. Diese können nicht verallgemeinert werden und sind landesspezifisch. So kann nicht nur die erste Phase des Umbruchs als turbulent bezeichnet werden, denn auch spätere Ereignisse, etwa Präsident-schaftswahlen, Referenden, öffentliche Proteste können für Turbulenzen sorgen. Die Gründe dafür, dass dies meist nicht beachtet wird, können wohl in der Fokus-sierung auf „erfolgreiche“ Transformationen gesehen werden (etwa DDR/ Ost-deutschland, Tschechien, Polen), wo nach einer ersten Phase der Umbruchs und der Reform weit weniger Aufregungen zu beobachten waren, als etwa in Belarus, der Ukraine oder Russland, um nur einige prominente Beispiele zu nennen.

Daran anknüpfend scheint es sinnvoll, die ausgemachten landesspezifischen Phasen vor allem zu Beginn bzw. Ende der jeweiligen Phase zu betrachten, um Antworten zu finden, warum gerade zu diesem Zeitpunkt resp. –raum eine neue Phase beginnt und eine andere abgeschlossen wurde.

„Paradigmatische Erklärungslinien [...] verweisen dann aufeinander in ihren jeweiligen Bornierthei-ten, regen zu Perspektivenwechsel an. Freilich funktioniert solche Komplementarisierung nur un-ter der Voraussetzungen (a) einer gewußten Realisierung, d.h. soweit nicht unterstellt wird, man befände sich noch immer im ‚eigenen’ Paradigma, und (b), sofern jene Vielheit der Perspektiven – wie erörtert – nicht zu Realzuordnungen von Perspektiven zu Ebenen, Sektoren, Bereichen etc. führt.“ (Kollmorgen 1996: 323, vgl. auch ebd., Anm. 20)

Dies scheint hilfreich, um nicht nur einer entweder akteur- oder systemtheoreti-schen Betrachtung zu verfallen, die zum einen den Blick für die Gesamtgesellschaft und zum anderen die Handlungen der Einzelakteure und eine empirische Vorge-hensweise behindern würde. Im Sinne einer umfassenden Analyse geht es schließ-lich darum, beide Perspektiven, sowohl die Sichtweise von der Mikro- also auch von der Makroperspektive, mit einzubeziehen. Im Entwurf des Analysemodells zur Untersuchung der Öffentlichkeit und bei der Operationalisierung (vor allem bei der Stichprobe für die Inhaltsanalyse der Berichterstattung, wenn es darum geht, turbu-lente Phasen auszumachen) wird darauf noch einmal Bezug genommen.

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3 Transformation der Öffentlichkeit –

Ein Analysemodell

Das Ziel dieses Kapitels ist die Entwicklung eines umfassenden Analysemodells für die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung im postsozialisti-schen Kontext. Sein heuristischer, d. h. analytischer Wert liegt darin, nicht nur ein-zelne Aspekte der „Medien“ im Transformationsprozess herauszupicken, sondern möglichst alle Facetten einer Kontextuierung der Öffentlichkeit resp. des Journa-lismus zu benennen und Vorschläge zu ihrer empirischen Untersuchung zu unter-breiten. Bei gemeinsamer Betrachtung der empirischen Ergebnisse zu den Einzel-kontexten im Zeitverlauf werden – sofern vorhanden – Wechselwirkungen und Einflüsse erkennbar. Darin liegt der erklärende Wert des Modells. Der Entwurf des Analysemodells soll und wird auf Basis der theoretischen Vorüberlegungen (vgl. Kapitel 2) erfolgen. Die pragmatische Umsetzbarkeit ist das Anliegen bei der Erarbei-tung dieser Heuristik. Insofern können nicht alle genannten Theorien erneut aufge-nommen werden. Die in den vorhergehenden Kapiteln geführten Diskussionen müssen an dieser Stelle genügen, um den Weg zu dem komplexen Modell zu veran-schaulichen. Nunmehr werden anhand dieser Überlegungen nur die Ergebnisse der vorangegangenen Seiten referiert und die notwendigen resp. brauchbaren Ansätze aufgegriffen. Auf diese Weise soll ein kompakter, in sich geschlossener Modellent-wurf gewährleistet werden. 3.1 Forschungsfragen

Zunächst stellen sich die Forschungsfragen, die für die Konstruktion des Analyse-modells und die Implementierung der Einzelbeiträge Relevanz besitzen (vgl. dazu a. Coman 2000: 49). Ganz allgemein sind dies drei Fragekomplexe: 1. Was ist der Untersuchungsgegenstand einer kommunikationswissenschaftli-

chen Transformationsforschung? Welche Theorien können aus der (interdiszi-plinär orientierten) Kommunikationswissenschaft herangezogen werden?

2. Wie verläuft der Transformationsprozess? Lassen sich Phasen, Stufen, Ziele, Beginn und Ende unterscheiden?

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80 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

3. Welche gesellschaftlichen Kontexte muss ein Analysemodell der kommunika-tionswissenschaftlichen Transformationsforschung aufnehmen, um ein umfas-sendes Abbild der Transformationsereignisse darstellen und die Prozesse erklä-ren zu können?

Zur Konkretisierung seien die fünf „Schwerpunkte“ resp. Kriterien Inhetveens (1992) und seine darauf basierende Fragenkomplexe genannt. Diese sind nicht für die Transformation einer Öffentlichkeit oder des Journalismus ausgelegt. Sie kön-nen gleichwohl dazu genutzt werden, da sie basalen Charakter zum Aufbau des Modells besitzen. Den Vorstellungen Inhetveens (vgl. 1992: 549f.) zufolge sind Transformationen gebunden an (1) Akteure, (2) Ziele, (3) Kontexte, (4) komplexe Zeitabläufe (als Prozesse) und (5) ein Ende. Auch für ihn ist die Suche nach den Kriterien für ein Ende noch nicht abgeschlossen. Inhetveen (1992: 550) betont jedoch, dass der „Rahmen, in dem sie stattfinden muß, [.] natürlich nicht mehr die Systemtheorie [ist], sondern die intime Kenntnis des Einzelfalls.“ Diese für den Sonderfall Deutschland formulierten Kriterien bzw. Indikatoren müssen für das Untersuchungsobjekt Öffentlichkeit und im Hinblick auf den entsprechenden Transformationsstaat, hier: das Fallbeispiel Belarus, spezifiziert werden. Auch dabei sollten die „die Kriterienkomplexe ‚Akteure und Institutionen’, ‚Kontexte’, ‚Zeitab-läufe, Ziele’“ (Reißig 1994: 10) von entscheidender Relevanz sein.

Der Kriterienkomplex „Akteure und Institutionen“ besitzt aber nicht nur auf makro- sondern vor allem auch auf mikrosozialer Ebene Relevanz. Die simultane Beobachtung der Veränderungen auf mikro- und makrosozialer Ebene erhellt ein weiteres Problem im Transformationsprozess. So vertritt Reißig (1994: 31) die The-se, „daß nur, wenn man beide Ebenen, die institutionelle Makroebene und die Mik-roebene individuellen Verhaltens gleichzeitig und in ihrer Interdependenz betrach-tet, ein zentrales Problem des realen Transformationsprozesses erkennbar wird, nämlich das tendenzielle Auseinanderfallen der Prozesse auf diesen beiden Ebe-nen.“ Die gleichzeitige Beobachtung von Mikro- und Makroprozessen bzw. die Rekonstruktion der Ereignisse auf den unterschiedlichen Ebenen stellt ein schwieri-ges Unterfangen dar. Dennoch sollen mit dem Entwurf eines Analysemodells mög-lichst viele Ebenen (auch Kontextebenen) miteinbezogen werden. Wie bereits im Vorfeld gezeigt, können Institutionen als missing link zwischen mikro- und makro-theoretischer Perspektive fungieren.

3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) Im ersten Kapitel wurden bereits unterschiedliche Auffassungen zum Begriff der „Öffentlichkeit“ resp. des „Journalismus“ erörtert. Zwei der neueren, systemtheore-

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3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) 81

tischen Entwürfe werden weiter verfolgt: Kohring (1997) und Görke (1999).36 Die Ansätze werden noch einmal kurz vorgestellt und auf ihre empirische Umsetzbar-keit hinterfragt. Für eine bessere Strukturierung und Dimensionierung werden wei-tere Ansätze und Begrifflichkeiten eingeführt, die die systemtheoretischen Kompo-nenten für die empirische Umsetzung pragmatisieren.

Zunächst richtet sich jedoch der Blick auf ein Forschungsfeld, das sich eben-falls mit Öffentlichkeit und Journalismus in verschiedenen Ländern beschäftigt, obgleich ohne dezidierten Bezug auf sozialen Wandel und Transformation: die vergleichende Kommunikationsforschung. In ihr können ähnliche Defizite wie in der kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung ausgemacht werden. Einige Ideen und Lösungsansätze können aus ihr möglicherweise über-nommen werden. Ebenso wie im vergangenen Kapitel zur Transformationsfor-schung, stellt Frank Esser hier ähnliche Defizite fest:

„[Danach] läßt sich der gegenwärtige Stand der komparativen Kommunikationsforschung am an-gemessensten mit der Bezeichnung explorativ charakterisieren. […] Es gibt in der Kommunikati-onswissenschaft viele Studien, die sich explizit nur mit dem Journalismus oder Mediensystem eines anderen Landes beschäftigen, aber implizit aus einer deutschen Perspektive geschrieben worden sind (z.B. Ruß-Mohl 1994 über die USA).“ (Esser 2000: 124/128f., Hervorh. im Orig.)

Ähnlich der allgemeinen Diskussion (vgl. Kap. 2) kommt auch Esser zu dem Er-gebnis, dass ländervergleichende Studien von einem Schichten- bzw. Mehrebenen-modell ausgehen – unabhängig vom konkreten theoretischen Ansatz (Esser 2000: 131). Auch die Vorgehensweise in der vergleichenden Kommunikationsforschung ähnelt dem hier angestrebten Konzept. Die Analyseergebnisse „sollten ,in den zwi-schen Mikro- und Makro-Ebene sich erstreckenden Gesamtzusammenhang’ einge-ordnet werden“ (Esser 2000: 131) Also ist auch in der komparativen Journalismus-forschung ein theoretischer Bezugsrahmen notwendig, da nicht alle Länder ohne weiteres verglichen werden können (vgl. Esser 2000: 132). In der vergleichenden Kommunikationsforschung haben Akteurorientierte Analysen stark an Bedeutung gewonnen, was wohl daran liegt, dass die Systemtheorie keine Theorie sondern lediglich ein heuristischer Bezugsrahmen sei, wie Esser (vgl. 2000: 133f.) meint. Insofern können die Erfahrungen der komparativen Journalismusforschung mit Schichten- und Mehrebenenmodellen übernommen werden. Der angestrebte ge-samtgesellschaftliche Zusammenhang ist damit alleine noch nicht erreicht.

3.2.1 Für und Wider einen systemtheoretischen Ausgangspunkt Da das systemtheoretische Paradigma erhebliches Kritikpotential birgt, sollen die Argumente für und wider einen systemtheoretisch orientierten Ausgangspunkt mit

36 Unter Einbezug der gemeinsamen Publikationen: Görke/Kohring (1996), Kohring/ Görke (1997), teilweise auch noch Hug (1996), Kohring/Hug (1997).

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82 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

betrachtet werden. Für einen systemtheoretischen Zugang sprechen vordergründig folgende Argumente:

1. Systemtheoretische Entwürfe der Öffentlichkeit argumentieren auf der Mak-roperspektive mit einem feststehenden Vokabular37 und ermöglichen Anknüp-fungspunkte an Ansätze zur Beschreibung etwa der Systeme Politik oder Wirt-schaft (vgl. Luhmann 1994, 2000).

2. Die Ansätze benennen eine klare Funktion der Öffentlichkeit, die diese für die Gesellschaft löst; bzw. eine klare Leistung von Journalismus, die jener in Erfül-lung der öffentlichen Funktion für die Umweltsysteme erbringt.

3. In der Kommunikationswissenschaft konnte die systemtheoretische Debatte38

eine Klärung des „Zuständigkeitsbereiches“ resp. des Untersuchungsgegens-tandes vornehmen, selbst wenn einige davon (PR, Unterhaltung) der weiteren Klärung bedürfen.

4. Innerhalb der Transformationsforschung spielen makrotheoretische Überle-gungen eine entscheidende Rolle (gleichberechtigt zu Akteur- oder Handlungs-theorien, oder einem ausgleichenden institutionellen Ansatz).

Gegen die Verwendung eines systemtheoretischen Ansatzes sprechen zunächst folgende Argumente:

1. Mit dem „Flug über den Wolken“ wird meist der hohe Abstraktionsgrad der Systemtheorie bezeichnet. Dieser scheinbar zunächst hinderliche Charakterzug ermöglicht jedoch Perspektiven der Theorieentwicklung (Saxer: 2004: 92) und somit auch für Modelle.

2. Die systemtheoretischen Theorieentwürfe beziehen sich meist auf funktional ausdifferenzierte Gesellschaften westlichen Typus (etwa Deutschland, USA) und lassen sich nur bedingt auf Transformationsstaaten übertragen. Gleiches gilt auch für die Journalismusforschung (vgl. Esser 2000: 138). Dieser Punkt verdeutlicht erneut die Normativität, die den angesprochenen Ansätzen zugrunde liegt. Dies muss kein Nachteil sein. Schließlich können diese ideali-sierten Konzepte als Zielstellung für die Transformation im Rahmen eines Analysemodells als Beobachtungsschema genutzt werden. Doch muss diese normative Grundlage nicht nur für das Konzept bedacht sein, sondern auch –

37 Kritiker der Systemtheorie würden an dieser Stelle natürlich formulieren: „Virtuosität der Jargonbe-herrschung, das ‚Luhmannisch’–Reden, zum Erkennungszeichen des ‚Dazu-Gehörens’. Je dunkler und unverständlicher, desto meisterhafter.“ (Käsler 1984: 190) Gleichwohl kann man, wenn nicht von einer „Methode“ im engeren Sinne, so jedoch von einer „Methodik der Aufklärung“ (vgl. auch Krause 2001: 13) der Systemtheorie sprechen. 38 verbunden mit den Ansätzen von u.a. Rühl 1969, 1980, Marcinkowski 1993, Blöbaum 1994, Scholl etwa 1997, Hug 1996, Kohring 1997, Görke 1999, Hoffjann 2001, Weber 2000.

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3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) 83

wie Esser treffend ausführt – für die Journalismusforschung gelten und dar-über hinaus in ihre Ergebnisse/Evaluationen einfließen.

3. Die systemtheoretischen Entwürfe verharren auf der Makroebene und ver-nachlässigen einzelne Handlungen. Obgleich diese Beobachtung theoretisch zweifelsohne möglich ist, wurden diese Möglichkeiten kaum für den empiri-schen Zugang handhabbar gemacht.

„Die – keineswegs – kohärenten systemtheoretischen Konzeptionalisierungen des Journalismus klammern Handlungen folglich weitgehend aus (vgl. Marcinkowski 1993; Görke/ Kohring 1997; Kohring/ Hug 1997). Spätestens bei der empirischen Prüfung der Thesen jedoch wird Handlung zu einer relevanten Kategorie. Für empirische Arbeiten ist die Rekurrierung auf Handeln notwen-dig, da die Beobachtung und Beschreibung des sozialen Systems Journalismus nur dadurch mög-lich wird.“ (Altmeppen 2000: 294)

Ergo: Letztlich ist es der Vorwurf der unzureichenden empirischen Umsetzungs-möglichkeit, der Bestand hat. Dieser spricht nun jedoch nicht grundlegend gegen einen systemtheoretischen Ausgangspunkt. Er verdeutlicht gleichwohl, dass weitere Ansätze, Konzepte und Methoden der Transformationsforschung und der Kom-munikationswissenschaft allgemein Eingang finden müssen, geht es der Systemthe-orie doch vordergründig um die Beobachtung und Beschreibung sozialer Systeme und weit weniger um den einzelnen Akteur, bestenfalls um seine Rolle im sozialen System. 3.2.2 Öffentlichkeit und Journalismus In Kapitel 1.2 wurden systemtheoretische Ansätze bereits in extenso vorgestellt und diskutiert. An dieser Stelle sollen nunmehr lediglich die wichtigsten Eckdaten der zu Grunde gelegten Entwürfe genannt werden. Nach Kohring (1997: 248) erfüllt die Öffentlichkeit die Funktion,

„die Vielfalt der gesellschaftlichen Ereignisse zu beobachten und solche Ereignisse zu kommuni-zieren, die für die Ausbildung von gesellschaftlichen Umwelterwartungen herangezogen werden können.“

Als wichtigstes Leistungssystem benennt er (wie auch Hug 1996, Görke 1999) den Journalismus. Die Leistung dieses Subsystems Journalismus lässt sich mit Hug (1996: 335f.) kompakt beschreiben als:

„Die Ausdifferenzierung von Journalismus, die Professionalisierung journalistischer Tätigkeit, die Herausbildung journalismusspezifischer Kommunikationsformen, die Entstehung sozialer Organi-sationen in Form von Redaktionen, in denen dieser Beruf eingebunden ist, sind die notwendigen Bedingungen für eine dauerhafte Kommunikation im Öffentlichkeitssystem (zeitliche Dimension), die sich prinzipiell auf alle umweltrelevanten Aspekte aller teilsystemischen Binnenoperationen er-streckt (sachliche Dimension) und potentiell jedes Gesellschaftsmitglied einbezieht (soziale Di-mension).“

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84 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

Wichtig erscheint weiter das Entscheidungsprogramm, wonach Journalisten han-deln. Alexander Görke führt in seinem Theorieentwurf den Begriff der „enthemm-ten Relevanz“ ein, da potentiell jedes Thema relevant für die Berichterstattung sein kann. Sie ist aber nur insofern enthemmt, wie beispielsweise eine Zeitung vom Leserinteresse oder vom Interesse des Herausgebers bzw. Besitzers unabhängig ist. Weiter lassen sich als Entscheidungsprogramme für Journalismus Nachrichtenfak-toren nennen (etwa im Anschluss an Galtung/Ruge 1965 oder Ruhrmann 1989: 14ff.). Diese können jedoch nur Hinweise auf die Entscheidungsprogramme geben, und worauf man angesichts einer empirischen Analyse achten sollte. Jedoch unter-scheiden sich die journalistischen Entscheidungsprogramme im Kommunismus und teilweise auch in der postsowjetischen Phase derart grundlegend von denen westeu-ropäischer oder US-amerikanischer Journalisten-Kollegen, dass diese nicht in der vorliegenden Art übernommen werden.

In den vergangenen Jahren wurde häufiger diskutiert, welche Kommunikati-onsformen neben dem Subsystem Journalismus noch der Öffentlichkeit zugeordnet werden können. Vor allem die Public Relations wurde häufiger als Kandidat gehan-delt und in die Diskussion eingebracht. Zuerst noch völlig als Umwelt der Öffent-lichkeit begriffen (vgl. etwa Kohring/Hug 1997, Görke 1999), etwas unentschlossen hier die Konzeption bei Hoffjann (2001), wurde PR später als Leistungssystem betrachtet (vgl. Jarolimek 2001, oder auch Kohring 2004: 151 und Görke 2008). PR könnte jedoch durchaus als eine Form der strukturellen Kopplung zwischen der Öffentlichkeit und ihrer innergesellschaftlichen Umwelt konzipiert werden, etwa wie die Verfassung zwischen Recht und Politik.39 Die Vermittlerposition, die PR meist zugeschrieben wird, erscheint somit am besten umschrieben; die Kopie des Entscheidungsprogramms des Journalismus durch Public Relations am sinnvollsten erklärt. Aus dieser Sichtweise ergibt sich neuerlich die Konzentration der vorliegen-den Arbeit auf das wichtigste Leistungssystem der Öffentlichkeit: Journalismus. Weitere bzw. frühe Formen von Öffentlichkeit, die keine Charakterisierung als Leistungssystem erfahren, sind etwa Stammtische, Proteste, Demonstrationen, Kabarett etc. Modifikation Eins: Die Kontexte des Journalismus Der systemtheoretische Ansatz bietet eine Möglichkeit, Öffentlichkeit und Journa-lismus zu erfassen. In einem zweiten Schritt gilt es nun zu überlegen, welche Teile, Beziehungen, Kommunikationen, Programme es für die Umsetzung innerhalb einer Heuristik zu berücksichtigen gilt. Raabe (2000: 325) hebt hervor, dass die Ableitun-gen der aktuellen gesellschaftstheoretischen Entwürfe nicht ausreichen, um Journa-

39 Diese Konzeptionsidee wurde aber bislang noch nicht im Fach aufgenommen, oder nicht grundlegend durchdacht, da scheinbar alle systemtheoretischen Konzeptionen in der Kommunikationswissenschaft zumindest ein Funktionssystem oder Leistungssystem beschreiben (wollen).

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3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) 85

lismus hinreichend zu bestimmen. Was alles zum Journalismus zu zählen ist, be-nennen recht einfache Modelle, die schon zur Grundausbildung des kommunikati-onswissenschaftlichen Studiums gehören und weit reichende Aussagekraft besitzen. So beschreibt etwa Weischenberg (1998: 71) in seinem so genannten „Zwiebelmo-dell“ der journalistischen Kontexte nicht nur Journalisten und ihre Produkte im Innern als relevant, sondern auch – auf der Ebene von Struktur und Norm – die Imperative und Vorgaben für das journalistische Handeln. Diese können, wie später noch erläutert wird, als Restriktionen für das journalistische Handeln aufgefasst werden. Obschon dieses Modell in der vergleichenden Kommunikationswissen-schaft genutzt wird (vgl. Esser 2000: 127), blieb solchen einfachen Systematiken der Eingang in die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung ver-wehrt, deren Herangehensweise sich wohl meist eher als „explorativ“ bezeichnen lässt. Der Vorteil des Ansatzes liegt nun nicht nur in der Systematik der Herange-hensweise, sondern auch in dem Versuch, Akteur- und Systemebene darin zu integ-rieren, wie auch Johannes Raabe (2000: 319) hervorhebt:

„Einen systemtheoretischen Ansatz zum Journalismus, der System und Akteure verbinden möch-te, haben Weischenberg und seine Mitarbeiter vorgelegt. Das Verdienst dieses Ansatzes ist es, Journalismus explizit als soziales Handlungssystem (unter Berücksichtigung der Normen-, Struk-tur-, Funktions- und Rollenkontexte) gefaßt zu haben, weil sich damit die Frage nach dem Beitrag der journalistischen Akteure an den Operationen des Journalismus stellen läßt.“

Die einzelnen Kontexte des von Weischenberg (1998: 71) vorgeschlagenen Modells umfassen Mediensystem (Normenkontext), Medieninstitutionen (Strukturkontext), Medienaussagen (Funktionskontext) und Medienakteure (Rollenkontext; siehe auch Tabelle 3)

Mediensysteme (Normenkontext) - Gesellschaftliche Rahmenbedingungen - Historisch und rechtliche Grundlagen - Kommunikationspolitik - Professionelle und ethische Standards

Medieninstitutionen (Strukturkontext) - Ökonomische Imperative - Politische Imperative - Organisatorische Imperative - Technologische Imperative

Medienaussagen (Funktionskontext) - Informationsquellen und Referenzgruppen - Berichterstattungsmuster und Darstellungs- formen - Konstruktionen von Wirklichkeit - ‚Wirkungen’ und ‚Rückwirkungen’

Medienakteure (Rollenkontext) - Demographische Merkmale - Soziale und politische Einstellungen - Rollenselbstverständnis und Publikumsimage - Professionalisierung und Sozialisation

Tabelle 3: Kontexte des Journalismus (nach Weischenberg)

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86 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

Mit Bezug auf den systemtheoretischen Ausgangspunkt dieser Arbeit, aber auch auf die Diskussionen um den Struktur- und den noch auf Öffentlichkeit und Journalis-mus anzuwendenden Institutionenbegriff ist es unverzichtbar, die von Weischen-berg verwendeten Begrifflichkeiten zu spezifizieren. In Abgrenzung zu Öffentlich-keit soll der Begriff des Mediensystems für vorrangig technische Voraussetzungen der Öffentlichkeit betrachtet werden (siehe unten). Auch die Begriffe der (Medien-) Struktur, Norm und (Medien-)Institution werden präzisiert. Wie bereits Esser (2000: 137) aufzeigte, ist das Modell Weischenbergs in der vergleichenden Kommu-nikationsforschung immer wieder angewendet worden, da dieses mehrschichtige Analyseschema hohen heuristischen Wert besitzt und zudem geeignet für die län-dervergleichende Analyse erscheint. Gleichwohl sahen sich die unterschiedlichen Autoren unabhängig voneinander zu Modifikationen gezwungen. Zusammenfas-send resümiert Esser (2000: 143f.):

„Bei vergleichenden Analysen hat sich generell ein Schichtenmodell der sozialen Wirklichkeit be-währt, das die Verortung des Untersuchungsgegenstandes sowie die Systematisierung und Inter-pretation der empirischen Befunde auf unterschiedlichen Analyseebenen erlaubt. Diese Anforde-rungen erfüllt beispielsweise Weischenbergs ‚Zwiebelmodell’ des Journalismus, aber auch ver-schiedene angesprochene Alternativkonzeptionen. Der Vergleich als Methode ist prinzipiell nicht an eine bestimmte Theorie gebunden. Insgesamt erwies sich eine systemorientierte, multiperspek-tivische Herangehensweise als fruchtbar, die auf der Makro-, Meso-, und Mikroebene (also auf System-, Institutionen- und Akteursebene) durch Theorien mittlerer Reichweite ihre konkrete Aus-gestaltung erfährt. Weil davon auszugehen ist, daß Mediensysteme überall ähnliche Funktionen ausfüllen, dies aber nicht überall mittels identischer Strukturen tun, ist die Suche nach funktionalen Äquivalenten ein wichtiger Ausgangspunkt komparativer Forschung.“

Bei einem ersten vergleichenden Blick auf Weischenbergs Modell und die nachfol-gende Forschungsliteratur wird deutlich, welche Kontextebene bislang am meisten vernachlässigt wurde: der Funktionskontext, also die Medieninhalte. Dies verwun-dert insofern nicht, als die Untersuchung dieser Inhalte über einen Zeitraum von etwa 15 Jahren nicht nur sehr viel Zeit benötigt, sondern auch weit reichende Kenntnisse der Landessprache(n) und z. T. der empirischen Methoden voraussetzt. Doch gerade die Inhalte sind es, die die Bevölkerung (das Publikum) erreichen. Nur ein geringer Bruchteil der Gesellschaft hat Zugang etwa zu den Redaktionen oder politischen Ausschüssen selbst, während die Mehrheit auf journalistische Informati-onen angewiesen ist. Nicht zuletzt deshalb besitzt dieser „Kontext“ einen hohen Stellwert für eine Analyse des Journalismus im Transformationsprozess. Modifikation Zwei: das Kriterium Vielfalt Um nun die Entwürfe von Kohring und Görke, erweitert um die Kontexte von Weischenberg auf Transformationsprozesse anwenden zu können, bedarf es m. E. einer Spezifizierung dessen, was sich innerhalb dieses Prozesses wandelt resp. zu welchem Ende diese führen sollen. Es fehlt die Zielvorgabe. Neben dem Konzept der Öffentlichkeit (Journalismus) und der Erweiterung um die journalistischen

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3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) 87

Kontexte muss folglich noch ausgearbeitet werden, welche Kriterien als ausschlag-gebend für eine „erfolgreiche“ Transformation der Öffentlichkeit gesehen werden können. Eine Beobachtung der Umwelt in Bezug auf „Mehrsystemzugehörigkeit“ scheint in diesem Sinne (im Hinblick auf die dem Begriff inhärente Potenzialität) bedingt praktikabel.

Als Ziele der Transformation der Öffentlichkeit werden u. a. Unabhängigkeit (u. a. Jakubowicz 2002) und vor allem Pluralismus (u. a. Hadamik 2004, Thomaß 2001) genannt. Unabhängigkeit bezeichnet jedoch zunächst eine „basic principle“ (McQuail 1994: 142), das Pluralismus – sei es politisch oder im öffentlichen Bereich – erst ermöglicht. Daher liegt der Schwerpunkt des angestrebten Modells auf dem nachgelagerten Ziel, die Erlangung von Pluralismus. Auch wenn sich die meisten der zitierten Studien damit begnügen, es bei der Nennung des Schlagwortes Plura-lismus resp. Vielfalt zu belassen, sagt dies noch nichts über Kriterien zur Messung oder schlichtweg zur begrifflichen Bedeutung aus (vgl. a. Hutin 1993: 29). Folgt man den Ausführungen Sarcinellis (1998: 12), so sind es vor allem „vier Kriterien, an denen sich Politikvermittlung in der Demokratie auch heute messen lassen muß“ (vgl. Tabelle 4).

Zugangspluralität und –offenheit: Der Zugang zum Informations- und Kommunikationssystem darf in der Demokratie nicht exklusiv sein. Politikvermittlung in der Mediengesellschaft muß sich deshalb aus einer Vielzahl von Quellen speisen. Richtungspolitische Pluralität: Durch die Vielfalt von Informationsmöglichkeiten muß Politikvermittlung die Pluralität politischer Richtungstendenzen zum Ausdruck bringen. Pluralität von Komplexitätsgraden: Durch ein differenziertes Angebot mit unterschiedlichen Komplexi-tätsgraden muß Politikvermittlung verschiedene Adressatengruppen und Teilöffentlichkeiten errei-chen können. Kommunikative Rückkopplung: Schließlich darf Politikvermittlung keine einseitig gerichtete Elite-Bürger-Kommunikation sein. Vielmehr muß sie auch offen sein für Interessenvermittlung vom Bürger zur politischen Führung.

Tabelle 4: Pluralitätskriterien (nach Sarcinelli) Was Sarcinelli an dieser Stelle für die Politikvermittlung beschreibt, besitzt sicherlich auch allgemein für eine pluralistische Öffentlichkeit und dessen leistungsstärkstes Teilsystem Journalismus Richtigkeit, erst recht für die politische Berichterstattung (vgl. etwa auch McQuails Media equality und Media diversity 1994: 142ff.). Übertragen auf die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung, lassen sich die vier Kriterien der Vielfalt wie folgt lesen:

Zugangspluralität und –offenheit. Publizistische/journalistische Angebote müssen allen interessierten Rezipienten prinzipiell zugänglich sein (Preis, Vertriebswege, Rundfunkreichweiten etc.). Zudem müssen alle Journalisten, Redaktionen resp. Informationsanbieter grundsätzlich das gleiche Recht auf Zugang zu Informationen

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88 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

besitzen, etwa das Recht zur Teilnahme an Pressekonferenzen, Gewährung von Interviews, aber auch zur Aus- und Weiterbildung (Professionalisierung).

Richtungspolitische Pluralität. Hierbei gilt es zwischen externer und interner rich-tungspolitischer Pluralität zu unterscheiden. Die externe richtungspolitische Plurali-tät soll dabei den Zustand beschreiben, wie es Sarcinelli vorsieht. Durch die Ge-samtheit der Medienangebote werden alle politischen Richtungen dargestellt. Die interne richtungspolitische Pluralität beschreibt hingegen die Ausgeglichenheit in-nerhalb eines publizistischen Angebots: Wird beispielsweise innerhalb einer Zeitung über alle (politischen) Facetten berichtet? Gibt es zudem Kommentare, die die eine oder andere politische Richtung bewerten?

Pluralität von Komplexitätsgraden. Ähnlich wie von Sarcinelli beschrieben, gilt es hier festzustellen, ob verschiedene Angebote mit unterschiedlichen Schwierigkeits-graden vorliegen. Zu prüfen ist insofern, ob unterschiedlich hohe oder niedrige Stile, Komplexitätsgrade etc. durch die Angebote abgedeckt werden.

Kommunikative Rückkopplung. Sie bezeichnet eines der wichtigsten und dabei am schwierigsten messbaren Kriterien. Rückkopplung kann zum einen – klassischer-weise – durch Leserzuschriften erhoben werden. Die Frage nach der Auswahl und der Authentizität der veröffentlichten Briefe bleibt natürlich immer bestehen. Im Sinne einer Pluralität der Öffentlichkeit können jedoch Forderungen mit aufge-nommen werden, die durch Demonstrationen oder andere Formen des Protestes artikuliert werden, wenngleich dies in einer Retroperspektive mit einer Reihe empi-rischer Herausforderungen verknüpft ist.

Alle Kriterien sind im Endeffekt nicht getrennt sondern verbunden zu be-trachten. Die vier genannten Punkte orientieren sich verstärkt an journalistischen Angeboten und der Nachfrage durch das Publikum. Nimmt man die ersten drei genannten Vielfaltskriterien ernst, liefern sie erneut ein Argument für eine inhalts-analytische Auswertung der Angebote, die bislang meist vernachlässigt wurde. Im Zusammenhang mit weiteren Methoden, die zur Untersuchung des Struktur- bzw. Rollenkontextes eingesetzt werden, wird auf diesem Wege im Rückschluss eine Evaluation der vorherrschenden Situation und der Entwicklung öffentlicher (jour-nalistischer) Vielfalt ermöglicht. So könnte beispielsweise externe richtungspoliti-sche Pluralität gewährleistet sein bei gleichzeitigem Ausschluss bestimmter Angebo-te von den konventionellen Vertriebswegen. Auf den Ebenen des Normen- und Strukturkontextes muss geklärt werden, ob und wann die institutionellen Vorausset-zungen für jene Handlungsmöglichkeiten geschaffen wurden. Auf der Ebene des Rollenkontextes ist zudem zu untersuchen, wie diese Institutionen umgesetzt und angenommen wurden, und an welcher Stelle die Akteure der Öffentlichkeit selbst noch Handlungs- und Regelungsbedarf ausmachen.

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3.2 Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit (Journalismus) 89

Modifikation Drei: System Öffentlichkeit vs. System Medien Im ersten Kapitel wurde bereits argumentiert, dass dem Begriff der Öffentlichkeit aus begriffs- und theoriestrategischen Überlegungen der Vorzug gegenüber dem Begriff der „Medien“ zu geben ist. Eine wichtige Abgrenzung bzw. Unterscheidung soll an dieser Stelle noch einmal Erwähnung finden, da sie maßgeblich Auswirkung auf den Untersuchungsgegenstand besitzt. Kritisiert wurde, dass der Begriff der Medien oder Massenmedien (etwa bei Luhmann 1996) eine technische und keine Sinngrenze bezeichne. Dies ist soweit nachvollziehbar. Geht man jedoch nun von einem gesellschaftlichen Teilsystem Öffentlichkeit aus, wird zwar die gesellschaftli-che Funktion diskutiert, die dieses System übernimmt; die technischen massenme-dialen Voraussetzungen aber, die erst zur Ausdifferenzierung führen, werden (weit-gehend) vernachlässigt. Luhmanns Trennung zwischen Öffentlichkeit und dem Funktionssystem Massenmedien weist darauf hin, dass das Vorhandensein der technischen Mittel zur „Massenkommunikation“ von solcher Bedeutung ist, dass diese ein eigenes System beanspruchen. Die Diskussionen um die Defizite des Luhmann’schen Ansatzes zur ‚Realität der Massenmedien’ bleiben davon unberührt. Es soll darauf hingewiesen werden, dass der Gegenstand, der landläufig „Medien-system“ oder „die Medien“ genannt wird, grundsätzlich von technischen Vorausset-zungen und Entwicklungen „der Massenmedien“ bestimmt wird. Die tägliche Ar-beit in den Redaktionen veränderte sich in den vergangenen 15 Jahren auch durch die Implementierung neuer medialer Möglichkeiten – durchaus rasanter als in West-europa. Obschon die grundlegenden systemtheoretischen Ansätze als auch Wei-schenbergs Modell die technischen Imperative mit betrachten, soll darauf hingewie-sen werden, dass diese nicht außer Acht gelassen wird. Jedoch spielen die techni-schen Errungenschaften bei der Untersuchung des Transformationsprozess im Weiteren eine geringe Rolle. Formalobjekt Öffentlichkeit als Teil des Analysemodells Öffentlichkeit lässt sich aus Sicht der Kommunikations- und Medienwissenschaft als Untersuchungsgegenstand der Transformationsprozesse annehmen. Um sich einem Analysemodell zu nähern, müssen weitere Einschränkungen und zugleich Erweiterungen getroffen werden. Eine empirische Vorgehensweise kann nicht alle öffentlichen Kommunikationen erfassen (was den Zeitrahmen gerade einer solchen empirischen Arbeit endgültig sprengen würde), sondern muss sich auf einen Teilbe-reich beschränken. Am sinnvollsten erscheint zunächst eine Beschränkung auf das wichtigste Teilsystem der Öffentlichkeit: Journalismus. Dies stellt nicht nur eine Vereinfachung von Öffentlichkeit dar, sondern auch eine Vereinfachung in der empirischen Umsetzung: Während etwa Printmedien über die Jahre des Transfor-mationsprozesses archiviert wurden, kann dies wohl kaum für Flugblätter, Mit-schnitte von Kabarettaufführungen, oder mündlich tradierte Gerüchte oder Stamm-tischkommunikation gelten.

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90 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

Der systemtheoretische Ausgangspunkt wird im Hinblick auf die empirische Umsetzung erweitert. Die Kontexte des Journalismus liefern als Untersuchungsras-ter eine Hilfestellung. Des Weiteren ist der Ansatz als Beobachtungsschema um eine (gleichwohl normative) Zielstellung zu ergänzen, die eine Aussage über den Stand der Transformation zulässt. Das aus „westlicher Sicht“ meist geforderte „demokra-tische, pluralistische Mediensystem“ wird anhand der von Sarcinelli genannten und modifizierten vier Kriterien der Pluralität untersucht. Diese stark normativen Ziel-kriterien treffen selbst für das Gros der westlichen Öffentlichkeiten nicht zu. Das Beispiel Italien ist wohl das markanteste, aber auch Intendantenwahlen bei ARD und ZDF lassen bisweilen an der Unabhängigkeit des deutschen Mediensystems und der Staatsferne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks zweifeln.

Ergo: Bei der Analyse fremder Mediensysteme (besser: der Öffentlichkeit) mit-tels eines Beobachtungsschemas, dass eine Vergleichbarkeit der Transformations-verläufe erlaubt, kommt man nicht umhin, auf normative Kriterien zurückzugreifen. Wer glaubt, ohne diese auszukommen, der irrt. Der Einbezug normativer Kriterien bedeutet nicht automatisch eine Wertminderung der Ergebnisse. Gleichwohl muss die Normativität jederzeit bewusst gehalten und reflektiert werden, um zu einer „realistischen“ Evaluation zu gelangen.

Untersuchungsgegenstand: Öffentlichkeit, Schwerpunkt Journalismus Kriterium für Transformationserfolg: Pluralismus

3.3 Start und Ziel

Nachdem der Untersuchungsgegenstand für die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung beschrieben und Kriterien für den Erfolg des Prozesses benannt wurden, soll nun diskutiert werden, wie sich die Transformationsperiode, d.h. Beginn und Ende, fassen lässt. Die Frage nach dem nur schwer endgültig ein-zugrenzenden Ende soll nun wenn nicht beantwortet, so doch beleuchtet werden. 3.3.1 „Pachydermisierung“, „Refolution“ und Demokratie Wie bereits im vorangegangen Kapitel erläutert, sind die systemtheoretischen Arbei-ten innerhalb der Kommunikations- und Medienwissenschaft nicht ohne weiteres auf die Problemstellung der Transformation übertragbar. Jedoch stehen diese in einem größeren (gesellschaftlichen) Zusammenhang und ermöglichen auf diese Weise Aussagen über die Öffentlichkeit auf der Gesellschaftsebene.

An dieser Stelle wird eine weitere – transformationsspezifische – Ergänzung notwendig. Es gilt jene Arbeiten mit einzubeziehen, die mit systemtheoretischer

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3.3 Start und Ziel 91

Methodik versuchen, Transformationsprozesse zu erklären. In deren Deutung be-fanden sich die kommunistischen Gesellschaften – ganz allgemein – unter dem Diktat der Politik. Doch der erzwungene Autonomieverlust der anderen Teilsyste-me ließ sich nicht auf Dauer aufrechterhalten und führte zum gesellschaftlichen Umbruch (vgl. etwa Kollmorgen 1996, Pollack 1990, 1991). Auf die Öffentlichkeit übertragen bedeutet dies, dass sie nicht eine Funktion als Problemlösungsstrategie erfüllte sondern unter dem Diktat der Politik, der Partei stand. Durch diese Unter-drückung und Indoktrinierung begann jener Prozess, den Görke (wenngleich aus anderer Perspektive) als die „Gefahr der Pachydermisierung“ beschreibt. Dabei bezeichnet dieser eigentlich aus der Medizin stammende Begriff das Zusammen-wachsen von verschiedenen Hautschichten. Die Folge ist Unbeweglichkeit resp. die Behinderung der Operationsweise eines Systems:

„Die Systeme werden unsensibel für Irritationen, die in den eigenen Routinen nicht vorgesehen sind: Die Pachydermisierung der Funktionssysteme beginnt.“ (Görke 1999: 298)

Da Routinen nicht durchbrochen wurden, verklebten nach und nach die Teile der Gesellschaft und wurden somit handlungsunfähig (etwa zahlungsunfähig). Dieser Zusammenbruch bezeichnet den Beginn der Transformation. Dieser Umbruch war teilweise blutig erkämpft, teilweise friedlich und mancher Sowjetstaat (etwa Belarus) erlangte die Unabhängigkeit eher beiläufig. Zusammenfassend waren diese Prozesse Revolution und/oder Reform. Am treffendsten beschreibt Timothy Garton Ashs (1989: 309) Wortschöpfung „Refolution“ diesen Umstand:

“Last year, I posed the question of political change in these two countries [Poland, Hungary, S.J.] as the historic choice ‚reform or revolution?’ But what is happening just now is a singular mixture: a ‘revorm,’ if you will, or perhaps a ‘refolution.’”

Der Beginn der Transformation ist somit einigermaßen klar umrissen, wobei nicht außer Acht gelassen werden sollte, dass in vielen Ländern dieser „Umbruch“ nicht unvermittelt kam. Meist gab es Ereignisse, die zumindest rückblickend als „Vorbo-ten“ einer nahenden „Refolution“ zu interpretieren sind (etwa in Belarus die – vor-sichtig ausgedrückt – Unzufriedenheit über die schleppende Informationspolitik nach der Reaktorkatastrophe im ukrainischen �arnobyl’).

Das Ziel resp. die Ziele sind relativ unklar. Vielfach wurde angenommen, dass nun, nachdem das kommunistische System kollabierte, alle postkommunistischen Länder „Kapitalismus“ und „Demokratie“ anstreben werden. Dass dies irgendwie Zielvorgabe einiger Eliten im nun beginnenden Prozess war, kann wohl angenom-men werden. Aber es kann wohl genauso angenommen werden, dass diese hochge-steckten, idealistischen Ziele bald gegen neue ausgetauscht wurden, z.B. gegen egoistisches Machtstreben. Wann oder wie das geschehen ist, wie stark oder schwach die Eliten waren muss für jedes Land individuell beantwortet werden.

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92 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

Deutlich wird erneut, dass normative Annahmen (‚Staat X strebt nun nach Demokratie’ – und implizit: nach westlichem Vorbild) die Debatte bestimmen. Auch hier gilt im Allgemeinen (wie auch für den Journalismus im Speziellen), dass man bei der Erarbeitung eines Beobachtungsschemas nicht umhin kommt, auf normative Zielvorstellungen zurückzugreifen. Welche Ziele dies sein können, und wann sie erreicht werden, versucht das folgende Kapitel zu umreißen.

3.3.2 Phasen der Transformation Immer wieder wurde und wird in der Transformationsforschung versucht, den zu erklärenden Prozess in verschiedene Phasen zu kategorisieren. Die Anzahl der Pha-sen reicht von zwei (etwa bei Kollmorgen 1994, auch dem frühen Erscheinungsda-tum geschuldet) über drei (etwa bei Merkel 1999) bis zu vier (vgl. Rozumilowicz 2002). Eine Schwierigkeit besteht – in nationaler Perspektive – darin, dass es sich hierbei nicht nur um einen, sondern um mehrere Transformationsprozesse handelt: Transformation der Systeme Politik, Wirtschaft, Öffentlichkeit etc. Eine andere – in internationaler Perspektive – liegt in der Erkenntnis begründet, dass man wohl kaum von den ostmittel- und osteuropäischen Massenmedien als Einheit sprechen kann (vgl. Hadamik 2004: 454), sondern dass jeder Transformationsstaat markante Spezifika herausgebildet hat bzw. bereits schon vorher aufwies (vgl. Kapitel 1.1).

Viele Fragen bleiben jedoch offen, vor allem: Wann ist die Konsolidierung be-endet? Während sich der Beginn und die Entwicklungen im Vorfeld relativ plausibel darstellen lassen, bleiben die vorliegenden Konzepte eine Antwort auf das Ende der Transformation schuldig. In vorliegender Arbeit wird die Idee vertreten, dass das Ende der Transformation mit der Konsolidierung (d. h. Einübung bestimmter Handlungsmuster und Verhaltensweisen) erst ex post nach einer Phase der Rekonvales-zenz von „normalen“ sozialen Wandel unterschieden werden kann. Gleichwohl können nur Vermutungen darüber angestellt werden, welche Zeitspanne diese Pha-se umfassen sollte. Zudem kann mit der Konsolidierung nur eine Verfestigung der Strukturen bzw. die Akzeptanz der neu geschaffenen Institutionen beobachtet und konstatiert werden. Eine Prognose kann daraus wahrscheinlich nur im Einzelfall erwachsen. Nach einer empirischen Untersuchung unter Zuhilfenahme des skizzier-ten Modells soll im Anschluss an bekannte Phasenmodelle der Transformationsfor-schung ein Vorschlag zur Phaseneinteilung für die Transformation von Öffentlich-keit gemacht werden.

Genauer Beginn, Ende und Phasen der Transformation wurden bislang für die Öffent-lichkeit kaum beschrieben.

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3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach 93

3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach

Die Begriffe des journalistischen Handelns und der Struktur wurden im zweiten Kapitel bereits besprochen. An dieser Stelle wird lediglich an das Ergebnis dieser Explikation angeknüpft.

3.4.1 Die Spielregeln: Institutionen der Öffentlichkeit Die tägliche Arbeit der Journalisten wird durch unterschiedliche Handlungsoptio-nen ermöglicht bzw. durch Restriktionen (constraints) begrenzt. Wie bereits ange-merkt sollen hier Institutionen als diese rekursiv eingelagerten Regeln und Ressourcen verstanden werden. Zu klären gilt es sodann, welche „Institutionen auf die Öffent-lichkeit“ bzw. „im Öffentlichkeitssystem“ Einfluss haben. Es sei nochmals darauf hingewiesen, dass Institutionen nicht mit Organisationen gleich zu setzen sind. Vielmehr finden Institutionen in Organisationen ihre Verdinglichung. Eine grundle-gende Ausarbeitung, was unter Institutionen der Öffentlichkeit (oder „Medieninsti-tutionen“) zu verstehen ist, liegt nicht vor. Saxers (1987) Abhandlung zu Medienin-stitutionen im Zusammenhang mit kommunikationshistorischer Forschung bietet Institutionen lediglich als im Zeitverlauf neu entwickelte technische Medien an. Weischenbergs Abhandlung der Medieninstitutionen versucht, einen Überblick über diese zu leisten und verschiedene theoretische Leitlinien zu erklären (1998: 313ff.). Wobei hier zunächst die ökonomischen Imperative die größte Rolle spielen. Don-ges’ (vgl. 2006) neo-institutionalistischer Vorstoß betrachtet Medien als Institutio-nen und deren Auswirkungen auf Politik. Hier stehen nun jedoch die Institutionen im Vordergrund, die in und auf Journalismus und Öffentlichkeit Einfluss besitzen.

Die Journalismusforschung zeigt zwar reges Interesse am Begriff der Instituti-on, ohne ihn jedoch en detail zu bearbeiten. Als Regeln und Ressourcen journalisti-schen Handelns werden Entscheidungsprogramme erwähnt; auch erwünschte Kri-terien wie Objektivität stehen damit im Zusammenhang. Damit verbunden sind berufliche Normen, wie „Maßstabsgerechtigkeit, Vollständigkeit, Ausgewogenheit, Vielfalt, Wichtigkeit, Neutralität sowie die Trennung von Nachricht und Meinung, die kaum mehr hinterfragt werden. Ihre Einhaltung scheint eine ‚objektive’ Darstel-lung zu garantieren“ (Neuberger 2000: 284). Altmeppen (2000: 301) unterscheidet journalistische Entscheidungsprogramme in Arbeitsprogramme, Bearbeitungstech-niken, Selektionsprogramme, Darstellungsprogramme und Themenprogramme. Gleichwohl räumt auch er ein, dass trotz der strukturprägenden Eigenschaft dieser Institutionen journalistische Entscheidungen nicht vorhersagbar und eindeutig zu bestimmen sind:

„Ohne Zweifel bilden die Entscheidungsprogramme einen prägenden Strukturaspekt innerhalb der Redaktionen. Die Metapher der Entscheidungsprogramme suggeriert allerdings auch die Vor-stellung, journalistische Arbeitsabläufe würden kleinteilig durchstrukturiert und journalistische Handlungen seien für jeden Einzelfall vorbestimmt. Hiergegen spricht allein schon die Tatsache,

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94 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

daß journalistisches Handeln durch zeitliche Risiken und eine Unsicherheit der Themen gekenn-zeichnet ist. Ereignisse können nicht abgeschätzt und die Themenauswahl kann nicht vorab fest-gelegt werden. In diesen Unsicherheitszonen erfolgen viele Handlungen der Journalistinnen und Journalisten zunächst einmal routinisiert, aber schon ein Handeln, „das zur Routine wird, (verliert) den Charakter einer Entscheidung“ (Luhmann 1987d: 401).“ (Altmeppen 2000: 295)

Zudem gilt es noch weitere Institutionen im Kontext des Journalismus und somit der Öffentlichkeit zu beschreiben und im Verlauf einer Analyse zu betrachten. Diese sind nicht Teil des journalistischen/öffentlichen Systems, sie haben jedoch Einfluss auf diese. Als maßgebliche Institutionen können genannt werden: in der Verfassung verankerte Grundrechte (etwa freie Meinungsäußerung, Versammlungs-freiheit) und spezielle Mediengesetze (Presse-, Rundfunkgesetze); politische, wirt-schaftliche Imperative (etwa Dekrete z.B. Verstaatlichung/Privatisierung von Druckhäusern, wirtschaftliche Profitmaximierung); selbst auferlegte Moralkodizes z. B. von Journalistenverbänden oder einzelnen Redaktionen; aber auch Normen- und Wertvorstellungen, die sich aus den historisch-kulturellen Gegebenheiten ableiten. Die Vorstellungen, die diesen Institutionen innewohnen, können wohl plausibel mit Hilfe der Dokumentenanalyse ausgewertet werden. Die Dokumentenbasis kann folgende Regelungen umfassen:

� Grundrechte (Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Zensur etc.) � spezielle Mediengesetzte (Presse, Rundfunk), Dekrete, Erlasse � Moral- oder Ethikkodizes von Journalistenverbänden � Gerichtsentscheidungen � Journalistenausbildung � politische, wirtschaftliche Imperative und Gegebenheiten � Historiographien (die kulturelle, historische und religiöse Gegebenheiten

erfassen)

Gerade Gesetze und Moralkodizes stellen zunächst normative Festschreibungen dar, die in den Transformationsländern de jure meist den Vorstellungen westlicher Staaten entspricht. Kein Wunder, waren jene doch meist Vorbild für Gesetze und Regelungen nach dem Umbruch. Anhand einzelner Quellen kann, ja muss daher die Umsetzung dieser auf einer de facto-Ebene untersucht werden. Etwa mit Hilfe von: Monitoring, Berichterstattung über prominente Gerichtsverfahren oder sonstige Zeitungsartikel; auch im Gespräch mit Journalisten kann der Stellenwert dieser Institutionen im Alltag überprüft werden. Jede Dokumentenanalyse bedarf der Formulierung eines Fragekatalogs, der durch die Analyse beantwortet werden soll:

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3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach 95

Die Fragen des vorliegenden Forschungsproblems könnten sein: 1. Welche constraints werden für das journalistische Handeln formuliert? 2. Welche Auswirkungen haben diese in der Realität? 3. Welche constraints oder Handlungsroutinen ergeben sich aus historisch-

kulturellen Gegebenheiten? 4. Wie verändern sich die constraints für das journalistische Handeln? 5. Welche Rolle spielt das zentrale Kriterium der Pluralität bzw. Vielfalt?

Die Ergebnisse dieser Analyse der Institutionen auf Strukturebene beschreiben Optionen für das journalistische Handeln, das im Weiteren untersucht werden soll. Natürlich beeinflusst auch das journalistische Handeln die Struktur, die nicht starr ist, sondern durch Handeln immer wieder neu konstituiert oder eben verändert wird. Wobei mit Blick gerade auf rechtliche oder politische Regelungen zu bemer-ken ist, dass gerade diese für Journalisten als ‚fremde Faktizität’ erscheinen, über die sie keine Kontrolle besitzen (Berger/Luckmann 1997: 95; vgl. a. Neuberger 2000: 284). Dieser Denkanstoß soll an dieser Stelle jedoch nicht weiter verfolgt, sondern das Augenmerk auf die Abhängigkeit des Handelns von der Struktur gelegt werden. 3.4.2 Die Spieler: Journalisten, andere öffentliche Akteure, Publikum Im Analysemodell äußert sich die Abhängigkeit der Akteure von Struktur in der Annahme, dass das journalistische Handeln in Abhängigkeit von strukturell vorge-gebenen Handlungsoptionen zu deuten sei. In Umbruchphasen kann es jedoch zu Unsicherheiten bzw. kreativem Handeln (vgl. zur Rezeption Göttlich 2001: 121ff.) kommen, wenn Handlungsroutinen unterbrochen, und neue Regelungen noch nicht getroffen wurden.

In die Analyse der Transformation der Öffentlichkeit können jedoch nicht alle Akteure einbezogen werden. Der Fokus wird auf jene Personen gelenkt, die als Eliten (Journalisten, Führer von öffentlichen Bewegungen) maßgeblich den Trans-formationsprozess in Gänze erlebten und prägten. Von Interesse sind vor allem jene, die in verschiedenen Rollenkontexten agier(t)en, etwa als Herausgeber und Politiker. Sie sind es, die auch für mögliche Interviews in Frage kommen. Zudem spielt das Publikum eine herausragende Rolle. Welche Medienangebote nutzt(e) es? Wie ändern sich Präferenzen hinsichtlich Journalismus und Unterhaltung? Journalisten, weitere Akteure der Öffentlichkeit und Experten Im Anschluss an die bisher formulierten Gedanken sollen mittels Leitfadeninter-views jene Akteure befragt werden, die in dem Transformationsprozess von Öffent-lichkeit maßgeblich beteiligt sind. Dies umfasst nicht nur Journalisten (die nach Mög-lichkeit schon vor dem Umbruch als Journalist gearbeitet haben), sondern auch NGO- und Oppositionsvertreter (die ein Sprachrohr benötigten), Wissenschaftler (als Ex-

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96 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

perten/Beobachter im Land) und Vertreter der Regierung (etwa des Informationsmi-nisteriums, die Entscheidungen mit getroffen haben). Zudem sollen externe Akteu-re betrachtet werden. Dies meint nun nicht Akteure aus der Umwelt der Öffentlich-keit, sondern Akteure anderer Staaten, die während des Transformationsprozesses versuchen, Einfluss auf die Öffentlichkeit auszuüben (vgl. dazu a. Hamilton 1999). Dort lassen sich diese Akteure in solche mit a) ökonomischen b) politischen oder c) ideellen Absichten unterscheiden, wobei die Grenzen selbstredend flüssig sind. Ein politischer Einfluss zu Beginn der Transformation kann bereits eine ökonomische Perspektive in der Zukunft verfolgen. Dazu zu zählen sind Handlungen von Staats-regierungen, Nichtregierungsorganisationen, Unternehmen etc.

Es geht folglich nicht um irgendwelche Akteure, sondern um Eliten, die im Transformationsprozess Einfluss hatten oder haben. Diese können mittels Leitfa-den- oder so genanter Experteninterviews40 befragt werden.

Leitfadeninterviews könnten folgende Fragen aufwerfen: 1. Gab es einen Elitenwechsel/Journalistenaustausch? Welche Akteure haben

zusammengearbeitet etwa von NGOs, Opposition, Regierung, Wissen-schaft, Wirtschaft?

2. Inwieweit ist eine Professionalisierung des Journalismus realisiert? 3. Inwieweit wird die Arbeit der Journalisten durch politische oder wirtschaft-

liche Eingriffe beschränkt? Welche Auswirkungen hat das? 4. Welche Ziele verfolgen Journalisten? Inwieweit wurden Opposition und

NGOs unterstützt? 5. Inwieweit wurde Vielfalt realisiert? 6. Inwieweit ist von einer Unabhängigkeit auszugehen? 7. Warum wurden Ziele ggf. nicht erreicht oder verworfen?

Eine Einschränkung des Fragenkatalogs ergibt sich aus der speziellen Forschungs-frage. Zur Auswertung der Interviews stehen wiederum verschiedene Methoden zur Verfügung, etwa die qualitative Inhaltsanalyse (vgl. Mayring 1993, 2000) Publikum Ebenfalls meist vernachlässigt, fristet das Publikum in der Transformationsfor-schung ein Schattendasein. Die Stufen des journalistischen Kommunikationsprozes-ses werden jenseits des Senders kaum untersucht. Doch das Publikum ist es, das zunächst beispielsweise über seine Zahlungsbereitschaft die Zeitungen bewertet. Es ist eine Bewertung, ob das Angebot ihren persönlichen Wünschen entspricht, und

40 Zum Experteninterview vgl. einführend Bogner/Littig/Menz (2005), darin zur Methodendiskussion Meuser/Nagel (2005)

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3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach 97

sie das Produkt erneut beziehen. Weitere Evaluationen können so nicht getroffen werden. Vielmehr bedarf es Umfragedaten, deren Erhebung und Bestand stellt besonders für die historische Forschung ein Problem dar. Insofern bleibt man dar-auf angewiesen, ob und wie ein möglichst zuverlässiges und somit vertrauenswürdi-ges Institut Befragungen durchgeführt und zudem vor allem medienspezifische Fragenstellungen erfasst hat, etwa Lesepräferenzen, Vertrauen/ Glaubwürdigkeit, etc. Zu prüfen gilt es im Besonderen, ob Meinungen zu Vielfalt, Pluralität der „Mas-senmedien“ dokumentiert sind. 3.4.3 Das Spiel: journalistische Angebote und öffentliche Aktionen Die journalistische Berichterstattung ist – wie bereits mehrfach erwähnt – der am meisten vernachlässigte Aspekt innerhalb der kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung. Teilweise wird die journalistische Berichterstattung dazu genutzt, Ereignisse anhand der Artikel zu rekonstruieren. Eine Presseauswertung, die die Veränderungen innerhalb einer Zeitung, einer Redaktion oder des Presse-marktes zeigt, liegt bislang – zumindest für Belarus – nicht vor.

Zur Untersuchung journalistischer Berichterstattung steht die Methode der In-haltsanalyse zur Verfügung (einführend: Früh 2004, Merten 1995). Dass diese in-nerhalb der kommunikationswissenschaftlichen Transformationsdebatte nicht wei-ter verbreitet ist, verwundert. Schließlich ist die Kommunikationswissenschaft „die Wissenschaft, die Inhaltsanalysen kultiviert und auch weiterentwickelt hat“ (Brosi-us/Koschel 2001: 156). Allgemein wird zwischen der quantitativen und der qualita-tiven Inhaltsanalyse unterschieden, wenngleich Werner Früh anmerkt, dass beide Spielarten jener Methode nicht zu trennen sind. Sie bilden keinen „Gegensatz“ (Kelle/Erzberger 2000). So beinhaltet die als quantitativ kursierende Inhaltsanalyse (Früh 2004, Merten 1995) ebenso qualitative Elemente, wie auch die „qualitative Inhaltsanalyse“ etwa nach Mayring quantitative Aspekte berücksichtigt. Für das hier vorgestellte Konzept müssen beide Varianten zusammenspielen. Zunächst gilt es, „quantitativ“ einige Aussagen über Anzahl, Umfang, Thema etc. relevanter Artikel zu treffen, um danach beispielhaft charakteristische Veränderungen von Stil, Dar-stellung des Themas etc. „qualitativ“ aufzuzeigen.

Leitfragen für Inhaltsanalysen innerhalb der Transformationsforschung: 1. Wie verändert sich die Berichterstattung in der Transformation? 2. Über welche Themen wird berichtet? 3. Welche und wie viele Akteure/Sprecher tauchen auf? 4. Wie wird ein Thema in unterschiedlichen Produkten dargestellt? 5. Wie viele Meinungen werden genannt? 6. Wie werden diese (Sprecher/Meinungen) bewertet?

Im Hinblick auf Journalismusjournalismus (nach Malik 2004): 7. Wie bzw. wie oft wird über andere Print- oder Rundfunkmedien berichtet?

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98 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

Die Variablen und Fragen können nur schlecht verallgemeinert und müssen daher theorie- und empiriegeleitet jeweils für die einzelnen Transformationsländer erarbei-tet werden. So könnten etwa die in Deutschland üblichen Darstellungsformen nur teilweise auf die Berichterstattung des jeweiligen Transformationsstaates übertragbar sein. Ebenso können die Ergebnisse der Dokumentenanalyse erheblichen Einfluss auf die Analyse der Berichterstattung haben; etwa wenn kurzfristige Dekrete die Redaktionsarbeit direkt beeinträchtigen, oder religiös-kulturelle Aspekte großen Einfluss besitzen.

Bei einem Untersuchungszeitraum von fast 20 Jahren, wenn man die ersten Vorboten der Transformation Mitte der 1980er Jahre miteinbezieht, ist es unum-gänglich, eine Stichprobe zu fällen – und dies als: a) zeitliche, b) thematische und c) Medienstichprobe. Zeitlich besteht die Möglichkeit, den Untersuchungszeitraum auf die Berichterstattung rund um „turbulente Transformationsereignisse“ (i. S. der phasenweise Sequentialisierung, vgl. 1.2) zu untersuchen, von denen Änderungen für das journalistische Handeln erwartet werden, etwa der Umbruch, erste Präsiden-tenwahlen, Referenden, Verabschiedung/Inkrafttreten eines Pressegesetzes etc. Selbst danach ist jedoch die Zahl der Artikel, Fernsehbeiträge usw. noch derart überwältigend, dass eine Bearbeitung kaum realistisch erscheint. Demnach muss eine weitere Auswahl getroffen werden: Eine Möglichkeit wäre beispielsweise eine Zufallsstichprobe. Die Entscheidung hängt teilweise auch von der thematischen Ausrichtung ab, wobei es auf den Fokus der Gesamtuntersuchung ankommt. Man-che Gesellschaften (z. B. Belarus) sind noch derart vom politischen System be-stimmt und somit auch abhängig, dass der Fokus der (medien-)politischen Bericht-erstattung Sinn macht. Andere Mediensysteme sind in derart großem Umfang von ausländischem Kapital geprägt, dass es sinnvoll erscheint, die medienökonomische Berichterstattung bzw. die politische Berichterstattung im Spiegel der Besitzverhält-nisse zu untersuchen.41 Die Medienstichprobe muss sich einerseits nach dem belieb-testen, einflussreichsten Verbreitungsmedium (resp. -medien) richten und anderer-seits nach den Gegebenheiten der Archivierung (ein Problem, das vor allem Rund-funk und Internet betrifft).

Letztlich gilt es, die Spezifika des Transformationsprozess des jeweiligen Lan-des durch eine geeignete Stichprobe und ein angemessenes Verhältnis quantitativer und qualitativer Verfahren zu erschließen. Generell gilt an dieser Stelle wie auch für andere Teile der Sozialwissenschaft: Aspekte oder Länder der Transformation, die bereits untersucht worden sind, können sicherlich mittels quantitativer Methoden vertieft werden, während weiße Flecken der Forschungslandkarte zunächst mittels qualitativer, explorativer Studien grundsätzlich erschlossen und zugänglich gemacht werden müssen.

41 So etwa der Einfluss der deutschen Verleger auf den polnischen Pressemarkt, vgl. dazu Wozna 2005 oder Klimkiewicz 2006.

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3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach 99

3.4.4 Erste Spielzüge im Mehrebenenmodell Who tells what to whom with what effect? Anhand der klassischen Lasswell-Formel wird deutlich, welche Spielzüge die kommunikationswissenschaftliche Transformations-forschung umfasst: Rollenkontext/Journalisten (who), Funktionkontext/Berichter-stattung (what), Publikum (to whom) und Wirkung (with what effect). Mit Bezug auf Weischenbergs Zwiebel-Modell lassen sich die Teilaspekte auch innerhalb der Kon-texte präziser abbilden.

Vielen Studien, die ihrer Erhebung einen theoretischen Teil vorangehen lassen, scheitern an der praktischen Umsetzung dessen, was zuvor formuliert wurde. Um diese Schwäche einer vermeintlichen „Sollbruchstelle“ zwischen empirischem und theoretischem Teil entgegenzuwirken, sollen anschließend an die Ausführungen zu einem Mehrebenenmodell im folgenden Kapitel die Methoden für die Umsetzung benannt und – soweit in einem allgemeinen Zugang möglich42 – Details (etwa Stichprobe, Leitfragen) erörtert werden. Es werden sozusagen erste „Spielzüge“ simuliert. Im Groben geht es darum, sowohl die Institutionen und ihren Wandel auf der Strukturebene als handlungsbeschränkende und –ermöglichende Restriktionen zu erfassen als auch die Veränderungen des journalistischen Handelns aufzuzeigen. In einem zweiten Schritt wird es darum gehen, aufzuzeigen, inwieweit die Restrikti-onen (meist aus Politik und Wirtschaft) im Transformationsprozess der Öffentlich-keit in der Lage waren, den Journalismus zu beeinflussen oder noch stärker: zu steuern. Wünschenswert wäre dabei eine genaue Berechnung zum Einfluss zwi-schen den Ebenen. Die Transformation eines gesellschaftlichen Teilsystems ist jedoch von sehr vielen Faktoren abhängig. Gerade Einflüsse durch Kultur, Religion, Geschichte, Repressalien auf Akteure/Eliten der Transformation können nur schwer abgeschätzt werden. Diesen Kennzahlen zuzuordnen – nichts anderes müss-te eine Gewichtung der Faktoren leisten – ist nicht möglich. Daher müssen die im Modell benannten, möglichen Einflussfaktoren einzeln untersucht und die Verbin-dung zum journalistischen Handeln qualitativ bewertet werden. Aus dieser Er-kenntnis ergibt sich der Vorschlag, zunächst die einzelnen Ebenen mit den zur Verfügung stehenden Instrumentarien zu untersuchen, um Querverbindungen aufzeigen zu können. Dem vorgelagert ist der Versuch einer möglichst umfassenden Beschreibung des Transformationsprozesses, aus dem sich erst ein Erklärungspo-tential ergeben kann. Das Mehrebenenmodell und mögliche Methoden Den theoretischen Teil abschließen soll die grafische Darstellung des Mehrebenen-modells (Tabelle 5), das Norm- und Strukturebene (Institutionen), Funktions- und Rollenkontext (journalistisches Handeln) verbindet. Und noch einmal: Die hier

42 Die speziellen Kriterien für Belarus’ werden anhand der landesspezifischen Bedingungen zu Beginn des empirischen Teils erarbeitet.

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100 3 Transformation der Öffentlichkeit – Ein Analysemodell

vorgenommene Modellbildung versteht sich als Heuristik zur Beschreibung von Transformationsprozessen und die Erklärung des Wandels der Abhängigkeit jour-nalistischen Handelns von vorgegebenen Handlungsoptionen. Zusammen mit dem vorgeschlagenen Mehrmethodendesign (Dokumenten- und Inhaltsanalyse, Exper-teninterviews) versteht sich der Ansatz als ein generelles Forschungskonzept zur Untersuchung von Transformationsprozessen der Öffentlichkeit postsozialistischer Staaten.

Untersuchungs-gegenstand

Öffentlichkeit, Schwerpunkt Journalismus

Transformation als

Übergang von Journalismus als Verlautbarungsorgan des „Supersystems“ Politik (vgl. Pollack 1990) zum wichtigsten Leistungssystem des Funktionssys-tems Öffentlichkeit (vgl. Hug 1996, Kohring 1997, Görke 1999); Ziel: Vielfalt

Untersu-

chungskontexte

(s.a. Weischen-

berg 1998)

Quellen

Beispiele

Empirische

Methode

Theoretischer

System- bzw.

Akteurbezug

Norm- und Strukturkontext

Gesetze, Dekrete, Ukaze

Moralkodex Politische Beschlüsse

Ausländische Einflussnahme

Ökonomische Faktoren: Jahresberichte bzw. Ergeb-nisse vorhandener Untersu-chungen zur Ökonomie

Dokumentenanalyse Sekundäranalyse (z.B. Mediadaten)

Restriktionen vor allem der Teilsys-teme Politik, Recht und Wirtschaft für die Akteure der Öffentlichkeit

Funktionskontext Journalistische Berichterstat-tung (TV, Hörfunk, Presse, Internet)

Inhaltsanalyse (quanti-tativ und qualitativ) Schwerpunkt der Analyse: Veränderung der Berichterstattung, vor allem hinsichtlich der Kriterien der Vielfalt

Handeln der Akteure

Rollenkontext

Akteure, Eliten: Journalisten, Politiker, Vertreter von relevanten NGOs bzw. der „Civil Society“, Experten

Interviews (qualitativ) Leitfaden-, Expertenin-terviews

Handeln der Akteure

Tabelle 5: Mehrebenenmodell mit Beispielen

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3.4 Transformationsforschung: Spielend einfach 101

Die Erarbeitung eines solchen Modells ist notwendig, da die bisherige kommunika-tionswissenschaftliche Transformationsforschung defizitär und zum Teil disziplin-entfremdet arbeitet. So kümmerten sich fachexterne Vertreter weit mehr um die Öffentlichkeit in historischer Perspektive (vgl. z. B. Dimitrov 1994, Requate 1999). Mit Bezug auf einfache Modelle und Überlegungen der Kommunikationswissen-schaft, vor allem der Journalismusforschung, wurde so eine Grundlegung einer kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung vorgenommen, die zumindest mit dem fachspezifischen Adjektiv gerungen hat. Am Ende nun stehen vielfältige Überlegungen zur Transformationsforschung, die anhand eines Fallbei-spiels (Belarus) konkretisiert, d.h. empirisch umgesetzt werden.

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Belarus

Transformation von Öffentlichkeit und Journalismus

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Die Transformation von Öffentlichkeit und

Journalismus am Fallbeispiel Belarus

Nach der Erarbeitung eines analytischen Instrumentariums auf Grundlage theoreti-scher Konzepte folgt nun die Untersuchung der Transformation der Öffentlichkeit in Belarus.

Dieses Fallbeispiel beschäftigt sich nicht (und besitzt aus forschungsökonomi-schen Gründen nicht die Möglichkeit für diese Auseinandersetzung) mit dem Kon-strukt Öffentlichkeit in Gänze. Daher widmet sich die Analyse zum größten Teil dem als wichtigsten und leistungsstärksten präsupponierten Teilsystem der Öffent-lichkeit: Journalismus. Im Weiteren wird sich deutlich abzeichen, dass eine Betrach-tung des Wandels des Journalismus nicht losgelöst von gesamtgesellschaftlichen Prozessen, wozu auch weitere Teile der Öffentlichkeit zu zählen sind, gesehen wer-den kann.

Die Festlegung auf Journalismus, und noch spezifischer: politische Tages- und Wochenpresse, leitet sich nicht zuletzt aus forschungspragmatischen Gründen her: So sind die Zeitungen an mehreren Orten in Belarus archiviert und zugänglich – im Gegensatz zu Rundfunksendungen. Da sich der Rundfunk weitgehend in staatlicher Hand befindet, bietet der Pressejournalismus derzeit die beste Möglichkeit, eine kritische, massenmedial erzeugte Öffentlichkeit in Opposition zum Staat zu schaf-fen und zu untersuchen. Eine tiefgründige Analyse des Journalismus in Belarus, die als Grundlage der vorligenden Arbeit hätte dienen können, liegt nicht vor.

Eine Möglichkeit der Operationalisierung des im ersten Teil konzipierten In-strumentariums wird vorgestellt, und die Vorannahmen werden diskutiert. Zuvor soll gleichsam als Einführung der „Stand der Dinge“ in Belarus referiert werden (Kapitel 4). Das eigentliche Fallbeispiel beginnt mit der Analyse der Rahmenbedin-gungen, der constraints (Kapitel 5). Im Weiteren wird die Berichterstattung verschie-dener Presseerzeugnisse ins Visier genommen (Kapitel 6), und der Wandel der Journalisten bzw. deren Rolle betrachtet (Kapitel 7). Danach wird der Versuch einer Synthese unternommen, und somit eine Evaluation des belarussischen Transforma-tionsweges, der sich scheinbar so grundlegend von dem seiner Weggenossen unter-scheidet (Kapitel 8). Das entwickelte und verwandte Konzept und sein Mehrwert hinsichtlich der wohlgemerkt kommunikationswissenschaftlichen Transformations-forschung steht abschließend noch einmal zur Diskussion.

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4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

Bei der Erarbeitung des Analyseinstrumentariums wurde bereits auf die Anwend-barkeit geachtet. Bevor jedoch die empirische Umsetzung des im theoretischen Teil beschriebenen Analysemodells dargelegt wird (Kapitel 4.2), soll zunächst Belarus in einem Überblickskapitel (4.1) kurz vorgestellt werden. 4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge »Belarus? Ach, Russland?« So oder so ähnlich trifft man allzu oft auf Unwissen über ein Land, das Deutschland geografisch näher ist als etwa Spanien oder Portugal. Jedoch blieb den meisten Bundesbürgern das Wissen um dieses Land, seine Kultur und Sprache (!) fremd. Da es sich bei vorliegender Dissertation nicht um eine Arbeit der Slavistik oder der Regionalwissenschaften handelt, soll das Land kurz charakte-risiert werden. Zunächst zur geographischen Lage und etwas über „Land und Leu-te“, danach über die Arbeitsbedingungen für Forscher, etwa den Zugang zu Quel-len. Historische Hintergründe kommen an dieser Stelle nicht zur Sprache und wer-den, da Teil der Analyse, im sechsten Kapitel verhandelt.

Darüber hinaus werden in diesem Kapitel aber auch die Ergebnisse der poli-tikwissenschaftlichen Transformationsforschung thematisiert, vor allem die Arbei-ten von Astrid Lorenz (2001) und Heinrich L. Förster (1998), obgleich sie auch im weiteren Verlauf mehrfach als Sekundärliteratur zu Rate gezogen werden. Um das Bild abzurunden, und zur Einordnung der Presseanalyse liefert das Kapitel auch einen Einblick zur Rolle der Rundfunkmedien, der Nachrichtenagenturen und des Internet. Auch weitere Teilbereiche der Öffentlichkeit finden grosso modo ihren Nie-derschlag. Der erste frei gewählte belarussische Präsident soll ebenfalls kurz thema-tisiert werden. Gemessen an der internationalen Berichterstattung, steht er wohl im Mittelpunkt des internationalen Interesses an Belarus.

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108 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

4.1.1 „Land und Leute“43 Belarus, auch Weißrussland, oder teilweise noch veraltet: Weißruthenien oder Belo-russland, ist seit Mai 2004 direkter Nachbar der Europäischen Union. Es besitzt Grenzen zu Polen, Litauen, Lettland, Russland und der Ukraine, und somit keinen Zugang zur offenen See. Größter Binnensee ist mit etwa 80 km² Fläche der Nara�-See im Norden des Minsker Gebiets. Im Westen der osteuropäischen Tiefebene gelegen, bildet der westlich von Minsk gelegene Berg Dzeržinskaja die höchste Erhebung. Bei einer Fläche von 207.600 km² ist Belarus etwas mehr als halb so groß wie Deutschland. Mit zehn Millionen Einwohnern ist das Land jedoch weitaus dünner besiedelt, etwa ein Fünftel (1,7 Mio.) lebt in der Hauptstadt Minsk (vgl. dazu die Einführung von Holtbrügge 2002). Das Staatsgebiet ist in 6+1 Verwaltungsein-heiten (oblast’) unterteilt, wobei die größten Städte des Landes jeweils namensge-bend sind: Minsk, Homel’, Vicebsk, Mahile�, Hrodna, Brest. Einen gewissen Sondersta-tus besitzt das Gebiet Minsk-Stadt.

Belarus gibt sich als betont friedliches Land: „Im Unterschied zu den meisten anderen ehemaligen Sowjetrepubliken ist [..] weder mit gewalttätigen zwischenstaat-lichen Auseinandersetzungen zu rechnen, noch gibt es in Weißrußland nennenswer-te innerethnische Konflikte. Lediglich die polnische Minderheit in den westlichen Landesteilen bildet einen gewissen Destabilisierungsfaktor.“ (Holtbrügge 2002: 12)44

Seit dem Ende der Sowjetunion sind die Kirchen im Land wieder im Aufwind. Die orthodoxen Kirchen stellen die größte Glaubensgemeinschaft dar. In den west-lichen, den ehemalig polnischen Gebieten, ist die römisch- katholische Kirche stark vertreten. An Bedeutung gewinnt langsam wieder die Unierte bzw. griechisch-katholische Kirche in Belarus (vgl. Holtbrügge 2002, Temper 2007).

Die Bevölkerung ist – besonders im Osten – als russophil zu bezeichnen. Rus-sisch ist Hauptverkehrssprache, und ein Großteil der Bevölkerung hat den Blick ständig in Richtung des großen slawischen Bruders – unter Umständen eine Folge der Politik des Präsidenten Lukaš�nka.

Die Sprache ist immer wieder Thema von Abhandlungen zu Belarus. Das Be-larussische nahm in den vergangenen Jahrhunderten unterschiedliche Rollen ein. Im Großherzogtum Litauen eine der Amtssprachen, galt die Sprache später je nach Machtlage als polnischer oder russischer Dialekt. Nach dem Zerfall der Sowjetunion lebte das Belarussische wieder auf. Durch die Unabhängigkeitserklärung 1991 wurde sie zur alleinigen Amtssprache, das unter der Bevölkerung vorherrschende Russisch wurde zur tolerierten Verkehrsprache degradiert. Mitte der 1990er Jahre wurde Russisch neben weiteren Veränderungen der Staatssymbolik wieder gleichberechtig-

43 An dieser Stelle kann lediglich ein grober Überblick zu Belarus gegeben werden. Wer sich für Einfüh-rungen interessiert, seien die Bücher von Knubben/Kreck/Werner (2004), Holtbrügge (2002) und Scheer (2002) genannt. Politische Ereignisse erfasste datumsgenau Jeffries (2004: 263ff.) 44 Zur Problematik im Zusammenhang mit der polnischen Minderheit in Belarus, vgl. u. a. Hartmann 1993, Jarolimek 2007

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 109

te Amtssprache neben dem Belarussischen. An öffentlichen Plätzen kann man beide Sprachen sehen; hören wird man meist Russisch. Belarussisch gilt heute als die Sprache der Opposition. Auch die meisten Zeitungen publizieren ihre Ausgaben auf Russisch. Einige vereinen beide Sprachen bzw. erscheinen nur in belarussischer Sprache.45 In ländlichen Gebieten ist die Mischung beider Sprachen, das so genann-te „Trasjanka“ weit verbreitet.

Bekanntester Künstler der belarussischen Geschichte ist der aus Vicebsk stammende Marc Chagall. Die Nationaldichter Jakub Kolas, Maksim Bahdanovi� oder Janka Kupala sind kaum über die Landesgrenzen hinaus bekannt. Auch der Bibelübersetzer und belarussische „Gutenberg“ Franzick Skaryna, der in der im Norden von Belarus gelegenen Stadt Polack zwischen 1522-25 wirkte, ist wenig bekannt. 4.1.2 Leichtigkeit mit Hindernissen. Forschen in Belarus Forschungsarbeit im Ausland gestaltet sich meist anders als man es von der heimat-lichen Universität oder generell Deutschland gewohnt ist, trifft also kurzum auf regionale Spezifika. Im Falle von Belarus ist dies ebenso; das Urteil darüber zwie-spältig: Forschen in Belarus fällt in weiten Teilen einfacher als etwa in Deutschland, andererseits aber ist es auch schwieriger und mit Hindernissen unterschiedlicher Art gespickt. Der Zugang zur Nationalbibliothek in Minsk ist unproblematisch. Such-system, Kopierer und sonstige bürokratische Hürden sind „osteuropäisch gewöh-nungsbedürftig“, aber ohne Probleme zu bewältigen. Jedoch sind die für vorliegen-de Arbeit benötigten Zeitungsbände für das Jahr 2004 (noch) so fest gebunden, dass innenliegende Artikel in der Falz verschwanden und somit nicht lesbar waren. Die Ausgaben der Jahre 1991 und (teilweise) 1996 waren auf Grund der miserablen Papierqualität äußerst schlecht erhalten, etwa vergleichbar mit den Nachkriegsaus-gaben in deutschen Bibliotheken. Dafür ist es erlaubt alles zu kopieren. Erhält man das gesuchte Buch auch in einer Buchhandlung, ist es dort um ein Vielfaches güns-tiger als die Kopien. Leider ist das Gros der Buchhandlungen staatlich, der Bestand reglementiert und über das vorhandene Ladenangebot hinaus ist keine Bestellung möglich. So kommt es durchaus vor, dass man ein interessantes Buch an einem kleinen Stand in Homel’ findet, aber nicht in den großen Buchläden der Hauptstadt.

Auf Probleme trifft man meist dann, wenn man „etwas“ von staatlicher Seite bekommen möchte, beispielsweise ein offizielles Dokument. Ein Beispiel aus mei-nem Aufenthalt soll dies verdeutlichen: Von dem für die Lizenzierung der Massen-medien zuständigen Informationsministerium (kurz: MinInform) wollte ich Aufstel-lungen über die Lizenzierung der Massenmedien seit der Unabhängigkeit. Auf der 45 Derzeit laufen Diskussionen um eine Reform des Belarussischen, die von Präsidentenadministration in Auftrag gegeben wurde. Es wird vermutet, dass nach der ersten Reform in den 1930er Jahren, die die belarussische Sprache an das Russische angleichen sollte, weitere Schritte in diese Richtung unternom-men werden.

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110 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

Internetseite des MinInform werden diese Listen für die letzten drei bis vier Jahre vorgehalten, aber nicht für frühere Jahrgänge. Im Vergleich zu deutschen Verhält-nissen ist es einfacher in ein Ministerium zu gelangen und sich auf den Gängen zum Oberlizenzbeauftragen Hureckij durchzufragen. Meine Bitte, mir die älteren Daten auszuhändigen, wurde mir mit der Auflage verwehrt, ich müsste ein offizielles Schreiben einer Forschungseinrichtung vorweisen. Die Belarussische Staatsuniversität wollte mir in diesem Fall nicht helfen. Das Institut für Deutschlandstudien, das mich als Gastwissenschaftler aufnahm, konnte mir nicht helfen, da es als ehemaliger Teil der verbotenen Europäischen Humanistischen Universität von staatlicher Seite kaum ge-schätzt wird. Mit einem „Marschbefehl“ der Universität Leipzig erhielt ich schließ-lich nach eingängiger Prüfung des Empfehlungsschreibens einige Kopien mit Auf-stellungen der Lizenzen ab 1993 und ein Buch über die Verlage und Medieneinrich-tungen in Belarus. Diese Prozedur dauerte etwa zehn bis zwölf Arbeitstage. Ähnlich beschreibt der Historiker Thomas M. Bohn (2003: 202, Hervorh. im Orig.) die Situation für Forschende:

„Summa Summarum gestaltet sich die Archivarbeit in Minsk bei weitem angenehmer als in Moskau oder St. Petersburg. [...] Allerdings ist zur Kenntnis zu nehmen, daß alle um Patronage und Klien-tel rankenden Mechanismen der Sowjetzeit noch lebendig sind. Zugang zu den Archiven erhält der Benutzer nach alter sowjetischer Sitte nicht als autonome Person, sondern nach Vorlage eines ‚Marschbefehls’ einer Institution, die für ihn verantwortlich zeichnet.“

Einige Informationen sind kaum zu erhalten. So bekommt man beispielsweise etwa für die Jahre ab 2000 viele Informationen über den Mediensektor, etwa durch Mo-nitoring-Dienste und Schriften des Journalistenverbandes BAŽ, aber frühere Publi-kationen sind oft komplett verschenkt worden, in Bibliotheken nicht vorhanden oder die Organisationen haben ihre Arbeit erst Ende der 1990er Jahre begonnen.

Eine wichtige Anlaufstation bei der Betrachtung der Öffentlichkeit bzw. des Journalismus bildete das Unabhängige Institut für Sozio-ökonomische und Politische Studien (NISEPI), das von Aleh Manae� gegründet, und mittlerweile verboten wurde, gleichwohl ohne Lizenz weiterarbeitet. Das Institut führt regelmäßig standardisierte, landesweite Meinungsumfragen auf hohem Niveau durch (vgl. Hadamik 2002). Die Studien gerade von Manaev (vgl. 2000a, b), aber auch von Efimova (1994) oder Zaiko (2001) sind unentbehrlich für die Untersuchung der Transformation der Öffentlichkeit in Belarus. Leider sind die Einzelstudien mit 15,- US-Dollar (für 30 Kopien) sehr kostspielig, die von dem Institut herausgegebenen Bücher entsprechen mit 30 bis 40 US$ westlichen Preisen (bei geringerer Druckqualität).

Ebenso lohnenswert war der Kontakt zum Belarussischen Journalistenverband BAŽ, der mich kostenfrei mit Büchern, Dokumenten und Hintergrundinformatio-nen ausreichend versorgte, doch, wie bereits erwähnt, weitgehend nur aktuelle Ma-terialien vorhielt. Gleichwohl wurde alles Mögliche versucht, um meine Fragen und Anliegen zu lösen. Das OSCE-Office in Minsk, damals unter Leitung von Dr. Eber-

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 111

hard Heyken, versorgte mich zusätzlich mit Büchern und Dokumenten, etwa zum neuen Mediengesetz, aber auch zu vielem anderen mehr. 4.1.3 Transformationsphasen. Politologisch Die Anzahl politikwissenschaftlicher Arbeiten zu Belarus ist weit höher als jene der Kommunikations- und Medienwissenschaft. Vereinzelte Überblickstexte zur poli-tisch-gesellschaftlichen Lage oder zu Einzelproblemen (Wahlen, Kultur, Wirtschaft) sind vielfach vorhanden, etwa von Mildner (2000), Sahm (u.a. 1995, 1996, 1997, 1999, 2005), Timmermann (u.a. 1996, 1998, 2005, 2006), Timmermann/Ott (1997), Lindner (u.a. 2004, 2005) oder Scharff (2001, 2006) – um nur die „üblichen Ver-dächtigen“ zu nennen.

Eindringlicher – im Rahmen ihrer Dissertationen – beschäftigten sich Astrid Lorenz (2001) und Heinrich L. Förster (1998) mit der politischen Transformation. Die Arbeit Försters zur Transformation am „Beispiel der ehemaligen Sowjetrepu-blik Belarußland“ kann m. E. größtenteils außer Acht gelassen werden, da sie, wie auch Astrid Lorenz (2001: 33) hervorhebt, „bereits in der Einleitung ihre normative Anlage sowie einen moralischen Impetus freilegt und in ihrem theoretisch-methodischen Ansatz m. E. unterkomplex ist“. Lorenz selbst hingegen baut ihre Analyse des Transformationsverlaufs in Belarus dezidiert auf der Untersuchung des Wandels der politischen Institutionen auf. Auf der Grundlage des kurz gehaltenen theoretischen Vorspanns identifiziert sie im Folgenden bis zum Jahr 2000 drei Pha-sen, wobei sie ein Kapitel zunächst der Ausgangssituation widmet und ein weiteres Kapitel zum Ende eine Art Zwischenfazit der belarussischen Transformationsereig-nisse zieht.

In jeder der Phasen, die Lorenz beschreibt, macht sie den Kontext des institu-tionellen Wandels ausfindig und benennt die Akteur- und Interessenkonstellation. Auch die „Medien“ werden als ein Akteur genannt. Die Bewertung dieses Akteurs fällt jedoch – mit Blick auf das eigentliche Erkenntnisinteresse verständlich – knapp aus, ohne jedoch den Eindruck von Oberflächlichkeit zu erwecken. Lorenz identifi-ziert drei resp. vier Phasen:

Ausgangssituation Die Ausgangssituation (im Anschluss an Teil A: die Phase der pre-transition, oder mit Rustow (1970), background condition) schildert Lorenz anhand der politischen Ereig-nisse seit Mitte 1980er Jahre. Erst die Erlangung der Unabhängigkeit schuf die Notwendigkeit eines institutionellen Wandels (vgl. Lorenz 2001: 80ff.). Handlungs-muster in Folge historischer oder kultureller Abhängigkeiten identifiziert sie als „Mythos“, da diese Erbschaften „nicht deterministische Ursachen eines konkreten Entwicklungspfades, sondern die allgemeine Folie der Transformation“ (Lorenz 2001: 365) bilden.

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1991-1994: Institutioneller Umbau ohne Euphorie Die Arbeit an einer neuen Verfassung für Belarus begann im Frühjahr 1991 schon vor der staatlichen Unabhängigkeit (25.8.1991). Lorenz’ Zusatz „ohne Euphorie“ kennzeichnet den Umstand, dass diese Unabhängigkeit weniger vom Volk erkämpft als Folge des Zusammenbruchs der Sowjetunion war:

Demokratisierung war also [...] kein Ziel des belarussischen Systemwandels, sondern eher eine Folgeerscheinung der adaptiven Politik der politischen Entscheidungsträger nach der Unabhängig-keit. (Lorenz 2001: 164)

Bereits in der ersten Phase zeigte sich, dass den neuen, formalen Institutionen wei-terhin bestehende informelle Regeln dysfunktional entgegenwirkten (vgl. a. Lorenz 2001: 164f.). So waren etwa die Verhandlungen zu einer neuen Verfassung geprägt von dem Umstand, dass die künftigen „Spieler“ ihre „Spielregeln“ selbst festlegen mussten. Rückblickend beschreibt Lorenz (2001: 165) den Umbruch in Anlehnung an Timothy Garton Ash (vgl. 1989, a. Kapitel 3.3) zu Recht als Refolution, da statt einer Revolution lediglich einige Reformen bei personeller Kontinuität durchgeführt wurden. Dass die Bevölkerung damaligen Politikern überwiegend kein Vertrauen entgegenbringt (vgl. Mihalisko 1993) verwundert daher nicht. Die Phase endet mit der Wahl des ersten belarussischen Präsidenten am 10. Juli 1994. Mit 80,1 Prozent triumphierte Aljaksandr Lukaš�nka in der Stichwahl über seinen Widersacher Kebi�. 1994-1996: Bewährungsprobe des institutionellen Settings Die Phase zwischen 1994 und 1996 wird als „Bewährungsprobe“ charakterisiert. Akteurkonstellationen und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sind noch nicht gefestigt. Die Entwicklung in Richtung eines autokratischen Regimes sieht Lorenz (2001: 253) erst durch die 1996 „per landesweitem Referendum erfolgte ‚Einfüh-rung von Änderungen und Ergänzungen’ in die 1994er Verfassung: faktisch die Festschreibung eines neuen politischen Systems.“ Diese Veränderungen bedeuteten zunächst eine Niederlage demokratischer Institutionalisierungsbestrebungen, die als „’paternalistische nomenklatura-Demokratisierung’“ (Lorenz 2001: 253, Hervorh. im Orig.) bestimmt wird. 1997-2000: Institutionalisierter Autoritarismus In dieser Phase wurde sukzessive der Einfluss der Regimeträger gestärkt. Für den Erfolg werden verschiedene Gründe angeführt, etwa die Quasi-Subventionierung von Belarus durch die Russländische Föderation. Jedoch urteilt Lorenz unter Um-ständen vorschnell, wenn sie zu dem Ergebnis kommt, „daß sowohl für den vorü-bergehenden Erfolg als auch für den langfristigen Mißerfolg des belarussischen Herrschaftsmodells vorrangig die selben Variablen zuständig waren: externer Kon-text sowie Ökonomie“ (Lorenz 2001: 362).

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 113

Sicherlich sind sowohl der externe Kontext als auch die Ökonomie wichtige Faktoren des politischen, gesellschaftlichen Wandels. Gleichwohl soll mit dem Ansatz der vorliegenden Arbeit versucht werden, die Möglichkeit des Einflusses der Öffentlichkeit, hier: des Journalismus auszuloten. Da dieser Fokus in der Belarus-Forschung bislang vernachlässigt wurde, scheint es (aus kommunikationswissen-schaftlicher Sicht) angebracht, eine solche Perspektive zu verfolgen. Damit richtet sich das Augenmerk auf ein gesellschaftliches Teilsystem, das nicht nur selbst Ob-jekt der Transformation ist, sondern darüber hinaus bei gleichzeitig stattfindender funktionaler Neuausrichtung als Subjekt, über die Grenzen des eigenen Systems hinweg, die Leistung eines unerlässlichen Transformationsmotors erbringen kann – oder eben nicht.

Systematische Untersuchungen postsozialistischer Transformationen der Öf-fentlichkeit liegen bislang kaum vor; für Belarus: keine. Und da sich verschiedene Kriterien der Medieninstitutionen durchaus in verschiedenen Phasen entwickeln konnten, und somit durchaus auch verschieden im Vergleich zur Lorenz’schen Einteilung, soll ein Versuch der Periodisierung erst zum Schluss geleistet werden. Die Systematik von Astrid Lorenz bietet jedoch in zweierlei Hinsicht eine Hilfestel-lung. Zum einen ist sie ein Beispiel, welche Transformationsphasen in Belarus iden-tifiziert werden können, zum anderen dient sie als Muster der institutionellen Ent-wicklung des politischen und des Öffentlichkeitssystems in einer komparativen Betrachtung, sofern die von den Autoren unterschiedlich angelegten Parameter diese Perspektive zulassen. Zudem sollen aber auch historisch-kulturelle Parameter betrachtet werden, da diese – so die Vermutung – erheblichen Einfluss auf die journalistische Praxis, etwa die Professionalisierung besitzen. 4.1.4 Auch Journalismus. Rundfunk, Internet, Nachrichtenagenturen Um nicht nur ausgewählte belarussische Presseerzeugnisse zu behandeln, welche die Hauptrolle im sechsten Kapitel spielen, wird an dieser Stelle ein genereller Über-blick der belarussischen Medienlandschaft gegeben. So sollen in diesem wie auch in dem nächsten Unterkapitel weitere technische Verbreitungswege journalistischer Angebote neben der Presse, also Rundfunk, Nachrichtenagenturen und – pauschal – das Internet, sowie weitere Formen der Öffentlichkeit, etwa Demonstrationen, Flugblätter oder Aktionen, charakterisiert werden. Diese Ausführungen werden auch zu einem Verständnis dafür beitragen, warum im Folgenden gerade die (Quali-täts-)Presse und eben nicht Rundfunkangebote untersucht werden. Fernsehen Fernsehen in Belarus ist Staatssache. Zwar sind offiziell über 50 Fernsehkanäle bzw. -programme beim Informationsministerium registriert, davon 39 nicht-staatliche, jedoch gingen viele von ihnen nie auf Sendung. Keiner der privaten TV- oder Ra-diosender ist landesweit zu empfangen. Die Entwicklung im Rundfunkbereich ver-

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lief ähnlich wie bei den Printmedien, ohne jedoch landesweite privatwirtschaftliche Sender hervorzubringen. Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkordnung – wie in anderen ostmitteleuropäischen Ländern (vgl. dazu Sparks/Reading 1994) eingeführt – wurde, ebenso wie in der Russländischen Föderation, nie ernsthaft in Erwägung gezogen. Nach Ansicht Dorochows (2002: 649) waren sich die Machthaber „der großen Bedeutung der elektronischen Massenmedien immer bewusst und behielten die Kontrolle über sie“. Jedoch unterbreiten vereinzelte Vertreter der Medien, vor allem des Belarussischen Journalistenverbandes BAŽ bzw. dessen Zentrums für Rechtssicherheit der Massenmedien Vorschläge, einen öffentlich-rechtlichen Rundfunk einzuführen. In verschiedenen Publikationen wird dieses Thema (auch die Möglich-keit der Finanzierung) erörtert, diskutiert (vgl. Mel’nikov/Pastuchov/Toporašev 2003, Melnikov/Pastukhov 2002, Mel’nikov 2004, Bastunec et al. 2004) und bereits Gesetzesentwürfe ausgearbeitet (Bastunets et al. 2004). Die Kontrolle der Inhalte staatlicher TV- und Radioprogramme obliegt heute den Direktoren sowie den Ad-ministration des Präsidenten. Der Direktor und seine Vertreter werden vom Präsi-dent ernannt.

BT (Belorusskoe Televidenie, Belarussisches Fernsehen) war der erste belarussische Fernsehkanal. Er ging erstmalig 1956 auf Sendung. Zu Zeiten der Sowjetunion unterstand das belarussische Fernsehen, das neben den beiden russischen Kanälen zu empfangen war, der Rundfunkkommission. Mit der Öffnung und dem Ende der UdSSR setzten Veränderungen beim belarussischen Fernsehen ein. Ende der 1990er Jahre wurde durch strukturelle Veränderungen erneut eine stärkere Kontrolle er-reicht. Es folgte eine Art Resowjetisierung, bei der BT jedoch nicht der Partei, son-dern dem Präsidenten untersteht. Diese Tendenz lässt sich auch bei anderen Rund-funkkanälen erkennen.

Weiterhin spielt das russische Fernsehen eine herausragende Rolle, vor allem ORT („Pervyj Kanal“, „Erster Kanal“), RTR („Rossija“, „Russland“), und NTV, auch wenn diese im Verlauf der Jahre etwas einbüßen mussten. Die genannten Sender werden vom Publikum häufiger genutzt als die belarussischen Sender (vgl. Wieck 2004b). Nach dem Referendum 1996 wurden Pläne für einen zweiten nationalen Fernsehkanal bekannt. „Lukashenko has announced that second state TV channel will go on air in 1997 and will broadcast on the frequency used currently by ORT.” (Lange 1997: 80). Die Absicht, ORT die Frequenz zu entziehen, wurde von offiziel-ler Seite damit begründet, dass ORT die vereinbarten Gebühren nicht bezahlt hätte. Aber die negative Berichterstattung von ORT über die belarussische politische Führung, gerade im Vorfeld des Referendums 1996, hat sicherlich auch eine nicht unwesentliche Rolle bei der Entscheidung gespielt (vgl. Lange 1997: 80). Russische Sender erleiden schon einmal einen „Sendeausfall“ auf Grund von „Wartungsarbei-ten“, wenn eine kritische Reportage über Belarus geplant ist, oder es werden andere Sendungen eingespeist, die nicht im Programm stehen. Mit einiger (!) Verspätung wurde der Zweite Nationale Kanal als geschlossene Aktiengesellschaft SAO Vtoroj

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 115

Nacional’nyj Telekanal gegründet. Vorstandvorsitzender ist der frühere Leiter von BT, Grigorij Kisel. Ab Juni 2002 ging der Kanal mit der Bezeichnung ONT (Obš�enacio-nal’noe Televidenie – Allgemeines Nationales Fernsehen) auf Sendung. Der Kanal vertrete natürlich die Politik des Staates, so Kisel (nach Dorochow 2002: 653). Zu-nächst wurden halbstündige Nachrichtensendungen selbst produziert und in das Programm von ORT eingespeist. Ziel sei es auch nicht, ORT gänzlich zu ersetzen, sondern lokale, sprich: belarussische Informationen im Fensterformat einzuspeisen. Die Devise laute – im Gegensatz zu den anfänglichen Unmutsbezeugungen des Präsidenten – nicht statt, sondern mit ORT.

Am 18. Oktober 2003 startete mit LAD ein weiterer staatlicher Fernsehkanal, der nach eigenen Angaben vor allem Unterhaltungs- und Sportangebote sendet. Am 4. Juli 2006 löste NTV-Belarus als belarussisches Staatsfernsehen das beliebte russische NTV ab. Vertraglich wurde ein Abkommen geschlossen, demzufolge man größtenteils das russische Programm übernimmt. Als internationaler Sender, der für Belarussen im Ausland „wahr und umfassend“ über Belarus berichtet, wird seit 2005 BELARUS-TV via Satellit übertragen.

Lokale oder regionale Sender befinden sich teilweise oder ganz in privater Hand, und sind in der Gesellschaft TVS (Televizionaja vešatel’naja set’ - Fernsehsen-dernetz) zusammengeschlossen. Die Nachrichtensendungen dieser Sender verhan-deln, wenn überhaupt, nur Kommunalpolitik und sind somit kaum eine Gefahr für die Machthaber in der Hauptstadt. Und nach Angabe von Aljaksandr Parfenca� (IREX) sind die Journalisten dort wenig professionalisiert. Seiner Meinung nach müssten diese erst einmal grundlegende Fertigkeiten erlernen, etwa wie man eine Nachricht formuliert, wie man Fernsehbeiträge technisch umsetzt und vieles mehr. Verschiedene ausländische Organisationen, die zur Professionalisierung der Journa-listen dieser meist kleinen Privatsender durch Kameratrainings, Seminare zu journa-listischen Genres etc. beitragen, wurden sukzessive verboten. Ein privater regionaler Kabelfernsehsender, der 8. Kanal, wurde auf Grund dubioser Argumente geschlos-sen. Obwohl dieser keine politischen Informationen, sondern Unterhaltungsformate sendete, wurde er zum 1. Januar 2001 eingestellt – so Dorochow. Nach den Anga-ben von Lange (1997: 78) verschwand der 8. Kanal bereits zur Parlamentswahl 1995 temporär von Bildschirm, offiziell wegen „Wartungsarbeiten“ der Transmitter, und „[m]oreover, a political ally of Lukashenko now heads the channel“ (Lange 1997: 78). Anstelle seiner sendet nun auf der Frequenz der Kanal STV (Stoli�noe Televidenie, Hauptstadtfernsehen), welcher der Minsker Stadtregierung untersteht, zunächst als Fensterprogramm, dessen Anteil jedoch mehr und mehr wächst.

Außerdem arbeiten in Belarus „über 80 Kabelfernsehbetreiber“ (Dorochow 2002: 650). In den Jahren 1993 bis 1996 wurden die älteren, technisch veralteten Netze der belarussischen Produktionsgesellschaft Horizont benutzt. Diese konzent-rieren sich im Wesentlichen auf die Städte und bieten etwa zehn bis zwölf Pro-grammkanäle. Danach entstanden neuere Netze, die „vor nicht allzu langer Zeit“

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(Dorochow 2002: 651) auf neuestem technischen Stand eingerichtet wurden und etwa 20 bis 25 Kanäle bieten. Rund 60 Prozent aller Kabelfernsehnutzer sind Kun-den der Belarussischen Fernsehvereinigung BETA (BElorusskoj Televisionoj Associaci-ja), einem Zusammenschluss von 24 Kabelbetreibern. Größter Betreiber ist das staatliche Unternehmen MTIS (Minskie Televisionnye Informacionnye Seti), das etwa 500.000 der 550.000 Haushalte in Minsk versorgt. Auf Grund der geringen Ein-kommen und der staatlichen Preisregulierung46 ist Kabelfernsehen erschwinglich (im Schnitt 1,70€ monatlich, lt. Dorochow 2002), und daher auch kaum ein rentab-les Geschäft. Der Großteil der Kabelbetreiber arbeitet ohne Lizenz, da die Erfül-lung aller Formalitäten und die Bearbeitungszeit meist sehr lange dauert. „Der Prä-sident der BETA, Pjotr Stankewitsch, ist der Auffassung, dass dieser Verwaltungs-akt in erster Linie den persönlichen Interessen der Beamten dient.“ (Dorochow 2002: 651)

Einziges ausländisches Unternehmen im belarussischen Fernsehmarkt ist das belarussisch-amerikanische Joint-Venture Kosmos TV, das je zur Hälfte dem belarus-sischen Kommunikationsministerium und dem US-amerikanischen Unternehmen Metromedia International Telcel Inc. gehört. Kosmos TV hat in Minsk etwa 11.000 Abon-nenten, die maximal 25 Programme empfangen können. Die Gebühren sind un-gleich höher, variieren von monatlich 8 US$ für 11, bis 24 US$ für 24 Programme. In Zukunft sollen bis zu 40 Programme empfangbar sein, und die Preise fallen. Durch die Preisstruktur wird deutlich, dass die Kunden von Kosmos TV eher Bes-serverdienende, jene von MTIS eher Geringverdiener sind.

Im Hinblick auf politische Inhalte dürfte dies kaum einen Unterschied darstel-len. Die Mehrzahl der Inhalte ist bestimmt durch Sport- und Musiksendungen, die übrigens ohne vertragliche Absprachen weiterverbreitet werden. Teilweise sind auch Deutsche Welle TV, Polsat oder Nachrichtenkanäle zu empfangen. Jedoch sind diese erstens fremdsprachig und behandeln zweitens kaum belarussische oder russische Themen, so dass die zur Verfügung stehenden westlichen Sender in einem größten-teils auf den russischen Rundfunk ausgerichteten Medienmarkt nur von einer bela-russischen Minderheit und Ausländern genutzt werden.

Am 10. Dezember 2007 startete Belsat TV, ein in Polen ansässiger Fernsehsen-der, der in belarussischer Sprache via Satellit sein Programm ausstrahlt. Ziel von Belsat TV ist es, Belarussen eine Programmalternative zum staatlichen Fernsehen zu bieten. Belsat TV ist ein Projekt des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Polen und wird größtenteils durch den polnischen Staat finanziert. Auch auf der Interseite (www.belsat.eu) kann man die Alternativnachrichten abrufen. Die Journalisten, die aus Minsk der Redaktion in Polen zuarbeiten, werden in ihrer Arbeit gestört und beispielsweise das Kamera-Equipment konfisziert. Zudem stellte sich als problema- 46 Die belarussische Preisregulierung ist undurchsichtig und sehr strikt. Sie gilt nicht nur für staatliche, sondern auch für private Angebote. So müssen beispielsweise auch Bildungsangebote privatwirtschaftli-cher Träger ihre Preise von staatlicher Stelle bestätigen lassen.

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 117

tisch heraus, dass Belsat TV sein Programm über ASTRA überträgt, da die sowieso relativ kleine Nutzerschar der Satellitenübertragung die Antennen auf andere Anbie-ter ausrichten.

Ältere Umfrageergebnisse verdeutlichen die Beliebtheit der staatlichen Rund-funkangebote. Das Independent Institute of Socio-Economic & Political Studies (IISEPS) in Minsk fragte im Jahre 2002 „Wie oft sehen Sie die folgenden Fernseh-sender?“. Bei den Ergebnissen in der Kategorie „sehe ich täglich“ führen die beiden russischen Fernsehsender ORT und RTR mit etwa zwei Drittel aller Befragten. Etwas mehr als die Hälfte nutzt täglich das dritte russische Programm NTV, erst danach mit etwas weniger als der Hälfte aller Befragten folgt das erste belarussische Fernsehen BT. Immerhin 17,5 bzw. 31,7 Prozent gaben die Auskunft, dass sie BT bzw. das zweite belarussische Fernsehen ONT überhaupt nicht nutzen (vgl. Manaev 2003a: 17). Es wird deutlich, dass das russische Fernsehen beliebter ist oder zumin-dest öfter genutzt wird als das Belarussische. Auch bei den Glaubwürdigkeitszu-schreibungen durch die Befragten liegen die russischen Angebote vor den belarussi-schen (vgl. Manaev 2003a: 40).47

Bezogen auf tagespolitische Inhalte dient das erste Belarussische Fernsehen BT nahezu ausschließlich als Propagandaplattform (vgl. a. Dorochow 2002: 650). Den zeitlich größten Anteil der Nachrichtensendungen nimmt die Darstellung des Präsi-denten Lukaš�nka und seiner Politik ein.

“The style of BT’s news coverage resembles the television news of the Soviet Union before pe-restroyka. President Lukashenko is given the most prominent place in the news and is always por-trayed favourably or neutrally. The opposition is usually criticised or mocked.“ (Manaev 2003a: 17)

Viele Belarussen schauen nicht die Nachrichten von BT, die zudem in Belarussisch ausgestrahlt werden, sondern rezipieren die täglichen Abendnachrichten von Pervyj Kanal’ (ORT) und ONT. Die erste Hälfte der Sendung wird aus Moskau von Pervyj Kanal’ (ORT) gesendet, und behandelt vor allem internationale Nachrichten. Die zweite Hälfte wird aus dem Studio von ONT in Minsk gesendet, das vornehmlich belarussische Themen verhandelt – in russischer Sprache, während Pervyj Kanal’ in der zweiten Hälfte in Moskau über vorwiegend innerrussische Themen berichtet. Dies birgt den Vorteil, dass falls der Moskauer Sender in der zweiten Hälfte der Nachrichten kritisch über den belarussischen Präsidenten oder Grenzzwischenfälle berichten sollte, diese in Belarus nicht zu sehen sind. „Lukashenko has said he is unhappy about Russian media criticism of him and his policies. He has also com-plained that Russian TV is popular in Belarus and not under his control.” (Lange

47 Interessanterweise besitzen auch die belarussischen nicht-staatlichen Zeitungen kaum hohe Glaubwür-digkeitswerte (20,9), wobei aber hier auch der Anteil der Antwortverweigerer mit 49,2 Prozent hoch ist. Zudem umfassen die nicht-staatlichen nicht nur die politisch unabhängigen Zeitungen. Allerdings kor-respondiert der Anteil der Glaubwürdigkeitszuschreibungen mit der Nutzung des entsprechenden Medi-ums (vgl. a. Manaev 2001: 78f.).

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118 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

1997: 80 f.) Das Fernsehen in Belarus ist somit technisch und inhaltlich nahezu völlig in Staatshand, wenn man von einigen unpolitischen Privatsendern absieht, die sicherlich kaum ernsthaft die Pluralität einer belarussischen politischen Öffentlich-keit wirksam unterstützen. Inwieweit neue ausländische Initiativen wie Belsat TV Einfluss nehmen können, wird sich noch erweisen müssen. Hörfunk Ähnlich wie beim Fernsehen, bevorzugt eine Vielzahl der Belarussen die russischen Hörfunkangebote, z.B. Radio Majak und Radio Rossija. Ebenso sind kaum kritische Sender entstanden, die in Belarus in der Landessprache zu empfangen sind. Und wie in westlichen Mediensystemen auch, setzen private Hörfunkprogramme, die mittels UKW-Technik senden, eher auf Unterhaltung als auf Information. Die staat-lichen Programme, die landesweit zu empfangen sind, senden etwa 15 bis 18 Stun-den täglich und finanzieren sich durch Werbung und staatliche Zuwendungen. Mittlerweile sind fast alle Haushalte mit UKW-Radios ausgestattet. Der traditionelle sowjetische Drahtfunk spielt heute kaum noch eine Rolle.

Wenn politisch interessierte Sender entstehen, wie etwa 1995 das unabhängige Radio 101,2, stoßen diese auf staatlicher Seite auf wenig Gegenliebe. Radio 101,2 versuchte in seinen Sendungen, durch eine öffentliche Diskussion politische Ereig-nisse zu beeinflussen, indem es Diskussionsrunden oppositioneller Politiker live übertrug oder Nachrichten der BBC oder der Deutschen Welle verbreitete. Am Vor-abend des Referendums 1996, nach etwas mehr als einem Jahr in Betrieb, wurde 101,2 „unter dem Vorwand geschlossen, dass seine Ausstrahlungen technische Störungen bei den staatlichen Diensten verursachten“ (Dorochow 2002: 649). Die früheren Mitarbeiter gründeten im November 1999 den Sender Radyjo Racyja, der aus Polen (in Bia�ystok, Warschau & Kattowitz) das Programm nach Belarus hinein verbreitet. Zu den Gründern gehören auch Vertreter der größten Nichtregierungs-organisation in Belarus, des „Verbandes der Polen in Belarus“. Mit Studios in Bi-a�ystok, wo der Großteil der belarussischen Minderheit in Polen lebt, und Warschau produzieren sie ein politisches und kulturelles, oppositionelles Programm. Finan-ziert wird bzw. wurde der Sender von wohltätigen Organisationen und Spendern. Ab 2003 wurde das Programm nach und nach eingeschränkt – aus finanziellen Gründen. Dank der finanziellen Hilfe durch das polnische Außenministerium ist Radyjo Racyja wieder zu hören und besitzt einen ansehnlichen Internauftritt (www.racyja.com). Ein weiteres ausländisches, durch EU-Mittel finanziertes Projekt bildet European Radio for Belarus mit Sitz in Warschau. Dieses Projekt wird seit 2006 unter Ägide der Beliner Agentur MediaConsulta vorangetrieben. Das Programm, dessen Inhalte u. a. aus Minsk zugeliefert werden, ist auch über Internet zu empfan-gen (www.belradio.fm), was zunehmend eine größere Rolle spielt.

In ähnlicher Art und Weise verfährt auch der belarussische Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty: Radyjo Svaboda (Radio Freiheit). Jedoch produzieren die

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 119

Mitarbeiter von Radyjo Svaboda ihr Programm in Minsk und senden es in die Zentra-le nach Prag, von wo es nach Belarus ausgestrahlt wird. Die Redaktion in Minsk arbeitet ohne Registrierung, also illegal, was für sie jederzeit gefährlich werden könnte, so Redaktionsleiter Ždanko.48 Sie senden zwei Mal täglich eine Stunde über Langwelle auf Belarussisch und Russisch. Der Sender verfügt mittlerweile über ein gewisses Stammpublikum und wird von etwa fünf bis acht Prozent der Bevölkerung als Informationsquelle genutzt. Interessanterweise gilt Radijo Svaboda mit seinen ungewöhnlich vielen Mitarbeitern und modernster Technik mittlerweile als eine Art „Reservat“ oder „Auffangbecken“ arbeitslos gewordener Journalisten unabhängiger Zeitungen. Ende 2005 startete auch die Deutsche Welle ein Hörfunkprogramm, das aus dem umliegenden Ausland Nachrichten nach Belarus sendet. Für Unmut sorgte das Programm zunächst bei oppositionellen Intellektuellen, die kritisierten, dass das Programm nur in russischer und nicht in belarussischer Sprache zu empfangen sei.49 Seitdem bemüht sich die Deutsche Welle, sowohl russische als auch belarussische Beiträge zu senden.

Man kann am Ende festhalten, dass im Bereich des Rundfunks (Hörfunk und Fernsehen) kaum eine kritische Berichterstattung zu erwarten ist. Private Rund-funkanbieter in Belarus, die diese Bürde auf sich nehmen, werden innerhalb kurzer Zeit mundtot gemacht. Die wenigen kritischen Töne im Rundfunksektor kommen aus dem Ausland und senden entweder in einer Fremdsprache (im Falle des Kabel-fernsehens) oder mit geringer Reichweite (im Falle des Hörfunks). Einziger Hoff-nungsträger bleibt das Internet, das in Belarus einem einzelnen, staatlichen Provider untersteht. Internet Das Internet wird immer wieder als Raum grenzenloser Freiheit beschrieben, etwa für jene, die sich umfassend informieren möchten. So diskutiert auch Manaev (2003b) das „Internet as a Democratization Factor in Belarus“. Auch wenn fast alle Seiten zugänglich sind, trifft diese Vorstellung auf denkbar schlechte Voraussetzun-gen. Zunächst sind alle Kommunikationsnetze von dem Monopolisten Beltelekom abhängig, der auch die Preise bestimmt. Seit 1994 vergab Beltelekom 40 Genehmi-gungen an Sub-Provider, von denen etwa 20 aktiv genutzt werden. Rund 15 von ihnen sind im Internetbereich tätig. Jedoch befinden sich diese größtenteils in der Hand staatlicher Institutionen (etwa Basnet Nationale Akademie, Junibel Bildungsmi-nisterium). De Fakto existiert lediglich ein Provider, Beltelekom, der dem Kommuni-kationsministerium untersteht.

48 Interview Ždanko, 12. Juli 2005 49 Die Deutsche Welle begann ihre Übertragung nach Belarus auf Russisch, da die Redaktion aus dem Programm des Dienstes für Russland hervorging, so die Redaktionsleiterin des russischsprachigen Deut-sche-Welle-Radios Cornelia Rabitz bei einer Podiumsdiskussion im Dezember 2005 in Berlin.

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120 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

Belarussische Seiten verfügen über die Domainendung „by“, was auch dem in-ternationalen KFZ-Kennzeichen von Belarus entspricht, auf Grund einer mögli-chen Schreibweise von Belarus im Englischen, Byelorussia. 1991 wurde die erste Adresse mit dem Zusatz by vergeben.50 Interessanterweise gab es bis vor kurzem keine rechtlichen Regelungen für den Bereich des Internet. Dieser wird nun mit dem neuen Mediengesetz abgedeckt. Das Gesetz wird den rechtsfreien Raum füllen (so die positive Lesart), andererseits offizielle juristische Sanktionen beispielsweise gegenüber Onlineausgaben von Zeitungen ermöglichen (negative Lesart).51

Die soziologischen Untersuchungen Manaevs zeigen, dass der Personenkreis, der zu den regelmäßigen Nutzern zu zählen ist, hoch gebildet ist, über ein hohes Einkommen verfügt, in Städten wohnt und entweder studiert oder in Privatunter-nehmen arbeitet (vgl. a. Dorochow 2005: 69ff.). Des Weiteren stellt Manaev (2003b) fest, dass „Internet users differ from non-users by their political and socio-economic attitudes significantly. On some important indicators, Internet users demonstrate the so-called ‘mirror effect’. Of course, these attitudes cannot be con-sidered as a direct result of Internet impact. Many people use Internet because the ideas and values articulated by it coincide with their own ideas and values.” Um diese Disproportionalität der Internetnutzer zu überwinden, spricht sich Manaev für eine De-Monopolisierung und eine Beseitigung der staatlichen Kontrolle aus. Ob das Internet einen Faktor der Demokratisierung in Belarus darstellt, ist zu bezwei-feln, wenn erst eine De-Monopolisierung und Beseitigung der politischen Kontrolle dazu führen könnte, die Möglichkeiten des Internet frei zu entfalten. Und so ist auch Manaevs (2003b) etwas zu positive Betrachtung mit Vorsicht zu genießen, dass „the very technology of Internet […] insure – sooner or later – overcoming such limits, and assists for public and personal liberation from political control, for mutual understanding and human self realization.”

Ungeachtet dessen halten Nichtregierungsorganisationen, etwa der Journalisten-verband BAŽ, und nahezu alle belarussischen Periodika Publikationen im Internet vor. Teilweise werden dort die Gesamtausgaben im PDF- Format zum Download angeboten (etwa der staatlichen, englischsprachigen Minsk Times, www.sb.by) oder stellen relativ eigenständige Online-Ausgaben dar, die neuesten technischen Stan-dards und Ansprüchen genügen (etwa die BDG online, www.bdg.by; oder Naša Niva, www.nn.by). Die Seiten liegen teilweise auf ausländischen Servern. Die Inhalte des Internetangebots und der Druckversion sind meist identisch; z. T. enthält das Onli-ne-Angebot einige Zusatzinformationen (vgl. Dorochow 2002: 654). Im Falle der

50 Zu einer der in Deutschland bekanntesten belarussischen Internetseiten gehört das vielfach beworbene Reiseverkehrportal des Freistaates Bayern www.bayern.by. 51 Seit dem 1.1.2003 obliegt dem Informationsministerium die Regelung der Frequenzvergabe und der Rundfunklizenzen. Wenn das neue Mediengesetz verabschiedet wird, erhält das Informationsministerium das Monopol der Kontrolle der im Internet vorgehaltenen Inhalte. Zu den Diskussionen, Inhalten, Gutachten rund um das neue Mediengesetz vgl. Kapitel 5.2.

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 121

BDG, Belorusskaja Delovaja Gazeta beinhaltet die Titel- bzw. Startseite im Internet im Vergleich zur gedruckten Ausgabe etwas mehr internationale Themen (vgl. Jaroli-mek 2002). Jedoch haben die Online- ebenso wie gedruckten Ausgaben mit Restrik-tionen zu kämpfen. Da der einzige Provider dem Kommunikationsministerium untersteht, stellt die Sperre oder das Abschalten der Seiten selten ein Problem für die Staatsführung dar. So wurden etwa anlässlich der Präsidentschaftswahlen 2001 mehrere Seiten vorübergehend lahm gelegt.

“Thus, a week before the [.] presidential elections in September 2001 several Web sites of leading independent newspapers, politcal parties and human right groups suddenly disappeared from on-line. Any efforts to find them and get any rational explanations failed (Beltelecom referred to some ‘technical problems’). Only after the official results were announced, they came back again. Editor-in-chief and leading journalist of Grodno regional newspaper ‘Pagonya’ in 2002 were sentenced for two years of freedom limits because of anti-presidental article published only in its on-line edi-tion.” (Manaev 2003b, vgl. a. Dorochow 2005: 68)

Die Verurteilung an sich verwundert kaum, angesichts der kritischen Haltung des Blattes. Jedoch lässt der Umstand aufhorchen, dass der Artikel nur im Internet veröffentlicht wurde und somit eigentlich keine rechtliche Handhabe vorlag.52 Das verweist – um dies an dieser Stelle bereits vorwegzunehmen – auf eine unzurei-chend funktionierende Gerichtsbarkeit.

Das Internet in Belarus wird – wie auch in anderen Ländern – am meisten zur E-Mail-Kommunikation genutzt. Darüber hinaus entstehen auch andere Formen von Öffentlichkeit, etwa „weblogs“, wo man auch Informationen über die Opposi-tion etc. erhält, und daher immer mehr eine wichtige Rolle, gerade für die Jugend spielt. Zudem existiert noch eine reine Onlinezeitschrift belarus.net, die jedoch wenig interessante Informationen bietet. Im Jahre 2005 resümiert Dorochow (2005: 73):

„Insgesamt hat sich das Internet in den letzten Jahren trotz der sozial-ökonomischen Krise in be-eindruckendem Tempo und Umfang entwickelt. Zur Zeit sind die bremsenden Faktoren, dass nur ein einziger Provider die Dienste für alle anderen anbietet, weiterhin die fehlende gesetzliche Grundlage sowie der niedrige Lebensstandard der Bevölkerung. Abgesehen davon wirken auf dem Markt für Online-Medien dieselben negativen Faktoren wie auf dem Markt der traditionellen Me-dien, d.h. in erster Linie die Politik der Machthabenden.“

Nachdem alle kritischen Stimmen der traditionellen Massenmedien ihre Hoffnun-gen nun auf das Internet setzen, bemüht sich die belarussische Regierung zuneh-mend auch diese Technologie flächendeckend zu zensieren: „Man habe sich China zum Vorbild genommen, heißt es aus dem Informationsministerium, wo Webseiten im Ausland mit unerwünschten Inhalten blockiert werden.“ (Rötzer 2008: o. S.)

52 Das „Gesetz über die Presse und andere Massenmedien“ von 2003 schließt Internetseiten nicht mit ein, so dass bei einem lediglich im Internet publizierten Artikel, juristisch das Gesetz keine Anwendung finden dürfte. Das neue 2008 im Parlament beschlossene Folgegesetz schließt diese Lücke (vgl. dazu erneut Kapitel 5.2).

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Nachrichtenagenturen Auf dem belarussischen Medienmarkt existieren neun Nachrichtenagenturen, von denen die beiden wichtigsten kurz vorgestellt werden sollen: BelaPAN und BelTA.

Die Nachrichtenagentur BelaPAN gehört zur gleichnamigen Gesellschaft, die von dem Journalisten Aljaksandr Lipaj am 19.11.1991 gegründet wurde. Sie liefert ihre Informationen und analytischen Bulletins an die Mehrheit bekannter Printme-dien und Rundfunkstationen in Belarus, aber auch ins Ausland, sowie an diplomati-sche Vertretungen, belarussische oder Belarusinteressierte Unternehmen. Die Nach-richten von BelaPAN erscheinen auch online in drei Sprachen (Russisch, Belarus-sisch und Englisch) und auf der Internetseite www.belapan.com. Die Abonnenten, im Jahre 2004 etwa 150 (Dorochow 2005: 55), erhalten täglich über zehn Nachrich-tenpakete, an Sonn- und Feiertagen mindestens zwei. Diese beinhalten Meldungen zu Ereignissen im Inland aus den Bereichen Politik, Wirtschaft, Umwelt und Sozia-les sowie übergreifend Außenpolitik und Sicherheit.

Neben dem Kerngeschäft Nachrichten bietet BelaPAN weitere Tages-, Wo-chen- oder Monatszusammenfassungen an. Außerdem gibt sie zweimal die Woche die „Belarussische Wirtschaftsrundschau“ und einmal die Woche die „Militärische Rundschau“ heraus. Diese erscheinen nur in russischer Sprache, die genannten Zusammenfassungen teilweise in englischer Sprache. Zudem bietet BelaPAN mit Zerkalo (Spiegel) eigene Meinungsumfragen (nationale, telefonische Kurzumfragen) an. Seit 2003 hält sie die Online-Zeitung Belorusskije novosti unter www.naviny.by vor „und setzt ein nichtkommerzielles Projekt zum Monitoring vor Wahlkampagnen in Belarus (www.elections.belapan.com) um.“ (Dorochow 2005: 57)

BelaPAN hat sich seit ihrer Gründung sehr gut entwickelt, so dass die Nach-richtenagentur finanziell auf eigenen Füßen steht und nicht – wie einige andere unabhängige journalistische Einrichtungen – auf Spenden aus dem In- und Ausland angewiesen ist. Gleichzeitig klagen jedoch die Vertreter der unabhängigen Presse über die steigenden Kosten für die Informationen der Agenturen.53 Die Agentur BelaPAN gilt als unabhängige und zuverlässige Informationsquelle. Sie trennt zwi-schen Nachricht und Kommentar; die Nachrichten werden unkommentiert darge-boten. Es ist BelaPAN „im Unterschied zu vielen Kollegen von der unabhängigen Presse gelungen, der Versuchung der politischen Voreingenommenheit und folglich der Beschuldigung, Sprachrohr der Opposition zu sein, zu widerstehen“ (Doro-chow 2005: 57). Des Weiteren betont Dorochow (2005) in seinem Überblick, dass der Erfolg maßgeblich dem Professionalismus der Mitarbeiter und Manager zu verdanken sei. Dieser habe dazu beigetragen, mit weitaus weniger Ressourcen als die Konkurrenz erhebliche Reputation im In- und Ausland zu erreichen.

53 Zur Nutzung von Nachrichtenagenturen und Gegenmaßnahmen zu steigenden Nutzerentgelten, vgl. Kapitel 7.

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4.1 Belarus. Zum Stand der Dinge 123

Die Nachrichtenagentur BelTA (Belarusskoe Telegrafnoe Agentstvo) wurde am 23. De-zember 1918 als – wie der Name schon sagt – Telegraphenagentur gegründet. Wäh-rend der Zeit der Sowjetunion arbeitete die formell unabhängige BelTA in enger Verbindung mit der sowjetischen TASS (Telegrafnoe Agentstvo Sovetskogo Sojuza). Seit der Unabhängigkeit ist BelTA die staatliche Nachrichtenagentur in Belarus und befindet sich bis heute zu 100 Prozent in seinem Besitz. Die Agentur veröffentlicht täglich etwa 120 bis 140 Meldungen und etwa zehn Fotothemen (nach Dorochow 2005: 60f.) für etwa 300 Abonnenten in Belarus und im Ausland. Zu den Kunden zählen alle staatlichen Medieneinrichtungen, Ministerien, Ämter, lokale Machtorga-ne, diplomatische Vertretungen und einige Unternehmen. Ebenso leitet BelTA ihre Informationen an viele weitere Agenturen innerhalb der GUS und an Reuters weiter. Im Gegensatz zu BelaPAN sind die Nachrichten des Nachrichtentickers komplett geschützt, d.h. ohne Passwort nicht zu lesen. Lediglich die Nachrichten und Ereig-nisse rund um den belarussischen Präsidenten stehen kostenlos zur Verfügung. Ebenso wie BelaPAN bietet auch BelTA Tages-, Wochen- und Monatsbulletins zu diversen Themen an und veröffentlicht die Wochenzeitung 7 Dnej (7 Tage) und die Zeitschrift �konomika Belarusi (Wirtschaft Belarus’). Zudem arbeitet BelTA als Ver-lagshaus und entwickelt Internetseiten. Sie verfügt über Korrespondenten in allen Verwaltungsgebieten in Belarus, sowie in Moskau, Kiew, Warschau und Vilnius.

Neben diesen beiden, m. E. wichtigsten belarussischen Nachrichtenagenturen, einer privaten und „der staatlichen“, hebt Dorochow noch die Angebote von Inter-fax-Sapad hervor, die seit 1994 als Teil der Interfax Information Services Nachrichten und verschiedene Bulletins anbietet. Interfax-Sapad ist kein staatliches Unternehmen, bleibt aber der politischen Linie des Präsidenten treu. Erwähnt sei auch noch, dass verschiedene international agierende Nachrichtenagenturen Mitarbeiter in Belarus haben, hauptsächlich in Minsk. Die Arbeitsmöglichkeiten der Nachrichtenagenturen sind sehr unterschiedlich. BelTA als staatliche Nachrichtenagentur, hat nach Anga-ben des Staatsoberhauptes die Aufgabe, „den Willen des Eigentümers“ zu erfüllen, was an sowjetische Zeiten erinnert:

„Der Inhalt von Materialien ist so, dass es dem Leser so vorkommt, als würde er TASS-Nachrichten von vor zwanzig Jahren lesen. Ihre Aufgaben und die Methoden, wie sie erreicht werden, haben mit dem eigentlichen Journalismus, dem objektiven und allseitigen Informieren der Gesellschaft, nichts zu tun.“ (Dorochow 2005: 63, Hervorh. im Orig.)

Interfax hat als private Nachrichtenagentur – sie als „unabhängig“ zu bezeichnen, wäre zu viel gesagt – einige Privilegien im Vergleich zu Vertretern von BelaPAN oder der unabhängigen Presse. Da sich die Berichterstattung von Interfax an dem „offiziellen Minsk“ orientiert, werden deren Vertreter auch zu Presseveranstaltun-gen mit Beteiligung des Präsidenten eingeladen oder erhalten O-Töne von hohen Beamten. Vertreter sonstiger nicht-staatlicher Medien werden dazu nicht eingeladen bzw. auch nicht vorgelassen. Staatlichen Behörden ist es grundsätzlich untersagt,

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sich gegenüber privaten, vor allem den unabhängig berichtenden Medien zu äu-ßern.54 Ende 2003 kam es zu einer mündlichen Anordnung aus der Präsidialadmi-nistration an die Leiter staatlicher (Medien-)Unternehmen, auf das Abonnement von BelaPAN-Diensten zu verzichten (vgl. Dorochow 2005: 64). Die Agentur büßte ein Drittel ihrer Kunden ein. Diese mündlichen Anweisungen werden „Telefon-recht“ genannt, da sie von höchster Stelle lediglich telefonisch übermittelt werden. Auch andere Teile des Journalismus sind davon betroffen.55

Fazit: Dieses Unterkapitel versuchte, einen Überblick über das belarussische Mediensystem zu geben. Zumindest zu den Teilen, die weiter unten nicht mehr thematisiert werden. Aus den Betrachtungen wird bereits an dieser Stelle deutlich, warum im Weiteren vor allem die Presse untersucht wird. Der Rundfunk ist vol-lends in Staatshänden bzw. berichtet nicht politisch, und auch im Internet sind es vor allem die Berichte der unabhängigen Zeitungen, die die Kritik bestimmen. Zwar hat das Fernsehen den größten Einfluss auf die belarussische Bevölkerung, aber kritische Stimmen zur Politik des allgegenwärtigen Präsidenten sind fast ausschließ-lich in der unabhängigen Presse zu vernehmen. Die Vorstellung der beiden wich-tigsten Nachrichtenagenturen und ihrer Arbeitsmöglichkeiten gibt bereits einen Einblick in die tägliche Arbeit der Journalisten in Belarus, die im Weiteren mit Blick auf den Zeitungsbereich spezifischer untersucht werden wird. 4.1.5 Auch Öffentlichkeit: Demonstrationen, Flugblätter, Samizdat… Außerhalb klassischer journalistischer Periodika gibt es natürlich, wie bereits darge-stellt, weitere Formen der Öffentlichkeit, etwa Demonstrationen, Proteste, Flugblät-ter oder die Samizdat-Presse. Rühle (2003) verweist in seiner Arbeit zur Zweiten Öffentlichkeit in der DDR auch auf Straßendemonstrationen. Er vertritt die An-sicht, dass die Bereitschaft der Menschen auf die Straße zu gehen gleichbedeutend mit dem Scheitern anderer (symbolischer) Medien (also auch Journalismus) ist, eine „Verständigung mit dem politischen System herzustellen“ (Rühle 2003: 26). Inso-fern sind diese einfachen Formen der Öffentlichkeit nicht nur Gradmesser für zivilgesellschaftliches Engagement, sondern können zumindest partiell auch als Maßstab für die Leistung des Journalismus betrachtet werden. In Belarus gab es nach den Funden von Kurapaty im Mai 1988 und der damit be-ginnenden Diskussion um eine Aufarbeitung des Stalinismus (vgl. dazu a. Kap. 5.1) Demonstrationen und Kundgebungen, die erstmals nicht von Polizei und KGB unterdrückt wurden. In ihrem Nachgang entstanden auch einige oppositionelle 54 Zur Problematik der Informationsfreiheit, vgl. auch die Kapitel 7. 55 So erläuterte ein Journalist bei einer Veranstaltung mit belarussischen Journalisten in Berlin im. Sep-tember 2004, dass die Redaktion mehrmals telefonisch unterschiedliche Weisungen bekam, z.B. auch zu so banalen Dingen, ob man nun „Präsident Lukašenka“, „Präsident Aljaksandr Lukašenka“, „Präsident Aljaksandr Rygorevi� Lukašenka“ oder einfach „Aljaksandr Lukašenka“ zu sagen hat.

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Parteien (etwa die Belarussische Volksfront, BNF). Dass diese Proteste nicht nie-dergeschlagen wurden, hatte mit der Öffnung der sowjetischen Politik in Moskau (Stichwort: Glasnost) zu tun. Als die ersten Kundgebungen in Belarus stattfanden, waren diese in den die kommunistischen Bruderstaaten um sie herum bereits im vollen Gange. Diese Demonstrationen führten also nicht zur Unabhängigkeit des Landes oder erzwangen den Systemwechsel. Ebenso wenig gab es eine starke Sa-mizdat-Presse, die maßgeblich auf den Zusammenbruch des Regimes hingewirkt hätte. In der Phase um 1990/1991 war Belarus in dieser Hinsicht eher Nachläufer als Trendsetter. Zur Unabhängigkeit und zur Gründung der Republik Belarus kam es eher aus Verlegenheit nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion.

Demonstrationen und Protestkundgebungen spielen danach erst mit der Etab-lierung des autokratischen Regimes unter Aljaksandr Lukaš�nka (1994-1996) erneut eine Rolle, und tauchen in massiver Form erst wieder in jüngster Zeit auf (etwa im März 2006 nach den Präsidentschaftswahlen). Demonstrationen werden meist von oppositionellen Parteien oder Nichtregierungsorganisation vorbereitet, enden fast immer mit Verhaftungen und wirken sich im Nachhinein beispielsweise in Exmatri-kulationen von teilnehmenden Studierenden aus. Über die Demonstrationen wird meist nur in unabhängigen Zeitungen oder in ausländischen Medien berichtet, de-nen jedoch auch schon mal das Filmmaterial an der Grenze abgenommen oder die Kamera beschädigt wird. Demonstrationen stellen für die Protestierenden zuneh-mend ein Risiko dar.

Eine andere, teilweise sicherere Art in der Öffentlichkeit auf sich aufmerksam zu machen, sind die Aktionen der Organisation ZUBR. Offiziell ist ZUBR, das belarussische Wort für „Bison“, benannt nach dem heimlichen Wappentier von Belarus, eine Jugendorganisation, die (laut eine Selbstdarstellungsbroschüre) folgen-de Ziele verfolgt: 1. Demokratisierung von Belarus und 2. die Aufnahme Belarus’ als vollständiges Mitglied in die Europäische Union. Als ein weiteres, jedoch nicht primäres Ziel sehen die Anhänger von ZUBR die Förderung der belarussischen Sprache.56

Die Aktivisten ZUBR planen und führen Aktionen beispielsweise im Stadtbe-reich von Minsk durch, hängen die „alte“ weiß-rot-weiße Flagge an Gebäuden auf oder machen auf inhaftierte Politiker aufmerksam, indem sie große Banner an Brü-cken befestigen (wie z.B. für den früheren belarussischen Diplomaten und Innen-minister Marini�). Aber auch Aktionen, die an Laientheater erinnern, etwa Sit-ins im Park, bei denen Teilnehmer Lukaš�nka-Masken tragen, dienen dazu, die Bevölke-rung auf die politischen Probleme des Landes aufmerksam zu machen. Die hohe 56 Interview Atraš�anka� (04.07.05)

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Zahl an Verhaftungen, Geldbußen und Exmatrikulationen zeigt jedoch, dass dies nicht ungefährlich ist. Wegen „politischer Aktivität“ exmatrikulierte Studierende haben auch kaum noch eine Chance, in staatlichen Betrieben eine Anstellung zu finden, die immer noch den Großteil der Unternehmen ausmachen. Zudem dru-cken und verteilen die ZUBR-Aktivisten Flugblätter. Auch wenn sie diese selbst als Zeitung bezeichnen, so besitzen sie doch Flugblatt-Charakter. Die „Vybor“ (‚Wahl’) erscheint unregelmäßig, wird von Jugendlichen, beispielsweise in Minsk an zentrale Orten, etwa vor den Eingängen von U-Bahn-Stationen kostenlos verteilt, was nicht ungefährlich ist, da die Miliz, und im engeren Umfeld des Präsidentenpalastes auch Spezialkräfte hohe Präsenz zeigen. Über verschiedene Telefonnummern kann man das Flugblatt auch abonnieren. Offiziell darf die Auflage nicht die Zahl von 299 Exemplaren übersteigen. Für eine größere Anzahl benötigt man eine staatliche Lizenz. ZUBR hat seine Aktionen seit 2006 deutlich verringert und nun eingestellt.

Aber auch andere oppositionelle Gruppen stellen Flugblätter her, meist ver-vielfältigt auf „illegalen“, d. h. nicht registrierten Druckmaschinen. Obwohl diese Flugschriften schon länger produziert werden, preist die ausländische, westliche Presse diese nun als die Rückkehr des Samizdat. So betont Philip Kennicott (2005a: 12) von The Washington Post in seinem Artikel „In Belarus, Activists Go Back to Samizdat“, der im September 2005 veröffentlicht wurde:

“Forget cell phones and the Internet. A Belarusian revolution, if it comes, will be via printing pres-ses and shoe leather, activists say.”

Natürlich soll dieser abwehrende Ton nicht bedeuten, dass dies kein Samizdat wäre, aber neu ist diese Entwicklung nicht. Es gibt selbstredend Intellektuelle, die regime-kritische Bücher veröffentlichen, sich zu Diskussionsrunden treffen; verbotene Musikbands, die geheime Konzerte geben. Die Kritik richtet sich gegen die Art der westlichen Berichterstattung. So sind es vielleicht gerade die regimekritischen Rock-bands, wie etwa N.R.M. (Nezaležnaja R�spublika Mroja – Unabhängige Republik der Träume), die mit ihrer Musik mehr Gleichgesinnte ansprechen als oppositionelle Politiker (vgl. a. Petz 2004). Und die Machthabenden wissen genau, warum sie die Lieder der Band verbieten und die Möglichkeiten für Konzerte erschweren: „Clubs that try to book the band [N.R.M., S.J.] will get‚ that magic ring from above,’ [..] and suddenly the gig has been cancelled.“ (Kennicott 2005b: 12) Dieser „magic ring from above“ oder von Dorochow (siehe oben) als „Telefonrecht“(-sprechung) bezeichnet, macht es so schwer, Öffentlichkeit herzustellen. Die Androhung von Repressionen, die auch bei unabhängigen Zeitungen – wenn sie es auch ungern zugeben – zu Selbstzensur führt, ist also effektiv im Sinne des Staates. Die Person,

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die seit mehr als zehn Jahre an der Spitze dieser „Machtvertikalen“ steht und dafür verantwortlich zeichnet, wird im nächsten Abschnitt kurz vorgestellt. 4.1.6 Der erste Präsident der Republik Belarus Am 10. Juli 1994 wurde Aljaksandr Rygoreevi� Lukaš�nka zum ersten Präsidenten der Republik Belarus gewählt. Der aktuellen westlichen Berichterstattung entnimmt man jedoch kaum mehr als die Tatsachen, dass er viel Sport treibt, auch schießen kann, die „Medien“ unterdrückt und natürlich – nicht zu vergessen – als der „letzte Diktator in Europa“ gilt und Wahlen manipuliert. Das ist nicht gerade viel, so wie auch insgesamt zu Belarus in Deutschland wenig berichtet wird. Die Gründe dafür leuchten ein:

„Belarus is a topic that sells itself poorly in western European media. ‘Too small, too far away for our audience or readers, to boring’ – this is usually what free lance journalists hear when they try to offer a piece about Belarus to a regional publication.“ (Schaeffer 2004)

Geboren am 30. August 1954 in Kopyc’ im Bezirk von Orša, aufgewachsen ohne Vater, studierte Lukaš�nka an der Historischen Fakultät des Pädagogischen Instituts (1975). Er ist von Beruf Historiker und Ökonom (vgl. Fedosov 1999: 170f.). In unterschiedlichen Kombinaten, Partei-Komitees und in der Rolle als Lehrer sam-melte er „Erfahrungen“, wie Lindner (2002: 83) ironisch bemerkt:

“During this time, the rhetorically gifted Lukashenka honed his persuasive powers as a history teacher and economist at the Agricultural Academy.”

Dass Lukaš�nka überhaupt Präsident wurde, war eine kleine Überraschung. Auf Grund seiner Bekanntheit galt der Vorsitzende des Ministerrats Kebi� als Favorit. Der Vorsitzende des Obersten Sowjets Šuškevi� wollte das Mindestalter auf 40 Jahre anheben, um den damals 39-järigen, späteren Präsidenten Lukaš�nka auszu-schließen, was ihm jedoch nicht gelang. Ein Grund für seinen Erfolg war die Stim-mung innerhalb der Gesellschaft vor der Wahl, die Lorenz (2001: 155) mit Unzu-friedenheit beschreibt:

“Die Verarmung der Bevölkerung während der vergangenen Transformationsjahre, die gleichzeiti-ge Bereicherung eines großen Teils der Führungsgruppen, aber auch der Imageverlust der ‚Volks-front’ evozierten gesellschaftliche Unzufriedenheit und den Wunsch nach neuen reformorientier-ten (nicht revolutionären) Akteuren, die Veränderungen versprachen. Gleichzeitig dominierten je-doch auch prosozialistische, linkskonservative Stimmungen.”

In dieser Stimmung wuchs rasch Lukaš�nkas Popularität, der 1990 als Abgeordneter nach Minsk gekommen war. Er übernahm 1993 den Vorsitz des Antikorruptions-

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128 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

ausschusses und sprach sich öffentlich gegen Kriminalität und Korruption unter seinen Kollegen aus. Zu der Stimmung innerhalb der Bevölkerung passte auch Lukaš�nkas Insistieren auf dem Umstand, dass er 1991 als einziger Abgeordneter gegen die Auflösung der Sowjetunion gestimmt habe. Ein wirkliches Programm hatte Lukaš�nka nicht. Er stützte sich vorwiegend auf populistische politische und wirtschaftliche Forderungen, was ihn auch für Gegner schwer einschätzbar machte.

„Ebenso wie für die Moskauer Exekutive war Lukašenka auch für den Westen kein Wunschkandi-dat. Die wesentlichen Gründe hierfür lagen in der mit einem Machtwechsel verbundenen Unsi-cherheit, die durch die Unbestimmtheit und teilweise Widersprüchlichkeit seiner Programmatik noch verstärkt wurde, einer geringen Befürwortung umfassender wirtschaftlicher Reformen sowie in einer kaum prowestlichen Rhetorik.“ (Lorenz 2001: 161)

In den folgenden Jahren wuchs Lukaš�nka zur „Vaterfigur“ heran (vgl. a. Marples 2004). Vor allem mit Hilfe die staatliche Presse konnte er sich als fürsorglicher Landesvater darstellen, mit Titelfotos, die ihn zusammen mit Kindern, Schülern, Studenten, Bauern, Spitzensportlern, quasi mit allen Teilen der Bevölkerung zeigen. Oder durch den Abdruck von so genannten „Heißen Drähten“, d. h. telefonischen Fragestunden, bei denen Bürger dem Präsidenten ihre Probleme schildern können. Die Transliteration dieser Gespräche erreicht nicht selten zwei bis drei komplette Zeitungsseiten. Außerdem engagiert sich der Präsident – nach alter kommunisti-scher Tradition – für Prestigeobjekte, die dem gesamten Volk zur Verfügung ste-hen, etwa den Bau des Palastes der Republik oder den gigantischen Neubau der Nationalbibliothek in Minsk (vgl. Petz 2006). Nicht zuletzt das rigorose Vorgehen gegen die Proteste nach den Präsidentschaftswahlen 2006 zeigte, wie sich Lukaš�n-ka57 den „Stürmen der Demokratisierung“ erfolgreich entgegenstemmt (vgl. dazu Silitski 2007).

4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest

Bereits bei der Erarbeitung des Instrumentariums im ersten Teil der Arbeit wurde auf eine gewisse „Pragmatik“, im Sinne einer empirischen Umsetzbarkeit geachtet. Die im Teil A benannten Kontexte der Öffentlichkeit (hier: des Journalismus) wer-den nun auf die Ebene der empirischen Untersuchung übertragen. Im Anschluss an die politikwissenschaftliche Arbeit von Lorenz werden für Belarus ganz allgemeine Phasen der De-, Neu- bzw. Re-Institutionalisierung angenommen. Diese Einteilung,

57 Für weitere Informationen vgl. die Biographie von Feduta (2005).

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4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest 129

die meist schon implizit mitschwingt, soll für die Spezifika der Transformation der Öffentlichkeit überprüft werden, ohne jedoch den gesamten Forschungsablauf zu strukturieren. Gleichwohl hat die Phaseneinteilung von Lorenz Einfluss z. B. auf die Stichprobe der Inhaltsanalyse. In der Studie wurden mehrere Methoden angewandt:

� Dokumentenanalyse: Größtenteils wurde diese Methode zur Rekonstruktion der

strukturellen Gegebenheiten, die als constraints für journalistisches Handeln wirken, eingesetzt. Aber auch auf der Ebene der Rolle fand diese Vorgehens-weise Anwendung.

� Inhaltsanalyse: Die qualitative Inhaltsanalyse versteht sich in vorliegender Unter-suchung als Verfahren zur Auswertung der Berichterstattung, um die Leistung resp. den Funktionskontext von Öffentlichkeit/Journalismus zu untersuchen. Im Hinblick auf das Erfolgskriterium der kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung, Vielfalt, erscheint die Inhaltsanalyse als conditio sine qua non zur Bewertung des Transformationsprozesses der Öffentlichkeit.

� Experteninterviews: Interviews wurden mit „Experten“, präziser: Kennern des belarussischen Mediensystems aus dem In- und Ausland geführt. Die Ergeb-nisse dieser erhobenen Daten haben maßgeblichen Einfluss auf den Bereich des Rollenkontextes. Wo Restriktionen in den Gesprächen benannt werden, fließen die Einschätzungen der Experten selbstredend auch in diesen Teil ein. Bei Gesprächen, in den Angaben etwa zu stilistischen Besonderheiten gemacht wurden, finden diese ihren Niederschlag im Kapitel zum Funktionskontext.

An das entwickelte Analysemodell anschließend, werden im Rahmen der Darlegung der Operationalisierung auch die dort formulierten Ebenen wieder aufgegriffen. Die Leitfragen der gesamten Analyse orientieren sich am Transformationsprozess der Öffentlichkeit, dessen Zielstellung in der Realisierung resp. Ausprägung von Vielfalt und Unabhängigkeit gesehen wird. Weitere Fragestellungen ergeben sich durch weitere Forschungsaspekte in den Unterkapiteln.

4.2.1 Constraints für den Journalismus Zu den Restriktionen der Öffentlichkeit zählen, wie bereits ausgeführt, strukturelle Zwänge, aber auch direkte Interventionen anderer Systeme in die alltägliche Redak-tionsarbeit. Handlungsleitend sind jedoch Medieninstitutionen, die nicht ausschließ-lich, aber zu großen Teilen Wertansichten betreffen. Soweit Dokumente zu diesen Restriktionen vorliegen, soll eine Dokumentenanalyse im Hinblick auf die Zielstel-lung des Transformationsprozesses durchgeführt werden.

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130 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

Externe Imperative Recht. Zu dem Feld der rechtlichen Restriktionen kann man – im Anschluss an Überblicke des Mediensystems (vgl. etwa Dorochow 2005) – die Verfassung, Me-diengesetze und präsidiale Ukaze zählen. Bei der Analyse der Texte sollen vor allem die Rechte und Pflichten der Journalisten und deren Veränderung im Prozess zum Vorschein gebracht werden. Ebenso sollen die Lizenzierungen von Zeitungen be-trachtet werden. Am Beispiel eines Falles, der Erarbeitung eines neuen Medienge-setzes, soll die legislative Praxis nachvollzogen werden.

Wirtschaft. Die ökonomischen Bedingungen sind m. E. vor allem dort von Be-deutung, wo es um Werbung, Verkaufseinnahmen und Produktionskosten geht. Die allgemeine volkswirtschaftliche Situation spielt dabei weniger eine Rolle, da die Privatisierung bislang schleppend verläuft und der größere Einfluss auf journalisti-sche Erzeugnisse aus der Politik stammt, wenngleich mit ökonomischen Konse-quenzen. Informationen zur medienspezifischen ökonomischen Situation der Ein-zelmedien beziehen sich auf Aussagen aus den Interviews, Studien von NISEPI oder auf Berichte deutscher Forschungsinstitutionen.

Politik. Die politischen Imperative stellen in Belarus den stärksten Eingriff in die Öffentlichkeit dar. Darunter sind maßgeblich die bereits genannten Ukaze des Präsidenten zu zählen. Darüber hinaus werden Einschüchterungsmaßnahmen be-trachtet, die offensichtlich aus der Umgebung der „Exekutive“ dirigiert wurden. Anhand von Sammlungen von Monitoring-Diensten sollen diese kritisch betrachtet werden. Interessanterweise bildet diese Beziehung zwischen politischer Exekutive und öffentlicher Kommunikation/Journalisten die Thematik, auf die sich die deut-sche Berichterstattung zu großen Teilen versteift.

Erziehung/Wissenschaft. Gefragt wird an dieser Stelle nach der Ausbildung der Journalisten an Universitäten. Grundlage dafür bilden Dokumente der Staatlichen Belarussischen Universität und Aussagen von Journalisten im Interview.

Interne Imperative Medieninstitutionen/Institutionen der Öffentlichkeit. Intern scheint es zunächst weit weni-ger Restriktionen zu geben als externe Einflüsse. Dazu zu zählen sind jedoch die „Medieninstitutionen“ bzw. die Institutionen der Öffentlichkeit. Zu fragen ist dabei, welche Motive hinter der täglichen Erarbeitung der „Institution Zeitung“ stecken; und welchen Wandel sie vollzogen haben. Vereinbarte Pressekodizes stellen eine Möglichkeitsbeschränkung für das journalistische Handeln dar. Dabei soll unter-sucht werden, worauf sich die beiden Journalistenverbände geeinigt haben, bzw.

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4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest 131

wann und unter welchen Umständen diese entstanden sind. Als Quellen stehen einerseits Dokumente der Journalistenverbände zur Verfügung, andererseits Aussa-gen der interviewten Experten und Praktiker.

Folgende Fragestellungen spielen bei der Dokumentenanalyse eine Rolle: 1. Welche Restriktionen/Handlungsspielräume werden durch die benannten

Teilbereiche für Journalisten angezeigt? 2. Wie verändern sich diese im Transformationsprozess, und lassen sich für

diesen Wandel qualitative Phasen benennen? 3. Welchen Einfluss haben diese Veränderungen auf die Konzepte von Viel-

falt/Pluralismus und Unabhängigkeit?

4.2.2 Presseberichterstattung Im Anschluss an die Ausführungen im theoretischen Teil wird die Leistung des Journalismus – kurz gefasst – in der Erfüllung der Funktion der Öffentlichkeit durch die Berichterstattung gesehen. Gradmesser dieser Aufgabenerfüllung eines autonomen Journalismus ist das Kriterium Vielfalt und somit die Herstellung einer pluralistischen Öffentlichkeit. Die Veränderungen innerhalb der Berichterstattung sollen mittels einer qualitativen Inhaltsanalyse erhoben werden. Mit Blick auf die genannten Vielfaltskriterien lassen sich diese mittels einer inhaltsanalytischen Unter-suchung in unterschiedlichem Umfang nachweisen. Durch die Analyse der Zei-tungsartikel lassen sich die Zugangspluralität und -offenheit wohl kaum messen, diese müssen durch anderweitige Analysen und Interviews mit Medienexperten ausgearbeitet werden. Dahingegen lassen sich die Richtungspolitische Pluralität und die Pluralität von Komplexitätsgraden sehr gut darstellen. Das Kriterium der Kommunikativen Rückkopplung kann durch Leserbriefe zumindest halbwegs er-fasst werden, wenn diese abgedruckt werden. Wie groß der Anteil der veröffentlich-ten Leserbriefe an allen Einsendungen ist, bleibt ebenso unklar wie die Frage, wie die Briefe ausgewählt und gekürzt werden.

Es ist nun ersichtlich, dass es sich bei der Analyse von Zeitungsinhalten um die Betrachtung einer qualitativen, inhaltlichen Vielfalt des Journalismus handelt, die sich von einer quantitativen Pluralität im Mediensystem (auf der Kontext- und Strukturebene) unterscheidet. Zur Beschränkung des Analysematerials wurde ers-tens eine zeitliche, zweitens eine thematische und drittens eine Medienstichprobe gefällt. Zeitlich wurden drei Perioden (zu Beginn, in der Mitte, und am Ende des Untersuchungszeitraums) ausgewählt, die im Vergleich mit den politikwissenschaft-lichen Phasen der belarussischen Transformation teilweise Anfänge bzw. das Ende

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132 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

einer Phase beschreiben. Zwei der drei politischen Ereignisse betreffen thematisch inländische Angelegenheiten, eins davon ein ausländisches Ereignis, das jedoch zentral in den belarussischen Medien diskutiert wurde.

� Zunächst die Berichterstattung zur Festschreibung der Unabhängigkeit 1991.

Sie markiert die offizielle Autonomie von Belarus, die laut Lorenz (2001) in ei-ne erste Phase des „institutionellen Umbaus ohne Euphorie“ mündete und mit der Wahl Lukaš�nkas 1994 endete.

� Die Wahl des zweiten Ereignisses fiel auf das Referendum 1996, dessen Aus-gang die Politik massiv bestimmte, und die Phase der „Bewährungsprobe des institutionellen Settings“ (Lorenz 2001) 1994 bis 1996 beendete. Das Referen-dum 1996 wird meist als endgültige politische Rückwendung gewertet.

Diese speziellen Ereignisse wurden ausgewählt, da sie nicht nur herausragende Momente im Transformationsverlauf darstellen, bei denen die öffentliche Diskussi-on außerordentlich wichtig erscheint, sondern auch Anfangs- und Endpunkte der politischen Transformation beschreiben. Ein Abgleich mit formulierten Institutio-nen der Öffentlichkeit und deren Transformation bzw. institutioneller Dynamik scheint so möglich. Die für die politikwissenschaftliche Transformationsforschung erwogenen Phasen können, müssen aber nicht zwangsläufig mit den Transformati-onsrealitäten des Journalismus kongruieren.

� Das dritte Ereignis fand im Ausland statt: die so genannte „Orange Revoluti-

on“ in der Ukraine. Ebenso wie Belarus ein Übergangsland zwischen Europäi-scher Union und Russländischer Föderation, münzten viele Reporter hoff-nungsfroh bzw. sorgenvoll die Folgen der ukrainischen Revolution auf bela-russische Verhältnisse.

Die Medienstichprobe fiel auf fünf belarussische Zeitungen.58 Da der Fokus der Untersuchung auf der Entwicklung einer kritischen, vielfältigen Berichterstattung liegt, kann der staatlich kontrollierte Rundfunk vernachlässigt werden. Die politi-schen Informationssendungen bieten Staatspropaganda. Obwohl die Auswertung eines solchen Rundfunkprogramms von Interesse sein kann, spielt es für die vorlie-gende Fragestellung nur insofern eine Rolle, da eine vielfältige Berichterstattung ausgeschlossen werden kann. Der Zeitschriftenmarkt in Belarus ist beherrscht durch die russischsprachigen Formate westeuropäischer Couleur, d.h. Frauen-, Heimwerker-, Autozeitschriften etc. Versuche, aktuellpolitische Periodika nach Vorbild der Zeitschrift Der Spiegel aufzulegen, scheiterten nach kurzer Zeit. 58 Zur Charakteristik der ausgewählten Zeitungen vgl. Kapitel 6.2.

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4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest 133

Ereignis Unabhängigkeits-

erklärung

Aug. 1991, Belarus

Referendum

Nov. 1996, Belarus

„Orange Revolution“,

Nov./ Dez. 2004,

Ukraine

Zeitraum 12.8.-31.8.1991 15.11.-30.11.1996 15.11-20.12. 2004

Belorusskaja Delovaja Gazeta Gründung erst 1992 X X

Belorusskij Rynok X X X

Narodnaja Volja Gründung erst 1995 X X Naša Niva X X X Sovetskaja Belorussija X X X

Tabelle 6: Publikationen der Stichprobe zur Inhaltsanalyse Daher lassen sich Tendenzen einer unabhängigen und vielfältigen journalistischen Berichterstattung in Belarus lediglich anhand von Tages- und Wochenzeitungen untersuchen. Diese Zeitungen wurden aus mehreren Gründen ausgewählt. Erstens, erschienen sie mit Ausnahme von zweien (Narodnaja Volja, Gründung 1995; Belo-russkaja Delovaja Gazeta, Gründung 1992) zu allen drei Messzeitpunkten (vgl. Tabelle 6).59 Zweitens decken diese weitgehend das politische Spektrum der Presse ab: Von dem Propagandablatt der Präsidentenadministration bis zur echten Oppo-sitionszeitung. Drittens gehören die privatwirtschaftlich organisierten Zeitungen der Stichprobe zu den bekanntesten und meist gelesenen unabhängigen Zeitungen. Wie bei jeder Stichprobe hätte man die Auswahl auch anders treffen, etwa auch die Belarusskaja Gazeta untersuchen, mehrere andere staatliche Zeitungen oder die mittlerweile verbotene Svaboda aufnehmen können. Mit dem Vorwissen über den belarussischen Journalismus auf Grundlage soziologischer Untersuchungen, kom-munikationswissenschaftlicher Überblickstexte und persönlicher Erfahrung (In-haltsanalysen, Rezeption, Diskussionsforen) ist mit der gewählten Stichprobe eine valide Aussage zur Berichterstattung möglich.

Im Hinblick auf die Auswertung wurde einer so genannten „quantitativen“ In-haltsanalyse die „qualitative“ Spielart vorgezogen.60 Da sich die Frage nach dem

59 Bei den Messzeiträumen ergaben sich folgende Probleme: Beim ersten Ereignis (Unabhängigkeit) entstanden viele der unabhängigen Zeitungen erst. Die ersten beiden Ausgaben der wieder gegründeten Naša Niva wurden in der Nationalbibliothek nicht archiviert. Um einen Einblick in den Stil der Zeitun-gen in dieser Zeit zu geben wurde die dritte Ausgabe 1991 (Oktober) der damals noch monatlich er-scheinenden Kulturzeitung ausgewählt. Im Zeitraum der Stichprobe 1996 (Referendum) wurden bei Zeitungen, die nicht an jedem Wochentag erscheinen, die erste auf den Stichprobenzeitraum folgende Ausgabe mit in die Analyse aufgenommen. Gleiches gilt für Zeitungen, die ohne Tagesdatum erscheinen und so eine genaue Zuordnung nicht möglich war. 60 Eine strikte Trennung zwischen qualitativer und quantitativer Inhaltsanalyse ist kaum möglich. Sowohl die quantitative (Vertreter: Früh 2004, Merten 1995) als auch die qualitative Variante (Mayring 1993)

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134 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

Kriterium Vielfalt generell stellt: „Wie wird Vielfalt dargestellt?“ und nicht nur „Wie oft wird Vielfalt erreicht?“, scheint eine qualitative Auswertung sinnvoller, die the-matisch und stilistisch die Artikel analysiert und an Textbeispielen nachvollziehbar exemplifiziert. Eine „rein“ quantitative Erhebung, die nach Häufigkeiten oder ein-zelnen Begriffen sucht, verkürzt die Sichtweise und ist m. E. kaum in der Lage, die Veränderungen in der Berichterstattung aufzuzeigen, zumal nahezu keine explorati-ven Vorläufer dazu bestehen. Ähnlich auch die Kritik Ritserts (1972, zit. nach May-ring 2002: 114), der hervorhebt, dass die quantitative Inhaltsanalyse 1. den Kontext von Textbestandteilen, 2. latente Sinnstrukturen, 3. markante Einzelfälle und 4. das, was im Text nicht vorkommt, zu wenig berücksichtige. Die Weiterentwicklungen der Inhaltsanalyse in die Richtungen der Analyse impliziter Bewertungen und die semantische Struktur- und Inhaltsanalyse versuchen, sich dieser Defizite anzuneh-men und neue Verfahren der Auswertung bzw. Codierung zu entwickeln.

Aus der Erfahrung von zwei kleineren, jeweils quantitativ und qualitativ durchgeführten Studien zur Berichterstattung in Belarus (Jarolimek 2002, 2003), die durchaus als Vorstudien zu dieser Arbeit verstanden werden können, ergeben sich Hinweise für das weitere Vorgehen. Die Berichterstattung belarussischer Zeitungen ist nicht eins zu eins auf westeuropäische oder deutsche Angebote zu übertragen. Gewisse Schreibgewohnheiten, „Vorsichtsmaßnahmen“ etc. stellen eine Besonder-heit zumindest postkommunistischer Journalistenschreibe dar. Dies führt des Wei-teren dazu, dass die rein quantitativ erhobenen Daten kaum die Funktionsweise oder die Leistung der Berichterstattung aufzeigen können. Sicherlich könnte diese eine Themenverschiebung anzeigen. In selbstkritischer Betrachtung der vorherigen Arbeiten wird jedoch deutlich, das gerade der qualitative Zugang, die Arbeit mit und an dem Text, die Möglichkeit eröffnet, Leistungsvermögen, stilistische Eigenheiten (z.B. bei Kritik) und die Differenz zwischen staatlicher und unabhängiger Presse aufzuzeigen. Gerade für eine solche erste in deutscher Sprache verfasste Studie scheint es nunmehr ratsam, durch die Arbeit am Text die Leistung der Presse zu charakterisieren. Für alle nicht mit Belarus vertrauten Leser macht dies sicherlich auch den Einstieg leichter und gestaltet die Argumentation – so die Hoffnung des Autors – nachvollziehbarer. Die Fragen der Auswertung richten sich generell auf die Berichterstattung über die ausgewählten politischen Ereignisse und über Journa-lismus. Folgende Fragestellungen waren leitend:

nutzen in Teilen die jeweils andere Auswertungsmethodik (Auszählung, Bewertung, etc.). Die dichotome Bezeichnung versteht sich lediglich als Hinweis auf die Arbeiten der Hauptvertreter. Zur Debatte der quantitativen vs. qualitative Inhaltsanalyse, vgl. a. Früh 2004: 67ff.

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4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest 135

1. Wie wird über „turbulente“ Ereignisse berichtet? 2. Welche und wie viele Quellen werden benannt? 3. Welche und wie viele Meinungen werden genannt/vertreten? 4. Wie wird Kritik geübt? 5. Welche Stile lassen sich erkennen? 6. Wie wird über medieninterne Ereignisse kommuniziert? 7. Wie viele Autoren berichten über das Hauptthema? 8. Wie viele Nebenthemen werden mit dem Hauptthema verbunden?

Zu den einzelnen Phasen der Transformation nach Lorenz (siehe Kap. 4.1.) werden Thesen über die Berichterstattung im Rahmen einer allgemeinen Tendenz und eines angenommenen Bruchs 1996, aber auch hinsichtlich der Analysezeiträume der Inhaltsanalyse im Anschluss an bisherige Studien (Jarolimek 2002, 2003) formuliert: 1. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit (1990/1991) werden die (neuen) Ziele der

Politik benannt, Tageszeitungen können über alles kritisch berichten. Inhaltli-che Vielfalt ist durch die Abbildung verschiedener Meinungen gewährleistet.

2. Im Analysezeitraum zum Referendum wird deutlich, wie in den anderthalb Jahren zuvor (1995-1996) peu à peu die Berichterstattung eingeschränkt wurde. Die Zeitungen polarisieren stark, Kritik findet über Ironie, Zitate bzw. Gegen-überstellung von Fakten statt. Partizipation und Vielfalt sind eingeschränkt, durch Verbote, Abschalten von Servern etc. Bezüglich des Referendums wird in staatlichen Zeitungen fast nur für den Entwurf Lukaš�nkas argumentiert.

3. Bis zum Ereignis der so genannten „Orangen Revolution“ in der Ukraine (2004) setzen sich die Entwicklungen in Belarus wie in (2) fort. Durch die Er-eignisse in der Ukraine keimen in Belarus nun Hoffnungen (auf Partizipation). Die Vielfalt ist eingeschränkt, doch werden zumindest unterschiedliche Beur-teilungen der Lage vermittelt.

Die Kategorien der Untersuchung für die qualitative Analyse wurden auf Grundlage einschlägiger Forschungsliteratur (vgl. u. a. Flick 1999) entsprechend der theoreti-schen Leitfragen induktiv entwickelt. Alle Artikel wurden zunächst dahingehend geprüft, ob sie das Thema der Stichprobenauswahl aufnehmen bzw. selbstreferen-tiell über Ereignisse des Journalismus berichten. Als Analyseeinheiten galten einzel-ne Aussagen oder zusammenhängende Aussagenelemente, welche in den einzelnen ausgewählten Artikeln vorhanden sind. Durch die Zusammenfassung der Aussagen bzw. Aussagenelemente wurden induktiv Kategorien gebildet. Als Auswahlkriterium der Kategorienbildung wurde festgelegt, dass sich eine Aussage bzw. ein Aussage-

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136 4 Transfer. Von der Theorie zum Fallbeispiel

element auf Teilbereiche der öffentlichen Diskussion über das Ereignis beziehen muss. Um ein Bild von der Breite der öffentlichen Diskussion zu bekommen, wur-den diese Kategorien auch auf Fälle angewandt, in denen diese Aussage nicht auf-trat. So wurde beispielsweise zum Verfassungsreferendum deutlich, dass einzelne, unabhängige Zeitungen den Präsidenten und seine Politik mit Diktatoren und zu-sammenhängenden Ereignissen aufnahmen bzw. darauf reagierten (Belorusskaja Delovaja Gazeta: Vergleich Hitler, Reichtagsbrand, Goebbels, Naša Niva: Vergleich nicht Hitler, sondern Mussolini), während die staatliche Sovetskaja Belorussija diesen Teilbereich der Diskussion nicht aufnimmt und auch nicht darauf reagiert. Der Teilbereich „Vergleich zu Diktatur“ steht damit als Kategorie neben anderen Teil-bereichen der Öffentlichen Diskussion des Ereignisses, etwa „Fälschungsvorwürfe“ oder „Verhaftung des Wahlleiters“. Auf diese Weise wurden ereignis- und themen-bezogene Kategorien gebildet, die im Vergleich die Spannbreite der öffentlichen Diskussion aufzeigen.

4.2.3 Rollen im Journalismus Ein maßgebliches Kriterium für die Berichterstattung ist die Rolle bzw. das Selbst-verständnis der Journalisten. Wie sich diese im Verlauf der Transformation gewan-delt hat, ist schwierig zu beantworten. Man könnte eine Umfrage unter allen Journa-listen machen, wie sie ihren Beruf verstehen, welche Ausbildung sie genossen haben etc. Dies entspräche jedoch eher einer Momentaufnahme, und wäre kaum in der Lage Veränderungen aufzuzeigen, umso mehr, da das Gros der Journalisten noch sehr jung ist. Wie bereits verdeutlicht, wird die tägliche Arbeit durch die Restriktio-nen von außerhalb, aber auch innerhalb der Redaktion beschränkt.

„Aus dem Blickwinkel der Person sind in einer Redaktion spezifische Handlungsregeln, „auf Vor-rat“ hergestellte Strukturen, zu befolgen (vgl. Rühl 1989: 261). Die Regeln betreffen Sammlung, Auswahl und Verarbeitung von Material (Nachrichten, Berichte, Kommentare etc.). Jedoch sind im redaktionellen Alltag viele Eventualitäten weder vorhersehbar noch planbar. […] Die wech-selnden Umweltsituationen setzen eine Koordination der Handlungen voraus. Um sicherzustellen, dass die ‚kantigen’ Individuen gemäß den Vorgaben der Redaktion arbeiten, ist ihre Anpassung an die redaktionelle Linie und ihre personelle Identifikation mit den Redaktionszielen, -hierarchien und –regeln notwendig.“ (Stöber 2003: 317)

Um die Veränderungen in der täglichen Redaktionsarbeit zu vergegenwärtigen, wurde deshalb auf Experteninterviews (vgl. Bogner/Littig/Menz 2005) zurückge-griffen. Ausgewählt wurden als Experten Chefredakteure der Zeitungen, die auch innerhalb der Inhaltanalyse untersucht wurden, Vertreter externer Einflüsse (OSZE IBB, RFE/RL, Internews), Vertreter des Journalistenverbandes BAŽ, aber auch

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4.2 Operationalisierung. Analysemodell im Praxistest 137

einfache Redakteure oder Wissenschaftler. Von den angefragten Interviewpartnern konnte der Chefredakteur der Naša Niva, Andrej Dyn’ko, zum vereinbarten Termin nicht in der Redaktion sein, weshalb das Gespräch mit einem langjährigen Redak-teur der Zeitung geführt wurde. Lediglich die Anfrage bei der größten staatlichen Zeitung hatte keinen Erfolg. Der Chefredakteur Pavel Jakubovi� war zu keinem Gespräch bereit, obwohl die Redaktion zunächst positiv auf eine Anfrage reagierte. Eine Zusammenstellung der Interviewpartner und ihrer Funktion findet sich in der Tabelle 7 (eine breitere Darstellung der Interviewpartner im Anhang).

Name (Datum des Gesprächs), Funktion (zum Zeitpunkt des Interviews)

Spielhagen, Dr. Edith (20.06.05), Leiterin der Medienakademie der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte (IBB) „Johannes Rau“ in Minsk Daracha�, �ladzimir (28.06.05), Korrespondent der Deutschen Welle, Mitarbeiter am Independent Institute for Social-Economical and Political Studies Parfenca�, Aljaksandr (28.06.05), Vorsitzender der „Information Development Promotion Foundation“, Member of Internews International Heyken, Dr. Eberhard (29.06.05), Botschafter der OSZE-Mission Minsk (2003-05) Lic’vina, Žanna (29.06.05/ 08.07.05), Vorsitzende des Journalistenverbandes BAŽ Krivalap, Aljaksej (01.07.05), Redakteur der „Belarusskaja Gazeta“ (hauptsächlich: Medienpolitik), promoviert zum Rundfunksystem der Republik Belarus Atraš�anka�, Aljaksandr (04.07.05), Presse-Referent der Organisation ZUBR Mel’nika�, Dr. �duard (08.07.05), Stellvertretender Vorsitzender des Journalisten-verbandes BAŽ Chadaso�ski, Vja�asla� (11.07.05), Chefredakteur „Belarusskij Rynok“ Ždanko, Valjancin (12.07.05), Leiter von RFE/RL „Radyjo Svaboda“ in Minsk Kudrycki, Ales’ (03.08.05), Redakteur „Naša Niva“ Marca�, Pjotr (16.08.05), Chefredakteur „Belorusskaja Delovaja Gazeta“ Sjar�dzi�, Jusif (22.08.05), Chefredakteur „Narodnaja Volja“

Tabelle 7: Gesprächspartner der Experteninterviews Die Gespräche wurden in deutscher oder russischer Sprache geführt. In einigen Fällen war die Aufnahme nicht gewünscht oder auf Grund der örtlichen Gegeben-heiten nicht möglich. Zu allen Interviews wurden im Anschluss an das Interview Gedächtnisprotokolle angefertigt. Die gestellten Fragen betrafen Ausbildung und Arbeitsmöglichkeiten von Journalisten, Finanzierung der Zeitungen, Rolle des Jour-nalismus in der Gesellschaft, Netzwerke und eine Einschätzung der Transformation in Belarus (Interviewleitfaden im Anhang). Die Ergebnisse werden dort einfließen, wo die Antworten und Eindrücke der interviewten Experten neue, verstärkende oder andere Meinungen und Ansichten hervorbrachten.

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5 Constraints für den Journalismus.

Norm- und Strukturkontext

In diesem Kapitel sollen die Restriktionen; allgemein der Handlungsrahmen für Journalisten und Redaktionen in Belarus herausgearbeitet werden. Dies beginnt mit einer Darstellung der wichtigsten historischen Ereignisse, die für die Diskussion und das Selbstverständnis der belarussischen Bevölkerung im Transformationspro-zess wichtig erscheinen (5.1). Danach widmet sich dieser Abschnitt den für journa-listische Tätigkeiten relevanten rechtlichen Restriktionen in Gesetzesform (5.2). Untrennbar damit verbunden sind in Belarus die politischen Imperative, formal die Ukaze des Präsidenten, die erheblichen Einfluss ausüb(t)en. Die mannigfaltigen informellen Einflüsse (Drohungen, Telefonate, etc.) können kaum nachvollzogen werden. Viele der in Belarus bestehenden Restriktionen für einen kritischen Journa-lismus erwachsen jedoch weniger aus juristischen Bestimmungen als aus ökonomi-schem Druck, der wiederum politisch gewollt war und ist. Jene Problematik soll anhand von Dekreten und Neu-Registrierungskampagnen und der allgemeinen wirtschaftlichen Situation beschrieben werden (5.3). Einen weiteren wichtigen As-pekt bilden die selbst geschaffenen Grenzen für Journalisten, durch Selbstverständ-nispapiere, Ethik-Kodices, aber auch Selbstzensur (5.4). Diese Art der Begrenzung journalistischen Arbeitens wird auch im siebten Kapitel eine Rolle spielen. Über diese hauptsächlichen Restriktionen hinaus, die in Form unterschiedlichster Doku-mente festgehalten wurden, entschlüsselt Unterkapitel 5.5 einige wichtige Abkür-zungen externer Akteure. Die dahinter stehenden Organisationen und ihre Rolle als Akteure in der belarussischen Öffentlichkeit sollen in diesem Abschnitt charakteri-siert werden. Die angesprochenen Punkte werden im Zusammenspiel die „Spielre-geln“ für die Journalisten im Verlauf der Zeit aufzeigen (5.6). 5.1 Historische Rahmenbedingungen Die Geschichte und Historiographie von Belarus und die Diskussion um sie werden an dieser Stelle nur verkürzt dargestellt.61 So sollen nach einer Darstellung der Pha-

61 Für eine ausführlichere Auseinandersetzung mit der belarussischen Geschichte vgl. etwa Lindner 1999, Beyrau/Lindner 2001, Zaprudnik 1993.

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140 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

sen der belarussischen Historiographie bzw. Geschichtskultur vor allem transforma-tionsprägende, geschichtsträchtige Symbole benannt werden, die auch für und in der Öffentlichkeit eine bedeutende Rolle spielen. Nach diesem allgemeinen Teil sollen journalismusspezifische Aspekte dargestellt werden, die unter Umständen Einfluss haben bzw. hatten – im Sinne des Konzeptes der Pfadabhängigkeit.62 5.1.1 Belarussische Geschichtskultur Die an dieser Stelle vorgestellte Periodisierung der belarussischen Geschichtskultur im Transformationsprozess von Lindner (vgl. 2003) entspricht dem Wechsel der politischen Elite im Land. Die nachfolgende Analyse des Journalismus orientiert sich ebenso an den politischen Transformationsstufen, die damit gleichzusetzen sind. Lindner (2003: 152f.) identifiziert drei Phasen: � 1986-1991. Periode des nationalen Aufbruchs. Wie bereits von politologischer Seite

beschrieben, trugen die Reaktorkatastrophe von �arnobyl 1986 und die Funde der Massengräber von Kurapaty dazu bei, dass sich 1989 eine Volksfront for-mierte. „Große Teile der Gesellschaft wurden über Geschichte politisiert.“ (Lindner 2003: 152)

� 1991-1994. Phase der nationalen Romantik. Die Unabhängigkeit brachte nicht nur eine Liberalisierung des Marktes und der Politik hervor, sondern generell eine Hinwendung zum Westen, auch historiographisch. „Weiße Flecken“ der Ge-schichte wurden aufgearbeitet und es entstand eine Vielzahl (pseudo-) wissen-schaftlicher Publikationen.

� seit 1994. Phase „Lukaš�nka“. Nach der Wahl Lukaš�nkas zum Präsidenten folgte eine neue Phase, die bis dato (zumindest 2003) anhält. Die Abänderung der belarussischen Staatssymbolik und die Quasi-Wiedereinführung der sowje-tischen Insignien sprechen deutlich für die Abkehr von der nationalen Idee. „Seither wird das vorherrschende Geschichtsbild vom historischen Bund mit Rußland und vom Sieg im Großen Vaterländischen Krieg beherrscht, der nicht selten für eine antiwestliche Rhetorik instrumentalisiert wird.“ (Lindner 2003: 152)

Die wechselnden Herrschaftskontexte – so Lindner weiter – haben dazu geführt, dass sich kein nationales Selbstbewusstsein entwickeln konnte. Gleichwohl sind es

62 Das Konzept der Pfadabhängigkeit wurde in der transformationstheoretischen Debatte von den neo-institutionalistischen Ansätzen wieder gestärkt. Letztlich geht es dabei um nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Annahme, dass die Entwicklung der Staaten in der Transformation nicht beliebig ist, sondern abhängig von kulturell-historischen, institutionellen Gegebenheiten. Dies verwundert nicht, wenngleich nicht klar wurde, wie groß der Spielraum ist oder sein kann. Vgl. dazu auch den Aufsatz von Sundhausen (1995), der aus einer historischen Perspektive nach dem Spielraum einer Gesellschaft fragt.

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5.1 Historische Rahmenbedingungen 141

gerade die mittelalterlichen Symbole, die von der Opposition in der Öffentlichkeit eingesetzt werden und noch immer für eine Hinwendung zum Westen stehen. 5.1.2 Historische Symbole und Faktoren des Umbruchs Wichtig sind bis heute, oder gerade heute wieder, die Symbole des Fürstentums Polack als Teil des Großfürstentum Litauen bzw. der Rzecz Pospolita (vgl. Lindner 1999: 450ff.). Die weiß-rot-weiße Flagge, sowie die – der litauischen ähnlichen – Reiterfigur „Pahonja“, seit dem Ende des 13. Jahrhunderts als belarussisches Sym-bol bekannt (vgl. Lindner 1999: 456), sind fester Bestandteil der oppositionellen Bewegung. Zudem war bis 1697 Belarussisch eine der Kanzleisprachen im Groß-fürstentum Litauen (vgl. Holtbrügge 2002: 107). Die Phase der Eigenständigkeit der ersten belarussischen Republik von März bis Dezember 1918, wenn auch unter deutscher Besatzung, wird in den Diskursen der 1990er Jahre nahezu vernachlässigt. Erst in den aktuelleren Diskussionen greifen einige Historiker diese Phase auf.

Die Beweggründe einer aufkeimenden und Unmut bekundenden Civil Society, die zur Reform oder Revolution hätte führen können – der Zusammenbruch der Sowjetunion kam dem zuvor –, lassen sich vor allem zwei Faktoren identifizieren: 1. Der Unmut über die zurückhaltende, unentschlossene Informationspolitik

nach der Reaktorkatastrophe im ukrainischen �arnobyl 1986, wovon zum größten Teil belarussisches Territorium betroffen war. Interessanterweise ist 1989, immerhin drei Jahre nach der Katastrophe, geradezu eine Informations-explosion über dieses Ereignis in den belarussischen Zeitungen zu verzeichnen (vgl. Efimova 1993: 250). Und:

2. Die Funde des Archäologen Zjanon Paznjak in den Wäldern von Kurapaty (etwa 8 km von Minsk entfernt) im Mai 1988. Wie andere Teile der Sowjetuni-on war auch Belarus von stalinistischen „Säuberungsmaßnahmen“ betroffen. In den Massengräbern von Kurapaty fand man etwa 250.000 Leichen, die zwi-schen 1937 und 1941 von Offizieren der Geheimpolizei NKVD erschossen wurden. Lange Zeit wurden diese Taten der Deutschen Wehrmacht angelastet, die von 1941 bis 1944 Belarus besetzten. Daher wurden Berichte darüber vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Belarus verboten. Erst nach mas-siven Protesten konnte im Juni 1988 ein Bericht über die Funde in der Zeit-schrift Literatura i mastactva (Literatur und Kunst) erscheinen. (vgl. a. Temper 2008)

Gerade das letzte Ereignis kulminierte dann in einem Protest, der 50.000 Menschen zu einer Demonstration zusammenbrachte, die dort auch die genannten, „neuen“ Symbole in die Öffentlichkeit trugen.

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„Am 29. Oktober 1989, dem fortan von der nationalen Opposition vereinnahmten weißrussischen Ahnengedenktag Dzjady fand in Kurapaty eine Massendemonstration von etwa 50.000 Menschen statt, die erstmals nicht von der Polizei und KGB verboten wurde und auf der zum ersten Mal die spätere weiß-rot-weiße Nationalfahne Weißrußlands wehte. [...] Kurapaty wurde dadurch zum Auslöser für die Aufarbeitung des Stalinismus und zum Kulminationspunkt der nationalen Wie-dergeburt.“ (Holtbrügge 2002: 40f., Hervorh. im Orig.)

Der Abdruck der Ergebnisse der Ausgrabungen in Literatura i mastactva war ein erster Erfolg für die Presse auf dem Weg zur Unabhängigkeit.

5.1.3 Journalismusspezifische Aspekte Im Hinblick auf journalistische Pfade in der Historie steht zum einen die Ausbil-dung der Journalisten an den staatlichen Universitäten im Vordergrund. Zum ande-ren ist von Interesse, dass sich etwaige Besonderheiten des sowjetischen Stils (etwa das Zwischen-den-Zeilen-Lesen/Schreiben „meždustro�nost’“) womöglich durch-gesetzt haben könnten, und auch nach dem Sturz des kommunistischen Systems weiter praktiziert werden – sowohl von Journalisten als auch von den Rezipienten.

Direkte Anknüpfungspunkte an die Vorsowjetzeit besitzt ausschließlich die Naša Niva, welche die thematische und sprachliche Tradition der Kulturzeitschrift aus den Erscheinungsjahren 1906-1915 wieder aufgreift und damals wie heute unter schlechten Voraussetzungen für ein nationales Selbstbewusstsein der Belarussen kämpft. Rainer Lindner (1999: 99ff.) zeichnet die Geschichte der Naša Niva in der ersten Erscheinungsperiode von 1906 bis 1915 detailliert nach. Bis auf die nationa-listische Ausrichtung ist diese hier nicht von Belang.

5.2 Medienrecht und -politik

Die gesellschaftlichen Teilbereiche Recht und Politik lassen sich in Belarus kaum unterscheiden. Zu sehr sind beide miteinander verbunden bzw. das Rechtssystem durch die Politik (als politisiertes Recht) gleichgeschaltet. Die Betrachtung der As-pekte der Medienpolitik und des Medienrechts werden daher in einem gemeinsamen Unterkapitel abgehandelt. Zunächst sollen die relevanten rechtlichen Veränderun-gen dargelegt werden, bevor die medienpolitischen Imperative, vor allem die Ukaze des Präsidenten thematisiert werden.

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5.2 Medienrecht und -politik 143

Die Rechte der Massenmedien, darunter auch die der Presse, sind heute geregelt durch die Verfassung, spezielle Mediengesetze sowie durch Präsidialdekrete.63 Die Verfassung und auch in Teilen das Mediengesetz sind als rechtsstaatlich und demo-kratisch einzustufen. Gerade die Verfassung erinnert im Wortlaut stark an jene westeuropäischer Staaten. Die in ihnen verankerten Rechte und Pflichten sollen nun – vor allem bezogen auf die Presse – erörtert werden.64 Die Diskussionen um das neue Pressegesetz sollen die Analyse der rechtlichen Restriktionen beschließen.

Bis zum Inkrafttreten der Verfassung 1994, dreier zentraler Dekrete direkt nach der Wahl Lukaš�nkas 1994 und des Gesetzes „Über die Presse und andere Mas-senmedien“ 1995 existierten keine gesetzlichen Regelungen für die belarussischen Massenmedien.

„Officially, the USSR Law on the press is still in effect. Draft laws on the press, publishing, radio, and television have been prepared, but they have again been left off the agenda of the Supreme Soviet.“ (Lukashuk 1992: 19f.)

1994 ging jedoch nicht nur als das Jahr der Verfassung und der Präsidentenwahl in die belarussische Geschichte ein, sondern steht auch für den „Beginn einer rückläu-figen Entwicklung in den demokratischen Massenmedien“ (Dorochow 2005: 13). 5.2.1 Verfassung der Republik Belarus Die Verfassung der Republik Belarus vom 15. März 1994 – mit den durch das nati-onale Referendum vom 24. November 199665 angenommenen Veränderungen und Erweiterungen – regelt die Grundrechte der Bürger, so Artikel 33 die Meinungs- und Gewissensfreiheit, Artikel 34 das Recht auf Information und Artikel 35 Ver-sammlungsfreiheit (vgl. Tabelle 8). Darunter wird in Artikel 33 auch gefasst, dass die Monopolisierung der Medien und eine Zensur durch den Staat nicht gestattet sind.

63 Eine Sammlung der für Massenmedien relevanten Gesetzgebung (d.h. Druck, Rundfunk, Werbung etc.) hat Dovnar (1998) zusammengestellt. 64 Einige Beispiele der Judikative werden im siebten Kapitel zeigen, wie jene Paragraphen in der Recht-sprechung umgesetzt werden. 65 Das Referendum im November 1996 und die damit verbundenen Gesetzesänderungen sind ein, wenn nicht der maßgebliche Punkt im belarussischen Transformationsprozess. Zu den Problemen, Diskussio-nen und der Berichterstattung im Zusammenhang mit dem Referendum, vgl. Kapitel 6.4.

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Tabelle 8: Artikel 33 bis 35 der belarussischen Verfassung 5.2.2 Gesetz „Über die Presse und andere Massenmedien“ Obwohl der von der parlamentarischen Kommission für Glasnost, Massenmedien und Menschenrechte erarbeitete Entwurf des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“ bereits im Herbst 1990 dem Parlament vorgelegt wurde, trat dieses

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5.2 Medienrecht und -politik 145

Gesetz erst 1995 in Kraft (vgl. dazu Manaev 1994: 15ff.). In ihm werden Spezifika der Mediengesetzgebung geklärt, etwa die Auslegung allgemeiner Rechte, wer als Herausgeber auftreten darf, Fragen der Registrierung, Status und Rechte der Redak-tion. Das Gesetz mit seinen 50 Artikeln ist in acht textliche Abschnitte unterteilt (vgl. Tabelle 9). Von besonderem Interesse ist an dieser Stelle Artikel 5 (vgl. Tabelle 10) des Pressegesetzes. Das im Artikel 34 der Verfassung zugesicherte Recht auf Information wird durch ihn beschränkt. Gerichtsurteile gegen Zeitungen und/oder einzelne Redakteure (Suspendierungen und Geldstrafen) beziehen sich vor allem auf Artikel 5 des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“. Dieser Artikel 5 wird somit in seiner Auslegung als eine der stärksten Restriktionen für resp. Re-pressionen gegen unabhängige Redaktionen/Journalisten genutzt (vgl. a. Manaev 2003a: 27).

Abschnitt 1: Allgemeine Bestimmungen (Art. 1-7) Abschnitt 2: Gründung und Organisation der Tätigkeiten von Massenmedien (Art. 8-24) Abschnitt 3: Verbreitung der Masseninformation (Art. 25-31) Abschnitt 4: Beziehung der Massenmedien zu Bürgern, staatlichen Organen und Organisationen (Art. 32-38) Abschnitt 5: Rechte und Pflichten des Journalisten (Art. 39-42) Abschnitt 6: Internationale Kooperation im Bereich der Masseninformation (Art. 43-45) Abschnitt 7: Verantwortlichkeit bei Verstößen gegen das Gesetz „Über die Presse und andere Massenmedien“ (Art. 46-50) Abschnitt 8: Inkrafttreten des Gesetzes

Tabelle 9: Aufbau des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“ Die Erweiterungen von Artikel 5 des Gesetzes „Über die Presse und andere Mas-senmedien“ (vgl. Tabelle 10), vor allem die Einschränkung der Meinungsfreiheit zum „Schutz der Ehre und Würde des Präsidenten“ werden seit der Einführung 2000, in Verbindung mit Artikel 368 des Strafgesetzbuches („Beleidigung des Präsi-denten der Republik Belarus“), intensiv genutzt (vgl. Belarusian Association of Journalists 2004, 2005a).

Die zweite Erweiterung hatte zur Folge, dass nicht-registrierte Organisationen (etwa ZUBR) nicht nur selbst nichts veröffentlichen dürfen, sondern dass es dar-über hinaus nicht erlaubt ist, über die Aktivitäten dieser Organisationen zu berich-ten.

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Die Nutzung der Massenmedien wird nicht gestattet für: Durchführung von Handlungen, die strafrechtlich verfolgt werden können; die Veröffentlichung von Kenntnissen, die staatliche oder andere spezielle, gesetzlich geschützte Geheimnisse enthalten; den Aufruf zur Machtergreifung, gewaltsame Veränderungen der Verfassungsordnung, oder Vorstö-ße gegen die territoriale Einheit der Republik; die Entfachung von nationalem, sozialem, rassistischem oder religiösem Streit; Kriegspropaganda oder Aggressionen; Verbreitung pornografischer Produkte; Anschläge auf Moral, Ehre und Würde von Bürgern; [Zusatz 1/1998: Verbreitung von Kenntnissen, die die Ehre und Würde [Zusatz 6/1999: des Präsiden-ten der Republik Belarus oder] der Machthabenden der staatlichen Organe, deren Status in der Verfassung der Republik Belarus geregelt ist, verletzen] [Zusatz 2000: Verbreitung von Informationen politischer Parteien, Handelsverbände oder anderer zivilgesellschaftlicher Gruppen, die nicht der korrekten Prozedur der staatliche Registrierung (Re-Registrierung) gefolgt sind.] Nicht veröffentlicht werden dürfen weder jegliche Materialien, die eine offizielle Untersuchung oder eine juristische Ermittlung betreffen, ohne eine schriftliche Erlaubnis des entsprechenden Untersu-chungsführers oder Richters, noch jegliche Informationen im Umfeld dieser Ermittlungen.

Tabelle 10: Artikel 5 des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“

5.2.3 Ein neues Mediengesetz Im Jahr 2001 kündigte das Informationsministerium an, ein neues Pressegesetz vorzubereiten. Nach Klagen seitens der EU und der OSZE wollte man das Presse-

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5.2 Medienrecht und -politik 147

gesetz ändern. 2003 gab man (jedoch) bekannt, dass das neue Gesetz „Teile der belarussischen Staatsideologie“ beinhalten wird, die – bekanntermaßen – den Wer-ten der Europäischen Union bzw. den Vorstellungen der OSZE zuwiderlaufen (vgl. Pourgourides 2004, Haraszti 2005: 3f.).

Ein neues Gesetz „Über die Presse und andere Massenmedien“ war etwa ein Jahr (2002-2003) in der „Prüfung“, und seit 2003 ist der Text öffentlich. Alle Be-fürchtungen haben sich erfüllt:

„Pessimists declared right away that adoption of the new wording of the mass media law will result in embodiment of the formula ‚No news – good news’. Indeed, all the Belarusian news will be re-duced to the story about President’s visiting a pig farm in the collective farm called ‘Big Puddle’. Optimists […] say that the law in force is unlikely to prevent punishing the displeasing editions, and the new law will only fix the existing public relations. In fact, that is what legislation is sup-posed to do.” (Bastunets 2003: 29)

So der erste Eindruck des belarussischen Medienrechtsexperten Bastunec. Der Gesetzesentwurf soll an dieser Stelle kurz diskutiert werden, da er die jüngsten, noch offenen Entwicklungen widerspiegelt und ein repräsentatives Beispiel für die Medienrechtsgesetzgebung darstellt, umso mehr, da es den Bereich der Presse be-trifft, und auch erstmals dem Internet rechtliche Regelungen geben wird.

Die OSZE, genauer der OSCE – The Representative on Freedom on the Media beauf-tragte die in London ansässige Organisation Article 19 – Global Campaign for Free Expression ein Gutachten zum Entwurf des neuen Mediengesetzes zu erstellen. Diese analysierten eine Version des Gesetzentwurfes vom September 2003.

Neben den allgemeinen positiven Abschnitten des Entwurfs, etwa zur freien Meinungsäußerung (Artikel 3), zum Verbot der Zensur (Artikel 4) und zu verschie-denen Restriktionen der Medienfreiheit (Artikel 6), äußerten die Analysten von Article 19 schwerwiegende Vorbehalte. Sie führten zunächst aus, dass Belarus Mit-glied der OSZE ist und zu den Unterzeichnern der KSZE-Helsinki-Schlussakte des Jahres 1975 gehört. Demnach erklären sich die teilnehmenden Länder dazu bereit „[to] promote and encourage the effective exercise of civil, political, economic, social, cultural and other rights and freedoms all of which derive from the inherent dignity of the human person and are essential for his free and full development“ (zit. nach Article 19 2003: 3). Des Weiteren bekennt sich die Republik Belarus nach Artikel 8 ihrer Verfassung zur Einhaltung internationalen Rechts (vgl. Konstitucija 2004 bzw. Verfassung 1999).

Die weitere Analyse zeigt Schwächen in Definitionen auf, außerdem inhaltliche Restriktionen, übermäßige Interferenzen zwischen den Paragraphen, unnötige Para-graphen, etwa zur Lizenzierung, zur Freiheit der Journalisten und Sanktionen. Die

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148 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

erstmalige Regelung des Internets bzw. internetbasierter Massenmedien stößt bei den Juristen von Article 19 auf Skepsis, da die im Gesetzesentwurf gegebene unprä-zise Definition nicht nur journalistische Inhalte berücksichtigt, sondern „still inclu-de a wide range of Internet communications and attempting to regulate these is potentially very problematic. We have serious concerns about any attempt to apply regulatory framework designed for the print and broadcasting sectors to the Inter-net and similar efforts in other countries have often run into constitutional prob-lems.” (Article 19 2003: 6)

Die Londoner Organisation verurteilt die im Gesetzesentwurf beschriebenen Regeln der Registrierung, Lizenzierung von Massenmedien und Akkreditierung der Journalisten. Obgleich diese Regelungen den geltenden Normen und der durchge-führten Praxis entsprechen, kritisieren Article 19 diese Abschnitte. Gerade im Hin-blick auf die üblich gewordenen „Suspendierungen“ von Zeitungen drücken die Analysten ihr Unverständnis aus. Erhält eine Redaktion innerhalb eines Jahres drei Ermahnungen durch das Informationsministerium, so kann die Zeitung für drei Monate suspendiert (besser: verboten) werden, in denen sie nicht erscheinen darf und so Publikum und Werbekunden verliert. Das Memorandum zeigt, dass sich der Gesetzesentwurf auch in diesem Punkt widerspricht:

„Article19 is of the view that the print media should never be subject to suspension, banning or revocation of permission to publish, which would be in any case in breach of the rules regarding registration.” (Article 19 2003: 20)

Zudem sind ausreichende Sanktionen bereits im Strafrecht vorgesehen. Die Exper-ten von Article 19 kommen zu einem schwerwiegenden Urteil:

“In our view, the seriousness of the shortcomings in the draft Law very significantly outweigh any advantages and we question whether a law of this sort is needed at all. While a law containing the benefits noted would be useful, the majority of the provisions in the draft law are unnecessary or are harmful to freedom of expression.” (Article 19 2003: 2)

Das Gesetz ist in der diskutierten Fassung wohl wirklich nicht nötig, da das Gros der Regelungen bereits so existiert. Gleichwohl schreibt es zudem die gängige Praxis von Suspendierungen, Lizenzentzug etc. weiter in Gesetzesform fest. Und so ma-kaber es klingen mag, ist dann auch den Ausführungen von Bastunec (siehe oben) zuzustimmen, dass dies die Aufgabe der Legislative sei. Zumindest wird auf diese Weise eine Angleichung von de jure und de facto erreicht.

Im Juni/Juli 2007 wurde ein überarbeiteter Gesetzesentwurf in erster und zwei-ter Lesung durch das Parlament bestätigt, und am 4. August 2008 von Präsident Lukaš�nka unterzeichnet. Mittlerweile ist der Gesetzestext, der in den Grundzügen

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5.2 Medienrecht und -politik 149

dem von 2003 ähnelt, auch öffentlich zugänglich. Eine breite Front des internatio-nalen Protests durch u. a. Reporter ohne Grenzen, OSZE, BAŽ, die EU-Kommission war die Reaktion. Die Befürchtungen richten sich zum einen gegen die Bestimmungen des neuen Gesetzes, wonach ausländischen Journalisten bzw. aus-ländische Medien nur noch mit einer Akkreditierung durch das Außenministerium arbeiten bzw. erscheinen dürfen (vgl. Richter 2008: 17f.). Über die offizielle Nach-richtenagentur BelTa wurde am 13. August 2008 eine Vertreterin des Außenministe-riums zitiert, die insistierte, dass Präsident Lukaš�nka nicht die Arbeit von ausländi-schen Reportern in Belarus beeinträchtigen möchte. Auch wies sie mögliche (weite-re) Restriktionen gegen Medienorganisationen zurück. „The law is only aimed at boosting the existing legal practice.“ (BelTa 2008: o.S.) Zum anderen befürchten die Kritiker des Gesetzes weitreichende Einschränkungen im Bereich des Internets. Nachdem das Internet nun im Gesetz ebenfalls als Massenmedium definiert wurde, sind Verweise und Verbote offiziell legitimiert. Unabhängige Journalisten befürch-ten die Abschaltung bzw. Sperrung oppositioneller Internetseiten (vgl. a. Mak-hovsky 2008). Das bedeutet das offizielle Aus für kritische Weblogs, Foren und andere Formen öffentlicher Kommunikation im Internet. Ausländische Seiten, auf die der belarussische Staat keinen Zugriff hat, will man – wie bereits weiter oben angedeutet – sowieso nach chinesischem Vorbild „filtern“. Die Überschrift von Florian Rötzers (2008) Artikel zum neuen Mediengesetz „Lukaschenko beendet ‚Anarchie des Internet’“ kommentiert treffend die gegenwärtigen Geschehnisse der belarussischen Medienpolitik. Aktuell werden insbesondere die Gefahren des neuen Mediengesetzes erörtert, aber erst die Zukunft wird die realen Folgen der neuen Regelungen zeigen.

5.2.4 Ukaze Zu Beginn seiner Amtszeit 1994 erließ der Präsident drei medienrelevante Ukaze: Nr. 19 vom 4. August, Nr. 27 vom 5. August und Nr. 128 vom 28. September 1994. Diese betrafen die Reorganisation des Verlags Belarussisches Pressehaus und seine Anbindung an den Staat, sowie die Reorganisation des Rundfunks. Trotz der Un-vereinbarkeit dieser Ukaze mit der Verfassung sind sie nach wie vor gültig (vgl. Dorochow 2005: 10), obwohl in solchen Fällen die Regelungen der Verfassung Vorrang besitzen (sollten). Dabei wurde nicht nur der Rundfunk reorganisiert, son-dern auch die Redaktionen der Printmedien konnten dem Einfluss der Exekutive nicht entgehen:

“Die Einflussmöglichkeiten der Regierung wurden noch verstärkt durch die Anordnung des Präsi-denten vom 4. Januar 1996 mit dem Titel ‘Über einige Fragen der staatlichen Informationspolitik’.

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150 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

Demzufolge werden Chefredakteure der staatlichen Zeitungen durch die Exekutive ernannt.” (Do-rochow 2005: 10)

Die Zeit von 1996, dem Jahr, in dem sich alle Periodika neu registrieren mussten, bis zum Jahr 2005 ist von vielen kleinen Eingriffen, vor allem durch Ukaze des Präsidenten, gekennzeichnet. Auch die berühmten (und berüchtigten) „Anrufe von oben“, wobei die Administration des Präsidenten das „oben“ bezeichnet, sind dar-unter zu nennen. Jeder Ukaz, der die Massenmedien betrifft oder jeden Übergriff auf Zeitungsredaktionen oder einzelne Journalisten an dieser Stelle aufzuführen, würde den Rahmen dieser Arbeit bei Weitem sprengen. Einige der maßgeblichen Vorfälle werden im folgenden Kapitel aufgeführt. Ansonsten sei auf Sammlungen und Monitoring-Dienste belarussischer Organisationen verwiesen (etwa Bastunec 2002; Belarusian Association of Journalists 2004, 2005a; Human Right Centre „Vi-asna“ 2004).

Gleichwohl sollen neben den ersten wegbereitenden Ukazen auch einige der jüngsten genannt werden: Der Ukaz Nr. 269 vom 10. Juni 2005 zeigt eindrucksvoll, wie die „Machtvertikale“ auch im Bereich der Informationspolitik wirkt. Darin benennt der Präsident die Besetzung der regionalen „Informations- und Propagan-dagruppen“ in der Republik neu. Darunter finden sich kaum Medienvertreter, und wenn doch, dann von staatlichen Einrichtungen. Alle Mitglieder dieser Gruppe(n) bekleiden Funktionen in der lokalen, regionalen oder nationalen Politik oder staatli-chen Wirtschaft. Liest man die Namen der Gruppenleiter der einzelnen Verwal-tungsgebiete (oblast’), bekommt man einen Eindruck davon, wie die so genannte präsidiale Machtausübung von oben nach unten funktioniert. Die im Ukaz Genann-ten sind alte Bekannte: Brestskaja oblast’: Anatolij Tozik (Präsident des staatlichen Kontrollkomitees); Vitebskaja oblast’: Nikolaj Ivan�enko (Stellvertreter des Leiters der Administration des Präsidenten der Republik Belarus); Gomel’skaja oblast’: Vladimir Konoplev (Präsident der Abgeordnetenkammer der Nationalversammlung der Republik Belarus); Grodnenskaja oblast’: Viktor Šejman (Leiter der Administra-tion des Präsidenten der Republik Belarus); Minskaja oblast’: Vladimir Dražin (Stellvertreter des Premierministers der Republik Belarus); Mogilevskaja oblast’: Aleksandr Kuli�kov (Amtsleiter des Präsidenten der Republik Belarus); und Stadt Minsk: Vladimir Semaško (Erster Stellvertreter des Premierministers der Republik Belarus).

Ein folgenreicher Anschlag auf die unabhängigen Medien war der Ukaz Nr. 247 vom 31. Mai 2005 (vgl. Tabelle 11). Das Ukaz verbietet die Nutzung der Wör-ter „National“ und „Belarussisch“ im Namen von privatwirtschaftlichen Organisa-tionen und Produkten dieser Organisationen. Diese bleiben staatlichen Betrieben

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5.2 Medienrecht und -politik 151

und deren Produkte vorbehalten. Es war ein erster Vorgeschmack auf die Präsiden-tenwahl im März 2006. Allein von den vier für die Inhaltsanalyse ausgewählten unabhängigen Zeitungen waren zwei von dem Ukaz betroffen: Belarusskij Rynok und Belarusskaja Delovaja Gazeta. Die Betroffenen zögerten die Neuregistrierung soweit als möglich heraus. Die meisten versuchten über die Verwendung von Abkürzun-gen und unter Beibehaltung von Teilen des Namens und des Layouts die Leser-schaft und die sowieso schon spärlichen Werbepartner zu „retten“. Auf diese Weise wurde etwa aus der Belorusskaja Delovaja Gazeta, die unter der Abkürzung BDG bekannt war, die BG – Delovaja Gazeta, die jedoch das Erscheinen in Papierform mittlerweile einstellte. Aus dem Belorusskij Rynok wurde Belorusy i Rynok (vgl. auch Kapitel 6). Die Entrüstung der Redakteure, Besitzer und der Journalistenvereini-gung BAŽ verhallte – man kann seit 1994 sagen: wie immer – von der belarussi-schen Regierung ungehört.

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Ukaz Nr. 247 vom 31. Mai 2005 Über die ergänzenden Richtlinien zur Regelung der Nutzung der Wörter „national“ und

„belarussisch“

1. Es wird verordnet, dass 1.1 das Recht auf Nutzung der Bezeichnung: 1.1.1 „national“ besitzen: [...] Massenmedien, die von staatlichen Organen gegründet und herausgegeben werden; [...] 1.1.2 „belarussisch“ besitzen: [...] Massenmedien, die von staatlichen Organen gegründet und herausgegeben werden; [...] 2. Organisationen und Massenmedien, deren Benennungen nicht den Forderungen des Punktes 1, Unterpunkt 1.1 des vorliegenden Ukazes entsprechen, unterliegen einer dreimonatigen Frist zur Neu-Registrierung. Für diese wird die Gebühr für die Neuregistrierung nicht erhoben.

Tabelle 11: Ukaz Nr. 247 vom 31. Mai 2005

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152 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

5.3 Ökonomie

Eine ausführliche Betrachtung der ökonomischen Entwicklung der Republik Bela-rus kann an dieser Stelle nicht geleistet werden. Ein Überblick muss genügen, um im Folgenden eindringlicher auf die Medienökonomie resp. die wirtschaftliche Lage einzelner Zeitungen, Verlagsgruppen etc. einzugehen. 66 5.3.1 Allgemeine Wirtschaftsentwicklung Mit Stand Mai 1992 berichten Schrader/Laaser über das bekannte Diktum, dass die Unabhängigkeit von Belarus innerhalb der Bevölkerung nicht auf Begeisterung stieß. „Entsprechend der früheren Rolle des ‚Musterschülers Moskaus’ sind gesell-schaftliche Gruppen bisher wenig in Erscheinung getreten [...] Die offiziell verbote-ne KP spielt nach wie vor die größte Rolle.“ (vgl. Schrader/Laaser 1992: 35) Den weiteren Verlauf kann man – in der gebotenen Kürze sehr eindrucksvoll – an den Untertiteln der Berichte „Zur wirtschaftlichen Lage Weißrußlands“ von drei deut-schen Wirtschaftsforschungsinstituten ablesen: dem Deutschen Institut für Wirt-schaftsforschung in Berlin, dem Institut für Wirtschaftsforschung in Halle und dem Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel (vgl. 1993, 1994, 1995, 1996a, b, 1997a, b, 1998; Institut für Wirtschaftsforschung Halle 2000). Diese versuchen jeweils die Ereignisse im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung seit dem letzten Bericht zusammenzufassen (vgl. Tabelle 12).

Nov. 1993: Systemtransformation durch Annäherung an Russland. Juni 1994: Krisenbewältigung durch Flucht in die Rubelzone? Okt. 1995: Fehlende Reformen gefährden geldpolitischen Kurswechsel. Mai 1996: Forcierte Bindung an Russland. Nov. 1996: Von Reformwiderstand zu Reformabbau.

April 1997: Negative Konsequenzen der Reformrückschritte werden sichtbar. Nov. 1997: Verordnetes Wachstum ohne Perspektive? April 1998: Verordnetes Wachstum endet in Währungskrise. 2000: Trotz zunehmender Divergenz der Wirtschaftsordnungen Währungs-

union mit Russland?

Tabelle 12: Wirtschaftsentwicklung Belarus’ in der Bewertung deutscher Forschungsinstitute

66 Für eine aktuelle Ausarbeitung vergleiche die Broschüre von Roland Scharff (2006).

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5.3 Ökonomie 153

In der Darstellung wird deutlich, dass auch aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht der Wendepunkt in der belarussischen Transformation Ende 1996 erreicht ist, wo Belarus die Kehrtwende vom „Reformwiderstand zum Reformabbau“ vollzieht. Die Gründe umschreiben die Experten der Wirtschaftsforschungsinstitute aus Berlin, Halle und Kiel so:

“Unter den mittel- und osteuropäischen Ländern stellt Belarus seit Jahren eine Ausnahme dar: Zu keinem Zeitpunkt hatte der Transformationsprozeß jene kritische Masse erreicht, die eine Um-kehrbarkeit der politischen und wirtschaftlichen Reformen ausschließt.“ (Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung Berlin/Institut für Wirtschaftsforschung Halle/Institut für Weltwirtschaft an der Universität Kiel 1996b: 19)

Und bereits Ende 1995 und Anfang 1996 läuteten dieselben Verfasser die Alarm-glocken, sprachen vom „Fehlen realwirtschaftlicher und institutioneller Reformen“ (1995: 21) und davon, dass Belarus zu dem Zeitpunkt ordnungspolitisch „überzeu-gende Beweise der Transformation“ schuldig geblieben sei, die Privatisierung sähe sich „nach wie vor politischen Hemmnissen gegenüber und tritt daher auf der Stel-le“ (1996a: 13). Die weitere Entwicklung ist noch immer so zu bezeichnen, wie es das Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (2000: 57) beschreibt: „Politik und Wirtschaft sind in Belarus seit Jahren von Re-Sowjetisierungstendenzen gekenn-zeichnet. In der Wirtschaft kommen diese in Preiskontrollen, Fünfjahresplänen, fehlender Privatisierung, Versorgungsmängeln und zurückgestauter Inflation zum Ausdruck.“ Gleichwohl gibt es einen langsam wachsenden Wohlstand. Selbst inter-nationale Wirtschaftsexperten sprechen Belarus ein rasantes Wirtschaftswachstum zu, allerdings ohne den abenteuerlichen amtlichen belarussischen Steigerungsraten Glauben zu schenken. Das Land zehrt noch heute davon, einst einer der sowjeti-schen Hauptindustriestandorte gewesen zu sein, wenngleich die übrig gebliebenen Produktionsmittel stetig verrotten. Hauptexportgüter waren und sind etwa Produk-te aus der Automobilindustrie (Traktoren der Marke Belarus, Busse der Marke MAZ, Minskij AvtoZavod), der Landwirtschaft oder der verarbeitenden Industrie. Weite Teile des Landes sind auf Grund der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl (�arnobyl’) 1986 noch immer radioaktiv konterminiert und können nicht genutzt werden.67

67 Weitere Beschreibungen der wirtschaftlichen Entwicklung und Lage der Republik Belarus liefern bspw. Holtbrügge (1993), Babuk (2001), Babuk/Golova�ev/Medvedev (2001), Gabrisch (2001), Medvedev (2001), Neumann (2001), Zaiko (2001), Rakova (2004), Šyroka� (2004) und Scharff (2006).

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154 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

5.3.2 Situation für die Presse Im Bereich des belarussischen Zeitungsjournalismus sind es vor allem drei ökono-mische Faktoren, die die Leistung bzw. die finanziellen Möglichkeiten der Bericht-erstattung mit beeinflussen: Erstens, Einnahmen durch Werbung, Vertrieb, Subven-tionen; zweitens, Kosten des Abonnementvertriebs und des Straßenverkaufs; und drittens, Produktionskosten. Bei allen drei genannten Punkten spielt die Ungleichbe-handlung staatlicher und unabhängiger Zeitungen bzw. staatliche Intervention seit dem Amtsantritt des ersten Präsidenten eine wesentliche Rolle. Die unabhängigen haben gegenüber den staatlichen Zeitungen den erheblichen Nachteil, dass sie nicht durch Steuergelder subventioniert werden, oder von den staatseigenen Druckhäu-sern und Vertriebsgesellschaften profitieren können. Das Gegenteil ist der Fall. Kurz nach dem Amtsantritt Lukaš�nkas fielen die Druckereien unter Kontrolle der Präsidentenadministration.68 Die staatlichen Gesellschaften Belpošta (Belarussische Post, bewerkstelligt den Abonnementvertrieb) und Belsojuzspe�at (staatliche Kioske) besitzen Vertriebsmonopole. Vor allem diese staatlichen Gesellschaften sind es, mit deren Hilfe der Staat auf die Massenmedien ökonomischen Druck ausübt. Für die unabhängigen Zeitungen sind die Einnahmen aus dem Vertrieb kaum ausreichend. Im Zeitraum von 2002 bis 2004 erhöhte sich der Preis für den Abonnementvertrieb über Belpošta um 66 Prozent, davon allein im ersten Quartal 2003 um 38 Prozent. Mit der Zunahme der Zustellgebühren erhöhte die staatliche Seite aber auch die Subventionen für Abonnements staatlicher Zeitungen (vgl. Dorochow 2005: 19). Die Teuerung betraf folglich nur die privaten Anbieter. Ebenso verteuerten sich die Druckkosten seit 2002 um ca. 40 Prozent. Der Unterschied zu den Produktionskos-ten staatlicher Zeitungen wird hier einfacher gehandhabt. Die Druckkosten für staatliche Presseerzeugnisse werden nicht nachträglich subventioniert, sondern sind generell viel niedriger als für die privatwirtschaftliche Konkurrenz (ebd.).

Zeitungen und Zeitschriften, die eine hohe kulturelle und gesellschaftliche Be-deutung für Belarus besitzen, jedoch ohne weitere Unterstützung wirtschaftlich nicht tragfähig wären, können vom Staat zusätzlich unterstützt werden. Im Jahre 2003 finden sich 38 Periodika auf dieser staatlichen Subventionsliste – darunter beispielsweise die Zeitungen Narodnaja Gazeta oder Zvjazda. Und mit der Sovetskaja Belorussija gehört auch die größte und auflagenstärkste Tageszeitung dazu, die nun wirklich keinen Exotenstatus genießt, wie etwa Periodika aus dem Bereich der Kunst und Kultur. Unabhängige, zumal regierungskritische Zeitungen, haben wenig Aussicht, auf diese Liste zu gelangen. Im Endeffekt sind staatliche Zeitungen (als

68 Einen Überblick über die Entwicklung des Druckbereichs in den letzten 10-15 Jahren gibt Ni�iporovi� (2001).

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5.3 Ökonomie 155

Einzelorganisationen verstanden) durch Subventionen und Marktvorteile ökono-misch rentabler als privatwirtschaftliche. Unabhängige Zeitungen versuchen, sich über Werbung und Verkaufserlöse zu finanzieren. Informationen für Werbende zu Zeitungen, Auflagen, Mindestgrößen für Inserate, Ansprechpartner, soziologische Untersuchungen zur Werbewirkung etc. sind in den entsprechenden Übersichten verfügbar (vgl. etwa Karablikov 2001a, b). Jedoch berichten Redakteure unabhängi-ger Zeitungen immer wieder davon, dass Unternehmen, die bei unabhängigen Zei-tungen inserieren, Repressionen erleiden. Zunächst werden die betreffenden Orga-nisationen angerufen, auf ihre Werbung bei der Zeitung und danach auf die Mög-lichkeit, in staatlichen Massenmedien zu werben, hingewiesen. Folgt man den tele-fonischen Ratschlägen nicht, können andere Mittel greifen, wie die Androhung eines Besuchs der Steuerbehörde o.ä. Seit wann diese Praxis üblich ist, kann an dieser Stelle nicht genau ausgemacht werden. Als Zeitraum des Beginns können auf Grund anderer Restriktionen etwa die Jahre 1995/1996 angenommen werden. Wie anhand von Vorfällen und Übergriffen auf Redaktionen deutlich erkenntlich, wer-den die Sets von Handlungseinschränkungen im Wesentlichen vor Wahlen eindring-licher angewendet.

Eine andere „Finanzierungsstrategie“ betreibt die Belorusskaja Delovaja Gazeta. Der Besitzer und Chefredakteur Pjotr Marca� versucht, über „Querfinanzierung“ die Zeitung aufrecht zu erhalten.69 Über den Gewinn anderer auflagenstärkerer, unpolitischer Zeitungen des Verlags und weitere Tätigkeiten des Besitzers (also Eigenmittel) versucht er, das politische und regierungskritische Qualitätsblatt des Hauses zu stützen. Wiederum andere, etwa die Naša Niva, sind auf wohltätige Spender aus dem In- und Ausland angewiesen, die nicht genannt werden wollen. Wie sich die Zeitung genau finanziert, welche Spender (Exilanten, Regierungen oder NGOs) hinter den Geldeingängen stehen, weiß selbst einer der langjährigen Redak-teure nicht – oder wollte es nicht kundtun.70

Medienoligarche, wie sie vor allem aus der Russländischen Föderation bekannt sind, existieren auf Grund der Abgeschlossenheit zu den westlichen Nachbarlän-dern und der politischen Situation nicht. Auch in der Phase der Öffnung war Bela-rus nicht von großer Euphorie oder der Entstehung einer Vielzahl neuer, kritischer Medien geprägt, die mit den Ereignissen in Polen oder Tschechien vergleichbar wären. Zudem ist der Medienmarkt sehr klein, und die Beliebtheit russischer Rund-funksender und Printmedien war sicherlich auch keine Einstiegshilfe. Die einzige

69 Interview Pjotr Marca� (16.08.05) 70 Interview Ales’ Kudrycki (03.08.05); Generell wird die Frage der Finanzierung ungern, und wenn, dann nur sehr allgemein beantwortet.

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156 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

Zeitung mit Beteiligung ausländischen Kapitals ist die Belarusskaja Gazeta, die 1995 gegründet wurde. Der russischen Profmedia gehören seit 1998 49% der Aktiengesell-schaft.71 Andere formal russische Zeitungen wie die Argumenty i Fakty v Belorusi haben jedoch weder Kapital noch eine Gesellschaft in Belarus. Sie verfügen ledig-lich über Redaktionen in Belarus, deren Berichte als „Lokalteil“ dem russischen Blatt hinzugefügt werden.

Durch Suspendierungen, und in der Folge Ablehnung von Druckaufträgen sind einige Zeitungen gezwungen oder ziehen es mittlerweile vor, im Ausland zu drucken, etwa die Belorusskaja Delovaja Gazeta zweitweise im russischen Smolensk, wodurch sie aber auch höhere Transportkosten in Kauf nehmen müssen. Außer-dem besteht so die Möglichkeit für den Zoll, unter Angabe diverser Gründe, die Ladung bis zu zehn Tagen an der Grenze festzuhalten, was eine Tageszeitung wert-los macht. Seit 2003 werden nach und nach Zeitungen vom Vertrieb über die staat-lichen Gesellschaften, die sowohl den Abonnementvertrieb als auch Kioske betrei-ben, ausgeschlossen. Diese sind gezwungen, neue Vertriebswege zu erschließen. Seit 2006 sind keine belarussischen regimekritischen Zeitungen mehr an einem Kiosk zu erhalten. Erstes Opfer dieses Ausschlusses und prominentes Beispiel der Restrikti-onen gegen unabhängige Zeitungen ist die Belorusskaja Delovaja Gazeta. Nach vielen kleineren Hindernissen, wurde die Tageszeitung nach drei Verwarnungen (20., 21., 22. Mai 2003) durch das Informationsministerium am 29. Mai 2003 für drei Monate suspendiert; sprich: verboten. Zwar konnten viele Artikel der Redaktion in anderen Zeitungen untergebracht werden72, was wiederum zu Konsequenzen (Anklagen, Geldstrafen etc.) für jene führte, aber der ökonomische Einbruch konnte nicht verhindert werden. Nach dem dreimonatigen Publikationsverbot lehnten es die staatlichen Gesellschaften ab, die Belorusskaja Delovaja Gazeta weiterhin zu vertrei-ben. Einige Werbekunden waren abgesprungen. Da die Zeitung nicht mehr in alle Regionen verteilt wurde, sanken auch die Leserzahlen und damit die Auflage um ein Viertel von etwa 40.000 auf 10.000 Exemplare. Statt wie bisher vier Mal erschien die BDG nur noch zwei Mal in der Woche. Die Zeitung wurde danach über ein selbst organisiertes „Vertriebssystem“ verteilt: Die Exemplare wurden für 600 BLR (2005: ca. 0,30 €) an die Verkäufer abgegeben, die diese z.B. in Unterführungen für etwa 1000 BLR (2005: ca. 0,50 €) weiterverkauften,73 (wahrscheinlich) ohne Lizenz. Im Vergleich zu der auflagenstärksten und im Farbdruck erscheinenden Tageszeitung

71 Zur Ausrichtung und Rechtsstreitigkeiten innerhalb der Zeitung und der Gesellschaft OOO Belorusskaja Gazeta vgl. Dorochow 2005: 26. 72 Interview Pjotr Marca� (16.08.05) 73 Information laut dem Chefredakteur Pjotr Marca�

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5.3 Ökonomie 157

Sovetskaja Belorussija war die BDG damit etwas mehr als doppelt so teuer. Die Belo-russkaja Delovaja Gazeta erscheint inzwischen nur noch als Online-Ausgabe.

Außer den vom staatlichen Vertrieb ausgeschlossenen ist es möglich, jede be-liebige Zeitung oder Zeitschrift zu abonnieren. Alle verfügbaren Periodika sind in einem Katalog bei der staatlichen Post Belpošta einzusehen, die gleichzeitig die Ver-triebsgesellschaft darstellt. Viele öffentliche Einrichtungen und Staatsangestellte sind jedoch dazu verpflichtet, eine staatliche lokale/regionale und eine staatliche überregionale Zeitung zu abonnieren.

Und ähnlich wie auch in Deutschland gibt es Stände, die um Abonnenten wer-ben. Seit dem Amtsantritt Lukaš�nkas gibt es in regelmäßigen Intervallen Abonne-ment-Aktionen im ganzen Land, vor allem für das Blatt der Präsidialadministration: Sovetskaja Belorussija. Wer diese im Dauerbezug lesen möchte, findet bei der Post Vordrucke ausliegen, auf denen bereits der Namen der Sovetskaja Belorussija vorgege-ben ist. Man muss lediglich noch seinen Namen und die Adresse angeben. Wer jedoch eine andere Zeitung abonnieren möchte, muss einen Blankoschein am Schal-ter, etwa in der Minsker Hauptpost, meist erst einmal erfragen, und im Katalog die richtige Nummer heraussuchen. Die Möglichkeit des Kaufs oder des Dauerbezugs im Abonnement einer privaten, unabhängigen Zeitung wird somit durch mehrere Hürden behindert. In ländlichen Gegenden kommt erschwerend hinzu, dass dort sehr viel schneller bekannt wird, wer eine unabhängige/oppositionelle Zeitung aus Minsk abonniert, woran sich zum Teil Repressionen anschließen.74

Ökonomische Restriktionen betreffen im Mediensektor daher vor allem den privatwirtschaftlichen Bereich. Bis 1994 in etwa gleichgestellt, wurden staatliche Zeitungen ab dem Amtsantritt Lukaš�nkas, spätestens seit 1996, wie zu sowjeti-schen Zeiten wieder eindeutig in die Pflicht genommen, die Meinung der Machtha-ber zu kommunizieren. Bei Erfüllung ihrer Aufgabe haben diese auch keine öko-nomischen Repressionen zu erleiden. Bei Engpässen werden sie – auf die eine oder andere Weise – vom Staat subventioniert. Die privatrechtlich organisierten Mas-senmedien dagegen, die kritischen fast ausschließlich im Bereich der Zeitungen, forcierten seit etwa 1995 das Konzept des unabhängigen Journalismus westlicher Prägung. Unterstützten sie im Vorfeld der ersten Präsidentschaftswahlen noch den jungen Hoffnungsträger Lukaš�nka, wandte sich dieser nach seinem Erfolg bald von den kritischen Blättern ab. Einige der Hauptmittel zur Eindämmung kritischer Journalisten waren ökonomischer Natur oder besser: solche Maßnahmen, die aus einer politischen/juristischen Entscheidung heraus vor allem ökonomische Konse-

74 So auch Aljaksej Krivalap im Gespräch (01.07.2005, 11.11.2006)

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158 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

quenzen hatten, die die Zeitungen und Verleger oft an den Rand des Ruins führten. Einige der Maßnahmen:

� Verhängung extrem hoher Geldstrafen in Folge von Verletzungen der persön-

lichen Ehre und Würde (des Präsidenten); � Suspendierung für drei Monate (Folge: Wegfall der Werbekunden, Leser-

schaft); � Ausschluss aus dem staatlichen Vertriebsmonopol bzw. innerhalb des Ver-

triebssystems höhere Preise als für staatliche Zeitungen (Folge: höhere Stück-kosten und Verkaufspreise);

� Ablehnung der Druckaufträge durch das staatliche Druckmonopol – mit der Begründung der Auslastung (Folge: Produktion im Ausland, höhere Produkti-ons- und Transportkosten).

Die Repressionen mit ökonomischer Folge haben peu à peu zugenommen. Diese ökonomischen Repressionen, die in Belarus durch die Vormachtstellung des Staates beherrscht werden, erlebten ihre Hochzeit in den Phasen vor den Präsidentschaftswahlen 2001, 2006 und Referenden 1996, 2004. Waren die Repressionen vor dem Referendum 1996 und auch bei den Wahlen 2001 klare Einmischungen, Zensur etc.; so sind, vor allem seit 2003 – also im Vorfeld des Referendums zur Verfassungsänderung 2004 und den Präsidentschaftswahlen 2006 – juristische Entscheidungen mit wirtschaftlichen Konsequenzen vorherrschend. 5.4 Eigene Grenzen. Journalistenverbände

Die eigenen, verabredeten Grenzen des Journalismus, in Form von Verhaltensko-dex oder –ethik sollen hier am Beispiel der beiden existierenden Journalistenver-bände gegenübergestellt werden. In verschiedenen Formen sind Selbstverständnis-papiere, Kodizes von Journalistenverbänden im Prozess der Transformation öffent-lich gemacht worden, die die Einstellungen der beiden Verbände zum Journalismus klar erkennen lassen, und die im Folgenden eine kritische Würdigung erfahren.

5.4.1 Belorusskij Sojuz Žurnalistov, BSŽ (���� ��� ��� ������ ��, ���) In Belarus gibt es heute zwei Journalistenverbände, die beide – prinzipiell – für alle Journalisten offen sind. Die Belarussische Union der Journalisten (Belarusskij Sojus’ Žurnalistov BSŽ) ist aus dem Journalistenverband der Belarussischen Sowjetrepu-blik hervorgegangen. Der Verband ist bis heute die Vereinigung der Journalisten der

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5.4 Eigene Grenzen. Journalistenverbände 159

staatlichen Redaktionen und Programmanbieter. Er ist wenig aktiv und sorgt eher selten für Schlagzeilen.

Der Kodex der Berufsethik der Journalisten dieser staatlich dominierten Belo-russkij Sojuz Žurnalistov BSŽ (2001) ist um ein vielfaches umfangreicher als bei den Kollegen von BAŽ (siehe unten). Er ist in mehrere Abschnitte unterteilt und enthält zwölf Artikel. Die Berufsethik ermahnt im ersten Abschnitt die Journalisten zur Einhaltung von Grundwerten wie Gewissenhaftigkeit, berufliche Solidarität etc. Im Artikel 4, Achtung allgemeiner Werte, heißt es:

„[�]�� ���� �<���@��� \� ��#� �\#, #��, ��#������Y, ��^��> <' @�������, @���� �������. � ��\���"������� �� �%�' ���#< �@����� �� ��������, �����* ���# �����, � ������ � ������#� �^��, ���������\#� � ���� ��.“ (Belorusskij Sojuz Žurnalistov 2001: 46)

[E]in Journalist tritt ein für Humanismus, Frieden, Demokratie, gesellschaftlichen Fort-schritt und Menschenrechte. Er enthält sich jeglicher Form der Rechtfertigung von Aggression, anderen Formen der Gewalt, Hass und Diskriminierung, Totalitarismus und Tyrannei.

Im zweiten und größten Abschnitt werden die Verstöße gegen die Norm der Be-rufsethik aufgeführt. So sind die Kapitel etwa „Verstöße, die ein Vergehen gegen das Recht der Bürger auf Information betreffen“ oder „Verstöße gegen die Journa-listenehre“ benannt. Teilweise betreffen diese Punkte dieselben Einschränkungen wie sie bereits im Artikel 5 des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenme-dien“ formuliert wurden. Generell entspricht die Berufsethik des von den staatli-chen Journalisten geprägten BSŽ den Grundwerten, die aus westlicher Sicht für pluralistische Mediensysteme kennzeichnend sind bzw. enthält der Kodex keine Handlungseinschränkungen, die dieser Sichtweise gravierend entgegenstehen wür-den. Auch der in vorliegender Arbeit als zentral erachtete Wert Pluralismus taucht zumindest als Wort auf. Artikel 7 beschreibt den Verstoß gegen den Pluralismus:

„~���>� 7. ������@��, �_�#�Y_�� @���� ���"�� � ���%��� �<��"� �� #<��'. ��� ����� �� @�������� �> �' }����, �_�#�Y_e� @���� ���"�� � ���%��� �<��"� �� # � �', #���� %<�> ������^����� < ����Y_�� �����: * ��� "�� ���� �\ }�����������* ���@@��<* �� � <* ���%��"� �' @��������'������ ���� �Y ��������� �� �% ������� �Y # � �', � �����<#� � � ������ , ������ ��# ��#<# @�� ^�@ @Y���\#� # � �'; […]“ (Belorusskij Sojuz Žurnalistov 2001: 47)

Artikel 7: Vergehen, die das Recht der Bürger auf freie Meinungsäußerung beschränken. Als Verstoß gegen die Berufsethik, der das Recht der Bürger auf freie Meinungsäußerung be-schränkt, können folgende Fälle betrachtet werden: Wenn ein Journalist aus egoistischen, eine Gruppe betreffenden oder anderen Erwägungen der Kenntnis über Diskussionen oder veröffentlichte Meinungen, mit denen er nicht übereinstimmt, entgegenwirkt, verstößt dieser gegen das Prinzip des Meinungspluralismus. […]

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160 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

Der dritte Abschnitt klärt in den beiden letzten Artikeln die Verantwortlichkeiten. Dem Komitee für die journalistische Berufsethik der BSŽ obliegt nach Artikel 12 auch das Recht zur offiziellen Erklärung und Qualifizierung eines Vorfalles. Dieses Komitee besteht aus sieben Personen: einem Journalistikprofessor von der Belarus-sischen Staatsuniversität und sechs weiteren, die vornehmlich als Chefredakteure staatlichen Zeitungen und der Nachrichtenagentur BelTA angehören.

5.4.2 Belaruskaja Asacyjacyja Žurnalista� BAŽ (����� ��� � ������� �����i ��� ���)

Weitaus aktiver und über die belarussischen Grenzen hinweg bekannt ist die Bela-ruskaja Asacyjacyja Žurnalista� (BAŽ; www.baj.ru). Dieser Verband wurde 1995 ge-gründet und vereinigt hauptsächlich Journalisten unabhängiger Periodika. BAŽ entstand aus der zunehmenden Unvereinbarkeit staatlicher und privater Massenme-dien nach dem Amtsantritt von Lukaš�nka. Die Situation der Massenmedien stellte sich 1994 noch erheblich anders dar als heute (vgl. hier und im Weiteren Urbano-vich 2004: 30). Inhaltlich unterschieden sich diese damals kaum. Im Gegensatz etwa zu Polen setzte sich das Konzept des „unabhängigen Journalismus“ erst später durch. Sowohl staatliche als auch nicht-staatliche Redaktionen erlitten Repressio-nen, und so nimmt es nicht Wunder, dass die ersten, durch die staatliche Zensur bedingten „weißen Flecke“ in staatlichen Zeitungen zu sehen waren. Später wurden die Journalisten und Chefredakteure immer wieder ausgetauscht „until the ‚right’ staff was hired (Like Stalin used to say: ‚The cadre solve all problems’)“ (Urbano-vich 2004: 30). Ende 1995 hatte sich die Situation der Medien innerhalb von an-derthalb Jahren völlig verändert. Da die BSŽ es nicht schaffte, auf die veränderten Bedingungen zu reagieren, obwohl die Ereignisse und die neue Berichterstattung im Widerspruch zur selbst gegebenen journalistischen Berufsethik standen, wurde BAŽ gegründet. Sie war also eine Reaktion – so das BAŽ-Mitglied und Medienrechtsex-perte Andr�j Bastunec – der Journalisten auf die Unfähigkeit der postsowjetischen Journalistenorganisation auf die neuen Herausforderungen einzugehen. Der Ver-band sieht daher auch die gesellschaftliche Rolle der Massenmedien in der Informa-tion und der Unterstützung von Meinungsfreiheit (vgl. BAJ 2005b: Freedom of Expression). Alle wichtigen Redakteure und Chefredakteure der unabhängigen Zeitungen, insgesamt etwa 900 Journalisten sind unter dem Dach von BAŽ organi-siert. Seit ihrer Gründung verfolgt die Journalistenvereinigung unterschiedliche Aktivitäten. So stellt sie sämtliche die Meinungsfreiheit betreffenden Vorkommnisse bzw. Zwischenfälle in einem jährlichen Bericht ihres Monitoring-Dienstes zusam-men, publiziert Analysen, Bulletins, Sammelbände und die Zeitschrift „ABAŽUR“ ,

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5.4 Eigene Grenzen. Journalistenverbände 161

betreibt ein „Legal Center for Media Protection“, das Journalisten berät, Gesetze, Gesetzesentwürfe und Gerichtsentscheidungen analysiert/kritisiert und selbst Ge-setze nach demokratischen Standards entwirft. Die BAŽ ist im Kontakt mit der Europäischen Union und Ansprechpartner für ausländische Journalisten etc. Die BAŽ ist Mitglied der Internationalen Journalistenvereinigung, erhielt 2002 den Sacharov-Preis des Europäischen Parlaments und 2003 die „Goldene Feder“ der Internationale Vereinigung der Zeitungen (WAN).

Die BAŽ verfasste nicht nur eine Ethik, sondern erarbeitet immer wieder Stra-tegiepapiere, um die Entwicklung und das Überleben eines freien Journalismus zu gewährleisten. Dadurch werden keine Restriktionen aufgestellt, sondern es wird versucht die Handlungsspielräume der Journalisten auszuweiten (vgl. Belarusian Association of Journalists 2005c: Strategy of media development in Belarus). In ihrer Deklaration der Prinzipien der Berufsethik belarussischer Journalisten und Massenmedien (�}����^<� @�< ^<@�� @���}��' �' }�<�� %�������* "�� ������ � ������� #�����' � ���#�^<�; Fassung 1999), führt die BAŽ 14 Richtlinien an. Es geht um die Berichterstattung im Einklang mit bestehenden Ge-setzen, Vielfaltskriterien (möglichst viele Informationen, unterschiedlichen Interes-sen dienen), Solidarität unter Journalisten etc. Zusammenfassend entsprechen diese 14 Punkte der westlichen Rhetorik. So etwa das Eingangsstatement zur Rolle der Massenmedien in der Gesellschaft:

„�<*��\��< \ �'�<�}'�<* #���> <* ��<� �<��� @���}��' �' �\�' ��>^�, \ �#��� �#�^����^> ����� ���#��\��� �� @�}�<, �� �� �� ��� \ �'%�>� ��" <* �}#�����<� <* � ��<�����; ��<\ �Y�< @�<��<�}� #�" ���� <* @�����<* � }�<� <* ��#�� � ��� � ~��; |�\�#�Y�<, ��� ���%�� �� "�� ����<�� @����%�� @}� <* #���> <* ��#��%#�"��� > ��; ��������� ���^<�^<� "�� ������ �}��#} ��� ����# ��%��# ��%���*��� � @�<��<#��^^� ����@ <* @�< ^<@�� @���}��' �' }�<��:“ (D�kljaracyja 1999: 197)

Ausgehend von der höchsten moralischen Orientierung beruflicher Tätigkeit, mit der Ab-sicht, das Vertrauen der Gesellschaft in die Presse zu stärken, wie in eine der wichtigsten demokra-tischen Institutionen; in Anerkennung der Priorität internationaler rechtlicher und ethischer Nor-men auf dem Gebiet der Massenmedien; im Einverständnis, dass freie Journalisten eine zuverlässi-ge moralische Selbstbeschränkung benötigen, empfiehlt die Belarussische Vereinigung der Journa-listen ihren Freunden, sich freiwillig an die folgenden Prinzipien einer Berufsethik zu halten:

Auffällig ist die Übereinstimmung zwischen den Ausarbeitungen der beiden Journa-listenverbände. So tauchen die egoistischen oder gruppenbezogenen Interessen aus Artikel 7 des Kodexes der BSŽ (vgl. oben) in ähnlichem Wortlaut auch im Punkt 4 der Deklaration der BAŽ auf:

„4. ���<^>, ��� }�����<� <�, ���@��<�, ��\��@���<' <� � ���}�< ���#����> <� \ @���}��' �' �\�' ��>^Y "�� ����� ' ~��.“ (D�kljaracyja 1999: 197)

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162 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

4. Es wird vorausgesetzt, dass egoistische Interessen oder Interessen von Gruppen oder einer Par-tei unvereinbar mit der beruflichen Tätigkeit des Journalisten und den Massenmedien sind.

Andr�j Bastunec von der BAŽ gibt im Interview mit der Zeitschrift Media Expert die Erklärung für diese Übereinstimmung: Die BAŽ orientierte sich an den Vorga-ben der BSŽ.

„There is nothing surprising in that. The BUJ [BSŽ] Code of Ethics was drafted on the basis of a similar document adopted in 1991 by the First (and, last) Congress of the USSR Union of Journa-lists – shortly before the USSR disintegrated – at a time when people were intoxicated with free-dom and democracy. The BUJ [BSŽ] Code of Ethics is like a breath of the air of freedom.“ (Ur-banovich 2004: 30)

Wie oben bereits geschildert, entwickelte sich aus den weiteren Ereignissen in Bela-rus die BAŽ in Konkurrenz zur staatlich dominierten BSŽ. Die BAŽ entwickelt Kodices beständig weiter und baut sie aus.75 An dieser Stelle genügen jedoch die zitierten Passagen um zu zeigen, dass die Unterschiede in den formulierten Kodices der beiden Journalistenverbände kaum merklich sind. Die journalistische Berufs-ethiken der BSŽ und der BAŽ verringern die Handlungsmöglichkeiten formal nicht viel mehr als die Gesetze. Lediglich die Werte der Meinungsvielfalt, „Nicht-Zurückhaltung“ von Informationen gehen darüber hinaus und schränken die Hand-lungsmöglichkeiten im positiven Sinne ein. Gleichwohl unterscheiden sich die Auf-fassungen oder zumindest die Produkte von staatlichen und unabhängigen Journa-listen extrem.76 Welchen Wert diese journalistische Berufsethiken in der Praxis be-sitzen, wird die Presseauswertung zeigen. 5.5 Externe Faktoren

Externe Faktoren bedeutet an dieser Stelle nicht journalismusextern, sondern bela-rusextern. Gemeint sind ausländische oder international tätige Organisationen, die sich in Belarus dafür engagieren, die Öffentlichkeit bzw. ihre Teile zu stärken. Da die externen Faktoren nur einen Bruchteil der vorliegenden Untersuchung bilden,

75 Vgl. allein die Dokumente, die im Internet vorgehalten werden, so etwa eine Fassung der Deklaration der Prinzipien der Medienethik http://www.baj.ru/centre/ deklaracyja.asp bzw. eine überarbeitete und erweiterte Version des Kodex http://www.baj.ru/centre/kodeks.asp (6.3.2006). 76 Bastunec beschreibt den faktischen Wert der BSŽ-Berufsethik: „But all these are just words, words, words. Switch on Belarusian TV or open state-owned newspapers where members of the Journalists Union work, and you will see how much the ethic rules have become divorced from their daily work.“ (Urbanovich 2004: 30)

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5.5 Externe Faktoren 163

können nur einige Organisationen kurz vorgestellt und ihre maßgeblichen Aktivitä-ten geschildert werden. Die lückenlose Darstellung vor allem finanzieller Hilfe von außerhalb erweist sich oft als schwieriges Unterfangen. So werden demokratische Parteien, Bürgerbewegungen oder Presseerzeugnisse durch Organisationen und Regierungen im Ausland unterstützt.77 Dies kann jedoch nicht aufgedeckt werden, da diese Strukturen schwer zu durchschauen sind und die Veröffentlichung auch Konsequenzen für die entsprechenden Organisationen nach sich zöge. Wahrschein-lich ist das auch ein Grund dafür, dass Chefredakteure unabhängiger Zeitungen Fragen nach der Finanzierung eher ungern beantworten.

Einige in Belarus aktive Organisationen lassen sich jedoch ausmachen und sol-len mit ihrer Tätigkeit kurz dargestellt werden. Auffällig ist, dass sie in der Mehrzahl aus dem westlichen Ausland stammen bzw. dort ihren Hauptsitz haben. Einig sind die vorgestellten Organisationen in dem Ziel, demokratischer Strukturen in Belarus zu unterstützen, gegen die Unterdrückung der Meinungsfreiheit zu agieren etc. Sie wirken somit meist positiv auf die Handlungsmöglichkeiten der unabhängigen Jour-nalisten und weitere Teile der unterdrückten Öffentlichkeit ein. 5.5.1 DW. Deutsche Welle Das von der Deutschen Welle gesendete zweisprachige (Deutsch, Englisch) Fernseh-programm ist in Minsk zu empfangen, aber wird nur von wenigen genutzt. Die Berichterstattung über Belarus spielt keine Rolle. Das tut sie umso mehr auf der Internetseite der Deutschen Welle, wo die Artikel aber kaum über das in der belarussi-schen Presse berichtete hinausgehen. Von Interesse ist jedoch, dass die Deutsche Welle seit Oktober 2005 eine Radiosendung („Chronik Belarus“) innerhalb ihres russischen Programms nach Belarus ausstrahlt: zu belarussischen Themen für Bela-russen (vgl. a. Deutsche Welle 2005). Nachdem kritische Stimmen laut wurden, weil das Programm nur in russischer Sprache gesendet wird, versucht die Deutsche Welle nun beide Sprachen in diese Sendung zu integrieren. Ein Problem stellt dabei jedoch die Tatsache dar, dass nicht alle belarussischen Interviewpartner über Bela-russisch-Kenntnisse verfügen. Ein weiteres Hindernis des DW-Radios ist die Sende-technik. Die Deutsche Welle strahlt ihr Programm über Kurzwelle aus. Die älteren Geräte sind oft nicht in der Lage, diese zu empfangen.

77 Die Spekulationen in der Fußnote: Des Öfteren hört man, dass etwa die US-amerikanische Regierung direkt (oder indirekt) belarussische Oppositionsbewegungen unterstützt. Wie die Geldtransfers von statten gehen, ob die Botschaft in Minsk darin involviert ist oder nicht, darüber kann wirklich nur speku-liert werden.

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164 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

5.5.2 EU. Europäische Union Die Europäische Union beobachtet – wie andere europäische Organisationen (siehe unten) auch – aufmerksam die belarussische Politik, ermahnt Vorkommnisse oder unterstützt förderwürdige Organisationen und Personen durch finanzielle Zuwen-dungen. Neben der Verhängung von Einreiseverboten und anderen politisch-wirtschaftlichen Sanktionen gegen die belarussische Regierung bzw. Regierungsmit-glieder einerseits, unterstützt man andererseits die unabhängigen Journalisten (vgl. Tapiola 2006: 68). Außerdem nimmt die EU (ebenso wie auch OSZE) Einfluss, indem sie bei Besuchen oder durch Gutachten auf Missstände im Umgang mit der Öffentlichkeit und unabhängigen Redaktionen hinweisen.78 Gleichwohl scheitert jedoch eine Vielzahl von Ideen der EU in der Realisierung – wie auch in anderen Bereichen – an der Vielstimmigkeit ihrer Mitglieder. 2004 erschien ein ganzer Sam-melband, der sich mit dem Verhältnis von Europäischer Union und Belarus be-schäftigt (Lewis 2004). Die Unterüberschrift („Between Moscow and Brussels“) verrät erneut, welcher Staat bei diesen Überlegungen zudem eine wichtige Rolle spielt: die Russländische Föderation. Neben der EU koordinieren auch die OSZE und der Europarat die Partikularinteressen ihrer Mitgliedsstaaten und bündeln sie zu einer „parlamentarischen Troika“ (Timmermann 2005: 303) gegenüber Belarus.

Seit Februar 2006 unterstützt die Europäische Union (EuropeAid) für zwei Jahre die belarussischen Massenmedien (Online, Print, Rundfunk) über ein groß angelegtes Projekt mit unterschiedlichen Foki (www.belarus-europe.info). Die Ber-liner Agentur MediaConsulta übernahm die Koordination des Projektes. Zu den Projektpartnern gehört u. a. das European Radio for Belarus. 5.5.3 IBB. Internationale Bildungs- und Begegnungsstätte Minsk Die IBB ist heute ein Treffpunkt und eine Anlaufstelle für deutsche Unternehmer, Wissenschaftler etc. Nach ersten Planungen 1989 entstand das deutsch-belarussische Joint Venture mit deutschem Stammsitz in Dortmund. Zentrale ist das IBB-Gebäude in Minsk, dessen Bau 1994 begonnen hatte. Seit 2006 trägt es den Beinamen „Johannes Rau“. Der ehemalige Nordrhein-Westfälische Minister- und spätere Bundespräsident hatte das Projekt unterstützt. Die IBB ist heute Veranstal-tungsort etwa für die jährlich stattfindende Konferenz „Minsk-Forum“, betreibt eine „Geschichtswerkstatt“ auf dem Gelände des ehemaligen Ghettos der Haupt-stadt und gibt die Zeitschrift Belarus News auf Deutsch heraus. Darüber hinaus – und für die Belange der vorliegenden Arbeit besonders – von Interesse ist die IBB-

78 Vgl. etwa den Bericht Pourgourides (2004) und darin die Antwort des Informationsministeriums oder weitere Papiere zur politischen Situation in Belarus (etwa European Parliament 2005).

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5.5 Externe Faktoren 165

Medienakademie. Die Medienakademie der IBB bietet Weiterbildungsangebote an, neben praktischen Rechercheübungen und Interviewtrainings auch zu Management und Marketing von Zeitungen. In einer Selbstdarstellung zum zehnjährigen Beste-hen des Gebäudes der IBB Minsk schreibt die Leiterin der Medienakademie Edith Spielhagen:

„Von Beginn an hat sich die IBB Minsk im Bereich der Fort- und Weiterbildung belarussischer Journalisten engagiert und damit für die Entwicklung eines neuen, unabhängigen Journalismus in Belarus. Wichtiger Bestandteil aller hier stattfinden Maßnahmen ist die Möglichkeit zum freien und offenen Dialog zwischen Journalisten der verschiedensten politischen Richtungen, zwischen Ver-tretern staatlicher und unabhängiger Medien.“ (Internationales Bildungs- und Begegnungswerk 2004: 83)

Außerdem organisierte die Medienakademie 2003 den ersten Journalistenwettbe-werb in Belarus, der die Stärken und Schwächen der belarussischen Journalisten aufzeigte. Finanziert wird die IBB in Minsk von deutscher und belarussischer Seite. Der Bau des Gebäudes in Minsk wurde beispielsweise durch Sponsoren wie die Volkswagen AG, die Landesregierung Nordrhein-Westfalen und durch die evangeli-sche Kirche unterstützt. 5.5.4 IREX IREX ist eine private non-profit-Organisation mit Hauptsitz in Washington D.C., die mit unterschiedlichen Programmen dazu beitragen will, Bildung, die Entwick-lung von unabhängigen Medien und der Zivilgesellschaft zu verbessern (vgl. www.irex.org). IREX kooperiert mit Experten vor Ort und bietet u. a. praktische Hilfe und Fortbildung für Journalisten an. Die Organisation verfügt über ein Trai-ningscenter in Kiev. In Belarus kümmerten sich die IREX-Mitarbeiter vor allem um den Rundfunk, unterstützten etwa die wenigen privaten Fernsehsender bei ihren Produktionen. Am 7. August 2003 (vgl. Human Rights Centre „Viasna“ 2004: 71f.) endete die offizielle Arbeit von IREX in Belarus. Das Außenministerium lehnte es ab, die Akkreditierung zu verlängern. Frühere IREX-Mitarbeiter unterstützen die Journalisten gleichwohl weiter. Die nun existierende „Information Development Promotion Foundation“ kann als Nachfolgerin betrachtet werden und ist Mitglied von Internews International. 5.5.5 OSZE. Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa Belarus unterzeichnete 1992 als eigenständiger Staat die Helsinki-Schlussakte. Nach dem Amtsantritt Lukaš�nkas, den nachfolgenden Repressionen sahen sich die euro-päischen Organisationen zum Handeln gezwungen. Das Ergebnis des Referendums

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166 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

und die damit einhergehende Verfassungsänderung 1996 erkannten die EU, der Europarat und die parlamentarische Versammlung der OSZE nicht an.79 Ein 1997 unternommener Schlichtungsversuch, der zur 1994er Verfassung zurückführen sollte, scheiterte. Als Konsequenz richtete die OSZE eine Advisory and Monitoring Group (AMG) ein, die ihre Arbeit im Herbst 1997 aufnahm. Head of Mission war zu Beginn Hans-Georg Wieck. Von Anfang spielte dabei die Stärkung der demokra-tischen Institutionen und die Unabhängigkeit des Journalismus die herausragende Rolle (vgl. zur Entstehungsgeschichte etc. Wieck 2002, 2004c). Die OSZE-Gruppe konnte zunächst auf Erfolge verweisen, etwa die Zusage Lukaš�nkas, der Oppositi-on Zugang zu den staatlichen Medien zu gewähren (vgl. Timmermann 2005: 304). Als die belarussische Regierung 2001 nach den Präsidentschaftswahlen die OSZE-Mission paralysierte, verlies Wieck das Land. Ihm folgte – nach einer Unterbre-chung – 2003 Eberhard Heyken, und ihm 2005 der Schwede Åke Peterson. Heyken versuchte von Beginn seiner Amtszeit an, durch Treffen mit sowohl staatlichen als auch unabhängigen Journalisten das Verhältnis zu verbessern. Jedoch kamen sehr schnell nur noch die Vertreter der unabhängigen Zeitungen zu den Treffen.

Ebenso ist der OSZE – The Representative on Freedom of the Media aktiv. Zunächst war es Freimut Duve, seit einigen Jahren ist es Miklós Haraszti, der die Mediengesetzgebung, die Verwarnungen durch das Informationsministerium ver-folgt und bei Bedarf rügt etc. Zudem beobachtet die OSZE die Vorkommnisse gegen einzelne Journalisten und erwähnt diese in länderübergreifenden Darstellun-gen beispielsweise in den Jahrbüchern (vgl. etwa OSCE-Representative on Freedom of the Media 2003). 5.5.6 RFE/RL. Radio Free Europe/Radio Liberty, „Radyjo Svaboda“ Radyjo Svaboda (Radio Freiheit) ist das belarussische Programm von Radio Free Europe/Radio Liberty, das vom US-amerikanischen Senat finanziert wird. Das zweimal täglich empfangbare kurze Programm wird in der Redaktion in Minsk erarbeitet, zusammengestellt und dann vom Ausland nach Belarus gesendet. Her-vorzuheben ist nicht nur die sehr gute Ausstattung der Redaktion, sondern auch die Weiterbildungsmöglichkeiten für die Redakteure. Diese bestehen in Minsk, aber auch in Prag, und tragen direkt zur Professionalisierung der Rundfunkjournalisten in Belarus bei.

Netzwerke oder Verbindungen zwischen all den kurz vorgestellten Organisati-onen im Sinne von Kooperationen bestehen kaum. Aber: Man kennt sich. Der

79 Zum Hintergrund und der praktischen Bedeutung der Arbeit der OSZE in den postsowjetischen Staaten vgl. die grundlegende Aufarbeitung von Freire (2003).

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5.6 „La règle du jeu.“ Ein Zwischenfazit 167

Medienmarkt ist, wie bereits betont, begrenzt. Auch die Anzahl der ausländischen Akteure, die sich hauptsächlich in der Hauptstadt Minsk konzentrieren, ist über-schaubar. International tätige Medienkonzerne zeigten bisher kein Engagement.80

Die Vorliebe der Belarussen für russische Medienerzeugnisse lässt auch eher deren Vertreter auf dem Markt erwarten.

Mit neueren Projekten wie Belsat TV oder European Radio for Belarus treten wei-tere internationale Akteure in Erscheinung. Vor allem die Republik Polen unter-stützt zunehmend Medienprojekte wie die beiden vorgenannten. Aber auch Litauen oder Irland bieten in diesem Zusammenhang ihre Hilfe und Kooperationsbereit-schaft an.

5.6 „La règle du jeu.“ Ein Zwischenfazit

Bei allen angenommenen constraints für die Öffentlichkeit, meist speziell für Jour-nalismus zeigen sich allgemeine Tendenzen, wenn wir das Transformationsziel Vielfalt verfolgen. Die Auswirkungen der Veränderungen im Transformationspro-zess werden grosso modo in Tabelle 14 dargestellt. Abstrahierend werden dort Phasen für die jeweiligen Restriktionen der zurückliegenden Unterkapitel gebildet und die Auswirkungen auf die Vielfalt anhand der genannten vier Kriterien abgeschätzt. Mit positiven (+) bzw. negativen (-) Vorzeichen wird die grundsätzliche Bewertung angezeigt. Auch wenn in dieser Aufschlüsselung nicht alle Einflussfaktoren mit aufgenommen wurden, so ist gleichwohl festzuhalten, dass der Aspekt der kommu-nikativen Rückkopplung bzw. die Einflüsse darauf schwer einzuschätzen sind. Klar ist, dass etwa bei einem Verbot eines regimekritischen Blattes dort auch kein Leser-brief mehr erscheinen kann. Für andere Vielfaltskriterien zeigt sich, dass negative Konsequenzen maßgeblich erst mit dem Amtsantritt von Lukaš�nka auftreten. Aber auch hier lassen sich Unterschiede ausmachen. So sind etwa die rechtlichen Rege-lungen von Verfassung und Pressegesetz weitestgehend als rechtsstaatlich einzustu-fen. Erst die nachträglichen Änderungen wirkten sich negativ aus. Die Auslegung

80 Abgesehen vielleicht von Bertelsmann. Das Gütersloher Unternehmen erreichte aber eher durch Revolutionspläne zum Umsturz Bekanntheit und machte sich damit nicht gerade Freunde bei der Präsi-dentenadministration. Dass es sich dabei um Ergebnisse einer Konferenz der Bertelsmann-Stiftung und nicht um ein Strategiepapier der Bertelsmann Media Group direkt handelte, war dabei in der öffentlichen (belarussischen) Darstellung und Wahrnehmung irrelevant. So erschien etwa in der Sovetskaja Belorussija am 10. März 2005 ein deutschfeindlicher Artikel mit der wohlgemerkt deutschen Überschrift „Drang nach Osten Nr. 2“. Dem Wunsch des deutschen Botschafters in seinem Brief vom 16. März 2005 an den Chefredakteur, seine Gegendarstellung abzudrucken, wurde nicht entsprochen. Ähnlich negativ war die Berichterstattung des staatlichen Senders BT über das Papier.

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168 5 Constraints für den Journalismus. Norm- und Strukturkontext

der Gesetze durch die Judikative prägt an dieser Stelle die Einschätzung. Einige Gerichtentscheidungen sollen im achten Kapitel diskutiert werden. Zudem zeigt sich, dass nicht nur der Pressekodex des Verbands der unabhängigen Journalisten BAŽ, sondern auch der von der BSŽ demokratische, pluralistische Standards her-vorhebt. (Wie sehr sich diese selbst auferlegten Ziele und Grenzen in der Realität niederschlagen, wird das folgende Kapitel zeigen.)

Vielfalt*

Constraints

Maßnahmen und Entwicklungen seit der Unabhängigkeit 1 2 3 4

(1) 1986-1991. Periode des nationalen Aufbruchs + +

(2) 1991-1994. Phase der nationalen Romantik + +

Historisch-Kulturelle Rahmenbedingungen

(3) ab 1994. Phase Lukaš�nka - -+ - Phase der Erarbeitung neuer Gesetze (1991-94) + + 1994 Verfassung, 1995 Presse- und Mediengesetz + + + + 1996 Verfassungsänderung - - 2000 Änderung Presse- und Mediengesetz - - - -

Medienrecht und -politik (Auszüge)

2008 Neues Presse- und Mediengesetz - - - - Ukaze 1994 - - - „Weiße Flecken“/Zensur 1994, 1995 - - - - Verbot BDG 2003 - - -

Ukaz 2005 (National, Belarussisch) - - 1990-94 Phase der Liberalisierung, gleiche Bedin-gungen für staatliche und privatwirtschaftliche Periodika

+ + +

Ab 1994: Förderung staatlicher Zeitungen + + + +

Ökonomie (Auszug)

Ab 1994: Private Periodika: Höhere Druckkosten, Druck auf Werbepartner, Ausschluss vom Vertrieb …

- - - -

Pressekodex BSŽ + + + Eigene Grenzen Pressekodex BAŽ + + + EU, OSZE + + + DW, RFE/RL + + +

Externe Faktoren

IREX/Internews, IBB-Medienakademie + + + Gerichte, Judikative siehe Kapitel 8 - - - - * Auswirkungen auf Transformationsziel Vielfalt anhand der Vielfaltskrite-

rien von Sarcinelli: 1. Zugang zu Information, 2. Meinungspluralismus, 3.

Niveauvielfalt, 4. Rückkopplung

Ausprägungen: – Gefährdung; + Förderung; „leer“ kein Einfluss/ nicht zu entscheiden

Tabelle 13: Constraints. Maßnahmen und Entwicklungen im Überblick Auffällig sind neben der Judikative die Imperative der Exekutive, d. h. des Präsiden-ten und der Regierung. Deren Restriktionen für das journalistische Handeln konn-

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5.6 „La règle du jeu.“ Ein Zwischenfazit 169

ten nur anhand einiger Beispiele hervorgehoben werden. Die Ukaze und weitere Eingriffe (Telefonrecht, Verwarnungen, Kontrolle der Druckereien und des Ver-triebs, Druck auf staatsnahe Firmen, nur in staatlichen oder staatsfreundlichen Zei-tungen zu inserieren, Probleme bei der Registrierung etc.) durch Administration, Ministerien etc. bedeuten für die Journalisten die schwerwiegendsten constraints. Diese haben sich seit 1994 stetig verschärft, und lassen sich im Vorfeld von politi-schen Großereignissen (Wahlen, Referenden) „variabel“ einsetzen, was die Beo-bachtungen von Journalisten-, Menschenrechtsorganisationen oder der OSZE ein-drucksvoll belegen. Möller/Popescu (2004: 59) bezeichnen diese Restriktionen treffend als „strukturelle Zensur“, die eine herkömmliche Vorzensur abgelöst hat. Zu dieser strukturellen Zensur kann auch die wirtschaftliche Ungleichbehandlung gezählt werden. Während die unabhängigen Periodika verschiedenen politisch-ökonomischen Restriktionen unterliegen, werden andere direkt aus dem Staatsetat finanziell unterstützt. Diese zunächst positive Maßnahme, finanziell schwache, aber bedeutende Zeitungen und Zeitschriften zu unterstützen, wird dadurch negiert, dass eben nur staatliche und regierungsfreundliche Periodika unterstützt werden (so erklären sich auch die abgestuften, grauen Pluszeichen in der Abbildung). Dieses Beispiel verdeutlicht noch einmal, wie tief der Graben zwischen den unabhängi-gen/oppositionellen und den staatlichen/staatsnahen Periodika verläuft.

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6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Dieses sechste Kapitel bildet den Kern der vorliegenden Untersuchung. Der Be-richterstattung einen solch immensen Raum innerhalb einer Analyse eines sich im Transformationsprozess befindlichen Journalismus bzw. Mediensystems einzuräu-men, ist ungewöhnlich. Die Gründe hierfür wurden im zweiten Kapitel erläutert, und das zugrunde liegende Defizit soll an dieser Stelle nicht erneut diskutiert, son-dern angegangen werden.

Die Stichprobe, die man bei einem Untersuchungszeitraum von etwa 16 bzw. 17 Jahren durchaus als mager bezeichnen könnte, und die Operationalisierung wur-den bereits im Kapitel 4.2 besprochen. Noch einmal in der Kurzfassung: Die Analy-se konzentriert sich auf drei Zeiträume, zu verschiedenen Themen und in ausge-wählten Zeitungen. Im Fokus stehen die Unabhängigkeitserklärung 1991, das Refe-rendum 1996, und die Revolution im Nachbarland Ukraine 2004 (vgl. Tabelle 14). Die Inhaltsanalyse stützt sich maßgeblich auf die so genannte qualitative Variante dieses Auswertungsverfahrens.

1990 1991 1992 – 1995

1996 1997 – 2003

2004 2005/ 2006

Thema I: Unabhängigkeit

13.08.-30.08

Thema II: Refe-rendum

15.11.-30.11.

Thema III: „Orange

Revolution“ 15.11.-18.12.

Medienstichprobe: Stichprobe I: Belorusskij Rynok, Naša Niva, Sovetskaja Belorussija; Stichprobe II & III: wie I, plus Belorusskaja Delovaja Gazeta, Narodnaja Volja

Tabelle 14: Stichproben der Inhaltsanalyse Vor der Darstellung der Untersuchungsergebnisse, soll zunächst in Ergänzung des Kapitels 4.1 der Wandel der Presse allgemein umrissen bzw. ein genereller Einblick geliefert werden (6.1), um danach die für die Analyse ausgewählten belarussischen Zeitungen kurz zu charakterisieren (6.2).

Die darauf folgenden Unterkapitel widmen sich in chronologischer Folge den untersuchten Themenfeldern und der Presseauswertung (6.3-6.5). Jene Kapitel orientieren sich an einer wiederkehrenden Ordnung, die zuerst das Hauptereignis und Nebenschauplätze erläutert, und den allgemeinen Standpunkt der ausgewählten Periodika beschreibt. Außerdem sollen die medienspezifische Berichterstattung sowie der Einsatz von Bildern untersucht werden. Die Berichterstattung wird an-

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172 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

hand formal-inhaltlicher und thematisch-inhaltlicher Kriterien ausgewertet. Die Stichproben wurden zunächst auf jene Artikel untersucht, die das jeweilige Haupt-thema aufgreifen. Zudem wurden alle Artikel mit ausgewählt, die medieninterne und medienpolitische Ereignisse behandeln. Nach Malik (2004: 132) werden diese Selbstbeobachtungen und -thematisierungen als Journalismusjournalismus bezeichnet. Danach wurden die Artikel in mehreren Durchgängen gesichtet und zu den bereits deduktiv vorhandenen noch induktive Analysekriterien entwickelt, die das Spektrum der Berichterstattung im Allgemeinen und im Besonderen abdecken. Die Darstel-lung der Analyseergebnisse orientiert sich vorrangig an den Haupt- und Nebenthe-men, bei denen formal-inhaltliche Kriterien (Stil, Genre, Sprachniveau) genauso besprochen werden wie thematisch-inhaltliche (Aufarbeitung des Themas, Mei-nungsvielfalt, politische Ausrichtung). Die Beschreibung des Wandels der Berichter-stattung belarussischer Zeitungen (6.6) zwischen den Messzeitpunkten beschließt dieses Kapitel.

Postskriptum: Im Weiteren werden die belarussischen und russischen Original-quellen zitiert sowie eine Übersetzung angeboten. Die Auswertung orientiert sich an den Originaltexten.

6.1 Überblick. Transformation der belarussischen Presse Wie in anderen postsowjetischen Staaten auch, verlor in Belarus die Parteipresse nach und nach an Bedeutung. Innerhalb der Berichterstattung deutlich zu sehen, versuchten die Parteiorgane nach der Unabhängigkeitserklärung 1991 zumindest, sich redaktionell zu wandeln. In Konkurrenz zu den staatlichen Periodika treten Anfang der 1990er Jahre zunehmend privatwirtschaftliche Akteure auf den belarus-sischen Medienmarkt, die vom Publikum angenommen werden. Neben den Zeitun-gen der späteren Analyse (Belorusskij Rynok, Belorusskaja Delovaja Gazeta, Naša Niva) auch Narodnaja Gazeta, Svaboda oder die Zeitschrift Delo (Vostok i Zapad). Wie auch in anderen belarussischen Industriezweigen und im Gegensatz zu den meisten ande-ren europäischen Transformationsstaaten fand in Belarus keine Privatisierung gro-ßen Maßstabes statt (vgl. a. Dorochow 2005: 12f.). Bis heute befinden sich weite Teile der Wirtschaft in Staatshand. 6.1.1 Entwicklung von Quantität und Qualität Von der Unabhängigkeit (1990/91) bis 1994 wuchs der Pressemarkt rasch. Ebenso wie in den Nachbarländern setzte mit dem Ende der Sowjetunion endgültig eine Liberalisierung ein, und viele neue Spieler und alte Bekannte im neuen Gewand betraten die Bühne des Pressemarktes. Dorochow (2005: 13) konstatiert zur Quali-tät der Presse in dieser Phase:

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6.1 Überblick. Transformation der belarussischen Presse 173

„Qualitativ veränderten sich die Themen und Inhalte der Presseerzeugnisse, zunehmend waren oppositionelle und alternative Haltungen zum Staat zu finden. Es entstanden Publikationen für Unternehmen, Mittelstand, Handel und Politiker der neuen Generation, die die Leser nicht nur mit exklusiven Informationen versorgten, sondern auch mit neuen, qualitätsvollen Genres, etwa mit bisher nicht angebotenen politischen und ökonomischen Analysen.“

Die Veränderung der Qualität, auch in den Folgejahren, wird weiter unten noch Thema der inhaltsanalytischen Auswertung sein. Die Entwicklung der Quantität auf dem Pressemarkt lässt sich an den Registrierungslisten des Informationsministeri-ums der Republik Belarus ablesen. Leider konnten diese erst ab dem Jahr 1993 besorgt werden. Die früheren Listen sind zudem weniger detailliert als die aktuelle-ren Aufstellungen.81 Für das Jahr 1991 nennen Manaev (2003a: 21) und Dorochow (2005: 12) unterschiedliche Zahlen. Unter Umständen verweist Dorochow mit seinen höheren Zahlen auf die Liste vom Januar 1992, was an dieser Stelle jedoch offen bleiben muss. Manaev nennt für den 1. Januar 1991 insgesamt 250 Presseer-zeugnisse, Dorochow spricht für 1991 bereits von 282 Zeitungen und 138 Zeit-schriften. Die Entwicklung wird trotz der unterschiedlichen Daten deutlich (vgl. dazu auch Abbildung. 1).

0

500

1000

1500

2000

Gesamt 627 650 721 897 827 1015 1026 1097 1113 1223 1355 1523 1221

Zeitungen 461 479 525 631 579 701 699 739 731 784 851 919 784

Zeitschriften 141 146 164 217 202 262 271 294 329 380 435 531 395

'93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 '02 '03 '04 '05

Abbildung 1: Registrierungsdaten, Entwicklung der Presse von 1993-2005 Das Informationsministerium vermeldet zum 1.1.1994 insgesamt 650 registrierte Periodika, darunter 479 Zeitungen und 146 Zeitschriften.82 Nach der erzwungenen Neu-Registrierung 1996, die zunächst einen kleinen Negativtrend zeichnet, gibt es 81 Von Interesse ist dabei auch die Sprachkonvention. Die jährlichen Aufstellungen, die jeweils zum 1. Januar zusammengefasst werden, erscheinen bis 1997 in belarussischer, ab 1998 in russischer Sprache. 82 Neben Zeitungen/Zeitschriften unterstehen auch Nachrichten-Bulletins, Kataloge und „Almanache“ der Registrierungspflicht, werden aber gesondert ausgewiesen.

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174 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

von 1997 (827) zu 1998 (1015) eine größeren Sprung, wohlgemerkt nach oben. Seit 1997 werden neben den absoluten Zahlen der unterschiedlichen Publikationsarten und Sprachen auch Gründer/Eigentümer erfasst: Entgegen des auszumachenden negativen Trends (deutlich ab 2003/2004 in Abbildung 1), der durch Verbote, Ver-warnungen oder Festnahmen entsteht, steigt seit dem Jahr 2000 der Anteil der nicht-staatlichen Eigentümer und Herausgeber unter den Presseerzeugnissen, was aber nicht mit unabhängigen Journalismus gleichzusetzen ist. Manaev (2003a: 22) hebt die Bedeutung der nichtstaatlichen Presse hervor:

„However, non-state periodicals play the most important role in progressive development in Bela-rus because, despite of various limits and obstacles from the state, they have more political and economic independence.”

Jedoch bleibt festzuhalten, dass auch Lukaš�nka-freundliche bzw. komplett unpoli-tische Zeitungen und Magazine zu dieser Kategorie zählen, die zumindest in politi-scher Hinsicht keine Entwicklung vorantreiben. Auf der anderen Seite sind es aus-nahmslos die regierungskritischen Zeitungen, die von den Repressionen betroffen sind. Deren Anteil im Gesamtgefüge des belarussischen Pressemarktes sinkt weiter-hin, ab 2000 (im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2001) deutlich. 6.1.2 Verwarnungen, Verbote und Zensur Bis zu den ersten Präsidentschaftswahlen 1994 war die Liberalisierung in vollem Gange. Bei den Präsidentschaftswahlen unterstützten die unabhängigen, privatwirt-schaftlichen Zeitungen den Herausforderer Lukaš�nka.

„There is a certain irony that President Lukashenko, who ran his first election campaign in 1994 on a strong anti-corruption theme in which defending the ‚need free media’ was a key feature, should have become an implacable enemy of media freedom. Yet the metamorphosis from a (self-declared) ardent supporter of media liberation from political interference to a leader who views the media with almost paranoid suspicion, occurred surprisingly quickly. The overall effect has been to monopolise access to, and the dissemination of information in, Belarus at all levels.” (Eke 2004:89)

Diese Kehrtwende des jungen Präsidenten und die Repressionen mit dem Ziel des Informations- und Meinungsmonopols begannen bereits kurz nach seiner Wahl. Bereits im Dezember 1994, weniger als sechs Monate nach seinem Wahlerfolg, erschienen drei bedeutende staatliche Zeitungen mit so genannten „weißen Fle-cken“ («��<� @�� �»). Auch weitere Zeitungen und TV-Nachrichten waren später von ersten Zensurmaßnahmen betroffen (vgl. a. Bastunec 2002: 10ff., Smu�kowa 2002: 202).

“[A] report by parliamentary deputy Sergei Antonchyk claimed instances of corruption within the Presidential Administration, Lukashenko’s power-base. Press coverage of the report was banned by the government, and three newspapers – Sovetskaja Belorussija (Soviet Belarussia), Zvyazda (Star) and Respublika (The Republic) – revealed the attempt at censorship by publishing editions with

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6.1 Überblick. Transformation der belarussischen Presse 175

empty columns where the parliamentary report had been due to appear.” (Eke 2004: 93, Hervorh. im Orig.)

Später erklärte der Präsident die Vorfälle der Zensur mit seiner Einstellung, dass staatliche Zeitungen, die vom Staatsetat finanziert werden, auch nur zum Wohl des Staates arbeiten sollten (vgl. a. Eke 2004: 93). Diese ersten Vorfälle zeigen, wie schwach die Öffentlichkeit nach einer Phase der Liberalisierung und vielfältigen wirtschaftlichen Problemen war, bzw. wie sehr andere Nöte überwogen.

Die medienpolitische Tendenz, die mit den „weißen Flecken“ ihren Anfang nahm, setzte sich fort. Die Ereignisse und Veränderungen auf gesetzlicher Ebene, Gerichtsurteile und eine Chronik der Konflikte hat Bastunec (2002) für die Jahre von 1992 bis 2002 knapp in einem Buch zusammengefasst. Die mehrfachen Verän-derungen des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“, vor allem der Zusatz 1999 zum Schutz der Ehre und Würde des Präsidenten, zogen Konsequen-zen nach sich. Der OSZE–Representative on Freedom of the Media stellt die Sus-pendierungspraxis generell in Frage, demzufolge ein Periodikum nach drei Verwar-nungen durch das Informationsministerium innerhalb eines Jahres für drei Monate das Erscheinen einstellen muss. Sieht man sich die Konjunktur der Verwarnungen an (vgl. Tabelle 15), wird deutlich, dass diese jeweils vor politischen Großereignis-sen zunimmt, vor dem Verfassungsreferendum 2004 (bzw. 2003) besonders stark.

Anzahl der vom Informationsministerium ausgestellten Verwarnungen

2000: 60 2001: 27 2002: 19 2003:52 2004: 81 Anzahl Suspendierungen/ Verbote für drei Monate

2000: 0 2001: 0 2002: 0 2003: 9 2004: 25 nach Haraszti 2005: 3

Tabelle 15: Anzahl der Verwarnungen und Suspendierungen (2000-2004) Prominentestes Opfer war 2003 die Belarusskaja Delovaja Gazeta, die nach drei Ver-warnungen innerhalb von drei Tagen (20., 21. und 22. Mai 2003) bereits am 28. Mai die Entscheidung erhielt, dass sie ab dem 29. Mai für drei Monate nicht erscheinen dürfe. Konsequenzen danach waren: Die Umstellung der Periodizität von viermal auf zweimal die Woche, Senkung der Auflage von 40 auf 10 Tausend. Außerdem wurde die Zeitung danach vom Vertrieb über die Belpošta ausgeschlossen.

Wie der Belorusskaja Delovaja Gazeta ergeht es vielen Zeitungen. Im Jahr 2005 verschwand auch die Oppositionszeitung Narodnaja Volja vom Kiosk (siehe auch Kapitel 6.2). Ende 2005 wurde die in Belarussisch erscheinende moderne Jugend- und Studentenzeitschrift CD (SD, Studenckaja Dumka) verboten, die zuvor bspw. in Musikläden als Gratiszeitschrift auslag. Seither erscheint sie als CD-ROM. Weitere politische Zeitschriften existieren nicht bzw. nicht mehr. Beliebt sind vielmehr russische Zeitschriften, etwa Ableger des deutschen Burda-Verlags etc. Am Kiosk machen die russischen Zeitungen und Zeitschriften einen Großteil des Angebotes

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176 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

aus, neben den vielen staatlichen belarussischen Periodika. Westliche Zeitungen kann man hier nicht bekommen. Wer in Belarus beispielsweise die Frankfurter Allge-meine Zeitung oder Süddeutsche Zeitung lesen will, muss den Weg zu den einschlägigen deutschen Instituten und Organisationen (Lufthansa, IBB, Institut für Deutschlandstu-dien, Goethe-Institut) auf sich nehmen. Ab und an bekommt man auch die englisch-sprachige Zeitschrift Belarus & Business, die auch etwas kritischer ist als die deutsch-sprachige Beilage Weißrussland & Unternehmen der Delo oder die Zeitschrift Belarus. Diese deutschen und englischen Periodika behandeln aber meist nur Wirtschafts-themen und richten sich an eine kleine, spezifische Leserschaft. 6.1.3 Publikum Aus methodischen Gründen weitgehend vernachlässigt, sollen hier Veränderungen der Publikumspräferenzen dargestellt werden. Interessanterweise lässt sich festhal-ten, dass die Mehrheit der Bevölkerung die staatlichen Medien für glaubwürdiger hält (49,6 %) als die nicht-staatlichen (36,8 %, vgl. Manaev 2003a: 41, und weitere Daten 2003c). Mit 53,1 Prozent vertraut die Mehrheit jedoch den russischen Me-dienangeboten, mit 14,6 Prozent nur ein Minderheit den westlichen. Unter Um-ständen ist dies bereits eine Folge der Medienpolitik des Präsidenten und der In-doktrinierung durch die Staatspropaganda, deren Publikum sich klar von dem der nicht-staatlichen Periodika unterscheidet.

“Comparative content analysis of their publications shows that Belarusian state-run media, on the one hand, and non state and Western media, on the other hand, produce very different pictures of the reality. Comparative analysis of their audiences, in its turn, shows that finally different media form very different (to some extent antagonistic) social cultures. The audience of non-state and Western media are different from state-run by clear democratic attitudes.” (Manaev 2003a: 41)

Ob dies einen wirklichen media impact, also einen Einfluss der Medien bedeutet, sei dahingestellt. Sicherlich kann man an dieser Stelle auch auf die Verstärkerhypothese zurückgreifen, und Unterschiede des Publikums weniger über die Rezeption erklä-ren als die bereits vorhandene Einstellung. Andererseits gilt es zu bedenken, was dem Rezipienten und seinen Einstellungen noch anderes als die staatliche Ideologie übrig bleibt, wenn andere Information nicht mehr zu ihm gelangen, so z.B. der Zugang zu unabhängigen belarussischen oder westlichen Medien erheblich er-schwert wird. Die Distribution in Verbindung und die Herstellung im Ausland wird seit 2003 zunehmend zum Problem resp. zu einer neuen Art der Zensur („struktu-relle Zensur“), wenn es den unabhängigen Zeitungen derart erschwert wird, ihre Angebote an den Leser zu bringen, dass sie sie in Unterführungen zu überhöhten Preisen verkaufen müssen; oder nur noch als Online-Ausgabe vorhalten können. Vielfalt auf dem Pressemarkt ist auf diese Weise schwer zu erreichen. Und so sind wahrscheinlich auch die Leserzahlen 2002/03, nach denen nur ein Bruchteil der

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6.2 Charakterisierung der Zeitungen der Stichprobe 177

Bevölkerung die kritischen unabhängigen Zeitungen liest, noch weiter zurückgegan-gen (vgl. Tabelle 16, Zeitungen der Inhaltsanalyse sind kursiv hervorgehoben).

Nutzung (in Prozent) Periodika Quelle: Manaev 2003a: 22

täglich von Zeit zu Zeit

Lese ich nicht

Keine Antwort

Lokale/ Regionale Zeitungen (staatliche und nicht-staatliche)

40,4 24,2 32,6 2,8

Komsolmolskaja Pravda v Belorusi (Russisch) 18,9 32,3 46,1 2,7 Sovetskaja Belorussija (staatlich) 17,7 25,1 55,1 2,1 Argumenty i Fakty v Belorusi (Russisch) 12,9 34,3 50,5 2,3 Trud v Belorusi (Russisch) 5,7 17,3 73,3 3,7 Belorusskaja Delovaja Gazeta (nicht-staatlich) 5,1 13,5 77,8 3,6 Narodnaja Volja (nicht-staatlich) 5,0 13,3 78,4 3,3 Belorusskaja Gazeta (nicht-staatlich) 4,4 13,4 78,3 3,9 Izvestija (Russisch) 4,0 19,1 72,5 4,4 Belorusskij Rynok (nicht-staatlich) 2,8 8,9 84,5 3,8 National Economic Newspaper (nicht staatlich) 2,4 7,7 85,9 4,0 Svobodnye Novosti (nicht-staatlich) 2,4 10,0 83,8 3,8

Tabelle 16: Nutzung von Zeitungen Die Entwicklung der staatlichen Periodika auf der einen und der nicht-staatlichen auf der anderen Seite, die kaum Berührungspunkte kennen, hat zu der Ausbildung von zwei unterschiedlichen Journalismusinstitutionen geführt, die – so auch Ma-naevs (2003a: 47) Einschätzung – nebeneinander koexistieren und gelegentlich konfligieren. Das bedeutet auch, dass in der nachfolgenden Presseauswertung vier der fünf analysierten Zeitungen nur von einer Minderheit gelesen werden. Aber es sind die einzigen, die sich auf dem Weg zum Transformationsziel Vielfalt befinden.

6.2 Charakterisierung der Zeitungen der Stichprobe

In Ergänzung zu dem Überblick der Transformation der belarussischen Presse sollen die Zeitungen, die zur Inhaltsanalyse herangezogen und bereits mehrfach erwähnt wurden, kurz näher vorgestellt werden. 6.2.1 Sovetskaja Belorussija (���� ��� ���� ��) Die größte staatliche Tageszeitung Sovetskaja Belorussija erscheint sechs Mal die Wo-che und erscheint seit einigen Jahren mit dem Zusatztitel «������> ����� �» („Be-larus Segodnja“, Belarus heute). Zu den Gründern und Besitzern gehört die Präsidi-aladministration. Chefredakteur Pavel Jakubovi�83 zählt zu den Freunden des Präsi- 83 Zur Person: Pavel Izotovi� Jakubovi�, Jahrgang 1946, studierte an der Belarussischen Staatsuniversität, arbeitet als Journalist und Korrespondent für die Zeitung Znamja Junosti (1977-87), die Zeitschrift Rodnik

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178 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

denten Lukaš�nka. Mit einer Auflage von derzeit 300.000 (Samstagsausgabe: 500.000) Exemplaren ist sie größer als alle unabhängigen Zeitungen zusammen. Die politische Ausrichtung ist klar auf den Präsidenten abgestimmt. Die Sovetskaja Belo-russija erscheint in Russisch. Seit 2002 erscheint sie als erste Zeitung in Belarus in Farbe. 6.2.2 Narodnaja Volja (������� !�) Die Narodnaja Volja wurde erst 1995 gegründet. Gründer, Besitzer und Chefredak-teur ist Jusif Seredi� (zur Person, vgl. Anhang: Interviewpartner). Die Narodnaja Volja war bis zum Herbst 2004 die letzte unabhängige Tageszeitung mit einer Auf-lage von zuletzt 30.000 Ausgaben. Sie finanziert sich aus den Abonnenten- und Verkaufserlösen und – mit „den Worten des Chefredakteurs – ‚wohltätige[n] Spen-den’“ (Dorochow 2005: 23). In einem Rechtstreit verhängte das Minsker Stadtge-richt eine Geldstrafe wegen der Verletzung des Schutzes der Ehre und Würde des Direktors der staatlichen Rundfunkgesellschaft Belteleradiokompania Rybakov gegen die Zeitung in Höhe von etwa 20.000 US-Dollar. Obwohl die Redaktion wiederum durch Spenden das Geld zusammenbringen konnte, kann sie nicht weiter ungehin-dert arbeiten. Sie ist seitdem auch vom staatlichen Monopolvertrieb an Kiosken und der Abonnementauslieferung Belpošta losgelöst. Daher konnte sie ihre Abonnenten nur per Post beliefern. Mittlerweile erscheint sie nur noch im Internet.

Die politische Ausrichtung der Narodnaja Volja ist wohl am besten mit „oppo-sitionell“ zu bezeichnen. Ihre Berichterstattung verkörpert das andere Extrem im Vergleich zur Staatspresse. Die Narodnaja Volja erschien fünf Mal die Woche mit meist vier Seiten, also einem Blatt. Die Artikel sind entweder Russisch oder Belarus-sisch verfasst. Laut Redaktion werden die Artikel in der Sprache abgedruckt, in der sie vom Verfasser eingereicht werden. 6.2.3 Belorusskaja Delovaja Gazeta (���� ��� "���� #�����) Die 1992 erstmals erschienene Belorusskaja Delovaja Gazeta ist beim Namen genom-men eine Geschäfts- oder Wirtschaftszeitung. Die Wirtschaftsberichterstattung macht auch einen beträchtlichen Teil der Zeitung aus. Jedoch beinhaltet der Mantel eine allgemeine politisch-gesellschaftliche Berichterstattung, die man als kritisch, aber im Vergleich zu den anderen belarussischen Zeitungen als ausgewogen bewer-ten kann. Gleichwohl erhielt sie mehrfach Verwarnungen für ihre Berichte, was im Mai 2003 zu einer Suspendierung der Zeitung führte. Sie durfte für drei Monate nicht erscheinen. Vor dieser Unterbrechung erschien die Belorusskaja Delovaja Gazeta vier Mal die Woche (Dienstag bis Freitag) in einer Auflage von etwa 40.000. Seit dieser Zeit erhielt man die Belorusskaja Delovaja Gazeta nur noch zwei Mal die Wo-

(1987-1988) und für die Narodnaja Gazeta. 1994-1995 war Jakubovi� erster Stellvertreter des Chefredak-teurs der Sovetskaja Belorussija. Seit 1995 leitet er das Blatt (vgl. Fedosov et al. 1999: 293).

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6.2 Charakterisierung der Zeitungen der Stichprobe 179

che. Sie erschien nun in einer Auflage von etwa 10.000 Exemplaren. Die Zeitung war gezwungen, die Redaktion um die Hälfte zu reduzieren. Außerdem wurde sie vom staatlichen Vertrieb ausgeschlossen, sowie von staatlichen Druckereien nicht mehr verlegt. Sie wurde im russischen Smolensk gedruckt und konnte in größeren Städten z. B. in Unterführungen gekauft werden.

Herausgeber der Belorusskaja Delovaja Gazeta ist die Verlagsgruppe MARAT. Deren Gründer und Besitzer Pjotr Marca� (zur Person, vgl. Anhang: Interviewpart-ner) ist gleichzeitig auch Chefredakteur der BDG. Er finanziert die Zeitung über Werbung, Eigenkapital bzw. über andere populäre, unpolitische Zeitungen, die Gewinn abwerfen (vgl. a. Kapitel 5.4). Nach dem Ukaz Nr. 247 vom 31. Mai 2005 (siehe Kapitel 5.3), das die Begriffe „Belorusskij“ und „Nacional’nyj“ in den Namen privatwirtschaftlicher Organisationen und deren Produkten verbietet, wollte sich die BDG – Belorusskaja Delovaja Gazeta nun B(D)G – Delovaja Gazeta nennen. Mit diesem Kompromiss versuchte die Redaktion, Teile des Titels und die markante Abkürzung als Logo beizubehalten. Seit Sommer 2006 erscheint die BDG nur noch im Internet. Die Printversion wurde völlig eingestellt. Dabei werden unterschiedliche Finanzie-rungsmodelle für den Verkauf der Informationen im Internet getestet. 6.2.4 Belorusskij Rynok (���� ��� $���) Der Belorusskij Rynok („Belarussischer Markt“) ist ebenso wie die Belorusskaja Delovaja Gazeta – nur stärker – eine Wirtschafts- und Finanzzeitung. Sie war die erste unab-hängige Zeitung in Belarus und erscheint seit Dezember 1990 wöchentlich mit etwa 32-40 Seiten. Die Auflage lag im Jahr 2005 bei etwa 10.000 Exemplaren. Chefredak-teur ist Vjacheslav Chodorsovskij (zur Person, vgl. Anhang: Interviewpartner). Besonders hebt der Chefredakteur dieser unabhängigen Zeitung den großen Anteil der Berichterstattung zur Europäischen Union hervor. Ihre Attraktivität für die Untersuchung liegt insbesondere in ihrem langen Bestehen am Markt als eine der ersten unabhängigen Zeitung der Republik Belarus.

Nach dem Ukaz Nr. 247 vom 31. Mai 2005 (siehe Kapitel 5.3) ließ sich der Be-lorusskij Rynok als Belorusy i Rynok neu registrieren, und erscheint nun unter diesem neuen Titel. Sie ist eine der letzten, wenn nicht die letzte unabhängige Zeitung, die bis heute in der Printversion erscheint, und auch im Abonnement erhältlich ist.

6.2.5 Naša Niva (��%� �i��) Die Naša Niva („Unsere Flur“) ist die einzige unabhängige Zeitung in Belarus die an frühere, vorsowjetische Traditionen anknüpfen kann. Sie erschien erstmals 1906 bis 1915 als „erste belarussische Zeitung mit Bildern“ und galt als intellektuelles Blatt. In ihr veröffentlichten die heute als Nationaldichter verehrten Janka Kupala, Maksim Bahdanovi� oder Jakub Kolas. Ebenso wie damals (vgl. dazu Lindner 1999: 99ff.) ist sie eine Zeitung für Kultur und Kunst und erscheint in Belarussisch (in der alten, unreformierten Form). Seit 1991 erscheint die Naša Niva wieder, zuerst mo-

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180 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

natlich, dann wieder im Wochenrhythmus. Mit dem Wechsel des Chefredakteurs von zunächst Pavel Žuk zu Sjarhej Dubovjac 1996 und danach zu Andr�j Dyn’ko84 wurde die Naša Niva jedoch zunehmend politischer, d.h. sie wendet sich stärker tagespolitischen Berichten zu. Sie erscheint einmal wöchentlich mit etwa 16-20 Seiten bei einer Auflage von etwa 3500 Exemplaren. Die geringe Auflage erklärt sich zum Teil dadurch, dass das Blatt hauptsächlich von Meinungseliten und Intel-lektuellen rezipiert wird.85

Als einzige der hier vorgestellten Zeitungen arbeitet die Redaktion der Naša Niva illegal in einer Mietwohnung unweit des Minsker Zentrums. So kann die juris-tische Adresse, sofern die Machthabenden das wollen, wechseln, ohne dass die tägliche Redaktionsarbeit darunter leidet. Die Redakteure sind, ebenso wie der Chefredakteur, äußerst jung. Im Jahr 2006 feiert die Naša Niva ihren 100. Ge-burtstag. Die Naša Niva verfügt mittlerweile auch über eine beachtliche Internetseite (www.nn.by), wobei – sehr wahrscheinlich – ausländische Geldgeber hinter dem Internetprojekt stehen. 6.2.6 Ein erstes Ergebnis Betrachtet man die Artikel aus der gewählten Stichprobe, lassen sich bereits zu Beginn einige Auffälligkeiten an der Quantität der Berichterstattung über die Hauptereignisse ablesen.

Tabelle 17 zeigt, dass die beiden bereits seit 1991 erscheinenden unabhängigen Zeitungen Belorusskij Rynok und Naša Niva sehr wenig über das Ereignis der offiziel-len Unabhängigkeitserklärung berichten. Die Gründe hierfür sind einerseits in der Periodizität zu sehen, und andererseits in der Ausrichtung der beiden genannten Blätter als Kultur- bzw. Wirtschaftszeitung. Zudem konnten die ersten beiden Aus-gaben (August, September) der wieder gegründeten Naša Niva nicht aufgefunden werden, weshalb die dritte Ausgabe (Oktober) aufgenommen wurde, die natürlich die Unabhängigkeit nur noch sporadisch thematisiert. Im Gegensatz zur staatlichen Sovetskaja Belorussija, welche die Unabhängigkeit und die Vertragsverhandlungen zur Gründung der „Gemeinschaft Unabhängiger Staaten“ aufmerksam begleitet. Die beiden unabhängigen Zeitungen werden in den folgenden Jahren zunehmend politi-scher, neue politische Zeitungen bereichern den Markt. Die Gründe für ein zuneh-mendes Politikbewusstsein sind in den nun angehäuften Restriktionen für die Jour-nalisten zu sehen. Der sich herausbildende Gegensatz zwischen staatlicher und unabhängiger Presse trägt ebenfalls dazu bei (vgl. dazu auch Kapitel 5).

84 Dyn’ko, Jahrgang 1974, gilt als einer der bedeutendsten Intellektuellen in Belarus. Er erhielt 2003 den Ellenbogen Citizenship Award in der Tschechischen Republik und 2006 den Savadskij-Preis für journa-listischen Mut und Professionalität vom russischen Fernsehsender Pervyj Kanal. Er arbeitet zudem als Literatur-Übersetzer und hat bereits für die Frankfurter Rundschau und die Frankfurter Allgemeine Zeitung geschrieben. 85 So der langjährige Mitarbeiter Ales’ Kudrycki im Interview.

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6.3 Die Berichterstattung zur Unabhängigkeit 1991 181

Zeitung / Jahr 1991 1996 2004 � Belosrusskaja Delovaja Gazeta -/- 28 46 74 Belorusskij Rynok 5 9 15 29 Narodnaja Volja -/- 42 63 105 Naša Niva 2* 7 42 51 Sovetskaja Belorussija 52 58 32 142 � 59 144 198 401 *Artikel außerhalb des Stichprobenzeitraums

Tabelle 17: Anzahl der Artikel nach Zeitung und Stichprobenzeitraum Im Jahr 2004 interessieren sich die unabhängigen Zeitungen deutlich mehr für die Ereignisse in der Ukraine als die staatliche Sovetskaja Belorussija. Dies wird deutlich im Unterschied zur Berichterstattung der anderen untersuchten Zeitungen (gemes-sen am Verhältnis zur Zahl aller Artikel einer Zeitung). Die zeitlichen Stichproben (1991, 1996, 2004) insgesamt miteinander zu vergleichen ist hier kaum möglich, da erstens die Zeitspannen zu groß sind, und es sich zweitens bei der Wahl 1996 um ein innenpolitisches Thema und bei der Revolution 2004 in der Ukraine um ein politisches Ereignis im Ausland handelt, wenngleich dieses zu innenpolitischen Diskussionen genutzt wird. 6.3 Die Berichterstattung zur Unabhängigkeit 1991

6.3.1 Ereignis Allgemeiner Kontext. Offiziell erlangte Belarus am 27. Juli 1990 die Unabhängigkeit mit der „Erklärung über die staatliche Souveränität der Belarussischen Sozialisti-schen Sowjetrepublik“. Diese Unabhängigkeitserklärung blieb jedoch faktisch be-deutungslos und besaß „lediglich aufgrund der Streichung des Russischen als Staats-sprache eine symbolische Wirkung“ (Lorenz 2001: 73).86 Die belarussische Regie-rung sympathisierte weiterhin mit dem Unionsgedanken. Beim Allunionsreferen-dum am 17. März 1991 sprachen sich über 80 Prozent für den Erhalt der Sowjet-union aus. Die kommunistische Partei zweifelte nicht an ihrem Alleinvertretungsan-spruch (vgl. dazu Lorenz 2001: 73, Holtbrügge 2002: 49). Erst durch Putsch in Moskau konnte eine praktische Unabhängigkeit erreicht werden.

„Lediglich der Moskauer Putsch vom 19. bis zum 21.8.1991, mit dem das Zentrum Moskau seine Schwäche unter Beweis stellte und innerhalb der Republikengemeinschaft endgültig an Legitimati-on verlor, führte am 20.8.1991 zu einer Demonstration für die Unabhängigkeit.“ (Lorenz 2001: 74)

Obgleich sich die Bevölkerungsmehrheit gegenüber einer Eigenstaatlichkeit kritisch oder gleichgültig verhielt, wurde die Souveränitätserklärung am 25. August 1991 in 86 Zu den Fakten der Entwicklung in Belarus 1990/1991 vgl. u. a. �igrinov (2004: 618ff.).

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182 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

den Rang eines Verfassungsgesetzes gehoben, und damit der Vorrang des Republik-rechts festgeschrieben (vgl. Lorenz 2001: 74). Zu einem Zeitpunkt, als die Verhand-lungen um die Gründung der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) bereits weitgehend abgeschlossen waren (vgl. a. Mihalisko 1992).

Journalismusspezifischer Kontext. Wirft man einen Blick in die Zeitungen von 1991, bemerkt man gleich, dass sich die Berichterstattung und der Aufbau der Zeitungen sehr von den (angenommenen) westlichen Vorbildern unterscheidet. Zeitungen sind maßgeblich vom sowjetischen Journalismus geprägt. Mit anderen Worten: „[O]ne ideological paradigm – Communism – is replaced by another – socio-(or national-) etatist paradigm.“ Manaev (1996: o.S.) In Belarus ist die Unabhängigkeit und die Forderung nach Demokratie ein Nebenprodukt des Zerfalls der Sowjetunion, und wurde eben nicht auf öffentlichen Plätzen erkämpft. Neue Zeitungen entstehen nicht massenhaft wie in den Nachbarländern. Nur wenige private Zeitungen entste-hen in dieser Zeit 1990/1991, während die staatlichen nun versuchen, ihr Pro-gramm zu ändern. 6.3.2 Vorgehen Stichprobe. Formal-inhaltliche Kriterien. Im ersten Stichprobenzeitraum vom 13.08. bis 31.08.1991 erscheinen erst drei der fünf ausgewählten Publikationen. Die Sovetskaja Belorussija besteht bereits in der Sowjetzeit, erscheint täglich (Dienstag bis Samstag) und versucht sich mit der offiziellen Unabhängigkeit peu à peu zu verändern. Die privatwirtschaftlich organisierten Zeitungen Belorusskij Rynok und Naša Niva sind gerade erst entstanden und erscheinen mit ihren ersten Ausgaben monatlich. Im Wesentlichen der Periodizität geschuldet, überwiegt die Anzahl der Artikel der Sovetskaja Belorussija zur Unabhängigkeit deutlich. Der neu gegründete Belorusskij Rynok berichtet gerade einmal mit fünf Artikeln, die mehr oder weniger mit dem Ereignis in Zusammenhang stehen. Die nach ihrem vorläufigen Ende 1911 wieder gegründete Naša Niva hält zu Beginn an ihren historischen Wurzeln fest und berich-tet vornehmlich über kulturelle bzw. kulturpolitische Belange. In der gewählten Ausgabe finden sich lediglich zwei Artikel, die im Zusammenhang mit der Unab-hängigkeitserklärung und den Debatten darum stehen. Wie bereits erwähnt ist es auch nicht die Ausgabe vom August (Nr.1), sondern jene vom Oktober (Nr. 3). Einer der beiden „Artikel“ bedient sich dabei keines journalistischen Genres, son-dern ist ein Gedicht, zusammen mit einem Foto der Demonstration.

Die Sovetskaja Belorussija versucht sich mit der Unabhängigkeit zu reorganisie-ren. Das Layout der Zeitung bleibt zunächst weitgehend bestehen. Am Samstag, dem 24. August 1991, erscheint die Sovetskaja Belorussija das letzte Mal mit dem Aufruf «��������� ���* ���� , ����� �'���>!» („Proletarier aller Länder, verei-nigt euch!“) im Titel. Die sowjetische Auszeichnung mit Hammer und Sichel im Ehrenkranz und der Aufschrift «CCCP» („UdSSR“) bleibt bestehen – bis heute. In der folgenden Ausgabe am Dienstag erklärt die Redaktion gegenüber den Lesern

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6.3 Die Berichterstattung zur Unabhängigkeit 1991 183

(vgl. Art. 40) den Neuaufbau der Redaktion und verkündet Regeln, die sie sich selbst auferlegt hat. Weiterhin ruft sie die Leser dazu auf, sich an dem Neuaufbau der Sovetskaja Belorussija zu beteiligen.

Inhaltlich-Thematische Faktoren. Unterschiede lassen sich innerhalb dieses Stich-probenzeitraums schlecht festmachen, da die unabhängigen Zeitungen kaum über das politische Ereignis berichten. Ein Umstand, der auf die der offiziellen Unab-hängigkeitserklärung zugemessenen Relevanz hinweist. Im Hinblick auf die Plurali-tät lässt sich damit jedoch bereits an dieser Stelle festhalten, dass zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit die Berichterstattung darüber zum größten Teil durch die bereits vorhandenen sowjetischen Publikationen gewährleistet wurde. Die Einzeluntersu-chung soll weitere Unterschiede bzw. Spezifika der Berichterstattung aufzeigen. 6.3.3 Belorusskij Rynok (���� ��� $���) Der Belorusskij Rynok setzt wie der Name „Belarussischer Markt“ schon vermuten lässt, seinen Fokus auf ökonomische Themen. Auch politische Themen, wie die Unabhängigkeitserklärung oder Verhandlungen des Unionsvertrages, sind durch die wirtschaftlichen Facetten bestimmt. So berichtet der Belorusskij Rynok zu den Uni-onsverhandlungen vor allem über die zu klärenden wirtschaftlichen Belange, die trotz der offiziellen Unabhängigkeit 1990 immer noch ungeklärt sind. Der Artikel zeigt damit auch die mangelnde Reichweite der 1990er Unabhängigkeitserklärung.

���� ���* �������� ���# ��%��<� ����� ����<�, �� ��� �@���^�� @� �# � @�������. ����� � �� � – @��������� ��' � \��� ��. �������� 27 �Y � [sic!] 1990 ���� ������^�Y � ����������� �# ������ ����� ���������' ~~|, ����#� � ���@�%��� @����\���� ���*��� ���� � �� ���������� ����* \��� �� � ��#���� �����. �� � %��� ��#�"� <� ���� < �*������ @�� Y������^��' ~�Y\� ~~| � ��@� �Y�, ����������� �, ��Y\ <� \��� <.

Ungefähr zwei Dutzend Unternehmen eröffneten Rubel-Konten, jedoch liefen keine Transak-tionen über sie. Grund dafür ist der berühmte Gesetzeskrieg. Mit der Annahme der Erklärung der staatlichen Souveränität der Belarussischen SSR am 27. Juni [sic!] 1990, verkündete das Parlament der Republik die Hoheit seiner Gesetze und normativen Akte auf dem Territorium der Republik. Doch leider unterstehen die Zollorgane der Gerichtsbarkeit der UdSSR und befolgen, demnach, die Gesetze der Union.

[��' � \��� �� � _���� �����. (=�� �%�\������>), Der Krieg der Gesetze schont nie-manden (Unser Berichterstatter), A1]

Auch ein Interview mit dem Vorsitzenden des Ministerrates der BSSR mit dem Titel «� � *���� ��� ��> �� � ��%��...» („Sie wollen uns zur Leibeigenschaft zurückbringen...“, vgl. Artikel 4) thematisiert weitgehend die ökonomischen Folgen der Unionsverhandlungen, etwa wenn Belarus russisches Öl nur noch zu Welt-marktpreisen erhalten würde. Andererseits ist das Interview Ausdruck dafür, dass zu dieser Zeit, da die unabhängige Presse kaum entwickelt war und sich in ihrer Kritik noch nicht so sehr von der staatlichen Presse unterschied, es zumindest für den Belorusskij Rynok möglich war, exklusiv Stellungnahmen von ranghohen Politikern

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184 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

der Regierung zu erhalten. Der Belorusskij Rynok beschäftigt sich auch mit dem Putsch in Moskau – wiederum aus vornehmlich ökonomischer Sicht.

����<� Y�� �_� @������<��Y� �%<��� �� ���*� �� �' ���*� ��� *� �<. =� ������<�, ��#���� � @��#<� � ����� <� @�����, �^� ���Y� ��\�>��# @���� �� \ ���# «@Y�». ��%��� ��#�������, �\%��� �� �� ������� �#�, ��� � ��� � ���_� �� �� �Y\�', ����� ����� ��\����Y �%_����� � � ���� ���� @���@�� �#���>���* ��������.

Die Geschäftsleute addieren noch die Verluste vom dreitägigen Bacchanal87 der Junta. Aber einige bewerten, ungeachtet der mittelbaren und unmittelbaren Schäden, die Ergebnisse des Put-sches mit einem Plus-Zeichen. Der Sieg der Demokratie, die Erlösung von der Lethargie des Geis-tes, ebenso wie auch die Reinigung von der Illusion, geben den Anstoß zur Entwicklung der Ge-sellschaft und insbesondere zur privatwirtschaftlichen Unternehmerstruktur.

(~@���' �� ���... �� 19 �������. (���� �� ���� ��), Ruhiger Sommer... bis zum 19. Au-gust (Aleksandr Lu�enok), A5)

Gerade dieser letzte Artikel zeigt den Pluralitätsgrad des Belorusskij Rynok, da der Autor, ein Wirtschaftswissenschaftler, Vor- und Nachteile der demokratischen Entwicklung offen reflektiert. Die Berichterstattung über oder Kritik an anderen journalistischen Erzeugnissen spielt ebenso keine Rolle wie Fotos. Jedoch verfügt der Belorusskij Rynok zu dieser Zeit über Karikaturen und kleine Zeichnungen, pas-send zu den Themen der Artikel oder Rubriken. 6.3.4 Naša Niva (��%� �i��) Die ersten beiden Ausgaben der Naša Niva fehlen in der Sammlung der National-bibliothek in Minsk. Die erste archivierte Ausgabe ist die Ausgabe Nummer Drei vom Oktober 1991. Damit liegt sie weit entfernt vom eigentlichen Stichprobenzeit-raum. Um jedoch einen Eindruck zu vermitteln, wie die Naša Niva in ihren ersten Ausgaben auftritt, sollen zwei Artikel besprochen werden, die sich mit der Unab-hängigkeit des Landes beschäftigen. Auch daraus wird sich im Zusammenhang mit den beiden folgenden Stichprobenzeiträumen zeigen, wie sich diese Kulturpolitische Zeitung verändert hat. Der erste Artikel ist ein Gedicht von Tacjana Sapa� aus einem Band namens «���� >» („Herbst“). Es steht auf dem Titelblatt gleichsam als Aufmacher neben einem verwackelten oder zu lange belichteten Foto einer De-monstration; schemenhaft zu erkennen sind lediglich die weiß-rot-weißen belarussi-schen Flaggen.

87 altrömisches Fest zu Ehren des griechisch-römischen Weingottes Bacchus (ausschweifendes Trinkge-lage)

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6.3 Die Berichterstattung zur Unabhängigkeit 1991 185

�� ��> � *��Y�^^� #��� Wie frei fließt das Meer ����<��<* �>^����!.. der Flaggen des Triumphs!.. �� ��<�� ���Y @���#��� wie aufrichtig ihren Sieg �>�����Y^> ����i! – feiern die Helden! ���> �i# � i* �}*� das Echo ihrer Hymne ����� ��\ ��i^^� \ ��, ertönt aus der Ferne erneut, i @<����� � �%� ��Y�, Feuerwerk spritzt in den Himmel, i%< �>��"�� ����; als wäre es frisches Blut, i – @��i�, #�" <� – und – leidenschaftlich, tapfer – ����< #�"�< �� ����^>, erklingt der Männerschwur, i ������� �i>��^> stechender Schleier @���� "� ��<# ����#. überzieht die Augen der Frauen. I �\i� � # � – Und es ist seltsam für mich –

��\�# \ ��i#i ���<�>^i i�>^i mit all den anderen irgendwohin zu gehen � %���� �����<#, auf heißem Pflaster, @� #����<# ��� <# i�>^i, auf totem, trockenem Laub, ����^> i � ���<^>, suchen und nicht glauben, dass das

��� ��%�� @���� #i>�� �, Gesicht des Freundes ab und zu erscheint, i ����^> �@}� �, und leise wissen, ��� � � @�\ �� %< #� �. dass er mich nicht erkennen wird. («���� >» (��^� a ~�@��), „Herbst“ (Tacjana Sapa�), A6)

Die nationalistische Grundhaltung, die hier über Foto(kunst) und Poesie vermittelt wird, ist typisch für die Naša Niva. Wenngleich sie nicht tagesaktuell politisch be-richtet, so werden nach dem Moskauer Putsch doch Fragen grundlegender Natur aufgeworfen, etwa danach, was Demokratie ist, danach wie das Zusammenspiel von Volk und Politik funktionieren soll und kann.

���>� �������Y"}� �� " i�� >���� �@}�}��i, ���Y �����# ���* "<^>^�� \���i #�������i� @�i�<�i, �<��i��� ��@��#, �� #�� \ ��<^> � @�i�<^< ���, ��� �\<��Y^> ����# ‚ ����’, i �� #�� ��@������ ���'#� ��@���� �#� �} �� ���� ‚��#�����<�’. […] �}#�����<� – �}�� �'@��� � �<��#� i\#, @��>� – ��#@��� ���%����, @��>� – ��<� ��^<� � «���>��� <� ��� ����<»... i ��>�i �\����<# ^i ���<# @� ���# – ���� ����� �� ���' ����@ ��>^i �� i ��<����� i ��������.

Nach dem Moskauer Schauspiel im August, das drei Menschenleben forderte, wurde plötzlich offensichtlich, wie wenig dem, was man als Volk bezeichnet, in der Politik beigemessen wird., und wie wenig dies mit der wahren Bedeutung des Wortes Demokratie übereinstimmt. […] Demokratie, das ist zuerst Antikommunismus, danach ist es der Komplex von Freiheiten, danach ist es die Ori-entierung an „universellen Werten“… und erst an zehnter oder hundertster Stelle ist es die Macht des Volkes in allen Teilen ihrer Institutionen und Strukturen.

(=���� i @���<�� (~����' ��������), Volk und Politik (Sjarhej Pa�lo�cki), A7)

Der Artikel zeichnet sich nicht nur durch seine intellektuelle und gesellschaftstheo-retische Grundhaltung sondern auch durch hohen sprachlichen Stil aus, ungleich den folgenden Verlautbarungen des Obersten Sowjets in der Sovetskaja Belorussija oder den durch marktwirtschaftliches Vokabular geprägten Belorusskij Rynok.

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186 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

6.3.5 Sovetskaja Belorussija (���� ��� ���� ��) Der Aufbau der Sovetskaja Belorussija im ersten Stichprobenzeitraum 1991 ist typisch für die sowjetische Parteipresse und geprägt von Nachrichten, Mitteilungen, Ver-ordnungen und Gesetzen aus dem Zentrum der UdSSR. Zieht man die obigen Ausführungen zu den erst beginnenden Veränderungen und der Reorganisation der Sovetskaja Belorussija hinzu, kann dies nicht verwundern. Die Sovetskaja Belorussija ist zu Beginn der 1990er Jahre wie auch heute ein Schwergewicht in der Presseland-schaft mit dem Unterschied, dass sie 1990 die Konkurrenz der unabhängigen Zei-tungen noch kaum kannte. Schwerpunkte der Berichterstattung im Zusammenhang mit der Unabhängigkeit bilden natürlich Artikel zu Unabhängigkeit selbst, zum Putsch in Moskau und zum Unionsvertrag. Die Themen treten entsprechend der historischen Abfolge in der Sovetskaja Belorussija auf.

Am 16. August wird der vorgelegte Vertrag der Gemeinschaft unabhängiger Staaten (GUS) komplett abgedruckt (vgl. Artikel 10). Auf derselben Seite diskutie-ren zwei Philosophen das Programm der kommunistischen Partei unter dem Titel «����\� � ������������ %��%�?» („Ist der ideologische Kampf verschwun-den?“, Artikel 9). Zwar kritisieren die Autoren die kommunistische Partei, finden jedoch einfache Gründe für den Niedergang des Sozialismus, so etwa die unzurei-chende Entwicklung und Beschäftigung bzw. das Wissen um den Marxismus-Leninismus – mit weit reichenden Konsequenzen:

� ��"�� �Y, ����� @����� ���> @�������> � ������* ������\�^�� � ���� �* � ����^�����������* ��.

Leider zeigt sich diese Passivität im Kontext der Aktivierung der inneren antisozialistischen Kräfte.

[����\� � ������������ %��%�? (�. {���/ �. ���@� ��); Ist der ideologische Kampf verschwunden? (I. Galko/ I. Karpenko), A9]

In der Ausgabe vom 23. August 1991 berichtet die Sovetskaja Belorussija ausführlich über den Putsch in Moskau unter dem Aufmacher «=���� \�_��� ��#�����Y» („Das Volk verteidigte die Demokratie“). Einige Tage später wurde der offiziellen Unabhängigkeit vom 27. Juli 1990 der Verfassungsrang zugesprochen, die Sovetskaja Belorussija erschien am 27. August 1991 mit dem Aufmacher: «=�\�����#���> – @���<� � %���_��» („Unabhängigkeit – Durchbruch in die Zukunft“). In dem Artikel (39) wird die Parlamentsdebatte zur Unabhängigkeit und einzelnen Positio-nen neutral wiedergegeben. Am folgenden Tag erschien das Gesetz über die Souve-ränität auf dem Titel der Sovetskaja Belorussija in fetten Lettern. Im Folgenden – so zumindest der Eindruck – berichtet die Sovetskaja Belorussija nun auch etwas kriti-scher über die Regierung bzw. lässt kritischere Stimmen zu Wort kommen. So den Komponisten Oleg Sonin, der im Interview die Situation in Belarus mit Spanien Anfang der 1980er vergleicht und philosophisch-intellektuell ausführt, dass Natio-nalismus und „Wiedergeburt“ unvereinbare Dinge seien (A56). Oder es werden die jetzigen und zukünftigen Führer kommentiert (A58).

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6.3 Die Berichterstattung zur Unabhängigkeit 1991 187

Journalismusjournalismus. Was die Medienberichterstattung betrifft, so gibt es ei-nige Kommentare, welcher Sender oder welche Zeitung wann was falsch gemacht habe etc. Interessant aus Sicht der Transformation erscheint der interne Umbau der Sovetskaja Belorussija, die nach ihrem Aufruf am 27. August an ihre Leser an der Umgestaltung zu partizipieren, bereits zwei Tage später erste Rückmeldungen be-kannt gibt. Insofern kann über die Berichterstattung dieser Umbau zum Teil ver-folgt werden. Die Redaktion erhielt einen ersten Vorschlag:

�\#� ��> �\�� �� ��\��< «~�������� ���������» � @����� «���������». ���# ����* ��> �'��* @����"� �'. � �����^�� ���> ���' �\��� � }�� @��%�#�. =�# ��" � ���� ����.

Verändern des Zeitungstitels „Sovetskaja Belorussija“ in nur „Belorussija“. Wir warten auf Ihre weiteren Vorschläge. In der Redaktion haben wir unsere Meinung zu dem Problem. Uns ist Ihre Meinung wichtig.

[������ @����"� �� (-), Erster Vorschlag (ohne Autor), A50]

Jedoch ist es interessant zu sehen, dass die Sovetskaja Belorussija bis heute „Sowjeti-sches Belarus“ heißt, mehr als 15 Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung. Der damalige Wandel ist wohl auch daran gescheitert, dass sich der Chefredakteur über die redaktionsinternen Proteste immer wieder hinwegsetzte (vgl. dazu a. Mihalisko 1992: 10, Anm. 18).

Insgesamt dominieren in der Sovetskaja Belorussija Gesetzestexte, Ukaze, Ver-lautbarungen, Aufrufe, Mitteilungen, Reden und Interviews. Mit der Unabhängigkeit entsteht der Eindruck, dass die Redaktion versucht, ihre Texte etwas kritischer und lockerer zu gestalten und in Kommentaren mit etwas mehr ‚Biss’ ans Werk zu ge-hen. Trotz allem bleibt die Sovetskaja Belorussija zu diesem Zeitpunkt stilistisch farb-los, und gleicht innerhalb des ersten Stichprobenzeitraums eher einem Gesetzes-blatt. Vielfalt wird dort kaum erreicht. Fast alle Quellenangaben beziehen sich auf die staatlichen Nachrichtenagenturen BelTA und TASS. Bei den vielen kleinen Meldungen werden die unterschiedlichen richtungspolitischen Strömungen kaum einmal erwähnt. Nach der Unabhängigkeit finden jedoch auch die Gedanken der Opposition Eingang in die Berichterstattung. Zeitgleich versucht die Redaktion mit Hilfe ihre Leser die Zeitung umzugestalten, also eine Art kommunikativer Rück-kopplung, die ansonsten nicht stattfindet bzw. von der erdrückenden Last offizieller Verlautbarungen der KPdSU übertüncht wird. Stilistisch ist es dann auch schwierig, die Berichterstattung zu bewerten. Die „normalen“ Artikel, die also weder offizielle Verlautbarung noch Gesetz darstellen, erscheinen im einfachen, für jeden verständ-lichen und bekannten sozialistischen Duktus, der keine gesellschaftlichen Probleme kennt, es sei denn, sie sind schon gelöst.

Bilder. Zum Putsch in Moskau finden sich viele Fotos von den Demonstratio-nen und blumengeschmückten Panzern. Auf vielen sieht man Särge oder Grabstei-ne, auf denen die KPdSU symbolisch zu Grabe getragen wird. Die letzten beiden Buchstaben der Aufschrift KPdSU (russisch in lateinischen Buchstaben: KPSS)

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wird in Anspielung auf die nationalsozialistische Diktatur mit zwei Runen darge-stellt: ��SS. Diese Konnotation der KPdSU mit den Nationalsozialisten durch die Demonstranten findet jedoch in den Texten keinen Niederschlag. Sonstige Fotos zeigen Mädchen in belarussischen Trachten, einfache Arbeiter, etc. – also typisch Motive der sowjetischen Presse.

6.3.6 Fazit Die Stichprobe 1991 wird dominiert von der Berichterstattung der staatlichen So-vetskaja Belorussija, die den staatlichen sowjetischen Organen treu ergeben ist und erst mit dem Gesetz zur Aufwertung der Unabhängigkeit am 25. August 1991 ver-sucht, ihren Stil zu „reorganisieren“. Die beiden anderen, unabhängigen Zeitungen der Stichprobe erscheinen im Sommer 1991 gerade mit ihren ersten Ausgaben. Diese decken die Themen Putsch in Moskau, Unabhängigkeit, GUS-Vertrag kaum ab, sondern sind gekennzeichnet durch ihre spezifischen Themenfelder Ökonomie (Belorusskij Rynok) und (nationale) Kultur (Naša Niva). Vielfalt wird kaum erreicht. Die staatliche Sovetskaja Belorussija pflegt den sowjetischen Einheitsstil, die beiden anderen berichten (noch) in zu geringem Umfang. 6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 6.4.1 Ereignis Allgemeiner Kontext. Im Mai 1995 scheiterten die Parlamentschaftswahlen in Belarus. Mehr als 30 Programme unbekannter und zerstrittener Parteien überforderte die Wählerschaft (vgl. Sahm 1995, Lorenz 2001: 220ff.). In der Folge kam es zu Ausei-nandersetzungen zwischen dem 12. Obersten Sowjet und dem mittlerweile gestärk-ten Präsidenten. Der Trend zum autoritären Regime wurde durch mannigfaltige Einschränkungen der Medienfreiheit, dem Referendum zur Staatssymbolik und der öffentlichen Meinungsbildung in den Monaten zuvor unterstützt.

„Für den Fall, daß auch die Nachwahlen zum Obersten Sowjet keine Parlamentsbildung ermögli-chen sollten, kündigte Präsident Aljaksandr Lukašenka zudem die Einführung einer direkten Prä-sidialherrschaft an. Dementsprechend ignorierte der Präsident auch die Urteile des Verfassungsge-richts, das 1995 insgesamt elf seiner Erlasse für verfassungswidrig erklärte.“ (Sahm 1997: 475)

All diese Umstände führten 1996 zu einer innenpolitischen Krise, die im Sommer durch die schlechte volkswirtschaftliche Lage weiter verschärft wurde. Der Präsi-dent, die Administration und einige Massenmedien starteten eine Kampagne zur Durchführung eines Referendums mit dem Ziel einer Verfassungsänderung und damit die Schaffung einer stärkeren Exekutive, „um rasch, pragmatisch und gezielt den Ausweg aus der Krise zu finden. Die Einheit der Gewaltenzweige, argumentier-te Lukasenka seither, sichere ihr effektives Funktionieren.“ (vgl. Lorenz 2001:

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 189

236f.). Im Vorfeld kam es zu Protesten, die Opposition verglich Lukaš�nka mit Hitler und der Wahlleiter Han�ar erklärte, er werde die Ergebnisse nicht anerken-nen. Der Präsident setze Han�ar verfassungswidrig ab. Ein darauf vom Obersten Sowjet angestrebtes Impeachment-Verfahren scheiterte. Präsident Lukaš�nka ließ am 24. November 1996 per Plebiszit über einige politische Veränderungen in Bela-rus abstimmen. Die wichtigsten Punkte des umstrittenen weil manipulierten Refe-rendums bildeten die Veränderungen und Zusätze zur Verfassung von 1994, die den Präsidenten mit einer allumfassenden Macht ausstatteten, und die Verlängerung seiner ersten Amtszeit auf sieben Jahre. Die Staatssymbolik wurde bereits im Mai 1995 per Referendum geändert und betraf hauptsächlich die belarussische Staats-flagge, von der weiß-rot-weißen zur grün-roten Flagge, die bereits zu Sowjetzeiten für Belarus stand, diesmal jedoch ohne Hammer und Sichel. In der Sprachenpolitik gab es ebenfalls eine Rückkehr: Neben Belarussisch wurde Russisch wieder zur offiziellen Amtssprache.88

Journalismusspezifischer Kontext. Das Referendum zwei Jahre nach den ersten Prä-sidentschaftswahlen verdeutlicht die harte Politik des ersten Präsidenten. Die Jahre von 1994 bis 1996 sind im Bereich des Journalismus geprägt durch Zensur, Ver-staatlichung und dem Auseindanderdriften von staatlicher, staatsnaher und unab-hängiger Berichterstattung. Institutionalisiert hat sich diese Spaltung in der Organi-sation des Journalistenverbandes Belaruskaja Asacyjacyja Žurnalista� BAŽ. Am 11. Oktober 1995 befahl der Präsident die Schließung von drei Zeitungen, darunter auch die Belorusskaja Delovaja Gazeta und die Narodnaja Volja. Die Zeitungen verleg-ten ihren Druck nach Litauen. Der Präsident reagierte mit einem Vertriebsstopp der Zeitungen über Kioske und Postweg. Eine Klage gegen die Präsidialdekrete führte dieses Mal noch zum Erfolg. Im Februar 1996 kündigte die Präsidentenadministra-tion den Mietvertrag für die Büros der Nachrichtenagentur BelaPan. Die einzige unabhängige Nachrichtenagentur musste das Gebäude am Tag nach der Kündigung verlassen. Im Juni wurde die Belorusskaja Delovaja Gazeta kurzzeitig wegen Veröffent-lichung von Staatsgeheimnissen nach Artikel 5 des Gesetzes „Über die Presse und andere Massenmedien“ verboten. Im selben Monat gelang ihr jedoch bereits die Neu-Registrierung. Im August 1996 wurden neun unabhängige bzw. Oppositions-blätter der Steuerhinterziehung verdächtigt. Darunter waren auch alle nicht-staatlichen Zeitungen der vorliegenden Stichprobe. Fünf der der elf Zeitungen wurden zu Strafzahlungen verurteilt (vgl. dazu European Institute for the Media 1997). Das Referendum steht daher nicht nur in der politischen Transformation für den Wendepunkt im demokratischen Prozess, sondern zudem für massive Eingriffe im Journalismus. Daher lassen sich erhebliche Unterschiede in der innenpolitischen Berichterstattung und der Darstellung des Präsidenten erwarten. 88 Sahm (1997) und auch Lorenz (2001) beschreiben ausführlich die politische Lage vor dem Referendum und die Konsequenzen danach. Auch die Manipulationen und Unregelmäßigkeiten vor und während der Abstimmung analysieren beide.

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6.4.2 Vorgehen Stichprobe. Formal-inhaltliche Kriterien. Alle für die Analyse ausgewählten Zeitungen erschienen im Zeitraum der zweiten Stichprobe. Innerhalb des Untersuchungszeit-raums vom 15. bis 30. November 1996 wurden 152 Artikel für die Analyse ausge-wählt. Auf die Belarusskaja Delovaja Gazeta entfallen 31 Artikel, den Belorusskij Rynok 17, die Narodnaja Volja 37, Naša Niva 12 und auf die Sovetskaja Belorussija 55 Arti-kel.89 Das Plebiszit ist das zentrale Thema der Ausgaben im Stichprobenzeitraum. Maßgebliche Unterschiede ergeben sich in der inhaltlichen Ausgestaltung des The-mas, sowie durch die „Aufladung“ des Ereignisses durch Nebenthemen.

Inhaltlich-thematische Faktoren. In der inhaltlichen Ausarbeitung unterscheiden sich die Zeitungen maßgeblich. Zunächst soll das Hauptthema betrachtet werden – erst die Berichte, dann die Kommentare und Bewertungen. Danach werden Neben-themen, die mit dem Referendum in enger Verbindung stehen, dokumentiert bzw. einzelne Begriffe und Vergleiche zu anderen Ereignisse aufgezeigt. Abschließend werden die Berichterstattung über andere Massenmedien und der Einsatz von Bil-dern in Augenschein genommen.

Um eine gewisse Übersichtlichkeit und Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten, werden die Zeitungen erneut nacheinander in alphabetischer Reihenfolge abgehan-delt. Ein Zwischenfazit soll die Ergebnisse zu den Einzelpublikationen zusammen-fassen und bewerten. 6.4.3 Belorusskaja Delovaja Gazeta (���� ��� "���� #�����) Die Belorusskaja Delovaja Gazeta BDG berichtet sehr kritisch über das Referendum und die damit verbundenen Ereignisse. Eine große Rolle spielt dabei die Tatsache, dass der Wahlausgang bereits vorher feststand. Der Artikel mit dem Titel „Stimm ab – stimm nicht ab: egal, du verlierst“, der nach der Wahl erschien, macht dies deutlich und zeigt zudem, wie Zitate und Stellungnahmen von Einzelpolitikern gegenübergestellt werden.

��� ���� �� ������ �� @����� � @���������, ��� «��'������* +�%� <���+��=�», �� �@���� @���#� �� ~�#� ����^��' �%>��� @�������' @�%��^�� �����#. […] =��#���� �� ��������� ����� �' ��� @���� �� �����"�� �' � ��#, ��� ��\�>���< ������ ��#� ��>����^����� <. �� �^� �� ~����� ����� �, «���>� �� +�������� ��� +���� @� ������� [ �� �� <�� 40% ��<�������».

Während Aleksandr Lukašenko ständig hervorhebt, dass „das Referendum tadellos von Statten ging“, nennt der Sprecher des Parlaments Semen Šareckij das vergangene Plebiszit offiziell eine Farce. […] Die ungewöhnliche Menge an Verstößen gab Anlass für den Verdacht, dass die Resul-tate des Referendums gefälscht wurden. Nach Einschätzung von Sergej Kaljakin „stimmten real nicht mehr als 40 Prozent der Wähler für das Verfassungsprojekt des Präsidenten.“

[{����' – � �����': ��� ��� � @��������> ( ���' ��*�����'), Stimm ab – stimm nicht ab: egal, du verlierst (Andrej Machovskij), A84]

89 Zur genauen Artikelauswahl vgl. die Aufstellung im Anhang.

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 191

Damit zusammenhängend wird der Sieg von Lukaš�nka als Pyrrhussieg bewertet (siehe A78), da dieser nicht verfassungskonform sei. Die Opposition findet inner-halb der Zeitung den Raum, ihre Meinung zum Referendum klarzustellen bzw. auf Missstände hinzuweisen (vgl. A73). Nach der Bekanntgabe der Ergebnisse und der Annahme der neuen Verfassung folgt ein Requiem für das Parlament.

�� ��� [��@���� ���' ��#��, C.�.] # � �Y, @��\����# ���*�� ��� ~����� ��"� �%`����> � @������ ��� �� �� �^�' ���< �����������. ����<# ���\�# @��\����#�, @� ����# ��@����� ��#���, ��"� ����> ���\ �% ������ ��\� ��� ������ ��. […] � Y%�# ����� ������ �, ��� � � }��� ��\ @��\��� ����� �@@�\�^�� @�������. ~���#������ �#� � �#� �����^�� ������ �� «�����# �#�» ���#� @���#� �� �"� @���� ����� @������@�������>, ���#� ��������� ��*� 70 ������. ~#���> @���#� ��, �����> ���> �������� ���\���> ��#�' �����' � ������� �������, ���������� ��\%�" �.

Nach seiner [der Abgeordnete Andrej Klimov, S.J.] Meinung muss der Oberste Sovet offiziell die Amtsniederlegung des Präsidenten erklären. Das erste Ukaz des Präsidiums müsste, nach Mei-nung des Abgeordneten Klimov, ein Ukaz zur Inhaftierung Aleksandr Lukašenkos sein. […] In je-dem Fall ist offensichtlich, dass auch dieses Mal die Opposition des Präsidenten verloren hat. Dem von der Administration von Lukašenko gebildeten „legitimen“ neuen Parlament etwas hinzuzuset-zen, ist schon fast wieder unnötig, außer der Standhaftigkeit der Moral/des Geistes von 70 Perso-nen. Der Tod des Parlamentes, dessen Tätigkeit sich als die kürzeste in der Geschichte von Bela-rus erweist, ist faktisch unvermeidlich.“

[|�����# @� @���#� �� ( ���' ��*�����'), Requiem für das Parlament (Andrej Ma-chovskij), A87]

Zudem widmet sich die Belorusskaja Delovaja Gazeta in mehreren Artikeln dem „Blick von außen“ und geht dezidiert auf die Kritik der internationalen Politik, sowohl des Westens als auch des Ostens ein.

{- �}��� ���"� ��#���, ���, @� # � �� ~���� � <* ������, � %��������' �� �����^�� �� �����* Y���������* �� ��� �' �� ��* ��'����', �����<� @���@�� �#��� @��\��� � ������ ��.

Davis stellte ebenfalls fest, dass es in der belarussischen Verfassung nach Meinung der Verei-nigten Staaten keine juristische Grundlage für solche Handlungen gibt, die Präsident Lukašenko unternimmt.

[��>��� ������� � ������� >� (¡��� � ���#�^�� «��{»), Vieles wird aus der Ferne sichtbar (Ressort Information von „BDG“), A69]

� ��\�>���� %�� � ��\����Y_����� @����������� ���\��� ������> ���\���> � ^� ��� � �#� �� #�����' �%_����� ����Y. =� \����� �� ���*�� ��� ~����� � @�������Y @�� �^� @������������ �����^�� ����@���#� ��, ���*�� �' |��< ����� < � @�>����� ~�'#� �� ���� � ��^�-#������#.

Als Ergebnis der sich stürmisch entwickelnden politischen Krise, befindet sich Belarus plötz-lich im Zentrum der Aufmerksamkeit der Weltgemeinschaft. An der Sitzung des Obersten Sowjets am vergangenen Freitag nahmen eine Delegation des Europäischen Parlaments, des Obersten Ra-tes der Ukraine und des Polnischen Sejms, geführt vom Vize-Marschall, teil.

[���������> ��� �� ����... (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), Der schlechte Ruf eilt voraus... (Ol’ga Tomaševskaja/Andrej Machovskij), A80]

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192 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

|���^�� �����'����� ����������� � ����� %���������� @�%��^���, ������' ��� "��� � %�>��# ����@� ��#, ���\���>, ��� � �"�����>, �������� � @��*�� �'. ��# � #� �� |����� @��\ �� @�%��� \� �- �# ������ ��.

Die Reaktion der russländischen Führung auf die Ergebnisse des belarussischen Plebiszits, die alle mit großer Ungeduld erwarteten, erwies sich, wie auch erwartet, abweisend. Gleichwohl wurde der Sieg für Herrn Lukašenko von Russland anerkannt.

[��� ��� ����> � ��\��������� � %��������# @��\��� �� (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), Die Welt ist endgültig enttäuscht vom belarussischen Präsi-denten (Ol’ga Tomaševskaja/Andrej Machovskij), A88]

Auffällig ist die deutliche Kritik an der Einschätzung der Wahl durch die russische Seite: Russland erkennt letztlich doch den Sieg des «�- ������ ��» („Hr. Lu-kaš�nka“) an. Das ist eine eher untypische Schreibweise für den Präsidenten, da diese Anrede meist nur für Ausländer benutzt wird, und durchaus als Kritik gewer-tet werden kann. Ein Unterthema in dieser Debatte sind die Diskussionen um die Leibgarde des belarussischen Präsidenten, die scheinbar übermäßig hart gegen den entlassenen Wahlleiter Han�ar vorgegangen war. Der belarussische Präsident entließ den Wahlleiter per Dekret. Als dieser sein Büro betreten wollte, hinderte die Leib-garde Lukaš�nkas ihn daran. Deshalb forderte der Abgeordnete Klimov, die Leib-garde unter die Fittiche der Staatsanwaltschaft zu nehmen.90 In einem weiteren, sehr langen Artikel, der fast eine Zeitungsseite füllt, vergleicht der Autor Anis’ko die Leibgarde des Präsidenten mit der Leibgarde des Zaren Ivan IV., des Schrecklichen, für die im Russischen eine eigene Bezeichnung «�@��� � <» existiert. Wohlge-merkt erschien dieser Artikel drei Tage vor dem letzten Tag der Abstimmung. Ne-ben der Zusammensetzung der Leibgarde und ihrer „Evolution“, kommt Anis’ko zu dem Schluss, dass die Spezialeinheit der Präsidentenleibgarde nicht verfassungs-konforme Strukturen besäße. Dies führt ihn mit einem weiteren Griff in die Kiste historischer Vergleiche zu einer Gleichsetzung mit Nazideutschland:

� *�� @�_� < �������� <� �_� {�%%�>��# @���#<: ���@������ � �� ���%������ �' ��\� ���#�^�� (���� ����� *��� %< @��"������ |�'�����). ¢�����> %< �����>, ��� \����<' �#<� @�\���� �\%�"��> �^�� �> �' ��������.

Es wurden bereits Methoden à la Goebbels eingeführt: die Verbreitung vorfabrizierter Falsch-informationen (derer man standhält sogar wenn der Reichstag in Brand gesetzt wurde). Man möchte glauben, dass der gesunde Menschenverstand die nationale Tragödie vermeiden lässt.

[£��Y^�� «�@��� � <» (~����' ��>��), Evolution “der Leibwache Ivan IV.” (Sergej Anis’ko), A76]

Meist sehr polemisch stellt Aljaksandr Fjaduta das Referendum dar. Der ehemalige Berater des Präsidenten und „Wahlhelfer“ von 1994 wandte sich 1995 vom Präsi-denten ab und schreibt nun Kommentare für die BDG.91 Fjaduta bewertet auch 90 �*�� � @��\��� �� «@�� ��@���#» � @���������< (¡��� � ���#�^�� «��{»), Leibgarde des Präsidenten „unter den Fittichen“ der Staatsanwaltschaft (Ressort Information von „BDG“), A70 91 Im Jahr 2005 gab er eine politische Biografie Lukaš�nkas heraus (vgl. Feduta 2005), die in belarussi-schen Buchladen gleichwohl nicht erhältlich ist.

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 193

1996 in der für ihn typischen Art, hier sehr poetisch, die Vorhaben und die Person des Präsidenten:

������� {��������� �_� ��\ @����#� ���������> urbi et orbi ���Y ��� ����� � ���@���Y ���"��<#� %����#� ����� �>, � ���"� ��Y"� <� ��<�� �<*��� ��*�# �\ ���<.

Zum wiedergeholten Mal demonstrierte Aleksandr Grigorevi� urbi et orbi seine von gefälligen Barden in unzähligen Lobpreisungen besungene Sachlichkeit, sowie seine überdurchschnittliche Fertigkeit, trocken aus dem Wasser zu steigen.

[����� ��%�>����� ������ �� (���� �� �����a), Die Lehren des Novemberaufstandes (Aleksandr Feduta), A90]

Und noch vor dem Ende der Volksabstimmung bewertet Fjaduta kritisch die bishe-rigen Handlungen des Präsidenten seit seiner Wahl 1994 (so auch die Eingriffe im Mediensektor), woraus er einen Blick in die Zukunft von Belarus nach dem Plebis-zit ableitet:

�����*���_�� � %��������' @���������' �^� � @�������� �� #�" � � ���@���������> � ����� \�� �� ��\ <* "� ���. ���#�����> @� ������� �Y �<���@� �� ���� �� � ��� ����� ��� @��\��� �� -- ����� %<, ��#����. ~��� @� @����Y_�# @������# ����������� <* #���\� �� -- #�_� ���� ���#�. ����#���>, ��� �� "��� @��� 24 ��%��, � @� �#���>, ��� }�� �@� � #�"�� �%�� ��>�� ��������'. ��� ��, �"� �%�� ���>, � ^�<# ^���#. ������, � @� �# ������������ � #�����%�# ���* ��������@���������* ������ �' �������� � �� �����-�� #�� >���.

Die Vorstellung, die sich derzeit auf der belarussischen politischen Bühne abspielt, kann man vom Standpunkt unterschiedlicher Genres aus interpretieren. Wenn man im Fernsehen den einen oder den anderen Anhänger des Präsidenten sieht, kommt es einer Komödie gleich. Wenn man aber die leeren Regale der staatlichen Geschäfte sieht, so ist es ein Drama. Wenn man daran denkt, was uns nach dem 24. November erwartet, so wird einem bewusst, dass sich das Ganze durchaus in eine Tragödie umkehren könnte. Genau genommen ist es schon passiert. Aber es stimmt, ent-sprechend dem Niveau unserer akteurpolitischen Talente fallen unsere Tragödien ziemlich klein aus.

[��� >��� �������� (���� �� ������), Kleine Tragödien (Aleksandr Feduta), A67]

In einem seiner Kommentare nimmt Feduta Begriffe und Vergleiche auf, die viele andere Journalisten und Kommentatoren – auch anderer Zeitungen – ebenfalls benutzen: Der Begriff der Diktatur als Bezeichnung des belarussischen politischen Systems wird salonfähig und taucht nahezu in jeder unabhängigen Publikation auf. Ebenso treten nun Vergleiche mit den Nationalsozialisten auf die Agenda.92 Der Vergleich Lukaš�nkas mit Hitler drängte sich zum Teil auf, da sich der Historiker und spätere belarussische Präsident bereits 1994 auf die Frage eines Korresponden-ten des deutschen Handelsblatts begeistert über das Ordnungstalent Hitlers äußerte.

„Hitler schuf ein mächtiges Deutschland dank einer starken Präsidialmacht. […] Wir durchleben heute einen solchen Zeitabschnitt, in welchem ein Zusammenraufen um einen einzelnen oder eine

92 Vgl. ��\���� @�"�� |�'*����� (���� �� ������), Es naht der Reichstagsbrand (Aleksandr Fedu-ta), Artikel 72.

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Gruppe von Leuten nötig ist, um zu überleben, aufzustehen und wieder auf die Beine zu kom-men.“ (zit. nach Lindner 1999: 409)

Andere Autoren der Belorusskaja Delovaja Gazeta greifen ebenfalls zu den Begriffen Diktatur, Lüge und Gewissen, die angebracht scheinen, die Lage des Landes bzw. die Umstände des Plebiszites zu umschreiben. An dieser Stelle soll die Nennung einiger Titel genügen:

���> � @� "�! Nicht auf Lügen leben! [A62]

~���* @���"� �� ��> �� ����� �������

Die Angst vor der Niederlage ist stärker als die Stimme des Gewissens [A64] �#@��#� � – ���"�� @����� ��������<

Impeachment – Waffe gegen Diktatur [A68] «~�����> ����\�� ��" �� ����� ����> ���...»

„Das Gewissen ist bei weitem wichtiger als alles Andere...“ [A81]

Journalismusjournalismus. Das Thema Medien spielt innerhalb der Belorusskaja Delovaja Gazeta zu dieser Zeit kaum eine Rolle. Innerhalb des Untersuchungszeitraums fan-den sich lediglich zwei Artikel zur Medienberichterstattung (A63, A66). Von Inte-resse ist an dieser Stelle der Bericht über die Narodnaja Gazeta, die kritisch über die Reisen von Abgeordneten berichtete. Das Gericht entschied auf eine Strafe von 5 Mio. BLR (vgl. A66). Des Weiteren sind die Monitoring-Ergebnisse des Europäi-schen Instituts für Massenmedien interessant, welche die Fernsehberichterstattung zum belarussischen Referendum im belarussischen und russischen Fernsehen ver-gleichen. Die BDG berichtete über diese Auswertungen in dem Artikel: ���� � �� � ������ (¡��� � ���#�^�� «��{») [Spiel auf ein Tor (Ressort Information von „BDG“), A86].

Am Ende fällt auf, dass in den Überschriften häufig Zitate verwendet werden. Gründe hierfür könnten in einer ersten Absicherungsmaßnahme gesehen werden. Durch die Zitate wird nicht die eigene Meinung oder die Meinung der Redaktion dargestellt, sondern dezidiert die Auffassung Dritter, etwa von einem einzelnen Politiker, lediglich wiedergegeben.

Bilder. In der Belorusskaja Delovaja Gazeta finden sich recht viele Fotos. Interes-sant sind die teilweise ironischen, zynischen Bildunterschriften, die tagesaktuelle Geschehen karikieren. So ist der genannte Kommentar «��� >��� ��������» („Kleine Tragödien“, A67) von Fjaduta mit unterschiedlichen kleinen Fotos bebil-dert. Unter einem Foto etwa des entlassenen Wahlleiters Han�ar steht: «��� <' ���� �Y����» („Der persönliche Feind des Führers“, ‚Führer’ auf Deutsch). Ty-pisch für die Titelgestaltung ist die Ausgabe vom 21. November 1996. Ein Foto des

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 195

Präsidenten, dass ihn mit einem Fernglas zeigt, wird mit «�#@��#� � �����?» („Ist das Impeachment noch weit weg?“, siehe Abb. 2) kommentiert.

Abbildung 2: Titel der Belorusskaja Delovaja Gazeta vom 21.11.1996 6.4.4 Belorusskij Rynok (���� ��� $���) Beim Belorusskij Rynok fällt zunächst auf, das er im Vergleich zum ersten Zeitraum der Stichprobe wesentlich stärker politisch orientiert berichtet. Gleichwohl ist die Berichterstattung mit gerade einmal 15 Artikeln eher gering, mit Blick auf die wö-chentliche Periodizität jedoch nachvollziehbar. Wie einige andere belarussische Zeitungen auch, stellt der Belorusskij Rynok der einzelnen Ausgabe ein Leitthema voran. Dies beschäftigt sich im ausgewählten Zeitraum mit dem Referendum und der damit verbundenen innenpolitischen Krise, und macht die kritische Haltung dieser belarussischen Zeitung gegenüber dem Regime Lukaš�nka deutlich:

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£����^�� ����<* #������ �<����� ���\�� �\-@�� �� ���� Eskalation der Gewaltmethoden bringt die Krise außer Kontrolle [Belorusskij Rynok, Nr. 46, 17.-24.11.1996]

��%��^�� ����< @��> � �����#� ����� %�\ @����������� Das Plebiszit eröffnete den Weg für ein System der Macht ohne Gegengewichte [Belorusskij Rynok, Nr. 47, 25.11.-1.12.1996]

Während jedoch die Belorusskaja Delovaja Gazeta stilistisch durch ihren Biss und teilweise zynische Berichterstattung auffällt, bemüht sich der Belorusskij Rynok sicht-lich um einen gehoben, neutralen Sprachstil, der sich teilweise bereits an den Über-schriften ablesen lässt, etwa:

=��<� #���� �< � ���@� ��' � (¤��' ¥��^��),

Neue Marginalien an die Trope des Krieges (Jurij Š�evcov) [A97]

Die Artikel des Belorusskij Rynok sind weitgehend neutral, analytisch; Kommentare werden, sofern sie in einem Artikel mit Meldung gemeinsam abgedruckt sind, ge-trennt oder Meinungen durch Zitate hervorgehoben. Generell liegt der Schwer-punkt der Belorusskij Rynok auf der Wirtschaftsberichterstattung.93 Welche Quellen die Redakteure im Einzelnen nutzen, ist nicht ersichtlich. Innerhalb der Artikel werden unterschiedliche Fundstellen als Quellen genannt, etwa andere (auch westli-che) Zeitungen, der Pressedienst des Präsidenten, die Welthandelsbank etc.

Referendum. Zunächst berichtet der Belorusskij Rynok – wie oben beschrieben – im Vorfeld des Referendums neutral, so etwa chronologisch über die negativen Vorfälle in Verbindung mit dem Referendum94, über die auswärtigen Beobachter95 oder die Meinungen des Obersten Rates und der Opposition etc. Jedoch kann sich auch der Belorusskij Rynok nach dem Referendum teilweise nicht dem für den bela-russischen Journalismus typischen Zynismus entziehen. So berichtet der Belorusskij Rynok über verschiedenen Facetten des Wahlgewinners Lukaš�nka unter der Rubrik «{���' � �» („Held des Tages“). Unter der allgemeinen Überschrift «��\ > @��� ������ ��#�» („Leben nach dem Referendum“) heißt es: «� � @���������� \� @��\��� ��, � �������� \� ����Y "�\ >.» („Sie haben für den Präsidenten gestimmt, aber auch für ein besseres Leben“). In den folgenden Artikeln kehren die Redakteure wieder zu einem weitgehend sachlichen Ton zurück. Wobei sie nicht namentlich kenntlich gemacht werden. Lediglich der jeweilige Verantwortliche der Seite wird genannt. Zwei Beispiele sollen den Grundton des Belorusskij Rynok ver-deutlichen, wobei die Überschriften zunächst Polemik erwarten lassen:

93 So etwa: ����@�: ~@���� � @�����?, Europa: Als Passiva abgeschrieben (ohne Autor), A100. 94 ~������ ������ ������ ��#� (���Y� �<������'), Auseinandersetzungen rund um das Referen-dum (Pavljuk Bykovskij), A95. 95 =�%Y����� @��%���� ����^��> � (���� �� {�>�����), Beobachter kommen inoffiziell (Aleksandr Gal’kevi�), A 94.

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~ @���<* � �' @��%<�� �� � ����� ���\��� � �#�� ���� �\����> @���������' @����� � @����� ���* – @����� ���� � ��Y\ ����. ��� }��# ���� �� {�����>���� @���� %����> � ������ @���������# ��^�@��# =����� ��������: ����� *���� ����� ����, � � ����"��� �* %��@�_�� �. ����� ����� �� ���� � #�"�� � �#@� ������> }��������.

Seit den ersten Tagen an der Macht konnte der Präsident politischen Druck gegen alle aufbau-en: sowohl Gegner als auch Anhänger. Dabei folgt Aleksandr Grigorevi� fast buchstäblich den po-litischen Rezepten Niccolò Machiavellis: er lobt selten die Kampfgefährten, aber vernichtet sie er-barmungslos. Ein solch aktives Spiel kann dem Elektorat unmöglich nicht imponieren.

[~�����< ��� @�%��, Die Geheimnisse seines Erfolgs (ohne Autor), A106]

=� ��"� � ���������� ����� � ��#���� � ��#����������' ��#@���#� � ������ ��, ����> �Y #� �@����� �Y @��@��� �� @� ������� �Y, ����� � � @�����, �#��" ������ �� �� ������� �@����%� �� ��� ��� �����> ���' %���.

Aber sogar in Abwesenheit des Führers und ungeachtet seines demagogischen Temperaments, beginnt das Image von Lukašenko durch die häufige Verwendung manipulativer Propaganda im Fernsehen, Radio und in der Presse seinen Glanz einzubüßen.

[�Y%��> @�� ���# ����#���, Liebe unter der Mündung eines Maschinengewehrs (ohne Au-tor), A107]

Der Unterschied wird zudem deutlich im Vergleich mit einem Kommentar des Belorusskij Rynok zum Referendum und der Bilanz des Präsidenten bis dato, aus dem hier auszugsweise zitiert wird. Gerade im Unterschied zur spitzen Feder von Aljak-sandr Fjaduta wirkt dieser Kommentar gemäßigt, wenngleich kritisch:

�� @�������# @��\��� ����* ���� � ���, . ������ �� �\�� #� �#�# 23 � ���� �����^�� <* ���\�. […] ���\��� � �@��> �< �"�� �\��> � ��%� ��"�Y ��%���? �� �����^�� <' ���, ��� ��>�� @���������� ���\#�" ���> ��> �'��* �������>���, �< ���� �������, ������ �Y_�' . ������ �� �� �����.

Nach Rechnung der Opponenten des Präsidenten, verabschiedete A. Lukašenko mindestens 23 nicht-verfassungskonforme Ukaze. […] Wird der Präsident erneut fremde Arbeit auf sich neh-men müssen? Wenn das Verfassungsgericht die Unmöglichkeit weiterer Aufschübe spürt, wird es das Verdikt erlassen, demzufolge A. Lukašenko von der Macht zurücktreten muss.

[����� � �<��� �! (���Y� �<������'), Geschickt gespielt! (Geschickt gemacht!) (Pavljuk Bykovskij), A105]

Bilder. In den ausgewählten Ausgaben sind, abgesehen von Werbung, keine Bilder abgedruckt. 6.4.5 Narodnaja Volja (������� !�) Die Narodnaja Volja, 1995 infolge der Eingriffe der Machthabenden in Redaktio-nen staatlicher Periodika gegründet, kann als einhundertprozentige Oppositionszei-tung gewertet werden. Der Grundton des von Jusif Sjar�dzi� herausgegebenen Blattes ist angriffslustig. Die Redakteure nutzen alle Quellen, die ihnen dabei behilf-lich sind, den Präsidenten zu demontieren. So findet man dort etwa auch einen Pressespiegel (west-)europäischer Zeitungen über das Referendum (A138). Von einer gewissen Ausgewogenheit, die man bei den beiden Zeitungen zuvor verneh-men konnte, kann hier nicht die Rede sein.

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198 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Immer wieder in diesem Zeitraum wartet die Narodnaja Volja auf dem Titel mit plakativen Überschriften auf, die zum Teil mit den folgenden Berichten in Zu-sammenhang stehen. Teilweise sind diese Schlagzeilen jedoch von den nachfolgen-den Artikeln losgelöst, und scheinen eher die politische Meinung der Zeitung, Auf-forderungen oder fromme Wünsche darzustellen:

�<�����# ������>! Wir retten Belarus! [Nr. 106, November 1996]

������ ^� � %��������' ��#���a���?..

Welchen Preis hat die Belarussische Demokratie?.. [Nr. 108, November 1996] {��@��\i, ����<' ������> �� %��<!

Herr, rette Belarus von dem Unglück! [Nr. 110, November 1996] |����� ��# @����. =� @��� � ���# \� ��>�� @����� ��%��o'?

Das Referendum ist vorbei. Ist es nicht an der Zeit, sich einfach wieder der Arbeit zuzuwen-den? [Nr. 111, Dezember 1996] =� ������� – ��<\��!

Belarus in der Krise! [Nr. 113, Dezember 1996] Der agitatorische Tenor macht deutlich, dass der Schwerpunkt der Narodnaja Volja auf der Politik liegt; zum zweiten findet sie ihre Themen im Bereich der Kultur. Die Wirtschafts- und Finanzberichterstattung, wie sie die beiden ersten Zeitungen als Schwerpunkt setzen, spielt hier eine untergeordnete Rolle.

Das Hauptthema dieses Untersuchungszeitraums, das Referendum, ist in der Berichterstattung durch zahlreiche begriffliche Aufladungen negativ konnotiert. Es wird auf Gefahren hingewiesen, die bei einer Zustimmung zum präsidialen Konzept zu erwarten wären (vgl. etwa A109, A115). Außerdem fallen die Begriffe Verrat, Vandalismus, Kampf, Mafia im Zusammenhang mit Lukaš�nka und dem Volksent-scheid. Auffällig ist die hohe Anzahl von Experten, die über einzelne Aspekte be-richten, etwa ehemalige Verfassungsrichter über die Verfassungskonformität des Referendums (vgl. etwa A120), oder ein Beamter, der anonym über die Anweisun-gen „von oben“ Auskunft gibt oder ein Artikel, der die Ohnmacht des Volkes bes-tätigt, wie in folgenden Beispielen:

� �����^�Y «=���� �' ���» @�\�� � ���������> �� ��� ���@ ��� ����� ��� \����� �� � � ��\#�_� ��# ������\�: - ������������, ����� ������� «�������>» �% ���� �� ���' ����. ��� �� ����� ��� �\ �����������' ��'� �' ��#� �����^�� � \������: «��� ���� Y�� ��" < @����������> �� 24 ��%�� � �%�\���> � � @�����"�� @��\��� ��».

In der Redaktion der „Narodnaja Volja“ rief der Leiter einer bedeutenden städtischen Einrich-tung an und erzählte mit Empörung: Stellen sie sich vor, Lukašenkos „Vertikale“ wurde frech bis zum Äußersten. Gestern rief einer der Leiter der Gebietsadministration an und erklärte „Alle ihre Leute müssen bis zum 24. November wählen und pflichtbewusst den Präsidenten unterstützen.“

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��� %< �< � ��������, � �� < � %Y��� �#� #���� %<�> \�#� � <... (���� ������); Wie sie auch abstimmen, die Urnen mit den Wahlzetteln könnten ersetzt werden… (Petr Kulakov), A110]

� �_� @����": . ������ �� �@��> ���#���� � \����, ��� ������ ��# %���� ����> �%�\���> <' *�������, � � �� ��>����� <'. ��� "� ����� @� �#��> @��@��> . ������ �� @�� �<���@�#� ��<# ������ ��#? �<� ����? ����, ���"�� �, […] , #<, ��# � #� ��, ��� �� � @� ���> ���, %���# "��> @� ���' – @��\��� ����' – �� �����^��.

Und noch eine Passage: A. Lukašenko hat erneut lautstark erklärt, dass das Referendum ver-bindlichen Charakter haben wird, und keinen beratenden. Aber wie soll man dann die Unterschrift von A. Lukašenko unter oben erwähnter Vereinbarung verstehen? War das ein Spiel? Also, Bürger, […] ab Montag leben wir nach der neuen – präsidialen – Verfassung.

[���� ~��������: �����" <� � �@�� <� \��\��� %��>%< (=Autor), Petr Sidovi�: Unruhiger und gefährlicher Zickzack-Kurs des Kampfes, A126]

Hinsichtlich des theoretischen Konzeptes bietet etwa der folgende Artikel eine vielfältige Berichterstattung, in dem verschiedene Positionen von Regierung, Oppo-sition und die Einschätzung der USA dargestellt werden.

�i^<' < @���� �. ]���%^���: �� *���> �i��i_ +�� ��� +�<� +������> ���i�i �^'��^���*� �� ���[i��*��� ... ��\i^<� �@�\i^<i $�%^��i ���� «+����» �� *[��> +���������� ������*i ... � � �� ~� ��� �^�� : ^� <� �� ��'������*, � '�� 96

Offizielle Sicht A. Lukaš�nka: Versuche, die die Ergebnisse des Referendums als nicht rechtsmäßig zeigen, entziehen sich jeglicher Grundlage Position der Opposition Die Entscheidungen einer solchen „Volkskammer“ kann man nicht als rechtsgültig anerkennen… Meinung der USA Nick Burns: das war kein Referendum, sondern eine Farce104

[������>, ���# %��\� �%�' \������ � �\� >? ( �� ����� ��); Belarus, wie wird dein morgiger Tag? (Anton Vasilenka), A145]

Die Darstellung oppositioneller oder westlicher Meinungen im Kontrast zur offi-ziellen Erklärung der Regierung Lukaš�nka ist eine beliebte und oft genutzte Art der Berichterstattung. Die Herstellung von Vielfalt wird hier durch die Dialektik und die Kontrastierung von These und Gegenthese erreicht. Die Synthese ist Aufgabe des Rezipienten oder der Kommentatoren. Ausgewiesene Kommentare oder Leitartikel sind wesentlich kritischer als die durch Autoren gekennzeichneten Berichte, die gleichwohl teilweise stark ihre politische Meinung einfließen lassen. Henadz’ Bura�-kin fordert in seinem Leitartikel die Bevölkerung dezidiert zum „Nachdenken“ auf:

96 Bemerkenswert an diesem Zitat ist, dass hier der Redakteur innerhalb eines Artikels Belarussisch und Russisch schreibt. Sicherlich keine Vielfalt im engeren Sinne, jedoch Indiz für die Verwendung unter-schiedlicher Nachrichtenagenturen oder andere Quellen.

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200 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

���> � i \���Y ��%� i ��i# ��# @<�� �: � �� #���^> %<^> �<��#��� < �< i�i ^�@���� ��� �}���} ��#�, ��@����< ����< \ ���> ��� i �� @�}\i�} ��, i �� ��� �' ������i? ��#�'^�, @���"� <� ���'�< i�i! ��#�'^�! I ���} �� �: ��i @��� 24 i���@��� � ��i* ��� ( ��) ... �\�\� �^> ��'�� < �<������<, � %��\� � �}�<# �i < i |��ii, i ���< ��� �, i �������i�� \ ����� ���i��#. ... ��#�'^�!

So stelle auch ich mir und Ihnen allen die Frage: Wie sollen die Ergebnisse des aktuellen Refe-rendums, das sowohl für den Präsidenten als auch für unser geliebtes Belarus schicksalsträchtig war, gedeutet werden? Denken Sie, verehrte Teilnehmer! Denken Sie! Und noch was: Wenn nach dem 24. November Ihnen allen (uns) […] die Fesseln der Diktatur angelegt werden, wird daran nicht Russland, nicht Washington, nicht Šuškevi� oder Bahdankevi� Schuld sein. […] Denkt nach!

[{� ��\> ������� : ��#�'^�!; Henadz’ Bura�kin: Denken Sie!, A119]

Den aussichtslosen Kampf gegen „Grigorevi�“ schildert die Narodnaja Volja zudem aus einer „satirisch-humoristischen Sicht“ («�\��� ��������-Y#������»):

� ���\� ��\ ����� ������ ���������, ��\��Y��� �<�����: «£�� %��� ��##� �����!», « �< – �^�� ����!». � ������<* �� \��� ������� �����, ��"��Y� ���*, ��� �� � ����* ����#���... =��, ���@���-������_�, ��� �@��� �� ��>��... � �#�*�! ���"� ���� � ����^�, ����� #< ��'��� �<%��#��?.. �<�������> �\ ���#���-����%���-����'%��� � ^�<#� ��%��#�. ¢�*����#. �%#� �� � ��%> ������- �%��> @�������. {�#��������' *�*�� �<\<��Y� ������"� �� � ������ � �#���� �� ����� ������� � ���>\��# �������� "� _� �. ���> �#���>�� ���% � � ��%�, � Y#���# �� ����>�� � "���'���# � @���������# ������^�# – �#� � ��� � � @����@�Y!

Und sofort taucht die Diskussion auf, ertönen Schreie: „Das ist der Schwachsinn der Kommu-nisten!“, „Und du bist Nationalist!“. Einige haben das unüberwindliche Verlangen, die Fäuste zu schwingen, bedauern laut, dass sie kein Gewehr in den Händen haben… Nein, meine Herren Ge-nossen, unsere Rettung liegt nur … im Lachen. Hand aufs Herz, wann lächeln wir heute mal?.. Fällt jemand volle Kante aus der Straßenbahn, Bus, Trollejbus, kichern wir Hihi. Irgendeinen Ein-faltspinsel um einen Rubel betrogen. Ein humoristisches Hoho wird durch ein ramponiertes aus-ländisches Fahrzeug auf der Straße oder eine auf dem Gehweg ausgerutschte Frau hervorgerufen. Man sollte jedoch über sich selbst lachen, und alle politischen und Lebenseskapaden mit Humor nehmen – genau so mache ich das!

[����#�� ¤�� : ����# �#���>��! (=Autor); Vladimir Judin: Wir werden lachen!, A127]

Die Narodnaja Volja nutzt Schlagworte, die auch schon in der Berichterstattung der vorangegangen Zeitungen verwendet wurden. Der Begriff der Tragödie taucht auch hier auf und ist ebenso Teil der Berichterstattung über die Vorgehensweise von Lukaš�nka wie die Vergleiche zu (anderen) Diktaturen oder zu „Spielen“, wie be-reits oben gesehen. In einer Einschätzung des ehemaligen Vorsitzenden des Obers-ten Sowjets Hryb taucht erstmals der Begriff der Isolation auf, in die Belarus sich selbst steuert.

£�� @��> � ������, }�� @��> � @���"� �Y � %������Y, � @��\�%� �Y � %�� ����, � #�"�� ���� �' �\��^��.

Das ist der Weg ins Nichts; das ist der Weg zur Niederlage und Unehre, zum Dahinvegetieren in Armut, zur internationalen Isolation.

[~��� ������>� � @����� 2000 ����...£�� �������� �� ������� (������� {��%); Mittel-alter auf der Schwelle zum Jahr 2000... Das ist eine Tragödie für Belarus (Me�islav Grib), A 140]

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 201

Als eine der wenigen Zeitungen, die auch belarussische Artikel veröffentlicht, nimmt die Narodnaja Volja indirekt die Sprachenproblematik auf, so etwa in einem Artikel zur diktatorischen Macht Lukaš�nkas von Nil Gilevi�, der auf die kulturellen Traditionen von Belarus verweist (Artikel 122). In Vereinigung von Tragödie und Farce vergleicht Oleg Moroz im Weiteren die politischen Ereignisse unter El’cin in der Russländischen Föderation 1993 mit der von Belarus 1996 unter Lukaš�nka. Er kommt zu dem Schluss, dass Lukaš�nka El’cin kopiert, und dass die Begriffe der „Demokratie“ und „Reform“ bei ihm auf taube Ohren stoßen.

������ �� ����� ������ � ����������. ~��� «��#�������», «�����#<» �� ��� – \��� @����'.

Lukašenko steht für Nichts: Die Wörter „Demokratie“, „Reformen“ sind für ihn sinnleere Laute.

[��� ����\: �>^� -93 – ������ ��-96: �������� � ���� (=Autor); Oleg Moroz: El’cin 93 – Lukašenko-96: Tragödie und Farce, A137]

Im Gegensatz zu den beiden zuvor diskutierten Zeitungen dieses Stichprobenzeit-raums veröffentlicht die Narodnaja Volja hin und wieder Leserbriefe. Ein Leserbrief charakterisiert das Referendum als Fiktion, wie es auch bereits aus anderen Artikeln herauszulesen war (A141). Interessant erscheint die Kritik eines Lesers, der zu-nächst auf das Problem hinweist, dass weite Bevölkerungsteile nur staatliche Propa-gandablätter rezipieren, und dass alle Fernsehen schauen, wo „Lügen und billige Propaganda“ („"� � ������' @��@��� �<») gezeigt werden. Es könne insofern kaum verwundern, dass die Mehrheit für die Ideen des Präsidenten stimmt. Im Weiteren kritisiert er jedoch auch die Zeitung für ihren kaum sachlichen und neutra-len Ton in ihrer Berichterstattung:

� �%��_�Y�> � ���� <# "�� �����# � @���>%�' � ��#, ���%< �����< }��* «�Y�� �'» %<� �����>��, @����> � �������� � ��*�[ ���, +����� ��"��#� � ��������. […] (����� @���� �� \� #� ������' �� !) � �_�: ��� (� ��<�� ���#�) @����> @�-������, ���%< @����� %<� �� �\ �� � @� �� � ��"��#� �������\<� �#� "���Y ���@�%��� – � ������^����� �#� %������ � ��# ���� (\ �}��' ����< i � �<����Y ���� ��#�i � ���i'���' #���).

Ich wende mich an die ehrenwerten Journalisten mit der Bitte, dass die Texte dieses „Bulle-tins“ aktuell, äußerst konkret und knapp, für jeden verständlich und korrekt zu sein haben. […] (Ich bitte um Verzeihung für diesen lehrerhaften Ton!) Und noch etwas: Man muss (zu unserer Schan-de) in Russisch schreiben, damit die Wahrheit von jedem russischsprachigen Einwohner der Re-publik gleich verstanden wird – auch von den russifizierten Belarussen [jetzt belarussisch:] (auch meine Gedanken äußere ich in russischer Sprache).

[��@<��� ��#��@��� ��? =� ����\<��'���>... (�� ��� �� ��\��), Versuch der Selbstret-tung? Sagen Sie nicht Nein... (Konstantin Kozlov), A113]

Journalismusjournalismus. Interessanterweise verweist dieser Leserbrief auf Diskussio-nen um Professionalisierung und Anforderungen an das journalistische Entschei-dungsprogramm und Genreunterschiede. Ebenso bringt er ein interessantes Argu-ment in die Sprachendebatte ein, wenn der Autor für die russische Sprache in den

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202 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Oppositionszeitungen plädiert, um somit auch den russifizierten Belarussen die Chance zu eröffnen, sich umfassend zu informieren. Ob diese das wollen, ist ein anderes Thema. Dieser medienkritische Leserbrief leitet zu der Medienberichterstat-tung über, die auch in der Narodnaja Volja zu dieser Zeit kaum eine Rolle spielt. Jedoch veröffentlicht sie anonym ein Schreiben bzw. einen Artikel eines Redakteurs einer staatlichen Regionalzeitung mit dem Titel «��� #� � ‚�\ �������’» („Wie man mich ‚vergewaltigte’, A111). Darin schildert der Autor, wie er nach und nach von staatlicher Seite gezwungen wurde, die Propaganda des Präsidenten zu veröf-fentlichen. Es ist die Dokumentation des Eingriffes der Regierung in die Redaktio-nen. Über die Authentizität des Schreibens kann man letztlich nur mutmaßen. Je-doch entsprechen die Schilderungen den Umwälzungen in staatlichen Redaktionen, denen auch der Chefredakteur der Narodnaja Volja bei seinem früheren Arbeitgeber Narodnaja Gazeta zum Opfer gefallen war (vgl. a. Smu�kowa 2002: 202). Die Narod-naja Gazeta ist auch Thema eines Berichts, da sie zwei unterschiedliche Ausgaben an einem Tag produzierte, mit überraschendem Ergebnis:

I ���> �� ��^<� – � � �* \’��i��� �>�}� ��<� < �@�^�<@��� «=���� �' ��\��<». ��"�^>, ��������� < � � |��ii i �<��"�# � ��� ��\< %�>�<#,�<# �<*��\i^> ��� «=���� �� ��\���», ���Y @��@i���� @�}\i�� ^�i �}������ �. �<#� ��i.

Und hier die Sensation – in diesen Tagen gab es eine alternative Spezialausgabe der „Narodna-ja Gazeta“. Es scheint, dass sie in Russland gedruckt wurde und die Auflage doppelt so hoch war wie die Ausgabe der normalen „Narodnaja Gazeta“, die vom präsidialen Redakteur M. Šymanski gezeichnet wurde.

[� � «=���� �� ��\���» - � ���� ��� �����} �i, ������ «=���� �� ��\���» � ��� i�� ¤ �<�� (���� ��������); Eine „Narodnaja Gazeta“ für Aleksandr Lukaš�nka, eine andere für Leanid Jun�yka (Petr Maka��uk), A131]

Bilder. Wenn Bilder auftauchen, dann meist als Passbilder der Autoren. Ein Foto jedoch ist von Interesse: Unter der Schlagzeile der Ausgabe Nr. 110 im November 1996 «{��@��\i, ����<' ������> �� %��<!» („Herr, rette Belarus von dem Un-glück!“) ist ein Bild abgedruckt, das zwei betende Balletttänzer zeigt und das aus-drucksvolle Motto der Ausgabe unterstreicht (vgl. Abbildung 3). 6.4.6 Naša Niva (��%� �i��) Ebenso wie beim Belorusskij Rynok hat die politische Berichterstattung seit der Un-abhängigkeit stark zugenommen. In die Stichprobe 1996 zum ‚Referendum’ fallen nun zwölf Artikel. Die Veränderung der Periodizität hat sich mittlerweile vom Mo-nat zur Woche verschoben. Die damals von Pavel Žuk herausgegebene Naša Niva setzte ihren Fokus auf Kultur. Im Anschluss an den Leserbrief in der Narodnaja Volja, der sich für Russisch in der Zeitung stark machte, damit potentiell alle Bevöl-kerungsschichten erreicht werden, kann man für die Naša Niva festhalten, dass ihre Lektüre – komplett in Belarussisch, zudem in alter Form – wohl der Elite vorbehal-ten blieb.

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 203

Abbildung 3: Titel der Narodnaja Volja , Nr. 110 (November 1996) Zum Hauptthema Referendum finden sich in der Naša Niva hauptsächlich Artikel, die Stimmabgabe und Wahlfälschungen thematisieren. Ebenso wie auch in der Narodnaja Volja bringt der ehemalige Vorsitzende des Obersten Sowjets Me�ysla� Hryb seine Zweifel an dem juristisch einwandfreien Ablauf der Abstimmung im Interview zum Ausdruck.

� � ��# ���Y��, ��� �< ��� �}�}�} ��#� �"� ���>�<������ <�: @����%�i %Y��} �� �����<�, i�%< ������ �<\ ��� <�. ��#� �����} �� \#�"� \���i^>, ��� @����� ��� �' ���' �� ��<��^<i ^�@���� i @���#} � � �\��\��> <.

Ich bezweifele nicht, dass die Ergebnisse des Referendums bereits gefälscht wurden: Die Fäl-schungen der Wahlzettel waren vorbereitet, die Anzahl der Stimmen beschlossen. Deshalb konnte Lukaš�nka erklären, dass entsprechend seiner neuen Verfassung das jetzige Parlament nicht hand-lungsfähig ist.

[���<��� {�<%: «� � ��# ���Y��, ��� �< ��� �}�}�} ��#� �"� ���>�<������ <�» (�� ��������), Me�ysla� Hryb: „Ich bezweifle nicht, dass die Ergebnisse des Referendums be-reits gefälscht worden sind“ (Aleh Daškevi�), A150]

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204 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Passend dazu wird eine Meldung gedruckt, nach der Studenten der historischen Fakultät gedrängt wurden, eine bestimmte Wahl zu treffen (A151). Ebenso kritisch nutzt die Naša Niva nach dem Referendum ein Treffen ehemaliger Dissidenten-gruppen in Europa, um die präsidiale Politik als „Diktatur“ zu charakterisieren:

~@������ @������� i��� ��>��<, |���i, […], %���', ��>�i %������i� «�<�<�} �<» � @�����i�� ��� «%<<#i». I#� �<������� �����} �i ����� � ��" <# �<���@� > i �� @����\� ���� }���@�'���� %��<, ��<* �}@�}�i�� ��@��^> @����� �������.

Zwischen den Vertretern aus Polen, Russland, […] fühlten sich wahrscheinlich nur die belarus-sischen „Dissidenten“ nicht als „ehemalige“. Der Name des Diktators Lukaš�nka klang bei jedem als Ausdruck für die Gefahr eines neuen europäischen Elends und neuer Repressionen gegen die Menschenrechte.

[§�� �<�<�} ��� (-), Die Stunde der Dissidenten (ohne Autor), A154]

Aber auch die Gerichtsentscheidungen im Vorfeld des Referendums werden darge-stellt (A146), und der Begriff der Diktatur findet sich erneut wieder. Ein Bericht über eine Demonstration in der Minsker Innenstadt wird zur Explikation des Beg-riffs „Diktatur“, Gegenmaßnahmen, zur Erläuterung des nicht zu unterschätzenden Einflusses von Zivilgesellschaft und historischem Zusammenhalt genutzt (vgl. A149). Ebenso wie bei den Berichterstattungen der anderen unabhängigen Zeitun-gen, nimmt auch die Naša Niva den Vergleich des Präsidenten mit Hitler auf. Sie kommt aber zu dem Ergebnis, dass nicht Hitler kommen werde, sondern der Stil Lukaš�nkas eher dem des italienischen Faschistenführers Mussolini gleiche:

����i i […] ��<� ��@����< ��� ���� �Y @�@��� ��>^>: #���<, �\�<��' <, ����� <, } }��i� <. ����i i �#�� �\>�\i� @� ���i �, �<���@�� � #i�< ��*, ��\�> i��� � �@�����<* @�����* […] |�� �� ��>^> �� > �� ��� %��������� i ������� ��� i��>� ����� �}"<#�� – i � }�\��<� ��>^i �\� ��� i }��^} ��<� ��>^i #� ���� i�����.

Mussolini […] erlangte in der Tat Popularität bei der gesamten Bevölkerung: jung, unkonven-tionell, modern und energisch. Mussolini reiste viel im Land umher, trat bei Veranstaltungen auf, nahm an sportlichen Paraden teil. […] Die Verwandtschaft des heutigen belarussischen und des damaligen italienischen Regimes liegt sowohl in exotisch klingenden Parolen als auch den exzentri-schen Manieren der Führer.

[{���� � @�<'�\� (-), Hitler kommt nicht, A156]

Andere Kommentare beschäftigen sich mit zwei für die Arbeit außerordentlich interessanten Themen, zum einen mit dem Ende der mutlosen Revolution bzw. dem Ende der Transformation, zum anderen mit der Funktion oder Rolle der Öf-fentlichkeit. Das Ende der ‚mutlosen Revolution’ sieht der Autor Sevjaryn Kvjat-ko�ski nun endgültig in dem Ergebnis des Referendums. Den Anfang vom Ende setzt er bei den Präsidentschaftswahlen 1994 an.

� 1994 ���\� ��^<� �> <� %�����< �<%��i � ~�¨{�, �� � < ��#�i. � < @��>^ii @��>�i^^� �� ��� < ������ i��^<� �> ��� «����� ��@���<». […] 24 i���@��� %<� �@�� i �\� > ������ �' |}��Y^<� […] �> �� > �� ��� � � @������ }��@ ���>� |}�}�} ��#�. […] � � �@}� � <, ��� �\��" � �� �%����i ��, #< i��i � %��\�# ��@��^> @� ��* �* ���< «�<�� ������>!» {}�<� ���< � ������ <� �� �}@��.

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 205

1994 haben die rationalen Belarussen nicht EINEN DER IHREN gewählt, wie sie dachten. Sie ließen in den politischen Machtgarten einen irrationalen „Kohlfresser“ herein […] Der 24. No-vember war der letzte Tag der mutlosen Revolution […] Mit dem heutigen Tag beginnt die Phase des Post-Referendums. […] Aber ich bin davon überzeugt, dass wir niemals, unabhängig von den Umständen, die Worte „Es lebe Belarus!“ in den Küchen flüstern werden. Diese Worte wurden nicht zum Flüstern geschaffen.

[�� �^ ������ �' |}��Y^<� (~����< ����������), Das Ende der mutlosen Revolution (Sevjaryn Kvjatko�ski), A152]

In dieselbe nationalistische Kerbe schlägt der nachfolgende Kommentar von Ales’ Kebik. Er diskutiert darin die Gerichtsbarkeit. In dem stilistisch anspruchsvollen Artikel werden kaum Bezugspunkte oder Quellen genannt. Ein Zitat einer anderen Zeitung, ein namentlich nicht genannter Professor und Bezüge zu Literaten stellen das Inventar. Inhaltlich geht es gleichwohl um mehr, um Moral, um die kulturelle Intelligenz und um das Recht der belarussischen Bevölkerung, ihr Leben selbst zu bestimmen. Dieser philosophisch-kämpferische Stil des Artikels ist charakteristisch für die politische Berichterstattung der Naša Niva zu dieser Zeit. Beispielhaft ein Auszug aus diesem Kommentar:

~�� ���i^> � @������ � � �^<�. ~�� @�%i� < […] \� *�� > Y, ��� �^<� �> < – \� \> ���"� �Y #���, �<#%�i�� i #i ����< �. =���� #�� @���� �<���<^> ���' ��! – �}�< #}�����<� < @�@�i�^�i �\� � #�"� #�^> i @����<� �� @���<�� > �. […] =���� #��i^> \>�\�'�> i^> ��#���<��} > �.

Das Gericht steht auf der Agenda der Nation. Das öffentliche Gericht steht […] für leeres Ge-schwätz, das nationale Gericht für die respektlose Sprache, Symbolik und Geschichte. Das Volk hat das Recht, sein Schicksal selbst zu bestimmen! – Diese metaphorische, populäre Losung könn-te auch praktische Verwendung finden. […] Das Volk muss diese Selbstreinigung verwirklichen.

[��%�� < ��� – � @������ � � �^<� (��> ��%��), Öffentliches Gericht – auf der Agenda der Nation. (Ales’ Kebik), A153]

Journalismusjournalismus. Die Berichterstattung über andere Massenmedien spielt bei der Naša Niva zu dieser Zeit keine Rolle. Auch eventuelle Gerichtsentscheidungen zu Zeitungen, von denen andere Periodika berichten, finden bei der Naša Niva keinen Niederschlag. Eher unterstützten sie bspw. einzelne Künstler, die an ihrer Arbeit gehindert werden, und beziehen diese Zustände auf die politische und gesell-schaftliche Gesamtlage von Belarus.

�������>^> � ^��@i^> �<������<. �<������� � ^��@i^> �������>^i. ��<���� ��i � ^��@i^> @�<��������. […] ��}� � ���#� – �� > �� �� ������>. ��� ������i \������ �' \��"<^> �� ��.

Das künstlerische Schaffen erduldet keine Diktatur. Die Diktatur duldet kein künstlerisches Schaffen. Die Natur der Freiheit erduldet keine Heuchlerei. […] Der Poet in der Gefangenschaft, das ist das heutige Belarus. Das Schicksal von Belarus in der Zukunft hängt von uns ab.

[��� %��� � ����* @���������^^� � ���� (~�%�< |��< ���), Wenn sich der Schmutz an den Händen in Blut verwandelt. (Freunde des Rates TVL = Gesellschaft Freier Literaten), A147]

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206 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Stärker als bei den Zeitungen zuvor zeigt sich nationalistisches Gedankengut, etwa in der auffällig häufigen Verwendung von Begriffen wie ‚Schicksal von Belarus’ («��� ������i»), ‚(mein) Volk’ (« ���� #��») oder auch in der Bildauswahl.

Bilder. Bilder sind in der Naša Niva zahlreich. Mal sind es Fotos von Kunstauf-führungen, mal Fotomontagen, mal einfache Portraits von Diskussionsveranstal-tungen. Auffällig ist, im Zusammenhang mit Demonstrationen und Kundgebungen, dass hier sehr häufig die (alte weiß-rot-weiße) belarussische Flagge gezeigt wird, sei es aus einem Bürogebäude hängend, auf einer Kundgebung auf dem Platz der Un-abhängigkeit (heute wieder: Leninplatz) oder zusammen mit einem demonstrieren-den jungen Paar. Beeindruckend hinsichtlich der politischen Haltung gegenüber der Regierung ist das Titelbild der Ausgabe nach dem Referendum (Nr. 35 (73); 2. De-zember 1996; vgl. Abb. 4). Es zeigt einen Dinosaurier mit bösem Blick und ge-fletschten Zähnen. Die Bildüberschrift «{�\i^�, *�� @�<'���!» („Seht, wer ge-kommen ist!“) kann als Parabel für die Änderungen der Verfassung stehen, aber wahrscheinlich doch eher für den Ideengeber: Aljaksandr Lukaš�nka. Unter Um-ständen ist die Schlagzeile auch im Zusammenhang mit dem Kommentar im unte-ren Viertel der Seite mit dem Titel «{���� � @�<'�\�» („Hitler kommt nicht“, A 156) zu sehen.

Die Kommentare und Berichte sind fast ausschließlich auf hohem sprachli-chen Niveau verfasst und diskutieren Facetten rund um die Innenpolitik und das Referendum, die von den anderen unabhängigen Blättern kaum in den Fokus ge-rückt werden; etwa die Rolle der Öffentlichkeit, der Transformationsprozess, kurz: die Einordnung in einen größeren politischen Rahmen. Am ehesten gelingt dies von den anderen Zeitungen noch dem Belorusskij Rynok in ähnlicher Weise.

Mit Kritik auf Seiten der unabhängigen Zeitungen wird, das wurde deutlich, nicht gespart, selbst wenn es im Vorfeld vermehrt Hindernisse gegeben hatte, etwa einige Zeitungen im Jahr zuvor mit weißen Flecken erscheinen mussten. Die Be-richterstattung der staatlichen Sovetskaja Belorussija hingegen lässt als Hauptinstru-ment der Lukaš�nka-Propaganda den stärksten Kontrast zu den bisherigen kriti-schen Stimmen vermuten.

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 207

Abbildung 4: Titel der Naša Niva vom 2. Dezember 1996

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208 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

6.4.7 Sovetskaja Belorussija (���� ��� ���� ��) Die Sovetskaja Belorussija stellt als Tageszeitung mit 55 Artikeln den größten Anteil (je Zeitung) der zweiten Stichprobe. Nachdem innerhalb der ersten Stichprobe die Loslösung der sozialistischen Staatspropaganda und etwaige Vorschläge der Leser zur Umgestaltung der Zeitungen kommuniziert wurden, scheint sich dieser Trend wieder ins Gegenteil verkehrt zu haben. Im Jahr der ersten Präsidentschaftswahlen kommt Pavel Jakubovi� als erster stellvertretender Chefredakteur zur Sovetskaja Belorussija, seit 1995 ist er ihr Chefredakteur. Die Sovetskaja Belorussija ist 1996 wieder Instrument der Propaganda, nun für Lukaš�nka.

Referendum. Die Sovetskaja Belorussija berichtet – allgemein gesprochen – gänz-lich anders als die unabhängigen Zeitungen. Die Opposition findet hier keine Stim-me; negative Begriffe wie ‚Diktatur’ oder Vergleiche zu Hitler sind nicht zu lesen bzw. werden nur vereinzelt genutzt, um die Darstellung der publizistischen Konkur-renz dubios zu entkräften.

Abbildung 5: Titel der Sovetskaja Belorussija vom 19. November 1996 Einen Großteil der Berichterstattung zum Referendum machen Artikel zum Proce-dere, zur Wichtigkeit der einzelnen Stimme aus, sowie im Zusammenhang damit „Entscheidungshilfen“. Seit dem 19. November 1996 weist die Sovetskaja Belorus-

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 209

sija täglich auf das Referendum hin. Zunächst plakativ in großen Lettern: «24 ��%�� – ������ ��#. ��# ����!» („Referendum am 24. November. Sie haben das Wort!“, vgl. Abb. 5). Bis zum 24. November folgen nun jeden Tag kleine Artikel im Titel, die immer gleich überschrieben sind: «��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������»!» („Wenn Sie „Dafür“ stimmen wollen, dann strei-chen Sie das Wort „Dagegen“ durch.“). Darin wird die Linie des Präsidenten unter-stützt, beispielsweise mittels Zitat einer „Leserin“:

– � @�����"���� � @�����"���Y � �Y ���\��� ��, – ���\�� ������> �^�, – � ����� � #� � �"�#�Y�, @����>��, @��*���� \���>. ��@�# ���, ��� %<� � ��%���#, ����� �� \������� @��@��<���> �@���� � ��� @�����"��. […] ����, ��� ��� > @�����: ��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������».

’Ich unterstützte und unterstütze die Linie des Präsidenten’, erzählte eine Leserin, ‚aber wenn man mich unter Druck setzt, glauben sie mir, werde ich ärgerlich. Erinnern Sie sich, wie es mit Kebi� war, als man uns zwang, für seine Unterstützung zu unterschreiben.’ […] Nun ist alles ganz einfach. Wenn Sie „Dafür“ stimmen wollen, dann streichen Sie das Wort „Dagegen“ durch.

[��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������»! (o. Autor); Wenn Sie „Da-für“ stimmen wollen, dann streichen Sie das Wort „Dagegen“ durch!, Artikel 167]

Insgesamt kann man die Berichterstattung als klassische Propaganda bezeichnen.97 So werden auch ganze Reden des Präsidenten auf der Titelseite abgedruckt, bei denen Lukaš�nka nach seinem Sieg die Entscheidung des Volkes lobte:

£�� @��"�� ����� @�%��� %���������� �����, @�%��� \�a������ �#<��. […] �Y�� ����^�# @�����, ��� �* %���_��, ���>%� ������� ����Y��� � ������ ��#�.

Es ist vor allem ein Sieg des belarussischen Volkes, ein Sieg des gesunden Menschenverstandes […] Die Menschen haben geahnt, dass sie die Zukunft, das Schicksal von Belarus bei dem Refe-rendum entscheiden.

[�#���� – � ����', �����' �' "�\ � (. ������ ��); Gemeinsam für ein besseres, würdevolles Leben (A. Lukašenko), A211]

Die Negativschlagzeilen, die man in der Berichterstattung unabhängiger Zeitungen nachvollziehen kann, spielen in der Sovetskaja Belorussija kaum eine Rolle. Sie tauchen nur gelegentlich auf. Meist geht es dann aber darum, die gelösten Probleme darzustellen, wie man bereits an einigen Titeln ablesen kann.

�� ��� �� �� @����"� �� @����������� ���\��� � ���� � �����@� < (���)

Die Gründe für die Fortsetzung der politischen Krise im Land sind ausgeschöpft [A182]

���#� �� ��� ��^�� ���? Ist die Zeit der Konfrontation vorbei? [A189]

��, ��� @���*� � �� �� ��� � «������Y �����», ��\������� <

Wer nach Minsk wie zu einem „Brennpunkt“ kommt, wird enttäuscht [A 199]

97 Propaganda sei an dieser Stelle verstanden als Massenphänomen, als Verquickung von Politik und Verbreitungsmedien bzw. von Politik und Journalismus, zur Durchsetzung politischer Entscheidungen. Vgl. ausführlich: Bussemer 2005: 24ff., 61ff.

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210 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Dies entspricht einem generellen Eindruck der Redaktionslinie des Blattes: Es wird positiv über die Regierung und das Land berichtet. Negatives und gesellschaftliche Probleme werden fast ausschließlich dann aufgenommen, wenn das Problem völlig oder zum Teil gelöst wurde. Bei gesellschaftlichen Problemen, die ganz offensicht-lich nicht mehr von der Hand zu weisen sind, reichen jedoch scheinbar auch Lö-sungsvorschläge.

Aber unter der Rubrik «@Y���\#» („Pluralismus“) werden auch die Stim-men der Opposition zum Referendum abgedruckt, etwa von Anatolij Lebed’ko (vgl. A179). Wie der sich daran anschließende Kommentar des Chefredakteurs zeigt, ist dies scheinbar nur eine Aktion, um die Gemüter, die bereits von einem „Informati-onsvakuum“ sprechen, zu beruhigen. Es soll jenen Kritikern das Gegenteil bewei-sen. Der unter Journalistenkollegen fachlich geschätzte Chefredakteur Jakubovi� weiß sehr genau um die Funktion seines Blattes für den Präsidenten. Sein Kom-mentar ist durchschaubar, in der Strenge der Argumentation gleichwohl ausgereift:

{�������� ��"� �% «� ���#�^�� �# �����#�». � }�� ��#���� � ��, ��� ������� #�_ <* ��\�� @���������� �"�� �� � @���������Y� ���� ���� �^< �� �����', @���' � ���"���> �' ������� ���\��� �� � ��� @������. […] � ����# «�����#�» �� �@@�\�^�� � ���� �^�* ���^��> ��� ���� � #�"�� � ����# ����� ���� ���>? ��� � ����� � #< @�@����# �\�"� �� # � �' ���* ��@������, �����<� ��\`�� �Y� ���Y @�\�^�Y @� ������ ��#�Y. � ����'�� ��� �#���� � \�%<���> �% �����#� – ���� ������ @���!

Man spricht sogar von einem „Informationsvakuum“. Und das ungeachtet dessen, dass Dut-zende mächtige Zeitungen praktisch täglich ihre Seiten für scharfe, mitunter vernichtende Kritik am Präsidenten und seiner Politik überlassen. […] Von welchem „Vakuum“ für die Opposition kann auf den Seiten der offiziellen Organe in diesem Zusammenhang die Rede sein? Und heute veröffentlichen wir die Meinungen dreier Abgeordneter, die ihre Position zum Referendum erläu-tern. Und lassen sie uns alle zusammen nicht das Axiom vergessen: Das Volk hat immer Recht!

[��##� ����' ��������� (���� ���%����); Kommentar (des Redakteurs) (Pavel Jakubo-vi�), A180]

Auch weitere Kommentare, etwa die Leitartikel der Sovetskaja Belorussija, schlagen ähnliche Töne an. So z. B. ein Artikel erneut vom Chefredakteur (A171) oder der Artikel von Ivan Kuksa und ©duard Pivovar, der zu mehr als 50 Prozent aus Zita-ten des Präsidenten besteht und einen Ausspruch als Titel oder besser Lebensmotto verarbeitet: «��� ����� ��� �� ��� <# \��� �# ���' "�\ �» („Der Wille des Volkes wird zum obersten Gesetz unserer Lebensweise“).

Der Stil der Sovetskaja Belorussija ist einfach. Zwar versucht sie ab und an mit Fremdwörtern in Überschriften (vgl. etwa «|�%��� @���'�� », Der Rubikon ist überschritten, A158) etwas anders zu vermitteln, aber im Gegensatz zur Berichter-stattung von Belorusskij Rynok und Naša Niva bleiben die Texte hinter diesen stilis-tisch zurück bzw. schreibt die Sovetskaja Belorussija für jeden verständlich. Die Zei-tung hebt sich quantitativ durch eine Vielzahl an Artikeln zum Referendum hervor. Qualitativ diskutieren sie das Thema jedoch meist nur oberflächlich und begnügen

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6.4 Die Berichterstattung zum Referendum 1996 211

sich damit, die Phrasen des Präsidenten zu wiederholen. Die direkte und indirekte Lobpreisung des Präsidenten und seiner Politik spielt an dieser Stelle eine herausra-gende Rolle. Die Opposition erhält fast keinen Raum zur Verbreitung ihrer Ideen, auch wenn der Chefredakteur dieses „Informationsvakuum“ bestreitet. Zivilgesell-schaftliche Gegner werden negativ dargestellt. Insgesamt versucht die Sovetskaja Belorussija vor der Wahl, die Leser (mehr oder minder) gezielt zu beeinflussen.

Journalismusjournalismus. Berichte über „Medien“ spielen auch bei der Sovetskaja Belorussija in dieser Stichprobe eine untergeordnete Rolle. Sie treten dann auf, wenn Sie im Zusammenhang mit dem Präsidenten oder der Darstellung von Belarus ste-hen, so etwa die Kritik am russischen Fernsehen zur Darstellung des Referendums (A168) oder ein Interview des belarussischen Präsidenten im US-amerikanischen „Wall Street Journal“ (A204). Aber auch die Kritik seitens westlicher Medienexper-ten an der TV-Berichterstattung im Vorfeld der Wahlen wird neutral dargestellt. Diese Ergebnisse des European Institute for the Media werden jedoch nicht – wie etwa bei den unabhängigen Zeitungen – als eigener Artikel publiziert. Sie finden sich vielmehr auf wenigen Zeilen inmitten eines sehr langen Artikels zum Referen-dum (A191), wo sie kaum wahrgenommen werden.

Abbildung 6: Vergleich. Demonstranten in Sovetskaja Belorussija (links) und Naša

Niva (rechts)

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212 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Bilder. Meist sind es Fotografien von Arbeitern, fröhlichen Kindern oder vom „klei-nen Mann“ bei der Stimmabgabe, welche die Sovetskaja Belorussija prägen. Aber auch Bilder von Demonstrationen werden gezeigt, gleichwohl unter umgekehrten Vor-zeichen wie in der unabhängigen (oppositionellen) Presse. Vergleicht man die De-monstrationsbilder, etwa das bereits erwähnte junge Paar in der Naša Niva, mit dem Titelbild der Sovetskaja Belorussija vom 15.11.1996, wird deutlich, wie sich die Foto-berichterstattung unterscheidet. Das Bild zeigt entschlossene, aggressive Demonst-ranten, mit offenen Mündern. Die Bildunterschrift macht deutlich, dass das Foto weniger das Erstarken der Zivilgesellschaft als vielmehr Gewaltbereitschaft signali-sieren soll: «=� � �#��: � #� ���� ��^< �<@�� ���> ��������» („Auf dem Foto: Auf Minsker Straßen schwappte die Aggression über“, vgl. Abbildung 6). 6.4.8 Fazit Als Zwischenfazit lässt sich festhalten, dass das Referendum in allen untersuchten Zeitungen die herausragende Rolle in der Berichterstattung in diesem Zeitraum spielt. Auch außerhalb von Belarus wurde dieses Ereignis wahrgenommen und darüber kritisch berichtet. Ausländische und internationale Organisationen übten maßgeblich Einfluss aus.

Nebenschauplätze wie die Entlassung Han�ars, Diskussionen um die Leibgar-de des Präsidenten, Gerichtsentscheidungen, Impeachment oder die Abdankung von Ministern belasteten das Referendum bereits im Vorfeld. Zusätzlich angeheizt wurde die Debatte zum Volksentscheid durch mögliche Wahlfälschungen oder die Einführung negativ besetzter Begriffe wie Diktatur bzw. Vergleiche zu Hitler, dem Reichtagsbrand oder Mussolini. Im Mediensektor fällt auf, dass der so genannte Journalismusjournalismus noch keine Rolle spielt. Gleichwohl fallen die Artikel zur Narodnaja Gazeta (zur Bestrafung und zur Herausgabe zweier Ausgaben am selben Tag) auf. Zudem ist der Bericht eines Redakteurs einer staatlichen Regionalzeitung aufschlussreich, der in der Narodnaja Volja schildert, wie er mehr oder weniger gezwungen wurde, aus-schließlich Pro-Lukaš�nka zu schreiben.

Zur Vielfalt lässt sich letztlich festhalten, dass der belarussische Pressemarkt in seiner Gänze zu dieser Zeit unterschiedliche Vielfaltskriterien erfüllt. Auffallend sind die unterschiedlichen sprachlichen Niveaus. Maßgeblich sind jedoch die rich-tungspolitischen Ausrichtungen der Redaktionen. Von ihnen hängen scheinbar die weiteren Pluralitätskriterien Zugang zu Quellen und Kommunikative Rückkopplung ab. Offensichtlich ist es innerhalb dieses Stichprobenzeitraums für alle Redaktionen noch möglich, an alle Quellen zu gelangen, auch wenn diese nicht oder kaum kennt-lich gemacht werden. Die Lage für den Journalismus hatte sich im Jahr Zwei nach Amtsantritt Lukaš�nka gerade erst zu verschärfen begonnen. Gleichwohl nutzen die Zeitungen die Quellen meist nur entsprechend ihrer politischen Gesinnung. Extre-me dieser Vorgehensweise bilden die Narodnaja Volja auf Seiten der unabhängigen

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 213

Zeitungen, und die Sovetskaja Belorussija auf der staatlichen Seite, welche die Regie-rungslinie treu und ergeben vermittelt, obgleich ab und an der Präsident kritisch kommentiert wird.

6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004

~� > � ª���i �, \����� #<! Heute die Ukraine, morgen wir!

Naša Niva, 10.12.2004 Im Gegensatz zu den beiden Stichprobenzeiträumen zuvor, liegt der Schwerpunkt dieses dritten nicht auf einem innenpolitischen Thema, sondern zuvorderst auf einem politischen Ereignis im Ausland: Die ukrainischen Präsidentschaftswahlen und die anschließenden Proteste im November/Dezember 2004. Das Ereignis wurde als die so genannte „Orange Revolution“ bekannt.98 Es gab zwei Gründe, dieses Ereignis und die belarussische Berichterstattung darüber mit in die Untersu-chung einzubeziehen. Zum einen sollte nach einer Stichprobe zu Beginn der Trans-formation 1991 und einem Zeitraum zum angenommenen Umbruch 1996 nun noch eine aktuelle Stichprobe gezogen werden. Da die Untersuchungsmaterialien im Sommer 2005 in Minsk zusammengetragen wurden, konnte die Berichterstattung zu den Präsidentschaftswahlen im Frühjahr 2006 leider nicht berücksichtigt werden. Zum anderen gewann die „Revolution“ im Nachbarland Ukraine zügig Einfluss auf die belarussische Öffentlichkeit und wurde auf breiter Front als Hoffnungsfunken für einen Umsturz im eigenen Land gesehen (vgl. a. Sahm 2005: 86ff.). Die Bericht-erstattung über Ergebnisse und Nachwehen des Referendums in Belarus am 17. Oktober 2004, das dem Präsidenten die Verfassungsänderung und die Möglichkeit einer dritten Amtszeit ermöglichte, verblasste schnell gegenüber den Ereignissen in der Ukraine. 6.5.1 Ereignis Allgemeiner Kontext. Im Vorfeld zu den Präsidentschaftswahlen wurde schon im September 2004 in Kiev deutlich, dass die alten Kader an Macht verloren. Eine Gruppe von Abgeordneten erklärte demonstrativ ihre Neutralität. Und bereits beim „ersten Wahlgang am 31. Oktober waren massive Wahlfälschungen offensichtlich. Die OSZE-Beobachtermission sprach von Rückschritten gegenüber der Parla-

98 Die Verwendung des Revolutionsbegriffs an dieser Stelle, der auch von vielen westeuropäischen Berichterstattern und Autoren übernommen und verwendet wurde, kann durchaus in Frage gestellt werden. Diesen Begriff zu problematisieren und mit den realen Vorgängen abzugleichen, ist jedoch nicht Ziel der vorliegenden Arbeit, in der es hinsichtlich der Ereignisse in der Ukraine lediglich um die mediale Darstellung und die Auswirkungen in Belarus geht.

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214 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

mentswahl im März 2002.“ (Simon 2005: 22) Einige Journalisten traten schon vor dem ersten Wahlgang in Hungerstreik und forderten Pressefreiheit. Nach einigem Zögern einigte sich die Wahlkommission darauf, dass Janukovi� (39,32 Prozent) dem Herausforderer der Opposition Juš�enko (39,87 Prozent) unterlegen war. Nach dem zweiten Wahlgang am 21. November, offensichtlichen Wahlfälschungen und der Bekanntgabe Janukovi�s als Sieger der Präsidentschaftswahlen kam es zu wochenlangen Protesten, vor allem auf dem Kiever Majdan (=Marktplatz). Die Farbe Orange des Blocks Naša Ukraina und der Jugendorganisation Pora! ("Es ist Zeit!", ähnlich der belarussischen ZUBR) prägten die Demonstration in der Kiever Innenstadt und gaben der „Orangen Revolution“ den Namen. Nach einer Gerichts-entscheidung kam es zu einem erneuten Wahlgang am 26. Dezember 2004, den Juš�enko mit 51,99 Prozent für sich entschied. Neben den Straßenprotesten spielten u. a. die Vergiftung Juš�enkos, das Auftreten der ukrainischen „Jeanne d’Arc“ resp. „Gasprinzessin“ Julja Timošenko und die drohende Spaltung der Ukraine eine Rolle (vgl. dazu a. Simon 2005: 23ff.). Der belarussische Präsident stellte sich weder auf die Seite des einen noch des anderen. Erst als der russische Präsident Putin Juš�en-ko zum Wahlsieg gratulierte, schließt sich Lukaš�nka an. Dass die „Revolution“ in der Ukraine bereits wieder „gescheitert“ ist bzw. sich das Bündnis zerstritten hat und die Wählergunst verloren hat, und nun Janukovi� zwei Jahre später Minister-präsident wurde, ist an dieser Stelle für die Analyse nicht weiter von Belang.

Journalismusspezifischer Kontext. Während es in der Ukraine brodelt, regiert Präsi-dent Lukaš�nka weiterhin nach seinen Vorstellungen. Den Volksentscheid zur Er-möglichung seiner dritten Amtszeit entscheidet er zu seinen Gunsten. Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2004 (und im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen 2006) werden in den Jahren 2003 und 2004 gehäuft Verbote und Ermahnungen gegen-über Redaktionen unabhängiger Zeitungen ausgesprochen. In diesen Jahren werden die Änderungen des Mediengesetzes, vor allem bzgl. der Beleidigung des Präsiden-ten (vgl. Kapitel 5.2), strenger ausgelegt. 6.5.2 Vorgehen Stichprobe. Formal-inhaltliche Kriterien. Alle für die Analyse ausgewählten Zeitungen erschienen im Zeitraum der dritten Stichprobe. Innerhalb des Untersuchungszeit-raums vom 15. November bis 18. Dezember 2004 wurden 187 Artikel für die Ana-lyse ausgewählt. Auf die Belarusskaja Delovaja Gazeta entfallen 47 Artikel, den Belo-russkij Rynok 13, die Narodnaja Volja 59, auf Naša Niva 35 und auf die Sovetskaja Belorussija 33 Artikel.99

Inhaltlich-thematische Faktoren. Wie bereits in den beiden vorangegangen Stich-probenzeiträumen unterscheidet sich die Berichterstattung in Umfang und Stil unter den einzelnen Titeln. Vor allem die für die belarussische Transformation interessan-

99 Zur genauen Artikelauswahl sei wiederum auf den Anhang verwiesen.

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 215

te Frage nach der Übertragbarkeit der Ereignisse in der Ukraine auf das eigene Land wird unterschiedlich deutlich diskutiert. Daher werden die Analyseergebnisse erneut in alphabetischer Reihenfolge dargestellt. Wie auch bereits zuvor soll neben dem Hauptthema ‚Revolution in der Ukraine’ auch der ‚Journalismusjournalismus’ beo-bachtet und dargestellt werden. 6.5.3 Belorusskaja Delovaja Gazeta (���� ��� "���� #�����) Darstellung des Hauptthemas. In der Freitagausgabe vom 9. November 2004 titelt die Belorusskaja Delovaja Gazeta mit der Annahme der Ergebnisse des Referendums in Belarus. Ein großes Foto zeigt Präsident Lukaš�nka mit seiner rechten Hand auf einem Globus. Die Wahlen der Ukraine werden erst auf Seite 5 thematisiert. Über dem Foto von Juš�enko in der jubelnden Menge steht die Überschrift «��@<��� ������� � @���� ��» („Zweiter und letzter Versuch“). Vielseitig wird dort über beide (!) Kandidaten berichtet, über die Rolle des Kremls und die Probleme in der Ukraine. Der Bericht schließt mit einem uneindeutigen Urteil, und bleibt – trotz der hier auftauchenden Kampfvokabel – weitgehend neutral.

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Übrigens, der Kampf ist noch nicht zu Ende. Er wird auch geführt in der Zeit der Abstim-mung, während der Auszählung, sowie bei Bekanntgabe der Ergebnisse. Und vielleicht auch da-nach. Im postsowjetischen Raum ist so etwas schon einmal vorgekommen.

[��@<��� ������� � @���� �� (�>�� ��������); Zweiter und letzter Versuch (Ol’ga Mat-veeva), A217]

Die Ausgabe am 26. November titelt «��� "���� ����Y^��» („Orange Revoluti-on“, A218), und berichtet wieder neutral über verschiedene Akteure. Die Veröffent-lichung von Wahlbeteiligungen von 110 Prozent in einigen Bezirken, in denen Ja-nukovi� gewonnen hatte, lassen diesen Kandidaten natürlich in schlechtem Licht erscheinen. Der Trend zur neutralen Berichterstattung setzt sich bei der Belorusskaja Delovaja Gazeta gleichwohl fort, etwa auch mit Artikeln zum negativen Einfluss der Proteste auf die ukrainische Währung bzw. die Wirtschaft allgemein (etwa Artikel 231, 232, 242). Die Belorusskaja Delovaja Gazeta bewertet die Chancen der orangen Demonstranten nicht über und schätzt die Lage realistisch ein.

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Allerdings spielt jeder weitere Tag gegen die Opposition – Das kompromisslose Stehen auf den Plätzen findet kaum Verständnis bei den internationalen Vermittlern.

[���\�� @����"����� (�>�� ��������); Die Krise dauert an (Ol’ga Matveeva), A232]

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216 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Die Belorusskaja Delovaja Gazeta stellt bereits früh in einem Redaktionskommentar klar, wie sie die Chancen für eine ähnlich gelagerte „Revolution“ im Zusammen-hang mit den belarussischen Präsidentschaftswahlen 2006 beurteilt.

�� ���� ������ @��\ ��>, ��� � Y��������', � ���\� ���', � ����� ���' �^� ���� � ������� � 2006 ���� ����\��� < %<�> � #����. �\-\� @������ ������ �� � ���#� �� }���� � ������> �����* @���@��<��. =� ��\������ ���"�� ����� �%_�����, � ��> <* @����', � %���������� ¤_� �� \���> ��. [...] ��, � ������� «���», ��� � ����� �, ����\ ��� ���� � %����. =� %�����< #���� @������> � ��, ��� #�"�� %<�> @������#�. � @�������> #����> � %���>��. ����#� ��� � �� %���� �@<� � ��>�� ��%���� <* @���"� �', � � ����� ���* @�%��. ������> �'�� ���� �� ��, ��� ���� ����Y "� ����.

Zu Beginn der Hinweis, dass die Realisierung eines jugoslawischen, georgischen oder ukraini-schen Szenarios in Belarus bis 2006 nicht möglich ist. Auf Grund der Politik Lukašenkos und des Kremls gibt es dazu keine Voraussetzungen mehr. Es gibt keine entwickelte Zivilgesellschaft, keine starken Parteien, und einen belarussischen Juš�enko gibt es hier auch nicht. Ja, „Tak“ wird es in Belarus, wie in der Ukraine, innerhalb von zwei Jahren nicht geben. Aber die Belarussen könnten daran glauben, dass es anders sein könnte. Und aufhören zu schweigen und Angst zu haben. Weil wir nicht nur die Erfahrung der eigenen Niederlage besitzen, sondern auch die der ukrainischen Siege haben werden. Es bleibt nur, jemanden oder etwas zu finden, der/das so einen Glauben ge-ben könnte.

[«���» � ������� � %���� (-); „Tak“ wird es in Belarus nicht geben (ohne Autor), A228] Dieses Nebenthema, d. h. die Auswirkungen der ukrainischen Revolution auf Bela-rus, beschäftigt alle Zeitungen der Stichprobe. In der Belorusskaja Delovaja Gazeta überwiegt die oben skizzierte Meinung, dass die Vorrausetzungen in der Ukraine mit denen von Belarus nicht vergleichbar seien (siehe auch A240). Gleichwohl be-richtet auch sie über die belarussischen Unterstützer, die nach Kiev reisen, um mit zu demonstrieren oder auf der Bühne auf dem Majdan aufzutreten. Und sie weiß sehr wohl um die Gefahren für die Unterstützer bei ihrer Heimkehr:

� �� ^��� �' @�����##� � @�_��� =�\�����#���� � ����� @�� �� ������� %��������� #�\<�� �< – ����� ��� ���@@< N.R.M. � @������ «���#%�#%��» […] ��� }��# � ��@���, � %����� � #�\<�� �< � ��%� � ���� � ����*-�� @��������' ����' ����� ���' �������, ���� [��>���', ~. �.] ������: «�� ��. �< ����� � %��#��, @���#� ��� ��� @�*��, ��� #��� �� �� �����>, �"� ��� � ���� �».

Am Konzertprogramm auf dem Unabhängigkeitsplatzes in Kiev nahmen auch belarussische Musiker teil: Mitglieder der Gruppe N.R.M. und des Projektes “Krambambulja“ […] Auf die Fra-ge, ob die Musiker selbst keine Folgen in der Heimat wegen ihres Gastauftrittes in der Ukraine fürchten, antwortete Ljavon [Vol’skij, S.J.]: „Eigentlich nicht. Wir fürchten uns vor überhaupt nichts, denn alles schlechte, was man uns antun könnte, wurde bereits getan.“

[������< � #�'�� � (�#����' ���%���\���'); Belarussen auf dem Majdan (Dmitrij Pod-berezskij), A237]

Die Belorusskaja Delovaja Gazeta berichtet insgesamt kritisch, aber richtungspolitisch weitgehend neutral über die Revolution im Nachbarland. Die unterschiedlichen politischen Lager werden aufgenommen, dargestellt und finden auch ihren Nieder-schlag in Interviews (etwa mit Julja Timošenko, A259) und Kommentaren (etwa

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 217

A227, A235). Sie nutzt dazu unterschiedliche Quellen und ist mit einem Korres-pondenten vor Ort vertreten. Eine kommunikative Rückkopplung im Sinne von Leserbriefen, die unter Umständen die Lage in Kiev anders einschätzen, wird nicht geleistet.

Journalismusjournalismus. Die Berichterstattung über andere Journalisten, journa-listische Angebote und medienpolitische Themen hat im Vergleich zu den Stich-probenzeiträumen zuvor deutlich zugenommen. Obwohl dieses Phänomen auch in vielen westlichen Ländern erst verstärkt Ende der 1990er Jahre auftrat, ist dies für die belarussische Presse bemerkenswert. Im Gegensatz zu den Medienteilen etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder der Süddeutschen Zeitung scheint die Berichter-stattung über das Schicksal der Kollegen in Belarus Ausdruck von Solidarität unter unabhängigen Zeitungen zu sein. Die maßgeblichen Vertreter des begrenzten Pres-semarktes sind größtenteils persönlich miteinander bekannt. Die Probleme der anderen Presseerzeugnisse oder derer Vertreter werden durch verstärkte Berichter-stattung darüber auch für die Öffentlichkeit sichtbar. Ein Thema im Untersu-chungszeitraum ist das Verbot der Zeitung Birža Informacii („Informationsbörse“) aus Hrodna. Genau so eine dreimonatige Zwangspause hatte die Belorusskaja Delova-ja Gazeta im Jahr zuvor selbst erlitten. Entsprechend kritisch berichtet sie über die Umstände und die finanziellen Probleme, die daraus resultieren, noch verstärkt durch eine Strafe für die Chefredakteurin in Höhe von 70 Mindestgehältern, also über 600 US-Dollar.

{��� � ���� �\�����#�� ��\��� «���"� � ���#�^��» � < �� �' ���� @����� @����\ \� @��@��>Y #� ����� � ���#�^�� ����#��� |���������, � ������������� � �����<# �<*�� �\�� �� @������ ��� � ��� #���^�. […] =�@�# �#, ��� � �� ��%�� ��� @������ ����� ��, �@�%����� <� � ����>� «�������>���� �#� �# �����», �����%�Y_�#� ����> � ������ ���� %���������� @��\��� ��. �� ������ – ��� �#� ��������� ��\��< – %< @����"�� ����� � ��\#��� 70 %�\��<* ����� .

Die unabhängige Zeitung „Birža Informacii“ aus Hrodna erhielt in dieser Woche einen vom Informationsminister Vladimir Rusakevi� unterschriebenen Befehl, demzufolge das Erscheinen der Zeitung für drei Monate ausgesetzt wird. […] Wir erinnern daran, dass im September ein Ge-richt die Informationen, die in dem Artikel „Verrat im Namen des Volkes“ publiziert wurden, als Beleidigungen gegen die Ehre und Würde des belarussischen Präsidenten erkannte. Die Autorin des Artikels – die Chefredakteurin der Zeitung – wurde zu einer Geldstrafe von 70 Mindestgehäl-tern verurteilt.

[«���"�» � \�#�� (���� �� ����� ); „Birža“ unter Verschluss (Aleksandr Dautin), A233] Aleksandr Dautin macht in seinem Artikel darüber hinaus deutlich, welche weiteren Konsequenzen das Vierteljahr Zwangspause nach sich ziehen könnte. So könnten sich bei Wiederaufnahme des Erscheinens die staatlichen Druckhäuser weigern, die Zeitung zu drucken. In seinem Artikel verweist er auf die Möglichkeit, die Zeitung im polnischen Bia�ystok zu drucken; um jedoch noch im selben Absatz auf die gesetzlich abgesicherte Handhabe der belarussischen Machthaber aufmerksam zu

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218 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

machen, welche die gesamte Auflage bis zu zehn Tage zur Kontrolle an der Grenze festhalten könnten.

Die Belorusskaja Delovaja Gazeta deckt des Weiteren einen Widerspruch im Le-ben belarussischer Journalisten auf, den sie in einem Artikel mit dem Titel «��� �� � � ��» („Zuckerbrot und Peitsche“, A224) verdeutlicht. Engagierte belarussische Journalisten bekommen häufig im westlichen Ausland Journalistenpreise verliehen, während sie in Belarus massive Repressionen erleiden. Ebenso kritisch berichtet die Belorusskaja Delovaja Gazeta nicht nur darüber, dass der belarussische Journalisten-verband BAŽ den Andrej Sacharov-Preis des Europäischen Parlamentes verliehen bekommen hat. Der Großteil des Artikels beschäftigt sich damit, ob der Verband, dem vornehmlich unabhängige Journalisten angehören, den Geldbetrag von 50.000 Euro wirklich behalten und nutzen darf. Obwohl das Geld zum Zeitpunkt der Be-richterstattung laut der Vorsitzenden Žanna Lic’vina, die den Preis für BAŽ entge-gennahm, bereits auf dem Konto eingegangen war, konnte die Vereinigung nicht sicher sein, dieses zu behalten.

�@����#, ���� @������� �� �� � ���� �� Y�> � ���� ������ @���� �� �� �� ��������#. ��� %��������� ����� ���^� �� @��#�Y ��� ��#� ���� �Y @�#�_>, �� >�� @������� @�������� � «��#� ���� <' ����» � @�>\����>�� �#� ��> � ��\���� �� @��\��� ��.

Übrigens, die Tatsache der Überweisung des Geldes auf das Konto garantiert dem Adressaten noch lange nicht den Erhalt des Geldes. Wenn die belarussischen Behörden den Geldbetrag als humanitäre Hilfe einstufen, muss das Geld auf das „humanitäre Konto“ überwiesen werden, und über dessen Verwendung entscheidet nur der Präsident.

[­� <� #<�� (� � � ��� ����); Wertvolle Gedanken (Janina Bolonskaja), A251] Ebenso wie in dem Artikel zum Verbot der Zeitung Birža Informacii verdeutlicht die Belorusskaja Delovaja Gazeta an dieser Stelle, welche Folgeprobleme durch die Macht-haber noch auftauchen könnten. Darauf aufmerksam macht auch der Bericht zur Hausdurchsuchung von Mitarbeitern des unabhängigen Forschungsinstituts NISE-PI unter Leitung von Aleh Manae� unter der Überschrift «§�����< �%<���� ��^������. =�\�����#<� ��^����� �_���� � ��%� @���� ����� » („Tsche-kisten durchsuchten Soziologen. Unabhängige Soziologen spürten den Druck der Machthaber“, A252). Eine Art „Dauerthema“ der belarussischen unabhängigen Journalisten ist der Fall des 1997 auf mysteriöse Weise verschwundenen Kamera-manns von ORT („Pervyj Kanal’“) Dzmitryj Zavadskyj. Und so verwundert es nicht, wenn auch in dieser Stichprobe ein Artikel zu diesem Vorfall zu finden ist (A230). Auch wenn Lukaš�nka in dem Artikel zum unaufhörlichen Kampf der Mutter gegen die Machthaber mit den Worten zitiert wird: «��� ���������� @���������� � «� �����» („die Sache Zavadskij hat sich in eine ‚Nicht-Sache’ verwandelt“), so ist das ungeklärte Verschwinden des Journalisten bis heute relevant.

Bilder. In der Belorusskaja Delovaja Gazeta sind zu dem Hauptthema viele Fotos von den Demonstrationen in Kiev und von Juš�enko zu finden, aber auch von Janukovi�. Einzig die Kundgebungen der Anhänger von Janukovi� in den östlichen

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 219

Gebieten der Ukraine sind nicht bebildert. Eine gezielte Bevorzugung des einen oder anderen Motivs aus richtungspolitischen Gründen lässt sich nicht erkennen. Die im Allgemeinen für die Belorusskaja Delovaja Gazeta charakteristischen Fotomon-tagen auf dem Titel ist im Hinblick auf die „Orange Revolution“ nicht zu finden. 6.5.4 Belorusskij Rynok (���� ��� $���) Der Belorusskij Rynok berichtet zurückhaltend über die Ereignisse in der Ukraine. Mit einer „Chronik des Widerstandes“ (vgl. A266) zeichnet er am 6. Dezember die Geschehnisse nach. In derselben Ausgabe widmet sich der Belorusskij Rynok den Einschätzungen des scheidenden Präsidenten der Ukraine Leonid Ku�ma: «������� � |�"������. � %���� #��� – o"�� ����� (�� ���#<)» (���Y� �<������'); („Geschenk zu Weihnachten. Im Freudenbecher ein Tropfen Wermut (von Ku�ma)“ (Pavljuk Bykovskij), A264). Der Belorusskij Rynok hebt in seiner Be-richterstattung zur „Revolution“ zwei Ereignisse heraus: Die drohende Spaltung der Ukraine und die wirtschaftlichen Konsequenzen des Protestes auf dem Majdan. Die Spaltung war fast überall Nebenthema der Orangen Revolution, ausgelöst durch die prägnante Mehrheitsverteilung der Wählerstimmen: Im westlichen Teil des Landes inklusive Kiev für Juš�enko und in den prorussischen, östlichen Industriegebieten für Janukovi�. Das Thema der Spaltung nimmt der Belorusskij Rynok zunächst durch den Abdruck eines übersetzten Artikels von der Washington Post auf, der u. a. den Ukrainern überspitzt das völlige Verständnis des Pluralismusgedankens attestiert.

���������� �^�� �> ��� ��� � �� ���� ���� ��Y ����� �����> ���� �<%����. �� ��� �@���< �%_����� ��� # � �� @���\<��Y�, ��� ����� ^< @��� ��"� ��>��, @�� �� @Y���\# � �������� @�� ^�@� "�\ �.

Der Mangel an nationaler Einigkeit gibt eine Garantie für Wahlkonkurrenten. Besonders die allgemeinen Meinungsumfragen zeigen, dass die Ukrainer sogar noch weiter gehen und Pluralis-mus als Lebensprinzip annehmen.

[Pa��� �� %��� ��#������� (N.N., aus: The Washington Post); Spaltung zum Wohl der Demokratie, A260]

In der folgenden Ausgabe berichtet der Belorusskij Rynok mit der Thematisierung der drohenden Spaltung der Ukraine ausführlich über die Ereignisse, die sich auch aus historischen Gegebenheiten ableiten lassen.

�� ���> @��%�#� � � �* @���������� ��, � � ��#, ��� ��#� ����� � ��\��� � ����������� � ������������� #�"�� �������# � ��@���#, ������' � |�#�#, ��<#� � @���<#� @���������#� ^� ����#�.

Das Problem liegt nicht in ihrer Opposition, aber darin, dass die Ukraine selbst historisch und geografisch geteilt ist, zwischen Osten und Westen, Moskau und Rom, linken und rechten politi-schen Werten.

[��� ���� < � �� �'. �� � ���\���> � ��� � ������ (���Y� �<������'); Zwei Länder in einem. Das Eine befindet sich am Rande der Spaltung (Pavljuk Bykovskij), A261]

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220 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Hervorzuheben gilt es an dieser Stelle, dass der Belorusskij Rynok in diesem andert-halb Seiten langen Artikel äußerst vielfältig berichtet. Zum einen werden sehr einfa-che Zusammenhänge (Prozentzahlen, Wahlergebnisse, teilweise durch eine Grafik), aber auch komplizierte politische Zusammenhänge dargestellt. Zum anderen speist sich der Artikel aus einer Vielzahl von Quellen, die zitiert und/oder genannt wer-den, etwa die Nachrichtenagenturen BelTA, ITAR-TASS und Reuters, russische Politologen, US-amerikanische, ukrainische und russische Politiker, ohne jedoch einer politischen Richtung den Vorrang zu geben. In diesem Artikel scheinen alle Kriterien für Vielfalt erfüllt – die schwer zu fassende kommunikative Rückkopplung einmal ausgenommen.

Keine der untersuchten unabhängigen Zeitungen hebt so stark auf das Thema der wirtschaftlichen Folgen der „Orangen Revolution“ ab wie der Belorusskij Rynok, und berichtet vor allem über den Absturz des ukrainischen Grivna (vgl. A262, A268). Höhepunkt ist die Einstellung des Handelns mit der ukrainischen Währung an der Belarussischen Währungs- und Finanzbörse (A269). Im Gegensatz zur So-vetskaja Belorussija, die (s. unten) ebenfalls dieses Wirtschaftsthema aufgreift, gleich-wohl mit propagandistischem Impetus, berichtet der Belorusskij Rynok äußerst sach-lich und neutral über den Absturz der ukrainischen Währung. Der Autor Tarasov weiß auch die Kommentare des amtierenden Präsidenten Leonid Ku�ma ins rechte Licht zu setzen:

���� � ��� > @��� @��\��� � ����� < ��� �� ���#�, �����<' \����, ��� «�_� ����>�� � �' – � �� � ����� �����#� ���%_� #�"�� ����<@��>��, ��� ������ <' ��#��, � ��������� ���> � ��%� � @��\��� �, � @������>���� \� }�� � �#���� �\��>, @����>�� @������>���� � #�"�� ��%����> � ��#�> �# ��"�#�.

Öl ins Feuer goss der ukrainische Präsident Leonid Ku�ma, der bekannt gab, es dauere „noch wenige Tage, dann könnte das Finanzsystem im Großen und Ganzen zusammenfallen wie ein Kartenhaus, und die Verantwortung dafür werden weder der Präsident noch die Regierung auf sich nehmen, da die Regierung nicht unter normalen Bedingungen arbeiten kann.“

[����� ����� ���' ��Y��' � ���� @������ ��� <. (����#�� �������); Der Handel der ukrainischen Währung an der BVFB [Belarussische Währungsbörse] wurde eingestellt, A269]

Es fällt auf, dass der Belorusskij Rynok mit nüchterner Sachlichkeit berichtet. Titel oder große Schlagzeilen zur „Orangen Revolution“ wie bei der Belorusskaja Delovaja Gazeta gesehen, tauchen hier nicht auf. Das Thema schafft es im Belorusskij Rynok auch nicht zum Aufmacher. Die bei anderen Zeitungen gezogenen Rückschlüsse von den Kiever Ereignissen auf die Minsker Konstellation, wird überhaupt nicht in Betracht gezogen. Der Belorusskij Rynok wendet sich stattdessen anderen nationalen und internationalen Ereignissen zu. Bleibt noch festzustellen, dass der Belorusskij Rynok in seiner Nüchternheit stilistisch überzeugt und die Kriterien der Vielfalt vor allem hinsichtlich der Quellen und politischen Überzeugungen erfüllt.

Journalismusjournalismus. Ähnliches lässt sich auch zur Berichterstattung über journalistische Angebote und medienpolitische Entscheidungen aussagen. Auch im

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 221

Belorusskij Rynok ist das Verbot der Birža Informacii Thema. Ebenso wie die Belo-russkaja Delovaja Gazeta berichtet der Autor Barbari� kritisch über das Verbot und die Folgen. Im Unterschied zum zuvor diskutierten Blatt schreibt Barbari� weniger meinungsbetont, sondern bringt die Reaktionen zu dem Urteil durch Zitate der Chefredakteurin, des Journalistenverbandes BAŽ und des Informationsministeri-ums zum Ausdruck. Auch die Folgen des Verbots werden nicht vom Autor sondern durch die Chefredakteurin der Birža Informacii E. Ravbeckaja zum Ausdruck ge-bracht:

� {��� �, @� �� ����#, � �� <' #�#� � �"� �� @���% <* ������������ <* �\�� �'. Nach ihrer Aussage, gibt es zur Zeit keine ähnlich unabhängige Zeitung mehr in Grodno. [«���"� � ���#�^��» @������ ��� � ({� ���' ���%����); „Birža Informacii“ (Infor-

mationsbörse) eingestellt (Gennadij Barbari�), A265] Deutlich kritischer hingegen fällt ein Artikel zum Ukaz des Präsidenten Lukaš�nka aus, das die Verwendung der Begriffe „Belarussisch“ und „National“ für privat-rechtliche Organisationen und ihre Produkte verbietet.100 Der Bericht von Bechte-rev erläutert zunächst den Ukaz und diskutiert ihn und stützt die Einzelargumente beispielsweise mit Meinungen von Juristen. Gleichwohl kommt Bechterev zu einem kritischen und deutlichen Urteil.

��� �������>������ %��������' �@<�, ������������� �����#< – � ������ �� ��\�� – ���� � ��"� � �����>�>����# #� �Y� ���� �\�� ��. =��\#� �' �������� �* ���"��% ���> @����# �������, ��#�������, ���%�� �#� �<��"� �Y # � �'. ~����^�� � ������������ <#� ~�� � ������� – �_� �� � ��#� @�����"�� ��.

Wie die belarussische Erfahrung zeigt, ändern die ideologischen Systeme – im Unterschied zu Zeitungen – leicht und sogar mit Vergnügen ihren Namen. Unverändert bleibt jedoch ihre Feind-seligkeit gegenüber den Menschenrechten, der Demokratie und der freien Meinungsäußerung. Die Situation von nicht-staatlichen Massenmedien in Belarus ist nichts weiter als Unterwerfung.

[=�\�� �� ���� < ��� #� ����� «@��������». =����@� �� � ������� ���� @���%������ ��� %��� �\�_�� <� ���#< (¤��' ��*�����); Der Landesname als Monolog der „Patrioten“. Angriff auf die Meinungsfreiheit nimmt immer raffiniertere Formen an (Jurij Bechterev), A271]

Bilder. Fotografien, Zeichnungen und Karikaturen spielen bei den untersuchten Themen kaum eine Rolle. Lediglich ein Foto von wahrscheinlich ukrainischen Frau-en, die vor einer Anzeige der Wechselkurse fast zusammenbrechen, rührt Emotio-nen. Die meisten Fotos im Belorusskij Rynok finden sich in Anzeigen. Die Zeichnun-gen von 1991 zu einzelnen Rubriken und Themen gehören seit langem der Vergan-genheit an.

100 Zum Ukaz, wovon der Belorusskij Rynok selbst auch betroffen war, vgl. a. Kapitel 5.3.

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222 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

6.5.5 Narodnaja Volja (������� !�) Die Narodnaja Volja erscheint 2004 an fünf Tagen in der Woche. Trotz ihrer tägli-chen Erscheinungsweise ist der Umfang ihrer Berichterstattung mit meist nur vier Seiten eingeschränkt. Ab und zu erscheint die Narodnaja Volja auch mit acht Seiten. In die Stichprobe fielen 59 Artikel, welche die Ukraine bzw. medienpolitische Be-lange thematisieren.

Hauptthema. Zu Beginn des Stichprobenzeitraums stellt die Narodnaja Volja eine Art Presseschau zusammen, die sie mit «~�#<� ��" <� ����@�'���� �<%��<» („Die wichtigsten europäischen Wahlen“) überschreibt. Dort finden sich neben russischen Tageszeitungen auch die Meinungen der Deutschen Welle oder der BBC (vgl. A273). Von Interesse ist der Bericht vom 17. November 2004. Der Artikel von Sergej Ivanov informiert über die Ergebnisse der Debatte, die von den ukrainischen Präsidentschaftskandidaten im nationalen Fernsehen ausgetragen wurde. Haupt-sächlich werden die Reden von Janukovi� und Juš�enko zitiert. Interessant ist, wie jeweils die einzelnen Positionen der Kandidaten beschlossen werden. Zu Janukovi� heißt es am Ende seines Abschnitts:

� �� ^� ������ �<���@� �� @��#>�� ������ � ������# �\<��. […] ¤_� �� ���\�: «� ����� � #�" � "��> @� @� ����#, � #�" � "��> ��#������� �. �%��_���> � �\%������#, *��� ���\��> �#: �����, �����'�� � \�_�_�'�� ���' ����».

Am Ende seiner Ausführungen sprach der Premier auf Russisch. […] Juš�enko sagte: „In der Ukraine kann man nach allen Konventionen leben, oder man kann auch demokratisch leben. Ge-wendet an die Wähler möchte ich ihnen sagen: Geht hin, stimmt ab, und verteidigt eure Stimme.“

[�����%��< %�\ ��%����, �� � ��# ������� @���� �� �� � @��� @��\��� �� ����� <? (verschiedene; zusammengestellt: ~����' ��� ��); Fernsehdebatten ohne Debatten, oder: Worüber redeten die Bewerber für das ukrainische Präsidentenamt (zusammengestellt von Sergej Ivanov), A 274]

Dieser weitgehend neutrale Artikel wird durch einen längeren ergänzt, der die Posi-tion der Zeitung – pro Juš�enko – verdeutlicht. Zudem werden an dieser Stelle ein Foto und das Autogramm Juš�enkos abgebildet; mit seinem Wahlspruch «���Y � ����� �» („Ich glaube an die Ukraine!“; vgl. a. zu Bildern weiter unten). Auch im Weiteren ist die Berichterstattung über die Ukraine eher zu Gunsten der ukraini-schen Opposition zu werten.

{����� @�i�<� ��� "<^^� �� ����i � \ �� � �<�}'�<, �<# � ��<# ���i. � ���� �, i ~�I ���<���Y^^� \ �� � %�>��' ���%���'. ����i � – � |��i�, i ������> – � |��i�. {}��, #���<#�, ��\i ��, � �<# ��< ���i < �%��Y� � @���% <�.

Der Grad des politischen Lebens in der Ukraine ist bedeutend höher als in unserem Land. Aber auch die Massenmedien besitzen dort bedeutend mehr Freiheit. Ukraine ist nicht Russland, und Belarus ist nicht Russland. Das ist möglicherweise das einzige, worin sich unsere Länder abso-lut ähnlich sind.

[����i � – � |��i� (����� ��ci����i); Ukraine ist nicht Russland (Pjotra Vasile�ski), A275]

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 223

Der in Belarussisch verfasste Bericht stellt nicht nur einen ersten Unterschied zwi-schen dem ukrainischen und dem belarussischen Freiheitsgrad der Journalisten dar, sondern leitet in seinem Fazit über zu dem wichtigsten Nebenschauplatz der bela-russischen Berichterstattung über die Ukraine über, dem Vergleich zwischen Kiev und Minsk. Die Abgrenzung von Russland wird in weiteren Artikeln fortgesetzt. Russisch wird als die Sprache des Kremls, der ehemaligen UdSSR, als die Sprache von Janukovi� und von Lukaš�nka gewertet. Juš�enko steht sinnbildlich für die ukrainische Sprache, und somit auch für die nationale Kultur («=� Y�\i �<%i��Y^> @�}\i�� �a � i* #���», „Nicht die Leute wählen den Präsidenten, aber ihre Sprache“, A284). Wer der belarussische Juš�enko sein soll, wird gleichwohl nicht genannt. Auch andere Probleme in der Ukraine, teilweise entstanden in Folge des Protestes, werden nicht verschwiegen, aber doch durch andere Argumente entkräftet. Zwar seien in Belarus im Gegensatz zur Ukraine die Pensionen höher, aber gäbe es doch mehr als nur die Pensionen. Im Detail werden Vergleiche zwi-schen Minsk und Kiev gezogen und analysiert, woran es in Minsk für einen Um-schwung noch fehle. So etwa an dieser Stelle:

�<, %�����<, ����� � %���# \� @�%��� ��#������� � ����� �. � }��# \��� ������ ��� �� ����������� � � �������. […] ���� � @�*�" � �� �� �_� � @���#�, ��� ��������� #��^�� ��# �#���� � �����#. ¢��� #���^�'���� #��� < � �\<��Y� «^�#� ����\�#�», � }�� ������ Y%�. � ������� � �<�� �� # �Y � ����� �<���������� «���^�� \� ����!» � #��� ��* � �� ��� � ��� ����Y�.

Wir, Belarussen, drücken aufrichtig die Daumen für den Sieg der Demokratie in der Ukraine. Dieser hat große Bedeutung für die Wiederherstellung der Macht des Volkes in Belarus. […] Kiev ähnelt Minsk auch deshalb noch nicht, weil die städtische Miliz dort auf der Seite der Bevölkerung ist. Obwohl die Fahrzeuge der Miliz auch „Zementfuhren“ genannt werden, so wird das eher aus Liebe gesagt. Das von mir in Kiev vielfach gehörte tausendstimmige „Miliz für das Volk“, wird bei Kundgebungen in Minsk nicht skandiert.

[��� �� ��#������� @�-������� (�����' ¥��� ); Straßen-Demokratie Kiever Art (Vale-rij Š�ukin), A302]

Einige Berichterstatter aus Kiev gehen sehr viel direkter und ohne Umschweife auf einen Vergleich ein; resp. auf den Grad der Bedeutung, welchen die Ereignisse in der Ukraine für Belarus haben. Bereits an den fett gedruckten Titeln – meist auf Seite 3 der Narodnaja Volja unter der Rubrik «�Y��}���» („Kronleuchter“, etwa vergleichbar zu ‚Vermischtes’) – lassen sich die Kernaussagen der Artikel ablesen. Das Gros thematisiert die Gefühle der Freiheit und der Verbundenheit zwischen Belarussen und Ukrainern.

���� ������� – ��� ���%���! Eure Freiheit ist unsere Freiheit! [A300]

«� }�� � � #< ��� �#����...» „In diesen Tagen sind wir alle gemeinsam ...“ [A309]

«� �<*�� @������# ���%��<»

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224 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

„Ich atmete die Luft der Freiheit“ [A314]

«�� ��� i ���� ���%���!» „Für unsere und eure Freiheit“ [A325]

Und ein Zitat eines belarussischen Demonstranten in Kiev am Ende eines dieser Artikel verdeutlicht nicht nur das Gefühl und die Hoffnungen der belarussischen Unterstützer in Kiev, sondern bringt die Position der Narodnaja Volja in der Be-richterstattung zur „Orangen Revolution“ auf den Punkt.

I *���^^� @�����<^> ���\� �� # �Y � �� <# \ #i�< ���: «�����i� ����i ��i� %���<! � ��� �@����\� ���} �#�� �<@��%��� ��. ����'^�: �}�^< ��@���� <* %������� \ ��#i! ���� �\��" ��^> – ��� �\��" ��^>. ���� ���%��� – ��� ���%���. ���� \#��� � – ��� \#��� �. ���� @���#��� – ��� @���#���. �< ��\�# – \� ��Y, �}#�����<Y, ���������\�, �����!»

Ich möchte das von mir auf einer der Kundgebungen Gesagte wiederholen: „Verehrte ukraini-sche Brüder! Ihr habt noch viele Zerreißproben vor euch. Seid gewiss: Die Herzen der echten Be-larussen sind bei euch! Eure Unabhängigkeit ist unsere Unabhängigkeit! Euer Sieg ist unser Sieg. Wir gemeinsam für Freiheit, Demokratie, Volksmacht und Klarheit!“

[���� ������� – ��� ���%���! (��� ^� � ����� ); Eure Freiheit ist unsere Freiheit! (Val-jancina Ko�tun), A300]

Die Narodnaja Volja stellt sich – das wurde mehr als deutlich – bei diesem Thema mehr oder weniger auf die Seite der Kiever Demonstranten. Sie nutzt dabei weniger als andere Zeitungen der Stichprobe das Schlagwort „Orange Revolution“. Die ersten beiden umstrittenen Wahldurchgänge besetzt die Zeitung unter Leitung von Jusif Sjar�dzi� durch negative Begriffe wie beispielsweise «����» („Farce“, A279), «�� �» („Finte“, A282) oder «���#�» („Drama“, A283). Durch eine Vielzahl von Artikeln lenkt die Berichterstattung der Narodnaja Volja das Augenmerk auf den Vergleich und die Solidarität von Belarus zur Ukraine. In den dazugehörigen Arti-keln fallen dabei die Schlagwörter Freiheit, Sieg und Unabhängigkeit auf. Diese Artikel sind jedoch nicht als Kommentare oder Meinung gekennzeichnet. Die Leit-artikel und andere meinungsbetonte Darstellungsgenre bleiben anderen, meist in-nenpolitischen Themen im Stichprobenzeitraum vorbehalten. Zudem berichtet die Narodnaja Volja, dies sei an dieser Stelle zumindest erwähnt, umfangreich über den internationalen Einfluss auf die Ereignisse in Kiev – so etwa die finanzielle Unter-stützung durch die US-amerikanische Regierung oder den politischen Druck seitens der Russländischen Föderation.

Journalismusjournalismus. Auch in der Narodnaja Volja hat die Berichterstattung über journalismusbezogene Ereignisse zugenommen. Ebenso wie die beiden zuvor diskutierten Zeitungen, berichtet auch die Narodnaja Volja über das Verbot der Birža Informacii. Wie die Belorusskaja Delovaja Gazeta argumentiert auch die Narodnaja Volja mit Zitaten der Chefredakteurin der Tageszeitung aus Hrodna und des Rechtsexper-ten der Journalistenvereinigung BAŽ Michail Pastucho�. Zusätzlich informiert aber

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 225

die Narodnaja Volja in ihrem Artikel auf Seite Eins darüber, dass die Birža Informacii weiterhin publizieren wird – im Internet:

������ ��� � < |��%�^��', � %i"�'�< ��� ��\��� %��\� �<*��\i^> � i ��� ��-����ii. Laut Alena Ra�becka erscheint in Kürze eine Internet-Ausgabe der Zeitung. [���'�< @����� ��. {���\� ���� ��\��� «���"� � ���#�^��» - @�� @����\�� \ i� � �?

(��>�� ����������); Doppelte Strafe. Droht die in Hrodna erscheinende Zeitung „Birža Infor-macii“ (Informationsbörse) zu verschwinden? (Vol’ha Klasko�skaja), A305]

Und ebenso wie die Belorusskaja Delovaja Gazeta nimmt die Narodnaja Volja den er-neuten Versuch der Mutter des verschwunden Kameramanns Dzmitryj Zavadskyj auf, die Staatsanwaltschaft möge zur Untersuchung des Vorfalls zurückkehren (vgl. A319). Sie zitiert aus der Pressekonferenz des Präsidenten und O-Tönen der Mutter von der Nachrichtenagentur BelaPAN. Des Weiteren meldete Narodnaja Volja, dass das Format Radyjo Švecyja (Radio Schweden) zu einem wöchentlichen Senderhyth-mus übergeht und in belarussischer Sprache sendet (vgl. A321). Die Narodnaja Volja druckt im Stichprobenzeitraum ein langes Interview (3/4 Seite) mit dem stellvertre-tenden Vorsitzenden des Journalistenverbandes BAŽ ©duard Mel’nika�101 ab. Mel’nika� kritisiert offen die Zensur in Belarus und vergleicht diese mit der Funkti-onsweise der sowjetischen Zensurbehörde Glavlit102. Im Interview betont er, dass zu sowjetischen Zeiten die Journalisten wenn auch beschränkt, so doch freier arbei-ten konnten als heute. Letztlich tritt Mel’nika� im Zeitungsinterview offen für eine Abschaffung der Zensur ein. Eine Angst, damit militärische und Staatsgeheimnisse preiszugeben, weist er zurück:

=� � ����"� }��* ��' ��"� �����> \��� : @�����', �� <', @� �� <' ��"��#�. �� ���> \� �\@� � ��# \��� � ���_��������� ����\ ���, ��� �� ���# #���.

Aber hinter der Bewachung dieser Geheimnisse soll ein Gesetz stehen: einfach, klar und jedem verständlich. Die Kontrolle der Gesetzesausübung fällt in die Zuständigkeit des Gerichts, wie in der ganzen Welt.

[=�\-\-\�! §�# ��>�� #< ����# � ����* ��*�* ���@�*, ��# %��� �����<#� #���� %<�> @��������� (%����� ��� =���>� ��� >���); NEIN! Je länger wir in unseren geschlossenen Schützengräben sitzen, desto härter werden die Folgen sein (das Gespräch führte Natal’ja Be-len’kaja), A276]

Bilder. Am Anfang noch etwas ausgeglichener, unterstützt die Narodnaja Volja nach dem zweiten dubiosen Wahlgang endgültig den Oppositionskandidaten Juš�enko. Den Höhepunkt in der bildlichen Darstellung erreicht sie dabei m. E. mit der Bild-nachricht auf dem Titel vom 3. Dezember 2004 (vgl. Abb. 7). In der Mitte des Bil-des ist Viktor Juš�enko mit seiner Familie zu sehen; unter Überschrift: «~�#>�

101 Zur Person von ©duard Mel’nika�, siehe auch im Anhang: Interviewpartner. 102 {���� – {�� �� �@���� �� @� ���# ��������< � �\����>���, Hauptamt für Literatur und Verlagswesen, oberste Zensurbehörde.

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226 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

������� ¤_� �� ����� � ����� �» („Die Familie Viktor Juš�enkos glaubt an die Ukraine“).

Abbildung 7: Titelbild der Narodnaja Volja vom 3. Dezember 2004 Der klein gedruckte Satz unter dem Foto vermag mit seiner feinen Ironie zumindest teilweise, das allzu klare Statement zu revidieren:

£��� � �#�� – ��� <' %�� � ��������� @��\���� ����' ��" ���� � ����� � ������� ¤_� ��. {��� � ��Y e�� ��#>Y, #�" � � � @������ }��#� @������.

Dieses Bild ist die Hauptmarke des Mitbewerbers für das ukrainische Präsidentenamt Viktor Juš�enko. Schauen Sie auf seine ganze Familie, (wie) könnte man dieser Politik nicht vertrauen.

[~�#>� ������� ¤_� �� ����� � ����� � (-); Viktor Juš�enkos Familie glaubt an die Uk-raine, A301]

Gleichwohl zeigt die Narodnaja Volja verstärkt Bilder von Juš�enko und weniger den Konkurrenten Janukovi�, und macht so den Vertreter der „Orangen“ populär. Ähnliches zeigt sich auch bei der nationalistisch eingestellten Naša Niva.

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 227

6.5.6 Naša Niva (��%� �i��) Die Naša Niva berichtet oft und ausführlich über die Ereignisse in der Ukraine. Vor allem nach dem zweiten Wahlgang und dem Beginn der Straßenproteste bestimmen die Geschehnisse in der Ukraine für drei Wochen die Agenda. Wie einige andere Zeitungen auch, entsendet die Naša Niva mit Ales’ Kudrycki einen Korresponden-ten nach Kiev. Die als nationalistische Kulturzeitung103 zu bezeichnende Naša Niva berichtet über die Ukraine mit viel „Orange“ und viel „Revolution“. Einige Facetten des Themas (Wirtschaft, internationaler Einfluss) oder Ereignisse, die im Zusam-menhang gesehen werden könnten (etwa der EU-Gipfel unter Beteiligung der Russ-ländischen Föderation) spielen bei der Berichterstattung keine Rolle. Neben der Wahl und den Straßenprotesten in Kiev sind es vor allem die umfangreichen Artikel zum Vergleich von Belarus mit der Ukraine, welche die Berichterstattung der Naša Niva in dieser Zeit prägen. Bereits die Überschriften lassen die nationalistisch oppo-sitionelle Grundhaltung erkennen. Beispielsweise zum Hauptthema Wahlen in der Ukraine:

�� "���� �}��Y^<� Orange Revolution [A336, Rubrik: �}��Y^<�/ Revolution]

����i ���� � �<��%�i�^��� �}��Y^<�. �� �#� ¤��� �i �� �}��^<� ���% ��� %��"�� � "�*i %�' ��� ��@i��<

Ukrainische antiglobalistische Revolution. Das Phänomen Juš�anka als Reaktion des kleinen Bourgeois auf die Angst vor dem großen Kapital [A338]

�� "���� �}��Y^<�. «����i ^< �%��<i, ��� � < – �^<�»

Orange Revolution. „Ukrainer erkennen, dass sie eine Nation sind.“ [A348] Noch deutlicher wird die richtungspolitische Einstellung bei dem Vergleich der Ukraine mit Belarus und der Darstellung der Ausgangsbedingungen für eine Revo-lution in Belarus:

��^�� \ @��� � Wind aus Süden [A337]

�������i �}�� �. «��i \>�\�'�> ��^^� �}��Y^<�, �}�� � \�#i �� ����� i# @i^> ����»

Belarussische Landung „Wenn sich die Revolution verwirklicht, so wird es den verbliebenen kein Kaffeetrinken ersetzen“ [A339] |}*� �}��Y^<i � #� ��i* �}����*

Echo der Revolution in Minsker Theatern [A341]

103 Das Adjektiv „nationalistisch“ führt des Öfteren zu Missverständnissen, so auch in der Diskussion anlässlich des 100. Jubiläums der Naša Niva im September 2006 in Berlin. In Deutschland meist in Verbindung mit dem Nationalsozialismus gebracht, bedeutet Nationalismus jedoch für viele Belarussen (darunter die Redakteure der Naša Niva) die Herstellung/Konstruktion eines Kulturraumes. Das Ziel, dass sie mit Nationalismus bezeichnen, sehen sie darin, den Belarussen zu verdeutlichen, dass Belarus eine Nation als Einheit mit historisch-kulturellen Wurzeln ist.

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228 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

��������� �}*� @��\��� Belarussisches Echo auf das Ereignis [A345]

��*�� <� �}��Y^<i. §�*i� – ~�����i � – ~}�%i� – {��\i� – ����i �. ������>?

Wegweisende Revolutionen. Tschechien – Slowakei – Serbien – Georgien – Ukraine. Belarus? [A351] �������i� #�\<�i – \� ¤��� ��

Belarussische Musiker sind für Juš�anka [A353] ~� > � ª���i �, \����� #<!

Heute die Ukraine, morgen wir! [A357] ª���i ���� ª���i � ' %�������� ������>

Ukrainische Ukraine und belarussisches Belarus [A 363] ��� � (� �), %������i ¤��� ��. ��i�<� <� i�}�< ����\��Y^> � @<�� > i «==»

Wer ist er (oder sie), der belarussische Juš�anka. Spitzenpolitiker im Interview mit „NN“ [A364]

Dieser vordergründige Eindruck, der vornehmlich aus dem Wissen über die Zei-tung und die Titelgestaltung resultiert, lässt nicht sogleich auf eine richtungspoliti-sche Verknappung der Naša Niva schließen – aber es lässt sie vermuten. Mit Blick in die Artikel fällt auf, dass sich eine Grundtendenz der Berichterstattung Pro-Juš�enko auch in den Texten niederschlägt.

��< � i �� ª���i � i�� ��' � }����. […] ­} ����<%����# �%���>^i� �i����� � ����i�� @�}\i�} ��#. �� ����� ��������-���#< ��� <� �� < ����^ii %���^>^i, ��i� �^} >��Y^^� � 40 #�� ������. � < � #���^> ��@��>^i^> ����' �<\<�i �� ���i* ��@i����, �� \� �^>^� @����< @�}\<�} �� ��� ������ <# �i�����# ¤��� ��#. ����i � – � #�"< �}��Y^<i �%� �<������<.

Drei Tage des Nervenkrieges in der Ukraine sind vorüber. […] Die zentrale Wahlkommission verkündete Viktar Janukovi� als Präsident. Seit den Zeiten von Kra��uk-Ku�ma haben die mäch-tigen Klans Reichtum angespart, dass mit 40 Mrd. Dollar bewertet wird. Sie können nicht solch ein Risiko für ihr Kapital zulassen, wie die Besetzung des Präsidentenpostens mit dem unkontrollier-baren Viktar Juš�enka. Die Ukraine befindet sich auf dem Weg zur Revolution oder in die Dikta-tur.

[��} } �#}�� (�^�# ����, ��> ����i#� ��. �i�� – �� ��), Noch nicht gestorben (Arcjom Ljava, Ales’ Trafimenka. Kiev – Minsk), A335]

Im Gegensatz zu dem Artikel von Ljava und Trafimenka überzeugen die langen Artikel vom Korrespondenten Kudrycki aus Kiev durch vielfältige Beobachtungen und Bewertungen. Als klassische Reportagen angelegt, fängt Kudrycki Stimmen und Stimmungen rund um den Kiever Majdan ein.

����� ����> �i�� %<� ��� "��<. =� #��< �*, � ����i, � �<# *����. � � ��#�� i� \> ������i �#��\��� �< @��*�� � ��� �, �<� ����i�� \> i#i ��# @���� ��\#���^>, @<��^^�: «�< \� ¤��� ��?» ��i #< @�������i #�"� � §�� i����, �����Y�<�� �\��, �<��i���, ��� *�@�^ \��%i� #i���^<' �Y ������. ��i #<� i�i ������i��, ��� #< @�<�"�"�i @���<#�^>

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 229

¤��� ��. {}��Y @��%�#� ����\� �<���<i. � – ���� �"� ��# *���^> – %��\�# ��<�<#i: �� @����*�i #�"�, %�-�<��� �-%�<� �>^��i #< @�\������iY.

Dafür war ganz Kiev orange. Autos, Taxis, wo du hinsiehst. Eine Kompanie aus Belarus fror und ging in die Sauna, da begann selbst der Taxifahrer das Gespräch mit ihnen mit der Frage: „Seid ihr für Juš�enko?“ Als wir die Grenze in �arniha� auf dem Rückweg überquerten, stellte sich heraus, dass ein Bursche die Migrationskarte verloren hat. Als die Läusekräuter entnahmen, dass wir von der Unterstützung Juš�enko kamen, war dieses Problem plötzlich geklärt. Was wir jedoch dort bereits versteckten, sagen wir aufrichtig: als wir die Grenze überfuhren, rollten wir die weiß-rot-weiße Flagge zusammen.

[�������i �}�� �. «��i \>�\�'�> ��^^� �}��Y^<�, ���� � \�#i �� ����� i# @i^> ����» (��> ����<^�i), Belarussische Landung „Wenn sich die Revolution verwirklicht, so wird es den Verbliebenen kein Kaffeetrinken ersetzen“, A339]

Aber auch die Bewertungen von Belarussen werden zitiert, die in der ukrainischen „Revolution“ einen möglichen Schock in Minsk als Folge sehen, aber keine Wieder-holung:

«��i �� ª���i � �}��Y^<� �� ������� @���#�"�, � ������i @�i�<� < ��� %��\�». […] {��@� %������� – ���<�< *�@^< �< �\���< � \ {�#�Y – ���\�^> � ��� �����, i%< � �\i�� ����: «=�, � �� ������ � %��\�...»

„Wenn die Revolution in der Ukraine als Sieg beendet wird, wird es in Belarus einen politi-schen Schock geben.“ […] Eine Gruppe von Belarussen – vier junge Männer und eine Frau aus Homel’ – beobachtet alles erstaunt: „Nein, bei uns wird es so etwas nicht geben…“

[�� "���� #���. (��> ����<^�i); Oranges Meer (Ales’ Kudrycki), A343] Die Meinungen der „himmelblauen“ Anhänger von Janukovi� werden jedoch nicht dargestellt. Als Leser bekommt man schließlich einen vielfältigen Blick, aber ledig-lich auf die Demonstrationen in Kiev und eine richtungspolitische Alternative: «I���, #�' {��@��! ¤��� �� – #�' @�}\i�� �!» („Jesus, mein Herr! Juš�anka (ist) mein Präsident!", A343) Diese Einseitigkeit kann auch die von der Naša Niva ange-botene internationale Presseschau nicht entlasten. Dort finden sich viele unter-schiedliche Zeitungen aus diversen Ländern mit einer Artikelauswahl vertreten. Jedoch zählt der größte Teil zu westlichen oder osteuropäischen unabhängigen Zeitungen. Russische Zeitungen werden mit eher neutralen Zeilen zitiert. Ausdrück-lich auf Grundlage der bekannten russischen Zeitung gazeta.ru werden die „Hymne der Revolution“ und eingängige Sprechchöre («’¤��� �� – ���!’ [..] � ����i� – ���!» /„’Juš�anka – Ja!’ [..] ‚Janukovi� – Fuck!“, A359) vorgestellt.

Erst in dieser Ausgabe vom 10. Dezember werden die Leser auch über die Proteste im Donezk-Gebiet und über die Seilschaften der Juš�enko-Anhänger in-formiert. Auf derselben Seite und in derselben Rubrik (\ ��i* ����� /von allen Seiten) bzw. auf der Seite zuvor (����< i ��#} ���</Fakten und Kommentare) berichtet der Korrespondent Kudrycki auch über den maßgeblich unterstützenden unabhängigen Fernsehsender Pjaty Kanal (Fünfter Kanal), der sich selbst den Beinamen „Sender der ehrlichen Nachrichten“ gibt (A358).

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230 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Journalismusjournalismus. Im Hinblick auf die journalistische Selbstthematisierung berichtet die Naša Niva relativ wenig im Stichprobenzeitraum. Zunächst themati-siert sie belarussische Radioformate (A333) und eine politische Entscheidung, die festlegt, dass 75 Prozent der von den Radiostationen gespielten Musik aus Belarus stammen muss (A334). Außerdem meldete auch die Naša Niva die Vergabe des Sacharov-Preises an den belarussischen Journalistenverband BAŽ (A365).

Von großem Interesse ist jedoch, dass die Naša Niva in der Ausgabe vom 3. Dezember eine Presseanalyse vornimmt. In einem Artikel (347) vergleicht sie die Berichterstattung zur Revolution in der Ukraine von Sovetskaja Belorussija (Belarus’ Segodnja) und Narodnaja Volja. Der Autor Trafimenka stellt fest, dass sich beide bei ihrer Bewertung deutlich unterscheiden. Und das bereits bei Bildunterschriften:

��>�i ��� \�<#�� \ �i������� ��'�� � =�\��" ��>^i «=��� �� ���» @��@i��� «���> ��� ����i � �����'��� ���Y %����< Y», � � «������� ����� �» \�<#�� %<� iY����^<�' �� ���<��� «{�� �� ����i ���� ��».

Bereits das Bild vom Kiever Majdan der Unabhängigkeit untertitelt die „Narodnaja Volja“ mit „Seht her, so verteidigt die Ukraine ihre Zukunft“, aber in der „Belarus Segodnja“ war das Bild die Illustration zu dem Artikel „Laute ukrainische Nacht“.

[«£�\�#� @����� <» – «����\� ���#�». «������> ����� �» i «=���� �� ���» @�� @��\�i �� ª���i � (��> ����i#� ��); „Beim Examen durchgefallen“ – „Niederlage des Kremls“. „Belarus Segodnja“ und „Narodnaja Volja“ zu den Ereignissen in der Ukraine (Ales’ Trafimenka), A347]

Was die Bewertung der Qualität der Berichterstattung betrifft, so deutet Trafimenka etwa darauf hin, dass die Narodnaja Volja zwar erst nach dem zweiten Wahlgang verstärkt berichtet habe, dann jedoch sehr umfänglich. Harte Kritik übt er jedoch am Korrespondenten der Sovetskaja Belorussija (SB) in Kiev:

«~�» � *���� ���'�� ���@�<� ��� ����� > � �� �<���^<i i ��<�<��� ��i* %�\ ��\%���. ���}�@� �} � «~�» I��� ��>�� �� %<� � ^} ��< �}��Y^<i... i � \����"<� �}��Y^<i. ® ��%��^^� � ���%�\�* �< �i���� <* �}���* (@��\ ��#�^} \���?) i ���\���^^� �\��> < ����^> «��* ����», ��i ��>�i i #�" � ����^> � #��^< @��\���.

Die „SB“ hat keinen eigenen kritischen Standpunkt zur Situation und kritisiert alle ohne zu un-terscheiden. Obwohl der Korrespondent von „SB“ Ihar Kol’�anka im Zentrum der Revolution war … bemerkte er nicht einmal die Revolution. Er verliert sich in Kleinigkeiten und unwesentli-chen Details (etwa Selbstzensur?) und erweist sich als unfähig, den „Zeitgeist“ zu fühlen, den man nur am Ort des Geschehens fühlen kann.

[«£�\�#� @����� <» – «����\� ���#�». «������> ����� �» i «=���� �� ���» @�� @��\�i �� ª���i � (��> ����i#� ��); „Beim Examen durchgefallen“ – „Niederlage des Kremls“. „Belarus Segodnja“ und „Narodnaja Volja“ zu den Ereignissen in der Ukraine (Ales’ Trafimenka), A347]

Ein so deutlicher Hinweis auf (vermutliche) Selbstzensur und die Thematisierung der unterschiedlichen Ausrichtungen der Blätter taucht selten in der belarussischen Berichterstattung auf.

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 231

Bilder. Die ausgewählten Motive der Naša Niva im Stichprobenzeitraum sprechen eine eindeutige Sprache. Sie zeigen ausschließlich Juš�enko, Timošenko und die Anhänger der „Orangen Revolution“. Sie zeigen die orangen Flaggen der ukraini-schen Jugendorganisation „Pora“ und die weiß-rot-weißen Fahnen der Belarussen vor Ort. Selbst ein Artikel, der davon handelt, dass prominente ukrainische Sportler und Künstler auf beiden Seiten der Barrikaden zu finden seien (A346), wird durch ein Bild illustriert, das Juš�enko, die Sängerin Ruslana und den Boxer Kli�ko freudig vereint zeigt. Erst in der Ausgabe vom 10. Dezember wird – wie bereits beschrie-ben – die Kritik der Gegenseite in die Berichterstattung aufgenommen, so auch in einer Bildunterschrift. Das Foto dazu zeigt jedoch nicht Demonstranten der Janu-kovi�-Anhänger in Donezk, sondern die humorvolle Verarbeitung der Kritik an den „Apfelsinen“:

���>� ����, �� � #i�< �� � �� �^�� "� �� �i����� � ����i�� ���@����, ��� @�<*i> i�i ¤��� �i � �i��� *����Y^^� « �����<#� �@}>�i �#i» �< ���^> «�#��<�� ��i� ��� �i», ����i ��i� "����� i�i \�'#�i ���Y �}#�. =� \�<#��: � �i��� @����� � ��i^< @��@� �Y^> ��� �i «Made in USA» \� 100 ������ 99 ^� ��� i �@}>�i < \ ���#�-��<#� ��� ��<#i �@�<^�#i.

Nachdem auf einer öffentlichen Versammlung in Donezk die Frau von Viktar Janukovi� er-zählte, dass sich die Anhänger von Juš�enko in Kiev von „gespritzten Apfelsinen“ ernähren und „amerikanische Valenki104“ tragen, schufen die ukrainischen Karikaturisten ein neues Thema. In Kiev bot man direkt auf der Straße Filzstiefel „Made in USA“ für 100 Dollar 99 Cent an und Ap-felsinen mit zwei-drei eingestochenen Spritzen.

Fazit. Mit dem Chefredakteur Andr�j Dyn’ko ist die Naša Niva in ihre politischen Berichterstattung tagesaktueller geworden. Sie ist mit Bezug auf ihre Anfänge zu Beginn des 20. Jahrhunderts weiterhin nationalistisch ausgerichtet und setzt einen Schwerpunkt auf die Kulturberichterstattung. Die Zeitung kann weitgehend frei und unbehelligt agieren, trotz der teilweise auffällig oppositionellen Haltung gegen-über dem Regime Lukaš�nka. Anscheinend steht die Naša Niva auf Grund ihrer sprachlichen Sonderstellung und ihrer geringen Auflage (2004: etwa 3500 Stück) nicht im Fokus der staatlichen Ermittler bzw. wird ihr keine große Tragweite zuge-sprochen. Dass zu den Abonnenten der Naša Niva – nach eigenen Angaben105 – weite Teile der wirtschaftlichen und politischen Elite gehören, scheint die Administ-ration nicht zu stören, solange das Blatt nicht massentauglich ist. Ihre zunehmende politische Aktivität stößt jedoch mehr und mehr auf Unbehagen. Nachdem einige unabhängige Blätter im Zeitraum 2003 bis 2005 durch politische und wirtschaftliche Restriktionen weitgehend mundtot gemacht wurden, rückte nun auch die Naša Niva ins Visier der Kontrolleure des Informationsministeriums. Bisheriger Höhepunkt ist die kurzzeitige Inhaftierung des Chefredakteurs Andr�j Dyn’ko anlässlich der Präsi-dentschaftswahlen im März 2006. 104 Valenki – Filzstiefel, die in Russland, Belarus, Ukraine etc. getragen werden. 105 Interview Kudrycki (03.08.2005)

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232 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

6.5.7 Sovetskaja Belorussija (���� ��� ���� ��) Am 16. November 2004, als kaum jemand so recht ahnte, dass am folgenden Wo-chenende in der Ukraine eine „Orange Revolution“ ausbrechen sollte, an diesem Tag berichtete die Sovetskaja Belorussija über die belarussisch-ukrainische Freund-schaft. Ein älterer, hagerer Mann in volkstümlicher Kleidung, umringt von Akkor-deonspielern, tanzt und lacht in das Objektiv des Fotografen. Unter dem Foto die Überschrift des sich über eine Dreiviertel Seite erstreckenden Artikels in dem Organ der Präsidenten-Administration: «���"�# � @��#» („Wir freunden uns an und singen“). Soviel Kontakt mit dem Brudervolk war dem Präsidenten eine Woche später wohl nicht mehr Recht, als Belarussen den ukrainischen Oppositionskandida-ten Juš�enko unterstützen wollten, aber zunächst teilweise an der belarussisch-ukrainischen Grenze festgehalten wurden. Vor dem zweiten Wahlgang zu den Prä-sidentschaftswahlen in der Ukraine berichtet die Sovetskaja Belorussija sehr wenig, wie sie auch danach eher verhalten berichtete. Als auflagen- und vor allem seitenstärkste Tageszeitung mit meist großem Format106 berichtet die Sovetskaja Belorussija mit weniger als 30 Artikeln vergleichsweise mager über die Ereignisse in der Ukraine.

Im Vorfeld des zweiten Wahlgangs konnten nur zwei Artikel aufgefunden werden, einer stellt kurz die beiden Kandidaten vor. Dieser beginnt mit einem Wortspiel zur Wahlurne: «��� � ��� «�<��� � �_���»? („Wer und wie ‚spielte in der Kiste’?“, A368) Der neutrale Bericht, der sich in seinen Ausführungen auf uk-rainische, russische und britische Rundfunksender bezieht, kommt zu dem Schluss, dass die Aussichten des Premiers Janukovi� auf den Wahlsieg nicht größer seien als die seines Herausforderers. Der Artikel am Tag vor der Stichwahl kommt nicht ohne Metapher aus: «�� �����< @����Y��� � \��\�<» („Die Kandidaten ver-trauen den Sternen“, A370). Gemeint ist nicht die Herrschaft der Astrologie, viel-mehr sind es die Prominenten, die sowohl Janukovi� als auch Juš�enko als „Stars“ im Wahlkampf zur Seite stehen. Von Interesse ist jedoch das Foto zum Artikel. Es zeigt eben nicht die orangen Anhänger der Opposition, wie bei den anderen, unab-hängigen Zeitungen, sondern die himmelblauen Unterstützer Janukovi�s mit Wahl-plakat und Arbeiterhelm. Der nüchterne Bericht, der beide Seiten betrachtet, zeigt jedoch an manchen Stellen durchaus Kritik und Meinung, vor allem wenn die Inte-ressen der USA und der Europäischen Union ins Spiel kommen.

Nach dem zweiten Wahlgang und dem Ausbruch der Proteste machte die So-vetskaja Belorussija in der Ausgabe vom Dienstag, 23. November, mit der „Orangen Revolution“ auf. Dieser Begriff taucht dort aber nicht auf, sondern die Sovetskaja

106 Üblicherweise erscheint die Sovetskaja Belorussija Dienstag bis Freitag großformatig (58x42,5 cm) und am Samstag im Tabloidformat (42,2x30 cm). 2004 gehen die Formate durcheinander, sodass auch in der Woche kleinformatige Ausgaben der Sovetskaja Belorussija erscheinen. Der Grund dafür ist mir nicht bekannt.

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 233

Belorussija titelt mit den obligatorischen drei Punkten:107 «{��#�� ����� ���� ��>...» („Laute ukrainische Nacht…“, A371). Im Header des Artikels heißt es offiziös-faktenorientiert:

����� ­� ���> �� �\%�����> �� ��#����� ����� < @��� @������� �%��Y� ��� %�>�� ���� %Y��� �' ���������� �%`���� @�%������# ������� � �������.

Gestern erklärte die Zentrale Wahlkommission der Ukraine, nach dem Ergebnis der absoluten Mehrheit der Stimmen, Viktor Janukovi� faktisch zum Sieger.

In dem sich über drei Seiten erstreckenden Artikel heißt es zum Ende hin:

«|���Y^��», ���� � @���\ ���#�� ���*, � ���"�#�� � �#�, �#�����> � ��> @��� �<%����. � ���%�*, ��� � �"� @���, ����*�@������ � @����� @����> <� @�������, � ��>�� ����� ���' ­� ���\%����# %�����\�# �, ��� ���\���> �@���������, #��� � ��\�>����#. […] � @���� �� \�#��� ��. ��#�����������#� ���Y��� �� �<%��<, � �����<* � @�%�����> @��\ ��� ��%� @�%������#, � @�%�"�� <' @��\ ��� ���� @���"� ��.

„Revolution“ ist ein Wort, das man nicht laut sagt, sondern sich im Geiste bewahrt, die Revo-lution zeichnete sich in der Nacht nach den Wahlen ab. In den führenden Organen, wie ich bereits geschrieben habe, wurde höchst unbürokratisch eine parallele Auszählung durchgeführt, und nur die ukrainische Zentrale Wahlkommission verzögerte – wie sich später herausstellte – vernünftiger Weise, das Ergebnis. […] Und noch eine letzte Bemerkung. Demokratisch sind solche Wahlen, bei denen nicht der Sieger den Sieg verkündet, sondern der Unterlegene seine Niederlage eingesteht.“

[{��#�� ����� ���� ��>... (����> ��>�� ��, «~�», ����); Laute ukrainische Nacht... (Igor’ Kol’�enko, „SB“; Kiev), A371]

Dem Artikel, der als Korrespondenten-„Bericht“ Ereignisse aus Kiev darstellt, wird noch ein Redaktionskommentar hinzugefügt, der die unteren Hälften der letzten beiden Seiten des Artikels einnimmt. Diese Redaktionskommentare sind bei weitem nicht unüblich, und lenken die Meinung der Leser in Richtung für bzw. gegen eine bestimmte politische Tendenz, die im Artikel zuvor bereits angedeutet wurde. In diesem Falle geht es klar gegen die Unterstützer von Juš�enko, indem der Kom-mentar etwa auf Verbindungen und persönliche Netzwerke von Juš�enko hinweist. Einige Passagen des Artikels sollen diesen – für die Sovetskaja Belorussija durchaus typischen – Stil verdeutlichen:

������, }�� }�\��@�< ([...]) @<����> ��@�>�����> � �������� ���� �� � ����> � � �������, ��>�� � �� }�� �<����� � ������#. […] � ����� � @��������? �� ¤_� �� – �����>� �, \� � ������� – ��%����! […] �� ����# ����������� ����� �\%�����> �' ��#@� �� ���� |<%����� (������, � @����# ��������� ­� ��#��#�� ����� < @� ��������!) […]

Nebenbei gesagt versuchte man auch in Belarus diese Umfragen […] als Druck auf die Macht zu nutzen, aber bei uns gleicht dies einem Witz. […] Ist es nicht interessant? Für Juš�enko sind die Bauern, für Janukovi� die Arbeiter! […] Laut dem Leiter der Wahlkampagne Oleg Ryba�uk (übri-

107 Die drei Punkte erscheinen meist als ein „Selbst-weiterdenken-was-gemeint-ist“ und sind ein typisches Merkmal der Sovetskaja Belorussija. In westlichen Redaktionen ebenso wie Fragezeichen im Titel verpönt, gehören sie hier bis heute zum journalistischen Standard (vgl. a. Jarolimek 2007: 117).

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234 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

gens, früher Sekretär des Zentralkomitee des ukrainischen Komsomols [des kommunistischen Ju-gendverbands, S.J.] für Ideologie!) […]

[|����^�� <' ��##� ����' (���� ~������%); Kommentar der Redaktion (Pavel Staro-dub), A372]

Bemerkenswert sind die mit «������» („Nebenbei bemerkt“, „Übrigens“) eingeleite-ten Abschnitte, die eben ganz nebenbei Zusatzinformationen im Sinne der (unter-stellten) Redaktionspolitik liefern, so etwa Umfragedaten verunglimpfen oder Per-sonen des Wahlstabs als Opportunisten resp. persona non grata entlarven. Auch im Folgenden bleibt die Sovetskaja Belorussija ihrer Linie der Berichterstattung treu. Die Berichte sind nun jedoch etwas mehr von den anhaltenden Protesten in der Kiever Innenstadt und den Verhandlungen dahinter geprägt. „Umstürzlerische Tendenzen“ in Überschriften, wie bei den unabhängigen Zeitungen gesehen, tauchen nicht auf. Vielmehr wird das Ringen um richtige oder falsche Wahlergebnisse als „Spiel“, „Schlacht“ oder „Kalter Krieg“ bezeichnet; interessanterweise fast ausschließlich vom Korrespondenten in Kiev, Igor’ Kol’�enko.

� «������� ����» ��Y��� ��<

Der „Runde Tisch“ hat scharfe Ecken [A378] =� ��^� ���� � ������� �� ��%��

Das Spiel auf der Straße führt nicht zum Guten [A382] ����. ¢��� �� ��' � @����"�����

Kiev. Der kalte Krieg geht weiter [A385] =�����"�#�� ¤�� �"� ������ � �%���> |����Y �������#� �@�>�� �#�

Die unbändige Julija ist bereit, Russland mit Kiever Apfelsinen zu versorgen [A387] Das Thema des Vergleichs der politischen Situationen von Kiev und Minsk wird in die Berichterstattung der Sovetskaja Belorussija gar nicht erst aufgenommen. Nur selten wird überhaupt erwähnt, dass Belarussen die „Orangen“ in Kiev unterstützen (z.B. A374).

Journalismusjournalismus. In der Sovetskaja Belorussija finden sich immer auch Ar-tikel zu Massenmedien. Bezogen auf die Gesamtheit aller Artikel in der Zeitung bleibt die Zahl jedoch gering. Die Sovetskaja Belorussija berichtet unter anderem über die Anordnung, die Radiostationen sollten 75 Prozent ihres Musikprogramms mit belarussischen Produktionen gestalten (A369). Dazu befragen sie Künstler, die zwar teilweise die Produktionsmöglichkeiten in Belarus in ihrer Quantität bemängeln, jedoch die Anordnung positiv beurteilen. Bekannte oppositionelle Musiker, die u. a. auch in Kiev auftraten, werden nicht befragt. (Vielleicht auch, weil sie sowieso nicht mehr gespielt werden dürfen.) Auf diese Weise wird natürlich diese Anordnung als reine Unterstützung der belarussischen Künstler dargestellt.

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 235

Von größerem Interesse sind zwei Artikel, die „selbstkritisch“ – zumindest die Kritik von außen wahrnehmend – die Möglichkeiten der Massenmedien und die Rolle des Journalismus verteidigen. In einem Interview, das der Präsident dem ara-bischen Fernsehsender Al-Arabia gab, betonte Lukaš�nka die Freiheit der Massen-medien:

§�� �������� ���%��< @�����, ��, ��� \�#��� ���� �� ������ ��, « �@��������� � � \�� �� �#� �����^�� ���\��� ��, � ��#� @������>���� � ��\�� <* ������* #�" � @���%����� Y%�Y ��\��� – � ����������� �Y, � ���� �Y, � �@@�\�^�� �Y».

Was die Pressefreiheit betrifft, so kann man, wie Aleksandr Lukašenko mitteilte, „im Gebäude der Präsidentenadministration, im Regierungsgebäude an den Zeitungskiosken unbefangen jede Zeitung kaufen – sowohl staatliche als auch private und oppositionelle.“

[���\��� � �� � ����>Y ����� �� «>-��%��» (-); Der Präsident gab dem Fernseh-sender „Al-Arabia“ ein Interview (-), A388]

Natürlich lügt der Präsident hier nicht, sieht man einmal von dem Fall der Belo-russkaja Delovaja Gazeta ab, die zu diesem Zeitpunkt bereits nicht mehr über die staatlichen Kioske vertrieben wird. Aber die unterschiedlichen Ausgangsbedingun-gen für staatliche und unabhängige Zeitungen und deren Leser werden nicht ge-nannt; vom Rundfunk ganz zu schweigen. Diese durchaus generell positive Sicht-weise der staatlichen Medien auf das Tagesgeschehen wird durch einen einige Tage später publizierten Kommentar verständlich, der die Einstellung zur Berichterstat-tung erklärt und verteidigt:

=����, �� �� �, � \�������� %��> � �����<, ������> «���!». =� ������� "�\ � ��" �, �%�\� � %<�> @���#�_����� �@��#��������#, � ��� – ��@������, ������ @���@�����.§��� � ������, � ��"� ����� @�*��� � ����#� �� %��������* ������� #������' � ���#�^�� ��*�� ��> �@��#���������' �� @����� #�������. �< ��� @������ � \ ��#, ��� ���> {����, � ���> �����. ���> � %���� ��\ �� ���@������ #���. ��� ��>�� %���_�� #< ������ � ������� ��� <# ^����#.

Niemand, natürlich, wird gezwungen auf die Pauke zu hauen und „Hurra“ zu schreien. Doch das Lebensgefühl sollte, müsste optimistisch zu sein, ansonsten ist es Depression, Perspektivlosig-keit. Ehrlich gesagt sehe ich nichts Schlechtes im Streben der belarussischen Massenmedien, einen optimistischen Ton der Informationsbereitstellung beizubehalten. Wir alle wissen ausgezeichnet, es gibt Gašek und es gibt Kafka. Es gibt und es wird unterschiedliche Wahrnehmungen von der Welt geben. Aber die Zukunft haben wir noch nie schwarz gemalt.

[§������ "�\ � (����� ��@����, �����); Lebensgefühl (Boris Lepeško, Brest), A398] Vielleicht ist es daher auch verständlich, dass die Verleihung des Sacharov-Preises an den Journalistenverband BAŽ keine Erwähnung in der Sovetskaja Belorussija fin-det. Schließlich bevorzugen seine Mitglieder rund um Žanna Lic’vina und ©duard Mel’nika� einen kritischen Journalismus nach westlichem Vorbild, der durchaus „bad news“ berichtet.

Bilder. Bei den Ereignissen in der Ukraine ist die Bildauswahl ausgewogen. Die Sovetskaja Belorussija bildet beide Seiten ab, titelt einmal mit einer Fotografie vom Majdan und einer orangen Anhängerin, auf den folgenden Seiten sieht man beide

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236 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Präsidentschaftskandidaten, aber auch die Anhänger von Janukovi�, die den ver-meintlichen Wahlsieg feiern. Im Vergleich zu den anderen Zeitungen zuvor, kann man die Bildauswahl der Sovetskaja Belorussija daher durchaus als vielfältiger bezeich-nen, da die unabhängigen Zeitungen fast ausschließlich Bilder vom Kiever Majdan zeigen. Jedoch fällt die Berichterstattung etwas zu Gunsten der ukrainischen Regie-rung aus, wenngleich die Sovetskaja Belorussija um eine Berichterstattung über beide Seiten zumindest bemüht ist. Auffällig war zudem das Foto auf der Titelseite vom 3. Dezember 2004. Unter der Überschrift «����. ¢��� �� ��' � @����"�����» („Kiev. Der kalte Krieg geht weiter“, A385) zeigt die Sovetskaja Belorussija zwei Per-sonen in Mäntel gehüllt vor einem Feuer. Das Bild vermittelt einen düsteren Ein-druck. Ansonsten zeigt die Sovetskaja Belorussija Sportler, den belarussischen Präsi-denten und, wie bereits eingangs erwähnt, Alltagsmotive wie volkstümliche Feste und Kleider, Dorfleben, Innenstädte etc.

Fazit. Ungleich der russischen Führung, die eindeutig den ukrainischen Präsi-dentschaftskandidaten Janukovi� unterstützt, hält sich der belarussische Präsident bedeckt. Die Sovetskaja Belorussija berichtet zunächst nüchtern und faktenorientiert über die Ereignisse rund um die Wahlen in der Ukraine. Die Bildauswahl ist ausge-glichen. Die Berichterstattung verändert sich mit der Dauer des anhaltenden Pro-tests in Kiev in Richtung contra Juš�enko. Während sich jedoch die unabhängigen Zeitungen, allen voran die Naša Niva und die Narodnaja Volja, stark für den ukraini-schen Oppositionsführer aussprechen, bleibt eine explizite Parteinahme bei der Sovetskaja Belorussija aus. Die Möglichkeit der Übertragung der Ereignisse und Um-stände auf Belarus eruiert die Redaktion nicht einmal. Auch andere Nebenschau-plätze, etwa die Wirtschaftslage, werden eher zweitrangig behandelt. Es zeigen sich erneut die Redaktionskommentare als direkte Reaktion auf jene Artikel, die wahr-scheinlich nicht deutlich genug darauf hinweisen, welche Meinung man sich bilden soll. Die Ausführungen zur Rolle und Funktion der Massenmedien des präsidialen Propagandaorgans stehen da nicht im Widerspruch, sondern sie runden das Bild lediglich ab.

6.5.8 Fazit Bevor im folgenden Kapitel der Wandel der Berichterstattung anhand der fünf ausgewählten Publikationen erläutert wird, sollen die relevanten Erkenntnisse des dritten Stichprobenzeitraums kurz zusammengefasst werden. Wiederum als Zwi-schenfazit lässt sich festhalten, dass das international Aufsehen erregende Ereignis der Präsidentschaftswahlen in der Ukraine in der belarussischen Presse sehr unter-schiedliche Aufmerksamkeit erfährt und ebenso unterschiedlich dargestellt wird.

Der Vergleich der Umstände in der Ukraine und Belarus spielt bei den meisten belarussischen Publikationen die größte (Neben-)Rolle. Kämpferisch zeigt sich hier vor allem die Naša Niva, die mit direkten Vergleichen eine ähnliche Revolution in Belarus scheinbar für möglich hält, die sie mit Begriffen wie ‚Unabhängigkeit’ und

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6.5 Die Berichterstattung zur „Orangen Revolution“ 2004 237

‚Freiheit’ besetzt, ohne jedoch die Probleme der Übertragung zu vernachlässigen. Neben Berichten machen die Reportagen aus Kiev einen Großteil ihrer Berichter-stattung aus. Ähnlich berichtet auch die Narodnaja Volja, die als Oppositionszeitung den Herausforderer Juš�enko unterstützt. Zwar nutzt auch sie unterschiedliche Quellen, aber wie bei der Naša Niva werden diese eingesetzt, um ihre redaktionelle Linie zu stützen. Etwas zurückhaltender agiert die Belorusskaja Delovaja Gazeta, die von Beginn an die Möglichkeit einer Übertragung des Schemas „Orange Revoluti-on“ auf Belarus stark anzweifelt. Gleichwohl setzt sie den Schwerpunkt ihrer Be-richterstattung auf die Anhänger und die Person Juš�enkos selbst, berichtet aber auch über weitere Nebenschauplätze, etwa die wirtschaftlichen Folgen. Das andere Extrem bildet die Sovetskaja Belorussija, die zunächst kaum über das Ereignis berich-tet, erst nach dem zweiten Wahlgang etwas mehr. Sie informiert über das Gesche-hen im Nachbarland zunächst relativ neutral, aber nach und nach negativer über die Kiever Demonstranten und das Parteienbündnis Naša Ukraina, indem sie dubiose Geschäfte, personelle Verquickungen etc. thematisiert. Am vielfältigsten, unaufge-regt und sachlich berichtet der Belorusskij Rynok, der über die wichtigsten Fakten informiert und einige Nebenthemen besetzt, etwa die wirtschaftlichen Folgen der Revolution (für die ukrainische Währung Grivna) oder die internationalen Verhand-lungen im Osten und Westen der Ukraine. Auch stilistisch bietet er ein hohes Ni-veau. Die Belorusskaja Delovaja Gazeta fällt erneut durch ihre lockere, zynisch-ironische Schreibe auf, die Narodnaja Volja gibt sich kämpferisch-provokativ und die Sovetskaja Belorussija bietet eine Art „sowjetisierten Regenbogenjournalismus“.

Wenn es um das Thema Journalismus geht, so berichten die unabhängigen Zeitungen mehrheitlich über die Verleihung des Sacharov-Preises an BAŽ und vor allem über das Verbot und die Geldstrafe für die Zeitung Birža Informacii aus Hrod-na. Dies tut die staatliche Sovetskaja Belorussija nicht. Aber sie berichtet wie auch einige privatrechtlich organisierte Konkurrenten über die ministeriale Anordnung, 75 Prozent des Radiomusikprogramms mit belarussischen Produktionen auszuges-talten. Und obwohl die größte staatliche Zeitung viele Stimmen von Künstlern dazu einfängt, bleibt sie unkritisch, was recht eindeutig mit der Auswahl der Protagonis-ten zusammenhängen dürfte. Während die Belarusskaja Delovaja Gazeta über ‚Zu-ckerbrot und Peitsche’ der Journalisten nachdenkt, erfreut sich die Sovetskaja Belorus-sija an dem Gedanken, dass das Leben nur aus positiver Berichterstattung bestehen sollte. Diametraler können sich die Ansichten der Publikationen kaum gegenüber stehen, und sie verweisen paradigmatisch auf die Entwicklung der beiden Journa-lismusinstitutionen, die zehn Jahre zuvor begann.

Auf diese Weise bekommt man bei der Lektüre von lediglich einer dieser Zei-tungen kaum einen Eindruck der Vielfalt der Thematiken. Am ehesten erfüllen noch die Belorusskaja Delovaja Gazeta und der Belorusskij Rynok diese Kriterien. Eine wirkliche Pluralität der richtungspolitischen Meinungen, Quellen und weiterer As-

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238 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

pekte des Themas (hier: Ukrainische Wahl) ergibt sich erst bei der Lektüre mehrerer unterschiedlicher Publikationen.

6.6 Berichterstattung im Wandel

Die politischen und gesellschaftlichen Veränderungen führten in Belarus nach der Unabhängigkeit zu zwei herausragenden Entwicklungen in der Presse: Einerseits bildete die unabhängige Presse eine verstärkt politische Berichterstattung aus, und andererseits führten die Veränderungen nach einer ersten „liberalen“ Phase zur Ausbildung von zwei prinzipiell unterschiedlichen Auffassungen der Profession Journalismus – beides mit Folgen für die Berichterstattung. 6.6.1 Politische Grundhaltung Die Sovetskaja Belorussija, die seit August 1927 erscheint, veränderte sich nach der offiziellen Unabhängigkeitserklärung im Juli 1990 kaum. Sie blieb geprägt von Uka-zen, Gesetzen und weiteren Anordnungen und Mitteilungen der Machthaber der kommunistischen Partei. Erst mit der nachträglichen Beförderung der Unabhängig-keit in Verfassungsrang, löste sich die Sovetskaja Belorussija von ihrer Bindung zur Kommunistischen Partei. Aus dem Titel verschwanden die Insignien der kommu-nistischen Macht, wenngleich die Auszeichnung (Stern mit Hammer und Sichel) sowie das Adjektiv „Sovetskaja“ bis heute erhalten blieben. Diese zögerliche Libera-lisierung fand ihr Ende mit dem Amtsantritt des ersten frei gewählten Präsidenten Lukaš�nka, der dem Blatt der Präsidialadministration wieder die leninistische Funk-tion als Informationsblatt der herrschenden politischen Elite zuwies. Die Sovetskaja Belorussija wurde also nicht politisch(er), sondern dient – nach einem liberalen Aus-flug der Redaktion – den Verlautbarungen der Machthaber. Die früheren Erlasse und Anordnungen rückten gleichwohl in die Innenseiten. Den Titel schmücken seither Alltagsgeschichten, Selbstdarstellungen des Präsidenten oder auch alltagspo-litische Berichte.

Die Naša Niva, die nach ihrer ersten Erscheinungsperiode von 1906 bis 1915, seit 1991 wieder erscheint, knüpfte zunächst an ihre Tradition als nationalistische Kultur- und Kunstzeitung an. Zum Referendum 1996 war die Naša Niva nicht nur etabliert, sie betrieb nun auch im zunehmenden Maße eine gängige tagesaktuelle Politikberichterstattung. Ihre Sicht ist von einem kritischen und nationalistischen Grundton durchdrungen, der wiederum auf die Wurzeln des Blattes vor der Okto-berrevolution rekurriert. Auffällig viele weiß-rot-weiße Flaggen zeigt das Blatt, das mit seiner geringen Auflage und seinem unreformierten Belarussisch der Elite vor-behalten bleibt.

Der Belorusskij Rynok ist eine Neugründung und 1990 die erste private Wirt-schaftszeitung in Belarus. Die Wochenzeitung nimmt bis heute politische Ereignisse

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6.6 Berichterstattung im Wandel 239

meist nur dort wahr, wo sie ökonomische Belange tangieren. 1991 berichtete sie nur wenig über die Unabhängigkeit, den Moskauer Putsch und die Vertragsverhandlun-gen zur GUS-Gründung. Zum Referendum 1996 informierte der Belorusskij Rynok 1996 dagegen differenziert über das Referendum, blieb aber in seiner Kritik hinter den lauten Stimmen der anderen Zeitungen zurück. Der Belorusskij Rynok berichtet generell eher neutral, trennt zwischen Nachricht und Kommentar. Seine Artikel sind nach wie vor von der Wirtschaftsberichterstattung geprägt. Nur an einigen Stellen lässt sich feine Ironie herauslesen. Die Berichterstattung zur ukrainischen Wahl und medienpolitischen Entscheidungen war sachlich, in feiner Sprache formu-liert und auf hohem Niveau. Dieser Stil setzt sich bis heute fort.

Die Belorusskaja Delovaja Gazeta entstand erst 1992. Ihr Gründer und Chefre-dakteur Pjotr Marca� ist jedoch kein Unbekannter und hat bereits zuvor in mehre-ren Redaktionen staatlicher Publikationen Erfahrungen gesammelt. Obwohl die Belorusskaja Delovaja Gazeta ‚Geschäftszeitung’ heißt, besitzt sie einen politisch-gesellschaftlichen Mantel und steht anderen politischen Zeitungen in nichts nach. Sowohl 1996 als auch 2004 war der Grundton der Belorusskaja Delovaja Gazeta kri-tisch, oft ironisch und bediente sich einer einfach verständlichen, aber keinesfalls geistlosen Sprache. Die Kommentare zum Referendum 1996 wurden geprägt von der überzogenen Schreibe Fjadutas. 2004 waren die Kommentare und Artikel weni-ger kritisch, griffen vor allem kaum noch den Präsidenten selbst an. Unter Umstän-den war dies eine Nachwehe des erneuten Verbots der Zeitung und seiner Folgen im Jahre 2003 bzw. ein Tribut an die verschärfte Gesetzeslage und Rechtsprechung. Die Belorusskaja Delovaja Gazeta hält jedoch bis heute an ihrer politischen, d.h. Lu-kaš�nka-kritischen Haltung fest.

Die Narodnaja Volja, die erst 1995 auch auf Grund der Repressalien gegenüber staatlicher Journalisten entsteht, ist von Beginn an Oppositionszeitung. Ihre politi-sche Haltung ist klar gegen das Regime von Lukaš�nka angelegt. Journalistisches Handwerk ist weniger gefragt als vielmehr das politische Statement. In ihrer politi-schen Agitation nutzt sie die Quellen, die zu ihrer Meinung passen. Mit kritischen, fast reißerischen Schlagzeilen überschrieb sie ab und an ihre Ausgaben der Stich-probe und machte schon auf den ersten Blick ihre Haltung klar. Auch mit den zu-nehmenden Repressionen ließ die Zeitung nicht locker. Zur „Orangen Revolution“ bezog die Narodnaja Volja klar Position hinter den Demonstranten, stellte Verglei-che zu Belarus her. Begriffe wie „Freiheit“ und „Unabhängigkeit“ prägten die Arti-kel. Die Bildauswahl reduziert sich fast ausschließlich auf den Kandidaten Juš�enko. Jedoch titelte die Narodnaja Volja weitaus weniger mit den Ereignissen in der Ukrai-ne. Auf der ersten Seite fanden sich eher Aktionen der belarussischen Opposition, oder Kommentare zu den Missständen in Belarus. Im Vorfeld der Präsident-schaftswahlen 2006 wurde die Narodnaja Volja verklagt, musste eine hohe Strafe zahlen, das Redaktionsinventar samt Archiv wurde beschlagnahmt, und die letzte

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240 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

unabhängige Tageszeitung verschwand danach vom Pressemarkt – zumindest in gedruckter Form. Im Internet führt sie ihre Arbeit unbeirrt fort. 6.6.2 Wachsende Kluft Auf Grund des Auseinanderdriftens von staatlicher und unabhängiger Presse (und ihrer Erwartungserwartungen), nach den ersten politisch motivierten Eingriffen des Präsidenten in den Pressemarkt 1994/1995, entstand eine Kluft, die in der Grün-dung und Organisation eines zweiten Journalistenverbandes die Verdinglichung dieses institutionellen Wandels findet. In der gewählten Stichprobe stehen sich so die größte staatliche Zeitung Sovetskaja Belorussija und die privat organisierten Zei-tungen als Ausprägungen dieser zwei Lager gegenüber.

Die Sovetskaja Belorussija steht für die Berichterstattung sowjetischer Manier, be-richtet vorwiegend positiv über die Fortschritte und Errungenschaften des Landes und die Erfüllung der vom Präsidenten vorgegebenen Aufgaben. Missstände oder Probleme jeder Art werden thematisiert, wenn sie behoben sind, oder Gegnern zugeschrieben werden können. Und so kann das Verbot einer Zeitung, wie etwa Birža Informacii, in der Sovetskaja Belorussija sehr einfach als Gerichtsentscheidung über eine Klage gegen die Zeitung dargestellt werden, die in einem Artikel die Ehre und Würde des Präsidenten angegriffen, also ihn verleumdet hat. Die Kriterien, die dabei angelegt werden, die Konsequenzen für den regionalen Pressemarkt und die Kritik vom Journalistenverband gegenüber der juristischen Praxis bleiben unge-nannt. Oder: Über das Ereignis wird gar nicht erst berichtet. In ihrer Analyse zur „Konstruktion sozialer Realität in den Massenmedien“, basierend auf der Berichter-stattung der Sovetskaja Belorussija, benennt Natalia Kulinka (2003: 170) fünf Beson-derheiten der größten staatlichen Zeitung: „false arguments“, „partial information“, „labeling“, „lexical and stylistical bias“, „appeal to stereotypes“. Sie unterstreicht weiterhin, dass dieses Ergebnis kein Zufall sei („These Markers did not appear in the newspapers by chance“, ebenda), sondern unterstellt der Sovetskaja Belorussija eine gezielt verfälschende Wirklichkeitskonstruktion. Dem kann auf Grundlage der hier vorgestellten und auch weiterer Analysen (Jarolimek 2003, 2007) zugestimmt werden. Diese Ergebnisse werfen ein negatives Licht auf die Sovetskaja Belorussija, sofern man die genannten Vielfaltskriterien als Maßstab anlegt.

Kulinka betrachtete jedoch nur eine Zeitung und nicht die Berichterstattung weiterer, beispielsweise unabhängiger Periodika. Die vergleichende Analyse der vorangegangen Kapitel zeigte, dass sich auch bei den unabhängigen Zeitungen eine bewusste bzw. verzerrende Berichterstattung in eine (politische) Richtung feststellen lässt. Zwar konnten in den untersuchten unabhängigen Zeitungen keine „falschen“ Informationen ausgemacht werden, aber Besonderheiten sind auch hier zu erken-nen. Sowohl in der Berichterstattung zum Referendum 1996 als auch zur ukraini-schen Revolution 2004 wurden diese ersichtlich. Durch die Verwendung einzelner Begriffe (z. B. „Diktatur“) wurden beide Ereignisse „gelabelt“, oder durch die Ver-

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6.6 Berichterstattung im Wandel 241

wendung bestimmter Lexik oder den Einsatz stilistischer Mittel, beispielsweise Ironie eine bestimmte Neigung sichtbar. Die Bildauswahl kaprizierte sich bei dem Gros der unabhängigen Zeitungen im Zeitraum 2004 lediglich auf die „orangen“ Anhänger von Juš�enko. Auch so wird ein stereotypisierendes Bild von den Ereig-nissen in der Ukraine geprägt. Jedoch bemühen sich die unabhängigen Zeitungen – auch nach Bekunden der Chefredakteure – um eine objektive Darstellung. Die Entwicklung in den 1990er Jahren legt den Schluss nahe, dass die starke politische Grundhaltung (gegen die Machthaber) der unabhängigen Zeitungen daraus resul-tiert, dass sie sich einer Übermacht des Regimes Lukaš�nka gegenüber sehen. Die Gründung der Narodnaja Volja als echtes Oppositionsblatt ist ein Hinweis darauf. Obwohl die untersuchten unabhängigen Zeitungen in der Bandbreite ihrer Bericht-erstattung variieren (von eher liberal bis oppositionell), konnte die Berichterstattung keine Vielfalt in allen Belangen hervorbringen – angesichts einer Dominanz der Staatsmacht, die einen Zugang zu Informationen konsequent und rücksichtslos behindert. 6.6.3 Generelle Entwicklung Ab 1991 öffnete sich der belarussische Pressemarkt für die Berichterstattung nach westlichem Vorbild. Diese liberale Phase endete mit dem Amtsantritt Lukaš�nkas 1994, nachdem er zuvor die unabhängigen Zeitungen noch für seinen Wahlkampf nutzte. Die ersten beiden Jahre seiner Amtszeit stehen für die Wende in der Be-richterstattung und auch ebenso für die Abkehr der bisherigen Transformationsbe-strebungen. Doch ebenso wie es in der Politik für oppositionelle Stimmen und Kritiker schleichend komplizierter wurde, so trifft dies auch für den Journalismus bzw. für die Öffentlichkeit insgesamt zu. Die Zerschlagung der unabhängigen Pres-se hält bis heute an.

Der Unterschied von Stil und Aufmachung der Zeitungen zwischen 1991 und 1996 ist immens. Erstaunlich ist jedoch, dass sich die Ausgaben von 1996 und 2004 kaum unterscheiden. Der generelle politisch-stilistische Tonfall der Publikationen ist geblieben: Sovetskaja Belorussija: pro Lukaš�nka; Belorusskaja Delovaja Gazeta: kritisch-ironisch; Belorusskij Rynok: analytisch-sachlich; Narodnaja Volja: oppositionell; Naša Niva: nationalistisch. Jedoch wurde die Kritik, vor allem gegenüber der Regierung und dem Präsidenten, zurückgenommen. Auf Grund der massiven Restriktionen kam es zu Selbstzensur. Wurde 1996 der Präsident noch offen angegriffen, und war im Hinblick auf seine Regierungsweise von „Diktatur“ die Rede, von Vergleichen zu Hitler, Nationalsozialismus, Mussolini, Reichstagsbrand etc., ist diese Kritik 2004 weitgehend verschwunden. Auch wenn die untersuchten Artikel im letzten Stich-probenzeitraum größtenteils die Ereignisse in der Ukraine thematisieren, so hätte man bei den Artikeln, die die politische Situation in der Ukraine und Belarus ver-gleichen, Belarus wiederum als Diktatur brandmarken können. Dies geschieht nicht mehr. Lediglich die Naša Niva und die Narodnaja Volja übersetzen die Ereignisse der

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242 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Ukraine auf Belarus mit dem Verlangen nach „Unabhängigkeit“ und „Freiheit“. Auch die Kommentare (wie etwa die bissigen von Fjaduta in der Belorusskaja Delova-ja Gazeta) tauchen kaum noch in den Ausgaben von 2004 auf.

Quellen spielen in der Analyse kaum eine Rolle. Meist ist nicht zu erkennen, welche Nachrichtenagenturen genutzt werden. Der Zugang zu Quellen ist jedoch prinzipiell offen (ausgenommen Konferenzen des Präsidenten und Gespräche mit Beamten), wird jedoch von offizieller Seite für die staatlichen Journalisten strikter gehandhabt, was sich in der Berichterstattung niederschlägt. Die staatlichen Zeitun-gen sind angehalten, staatliche Agenturen zu nutzen. Ersichtlich ist dies in der Häu-fung von Artikeln, die neben den Autoren auch zugleich die staatliche Nachrichten-agentur BelTA verzeichnen. Die privaten verwenden schließlich vornehmlich priva-te Agenturen: Reuters, AP, die belarussische BelaPAN etc. Sie verwenden jedoch auch die Veröffentlichungen des Pressedienstes des Präsidenten, um etwa auch offiziellen Verlautbarungen widersprüchliche Fakten anderer Quellen entgegenzu-setzen – in einer Art These/Antithese, wobei der Rezipient aufgefordert bleibt, die Synthese selbst zu entwickeln (vgl. dazu auch Beispiele in Jarolimek 2003, 2007).

Kommunikative Rückkopplungen im Sinne von Leserbriefen spielen hinsicht-lich der Vielfalt kaum eine Rolle. Sie existieren, und haben ihren Platz in den Zei-tungen. Sie werden jedoch – wie bereits mehrfach erwähnt – zur Durchsetzung der eigenen Redaktionspolitik genutzt. Entweder entsprechen die Leserkommentare der Redaktionslinie (was für eine unkritische Leserschaft sprechen könnte) oder sie werden durch einen Redaktionskommentar ergänzt. Einen kritischen Leserbrief, der andere Argumente beleuchtet als die Zeitung selbst, findet man kaum. Insofern ist dieser Punkt der Vielfalt eher zu vernachlässigen, da kaum zu erfassen in dieser breit angelegten Studie.

Was die Metaebene der Berichterstattung, den Journalismusjournalismus be-trifft, so stellt man auch hier fest, dass die Angriffe auf die Massenmedien kaum mehr kritisch kommentiert werden. Die Zeitungen begnügen sich damit, diese Er-eignisse (etwa das Verbot der Birža Informacii) zu melden bzw. durch Zitate (etwa der Chefredakteurin der Birža Informacii und Juristen von BAŽ sowie die Stellungnahme des Informationsministeriums) zu unterstreichen. Einen bissigen Kommentar zu Gesetzesauslegungen oder zur Arbeit der Zeitungen ziehen diese Ereignisse – wahr-scheinlich um selbst Repressionen zu entgehen – nicht (mehr) nach sich.

Ergo: Nach dem Putsch in Moskau und der Aufwertung der belarussischen Unabhängigkeitserklärung im August 1991 begann auch für den Journalismus ein Wandel in der Berichterstattung, der sich etwa an den Veränderungen der Sovetskaja Belorussija ablesen lässt. Die ersten unabhängigen Zeitungen, die bereits bestanden, hatten zu diesem Zeitpunkt ihre ersten Gehversuche unternommen, verfolgten zunächst ihre Spezialthemen und gingen weiter ihren Weg. Der Unterschied zwi-schen staatlichen und unabhängigen Journalisten war zu dieser Zeit eher gering.

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6.6 Berichterstattung im Wandel 243

1996, zwei Jahre nach dem Amtsantritt Lukaš�nkas und ersten gesetzlichen Einschnitten in der Medienpolitik, war die Berichterstattung in ihrer Kritik auf dem Höhepunkt angelangt. Die Unterschiede zwischen den staatlichen und unabhängi-gen Zeitungen kristallisieren sich heraus, nachdem auch staatliche Zeitungen zuerst von den „weißen Flecken“ der Zensur betroffen waren. Die Divergenzen in der Auffassung der Profession führten letztlich zur Bildung eines neuen Journalisten-verbandes. Noch ist aber Raum für Kritik. Oder besser: Es gab zu diesem Zeit-punkt noch nicht derart viele negative Erfahrungen (Redaktions-, Hausdurchsu-chungen, Festnahmen, Verbote, informeller Druck der Administration auf Werbe-kunden u.v.m.), dass eine Selbstzensur greift. In der Berichterstattung wird gegen die Verfassungsänderungen gekämpft. In der Folge haben derartige Veränderungen, die durch Referenden abgesegnet werden, kaum noch einmal eine solche Gegen-wehr in der Berichterstattung oder generellen öffentlichen Meinungsbekundung (qua Demonstrationen etc.) erzeugt.

Diese Tendenz setzt sich bis 2004 fort. Die staatliche Sovetskaja Belorussija be-richtet wie seit dem Amtsantritt von Lukaš�nka seicht und politisch offiziös, immer auf der Linie des Präsidenten. Die unabhängigen Zeitungen sind zunehmend gebeu-telt von einem zehn Jahre andauernden Kampf gegen das Regime. Meist sind es noch dieselben Chefredakteure wie 1994. Verbote werden ausgesprochen, als Folge Seitenzahlen und Periodizität dezimiert, die Druckabwicklung ins Ausland verlegt, man wird vom Vertrieb über Belpošta ausgeschlossen. All dies schlägt sich in der Berichterstattung nieder. Fast jeder kritische Artikel hat Folgen. Und so entwickelt sich – was die Journalisten ungern zugeben – eine Selbstzensur, auf beiden Seiten der journalistischen Demarkationslinie: Sowohl bei den „Staatlichen“ als auch bei den „Unabhängigen“. Die Institutionen der Öffentlichkeit leiden darunter: Redakti-onsprofile und Nachrichtenwerte müssen sich der Logik der Zensoren (Chefredak-tion, Gerichte, Machthaber) unterordnen und anpassen. Genregrenzen verschwim-men zu Ungunsten eines klaren Kommentars, der Folgen hätte. Ohne pathetisch wirken zu wollen, sei der oft gebrauchte Vergleich angebracht: Es ist ein Kampf von David gegen Goliath. Die unabhängigen Zeitungen kämpfen um ihr Überleben gegen die übermächtige Staatsgewalt. Es ist auch ein Kampf für die Ideale eines pluralistischen Journalismus. Die Journalisten staatlicher Publikationen haben die-sen längst verloren.

Die Vielfalt innerhalb der publizistischen Einheiten stagniert seit 1996 etwa auf demselben Niveau. Dieser Wert der inneren Vielfalt ist jedoch weniger aussagekräf-tig als der der äußeren Vielfalt, die durch die Zusammenschau der Zeitungsinhalte geprägt ist. Diesbezüglich deckt sich das Analyseergebnis mit dem von Kulinka (2003: 170):

“Nowadays practically all newspapers create their own pictures of the reality and we lose even the possibility to speak about journalism being objective. That is why a reader who wants to get him-self a more complete vision of the social reality has to turn to several different newspapers.”

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244 6 Presseberichterstattung. Funktionskontext

Das Problem für die Vielfalt besteht nun darin, das allen Bürgern der Zugang zu diesen unterschiedlichen journalistischen Erzeugnissen prinzipiell möglich sein müsste, damit derjenige, der sich umfassend informieren möchte, Zugang hätte. Ist dies gegeben? Und wer möchte überhaupt mehrere Zeitungen lesen? Das sind As-pekte, die nicht Teil einer inhaltsanalytischen Auswertung sein können, aber in eine generelle Bewertung der belarussischen Presse (Kapitel 8) einfließen müssen.

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7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

„Jeder Tag bei Narodnaja Volja – bei Narodnaja Volja! – ist besser als jedes fünfjährige Studium. […] Wir wis-sen theoretisch außerordentlich gut, wie man eine gute Zeitung macht, aber wir haben keine Möglichkeiten. Sie den-ken wohl, wir wissen nicht, dass vier Seiten keine Zeitung sind.“ (Jusif Sjar�dzi�, Chefredakteur der Narodnaja Volja auf die Frage, welche Ausbildung die Journalisten in der Re-daktion besitzen.)

Die im vorhergehenden Kapitel beobachteten politischen Leitlinien der Publikatio-nen geben die Einstellungen der Redaktionen und der einzelnen Journalisten wider. Im Weiteren gilt es, ab 1994 zwischen staatlichen und unabhängigen Journalisten zu unterscheiden. Während staatliche Journalisten sich weitestgehend „nur“ mit redak-tionsinterner Zensur bzw. Selbstzensur plagen, erleiden Journalisten bzw. Redaktio-nen unabhängiger Publikationen massive Repressionen von außen. Von Interesse ist auch die Unterscheidung von oppositionellen und unabhängigen Zeitungen, die – so auch die Leiterin der IBB Medienakademie Edith Spielhagen – vom Blickwinkel abhängig ist:

„Interessant wäre vielleicht noch ein Punkt, weil ich hier auch mehrfach zu strikt zwischen staatli-cher und unabhängiger Presse getrennt habe. Man darf unabhängige Medien nicht unbedingt mit Oppositionsmedien gleichsetzen. Es gibt viele, die sich einfach nur unabhängig fühlen. Die wollen ihre Publikationen so machen, wie sie es für richtig halten. Aber die können sich nicht unbedingt als oppositionelle Presse deklarieren lassen. Wiederum könnte man natürlich sagen: Eigentlich alles in diesem Land, was sich nicht einer staatlichen Direktive unterordnet, ist doch auch eine Art Op-position. Insofern kommt es auch immer auf den Ausgangsblickwinkel an, den man da wählt.“ (In-terview Spielhagen)

Das nun folgende Kapitel konzentriert sich mehr oder weniger auf die unabhängi-gen und somit quasi oppositionellen Journalisten. Auf staatlicher Seite hat sich seit 1994/1995 – einmal von der technischen Weiterentwicklung abgesehen – nicht mehr viel getan. Ebenso wie sich der Stil der Blätter kaum verändert hat, so gab es auch in der Journalistenrolle einen Stillstand, der sich vermutlich zum großen Teil auch mit der Journalistenausbildung erklären lässt. Den Veränderungen der Ausbil-dung und der alternativen Angebote für Belarussen, widmet sich das erste Unterka-pitel (7.1). Nach dem Erlernen des journalistischen Handwerks soll es darum gehen, Probleme und Routinen im Alltag der belarussischen Journalisten (7.2) zu beschrei-ben und – so weit möglich – die Entwicklung nachzuzeichnen und Rückschlüsse auf die Vielfalt zu ziehen. Zum Ende des Kapitels sollen einige juristische Fälle und Auslegungen der medienrelevanten Gesetze (vgl. Kapitel 5) vorgestellt werden. Sie

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246 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

zeigen nicht nur die unzureichende Gewaltenteilung und die Schwäche der Judikati-ve, sondern verdeutlichen des Weiteren, warum Journalist in Belarus ein gefährli-cher Beruf ist (7.3). 7.1 Professionalisierung: Ideologie vs. „vierte Gewalt“ Professionalisierungstendenzen, wie sie ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in den USA und später in Westeuropa zu beobachten waren, können für Belarus kaum verzeichnet werden. Die Herausbildung von Berufsorganisationen, die die Ziele der Stärkung der Autonomie der Journalisten gegenüber Staat und Verleger und der Begründung eines journalistischen Selbstverständnisses verfolgten, wurden spätestens durch die Sowjetunion verhindert. Zwar existierten auch Berufsorganisa-tionen, aber in der Sowjetunion war der Journalismus das Sprachrohr der Politik bzw. der „Handlanger der Partei“ (vgl. a. Amelina 2006: 153 ff.). Die Leistung, die der sowjetische Journalismus erbringen sollte wurde klar umrissen und keinesfalls verheimlicht:

„Im Gegensatz, es wurde eine Selbstbeschreibung des sowjetischen Journalisten in Anlehnung an die Parteilehre herausgearbeitet, die die Funktion des Journalisten als Vermittler der Parteiinhalte manifestiert. Seine Aufgaben sind: ‚Die Formung der marxistisch-leninistischen Weltanschauung und der kommunistischen Moral beim sowjetischen Publikum, Propaganda für die Entscheidun-gen der Parteikongresse und der Parteiplenen, Propaganda für die Erfüllung der volkswirtschaftli-chen Planungen durch die Arbeitenden, Beleuchtung der heldenhaften Arbeit und der hohen mo-ralischen Ideale sowjetischer Menschen, Kritik der gesellschaftsfeindlichen Ereignisse.’“ (Amelina 2006: 153)

Die Journalisten bildeten als verlängerter Arm der Partei durchaus eine Funktions-elite, aber eine im Dienste der Parteiideologie stehende. Zu den Entwicklungen in Westeuropa vergleichbare Vereinigungen und Journalistenverbände entstanden erst nach der Auflösung der Sowjetunion. In Belarus formierte sich 1995 mit der Bela-ruskaja Asacyjacyja Žurnalista� (BAŽ) eine Vereinigung von Journalisten, die nicht nur formal (durch festgeschriebene Kodizes) sondern auch faktisch (durch ihr Han-deln) einen freien, pluralistischen Journalismus anstreben, als so genannte „vierte Gewalt“. Die Rolle des Journalisten in der heutigen belarussischen Gesellschaft einheitlich zu charakterisieren, ist schwer. Zu sehr unterscheiden sich die Profile (zumindest bezogen auf die politische Berichterstattung): Entweder man schreibt für eine staatliche bzw. staatsnahe Zeitung im Sinne der Machthaber oder man schreibt für eine unabhängige Zeitung. Dann gilt man als oppositionell und lebt „etwas gefährlicher“ als andere. Aber gerade diese Journalisten lassen sich als eine Werteelite kennzeichnen, die in ihrer täglichen Arbeit versuchen, journalistische Grundwerte wie Objektivität, Vielfalt einzuhalten. Dies ist umso schwerer, da an

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7.1 Professionalisierung: Ideologie vs. „vierte Gewalt“ 247

der Universität beharrlich Journalisten als Funktionselite für die ideologische Be-richterstattung ausgebildet werden.

Die universitäre Ausbildung ist in Belarus Staatssache – sieht man von einer kurzen Phase ab, in der neben den staatlichen Universitäten auch noch die Europäi-sche Humanistische Universität bestand, die jedoch 2004 verboten wurde bzw. ihre Lizenz verlor. Daher ist auch die Journalistenausbildung Staatssache. Und dieses Monopol begrenzt sich zudem auf die Hauptstadt. Zwar gibt es in Homel’ noch die Möglichkeit, einen ähnlichen Studiengang zu belegen, jedoch ist dieser stark auf Literatur ausgerichtet.108 Insofern besitzt die Journalistenfakultät, in der gängigen Abkürzung «������» („Jourfak“), an der Belarussischen Staatsuniversität in Minsk das Monopol für die universitäre Journalistenausbildung. Zum 60-jährigen Jubiläum 2004 würdigte man die Fakultät bzw. sie sich selbst mit der Publikation einer Jubi-läumsbandes, der neben einigen kurzen Artikeln, die den Studiengang charakterisie-ren, auch eine Aufstellung aller Absolventen seit 1949 sowie eine Publikationsliste aller Mitarbeiter verzeichnet. Rückblickend wird betont, dass die Minsker Journalis-ten-Fakultät (mit der Entscheidung zur Gründung am 9. August 1944) die erste in der Sowjetunion war – noch vor den vergleichbaren Einrichtungen in Kiev (1946) und Moskau (1947). Natürlich ist dieses Buch geschönt, für die Außenwirkung der Fakultät, für den Präsidenten, für die Mitarbeiter und Absolventen.109 Bei der Lek-türe dieser Selbstdarstellung der Fakultät für Journalistik wird deutlich, dass es we-der nach der Unabhängigkeitserklärung 1990 noch nach deren „Aufwertung“ und der Auflösung der Sowjetunion 1991 einen Bruch in der akademischen Lehre und Forschung gegeben hatte, der mit einem Personalwechsel oder sonstigen Auffällig-keiten einher gegangen wäre. Aber ebenso wie es den Akteuren der politischen Transformation an Umsetzungswillen mangelte, konnte auch innerhalb der journa-listischen Ausbildung keine Wende eingeleitet werden. Von 1986 bis 1996 stand ein und derselbe Hochschullehrer (A.G. Slyka) als Dekan, allen Umbrüchen zum Trotz, an der Spitze der Fakultät. Einzige erkenntliche „Transformation“ in der Selbstdar-stellung: Studierende können heute zwischen verschiedenen Schwerpunkten und Ausbildungsprofilen wählen. In der „Biografie der Fakultät“ schwelgt der damalige Dekan Vasil’ Varab’jo� unter dem erwartungsvollen Titel «�����< @��} ^<� %��������' "�� �i��<�i» („Das kreative Potential der belarussischen Journalis-ten“) einleitend im Pathos:

„����>�}�� "�� �i��<�i ���������� �\��"�� ��� � i����i�}�� �}�^>�\���� �����. �}�^>�\���� @�<���@�� �\<*��"� � � �<�< Y �������', ���}% �', #����<� �'

108 Nach Auskunft von Edith Spielhagen. 109 Der neue Dekan der JourFak (und Nachfolger des Herausgebers des Jubiläumsbandes Varab’jo�) Babuk war gleichwohl der Meinung, dass in diesem Jubiläumsband alle Antworten zu den Fragen zu finden seien, die ein deutscher Forscher zur belarussischen Journalistenausbildung haben könnte. „Auf Widersehen! Und viel Erfolg!“ wünschte der neue Dekan noch.

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248 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

�����^i. �}�^>�\���� @�<���@�� �� @�<\ � � � ���#������, � ����' �\��"���.“ (Varab’jo� 2004: 5)

Die Journalistenfakultät der Belarussischen Staatsuniversität besteht seit 60 Jahren. 60 Versu-che des Aufstiegs zum Gipfel der wissenschaftlichen, theoretischen und methodischen Gründlich-keit. 60 Versuche zur Anerkennung in der Gesellschaft, im eigenen Staat.

Der Dekan führt weiter aus, wie hochwertig die Ausbildung des Studiengangs und wie überlegen sie dem Handwerkzeug der „Learning-by-doing“-Journalisten sei:

„>�}� ��<�� ��#�� i^��-����� �#� ��%� � @�}�< – � �}�<��< ��^<���i\�^<i "�� �i��<�i. �<'^� – � �}�> <# �<���<��� i � ����\� �' @����<^< � ��>�i �i� �> <*, �� ��>��� <* i ���� <* @���\�<��� �}��i� ��^i.“ (Varab’jo� 2004: 9)

Die Alternative zur handwerklich-routinisierten Schablone der Presse liegt am Grunde der [wissenschaftlichen, S. J.] Sozialisation des Journalismus – nicht nur in der realen Anwendung, in der täglichen Praxis, nicht nur im Sinne des Signalcharakters, sondern einer quantitativen und qua-litativen Spiegelung der Realität.

Ein weiterer Aufsatz, vom Lehrstuhl der periodischen Presse, verfällt weiter dem Eigenlob: «���<# %��<^>, ��#�^>, @i��^>» („Wir lehren sehen, denken, schrei-ben“, Svorab 2004: 22), usw. Der Absolvent der Minsker Journalistenfakultät Kiril Sukhotsky berichtet dagegen im Interview mit der russisch-belarussischen Zeit-schrift Media Expert weitaus negativer über den Erfolg der Minsker Journalistenaus-bildung. Er kritisiert die fehlende praktische Ausbildung und Anbindung an die Praxis. Auch vor dem Hintergrund seiner universitären Erfahrungen in London resümiert er:

“In Belarus, the journalist education […] has actually remained Soviet-style, with all the advantages and disadvantages of Soviet education. It is very good as far as theory goes, and the people who just go to lectures, get a quality philological education. At our course there were brilliant language and literature teachers, but there was nobody to teach us journalism: how to collect materials, to write articles etc. Nobody would explain to us such things as journalistic objectivity, impartiality; in addition there was no serious practice. Those Journalism Department graduates who along with studying were involved in journalism, actually made quite good journalists, but they (including my-self) would almost not show up at the university. However, the teachers treated us with un-derstanding.“ (Naroushvili 2004: 9)

Ähnliches berichtet auch der langjährige Redakteur der Naša Niva Ales’ Kudrycki. Er beklagte, ebenso wie Sukhotsky im Interview mit Media Expert, den immer noch vorherrschenden sowjetischen Stil der Ausbildung. Kudrycki, der sein Studium 2003 abschloss, nannte als Beispiel die journalistischen Lehrbücher, in denen nicht von «~��» (~������� ��������' � ���#�^�� – Massenmedien) die Rede war, sondern noch von «~���» (~������� ��������' � ���#�^�� � ���@��� �� – Massenmedien und Propaganda). Die Dozenten hätten sie darauf hingewiesen, den Zusatz der „Propaganda“ einfach wegzudenken resp. zu überlesen. An der Ausbildung änderte sich kaum etwas. Dieses Beispiel verdeutlicht noch einmal, dass es offensichtlich keinen Bruch in der Ausbildung oder personelle Konsequenzen im

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7.1 Professionalisierung: Ideologie vs. „vierte Gewalt“ 249

Zusammenhang mit der Erlangung der Unabhängigkeit gegeben hatte. Vielmehr wird in der Entwicklung der Minsker Journalistenausbildung deutlich, dass sich die politischen Einflüsse seit dem Amtsantritt Lukaš�nkas immer stärker auswirken; durch personelle, und strukturelle Veränderungen, fehlende internationale Anbin-dung etc. Derart kritisch formuliert es auch Edith Spielhagen:

„Wir haben teilweise mit der Fakultät kooperiert, Veranstaltungen zusammen gemacht, und aus denen sind mir einige Punkte deutlich geworden. Das würde zum einen betreffen, die ganze Frage der Aspekte internationaler Medienentwicklung, Journalismusentwicklung, dass das an sich zu kurz kommt; dass eben auch mal ausländische Experten, ob nun Medienwissenschaftler oder Journalis-ten, auch mal an der Universität auftreten, und Wissen vermitteln […] Dass insgesamt eben doch die Kenntnis über das, was die Kernfragen sind, auch gerade was Journalismus in Demokratien be-trifft, dass das alles sehr unterentwickelt ist. Das hat natürlich nicht nur die persönliche Qualifika-tion zur Grundlage, sondern dass es auch eine Fakultät an einer staatlichen Universität ist, wo man gerade in letzter Zeit verstärkt versucht, die ideologische Verankerung der Journalisten in der Ge-sellschaft – also in dem belarussischen Autoritarismus – zu Stande zu bekommen. Und das geht ja sogar soweit, dass die Fakultät vielleicht bei der Akademie des Präsidenten angesiedelt wird und eben richtig zum Ideologiefach wird […] Und das ist natürlich dann so ziemlich das Aus von Journalistikstudium.

Solche kritischen Sichtweisen finden in der Selbstdarstellung zum 60. Jubiläum natürlich keinen Platz. Wie eben auch nicht hervorgehoben wird, dass einige Mitar-beiter der journalistischen Fakultät sehr wohl kritisch forschen und diese Ergebnisse publizieren. Als Beispiel sei Natal’lja Kulinka genannt, die u. a. die bereits erwähnte Analyse zu Berichterstattung der Sovetskaja Belorussija verfasste (vgl. 2003). Auch andere Kritiker haben (noch) ihren Platz an der Belarussischen Staatsuniversität, etwa der ebenfalls bereits zitierte Aleh’ Manae�, der Professor am Lehrstuhl für Kommunikationssoziologie ist. Aber wie Parallelwelten setzen sich die alten Lehr-inhalte und Kader scheinbar fort.110

Angesichts der Monopolstellung der Minsker Fakultät und des Fortbestandes und der Wiederbelebung kommunistischer Lehrmeinungen verwundert es auch nicht, dass es auf dem Medienmarkt viele Quereinsteiger gibt. Einige davon haben technische oder naturwissenschaftliche Fächer studiert und kamen erst danach zum Journalismus. Gerade dieser Umstand macht deutlich, wie der Prozess der formel-len Professionalisierung des Journalismus als Expertenberuf bislang stagniert.

Ausländische Organisationen versuchen die praktische Arbeit in der Redaktion mit inhaltlichem und technischem Fachwissen zu verbessern. Obwohl prinzipiell für

110 Das Beispiel aus der belarussischen Geschichtswissenschaft belegt das Nebeneinander der Opportu-nisten und Opponenten der präsidialen Politik, das 1995 offensichtlich wurde. Die unterschiedliche Auffassung über die Historiographie des Landes – zum einen eher westlich orientiert (Polen-Litauen, Rzeczpospolita), zum anderen am großen slawischen Volk (Zarentum, Kommunismus) – führte 1996 zu einem „Historikerstreit“, bei dem sich u. a. langjährige Kollegen an der Akademie der Wissenschaften gegenseitig der historischen Fehlinterpretation beschuldigten (vgl. auch Sahanovy� 2003: 147ff., Lindner 2001: 47f.). Interessanterweise ist auch hier 1996 endgültig das Jahr des „Bruchs“.

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250 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

alle Journalisten offen, werden diese Möglichkeiten fast ausschließlich von Angehö-rigen unabhängiger Einrichtungen genutzt. Teilweise unterrichten die Organisatio-nen grundlegendes Handwerkzeug für Journalisten, etwa Genreunterteilung, wie man eine Nachricht schreibt, wie man Recherche betreibt etc., oder bieten techni-sche Weiterbildung an, etwa Kameratrainings, Schnitt etc. Zu den bekanntesten Organisationen dieser Art gehört IREX (s. a. Kapitel 5.6). In Belarus war IREX bis 2004 offiziell tätig, bis der NGO die Lizenz entzogen wurde. Aljaksandr Parfenca� von einer Art Nachfolgeorganisation (Information Development Promotion Foundation) sagte, dass es gefährlich sei, ohne Lizenz weiterzuarbeiten. Jedoch geht er weiter mit lokalen Sendern zum Dreh. Über die Qualität des Journalismus berichtete er, dass die Journalisten lokaler Sender alles erlernen müssten, von der einfachen Nachricht bis zum Einstellen der Kamera. Kritisch sei die Berichterstattung jedoch nicht, da ihnen das Geld für das Abonnement von Agenturen fehle (siehe unten). In den letzten Jahren gibt es auch verstärkt Journalistenausschreibungen, maßgeblich durch deutsche Organisatoren – etwa die Medienakademie der Internationalen Bildungs- und Begegnungsstätte IBB Minsk –, die einen Austausch von Journalisten fördern. In der Bewertung von Edith Spielhagen hat sich die Qualität des Journalismus in den vergangenen Jahren (vielleicht auch dadurch) verbessert. Jedoch gilt die IBB seit einigen Jahren als derart politisch motiviert und engagiert, dass bereits einige Praktiker und Organisationen in Belarus Kooperationen meiden. Ein Problem sol-cher Treffen und Austauschprogramme ist meist, dass sie als „Weiterbildungsmaß-nahme“ ineffektiv bleiben. Regierungen und Stiftungen investieren viel Geld, damit belarussische Journalisten auf einem Podium berichten, wie schlecht die Lage ist, eine deutsch-belarussische Party besuchen, sich u. a. im Auswärtigen Amt vorstel-len, eine deutsche Redaktion ansehen etc. Von einem Benefizium für die journalisti-sche Arbeit in Belarus, einem gegenseitigen Austausch, kann kaum die Rede sein.111 Ein praktisches Training für seine Mitarbeiter führt Radio Free Europe/Radio Liberty durch, die in Belarus mit Radyjo Svaboda vertreten sind. Die Redaktion in Minsk, wo die Sendungen hergestellt und zur Ausstrahlung nach Prag gesendet werden, arbei-tet nach dem „Radio Journalism Guide“ von Radio Free Europe/Radio Liberty (vgl. 2005). In diesem werden den Mitarbeitern praktische Hinweise lehrbuchartig zur Verfügung gestellt („for internal use only“). Außerdem besitzen sie ein Trai-ningscenter in Prag. Valjancin Ždanko, Redaktionsleiter von Radyjo Svaboda, schätzt die Entwicklung des belarussischen Journalismus wie folgt ein: Als Absolvent der journalistischen Fakultät, Abschluss 1986, berichtet er, dass sich die Politik von Gorba�ev (Glasnost’ und Perestrojka) schnell positiv auf das Journalistikstudium

111 Auch bei einem Austausch 2006 war dies so. Im Unterschied zu vorhergehenden Maßnahmen wurde jedoch zumindest versucht, journalistische Standards zu vermitteln, was jedoch getrennt erfolgte. Die Belarussen wurden zur Tageszeitung TAZ eingeladen, die deutschen Teilnehmer zu einer belarussischen Zeitung. Der Mehrwert eines Austauschprogramms konnte somit nicht erreicht werden. (Nach Informa-tionen der Organisatorin Claudia Schümann.)

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7.2 Redaktionsalltag in Belarus: Propaganda und Selbstzensur 251

ausgewirkt habe. Die journalistische Ausbildung in jener Zeit beurteilte Ždanko als sehr gut. Nach seiner Einschätzung gab es von 1991 bis 1994/95 einen echten freien Journalismus in Belarus. Erst danach sei es zu einer Rückkehr zur leninisti-schen Auffassung der Massenmedien und einem alten Lehrstil gekommen.

Die Mitarbeiter der OSZE-Mission versuchten die staatlichen und unabhängi-gen Kontrahenten auf dem Pressemarkt an einen Tisch zu bringen, indem sie sich regelmäßig mit den Chefredakteuren der wichtigsten Zeitungen zum Mittagessen trafen. Aber bald kamen nur noch die Vertreter der unabhängigen Publikationen. Die IBB veranstaltet jedoch weiterhin regelmäßig einen so genannten „Journalisten-club“.

Diese Beispiele zeigen, dass es in Belarus schwer ist, den Grad an Professiona-lisierung im Sinne eines pluralistischen Journalismus zu erhöhen. Das staatliche, universitäre Ausbildungsprogramm ist immer noch bzw. bereits wieder von einer alten (kommunistischen) Journalismusauffassung durchdrungen. Von den Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen von vor allem ausländischen Organisationen profitieren nur wenige belarussische Journalisten. Die Bemühungen besitzen fast symbolischen Charakter. Institutionen des Journalismus bzw. der journalistischen Redaktion, wie Nachrichtenwerte, Kritik, Quellenvielfalt etc., die mit dem Transformationsziel Pluralismus wenn nicht gleichbedeutend sind so jedoch in engem Zusammenhang stehen, können so nicht an das Gros der Journalisten vermittelt werden. Wirklichen Tiefgang als Verdinglichung dieser Institutionen auf der Organisationsebene erfährt daraus am wahrscheinlichsten Radyjo Svaboda, das alle Mitglieder (der Belegschaft) dahingehend schult und weiterbildet.

Letztlich bleibt festzuhalten, dass die (nichtstaatlichen) Ausbildungsangebote und Vertreter solcher Interessen kaum vernetzt sind, obwohl sich die meisten Ak-teure des begrenzten Medienmarktes in Belarus persönlich kennen. Weiterführende Kooperationen (etwa mit der deutschen IBB) und Professionalisierungsbestrebun-gen würden jedoch wahrscheinlich auch – das lehrt die Erfahrung in Belarus – di-rekt ins Visier der staatlichen Kontrolle führen und die geringen Erfolge wieder zunichte machen. Dies ist vermutlich auch das Argument der Verantwortlichen des aktuellen EU-Projekts „Awareness-raising TV/Radio programmes for Belarus“, die Weiterbildungsmaßnahmen für Journalisten außerhalb von Belarus planen.

7.2 Redaktionsalltag in Belarus: Propaganda und Selbstzensur

Wie bereits durch die Schilderungen in den Kapiteln zuvor deutlich geworden, unterscheiden sich die Journalisten, Redaktionen und Zeitungen zu Beginn der Transformation kaum voneinander. Es gibt keinen großen Umbruch, etwa im Ver-gleich zu Polen oder der Tschechischen Republik. Es vollzieht sich mehr oder we-niger eine Liberalisierung, ohne jedoch Früchte einer Professionalisierung zu tragen.

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252 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

Die ersten Keime dieser Entwicklung (Durchsetzung von Zeitungen und Journalis-ten mit westlichen Standards) werden durch den Amtsantritt des ersten Präsidenten und seine folgende Politik unterbunden. Bereits kurz nach seiner Wahl kommt es zu Zensurmaßnahmen. Durch die weiteren „Reformen“ Lukaš�nkas ab 1995/1996 spaltet sich das Lager in staatliche und unabhängige Journalisten. Die Liberalisie-rung wird auf Seiten der staatlichen Publikationsorgane wieder zurückgenommen. Es kommt zu einem heftigen Rückfall, dem so genannten „backlash“. Die staatli-chen Zeitungen werden wieder zu Organen der Regierung, unterstehen nun aber nicht mehr der Kommunistischen Partei, sondern direkt oder indirekt der Präsidial-administration von Lukaš�nka.112 Am deutlichsten wird dieser Rückschritt mit den durch das Referendum eingeleiteten Veränderungen der staatlichen Symbolik. Kar-mana� (1999: 42) analysiert in seinem Artikel die „Transformation der Bedeutung des Journalistenberufs“ und beschreibt damit auch die Rückkehr zum Ausgangs-punkt der Transformation:

„��� ���� �}�}�} ��#< @�}\<�� � ������i �����} �� @�����\i�, �%�@i��Y�<�� � ���>��< ���#��\��' ��#�i. �� �@�i\��� <� ~�I %���� ^� �<��"���i �< i�i @�����\� <* �@<�� > ��. {}�<# �< �#, � ������i %<i ��� ��<�: ����^�i �>^��, ����^�i ���%, ����'���� #��� � ����>^i �\��"�� �'. � �}���� �< i���, \������� %, �i����� �� �<� ���: %�����< – ����^��� �^<�.“

Alle seine Referenden hat der belarussische Präsident Lukaš�nka auf der Grundlage der Be-völkerungsumfragen durchgeführt. Die monopolisierten Massenmedien druckten unaufhörlich die Ergebnisse der durchgeführten Befragungen. Auf diese Weise kehrten in Belarus zurück: die sow-jetische Flagge, das sowjetische Wappen, und Russisch als Staatssprache. Mit diesem Ergebnis soll die Folgerung klar erscheinen: Die Belarussen sind eine sowjetische Nation.

Die Spaltung wird immer weiter fortgesetzt, so dass diese – so die Annahme an dieser Stelle – heute ihre bisher deutlichste Ausprägung erfährt. Wurde anfänglich noch ein Thema aus verschieden Blickwinkeln in den unterschiedlichen Zeitungen diskutiert, so berichtet heute eine Zeitung über dieses, eine andere über jenes The-ma. Und weiter ignorieren sich die Publikation weitgehend gegenseitig, mit den Worten Spielhagens:

„Ansonsten auch trivial, dass die unabhängigen Zeitungen insbesondere vielfach in den staatlichen Zeitungen nicht vorkommen – und umgekehrt. Und dass natürlich auch die unabhängigen Zeitun-gen viel kritischer sind, und die sich dann wirklich auch mit den Themen befassen, die eben für die Entwicklung des Landes wichtiger sind. In ganz anderer Weise als das die staatlichen tun.“

112 Auch wenn nicht alle staatlichen Zeitungen offiziell der Präsidialadministration unterstehen, so tun es die meisten jedoch faktisch. Mittels Anrufen und Drohungen werden sie „auf Linie“ gebracht. Dieselbe Taktik versucht man auch bei nicht-staatlichen Periodika. So konstatiert die Belarusian Association of Journalists BAJ (2004: 17): „In 2003 there were some cases when the distribution and sale of non-governmental mass media was prohibited. Most of such prohibitions were oral directions of local offi-cials.”

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7.2 Redaktionsalltag in Belarus: Propaganda und Selbstzensur 253

Beruhend auf der Annahme, dass die Repressionen und die Spaltung des Presse-marktes aktuell am größten sind, und auch mit Blick auf die verfügbaren Dokumen-tationen dieser Vorfälle, soll an dieser Stelle der heutige Arbeitsalltag der Journalis-ten geschildert werden: die Probleme, die Hindernisse, die Repressionen und Dro-hungen, die seit Mitte der 1990er Jahre stark zugenommen haben: Stößt man auf ein Thema, ist man auf Quellen angewiesen. Beim Fall inländischer Nachrichten (da wird die Spaltung der Journalisten am deutlichsten) gibt es folgende Möglichkeiten: Erstens, man vertraut den Meldungen der Nachrichtenagenturen, zweitens, man be-sucht Pressekonferenzen o. ä. bzw. erhält Pressemitteilungen, oder drittens, man recherchiert selbst. 1. Nachrichtenagenturen. Die meisten Nachrichtenagenturen kosten Geld. Nur

einzelne Seiten sind kostenlos verfügbar, wie etwa bei der staatlichen BelTA die Veröffentlichungen des Pressedienstes vom Präsidenten. Durch den zuneh-menden ökonomischen Druck, bzw. politischen Druck mit ökonomischen Folgen, etwa Verlegung der Herstellung ins Ausland, Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes, Abspringen von Werbepartnern, fehlt dieses Geld. Die Folge – so bescheinigten es fast alle Praktiker im Interview – ist die Abbestellung der Dienste. Typischerweise wird sowieso kaum in den Artikeln auf die Quellen hingewiesen, lediglich die Sovetskaja Belorussija kennzeichnet eine Vielzahl von Artikeln mit dem Herkunftsort BelTA (vgl. auch Kapitel 6, Anhang). Meist be-gnügt man sich dann mit dem Abonnement einer Agentur: bei den unabhängi-gen Zeitungen BelaPAN. Die staatlichen haben weniger ökonomischen als po-litischen Druck, sie verpflichten BelTA, Tass u.a. Teilweise gaben die Redakteu-re im Interview zu, auf Grund der Mangellage einfach Informationen aus dem Internet zu übernehmen. Die Informationsbeschaffung auf diesem Wege läuft lapidar gesprochen suboptimal.113

2. Pressekonferenzen/Pressemitteilungen. Informationen in schriftlicher Form, wie etwa Pressemitteilungen, sind meist allen zugänglich, anders bei Pressekonfe-renzen. „Normale“ Pressekonferenzen sind offen für alle Journalisten, aber meist wenig frequentiert: Der Redakteur der Naša Niva Ales’ Kudrycki berich-tete, dass bei diesen Veranstaltungen neben einem Vertreter seiner Zeitung meist noch Presse-Vertreter der Sovetskaja Belorussija, Narodnaja Volja, BelTA

113 Ein Umstand, der den meisten Journalisten auch bewusst ist. So klärt Parfenca� auf: “Regional jour-nalists, they have local sources of information, general sources are local authorities, local government and some of their own sources of information. They have no money to sign news agencies. They have no possibility to sign bulletins and news agencies like BelTA, like BelaPAN, because their are too expensive for local stations. […] I think the main problem of the Belarusian journalist, it’s just the problem of control, control for information [...], you cannot report balanced, because if you do a professional job, you need to have two sources of information and so on, to do your report balanced. Unfortunately, in Belarus in many times, it is not possible, because especially electronic media are under control of the government. Totally and completely.

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254 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

und BelaPAN zugegen sind, weniger häufig Vertreter der Belorusskaja Delovaja Gazeta, Belorusskaja Gazeta, Belorusskij Rynok und ein Fotoreporter von Associa-ted Press. Mehr gäbe es einfach nicht. Noch vertrauter wird der Kreis der Jour-nalisten bei Pressekonferenzen des Präsidenten. Vertreter unabhängiger Zei-tungen werden nicht zur Konferenz vorgelassen, und schon gar nicht eingela-den. Zur Teilnahme berechtigt sind insofern nur staatliche Zeitungen bzw. sol-che privatwirtschaftlich organisierten Zeitungen, die über Präsident Lukaš�nka wohlgesinnt berichten. Verschärft wird diese Lage noch dadurch, dass staatli-che Beamte angewiesen sind, unabhängigen Zeitungen keine Aussage zu ertei-len. Einige Redaktionen verfügen jedoch über persönliche Kontakte zu den entsprechenden Stellen, um doch an die Informationen zu gelangen. Die Quel-le kann so jedoch nie offen genannt oder geprüft werden.

3. Eigene Recherche. Die eigene Recherche oder gar investigativer Journalismus ist in Belarus vor allem eins: gefährlich. Im folgenden Unterkapitel wird darauf noch näher eingegangen. An dieser Stelle soll der Hinweis auf die Monitoring-Ergebnisse des Journalistenverbandes BAŽ genügen. Anhand dieser Aufstel-lungen wird ersichtlich, dass eigentlich jeder kritische Artikel über eine Entde-ckung, die zum Skandal führen könnte, bestraft wird. Nach der Recherche fol-gen die Aufbereitung des Materials und das Schreiben des Artikels. Dabei ma-chen sich auch – so der Eindruck von Edith Spielhagen – die Rechercheum-stände bemerkbar: „Die Themen kommen alle irgendwie mal vor in den Medien, auch unabhängig davon, ob private oder staatlich […] in den Zeitungen vor allem. Aber man merkt schon, dass der Recherchehinter-grund sehr schmal ist, und die Tiefe der Recherche nicht so besonders optimal.“

Im Hinblick auf die Funktion, die dem Journalismus zugeschrieben wird, sieht Spielhagen die unabhängigen Zeitungen im Vorteil:

„Man merkt bei den unabhängigen Zeitungen, dass die sich schon den Werten von Unabhängig-keit auch in der Berichterstattung verpflichtet fühlen. Dass sie versuchen, auch unabhängig davon, was ihnen dabei wieder an Repressionen entstehen könnte, auch kritische Themen aufzugreifen und die darzustellen.“

Alle Journalisten bzw. Redakteure, die durch die Experteninterviews befragt wur-den, nannten Funktionen und Werte des Journalismus, die „wir im Westen“ auch so beschreiben würden: Objektivität, Unabhängigkeit, Ausgewogenheit usw. Auf den Punkt bringt dies der Gründer und Chefredakteur der Belorusskaja Delovaja Gazeta Pjotr Marca�. Gefragt nach der Rolle bzw. Funktion des Journalismus in der Ge-sellschaft, antwortete er kurz: «��� � ���, ~���� !» („Wie bei Ihnen, Stefan!“). Auch Aljaksandr Parfenca� bringt dies pointiert in einer globalen Sichtweise zum Ausdruck:

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7.2 Redaktionsalltag in Belarus: Propaganda und Selbstzensur 255

„If we are talking about the role of mass media like journalists see it, it is just simple professional work. This means to be objective, the need to be balanced. You need to be honest, to do some professional job. It’s like all over the world.“

Aber obwohl dieses Rollenverständnis vorherrscht, gibt es kaum eine ausgewogene, unabhängige, vielfältige Berichterstattung. Kiril Sukhotsky, der in London versucht hat, diese Werte an seine belarussischen Kollegen zu vermitteln, kommt zu dem Ergebnis, dass dies in dem gespaltenen Verhältnis von staatlichen zu unabhängi-gen/ oppositionellen Journalisten nicht möglich ist.

“It turned out that Belarus journalists are actually split: some of them are for the authorities, others are against them. Those who are for the authorities, merely sweep aside the opposition, they do not consider it necessary to ask its opinion. Just the same is done by those who are acting on the side of the opposition: they say the authorities are always telling lies, so why should we ask them?! Therefore, Belarus journalism still lacks the concept of equilibrium. We did try to teach journalists, but they would say, ‘The things that we are writing for you are very nice, but if we came with this material to our editor, he would simply throw it away, because people do not write in this way in Belarus.’” (Naroushvili 2004: 10)

Und dies führt ihn zu einer weiteren Erkenntnis: “In today’s Belarus many journalists feel tired of constant self-censorship.” (ebd.)

Zensur und Selbstzensur. Eine eigentliche Zensur, im Sinne einer Vorzensur, findet (nicht mehr) statt. Die Verfassung verbietet eine Zensur. Nur direkt nach der Wahl Lukaš�nkas Ende 1994 kam es in der Zeit der „weißen Flecken“ zu Fällen der Vor-zensur (vgl. Kapitel 6.1). Fragt man Journalisten und Redakteure nach Selbstzensur, sagen eigentlich alle aus, dass sie zu jeder Zeit das schreiben, was sie denken. Na-tal’lja Do�nar beschreibt dieses Phänomen in einem Artikel zu den Rechten der Massenmedien mit dem Untertitel «�� �^<� ��� > � ^} \��<» („Die Funktions-weise der Zensur“):

“�}*� i\# ���� �' ^} \��< \�<��' � � @�����^^� �� ���Y \ %��� ���#��\>���>^i, �� @��^�� �@��� � ' @�< ��i^> ���� @��<: �}�@�%i�� ��i� ��\}�< ��<@�����i �����Y^^� @���}#� �������> ��> ��>^> �� �����, � #��^��< ���� ���� ������^^� �%#i �^> @�i�<� <� @<�� > �. ��@�#���Y^> �@��� � @��^��a^> #}*� i\#� ���� �' ^} \��< ' @}�#� } � <� @������i, ��i# @�����Y^> �}���^<i. �#��i�i� �i � ���<� �}�i\ii ' ����@ �� @� i* \�#���"�� > � ��*� ���, �\>#�� <� �����<, \#���Y^> �<���^�� �� ��#�^} \��<.” (Do�nar 1999: 31)

Der Mechanismus der nutritiven Zensur114 unterliegt üblicherweise nicht der Kontrolle der Gesellschaft, arbeitet gleichwohl akkurat und bringt seine Früchte ein: Republikanische [d.h. nati-onale, staatliche; S.J.] Zeitungen eifern um die Wette, gegenüber der Macht Loyalität zu demon-strieren, während die regionale Presse auf unterschiedliche Weise bestrebt ist, sich politischen Fragen zu entziehen. Zum reibungslosen Funktionieren des Mechanismus der nutritiven Zensur tragen auch die permanenten Kontrollen bei, welchen die Redaktionen unterliegen. Breit angelegte

114 Gemeint ist wahrscheinlich eine Art Selbstzensur, durch die der „Broterwerb“ gesichert bleibt.

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256 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

finanzielle Revisionen und daraus folgend das Einfrieren der Konten und unermessliche Strafen, zwingen die Herausgeber notgedrungen zur Selbstzensur.

Dieser Journalistenalltag zwischen Propaganda und (Selbst-)Zensur verschärft sich zunehmend. Der Graben zwischen den unterschiedlichen Auffassungen von Politik und Journalismus hat sich zunehmend ausgeweitet. Dies beginnt in den Jahren 1995/1996: zwischen der Wahl Lukaš�nkas zum Präsident und dem ersten Refe-rendum 1996. Beim kleinsten Anzeichen von Kritik mündet diese Entwicklung heute in Gerichtsverfahren, die für Journalisten insofern gefährlich sind, als dass sich dort die Schwäche der Judikative offenbart, mit den von Do�nar im Zitat be-schriebenen Folgen.

Im belarussischen Transformationsprozess lässt sich demzufolge eine Ent-wicklung beschreiben, von Erlangung der Meinungsfreiheit zur Vorzensur bis zur heutigen Selbstzensur bzw. strukturellen Zensur. Für die Journalisten bedeutete diese Entwicklung zunächst eine langsame Öffnung des Systems und neue Mög-lichkeiten in der freien Ausübung ihres Berufs. Danach folgt ab Ende 1994/Anfang 1995 ein harter Rückfall, in der Journalisten zwar weiter schreiben, was sie wollen, aber bestimmte Themen und Hintergrundberichte auf Grund einer Vorzensur nicht in die Öffentlichkeit gelangen. Die weitere Entwicklung führt zu Einschüchte-rungsmaßnahmen und anderen Repressionen, die zu einer – strukturell abgesicher-ten – Selbstzensur führt, die heute in der belarussischen Berichterstattung zu politi-schen oder politisierten Themen zu erkennen ist. 7.3 Journalist. Ein gefährlicher Beruf

«{������, ��� ��%��� �@�� �' @��������' � #�� �� ���#� ������� @�������� ��@���. ��'������> �, ��@���# @��*������ @���<#� �<*����> � �\�<���@�� <� #����, ��%����> � ���� ���� �' �%��� ����, �%�\���"����> ��#<� ��\ ��%��\ <� �\�<� <� �����'����. =� "�� �����# �\�����#<* �\�� �' � �# ��� ����Y» (Bastunec/Pastuchov 2001: 4)

Man sagt, der gefährlichste Beruf zu Friedenszeiten sei der des Minenentschärfers. Tatsäch-lich betritt der Minenentschärfer als Erster explosionsgefährdete Orte, arbeitet unter unkonventi-onellen Bedingungen, entschärft die verschiedensten explosiven Mechanismen. Aber die Journalis-ten der unabhängigen Periodika haben es nicht viel leichter.

Die feine, aber gut erkenntliche Ironie ist Merkmal der belarussischen Journalisten – zumindest der unabhängigen. Diese Eigenart, die man bereits bei der Lektüre der Zeitungen bemerkt, setzt sich im Gespräch mit Journalisten fort. Es ist m. E. eine Art Verständnis von ‚Wir wissen, wir werden nicht viel ändern, ziehen immer den Kürzeren und machen trotzdem weiter’. Und das ist bisweilen gefährlich. So spricht der Redaktionsleiter von Radyjo Svaboda Valjancin Ždanko davon, dass alle seine Mitarbeiter ordentlich gemeldet seien und Steuern zahlen. Aber Radyjo Svaboda ist offiziell nicht registriert. Jederzeit könnte die Redaktion unweit der Minsker Innen-

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7.3 Journalist. Ein gefährlicher Beruf 257

stadt durch Regierungskräfte – rechtmäßig – geräumt werden. Die zahlreichen kleinen oder großen zielgerichteten Aktionen gegen belarussische Journalisten zu verfolgen, gestaltet sich – zumal aus der Ferne – äußerst schwierig.

Trotz all dieser kleinen Eingriffe, Imperative, Repressionen gibt es gleichzeitig aber auch Sorgen, was nach Lukaš�nka passiert. Seit einigen Jahren hat sich das Konkurrenzverhältnis von staatlichen und unabhängigen Publikationen eingepen-delt. Die einen leben ganz gut auf Staatskosten, die anderen mehr schlecht als recht auf eigene Kosten oder auf Kosten in- und ausländischer Wohltäter. Ob sich die privaten politischen, regimekritischen Zeitungen nach der Ära Lukaš�nka weiterfi-nanzieren können, wenn die geheimen Geldgeber vielleicht nicht mehr als Sponso-ren einer freien Berichterstattung auftreten, ist offen. Möglich ist auch, dass dann der Markt noch mehr von Unterhaltungs- und Lifestyle-Magazinen überflutet wird, die jetzt schon aus Russland ins Land kommen.

Aber bislang ist dieses Ende nicht in Sicht. Das häufig zitierte „Licht am Ende des Tunnels“ ist in Belarus kaum auszumachen. Und so kämpfen die unabhängigen Zeitungen (im Verbund des Journalistenverbands BAŽ) weiter gegen das Regime Lukaš�nka an. BAŽ publizierte in den vergangen Jahren immer wieder Zusammen-stellungen von Materialien zu Gerichtsverhandlungen und -entscheidungen. Die Rechtsexperten von BAŽ sammeln und kommentieren seit einigen Jahren die Vor-fälle, bewerten weniger moralisch als vielmehr: penibel juristisch. Entweder zum gesamten Verlauf des Verfahrens en detail, wie im Falle der Zeitung Pahonya (Pastukhov/Toporashev 2003), oder anhand unterschiedlicher Fälle, wie in einem Band von Bastunec und Pastuchov (2001), die durch Quantität und die Darstellung der Entschlossenheit der Machthaber beeindrucken. Der Titel des letztgenannten Bandes deutet schon an, wie korrekt die Judikative vorgeht: ��� ���� – @�������� �@�� ��. §��� ��"� ���������>�� "�� ���� ��, �� ���#� � @��� �<%����? (Journalist ist ein gefährlicher Beruf. Wovor sich Journalisten vor, wäh-rend und nach Wahlen hüten müssen.) Bevor Bastunec und Pastuchov die juristi-schen Fallbeispiele besprechen, benennen die Autoren drei maßgebliche „Gefah-ren“ für Journalisten. – Wohlgemerkt handelt es sich hierbei um Gesetze, die durch ihre Auslegung zur „strukturellen“ Bedrohung für Journalisten werden:

}[��� ~ 1 ~���>� 5 ���� � � @����� }[��� ~ 2 £��� # o�����<' ����� <' ������ }[��� ~ 3 |�\�����> <� ���� Bedrohung Nr. 1 Artikel 5 des Pressegesetzes Bedrohung Nr. 2 Dieses kapitelreiche Strafgesetzbuch Bedrohung Nr. 3 Ruinierende Forderungen

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258 7 Beruf: Journalist. Rollenkontext

Das Autorenduo erläutert im Weiteren die Gesetzgebung und die Auslegung seitens der belarussischen Gerichte. Bastunec und Pastuchov (2001) wollen ihre Broschüre als „Hilfestellung“ für kritische Journalisten verstanden wissen, für die allgemeine Berichterstattung, aber besonders für die Zeit der Wahlen:

„=� ��"��# }��@� �\%�����> ��� #����� � �* [ �\�����#<� ~��, C.�.] #���� @����������> ����\<. =�����_�� @���%�� @��\�� � @���\��> }�� ����\<. �* ��� @�������> � � ��� ����>�� �* "�����'. ����> ��" � @�>\����>�� @�����#: @��������> �@a� ���> – \ ���� �\%�"��> ��. =����#��, ��� }�� %���Y�� @�#�"�� ��# � �@�� �# @���������� @� «�� �#� @�Y».(Bastunec/Pastuchov 2001: 5)

Auf jeder Etappe des Wahlmarathons lauern ihnen [den unabhängigen Medien, S.J.] Gefah-ren auf. Das vorliegende Lehrbuch verfolgte das Ziel, diese Bedrohungen aufzuzeigen. Man muss sie durchschauen und sich ihnen nicht opfern. An dieser Stelle ist es wichtig folgende Regel zu be-folgen: Bedrohungen voraussehen heißt ihnen zu entrinnen. Wir hoffen, dass diese Broschüre Ih-nen auf dem gefährlichen Weg durch das „Minenfeld“ hilfreich ist.

Pastukhov und Toporashev zeigten die Auswirkungen der im Januar 2001 einge-führten Artikel 367 und 368 des Strafgesetzbuches, welche die Verleumdung und Beleidigung des Präsidenten der Republik Belarus betreffen. Sie halten direkt zu Beginn fest, welche unverhältnismäßig schweren Strafen der Verstoß nach sich ziehen kann:

„It is worth noting that the forms and terms of punishment under these articles are comparable with the sanctions, dealing with the grave crimes like committed in state of temporary insanity (A141), aggravated assault (A147), rape (A147), robbery (A207) and others.” (Pastuk-hov/Toporashev 2003: 5)

Im Weiteren zeigen Pastukhov/Toporashev den Verlauf der Verhandlung gegen die drei Autoren der regimekritischen Zeitung Pahonja, und wie die Judikative funktio-niert. So erwähnen sie für diesen Fall (ähnlich wie in dem Prozess gegen die Zeitung Rabochy) gefälschte Beweise – aus dem Internet. Rechtlich gesehen, gehörte das Internet aber noch nicht zu den Massenmedien. Die Rechtsexperten und Autoren dieser Broschüre bewerten aus juristischer Sicht die Verhandlungen. Sie decken Verfahrensfehler auf und prangern eine falsche Auslegung der Gesetze an; zeigen die Willkür der Exekutive und ihren Einfluss auf die Judikative, die Ohnmacht der Verteidigung, aber auch die der unterdrückten Staatsanwaltschaft und der Gerichte.

“It goes without saying that such ‚practice’ has nothing to do with fair justice. […] The trials of Mikalai Merkevich, Pavel Mazheika and Viktar Ivashkevich have unambiguously showed that the Law on Press and other Mass Media is not effective any longer, with the provisions in criminal procedural laws being arbitrarily interpreted and even the Constitution being buried in oblivion. We can only note that not only the existence of the independent media, but also justice itself have been jeopardized.” (Pastukhov/Toporashev 2003: 43)

In den vergangenen Jahren häufen sich zudem rätselhafte Unfälle bzw. ungeklärte Morde an kritischen Journalisten (vgl. BAJ 2004, 2005a). Erster und immer noch

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7.3 Journalist. Ein gefährlicher Beruf 259

bekanntester Vorfall ist das Verschwinden des Kameramanns vom russischen Fern-sehsender ORT (seit 2002 „Pervyj Kanal“). Der Belarusse Dzmitryj Zavadskyj wurde im Juli 1997 am Minsker Flughafen zusammen mit seinem Kollegen Pavel Šeremet und dem Fahrer Jaroslav Ob�innikov verhaftet. Der Vorwurf: Illegale Grenzüber-schreitung. Das Team von ORT hatte an der Belarussisch-Litauischen Grenze an einem Beitrag gearbeitet. Auf der Fahrt vom Minsker Flughafen in die Innenstadt verschwindet Zavadskyj auf mysteriöse Weise – und wurde bis heute nicht gefun-den. Die Autoren Zvozkov, Pastuchov und Panfilov (vgl. 1999) haben den gesam-ten Vorfall und die darauf folgenden juristischen Auseinandersetzungen und Protes-te auf fast 200 Seiten minutiös dokumentiert. Das Konterfei Zavadskyjs ist seither das Sinnbild des Protestes der Anhänger freier Meinungsäußerung gegen das Re-gime Lukaš�nka.

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8 Öffentlichkeit in Belarus? Access denied!

Die Überschrift dieses Kapitels ist die Essenz dessen, wie man Öffentlichkeit in Belarus heute charakterisieren kann. Trotz der vielfachen Restriktionen und Gefah-ren für das Handeln der Akteure in der Öffentlichkeit wird eine gewisse Vielfalt in der Berichterstattung erreicht. Der Zugang zur Öffentlichkeit bzw. den Informatio-nen wird jedoch fast täglich schwieriger. Das betrifft zum einen die Informationsbe-schaffung für Journalisten, zum anderen die Verbreitung und somit den Zugang des Publikums zu den Informationen. In welchen Phasen und auf welchen Ebenen diese Entwicklung stattfand, zeigt das erste Unterkapitel (8.1). Danach werden die belarussischen Medieninstitutionen zusammengefasst (8.2), d.h. die unterschiedli-chen Regeln und Ressourcen für das tägliche Handeln. Diesen Punkten folgen Diskussionen um ein mögliches Scheitern der Transformation (8.3) und eine ab-schließende Lagebewertung hinsichtlich des angenommenen normativen Transfor-mationszieles: Pluralismus (8.4). 8.1 Transformationsphasen und Bewertung

Vergleicht man die einzelnen untersuchten Analyseebenen miteinander und diese mit den von Lorenz (2001, vgl. Kapitel 4.1) beschriebenen politischen Transforma-tionsphasen, so wird deutlich, dass für nahezu alle Bereiche dieser Betrachtung drei markante Zeitpunkte hervorragen, mit wenig zeitlichem Spielraum. Es sind dies: Erstens, die Unabhängigkeitserklärung 1990/ 1991, zweitens, die ersten freien Präsi-dentschaftswahlen 1994 und drittens, Das Referendum zur Verfassungsänderung 1996. Nicht nur in der politischen Transformation, sondern auch in rechtlicher Hinsicht, aber auch mit Verweis auf die Berichterstattung, Rollenveränderungen und Einflusse externer Akteure spielen diese Ereignisse eine herausragende Rolle. Dies verwundert nicht, stehen sie doch für maßgebliche Veränderungen in der Gesellschaft. Versucht man nun, den gesamten Entwicklungsprozess der belarussi-schen Öffentlichkeit seit der Prä-Transformationsphase zu beschreiben, so ergeben sich mit den Erfahrungen vorliegender Analyse folgende Phasen: 8.1.1 Prä-Transformation (1986-1990/1991) Die Veränderungen durch die Politik Gorba�evs (Glasnost’ und Perestrojka) betref-fen Belarus genauso wie den Rest der UdSSR. Nach dem �arnobyl-Unfall im April

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262 8 Öffentlichkeit in Belarus? Access denied!

1986 sind die Belarussen verärgert über die nicht vorhandenen Informationen aus Moskau. Die Funde von Kurapaty 1988, in den Wäldern unweit der Hauptstadt Minsk, und die Veröffentlichung der dortigen Ausgrabungsergebnisse in der Zeit-schrift Literatura i mastacva (Literatur und Kunst) tragen weiter zum Erstarken der Zivilgesellschaft und der Öffentlichkeit bei. Im Juli 1990 wird Belarus offiziell un-abhängig, jedoch ohne einschneidende Folgen. Erst mit dem Putsch in Moskau und einer Demonstration in Minsk in derselben Woche im August 1991 wird die Unab-hängigkeit in Verfassungsrang gehoben. Für den Bereich des Journalismus kann festgehalten werden, dass sich die Veränderungen bzw. die durch Gorba�ev einge-leiteten Reformen durchaus schnell in der Lehre der Journalistischen Fakultät der Belarussischen Staatsuniversität Minsk niederschlugen. Personell schlägt sich dieser Umstand in der Ernennung eines neuen Dekans 1986 nieder, der zehn Jahre im Amt bleiben wird. Unabhängige Zeitungen entstehen jedoch erst 1990/1991. Eine starke Oppositionspresse, wie etwa in Polen, existiert in der Phase der Prä-Transformation in Belarus nicht.

8.1.2 Liberalisierung (1990/1991-1994) Mit der erneuten Unabhängigkeitsdebatte und der Demonstration in Minsk auf dem Platz der Unabhängigkeit (zuvor und inzwischen wieder Leninplatz genannt) be-ginnt die eigentliche Transformation. Einige Wochen später wird die UdSSR aufge-löst. Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten GUS steht bereits in den Startlöchern und schließt erneut einige der nun ehemaligen Sowjetrepubliken zusammen. Als Amtssitz der GUS-Administration vereinbart man Minsk. Trotz dieser Neugrün-dung leiten die Unabhängigkeit und der Putsch in Moskau in Belarus eine Phase der Liberalisierung ein. Es gibt zu diesem Zeitpunkt keine neue Verfassung, keine Me-diengesetze. Freie Meinungsäußerung ist möglich. Die Zeitungen im Staatsbesitz versuchen nach und nach ihren Stil zu lockern, und das äußere Erscheinungsbild zu ändern, was sich u. a. in dem Wegfall des Aufrufs „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ zeigt. Jedoch ist etwa die staatliche Sovetskaja Belorussija im Herbst 1991 noch stark geprägt von ihrer Rolle als Parteipresse. Der Titel ist von Anordnungen, Be-kanntmachungen, Reden, Dekreten und Gesetzen der Parteifunktionäre der UdSSR und der BSSR geprägt. Nur zögerlich verändert sich das äußere Erscheinungsbild. In dieser Phase entstehen fast alle wichtigen unabhängigen und privatwirtschaftli-chen Presseerzeugnisse. Die Chefredakteure sind jedoch allesamt keine Unbekann-ten, sondern meist schon mehr als 20 Jahre im belarussischen Journalismus tätig. Im August 1990 entsteht mit dem Belarusskij Rynok eine der ersten unabhängigen Zei-tungen. Im Jahr darauf gründet sich die Naša Niva wieder, die zuletzt 1915 erschien und an diese vorsowjetische Tradition und an die Nationalhelden jener Zeit an-knüpft. Zudem erscheint sie in Belarussisch. 1992 gründet Pjotr Marca� die Bela-russkja Delovaja Gazeta und damit bereits die zweite unabhängige Wirtschaftszeitung,

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8.1 Transformationsphasen und Bewertung 263

die jedoch auch maßgeblich zu politischen Themen berichtet. An der Ausbildung der Journalisten ändert sich in dieser Zeit wenig.

Am Ende dieser ersten Transformationsphase steht die Institutionalisierung bzw. politische Neuordnung. 1994 tritt eine neue Verfassung in Kraft, die – nach westlichem Vorbild geschaffen – auch die Meinungs- und Versammlungsfreiheit garantiert. Noch im selben Jahr werden die ersten Präsidentschaftswahlen durchge-führt. Statt des populären Interimsführers Kebi� gewinnt ein Herausforderer aus der ostbelarussischen Provinz, der durch sein Antikorruptionsprogramm bei der Bevölkerung punktet. Maßgeblich durch die unabhängigen Zeitungen jener Zeit unterstützt, gewinnt der relativ unbekannte Aljaksandr Lukaš�nka die ersten freien Präsidentschaftswahlen.

8.1.3 Kampf um die Öffentlichkeit (1994-1996) Nach seiner Wahl verstaatlicht der neue Präsident u. a. die Druckhäuser per Ukaz. Der Aufbau der Machtvertikalen hat begonnen. Astrid Lorenz nennt diese belarus-sische Transformationsphase aus politikwissenschaftlicher Sicht die „Bewährungs-probe des institutionellen Settings“. Mit Fokus auf die Politik ist dieser Blick leichter nachzuvollziehen, richtet er sich doch auf die in der vorherigen Phase entwickelten institutionellen Vorstellungen und festgeschriebenen Gesetze. Für die Öffentlich-keit lassen sich solche festgeschriebenen Institutionen kaum ausmachen, von den in der Verfassung festgeschriebenen Rechten einmal abgesehen. Vielmehr haben sich in der Phase der Liberalisierung und durch die damit gewonnene Freiheit der Jour-nalisten aber auch andere Teile der Öffentlichkeit bestimmte Werte herausgebildet, teilweise auch innerhalb der Redaktionen interne Verhaltenskodizes etc. Eine solche journalistische Kultur nachzuvollziehen ist nach mehr als 12 Jahren ein forschungs-technisch schwieriges Unterfangen. Der von Lorenz aus politologischer Sicht ge-wählte Begriff der „Bewährungsprobe“ ist m. E. an dieser Stelle jedoch zu schwach für die Restriktionen und Eingriffe, die von Seiten des neuen Machthabers in die-sem Zeitraum angelegt werden. Die Ereignisse gleichen vielmehr einem Kampf um die Öffentlichkeit, um die Vormachtstellung und Funktionszuweisung des Journa-lismus, d.h. die Rolle in der Gesellschaft.

Aus Sicht der Öffentlichkeit beginnt diese Phase mit drei Ukazen, welche die Unabhängigkeit des Journalismus beeinträchtigen, und noch viel deutlicher mit der Zeit der „weißen Flecken“. Die neuen Machthaber führen die Zensur (gemeint ist die Vorzensur) wieder ein. Vor allem Lukaš�nka-kritische Artikel, die Korruptions-vorwürfe beinhalten, werden zensiert. An ihrer Stelle bleibt nur eine Lücke auf der Zeitungsseite. Zunächst sind davon die staatlichen Periodika betroffen, die vom Staat finanziert, schließlich auch diesem wohlgesinnt sein sollten, so die Ansicht des Präsidenten. Die Freiheit der staatlichen Redakteure, die seit 1990/1991 ebenso wie die unabhängigen ihre Erfahrungen in einem freien, liberalen Pressemarkt gemacht haben, werden wieder für die Belange der Machthaber eingespannt und sind ge-

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264 8 Öffentlichkeit in Belarus? Access denied!

zwungen, erneut zum Stil des sowjetischen Journalismus zurückzukehren. Die un-abhängigen Publikationen kämpfen durch Repressionen unbeirrt gegen Lukaš�nka. Der Höhepunkt dieses Kampfes bildet m. E. die Berichterstattung zum Verfas-sungsreferendum 1996. Die staatlichen und unabhängigen Ausgaben konkurrieren in der Darstellung des Präsidenten und seiner politischen Vorstellungen. Die staatli-che Sovetskaja Belorussija unterstützt zuverlässig die Linie des Präsidenten, während die untersuchten unabhängigen Zeitungen ausnahmslos politisch aktiv gegen den Präsident agitieren, ihn als Diktator bezeichnen, mit Hitler, Mussolini und Ivan IV. (dem Schrecklichen) vergleichen.

In dieser Phase der zunehmenden Spaltung von staatlichen und unabhängigen Redakteuren verharrt der existierende, aus der Sowjetunion verbliebene Journalis-tenverband in der Reserve. Als Konsequenz bildet sich ein neuer, konkurrierender Journalistenverband heraus, der vornehmlich die Interessen der unabhängigen Journalisten vertritt: Belaruskaja Asacyjacyja Žurnalista�, BAŽ. Am 13. Januar 1995 tritt ein neues Presse- und Mediengesetz in Kraft, dass zunächst noch demokrati-sche Züge trägt, später jedoch zur besseren Handhabe des Präsidenten erweitert bzw. ergänzt wird. Die mit der Einführung des Gesetzes verbundene Neuregistrie-rung aller Periodika 1996 erschwert die Tätigkeit der unabhängigen Zeitungen.

Die eigentliche Transformation bricht am Ende dieser Phase ab. Der Kampf um die Öffentlichkeit und das letzte große Aufbäumen der unabhängigen Zeitungen und weiterer Teile der Öffentlichkeit angesichts der Umstände des Referendums 1996 stellen den Höhepunkt dar. Der Gewinn Lukaš�nkas ist die Niederlage der Transformation. Einflussreiche Kritiker etwa beim Verfassungsgericht werden entlassen, das Parlament aufgelöst. Das Propagandablatt erhält einen neuen Chefre-dakteur, die journalistische Fakultät einen neuen Dekan etc. Spätestens ab diesem Zeitpunkt werden die Umstände zur Produktion einer Vielfalt in der Öffentlichkeit nach und nach verschärft. Die Phase ist somit der Beginn einer Um-Institutionalisierung bzw. Re-Institutionalisierung, rückwärtsgewandt zu den Regeln und Ressourcen sowjetischer Handlungsroutinen. In der folgenden „Transformati-onsstufe“ wird diese Tendenz konsolidiert. Der Journalismus, aber auch Parteien haben den Kampf um die Öffentlichkeit verloren, auch wenn in dieser Phase die oppositionelle Narodnaja Volja erst neu entsteht. 8.1.4 Zunehmende Gleichschaltung von Öffentlichkeit (seit 1996) Man könnte diesen Zeitraum in einer politischen Betrachtung auch als ‚Die Konso-lidierung der diktatorischen Macht’ bezeichnen. Eine Phase von etwa zehn Jahren ist für einen Transformationsrhythmus sicherlich ungewöhnlich. In Belarus gibt es dafür jedoch zwei Gründe: Zum einen bedeuten die Ereignisse von 1996 und die darauf folgenden das Ende der Transformation in dem vorgestellten Definitions-rahmen. Am ehesten lässt sich diese Entwicklung mit dem aus der Forschungslitera-tur bekannten Begriff „backlash“ (heftige Gegenreaktion, Rückfall) charakterisieren.

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8.1 Transformationsphasen und Bewertung 265

Zum anderen verfolgen diese Ereignisse (als eine Reihe von Maßnahmen) allesamt ein Ziel: Die Konzentration der Öffentlichkeit unter der Staatsmacht. In den nach-folgenden Ausführungen werden diese und auch weitere Kontinuitäten sichtbar, auch wenn selbstverständlich Subphasen keineswegs unmöglich erscheinen.

Das Presse- und Mediengesetz wurde immer wieder verändert und erweitert. Zu Ungunsten der Presse wurde der Angriff auf die „Ehre und Würde des Präsi-denten“ ausdrücklich als Verbot festgeschrieben, die Berichterstattung von oder über nicht registrierte Organisationen verboten. Diese Änderungen wurden von der Justiz nach und nach strikter gehandhabt. Der seit einigen Jahren kursierende Ge-setzesentwurf enthält eindeutig Teile der Staatsideologie und versucht, seinen Gel-tungsbereich bis auf das Internet auszuweiten. Das Drängen auf eine rechtliche Regelung der Inhalte im Internet ist grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch wird diese wahrscheinlich dazu genutzt werden, sich der letzten Plattform freier Meinungsäu-ßerung in Belarus zu entledigen. Dafür spricht nicht nur die Skepsis einiger belarus-sischer Medien(rechts)experten sondern zudem die juristische Praxis gegen Autoren von Internetartikeln im Vorfeld des gesetzlichen Neuentwurfes, obwohl dazu keine rechtliche Regelung vorlag. Die immer wieder veröffentlichten Ukaze des Präsiden-ten verringern zunehmend den Spielraum der unabhängigen Zeitungen. Hier lässt sich durchaus eine Tendenz erkennen, dass seitens der Machthaber in den letzten vier bis fünf Jahren verstärkt versucht wird, die unabhängigen Presseerzeugnisse massiv zu behindern, um ihnen – angesichts ihrer Ohnmacht – endgültig die „Lust“ am Publizieren zu nehmen: So etwa das Verbot für privatwirtschaftliche Organisa-tionen, sich und ihre Produkte „belorusskij“ („belarussisch“) oder „nacional’nyj“ („national“) zu nennen. Dies bleibt nun staatlichen Unternehmen vorbehalten.

Durch drei Verwarnungen durch das Informationsministerium innerhalb eines Jahres wird eine Zeitung für drei Monate am Erscheinen gehindert, so etwa im Jahre 2003 die Belorusskaja Delovaja Gazeta. Sie durfte danach auch nicht mehr über den staatlichen Distributionsmonopolisten verteilt und verkauft werden. Gleiches gilt für die Narodnaja Volja, die seit Ende 2005 nur noch im Internet erscheint. Auch die Naša Niva wird nicht mehr über die Belpošta vertrieben. Ein eigenes Distributi-onssystem aufzubauen, ist kostenintensiv und langwierig. Zudem sind viele Zeitun-gen mehr oder weniger gezwungen, die Herstellung ins Ausland zu verlagern. Der belarussische Zoll kann eine Wagenladung bis zu zehn Tagen an der Grenze zur Überprüfung festhalten. Durch „einfache“ staatliche Maßnahmen kann damit die unabhängige Presse noch so kritisch berichten, sie ereicht die Rezipienten kaum. Dabei haben sich die Zeitungen selbst kaum verändert. Bei vier der fünf analysier-ten Zeitungen sind seit ihrer Gründung dieselben Chefredakteure im Amt, teilweise auch als Gründer und Besitzer. Lediglich bei der Naša Niva gab es bislang seit 1991 drei Chefredakteure; zunächst Sjarhej Dubaviec, danach Pavel Žuk und Andr�j Dyn’ko. Die Berichterstattung bzw. die politische Ausrichtung der Zeitungen hat sich seit 1996 ebenfalls kaum geändert. Doch die Verbote, Verwarnungen und die

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neue Gesetzeslage haben Wirkung gezeigt. So sind unvermittelte Angriffe auf den Präsidenten kaum noch zu lesen. Sie würden direkt zur Anklage oder zumindest zu einer Verwarnung führen. Durch staatliche Repressionen hat sich folglich eine Art Selbstzensur herausgebildet, die jedoch von keinem Redakteur gerne eingestanden wird.

Nach der so genannten „Orangen Revolution“ in der Ukraine Ende 2004 mehren sich die Hoffnungen einiger Belarussen (vor allem der Opposition) und weniger Außenstehender, dass bei den belarussischen Präsidentschaftswahlen 2006 eine ähnliche Protestwelle in Minsk starten könnte.115 Der Oppositionskandidat wird durch die unabhängigen Zeitungen unterstützt, hatte aber kaum die Zeit, im Land bekannt zu werden, da die Machthaber den Wahltermin auf das Frühjahr vorverlegen. Nach diesen Wahlen im März demonstrierten einige Hundert zumeist Jugendliche auf dem Oktoberplatz in der Minsker Innenstadt, vis-à-vis dem Präsiden-tenpalast. Viele Demonstranten wurden festgenommen und die Demonstration nach wenigen Tagen aufgelöst und der Platz gereinigt, als wäre nichts gewesen. Der Chefredakteur der Naša Niva Dyn’ko verbrachte diese Zeit ebenso im Gefängnis wie führende oppositionelle Politiker.

Lukaš�nka konnte die Präsidentschaftswahlen zu seinen Gunsten entscheiden, und es geht weiter wie vor den Wahlen.116 Die unabhängige Presse wird weiter unterdrückt. An den staatlichen Kiosken erhält man mittlerweile nur noch die staat-lichen und staatsnahen belarussischen Zeitungen und einige russische. Das Fernse-hen ist sowieso in staatlicher Hand und berichtet ausführlich über die erfolgreiche Politik des Präsidenten. Selbst die privaten Hörfunkangebote, meist auch nur reine Musiksender, dürfen nicht mehr alles spielen. Kritische Bands und Musikprojekte wie „N.R.M.“ kann man mittlerweile eher im Ausland erleben.

Es zeichnet sich ab, dass die hier beschriebene Phase damit enden wird, dass unabhängige Zeitungen nur noch im Internet verfügbar sein werden, als eine Art Gegenöffentlichkeit im Untergrund. Das neue Mediengesetz von 2008 greift aber auch bereits an. Von einem autonomen Öffentlichkeitssystem ist derzeit nicht aus-zugehen. Die Zivilgesellschaft und die oppositionelle Bewegung scheinen aber auch zu schwach, um einen durch bzw. über die Öffentlichkeit erzwungenen (erneuten) Systemwechsel einzuleiten. Als Spekulation könnte man hervorbringen, dass sich Belarus somit wieder am Beginn einer Prä-Transformationsphase befindet. Aber die sozialwissenschaftliche Prognose hat bereits bei den Umbrüchen 1989/1990 ver-sagt. Letztlich kann man an dieser Stelle nur feststellen, dass der Transformations-

115 Zu den Präsidentschaftswahlen in Belarus 2006, vgl. den (gleichwohl von oppositionellem Impetus durchsetzten) Sammelband von Forbrig/Marples/Demeš 2006. 116 Jedoch räumte der Präsident bei einer Pressekonferenz am 23. November 2006 ein, dass man die Wahl gefälscht habe. Eigentlich hätten 93,5 Prozent für Lukaš�nka gestimmt, nicht nur 86 Prozent. Man habe das Wahlergebnis gefälscht, da der „Westen“ ansonsten gesagt hätte, es sei kein europäisches Ergebnis. Vgl. http://www.naviny.by/rubrics/politic/2006/11/23/ic_media_112_264/ (14.12.2006)

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8.2 Gescheitert! Oder nur ein anderer Weg? 267

prozess in Belarus beendet ist. Zu Fragen bleibt, ob damit die Transformation in Belarus gescheitert ist, oder ob Belarus nur einen anderen Weg gewählt hat. 8.2 Gescheitert! Oder nur ein anderer Weg?

Die Gesprächspartner der Experteninterviews bewusst provokant nach den Grün-den für das „Scheitern“ der Transformation in Belarus gefragt, lassen sich deren Antworten in drei Gruppen teilen. In eine erste Gruppe, die sofort die Gründe für das Scheitern des Prozesses nennt, eine zweite, die nicht von Scheitern sprechen will, und eine dritte Gruppe, die eher relativierend den Ist-Zustand beschreibt, ohne den Prozess zu überdenken.

Als Faktoren, die zum Scheitern des Transformationsprozesses beitrugen, werden hauptsächlich die Regierung und der Präsident genannt. Auch auf Nachfra-ge bleiben die meisten der Befragten dabei, dass es am Präsidenten läge, das Belarus heute zu den so genannten „Transformationsverlierern“ gehöre. Lediglich Valjancin Ždanko von Radyjo Svaboda gab zu bedenken, dass es auch an der Öffentlichkeit und der Bevölkerung, an einer mangelnden zivilgesellschaftlichen Aktivität liege, welche die Entscheidungen überhaupt zulasse. Zur zweiten Gruppe sind etwa Aussagen zu zählen wie die, dass die Transformation in Belarus nicht gescheitert sei, da die Ent-wicklung der 1990er Jahre schließlich dazu geführt habe, dass in Belarus kein Chaos herrsche. Vielmehr gäbe es eine gewisse Ordnung und einen gut funktionierenden bürokratischen Apparat. Diese diplomatische Äußerung scheint jedoch Rechtsstaat-lichkeit und Demokratie außer Betracht zu lassen. Begriffe wie Ordnung und Stabi-lität stehen einer zunehmend autokratischen Sichtweise auch nicht im Wege. Und aus der dritten Gruppe sei die Auffassung genannt, wonach die Transformation nicht gescheitert sei. Vielmehr sei es einfach eine typische Entwicklung für Medien unter diesen Bedingungen, wo die Spielregeln der Medienindustrie von der Regie-rung aufgestellt werden. Natürlich sei der Hauptgrund für diese Entwicklung die Regierungspolitik.

Es gibt folglich unterschiedliche Auffassungen darüber, wie der Transformati-onsprozess in Belarus zu bewerten ist. Aber selbst wenn man die Transformations-forschung mit einem Spiel vergleicht (wie in Kapitel 3.4), ist die wertende, von Transformationsforschern vorgenommene Bezeichnung einiger Staaten als Trans-formationsverlierer (‚loser’) nicht sinnvoll. In Belarus kann man trotz der schwieri-gen politischen Situation nicht eindeutig sagen, dass die Bevölkerung durch die Veränderungen verloren hätte. So steigt etwa Zufriedenheit mit der persönlichen Wirtschaftssituation (vgl. Manaev 2006: 39). Wie immer man den Transformations-verlauf evaluiert: es kommt auf die Definition des Begriffs Transformation an. Würde man eine Begriffsdefinition wählen, die kein Transformationsziel benennt, könnte man nur schlecht behaupten, der Prozess sei in Belarus gescheitert. Denn

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268 8 Öffentlichkeit in Belarus? Access denied!

das belarussische Gesellschaftssystem hat sich „transformiert“, von einem System-zustand in einen anderen, der nun zumindest durch Ordnung überzeugt. Seit wann dieser transformatorische Wandel jedoch zu Ende war und in einen allgemeinen sozialen Wandel überging, ist so nicht auszumachen.

In der vorliegenden Arbeit wurde daher ein Transformationsbegriff gewählt, der für die Entwicklung einer Öffentlichkeit ein Ziel benennt (Funktion der Öffent-lichkeit, Leistung des Journalismus) und Faktoren und Hilfestellungen zur Messung (Untersuchungskontexte, Vielfaltskriterien) anlegt. Mit Hilfe dieses Instrumentari-ums lässt sich mit der vorangegangenen Ex-Post-Analyse festhalten, dass am Ende der Phase von 1994 bis 1996 mit der Niederlage der Opposition und der unabhän-gigen Presse der Transformationsversuch gescheitert war. In diesen beiden Jahren konkurrierten vollständig unterschiedliche Vorstellungen über die Entwicklung des Landes. Die Herrschaft des Volkes und die freie Meinungsäußerung, die bis heute in der Verfassung verankert sind, unterlagen faktisch dem autokratischen Herr-schaftsverständnis des Präsidenten. Seit 1996 wurde diese autokratische Herrschaft stetig konsolidiert, was sich in der Kontinuität der strukturellen (politischen, öko-nomischen) Restriktionen äußert. Diese – nur teilweise durch Gesetze und Ukaze abgesicherten – neu geschaffenen Institutionen werden durch die Machtvertikale kontrolliert, mit dem Präsidenten und seiner Administration an der Spitze. Presse und Rundfunk stehen dabei unter genauer Beobachtung. Die journalistischen Er-zeugnisse entsprechen entweder den Vorstellungen der Präsidentenadministration oder sie werden unterdrückt und an der Arbeit gehindert. Das Transformationsziel Vielfalt konnte damit nicht erreicht werden, obwohl in der Vergangenheit immer noch eine gewisse politische Meinungspluralität durch die Diversifizität der Presse erreicht werden konnte. Jedoch ist der Zugang zu den Informationen nach und nach erschwert worden. Zu diesem Scheitern der Transformation der Öffentlichkeit (nach hier vorgestellter Definition) hat also maßgeblich die Politik beigetragen, die peu à peu die Rechte und Möglichkeiten der unabhängigen Presse beschnitten hat: Zunächst durch eine Vorzensur, später durch eine „strukturelle Zensur“, die auf Grund von Erfahrungen und Androhungen die institutionelle Basis der Redaktions-arbeit verändert hat, die teilweise zu einer Selbstzensur führte. Über den Journalis-mus hinaus kann man von einer „Lethargie“ der Zivilgesellschaft ausgehen, die es versäumt hat, in der Öffentlichkeit durch massive Formen des Protestes auf Miss-stände aufmerksam zu machen. Letztlich sind es zu wenige Akteure, die versuchen im Sinne der hier angenommenen Transformationsziele sich einzusetzen. Zudem sind diese nicht imstande, einen Großteil der Bevölkerung zu erreichen und zu mobilisieren, was wiederum eine Folge der Medienpolitik der Regierung ist. Trotz dieses Urteils vom Ende der Transformation in Belarus, das sich aus der Bewertung der Analyseebenen ergibt, soll im letzten Unterkapitel der Frage nachgegangen werden, was der Journalismus unter diesen Bedingungen heute zu leisten imstande ist, um abschließend eine Prognose zu wagen.

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8.3 Öffentliche Funktion. Was leistet der Journalismus in Belarus? 269

8.3 Öffentliche Funktion. Was leistet der Journalismus in Belarus?

Um die in der Kapitelüberschrift gestellte Frage zu klären, bedarf es zwei Antwor-ten. In Belarus existieren heute zwei unterschiedliche journalistische Universen in Parallelwelten, in denen sich Funktion, Leistung, Programme, Berufsverbände, Schreibstile, Wirtschaftslage – folglich so ziemlich alles unterscheidet. Nur die bei-den zugrunde liegende Realität scheint dieselbe zu sein. Das eine Universum heißt staatlicher oder privatwirtschaftlich-präsidentenfreundlicher Journalismus, das ande-re unabhängiger bzw. oppositioneller Journalismus. Beide Entwicklungen sollen mit Blick auf die Kriterien des Analysemodells kurz zusammengefasst werden.

Staatlicher und privatwirtschaftlich-präsidentenfreundlicher Journalismus. Bislang wurde meist nur zwischen staatlichen und unabhängigen Zeitungen unterschieden. Daneben existieren zudem – wie bereits erwähnt – privatwirtschaftlich organisierte Zeitungen, die jedoch treu dem Präsidenten zur Seite stehen, und somit auch die Probleme umgehen, denen sich privatwirtschaftlich organisierte und zugleich poli-tisch unabhängige Zeitungen gegenüber sehen. Die vorliegende Gruppe der staatli-chen (und staatsfreundlichen) Publikationen betreibt Propaganda für ihren obersten Dienstherrn. Gegenstimmen werden nur aufgenommen, um diese zu dementieren, oder wenn sich Missstände nicht mehr verheimlichen lassen. Kritik am Präsidenten bzw. seiner Politik oder Lob für die Opposition scheitert spätestens beim Chefre-dakteur der entsprechenden Zeitung. Organisiert sind die Redakteure bei staatlichen Zeitungen mehrheitlich bei der Belarussischen Journalistenunion BSŽ, dem aus sowjetischen Zeiten stammenden Journalistenverband. Auf Grund der staatlichen Ausbildung und den Arbeitsgewohnheiten ist bei den Redakteuren der staatlichen Presse auch davon auszugehen, was Svetlana Pasti (2005: 89) bei unterschiedlichen Generationen russischer Journalisten herausfand. Zwar unterscheiden sich ältere und jüngere Generationen erheblich in der praktischen Auffassung und Ausübung ihrer Arbeit, aber „[d]espite their polarities, both generations of journalism accept the political function of journalism as a propaganda machine for the power elite during elections and other important events.” Die Institutionen sind bei dieser Art Journalismus einfach nachzuvollziehen. Das (politische) Programm ist in Belarus festgelegt auf Pro-Präsident (vgl. a. Smu�kowa 2002: 210). Auf diverse Arten wird Lukaš�nka positiv dargestellt: volksnah, sportlich, intelligent, omnipotent.

Die staatliche Presse befindet sich ebenso wie übrigens der staatliche Rund-funk in Belarus in einer außerordentlich guten wirtschaftlichen Situation. Die Regie-rung weiß um die Bedeutung der Propaganda-Maschinerie und unterstützt diese kräftig. Die Zeitungen werden in den staatlichen Druckereien zu Vorzugspreisen gedruckt, und Dank des Drucks auf die Werbenden wird auch genug Werbeplatz verkauft. Dies ist zudem lukrativ, schließlich kann man durch Zwangsabonnements, etwa der Sovetskaja Belorussija, die Auflagen auf hohem Niveau halten und ent-sprechende Anzeigenpreise verhandeln. Die staatlichen Zeitungen sind auf Grund

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dieser Unterstützung in der Lage, ihre Ausgaben kostengünstig abzugeben. Man erhält sie an jedem Kiosk im Land. Legt man jedoch die Pluralitätskriterien als Maß-stab an, wird deutlich, dass die staatlichen Zeitungen Vielfalt nicht erreichen kön-nen. Zwar ist es jedem potenziellen Rezipienten möglich, eine Zeitung zu erhalten, und er/sie bekommt damit auch eine gewisse Themenvielfalt, aber die Berichterstat-tung über die Ereignisse ist einseitig. Weder richtungspolitische Vielfalt noch Mei-nungsvielfalt wird innerhalb der unterschiedlichen staatlichen Publikationen er-reicht; dank der Selbstzensur in den Redaktionen bzw. dank der „Scheuklappen-Anordnung“, sich nur auf Information der staatlichen Nachrichtenagentur BelTA und offizielle Meinungen zu stützen. Dieser Journalismus liefert: Propaganda.

Unabhängiger Journalismus. Die sich diametral gegenüberstehenden Auffassungen und Ausprägungen des Journalismus erreichen fast Lehrbuchcharakter. Denn die unabhängigen Zeitungen verfolgen einen freien Journalismus. Vorbild für sie ist der „Westen“, was sich bei diesen Zeitungen in folgende Ausprägungen niederschlägt: Kritik (die sich maßgeblich gegen den Präsidenten und seiner Politik richtet), Kampf für Demokratie, Nationalismus. Da sie auch eine Plattform für die politi-schen Gegner des Präsidenten darstellen, sind die unabhängigen Zeitungen alle auch zugleich Opposition. Erst durch die Gerichtsentscheidungen der vergangenen Jahre, Verwarnungen oder überhöhte Geldstrafen gehen die Redaktionen dazu über mäßi-ger Kritik zu üben. Trotzdem sehen sich die Redakteure vielfältigen Problemen gegenüber. Organisiert sind diese Journalisten in der Belarussischen Journalisten-vereinigung BAŽ. Diese listet u. a. die Übergriffe auf Journalisten Fall für Fall auf. So druckte der Journalistenverband beispielsweise eine ganze Broschüre über die Verletzungen der Medienrechte durch das Regime anlässlich der Präsidentschafts-wahlen 2001 (vgl. Pastukhov/Toporashev 2001). Wirtschaftlich ist die Situation nicht vergleichbar mit der staatlicher Publikationen. Die Gründe wurden bereits genannt: Ausschluss vom staatlichen Distributionssystem, Druck von Staatsseite auf Werbekunden, hohe Geldstrafen, Herstellung im Ausland etc. Diese Schwierigkei-ten haben zwar zur Herausbildung alternativer Finanzierungsmethoden geführt (Querfinanzierung, Wohltäter aus dem In- und Ausland). Diese sind aber auf Dauer auch keine Lösung.

Die Institutionen des unabhängigen Journalismus unterscheiden sich nicht nur von den staatlichen Presseerzeugnissen, sondern auch untereinander. Wie im sechs-ten Kapitel bei der Presseauswertung gesehen, differieren die Zeitungen in der politischen Ausrichtung, ihrer Grundhaltung und in ihrem Grundton. Es gibt sprachliche Unterschiede, sowohl in der Verwendung der beiden Landessprachen, als auch stilistischer Art. Einige achten auf die Trennung von Nachricht und Kom-mentar, auf die andere wiederum eher verzichten. Es wird aber bei nahezu allen unabhängigen Zeitungen versucht, ausgewogen zu berichten, Vor- und Nachteile einzelner Fragestellungen abzuwägen. Von einer reinen Oppositionspresse kann also in diesem Zusammenhang nicht die Rede sein. Aber auch der unabhängige

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8.3 Öffentliche Funktion. Was leistet der Journalismus in Belarus? 271

Journalismus in Belarus kann keine Vielfalt herstellen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Zwar sind die Redaktionen in der Lage, Meinungspluralität, richtungspo-litische Pluralität und unterschiedliche Themen zumindest als externe Vielfalt im Zusammenspiel von zwei bis drei Zeitungen zu leisten. Auch unterschiedliche Quellen, Stile, Genres werden genutzt. Aber dies ist für die Erfüllung des Kriteri-ums Vielfalt nicht ausreichend. Das Hauptproblem für den unabhängigen Journa-lismus besteht im Zugang. An dieser Stelle sei wieder die Kapitelüberschrift ins Gedächtnis gerufen: „Öffentlichkeit in Belarus? Access denied!“ Die Machthaber verstanden es, den Journalisten nicht nur den Zugang zu staatlichen Stellen per Anordnung zu verweigern, oder den Einlass zu Pressekonferenzen des Präsidenten zu verwehren, sondern ihnen darüber hinaus auch den Zugang zum Markt und damit zum Publikum zu erschweren. Das gesellschaftliche „Supersystem“ Politik wurde unter neuen Vorzeichen wiederhergestellt. Was der unabhängige Journalis-mus heute noch resp. wieder leistet, heißt Zweite oder Gegenöffentlichkeit. Noch arbei-ten alle Redaktionen der unabhängigen Zeitungen überirdisch. Aber dass man sie nur noch entweder im Internet oder in der Unterführung bekommen kann, nicht mehr am Zeitungskiosk, nicht als normales Abonnement über die Post, dass sie im Ausland gedruckt werden (müssen), erweckt schon den Eindruck von Untergrund-journalismus. Wenn sich diese Tendenz noch weiter verstärkt, produzieren die Redaktionen der unabhängigen Zeitungen bald nur noch Kleinstauflagen für En-thusiasten, die diese weiterverteilen, oder Internetausgaben, als eine Art moderner Samizdat. Die Rezipienten haben heute kaum noch eine Chance, an die Informatio-nen zu gelangen. Eine kritische Öffentlichkeit funktioniert zunehmend ausschließ-lich über Online-Zeitungen, Weblogs oder andere Kommunikationsmöglichkeiten im Internet. Dieser Trend hat sich in den vergangenen fünf Jahren verstärkt.

Damit wird die im Analysemodell geforderte die Zugangspluralität und -offenheit nicht erreicht, wodurch Richtungspolitische Pluralität (Vielfalt von Informationsmög-lichkeiten) und auch die Kommunikative Rückkopplung in Mitleidenschaft gezogen wird. Es zeigt sich an diesem Beispiel, dass alle vier Indikatoren des für das Trans-formationsziel angesetzten Kriteriums Vielfalt erreicht werden müssen, da sie von-einander abhängig sind. Am Beispiel Belarus konnte aber auch gezeigt werden, dass das im theoretischen Teil entworfene Analysemodell in der Lage ist, Entwicklungen zu identifizieren, die einem Erreichen des Transformationsziels entgegenstehen. Im Rückschluss auf die theoretischen Grundlagen konnte so angezeigt werden, an welcher Stelle des belarussischen Transformationsprozesses Fehlentwicklungen entstanden, und wie sie sich auswirkten. Durch die Analyse der Struktur- und Ak-teurebenen im Zusammenspiel mit der für die kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung außerordentlichen Auswertung der Presseinhalte konn-ten journalismus- und somit öffentlichkeitsspezifische Veränderungen systematisch untersucht, beschrieben, im Zusammenhang mit den gesamtgesellschaftlichen Ver-änderungen erklärt und letztlich evaluiert werden.

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Schlussakkord in Moll

Zum Abschluss sollen rückblickend beide Teile dieser Arbeit bewertet werden. Zu fragen ist zum einen, ob sich das theoretische Modell bewährt hat und zum ande-ren, welche Schlüsse aus dem empirischen Teil gezogen werden können. Diese Rückschlüsse ergeben sich auf zwei Ebenen, die vor allem den Blick nach vorne schärfen sollen. Einerseits zeigen die Forschungsergebnisse des empirischen Teils Stand, Entwicklung, Stärken und Schwächen der belarussischen Presse auf. Auf Grundlage dieser Ergebnisse können sich weitere Analysen zur belarussischen Öf-fentlichkeit anschließen. Die Informationen können aber beispielsweise auch als Ausgangspunkt genutzt werden, gezielt die Unabhängigkeit und Vielfalt des belarus-sischen Mediensystems zu unterstützen. Andererseits sind Schlüsse auch theoretischer Natur. So gilt es zu überdenken, was bei zukünftigen Studien verbessert werden könnte, sowohl in der Theorie als auch in der Empirie einer kommunikationswis-senschaftlichen Transformationsforschung. Die wichtigsten Ergebnisse und Über-legungen dieser Arbeit folgen nunmehr in Thesenform. Theoretische Vorüberlegungen 1. Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung verfolgt andere Ziele als die Bestrebungen aus Soziologie und Politikwissenschaft. Untersuchungsge-genstand einer kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung ist Öffentlichkeit. Dazu gehört u. a. Journalismus und somit auch die Untersuchung der meist ver-nachlässigten journalistischen Erzeugnisse. 2. Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung sieht die Zielstellung des Entwick-lungsprozesses der Öffentlichkeit im Gradmesser Vielfalt/Pluralismus. Im Bereich der Be-richterstattung gilt es, zwischen externer und interner Vielfalt zu trennen. Die for-male politische Unabhängigkeit ist lediglich Grundvoraussetzung für den gesell-schaftlichen Wandel und die Erreichung des Ziels Vielfalt. 3. Transformationsprozesse lassen sich kaum aus einer einzigen theoretischen Per-spektive (Mikro- oder Makroperspektive) abbilden. Analog zur politologisch-soziologischen Transformationsforschung können Institutionen – im Zuge einer gewissen Pragma-tik – als missing link zwischen beiden Theorieoptionen fungieren. So lassen sich sowohl

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274 Schlussakkord in Moll

Handlungen von (Einzel-)Akteuren/Eliten als auch die gesamtgesellschaftliche Entwicklung nachzeichnen. Entwurf eines Analysemodells

4. Die Stärke des entworfenen Modells liegt in der Hilfestellung für Forscher, eine systematische, umfassende Untersuchung von Transformationsprozessen zu leisten. So werden nicht nur politikrelevante Einzelaspekte beleuchtet, sondern auch Gesetze, Gerichtsentschei-dungen, politische Imperative usw., aber auch und vor allem die journalistische Berichterstattung und Rolle berücksichtigt. 5. Das skizzierte Modell offenbart eine Schwäche in der empirischen Umsetzung. Die für die präzise Umsetzung notwendigen Kapazitäten sind kaum zu erreichen, bzw. sind benötigte Datensätze aus den unterschiedlichen Transformationsperioden nicht vorhanden. Diese Aussage besitzt schon für die Betrachtung lediglich eines Einzel-staates Gültigkeit, von einer komparativen Untersuchungsanlage ganz abgesehen. Dieser Mangel ergibt sich m. E. auch aus dem Umstand eines erforderlichen explorativen/ quali-tativen Vorgehens, da hierfür bislang kaum Studien vorliegen, die den Ansprüchen einer aus-drücklich kommunikationswissenschaftlichen Transformationsforschung gerecht werden. 6. Die Analyse der Veränderungen in der Berichterstattung und ihrer Entwicklung ist ein No-vum (nicht in der Kommunikationswissenschaft, aber) in der kommunikationswissen-schaftlichen Transformationsforschung, wo Zeitungsartikel bislang – ebenso wie in der Politikwissenschaft – hauptsächlich zum Nachweis von Ereignissen herangezogen wurden. Die sehr ausführlich dargestellte Diskussion der journalistischen Inhalte kann sicherlich in zukünftigen Studien präzisiert werden, und auf der Grundlage mehrerer qualitativer Studien eine stärker quantitativ geprägte Form der Analyse hervorbringen, die nachvollziehbar und aussagekräftig die Veränderungen in diesem Bereich belegt. Transformation der Öffentlichkeit in Belarus

7. Für Belarus konnte gezeigt werden, dass sich bereits in einer ersten Phase der Liberalisierung eine inhaltliche Vielfalt, vor allem eine richtungspolitische und Meinungsvielfalt herausgebildet hat, die bis heute gewährleistet wird. Zudem wurden unterschiedliche sprachliche Niveaus festgestellt, so dass potenziell von einer inhaltlichen Vielfalt auszugehen ist, die sich jedoch nur als externe Vielfalt vollzieht, d.h. als eine Vielfalt, die sich erst in der Zusammenschau mehrer Publikationen ergibt.

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Schlussakkord in Moll 275

8. Insgesamt lässt sich aber nicht von einer Vielfalt in der belarussischen Öffentlichkeit sprechen, da der Zugang zur Öffentlichkeit nicht gewährleistet ist bzw. seit 1994 durch politische und recht-liche Institutionen erheblich und zunehmend erschwert wird. Dies gilt sowohl für die Kom-munikatoren (etwa Journalisten) als auch für die Adressaten/Rezipienten (also das Publikum). Dies offenbart sich allein schon bei der Betrachtung der Auflagestärke der Einzelmedien. Schließt man noch die Tatsache mit ein, dass in den vergangen drei Jahren die wichtigsten unabhängigen Zeitungen nach und nach aus dem staatli-chen Distributionssystem ausgeschlossen wurden, wird deutlich, dass diese poten-zielle Vielfalt nur für die wenigsten zu erreichen ist, da die Adressaten schlichtweg nicht erreicht werden. Höhere Abgabepreise für private, Zwangsabonnements für staatliche Zeitungen, aber auch politisches Desinteresse in Folge einer über zehn Jahre währenden politischen Alleinherrschaft haben weiteren negativen Einfluss auf diese Tatsache. Der staatlich dominierte Rundfunk trägt nur wenig zur Vielfalt bei. 9. Die Unterstützung, welche die belarussische Öffentlichkeit dringend benötigt ist somit weniger in einer fehlenden Professionalisierung oder in einer fehlenden intel-lektuellen Elite zu sehen. Die größten Probleme sind durch politische Imperative ausgelöste ökonomische Restriktionen. Es fehlt vor allem an privatwirtschaftlichen Druckkapazitä-ten im Inland, einem eigenen Distributionssystem und privatwirtschaftlichen Wer-bepartnern. Diese Mängel können jedoch wahrscheinlich erst behoben werden, wenn dies die Machthaber zulassen, und sich sowohl die politischen (zu Demokrati-sierung) als auch wirtschaftlichen Ziele (zu Privatisierung) ändern. 10. Die Professionalisierung und Ausbildung hat sich (an der Belarussischen Staatsuniversität) seit der Unabhängigkeit kaum weiterentwickelt. Viele Quereinsteiger prägen das Bild. Einige erlernen das Handwerk auch im Ausland oder durch in Belarus tätige Nicht-regierungsorganisationen. Um die Vielfalt zu steigern, wird es notwendig sein, auf eine interne Vielfalt überzugehen, die innerhalb eines Blattes unterschiedliche Positionen stärker hervorhebt. Die bislang häufig vernachlässigten journalistischen Standards eines erweiterten Recherchehintergrunds und einer Trennung zwischen Nachricht und Kommentar werden an vielen Stellen erst noch entwickelt werden müssen. 11. Die journalistische Berichterstattung ist in den vergangenen Jahren weniger kritisch geworden; vor allem die offensiv-kritische Haltung gegenüber dem Präsidenten hat abgenommen. Eine Ursa-che für diese aktuelle Tendenz ist in der fehlenden Rechtssicherheit zu sehen. Die Gerichte entscheiden des Öfteren entgegen der Gesetzeslage und fordern überhöhte Geld-strafen, die einer Schließung der Zeitungen gleichkommen. Im Vergleich zur deut-schen Politikberichterstattung harmlose Kritik an der Regierung zieht Anklagen oder zumindest Verwarnungen nach sich. Der Paragraph 368 des Strafgesetzbuches (Beleidigung des Präsidenten der Republik Belarus) wird seit seiner Einführung maßgeblich genutzt, die unabhängigen Zeitungen zu schädigen.

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276 Schlussakkord in Moll

12. Diese quasi-juristischen, politisch motivierten Imperative führen zu Selbstzensur bzw. „struk-tureller Zensur“ bei beiden vorherrschenden Journalistenkulturen, sowohl bei der unabhängigen als auch bei der staatlichen Presse. Wenngleich keiner der Journalisten eine Selbstzensur wahrhaben will und alle vorgeben, das zu schreiben, was sie wollen, ist eine Verän-derung bemerkbar. Die Konsequenzen von zehn Jahren zunehmender Repressio-nen sind deutlich zu spüren. Dies ist m. E. zudem ein Grund, warum des Öfteren in Artikeln Nachricht und Meinung nicht getrennt, Quellen und Autor nicht genannt werden. Kurzum: Vieles bleibt nicht nachvollziehbar, und man bleibt weiterhin gezwungen, zwischen den Zeilen zu lesen. 13. Die Spaltung der journalistischen Riege beginnt kurz nach dem Amtsantritt Lukaš�nkas. Nachdem die unabhängige Presse den Kandidaten weitgehend unterstützt hatte, wurde sie alsbald nach dessen Wahlerfolg sein Opfer. Nachdem im Zeitraum 1994 bis 1996 die Medienordnung grundlegend verändert wurde, Artikel zensiert wurden etc. formierte sich aus Protest ein zweiter Journalistenverband. Die Gründung der Belaruskaja Asacyjacyja Žurnalista� ist folglich Ausdruck dieser Entwicklung. Seit-her har sich diese Differenz gehalten bzw. zugenommen. 14. Die politisch-kämpferische Berichterstattung erlebt ihren Höhepunkt vor und zur Abstim-mung über das Referendum 1996. Zwar gab es bereits in den anderthalb Jahren zuvor viele negative Erlebnisse für die unabhängigen Journalisten/Redaktionen, aber durch die Einführung der Veränderungen im Mediengesetz ab 1997 mussten die unabhängigen Journalisten ihren Ton gegenüber den Machthabern zügeln, um nicht eine Anklage zur riskieren oder eine Rüge durch das Informationsministerium. 15. Neben allgemein gültigen juristischen und politischen Regeln unterscheiden sich die Institutio-nen des Journalismus entsprechend der Auffassung der journalistischen Leistung bei staatlichen und unabhängigen Organisation bzw. ihren Rollenträgern. Während staatliche Redaktionen sich in direkter Abhängigkeit der Machthaber befinden, und immer noch bzw. wie-der die politischen Leitlinien und Erfolge programmatisch vermitteln, setzen vom Staat unabhängige Organisationen der Öffentlichkeit auf Werte nach „westlichem Vorbild“. Unabhängigkeit und Objektivität werden dort genannt, wenngleich jede Redaktion scheinbar ihre eigene politische Wertsetzung vollzogen hat. Die internen Regeln und Mechanismen lassen sich dann etwa an der richtungspolitischen Aus-richtungen der jeweiligen Publikation ablesen, von staatstreu über neutral (mit ho-hem oder lockerem Sprachstil) bis zu oppositionell (mit mehr oder weniger nationa-listischem Impetus). 16. Die Rolle des Journalismus im Transformationsprozess ist je nach Phase resp. Sequenz unter-schiedlich: In der Prä-Transformationsphase mit den Funden der Massengräber von Kurapaty, den damit verbundenen Protesten, und durch die Veröffentlichung der

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Schlussakkord in Moll 277

Ergebnisse der Ausgrabungen in der Zeitschrift Literatura i Mastacva wird deutlich, dass die Öffentlichkeit und vor allem die unabhängigen journalistischen Erzeugnis-se, welche die Informationen einem breiten Publikum zugänglich machten, in Ver-bindung mit einer erstarkten Zivilgesellschaft den politischen Transformationspro-zess mit prägten. Insgesamt jedoch bleibt das Gros der Bevölkerung träge. Größere Protestbewegungen gibt es kaum. Trotzdem spielte dieses Ereignis eine große Rolle, zumindest im Selbstbild der Belarussen. Und die ersten unabhängig funktionieren-den Publikationen jener Zeit fungieren zumindest im Kleinen als Transformations-beschleuniger.

Erst im Herbst 1991, wohlgemerkt nach dem Putsch in Moskau, kommt es zu einer Demonstration für Unabhängigkeit, woraufhin die (bereits über ein Jahr alte) Unabhängigkeitserklärung einen neuen Stellenwert bekommt. In diesem Zeitraum kann man den Beginn der Transformation ansiedeln. In dieser ersten Phase der Transformation lässt sich eine Liberalisierung feststellen, und eine zunehmende Verwendung nationaler Symbole und der belarussischen Sprache. Die Trennung zwischen staatlicher und unabhängiger Presse ist kaum vorhanden. Gemeinsam ist man bestrebt, den Journalismus peu à peu zu verändern. Bei den ersten Präsident-schaftswahlen 1994 unterstützen die unabhängigen Zeitungen sehr stark den Her-ausforderer Lukaš�nka mit seiner Antikorruptionsprogrammatik. Bekanntermaßen gewann dieser auch die Wahl. In diesem Sinne waren die Journalisten und ihre Be-richterstattung Transformationsmotor, selbst wenn die unabhängigen Zeitungen vom späteren Präsidenten für ihren Einsatz nicht belohnt wurden. Die Phase der Liberalisierung endet kurz nach dem Amtsantritt.

Von 1994 bis 1996 beginnt eine Phase der politisch-öffentlichen Auseinander-setzung. Den Höhepunkt bildet das Referendum 1996, bei dem alle unabhängigen Publikationen, den vorangegangen bzw. aktuellen Repressionen zum Trotz, den Präsidenten und seine politischen Pläne scharf angreifen. Mit dem Ergebnis des Plebiszits und den ersten Folgen endet diese Phase, was gleichbedeutend mit dem Ende des politischen Transformationsprozesses ist, sofern man Demokratie, Marktwirtschaft, Vielfalt als Ziele dieses Prozesses ansetzt. Das „institutionelle Setting“ hat der Bewährungsprobe nicht standgehalten.

Ab 1996 herrscht nun endgültig eine Phase der Zweiteilung der Öffentlichkeit vor: Staatliche Organisationen wurden „auf Linie“ der Präsidentenadministration gebracht. Die unabhängigen Organisationen, darunter die Zeitungen kämpfen wei-ter für Vielfalt, Pluralismus, Demokratie, Unabhängigkeit. Dieser Transformations-„Restposten“ erleidet zunehmend Repressionen und schwindet. Die strukturellen Zwänge führten zur Ausbildung unterschiedlicher Rollenauffassungen, Institutionen und Berichterstattung. Diese Phase bildet keine eigentliche Transformationsstufe mehr, gleichwohl sie sich noch weiter unterteilen ließe.

So bleibt heute die Frage, ob dieser „Auflagen-Restposten“ unabhängiger Zei-tungen nur noch ein Überbleibsel der gescheiterten Transformation darstellt. Oder

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278 Schlussakkord in Moll

lassen sich die wenigen verbliebenen unabhängigen Zeitungen bereits jetzt als Un-tergrund, als Samizdat, als Gegenöffentlichkeit für die Entstehung eines neuen Transformationsanlaufs lesen, bei dem die belarussischen Journalisten der unabhän-gigen Publikationen zum Transformationsmotor avancieren? Dies wird man in einer Phase nach Lukaš�nka beobachten können. 17. Insgesamt lassen sich für die Öffentlichkeit, zumindest aber für den Journalismus in Belarus, ähnliche Phasen annehmen wie für die politische Transformation. Wobei auch hier, ebenso wie in der politischen und ökonomischen Entwicklung, der Wendepunkt im Zeit-raum 1995/1996 zu sehen ist. Der Grund dafür ist in dem fortwährenden Einfluss des „Supersystems“ Politik zu sehen, unter dessen Primat die Gesellschaft nach wie vor steht. Es ist in Belarus nicht gelungen, ein autonomes Öffentlichkeitssystem zu etablieren, das seine gesellschaftliche Funktion in Gänze erfüllen kann; der Journa-lismus erbringt seine Leistung nur teilweise. Nach 16 Jahren der „Transformation“ ist das heutige Belarus fast wieder an seiner Ausgangssituation angelangt und befin-det sich vielleicht schon wieder in einer erneuten Phase der Prä-Transformation, die zu einem Wechsel von einem auto- zu einem demokratischen System führt. Ergo: Die Kommunikationswissenschaftliche Transformationsforschung erhält durch die vorliegende Arbeit sicherlich – so die Hoffnung des Autors – einen Im-puls, der die theoretische aber auch empirische Diskussion bereichert, im Sinne auch der Forderungen von Hribal (vgl. 2003: 59) oder Coman (vgl. 2000: 55). Theo-retisch gilt es, die Ergebnisse zu Belarus als Beispiel einer wenig erfolgreichen Transformation zu nutzen, um Transformationsverläufe und –abschlüsse anderer Transformationsfälle eindeutiger zu beschreiben. In der empirischen Umsetzung des vorgestellten Analysemodells wurden gleichwohl Schwächen deutlich, die für zukünftige Diskussionen lohnenswert erscheinen.

Das Fallbeispiel Belarus erfuhr durch vorliegende Arbeit eine erste grundle-gende Aufarbeitung der Transformation des Journalismus. Und am besten be-schreibt man Fazit und Ausblick dieses Transformationsprozesses mit dem für belarussische Journalisten typisch zynischen Optimismus, den auch der Medien-rechtler Bastunec (2003: 28) beim Journalisten entdeckt:

«�<# �@�<#�\#�#, ��� � @<�� � ‚���# %<� #� �< ���?’ @�<#���� ����\��^>: ‚~��}� �#. {���<# \� @�@��}� �, �� �@�<# \� ^�@���� �’…»

Solch ein Optimismus, dass er auf die Frage „Wie war das letzte Jahr?“ notgedrungen antwor-tet: „Mittelmäßig. Schlechter als das vorherige, aber besser als das jetzige…“

Und so bleibt neben der nüchternen Beschreibung und Bewertung des Transforma-tionsprozesses rückblickend und auch in Bezug auf die Zukunft der Öffentlichkeit in Belarus ein „Schlussakkord in Moll“.

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292 Literatur- und Quellenverzeichnis

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Literatur- und Quellenverzeichnis 293

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������>. ���^��� � ��#� �*. ������.

Page 284: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang

Übersicht 1. Transliterationstabelle Belarussisch/Russisch .............................................. 296 2. Interviewleitfaden ............................................................................................. 297 3. Interviewpartner ................................................................................................ 298 4. Augewählte Artikel der Inhaltsanalyse ........................................................... 299 5. Fragen und Ergebnisse des Referendums 1996 ........................................... 322 6. Aufruf der Redaktion der Sovetskaja Belorussija

vom 27.08.1991: „An unsere Leser“ .............................................................. 322

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296 Anhang

1. Transliterationsliste für Belarussisch/Russisch

Belarussisch Russisch Transliteration Deutsche

Umschrift � � A a A a � % � % B b B b � � � � V v W w { � H h H h

{ � G g G g � �

(�" �") (�\ �\)

� � D d D d

� � � � E e E e/ Je, je ® � ® � Jo jo O o/ Jo o

� " � " Ž ž Sh sh � \ � \ Z z S s I i �� I i I i

¨ ' ¨ ' J j I i/ J j � � � � K k K k � � L l L l � # � # M m M m = = N n N n � � � � O o O o � @ � @ P p P p | � | � R r R r ~ � ~ � S s S s/ ss/ ß � � � � T t T t � � � � U u U u ª � ´ � ´ � � � � � F f F f ¢ * ¢ * Ch ch Ch ch ­ ^ ­ ^ C c Z z § � § � � � Tsch tsch

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` ’’ unbezeichnet < < y y > > ’ unbezeichnet

£ } £ } © � E e ¤ Y ¤ Y Ju ju Ju ju � � � � Ja ja Ja ja

’ ’’ unbezeichnet

Page 286: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 297

2. Interviewleitfaden

Russische Fassung 1. ��� ���_��������� �%��� �� "�� ������ � �\#� ���> � }�� �����#� � @���%���� ��#

���� �' �\�����#����? �����< ������ � ��%��� #���<* "�� ������ � "�� ������ �������� @���� ��? [��� �< �%�����> }��' @�����c��?

2. �@�����, @�"��'���, @����� �� �Y ��%��� "�� ������: ��� �< �*����� ����� ��� � ���#�^��? ��� �@�����Y��� ��#<? � ���#�^�Y ����* ��� ���� �< ��@�>\����? ��� @��*���� �%��"�� �� � �����^��? [|�����"���, � ����#� @��%�#�#� �������Y��� "�� ����< � @����� �� �' ��%���?]

3. ��� "�� �����# ������� �<\���> ��������Y @� ��' �� � �' ��#� �� �<��\��> �������? 4. ��� �� � �������� ���� ��\���? ��� ���%_� �� � ����Y��� %��������� ��\��<? 5. �����<, � ��� �\���, �� �� <� ^�� "�� ������� � �%_�# � � ������� � ���� ����?

[������, @�-����#�, ��> ������ �������� ��� «@Y���\#»?] 6. �\#� ���> � }�� ^��? ��� ��, ����� � @���#�? 7. �@�����, @�"��'���, ��> ~�� �� "�� ������� � %��������# �%_�����. � ����'

���@� � ��" � ����������� �#������>�� � ��%��� "�� ������ � ^�>Y ��������� ��? 8. ~�_�������� � �� �� � ���> � ��'��� ������ ������� "�� ������ � @������#�? 9. ����# �%��\�# \�����<������ �������, � ��� ( � �" � �#� , �\����� ��>�� ��" ����

�� �� �^��) %< �� ��� ��#<# ��" <#? �\#� ���> � }�� �� ��� ��? [� ����' ���@� � @���������� @����� �� ���"� �� @<��Y��� ��� ��> "�� ������ � ���Y ����� �?]

10. ����� �' ��@���: �����<, � ��� �\���, �� �� <� @���� < „@�����“ %��������' ��� ����#�^�� – ���%_� � � ����� \�� �� "�� �������?

Deutsche Fassung 11. Wie werden Journalisten ausgebildet und hat sich die Ausbildung der Journalisten verändert? Wie

unterscheidet sich die Arbeitsweise jüngerer und älterer Journalisten? [bei Journalisten: Wie haben Sie den Beruf erlernt?]

12. Beschreiben Sie bitte die Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten im Alltag: Wie kommen Sie an Quellen? Wie finden Sie Themen? Welche Agenturen nutzen Sie? Wie verlaufen Redaktionstref-fen? [möglicher Zusatz: Beschreiben Sie die Probleme der Journalisten in der täglichen Arbeit.]

13. Wie wird ein Ereignis thematisiert oder versucht, Kritik zu üben? 14. Wie finanziert Sich Ihre Zeitungen (bei Journalisten) bzw. Wie finanzieren sich Zeitungen generell

in Belarus’? 15. Worin sehen Sie die zentralen Werte oder die Ziele des Journalismus in Belarus’ oder generell?

[mögliche Zusatzfrage: Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach das Kriterium Vielfalt bzw. Plurali-tät]

16. Haben sich diese Ziele verändert und wenn ja, wann und warum? 17. [Beschreiben Sie bitte die Rolle der Medien oder des Journalismus in der belarussischen Gesell-

schaft?] --- Inwieweit sollte der Staat regulierend eingreifen? 18. Gab oder gibt es eine Art Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Politikern? 19. Wie wird eine Vertrauensbasis hergestellt und welche Personen waren für Sie am wichtigsten

(keine Namen, nur in der Funktion)? Haben sich die Beziehungen verändert? [mögliche Zusatzfra-ge: Inwieweit nutzten die Parteien, Bewegungen die Journalisten für sich zu gewinnen)

20. Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptgründe für das viel zitierte „Scheitern“ der Transformati-on in Belarus’? Im Allgemeinen und für den Journalismus?

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298 Anhang

3. Interviewpartner

Name (Datum des Interviews), Funktion zum Zeitpunkt des Interviews Spielhagen, Dr. Edith (20.06.05), Leiterin der Medienakademie der Internationalen Bildungs- und Begeg-

nungsstätte (IBB) „Johannes Rau“ in Minsk. Daracha�, ´ladzimir (28.06.05), Korrespondent der Deutschen Welle in Minsk, Mitarbeiter am Indepen-

dent Institute for Social-Economical and Political Studies IISEPS, Stipendiat der Deutsch-Belarussischen Gesellschaft.

Parfenca�, Aljaksandr (28.06.05), Vorsitzender der „Information Development Promotion Foundation“, Member of Internews International.

Heyken, Dr. Eberhard (29.06.05), Botschafter der OSZE-Mission in Minsk (2003-2005) Lic’vina, Žanna (29.06.05/08.07.05), Vorsitzende des Journalistenverbandes BAŽ. Krivalap, Aleksej (01.07.05), Redakteur der Belarusskaja Gazeta (hauptsächlich: Medienpolitik), promo-

viert zum Rundfunksystem der Republik Belarus. Atraš�anka�, Aljaksandr (04.07.05), Presse-Referent der Organisation ZUBR (���|) Mel’nika�, Dr. ©duard (08.07.05), Stellvertretender Vorsitzender des Journalistenverbandes BAŽ ,

Jahrgang 1951, 1972-1978 Redakteur und 1978-1986 Stellvertretender Programmdirektor des Bela-russischen Fernsehens, 1982 Promotion in Leningrad (St.Petersburg), 1986-1991 Dozent an der Fakultät für Politologie und Soziale Verwaltung, 1991-1991 Leiter der filmproduzierenden Organi-sationen, 1992-1994 (Stellvertretender) Programmdirektor des Belarussischen Fernsehens, stellver-tretender Präsident des staatlichen Rundfunkkomitees, 1995-1999 Leiter des Pressedienstes der Exekutive der GUS, 1999-2000 Generaldirektor der Aktiengesellschaft „Belorusskaja Delovaja Gazeta“, seit 2000 Vize-Präsident des belarussischen Journalistenverbandes „Belarusian Associati-on of Journalists.

Chadaso�ski, Vja�asla� (11.07.05), Chefredakteur „���������' |< ��“ (Belarusskij Rynok“), Jahrgang 1947, 1969-1970 Redakteur der Regionalzeitung „Svjatlo Kamunizma“ (Die Welt des Kommunis-mus), 1970-1978 Redakteur der Zeitung „Golas Radzimy“ (Stimme der Heimat), 1978-1982 Stell-vertretender Chefredakteur der Nachrichtenagentur BelTA, 1982-1995 Korrespondent der Agen-tur APN (RIA „Izvestija“) in Belarus, seit 1990 Chefredakteur der Wochenzeitung „Belarusskij Rynok“ (Belarussischer Markt), seit 1997 Generaldirektor der Aktiengesellschaft „Belarusskij Ry-nok“ (vgl. Fedosov 1999: 267).

Ždanko, Valjancin (12.07.05), Leiter von RFE/RL „|��<� ~��%���“ in Minsk. Kudrycki, Ales’ (03.08.05), Redakteur „=��� =i��“, studierte Journalistik an der Belarussischen Staats-

universität Minsk und der Friedrich-Schiller-Universität Jena, war Redakteur beim staatlichen Fernsehsender BT, arbeitet seit 1997 unregelmäßig als Redakteur für die „Naša Niva“, 2005/2006 Stipendiat der Robert-Bosch-Stiftung.

Marca�, Pjotr (16.08.05), Chefredakteur „��o������� ������ ��\���“ („Belorusskaja Delovaja Gaze-ta“), Besitzer und Gründer des Verlags „MARAT“, Jahrgang 1962, von 1987 bis 1989, Korres-pondent und Redakteur von BelTA, 1989-1990 Magazin „Parus“, 1990-1993 Korrespondent der russischen Tageszeitung „Kommersant’“, seit 1997 Präsident der Aktiengesellschaft „Belorusskaja Delovaja Gazeta“, Produzent und einer der Autoren des Dokumentarfilms “Obyknovennyj prezi-dent“ (Ein gewöhnlicher Präsident) (vgl. Fedosov 1999: 182).

Sjar�dzi�, Jusif (22.08.05), Chefredakteur „=���� �� ���“ („Narodnaja Volja“), Jahrgang 1949, 1978-1982 Stellvertretender und 1984-1990 erster stellvertretender Chefredakteur der „Sovietskaja Belo-russija“, 1990-1995 Chefredakteur der „Narodnaja Gazeta“, von 1990-1995 Abgeordneter im 12. Parlament der Republik Belarus, seit 1995 Chefredakteur der „Narodnaja Volja“ (vgl. Fedosov 1999: 237f.).

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Anhang 299

4. Ausgewählte Artikel der Inhaltsanalyse

Stichprobe 1: Berichterstattung zur Unabhängigkeit

���������' |< �� Nr. 3 1991(August) 1. ��' � \��� �� � _���� �����. (nas obrasoavtel), S. 1

Der Gesetzeskrieg verschont niemanden (Unser Reporter) 2. ~�Y\ <' �������. „�"� @���#��“, S. 2

Unionsvertrag. „Schon erledigt“ 3. {��%� � – ��� <' ��>����#� �����!, S. 9

Staatsbank ist der Hauptgeldfälscher! Nr. 4 1991 (Sept.) 4. ������� ��%��: „� � *���� ��� ��> �� � ��%��...“ (���� �' {�����), S. 1/9

Vja�eslav Kebi�: „Sie wollen uns zur Leibeigenschaft zurückbringen... (Evgenij Gorelik) 5. ~@���' �� ���... �� 19 �������. (���� �� ���� ��), S. 1/5

Ruhiger Sommer... bis zum 19. August (Aleksandr Lu�enok), =��� =��� Nr.3 1991 (Okt) 6. „���� >“ (��^� a ~�@��), S. 1

„Herbst“ (Tacjana Sapa�) 7. =���� i @���<�� (~����' ��������), S. 3

Volk und Politik (Sjarhej Pa�lo�cki)

~�������� ��������� 13.08.1991 8. ���� �������' @���������*... (|. ��\��, ��#@����� ���������), S. 2

Sommer der politischen Leidenschaft (R. Buzuk, Kommunistische Partei Belarus) 16.08.1991 9. ����\� � ������������ %��%�? (�. {���/ �. ���@� ��); S. 1/2

Ist der ideologische Kampf verschwunden? (I. Galko/ I. Karpenko) 10. ������� � ��Y\� ������ <* ���������� (ohne Autor); S.2

Vertrag über die Gemeinschaft unabhängiger Staaten 17.08.1991 11. =�# �" � �������“ (~. ��� ���), S. 1

„Wir brauchen Zustimmung“ – der Vorsitzende des Oberstes Rates der BSSR N. I. Dementej unterschreibt den Unionsvertrag. (S. Ivanova)

20.08.1991 12. ����� �� ����������� ���*�� ��� ~����� ~~~| (= . ���>� ��), S. 1

Offizielle Erklärung des Vorsitzenden des Obersten Rates der UdSSR (= A. Luk’janov) 13. =��� �\�����> ��� (verschiedene Quellen), S. 2

Man muss alles abwegen 21.08.1991 14. �%��_� �� ��\�����#� ���*�� ��� ~����� ���������' ~~| � %��������#� �����; S.1

Rede des Präsidiums des Obersten Rates der Belarussischen SSR an das belarussische Volk. 15. �%��_� �� � �����_�#�� M����< (Meldung o. Autor), S. 1

Rede an die Werktätigen Moskaus. 16. ������� ���������� ����������� � "�� �����#� (�A~~), S. 1

Treffen der sowjetischen Führung mit Journalisten. (TASS) 17. =� ��� %<�> ���#�����#�. � ���� ���% ��� ���� � �����#� @�����������

�%��\��� ��. (�. �. ���������); S. 2

Page 289: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

300 Anhang

Man soll kein Formalist sein. Zum Beginn des Studienjahres der politischen Bildung 18. ~��� – � ����%�', S. 3

Das Wort ist kein Spatz 22.08.1991 19. ��������� ����> – � �*����... ( ����' ��#��� ��), S. 3

Wem die Macht schmeckt geht nicht weg... (Anatolij Lemešenok) 20. ����� ��� �� � 3 {���������� ��� ��#����� @� ���\�<��' �#� @��"� �Y � ~~~|

(=Autor), S. 3 Verordnung Nr. 3 des Staatlichen Krisenstab für Ausnahmesituationen in der UdSSR

21. ~��%_� �� {���������� ��� ��#����� @� ���\�<��' �#� @��"� �Y � ~~~| (-), S. 3 Mitteilung des Staatlichen Krisenstabs für Ausnahmesituationen in der UdSSR

22. ~��%_� �� ��#� �� �� �. �����< (=. �. ��� � ), S. 3 Mitteilung des Kommandanten der Stadt Moskau (H.V. Kalinin)

23.08.1991 23. =���� \�_��� ��#�����Y (����> {���� ), S. 1/3

Das Volk verteidigte die Demokratie (Igor’ Grišan) 24. ����� �� ���\��� �� ~~~| (�~~), S. 4

Offizielle Erklärung des Präsidenten der UdSSR (TASS) 25. ����� �� ~����������� ­� ��~ (=Autor), S. 1

Offizielle Erklärung des Sekretariats des ZK der KPSS 26. � ���\����#� ~����� ������^�� @�����Y\�� ���������, S. 1

Im Präsidium des belarussischen Gewerkschaftsbundes 27. � @��"� �� � ���� � (����. �~~) , S.1

Zur Situation im Land (TASS) 28. |���^�� � @����! (���), S. 1

Die Reaktion klappt nicht! (BelTA) 29. � @�����"�� \��� �' ����� (�~~); S. 3

Für die Unterstützung der gesetzlichen Macht (TASS) 30. =. =. ��#� ��': „=�" � ����> �<���< �\ ���>���� �@<��“ (¤. {������ ��), S. 3

N. N. Dementej: „Man muss die Konsequenzen aus dem bitteren Erfahrungen ziehen.“ (Ju. Gurtovenko) 24.08.1991 31. ���\ ���\��� �� ~~~|: �% ��#� � � ���� �����^�� <* ����� ���� �\������

����������� � @���������; S. 1 Ukaz des Präsidenten der UdSSR: Über den Wegfall nicht verfassungskonformer Akte der Organisatoren des Staatsstreiches.

32. ����� �� �. ~. {��%����� @� ��������#� ������� �Y 22 ������� 1991 ���� (=Autor), S. 1 Offizielle Erklärung von M. S. Gorba�ev im sowjetischen Fernsehen am 22. August 1991

33. ���� � @�%������' (����. |�~�~~), S. 1 Treffen der Sieger (Korrespondent ROSTASS)

34. =��%*���#�� �� ���> (TACC); S.1 Nötige Klarstellung (TASS)

24.08.1991 35. �����-�� ���� ^�� ���\��� �� ~~~| (?); S. 2

Pressekonferenz des Präsidenten der UdSSR 36. ��� � � ������� ����, ����*� � #�"����� (��*�� ��o���); S. 4

Drei Tage Fassungslosigkeit, Angst und Mut (Michail Tolo�ko) 37. � ������� 91-��... �� ¢�� ��� �����" <* � �' � ���'. (�. {���� ), S. 4

Im August 91... oder Chronik unruhiger Tage und Nächte (I. Grišan) 38. �%��_� �� � ���\��� �� |����� �. =. �>^� � (...); S. 4

Rede an den Präsidenten Russlands B. N. El’cin 27.08.1991

Page 290: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 301

39. =�\�����#���> – @���<� � %���_�� (����#�� {�� et al., @���#� ����� ����. ���), S. 1/2 Unabhängigkeit - Durchbruch in die Zukunft. (Vladimir Glod et al., Korrespondenten BelTA im Parla-ment)

40. � ���# �������#, S.1 An unsere Leser

41. ���_� �� � @���%��#� �����#� (TACC), S. 3 Abschied von den verstorbenen Helden (TASS)

42. ���>#� ��@����� (=. ��<"� �����', ��@���� �~~|), S. 3 Brief eines Abgeordneten (N. Kryžanovskij, Abgeordneter der BSSR)

43. � ������� 91-��... �� ¢�� ��� �����" <* � �' � ���'. (�. {���� ), S.4 Im August 91... oder Chronik unruhiger Tage und Nächte (I. Grišan)

28.08.1991 44. ���� �~~| .� @���� �� ������� \��� � ���*�� ��� ~����� �~~| � ����������� �#

������ ����� �~~| (~. ��������), S. 1 Gesetz der BSSR. Über die Annahme des Status des Geestzes des Obersten Sowjet der BSSR über die staatliche Unabhängigkeit der BSSR (S. Šuškevi�)

45. ���� �~~|. � ������<* �\#� � ��* � �����#� ���� �� ����������� ��� �~~| (~. ��������), S. 1 Gesetz der BSSR. Über einige Veränderungen im System der Staatsorgane (S. Šuškevi�)

46. ���� �~~|. � � ��� �� �\#� �' � ��@� � �' � �� �����^�Y �~~| (~. ��������), S.1 Gesetz der BSSR. Über die Aufnahme von Veränderungen und Zusätzen in die Verfassung der BSSR (S. Šuš-kevi�)

47. ����� �� (�. ��%�� et al.), S. 1 Offizielle Erklärung (V. Kebi� et al.)

48. �� ���� �����a'? (�. ���<�� ��), S. 2 Für wen gibt es Willkommensbrot? (I. Davydenko)

49. �\��� � „�\���“ (=. ��%����), S. 4 Meinung über „Meinung“ (N. Dubovik)

29.08.1991 50. ������ @����"� �� (-), S. 1

Erster Vorschlag (-) 51. ����> ������> @�����"�� (�. {���� ), , S. 1

Lass das Gewissen entscheiden (I. Grišan) 52. ����� @������# � @���� ���... (���), S.3

Der Bezirk unterwirft sich den Putschisten nicht... 53. ������� �����������' (-), S. 3

Führertreffen 54. � ����>Y |����'���#� �� (-); S. 3

Interview mit dem russländischen TV 55. �%��_� �� ~�Y\� ��� ������ |����� (TACC), S. 3

Rede/ Mitteilung der Union der Journalisten Russlands. (TASS) 56. ��#@�\���� ��� ~� � : „=�^�� ��\# � ��\��"�� �� – ��_� ����#����#<�“ (=.

�� ^����), S.4 Komponist Oleg Sonin: „Nationalismus und Wiedergeburt sind unvereinbare Dinge“ (N. Buncevi�)

30.08.1991 57. ����� ��� �� ���*�� ��� ~����� ���������' ~~|: � ����_�# #�#� �� (=Autor), S. 1

Verordnung des Obersten Sowjets der Belarussischen SSR: Über den Moment des Übergangs. 58. �. ��%�� � �<����, �� |���������� %<��Y� ��\ <� („Post-%\�^“), S. 1

V. Kebi� auf der Höhe, oder: Führer sind verschieden. („Post-Abzac“) 59. ��_�_� � � �\�����#���> \��� �#? (�. ��\��>, ����. ���), S. 3

Page 291: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

302 Anhang

Wird die Unabhängigkeit durch das Gesetz geschützt? ( L. Lasar’, Korr. BelTA) 31.08.1991 60. ����� ��� �� ���*�� ��� ~����� ���������' ~~|: �% �%��@��� �� @���������' �

}�� �#������' ��#�������> ���� ���������' ~~|. (=Autor), S. 1 Verordnung des Obersten Sowjets der Belarussischen SSR: Über die Sicherstellung der politischen und ökonomi-schen Selbstständigkeit der Belarussischen SSR

Stichprobe 2: Berichterstattung zum Referendum 1996

���������� ������ {�\��� 18.11.1996 61. «...��� "� %���� � ���� �' � � �#�?» (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), S.1/3

„...und was wird aus der Heimat und aus uns?“ (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij) 62. ���> � @� "�! (¡��� � ���#�^�� «��{»), S. 2

Nicht auf Lügen leben! (Ressort Information von „BDG“) 63. ��@�����# � #���� � }���� ( ���' ��*�����'), S. 2

Im Äther ist kein Platz für Abgeordnete (Andrej Machovskij) 64. ~���* @���"� �� ��> �� ����� ������� ( ���' ��*�����'/ �>�� ��#��������), S. 3

Die Angst vor der Niederlage ist stärker als die Stimme des Gewissens (Andrej Machovskij/ Ol’ga To-maševskaja)

65. ��"�� ���� <� �%Y����� �#��� < %�'���������> ������ ��# (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), S. 3 Internationale Beobachter beabsichtigen das Referendum zu boykottieren (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Ma-chovskij)

66. ������� ���� ����� � «=���� �� {�\���» @�@�����> \� ������ ( ���' ��*�����'), S. 4 Patriot Barankevi� und die „Narodnaja Gazeta“ büßen für Verleumdung (Andrej Machovskij)

67. ��� >��� �������� (���� �� ������), S. 5 Kleine Tragödien (Aleksandr Feduta)

21.11.1996 68. �#@��#� � – ���"�� @����� ��������< ( ���' ��*�����'), S. 1

Impeachment – Waffe gegen Diktatur (Andrej Machovskij) 69. ��>��� ������� � ������� >� (¡��� � ���#�^�� «��{»), S. 2

Vieles wird aus der Ferne sichtbar (Ressort Information von „BDG“) 70. �*�� � @��\��� �� «@�� ��@���#» � @���������< (¡��� � ���#�^�� «��{»), S. 2

Leibgarde des Präsidenten „unter den Fittichen“ der Staatsanwaltschaft (Ressort Information von „BDG“) 71. ������ #��� @��������� < �� �����^��' ( ���' ��*�����'/ �>�� ��#��������), S. 3

Die Bedingung des Friedens wird vom Gesetz diktiert (Andrej Machovskij/ Ol’ga Tomaševskaja) 71a. �������' ��*�� ����� (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), S. 3

Massenaustritte haben begonnen (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij) 72. ��\���� @�"�� |�'*����� (���� �� ������), S. 4 Es naht der Reichstagsbrand (Aleksandr Feduta) 73. ...��� ��� ��> � �<��� ������ (��� � ������^���), S. 4

...wo Menschen so frei atmen. (Irina Makoveckaja) 74. ����> <� «������<» ������� (¡��� � ���#�^�� «��{»), S. 4

Traurige „Rekorde“ in Belarus (Ressort Information von „BDG“) 75. =��<' %�� � (¤��' �����*����), S. 5

Neues Gleichgewicht (Jurij Drakochrust) 76. £��Y^�� «�@��� � <» (~����' ��>��), S. 14

Evolution “der Leibwache Ivan IV.” (Sergej Anis’ko) 25.11.1996 77. �@���� �� �*�� < ��� ������ �� �����^�� ��� �� ���� (�>�� ��#��������/ ���'

��*�����'), S. 1

Page 292: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 303

Steuerung der Sicherheit als Faktor der Verfassungskontrolle (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij) 78. ������� @�%��� ������ �� ( ���' ��*�����'), S. 1

Lukašenkos Pyrrhussieg (Andrej Machovskij) 79. �������� ���< � ��#��#��� (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), S. 3

Grausame Spiele um den Kompromiss (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij 80. ���������> ��� �� ����... (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), S. 3

Der schlechte Ruf geht voraus... (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij) 81. «~�����> ����\�� ��" �� ����� ����> ���...» (~���� � ���@�����), S. 4

„Das Gewissen ist bei weitem wichtiger als alles Übrige...“ (Svetlana Karpekova) 82. ����� *�"�, ��# ������ (���� �� �����a), S. 4

Besser schlechter als nie (Aleksandr Feduta) 28.11.1996 83. ���_� �� � ��%�� (�>�� ��#��������/ ���' ��*�����'), S. 1

Abschied im November (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij) 84. {����' – � �����': ��� ��� � @��������> ( ���' ��*�����'), S. 1

Stimm ab – stimm nicht ab: alles egal, du verlierst (Andrej Machovskij 85. ~��� <� �<%��< � ��@����� <# �� ��# ( ���' ��*�����'), S. 2

Seltsame Wahlen mit unbestimmtem Ende (Andrej Machovskij) 86. ���� � �� � ������ (¡��� � ���#�^�� «��{»), S. 2

Spiel auf ein Tor (Ressort Information von „BDG“) 87. |�����# @� @���#� �� ( ���' ��*�����'), S. 3

Requiem für das Parlament (Andrej Machovskij) 88. ��� ��� ����> � ��\��������� � %��������# @��\��� �� (�>�� ��#��������/ ���'

��*�����'), S. 3 Die Welt ist endgültig enttäuscht vom belarussischen Präsidenten (Ol’ga Tomaševskaja/ Andrej Machovskij)

89. ����� ���� �%Y����� @�@�����> \� Y%�@<����� ( ���' ��������), S. 4 Ukrainische Beobachter büßen für Neugierigkeit (Andrej Korsakov)

90. ����� ��%�>����� ������ �� (���� �� �����a), S. 4 Die Lehren des Novemberaufstandes (Aleksandr Feduta)

91. ��� #< – ���� {��%����. � ������ ��. (�%_����� <' ���� � @�����������' �������) (����' {������), S. 5 Wir sind alle die Kinder von Gorba�ev. Und Lukašenko. (Politische Führer im postsowjetischen Belarus) (Aleksej Garusov)

Page 293: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

304 Anhang

���������' |< �� Nr. 46, 17.-24.11 1996 £����^�� ����<* #������ �<����� ���\�� �\-@�� �� ���� Eskalation der Gewaltmethoden bringt die Krise außer Kontrolle 92. �~ �@������ � #�����#� ���%_�����, �@@�\�^�� �<*���� � ��^� (���>� �

��� ������), S. 1/2 VS (Oberster Sowjet) appelliert an die Weltgemeinschaft, Opposition geht auf die Straße (Tat’jana Kalinovska-ja)

93. ���� ��� ������ � ��� ���> (����# ���� ������), S. 3 Washington setzt auf Offenheit [Glasnost’] (Vadim Aleksandrovi�).

94. =�%Y����� @��%���� ����^��> � (���� �� {�>�����), S. 3 Beobachter kommen inoffiziell (Aleksandr Gal’kevi�)

Nr. 47, 25.11.-1.12. 1996 ��%��^�� ����< @��> � �����#� ����� %�\ @����������� Das Plebiszit eröffnete den Weg für ein System der Macht ohne Gegengewichte 95. ~������ ������ ������ ��#� (���Y� �<������'), S. 1/2

Auseinandersetzungen rund um das Referendum (Pavljuk Bykovskij) 96. ��@��� @������� ����%> @���<# (�#�� \�#��), S. 3

Der Kapitän verlässt das Schiff als Erster (Omer Azimov) 97. =��<� #���� �< � ���@� ��' � (¤��' ¥��^��), S. 4

Neue Marginalien an die Trope des Krieges (Jurij Š�evcov) 98. |�����: |�\<��<������ �� „� �����^��“, S. 5

Russland: Es spielt das Lot „Integration“. 99. ����@�: |����� ��# � @��\ �Y�, S. 5

Europa: Sie erkennen das Referendum nicht an. 100. ����@�: ~@���� � @�����?, S. 5

Europa: Als Passiva abgeschrieben 101. ��>�� – ����� � – �����: ������� �� ���� #������������' ����^�� , S. 5

Polen – Ukraine – Litauen: Warschau an der Spitze der friedensstiftenden Koalition. 102. �����\�_�� <� ���� �\�^��: �� �����^�Y @<��Y��� @�� ��> �\��� <#� ��������#�, S.

6 Rechtsschutzorganisationen: Man versucht durch ungesetzliche Mittel die Verfassung durchzusetzen.

103. ~�: ~����# # ��� �\`� ��, S. 6 USA: Zu viele Schäden

104. ��������@��# (���� �� ���� � ), S. 6 Postskriptum (Aleksandr Patunin)

105. ����� � �<��� �! (���Y� �<������'), S. 6 Geschickt gespielt! (Geschickt gemacht!) (Pavljuk Bykovskij)

106. ~�����< ��� @�%��, S. 20 Die Geheimnisse seines Erfolgs

107. �Y%��> @�� ���# ����#���, S. 20 Liebe unter der Mündung eines Maschinengewehrs

108. ~#��� �' ��\ � – %<�> „Ja“ zu Todesstrafe

Page 294: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 305

=���� �� ��� Nr. 103, November 1996 109. ~�#� ����^��', @���������> ���*�� ��� ~����� |��@�%���: ������> ����#� �@�� �

��������> \� @����� ���' �� �����^�� |��@�%��� ������>, @����"� <' @��\��� ��# (=Autor), S. 1 Semen Šareckij, Vorsitzender des Obersten Sowjets der Republik Belarus: Warum es gefährlich ist für den neuen, vom Präsidenten vorgeschlagenen Verfassungsentwurf zu stimmen.

110. ��� %< �< � ��������, � �� < � %Y��� �#� #���� %<�> \�#� � <... (���� ������), S. 1 Wie sie auch abstimmen, die Urnen mit den Wahlzetteln könnten ersetzt werden (Petr Kulakov)

111. ��� #� � „�\ �������“ (|������� ��'� �' ��\��<), S. 1 Wie man mich „vergewaltigte“ (Redakteur einer Regionalzeitung)

112. ����� � ������> ����> ����<# {���� � ^� ��� ����@<? ��, ��� ���� � ������ ��#� @�����"�� @��\��� ����' @����� �� �����^��. ����������> �� �����^�� ��� ���� �. {. ��*� � �������� � ��@���< �%�\������� ����= ����#��� ����>�����, S. 2 Ob sich Belarus wünscht ein zweites Haiti im Zentrum Europas zu werden? Ja, wenn das Volk beim Referendum den Gesetzesentwurf des Präsidenten unterstützt. Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts V. G. Tichinja antwor-tet auf die Fragen des Korrespondenten von BelaPAN (im Gespräch mit BelaPAN – Korrespondent) Vladimir Tret’jakov.

113. ��@<��� ��#��@��� ��? =� ����\<��'���>... (�� ��� �� ��\��), S. 2 Versuch der Selbstrettung? Sagen Sie nicht Nein... (Konstantin Kozlov)

114. �� �����^�� <' ��� ���� – @��\��� � ��#� �? (����� ��\��, -);, S. 2 Das Verfassungsgericht entscheidet und der Präsident hebt es auf? (Fedor Kozak, -)

Nr. 104, Nov. 1996 115. ~�#� ����� : ����� � �<#< �� %��������#� *���#� ���>�� ����� � ������ ��#�

(=Autor), S. 1 Semen Buk�in: Wird bei einem zustimmenden Referendum Rauch von den belarussischen Hütten aufsteigen?

116. ¤��' ��� >��': „����� @������� � ������ ��, ���%< � ��@�����> � ����� ��\ ���...“ (�����' ~����); S. 2 Jurij Belen’kij: „Mafia unterstützte Lukašenko, damit Poznjak nicht an die Macht kommen konnte...“ (Valerij Sedov)

Nr. 105, November 1996 fehlt Nr. 106, November 1996 �<�����# ������>! Wir retten Belarus! 117. �� ��>��� ����� ( ���' ���%� ^��), S. 1

Konvulsion der Macht (Andrej Jakobincev) 118. ��*�� §����> – ���� ��� ������ ��: „~����Y ��%*���#<# \�����> � #��#

���"�� �� @������#�' ��#� � ���� �' � � �� �' @������...“ (����� ��"�> <'), S. 1 Michail �igir’ an Aleksandr Lukašenko:„ Ich finde es unentbehrlich meine Kritik an der von Ihnen durchgeführ-ten Innen- und Außenpolitik zu äußern...“ (Fedor Kyžel’nyj)

119. {� ��\> ������� : ��#�'^�! (=Autor), S. 1/2 Henadz’ Bura�kin: Denken Sie!

120. ��� ��> �� �����^�Y ����\ ������ ��# – }�� ��� ��� � ��� @������> @������ �� �@���^�� �� ������ (-), S. 1 Die Verabschiedung der Verfassung durch das Referendum ist vergleichbar mit der Durchführung einer Operation druch eine Pflegerin.

121. =� �" � *���<# @���#, �#���� � @��\��� ��# @�������> ��%� ���� @� �#���' (�. ¢�#��), S. 2 Man sollte nicht durch eine weitere List zusammen mikt dem Präsidenten seine Vollmachten verlängern. (V. Chomi�)

122. =� {�����: �\�� ���� � ����^^� �� ��%#�"��� �' �<���������' ���<? (=Autor);, S. 2

Page 295: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

306 Anhang

Nil Gilevi�: Warum strebt er die unbegrenzte diktatorische Macht an? 123. �\ \��Y�� �� �� �^�� ���' ��#����� @� @������# �� �����^�� |��%�%��� ������>,

@����"� <# � ������ ��# @��\��� ��# . ������ �� � ����^��#� ���*�� ��� ~����� (=Autor), S. 2 Aus dem Abschlussbericht der Venezianischen Kommission über den Verfassungsentwurf der Republik Belarus, den sie Präsidenten A. Lukašenko und Fraktionen des Obersten Sowjets zum Referendum stellten.

Nr. 107, November 1996 fehlt Nr. 108, November 1996 ������ ^� � %��������' ��#���a���?.. Welchen Preis hat die Belarussische Demokratie? 124. ���' ���%� ^��: ���#� %�>��* � %�>���� @������>���� (=Autor), S. 1

Andrej Jakobincev: die Zeit der Großen und des großen Verrats. 125. ~����� �� �% �%_����� �-@���������' �����^�� � � �� �����^�� �' �����#� �

|��@�%��e ������> (������ ��, ����^��', ��*� �), S. 1 Abkommen über die allgemein-politische Situation und über die Verfassungsreform in der Republik Belarus (Lu-kašenko, Šareckij, Tichinja)

126. ���� ~��������: �����" <� � �@�� <� \��\��� %��>%< (=Autor), S. 1 Petr Sidovi�. Unruhiger und gefährlicher Zickzack-Kurs des Kampfes.

127. ����#�� ¤�� : ����# �#���>��! (=Autor), S. 2 Vladimir Judin: Wir werden lachen!

128. «~���#�» \����� ���� �� ������ �� @���#�-�� @�#����� \� �� >�� �����', ������', ��� �*... (����#�� {��);, S. 2 Aus irgendeinem Grund hilft Aleksandr Lukašenko „seinem“ Betrieb mit den Geldern von Ärzten, Lehrern, Mi-litärangehörigen... (Vladimir Glod)

Nr. 109, November 1996 129. =� ��#�i ������<, ��� \�\i��^> ����> ���� (���<� £'�#� �, ��� ��������), S. 1

Die Belarussen rechneten nicht damit, die ganze Welt zu verwundern (Maryja ©jsmant, Ivan Makalovi�) 130. � �@����* � \ �����... (����� =���'��), S. 1

Auf den Listen nicht aufgeführt (Marija Narejko) 131. � � «=���� �� ��\���» - � ���� ��� �����} �i, ������ «=���� �� ��\���» � ��� i��

¤ �<�� (���� ��������), S. 1 Eine „Narodnaja Gazeta“ für Aleksandr Lukaš�nka, eine andere für Leanid Jun�yka (Petr Maka��uk)

Nr. 110, November 1996 {��@��\i, ����<' ������> �� %��<! Herr, rette Belarus von dem Unglück! 132. ~�#� ����� : «�����<� ��� ���#� <�? ~�\>!» (=Autor), S. 1

Semen Buk�in: „Wer ist hier vorübergehend? Komm runter!“ 133. ����� �� ���������� �%`��� � �' ���"�� ���' @����� «�% �����* ������ ��#�»

(=Autor), S. 2 Mitteilung des politischen Rates der Vereinigten Bürgerpartei „Über die Ergebnisse des Referendums“.

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Anhang 307

Nr. 111, Dezember 1996 |����� ��# @����. =� @��� � ���# \� ��>�� @����� ��%��o'? Das Referendum ist vorbei. Ist es nicht an der Zeit, sich einfach wieder der Arbeit zuzuwenden? 134. ���^����� �#@��#� �� � ��������>. ����#�? (��� �������), S. 1

Das Impeachment-Verfahren kam nicht zustande. Warum? (Oleg Moskalev) 135. ~� � �����Y� *�� @������ �� ������ ��#� � ������� � ���%�� <#, �

�@�������<# (Ohne Autor), S. 1 Die USA glauben bei der Durchführung des Referendums in Belarus weder an Freiheit noch an Rechtmäßigkeit.

Nr. 112, Dezember 1996 136. �}���^<� ~����� ����@< \������ �����} �� @���"�^> @���#� ^��Y �}#�����<Y �

���*��� ���� \��� � (��� ~������), S. 1 Delegation des Europäischen Rates appellierten an Lukaš�nka, die parlamentarische Demokratie und die Geset-zeshoheit zu achten (Ivan Sjarheeu)

137. ��� ����\: �>^� -93 – ������ ��-96: �������� � ���� (=Autor), S. 1/2 Oleg Moroz; El’cin 93 – Lukašenko-96: Tragödie und Farce

138. ����@�'��i ���� �% �}���} ��#� � ������i (Versch. Quellen), S. 1 Die europäische Presse über das Referendum in Belarus

139. �����' ��*� �: «� �� ������Y ��%����Y ��> � ����#��� ������> ���"�� ����� #��� � ������� � ���# �%_�����, ���%< � @�����> � ������� ����>...» ����������> �� �������� ��� ���� �.{.��*� � �������� � ��@��^< ��� ��� ��������� ��\��< «=���� �� ���» �.�.~�������, S. 1 Valerij Tichinja: „In jener verhängnisvollen Novembernacht strebte ich danach den bürgerlichen Frieden und Ein-tracht in unserer Gesellschaft zu erreichen, damit in Belarus kein Blut vergossen wurde.“ Der Vorsitzende des Verfassungsgerichts V.G. Tichinja im Gespräch mit dem Chefredakteur der Zeitung „Narodnaja Volja“ I. P. Seredi�.

140. ~��� ������>� � @����� 2000 ����... £�� �������� �� ������� (������� {��%), S. 2 Mittelalter auf der Schwelle zum Jahr 2000... Das ist eine Tragödie für Belarus (Me�islav Grib)

141. ���^<�, � � �}���} ��# (. �����<�, Leserbrief), S. 2 Fiktion, aber kein Referendum (A. Taler�yk)

Nr. 113, Dezember 1996 142. =� ������� – ��<\��! (versch. Mitteilungen, versch. Autoren), S. 1

Belarus in der Krise! 143. ��*�� �����*��: «=� ��� � "� %<�> �����c� �� #��. ~��� � �� ^� �� �� ���#� �

�� � @������>...» (=Autor), S. 1 Michail Pastuchov: „Belarus wird nicht ewig in der Finsternis sein. Das Licht am Ende des Tunnels darf nie-mand auslöschen.“

144. ����<' ­i*i �: =��� � @�}\i�} ^��#� @������ �� ��<��^<i �%���\������ *�������� – ��� @�������� �� ��i\#� (��> �������), S. 1 Valeryj Cichinja: Dem präsidialen Verfassungsprojekt einen allgemeinen Charakter zuzuschreiben ist ein Akt juristischen Vandalismus (Ales' Drav�uk)

145. ������>, ���# %��\� �%�' \������ � �\� >? ( �� ����� ��), S. 2 Belarus, wie wird dein morgiger Tag? (Anton Vasilenka)

=��� =��� Nr. 33/18.11.1996 146. ¢�� ��� ��� �� ���� (�� ��������), S. 1

Eine Chronik der Gerichtstermine (Aleh Daškevi�) 147. ��i %��� � ����* @���������^^� � ���� (~�%�< |��< ���), S. 1

Wenn sich der Schmutz an den Händen in Blut verwandelt. Worte zur Unterstützung des Poeten Slavamir Ada-movi� (Freunde des Rates TVL [= Gesellschaft Freier Literaten])

148. ������ ��}\<�<Y#� ���*�� ��� ~����� |}�@�%��� ������> (=Autor), S. 1

Page 297: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

308 Anhang

Rede/ Mitteilung des Obersten Sowjets der Republik Belarus 149. ~�@��^> \> �� � > � ���� (�� �\�� ����), S. 2

Gegen das Verschwinden der Zeit (Aleh Dzjarnovi�) Nr. 34, 25.11.1996 150. ���<��� {�<%: «� � ��# ���Y��, ��� �< ��� �}�}�} ��#� �"� ���>�<������ <�» (��

��������), Me�ysla� Hryb: „Ich bezweifle nicht, dass die Ergebnisse des Referendums bereits gefälscht worden sind“ (Aleh Daškevi�)

151. ~���} �< ���' �<%�� \��%�� (�.�.), S.1 Studenten haben ihre Wahl getroffen (L.U.)

152. �� �^ ������ �' |}��Y^<� (~����< ����������), S. 2 Das Ende der mutlosen Revolution (Sevjaryn Kvjatko�ski)

153. ��%�� < ��� – � @������ � � �^<� (��> ��%��), S. 2 Öffentliches Gericht – auf der Agenda der Nation. (Ales’ Kebik)

Nr. 35 1996, 2.12.1996 154. §�� �<�<�} ��� (-), S. 1

Zeit der Dissidenten 155. «���'^� ��< ����<!» (-), S. 1

Gebt unsere Stimmen zurück! 156. {���� � @�<'�\�, S. 1/4

Hitler kommt nicht 157. =�\������ ��>^> ������<�. ��� �������Y ��%<��� �� �}�} ^<� � ������<� �@�\<^<� �

~��}� �� � ª�*�� �� £���@� (�� �\�� ����), S. 3 Die unvollendete Geschichte. Bei Warschau fand eine Konferenz zur Geschichte der Opposition in Mittel- und Ost-europa statt. (Aleh Dzjarnovi�)

~�������� ��������� Nr.221/15.11.1996 158. |�%��� @���'�� . =� #����< @���������' %��>%< ��" < %<�> ����<#� (����#��

��\ �������', «|{»); S. 1/2 Der Rubikon ist überschritten. Aber die Methoden des politischen Kampfes müssen sauber sein (Vladimir Kuz-ne�evskij)

Nr. 222, 1996 16.11.1996 159. ����� �� �� �� ­� ���\%����#� (=Autor, ohne Han�ar), S. 1

Mitteilung der Mitglieder der Zentralen Wahlkommission. 160. ���\ ���\��� �� |��@�%��� ������>, � 469, 14.11.1996; � @���������� ­� ���> �'

��#����� |��@�%��� ������> @� �<%���# � @������ �Y ���@�%��� ���* ������ ��#�� (. ������ ��), S. 1 Ukaz des Präsidenten der Republik Belarus, Nr. 469, 14.11.1996; Über den Vorsitz des Zentralkommission der Republik Belarus für Wahlen und die Durchführung nationaler Referenden (A. Lukašenko)

161. §�������! (~����' ��%���, «~�»), S. 1 Maßlos! (Das geht zu weit!) (Sergej Dobrov, „SB“)

162. §�� %<�, �� %<�. ( ���' ��#��, «~�»), S. 2 Was war, das war. (Andrej Akimov, „SB“)

Page 298: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 309

Nr. 223, 19.11.1996 24 ��%�� – ������ ��#. ��# ~��� Referendum am 24. November. Sie haben das Wort. 163. ���' ���� #�"�� ��a\��>�� ����Y_�# (-), S. 1

Deine Stimme kann sich als die Entscheidende erweisen 164. §�� ����: @���� �> �� ��������� ���> �� «�����> ���>»? (¤��' ��% ��, =����'

��*����), S. 2 Was ist besser: Persönliche Verantwortung oder „Kollegialität“? (Jurij Bubnov, Nikolaj Licha�ev)

165. ���� �� ����� @����%����> ��#��� ��%� (�Y�#�� ~��^��� «~�»), S. 2 Am schwierigsten ist es, sich selbst zu überreden (Ljudmila Selickaja „SB“)

166. «{������» @���� (������ |��������), S. 5 „Heiße“ Post (Larisa Rakovskaja)

Nr. 224/5, 20.11.1996 167. ��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������»! (o. Autor);, 1

Wenn Sie „Dafür“ stimmen wollen, dann streichen das Wort „Dagegen“ durch. 168. ����#, ���@��� �����\�� _���, @������<���> � %�> �' ����< � \�����Y (~����'

{��#�� «~�»), S. 1 Warum, die Herren Fernsehmänner, Probleme von A nach B verlagern (Sergej Gromov „SB“)

Nr. 226, 21.11.1996 169. ��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������»! (-), S. 1

Wenn Sie „Dafür“ stimmen wollen, dann streichen das Wort „Dagegen“ durch 170. ���� �� ������ ��: «|����� ��# ��������� � ��#��* �� �����^�� � \��� ����»

(������ ��\��>, ���), S. 1 Aleksandr Lukašenko: „Das Referendum wird sich im Rahmen der Verfassung und der Gesetzesgebung durchge-führt“ (Larisa Lazar’, BelTA)

171. ���� %�\ @���� (���� ���%����), S. 1 Spiel ohne Regeln (Pavel Jakubovi�)

172. �� @������ �� ���\��� ���%����� #���<' ��%���? (���� �' ~�<�� «~�»), S. 1/2 Braucht es zur Überwindung der Krise weise Schiedsrichter? (Evgennij Sulyga „SB“)

173. �Y�< � #� ��< @���#� ������ @���� �� (-; ~��"�Y ������), S. 2 Pro und Kontra einer parlamentarischen Regierung (-, Sergio Bartole

Nr. 227, 22.11.1996 174. ��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������»! (-), S. 1

Wenn Sie „Dafür“ stimmen wollen, dann streichen das Wort „Dagegen“ durch. 175. ��� ����� ��� �� ��� <# \��� �# ���' "�\ � (��� �����, £����� �������, ���),

S. 1 Der Wille des Volkes wird zum obersten Gesetz unserer Lebensweise (Ivan Kuksa, ©duard Pivovar, BelTA)

176. ����� �� ~�%�� �� ��@������ ���*�� ��� ~����� |��@�%��� ������> (= mehrere Autoren), S. 1 Mitteilung der Abgeordnetenversammlung der Obersten Sowjets der Republik Belarus

177. ����#� # ���� � *���� �����<���> � \����� ��, ��� #�" � �����> ����� � ( ���' ��#� �� «~�»), S. 1/2 Warum viele nicht auf morgen hinausschieben wollen, was sie heute erledigen können (Andrej Evmenov)

178. ~��� � �"� #�� � @���' (��� �� � ��@�#<����, Leserbrief), S. 1 Das Land braucht Frieden und Ruhe (Valentina Koromyslova)

179. ��#��#��� ��� �<*�� �\ @����������� @���������� �� (%�������� � ��@�����#� �Y�#�� ~��^���, «~�»), S. 2 Kompromiss als Ausweg aus der politischen Auseinandersetzung (Interview Ljudmila Selickaja, „SB“)

180. [zu Artikel 179] ��##� ����' ��������� (���� ���%����), S. 2 Kommentar (des Redakteurs) (Pavel Jakubovi�

Nr. 228, 23.11.1996

Page 299: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

310 Anhang

������ – ������ ��#. ���� ������� ��%*���#� ���' ���� �! Morgen findet das Referendum statt. Ihre Teilnahme ist unentbehrlich für unser Land! 181. ��� �< *����� ���\��> «��», �� �<�������'�� ���� «������»! (-), S. 1

Wenn Sie „Dafür“ stimmen wollen, dann streichen Sie das Wort „Dagegen“ durch 182. �� ��� �� �� @����"� �� @����������� ���\��� � ���� � �����@� < (���), S. 1

Die Gründe für die Fortsetzung der politischen Krise im Land sind ausgeschöpft (BelTA) 183. ���\��� � �<��"��� %������ ���> ����������� |����� \� @�#�_> � �����"� �� �������

(������ ��\��>, ����> |�%� , ���), S. 1 Der Präsident dankt der russischen Führung für die Hilfe in der Erlangung der Übereinkunft (Larisa Lasar', Igor' Ruban, BelTA)

184. ����> ��" � \ ��> # � �� �\%������'! (�� ���� ���� � «~�»), S. 1/2 Die Machthaber müssen die Meinung der Wähler kennen! (Zinaida Kisina „SB“)

185. ���\ ���\��� �� |��@�%��� ������>, � 485, 22.11.1996; � ��#� � ���\� ���\��� �� |��@�%��� ������> �� 5 ��%�� 1996 �. � 455 (. ������ ��), S. 1 Ukaz des Präsidenten der Republik Belarus, Nr. 485, 22.11.1996; Über die Aufhebung des Ukazes des Präsi-denten der Republik Belarus vom 5. November 1996, Nr. 455 (A. Lukašenko)

186. ���\ ���\��� �� |��@�%��� ������>, � 486, 22.11.1996; � ��#� � ���\� ���\��� �� |��@�%��� ������> �� 7 ��%�� 1996 �. � 459 (. ������ ��), S. 1 Ukaz des Präsidenten der Republik Belarus, Nr. 486, 2.11.1996; Über die Aufhebung des Ukazes des Präsi-denten der Republik Belarus vom 7. November 1996, Nr. 459 (A. Lukašenko)

Nr. 229, 26.11.1996 187. ����������> <� ����� ������� �� � ���@�%��� ���# ������ ��#� (-), S. 1

Vorläufige Ergebnisse der Stimmabgabe zum nationalen Referendum 188. |����� ��# @������� ����� }��@�# %��@�� <* ��������'. ����� ���#� �� �������� �'

��%��< (������ |��������, «~�»), S. 1 Referendum setzt einen Strich unter die Etappe der fruchtlosen Debatten. Die Zeit der konstruktiven Arbeit ist ge-kommen (Larisa Rakovskaja, „SB“)

189. ���#� �� ��� ��^�� ���? (������ ��\��>, ���), S.1/2 Ist die Zeit der Konfrontation vorbei? (Larisa Lazar’, BelTA)

190. ��@����< �%����� ����� @�%��^��� ( ���' ���� ������, ���); S. 1 Abgeordnete diskutierten die Ergebnisse des Plebiszits (Andrej Aleksandrovi�, BelTA)

191. �\%������ ���\�� ���� ���� (������@� �� ��� «~�», «���»), S. 1/3 Wähler haben ihre Stimmen abgegeben (Korrespondenten von „SB“, „BelTA“)

192. �� @��� ����\�^�� ���� �' ������ ��#� (-), S.1 Entscheidung des Referendums auf dem Weg der Umsetzung

Nr. 230, 27.11.1996 193. ���� |��@�%��� ������>: � ���@�%��� ���# ������ ��#� 24 ��%�� 1996 �. �

|��@�%��� ������> (. ������ ��), S. 1 Gesetz der Republik Belarus: Über das nationale Referendum am 24. November 1996 in der Republik Belarus (A. Lukašenko)

194. ~@���� =��#��� @���@�������� ������> ����� < �\ �� � ��"�#� ����#� (~����' �������), S. 1 Spadar Naum�uk bevorzugt es, die Kastanien aus dem Feuer von fremden Händen holen zu lassen (Sergej Kostrov)

195. ���\��� � @������"���� @�����"� ���> # ��������� ���� � ���' @������ ���� < (������ |��������), S. 1 Der Präsident bekräftigt die Fortsetzung der Vielseitigkeit der Außenpolitik des Landes (Larisa Rakovskaja)

196. � @�\�>����* ������� �� � ���@�%��� ���# ������ ��#� 24 ��%�� 1996 ���� (­� ���\%����#..), S. 1 Über die Ergebnisse der Abstimmung zum nationalen Referendum am 24. November 1996 (Zentrale Wahl-kommission)

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Anhang 311

197. ���> <' \� @������ %<�> }@�^� ���# ��%<��' (������ |��������, «~�»), S. 1 „�val’nyj zal“ wird nicht mehr der Mittelpunkt der Ereignisse sein (Larisa Rakovskaja, „SB“)

198. {��� �#� �����^�� ���\��� �� �. ��� ������ �\ ���#� ��@�#���� � �����#� ������ ��#� (����> |�%� , ���), S. 1 Der Kopf der Präsidentenadministration M. Mjasnikovi� machte Diplomaten mit den Ergebnissen des Referen-dums bekannt. (Igor’ Ruban, BelTA)

199. ��, ��� @���*� � �� �� ��� � «������Y �����», ��\������� < (�>�� =����� �), S. 2 Wer nach Minsk wie zu einem „Brennpunkt“ kommt, wird enttäuscht (Ol’ga Nikolaenja)

200. � ��# #���� �@����> ��� �#<�� ���? (�Y�#�� ~��^���, «~�»), S. 2 Über was könnten die Gleichgesinnten disputieren? (Ljudmila Selickaja, „SB“)

201. �� �����^�� |��@�%��� ������> 1994 ���� (� �\#� � ��#� � ��@� � ��#�), S. 3/4 Verfassung der Republik Belarus aus dem Jahr 1994 (mit Änderungen und Erweiterungen)

Nr. 231, 28.11.1996 202. ����\������� @� ��� �% �#@��#� �� @�����_� � (������ �Y� �����), S. 1

Das Verfahren zum Prozess über das Impeachment wurde eingestellt (Larisa Klju�nikova) 203. ~��%_��� @����-��"%� @��\��� �� (-), S. 1

Meldungen des Pressedienstes des Präsidenten 204. ���\��� � �� � ����>Y �#����� ���' ��\��� (������ �Y� �����, ���), S. 1

Präsident gab einer amerikanischen Zeitung ein Interview (Larisa Klju�nikova, BelTA) Nr. 232, 29.11.1996 205. ������ §�� �#<��� @�\����� ���� ��� ������ �� (-), S. 1

Viktor �ernomyrdin gratulierte Aleksandr Lukašenko 206. ���� |��@�%��� ������>: � @�����_� �� @� �#���' ���*�� ��� ~����� |��@�%���

������> ��� ��^����� ��\<�� (. ������ ��), S. 1 Gesetz der Republik Belarus: Über die Einstellung des Mandats des 13. Obersten Sowjets (A. Lukašenko)

207. � �� YY @������ ���' ���� < %���� �@������> # ��������� ���> � ������� (-), S. 1 Die Außenpolitik unseres Landes wird von einer Interessenvielfalt bestimmt sein

208. �%��_� �� ���*�� ��� ~����� |��@�%��� ������> � @���#� ��# ���� #��� (=Aut), S. 2 Mitteilung des Obersten Sowjets der Republik Belarus an die Parlamente der Weltstaaten.

209. �� @��� �����# (������ ��\��>, ���), S. 2 Auf dem Weg der Reform (Larisa Lazar’, BelTA)

210. ����� @�����������' ����#����� �. �� ��%���! (. ������ ��);, S. 1/2 Das Parlament ist gebildet. An die Arbeit! (A. Lukašenko)

211. �#���� – � ����', �����' �' "�\ � (. ������ ��), S. 1 Gemeinsam für ein besseres, würdevolles Leben (A. Lukašenko)

212. ~��%_� �� @����-��"%< @��\��� �� |��@�%��� ������> (-), S. 1 Meldungen des Pressedienstes des Präsidenten der Republik Belarus

Page 301: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

312 Anhang

Stichprobe 3: Berichterstattung zu „Orange Revolution“ in der Ukraine 2004

���������� ������ {�\��� 16.11.2004 213. «���# ����» @���"�� %�^�@�< «}�� �#�������� �����» (���>� � �����������), S. 2

„Wirtschaftstiger“ zeigt dem „Feder-Hai“ die Muskeln (Mar’jana Dragostevi�) 214. «���#�» �<����� ��� (�#����' ���^), S. 4

„Vremja“ gewinnt vor Gericht (Dmitrij Zajac) 19.11.2004 215. =�@����<' ���'. ���@��� �� ������ ������ ��#� @���������> � ������ �' %�>��'

��\ �� (---� ��), S. 1 Die Unterzeichnung der Ergebnisse des Referendums führte zum wiederholten Mal zum großen Chaos (--anov)

216. ���#������� £��@� ��� ( ���' ���� ������), S. 2 Kosmische Expansion (Andrej Aleksandrovi�)

217. ��@<��� ������ � @���� �� (�>�� ��������), S. 5 Zweiter und letzter Versuch (Ol’ga Matveeva)

26.11.2004 218. ��� "���� ����Y^�� (�>�� ��������), S. 1/5

Orange Revolution (Ol’ga Matveeva) 219. ~�������� ��� ����� � �� �^�'. ����@� ���\�� «�» (�>� � �#�>� ���), S. 1

Die Strategie beginnt mit Sanktionen. Europa sagte „B“ (Ul’jana Emel’janova) 220. ������^< (?. ��*� ), S. 5

Die Seher (?. Bochan) 30.11.2004 221. ����@� « �*�*���>», |����� «���<\ ���>». ���\�� � ����� � �� ����������

#�"�� ���� <#� @����� ���#�. (�>�� ��������), S. 1/4 Europa „sträubte sich“, Russland „zankte“. Ukrainische Krise wird durch internationale Vermittler kontrolliert (Ol’ga Matveeva)

222. ~�##�� �~ – |�����: %�\ �\��# ���� (�>� � �#�>� ���), S. 1 Gipfel EU – Russland: ohne Übereinkunft (Ul’jana Emel’janova)

223. ��� @� \��� � (���� � ���#�^��), S. 2 Mit dem Gesetz schlagen (Ressort Information)

224. ��� �� � � �� (���� � ���#�^��), S. 2 Zuckerbrot und Peitsche (Ressort Information)

225. �������� @����%�"�� �� (--- ������), S. 3 Die Methode der Überredung (---ndrovi�)

226. �����' ��� (� � � ��� ����), S. 4 Zweiter (Wahl-) Gang (Janina Bolonskaja)

227. ~^� ���� \ ���#<� � ��<� (�#����' ���^), S. 5 Bekannte und neue Szenarien (Dmitrij Zajac)

228. «���» � ������� � %���� (-), S. 5 „Tak“ wird es in Belarus nicht geben

229. ��@�� �� ��%��� (�#����' ���^), S. 5 Grobe Arbeit (Dmitrij Sajac)

230. � ����� – ���� � (���� �� ��� ������), S. 8 Und zur Antwort Stille (Aleksandr Barnatovi�)

231. �\-\� ��^�' @������� � ����� �<���� ����#���> ��� �< "�>� (-), S. K10 Durch die Protestaktionen in Kiev stieg der Mietpreis

3.12.2004 232. ���\�� @����"����� (�>�� ��������), S. 10

Die Krise dauert an (Ol’ga Matveeva)

Page 302: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 313

233. «���"�» � \�#�� (���� �� ����� ), S. 2 „Birža“ (Börse) unter Verschluss (Aleksandr Dautin)

234. � �@�� �' ����< (����#�� ��^�����), S. 6 Gefährliche Bereiche (Vladimir Mackevi�)

235. ��'�� -��@� (�����# �%� ���), S. 14 Majdan-Pops (Maksim Žbankov)

7.12.2004 236. £*, ��\, �_� ��\ (�>�� ��������), S. 1

Ach, einmal, noch einmal (Ol’ga Matveeva) 237. ������< � #�'�� � (�#����' ���%���\��'), S. 2

Belarussen auf dem Majdan (Dmitrij Podberezkij) 238. §������� #�"�� «�£� ��>��» (��� ��), S. 4

Vierer könnte „E�Pieren“ (Ivanov) 239. =���� �%%��������� (�#����' ���^), S. 4

Neue Abbreviatur (Dmitrij Zajac) 240. ������� � �� �# �����# (�#����' ���^), S. 5

Geschichte von einem gemeinsamen Volk (Dmitrij Zajac) 241. ~�##� ��* ����' (����#�� ��^�����), S. 6

Summe der Technologien (Vladimir Mackevi�) 242. £*� ����� ���' ����Y^�� (���� £�� �#���), S. 7

Das Echo der ukrainischen Revolution (Wirtschaftsressort) 10.12.2004 243. ����<' ��� � ��#@��#���� (�>�� ��������), S. 1

Der erste Weg zum Kompromiss (Ol’ga Matveeva) 244. ~�� \��� � �� @���� ^�� < (����#�� ��^�����), S. 5

Kraft des Gesetzes oder Recht der Willkür? (Vladimir Mackevi�) 245. ��� �����> �� ����� (��^��), S. 11

Zwangslektüre (Zacuk) 246. ��'��� ���> �� ��"�* ��"��' (�����# �%� ���), S. 14

Gesichtskontrolle für fremde Führer (Maksim Žbankov) 14.12.2004 247. ����@� �<%����� ���\�' (�>�� ��������), S. 1

Europa wählt Freunde (Ol’ga Matveeva) 248. �{� ����� ( ���' ���� ������), S. 2

Dem KGB eine geklebt (Andrej Aleksandrovi�) 249. «|��@�%���» ��� �� «=���' ���@�%���'» (���� �� ����� ); S. 3

Aus „Respublika“ (Republik) wird „Naša Respublika“ (Unsere Republik) (Aleksandr Dautin) 250. ��#@��#��� �'�� . ���>%� @����"����� (����� ��@�^���), S. 6

Kompromiss gefunden. Der Kampf geht weiter (Marija Klepackaja) 17.12.2004 251. ­� <� #<�� (� � � ��� ����), S. 2

Wertvolle Gedanken (Janina Bolonskaja) 252. §�����< �%<���� ��^������. =�\�����#<� ��^����� �_���� � ��%� @���� �����

(������), S. 3 Tschekisten durchsuchten Soziologen. Unabhängige Soziologen spürten den Druck der Machthaber (Levkov)

253. ���\��� �, @�����@����' �� �����^�Y, – � @��\��� � (?. ����������), S. 5 Ein Präsident, der die Verfassung verletzt, ist kein Präsident (? Korotkevi�)

21.12.2004 254. �%������� <�. ����� ������ �`�\� ��#�����������* �� (�#����' ���^), S. 1/5

Die Machthaber sprengten eine Konferenz der demokratischen Kräfte (Dmitrij Sajaz) 255. ����� � �"� ��� ��\���Y� (=����' ��� ��), S. 1

Page 303: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

314 Anhang

Man gibt der Ukraine schon Signale (Nikolaj Livnev) 256. ����@�'���' @��> (� � � ��� ����), S. 3

Der europäische Weg (Janina Bolonskaja) 257. ��� � @���\���> (���� � ���#�^��), S. 3

Man verspürte nicht zu wenig (Ressort Information) 258. ���� � �^������ ����� (�#����' ���^), S. 4

Berlin initiiert einen Dialog (Dmitrij Sajaz) 259. ����> �� ���. ¤�� ��#��� �� �#��� � �#���� � ¤_� �� ������ @������ � ���� �

(���>� � ¢���� ��, ����), S. 6 Extrakraft. Julija Timošenko beabsichtigt zusammen mit Juš�enko Ordung im Land zu schaffen (Tat'jana Char�enko, Kiev)

���������' |< �� 22.11.04, Nr. 46 260. Pa��� �� %��� ��#������� (N.N., aus: The Washington Post), S. C23

Spaltung zum Wohl der Demokratie 29.11.2004, Nr. 47 261. ��� ���� < � �� �'. �� � ���\���> � ��� � ������ (���Y� �<������'), S. A7/8

Zwei Länder in einem. Das Eine befindet sich am Rande der Spaltung (Pavljuk Bykovskij) 262. ��� �\ %� ����� ���%�� (����#�� �������), S. B9

Einer der Bankiers hat sich geirrt (Vladimir Tarasov) 263. =� @���<���, � ��� ���� (���>� � ¢�@����), S. C17/19

Weder Lücken noch Skandale (Tat’jana Chlopkova) 6.12.2004, Nr. 48 264. ������� � |�"������. � %���� #��� – o"�� ����� (�� ���#<) (���Y� �<������'), S. 1/6

Ein Geschenk zu Weihnachten. Im Freudenbecher ein Tropfen Wermut (von Ku�ma) (Pavljuk Bykovskij) 265. «���"� � ���#�^��» @������ ��� � ({� ���' ���%����), S. A6

„Birža informacii“ (Informationsbörse) eingestellt (Gennadij Barbari�) 266. ����� �: *�� ��� @���������� ��, A7

Ukraine: Chronik des Widerstandes 267. «����� ���' �^� ���'» � @����¢¢ (-), S. A8

„Ukrainisches Szenario“ ging nicht durch 268. {��� � ���� --���# (����#�� �������), S. B9

Grivna wurde --- (Vladimir Tarasov) 269. ����� ����� ���' ��Y��' � ���� @������ ��� <. =�^%� � ����� < @<������

@�����������> ����@� �� �����# ��� �� � ���� ���\��� (����#�� �������), S. B10 Der Handel der ukrainischen Währung an der BVFB [Belaruss. Währungsbörse] wurde eingestellt

270. ¢¢ ������ #�����' �@��"� ���� (N.N., aus: LeFigaro), S. C21 XX des Theaters der weltweiten Spannungen

13.12.2004, Nr. 49 271. =�\�� �� ���� < ��� #� ����� «@��������». =����@� �� � ������� ���� @���%������

��� %��� �\�_�� <� ���#< (¤��' ��*�����), S. A3 Der Landesname als Monolog der „Patrioten“. Angriff auf die Meinungsfreiheit nimmt immer raffiniertere Formen an (Jurij Bechterev)

272. ��� �� �{� ����� @�������#� ����\ ����* ({� ���' ���%����), S. A4 Gebäude des KGB mit Porträts von Vermissten beklebt (Gennadij Barbari�)

=���� �� ��� 16.11.2004 273. ~�#<� ��" <� ����@�'���� �<%��< (verschiedene; zusammengestellt: ~����' ��� ��), S. 3

Die wichtigsten europäischen Wahlen (zusammengestellt von Sergej Ivanov)

Page 304: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 315

17.11.2004 274. �����%��< %�\ ��%����, �� � ��# ������� @���� �� �� � @��� @��\��� �� ����� <?

(verschiedene; zusammengestellt: ~����' ��� ��), S. 3 Fernsehdebatten ohne Debatten, oder: Worüber redeten die Bewerber für das ukrainische Präsidentenamt (zu-sammengestellt von Sergej Ivanov)

275. ����i � – � |��i� (����� ��ci����i); S. 3 Die Ukraine ist nicht Russland (Pjotra Basile�ski)

20.11.2004 276. =�\-\-\�! §�# ��>�� #< ����# � ����* ��*�* ���@�*, ��# %��� �����<#� #���� %<�>

@��������� (%����� ��� =���>� ��� >���), S. 2 NEIN! Je länger wir in unseren geschlossenen Schützengräben sitzen, desto härter werden die Folgen sein (das Gespräch führte Natal’ja Belen’kaja)

23.11.04 277. ��� @��*���� �<%��< � ����� � (~����' ��� ��), S. 3

Wie wurden die Wahlen in der Ukraine durchgeführt (Sergej Ivanov) 24.11.2004 278. ����� ���� �@@�\�^�� �%������> \� @�����"��' �� ���#� #��� (-), S. 1

Ukrainische Opposition wandte sich für Unterstützung an die ganze Welt 279. ����� �: �<%��< �� ����? (@�������� � @����� ~����' ��� ��), S. 3

Ukraine: Wahlen oder Farce? (zusammengestellt von Sergej Ivanov) 25.11.2004 280. ��� ����� ������> � ~����� �' �� ����' ���� i\�^<i (I�< � ~�\� ��i�), S. 1

Was erwartet eigentlich Belarus in der Welthandelsorganisation (WHO) (Iryna Sazanovi�) 281. {����@���#� � ~� �������"� �����^��' ������ �<%���� � ����� � (-), S. 3

USA ist besorgt über die Situation um die Wahlen in der Ukraine. 282. «�� �» ������� ¤_� ��. ��� ����� ���� ��#������� � @�%���� ����� �, �� � � @�%����

\����� (������� �����), S. 3 Die „Finte“ des Viktor Juš�enko. Wenn die ukrainische Demokratie nicht heute siegt, dann siegt sie eben morgen (Vja�eslav Orgiš)

283. ����� ���� ���#� � \����� #����<* ~�� (@�������� � @����� ~����' ��� ��), S. 3 Das ukrainische Drama im Spiegel internationalen Massenmedien (zusammengestellt von Sergej Ivanov)

26.11.2004 284. =� Y�\i �<%i��Y^> @�}\i�� �a � i* #��� (��> |���< �¢¢¢), S. 2

Nicht die Leute wählen den Präsidenten, sondern ihre Sprache (Ales’ Raš�ynoXX) 285. ����������� �� ��%�� � \� (~����' ��� ��), S. 3

Widerstand von Gut und Böse (Sergej Ivanov) 27.11. 2004 286. �* �� *��Y� ������> (-), S. 1

Ihr Schicksal rühmt Belarus 287. ����� �: ��� ��#? (~����' ��� ��), S. 1

Ukraine: Was ist dort? (Sergej Ivanov) 288. |����, �� ��#� �<��� � @�������> ����� ^�� (������� �����), S. 1

Spaltung, oder: Wem nutzt es, die Ukrainer untereinander zu verfeinden (Vja�eslav Orgiš) 289. �\#i��<Y �� ���} �� �<���^ii ���� (�\#i��<' �����), S. 1

Dzmitryj Bandar�nka hat man die Hand umgedreht (Dzmitryj Ulasa�) 30.11.2004 290. ���<� ������i� (~��� ��): «��� � %��<� � ���� ��< �...» (�����<� ����� ���i����i), S. 3

Barys Pjatrovi� (Sa�anka): „Was ich auf dem Luganš�yne sah...“ (Gespräch Pjotra Vasile�ski) 291. ����� �: ��� y������� �@��"� ���>? (~����' ��� ��), S. 3

Ukraine: Wer stärkt die Spannung? (Sergej Ivanov) 292. �� �����#� ���� �� � ��'�� � (��-��-~�), S. 3

Page 305: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

316 Anhang

Hinter den Kulissen der Versammlung auf dem Majdan (BBC) 01.12.2004 293. «�� �^��' ��\<�>» |����� (~����' ��� ��), S. 3

Der „Donez-Trumpf“ Russlands (Sergej Ivanov) 294. =������ ����@�'����� ~�Y\� (~����' ������), S. 3

Nachrichten der Europäischen Union (Sergej Petrov) 02.12.2004 295. ���>� � ����>��, @���������> |�� «���������' ¢�>�� ����' ��#����»: |�"�#

������ �� ��\���� � Y��* ����* � �� ��������# ���� �, �����<' � ^����\�^�� �"� ��� � ������» (%������ ���� �� ~��¢¢), S. 1/2 Tat’jana Prot’ko, Vorsitzende des „Belarussischen Helsinki Komitees“: Das Regime Lukašenko schürte bei den Menschen erneut eine solche Angst, wie sie in der Zivilisation schon lange abgeschafft wurde. (Gespräch Alek-sandr SiliXXX)

296. �� \��� � �� @� @� ����#? (~����' ������), S. 1 Nach dem Gesetz oder nach der Vorstellung? (Sergej Petrov)

297. ¢��>�� ~�� � @����@���� ���#� (~����' ������), S. 1 Chav’er Solana warnte Ku�ma (Sergej Petrov)

298. ����� @������>���� ���� ��� �������? (~����' ������), S. 1 Wird es eine Regierung des Volksvertrauens geben? (Sergej Petrov)

299. ��#��� � ����� <* %Y��� �'. ���\ � �� ����� ���* #��^�� ���� (��*� �"�#�> «={»), S. 1 Eine halbe Million ungezählte Wahlzettel. Das Geständnis ukrainischer Milizionäre (Opchan Džemal’ „NG“)

300. ���� ������� – ��� ���%���! (��� ^� � ����� ), S. 3 Eure Freiheit ist unsere Freiheit! (Valjancina Ko�tun)

03.12.2004 301. ~�#>� ������� ¤_� �� ����� � ����� � (-), S. 1

Viktor Juš�enkos Familie glaubt an die Ukraine 302. ��� �� ��#������� @�-������� (�����' ¥��� ), S. 1

Straßen-Demokratie Kiever Art (Valerij Š�ukin) 04.12.04 303. ...drei Meldungen (mit zwei Fotos) (~����' ��� ��) (Sergej Ivanov), S. 1 07.12.2004 304. =� ���� > � ��%�, ��#�, �%������>��?.. (����#�� =���Y�), S. 1/2

Wäre es nicht besser für dich, Gevatterin, umzudrehen?.. (Vladimir Nistjuk) 305. ���'�< @����� ��. {���\� ���� ��\��� «���"� � ���#�^��» - @�� @����\�� \ i� � �?

(��>�� ����������), S. 1 Doppelte Strafe. Droht die in Hrodna erscheinende Zeitung „Birža informacii“ (Informationsbörse) zu verschwin-den? (Vol’ha Klasko�skaja)

306. � ����� ���' ���%��< ��� "��<' ^��� (-), S. 3 Die ukrainische Freiheit ist orange

08.12.2004 307. {��@��� @��������, ��� ��\�>���? (������� �����), S. 2;

Wo ist das Ergebnis, Herr Professor? (Vja�eslav Orgiš) 308. ����: � ��# ��\ ������ (-);, S. 3

Kiev: Worin besteht Uneinigkeit 309. ���� �� ��}#�, ��@���������> ����^�� #����"� «=��� ����� �»: «� }�� � � #< ���

�#����...» (������� � ����� ��), S. 3 Aleksandr Jar�ma, stellvertretender Vorsitzender der Jugendorganisation von „Naša Ukraina“: „In diesen Tagen sind wir alle gemeinsam ...“

09.12.2004 310. £�� ���� �� #���� �@������> %���_�� ����� < � # ���� ���������� (-), S. 1

Page 306: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 317

Diese Entscheidung bestimmt die Zukunft der Ukraine für viele Jahrzehnte 311. |�����# @� ��������> �' �������� ( ���' ��#��), S. 2

Requiem für die konstruktive Kritik (Andrej Klimov) 312. ����: ����� ���' ���� ������ ���� <* �<%���� (-), S. 3

Powell: das ukrainische Volk verdient ehrliche Wahlen 313. �����'���� �����: ¤_� �� %< ������ (-), S. 3

Österreichische Ärzte: Juš�enko wurde vergiftet 314. ���\i#i� ���: «� �<*�� @������# ���%��<» ({����<� ����� ���i����i), S. 3

Uladzimir Arlo�: „Ich atmete die Luft der Freiheit“ (Gespräch: Pjotra Vasile�ski) 10.12.2004 315. ������� ���� @�����> � ���� �� (���� �� ��'^��), S. 1

Die harte Hand wird nicht müde zu regieren (Andrej Zajcev) 316. =�" < ���> � ��%���Y_�� @������, � � %��� < (�����' ����¢¢), S. 2

Man braucht wirklich arbeitende Politiker, und keine Schwätzer (Valerij FroloXXX) 317. ¤_� �� �%�_��� �# ����Y ���������#�� ��>����������# �<%���� (-), S. 3

Juš�enko verspricht Straffreiheit für die reuigen Fälscher der Wahlen 318. =� ���\��Y ����� ����� ���Y ���>%� ����� ^< (�����' ¥��� ), S. 3

Mit nüchternem Kopf entschieden die Ukrainer ihr Schicksal (Valerij Š�ukin) 11.12.2004 319. ��^i �\#i��<� ���������� \ �� @���i^> @���������� ��� �^^� �� ��������� � \ i� � � ��

�< � (¤�<' ��^�#�i ), S. 1 Die Mutter von Dzmitryj Zavadzkij bittet erneut die Staatsanwaltschaft zur Untersuchung des Verschwindens ih-res Sohnes zurückzukehren (Juryj Pacjomkin)

320. =����������'�� @����@ (��� � ������^���), S. 2 Gescheiterte Bestechung (Irina Makoveckaja)

14.12.2004 321. «|��<� ���^<�» @���'�� � ����<� ��< ���#�� ����� � � %�������' #��� (I�< �

~�\� ��i�), S. 1 „Radio Schweden“ geht zu einer wöchentlichen Sendung in belarussischer Sprache über (Iryna Sazanovi�)

322. �����}�< \ i�<* � �^� �* ��� (��>�� ����������), S. 1 Porträts der Vermissten im Schatten des KDB [KGB] (Vol’ha Klasko�skaja)

323. §�� �µ �~� ����#, ����� «��%��» �@@�\�^�� �\%������� ��%� ��#�? (�>�� ��-§<��� �-����), S. 2 Was WIR ALLE tun, wenn die „schwache“ Opposition mit Gummiknüppeln geschlagen wird (Ol’ga Weiß-Rot-Weiß)

324. ��� ������ ¤_� �� (verschiedene), S. 3 Wer vergiftete Juš�enko

325. |���, ��i���� ����� «I �<��»: «�� ��� i ���� ���%���!» (��>�� ����������), S. 4 Rusja, Sängerin der [belarussischen] Gruppe „Indyga“: „Für unsere und eure Freiheit“ (Vol’ha Klasko�skaja)

15.12.2004 326. {�%Y', �< ��, ��%Y', �>%� % �<#, ��� ��#�� ~�� i��� ������i� \ ����< ���'��

��#i�\���^i����\� ({������ ��� ������� ���i�), S. 1 Hobele, Söhnchen, hobele, oder: Was Stanisla� Šuškevi� zum Ereignis seines 70. Geburtag denkt (das Ge-spräch führte Vja�asla� Orgiš)

16.12.2004 327. ��' < %�... ������� ¤... (-), S. 3

Sakrament … von Viktor Juš�enko 17.12.2004 328. §�� �# ���� �£�? (����� ��������), S. 1

Was gibt uns die E�P [= Gemeinsame Wirtschaftsgemeinschaft]? (Marija Fedorova) 329. ���� ��������� ����� � (-), S. 3

Page 307: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

318 Anhang

Wohin marschiert die Ukraine 330. §<' %�� ��@�� �� �����' �#�^�i* �}@������? (���� �� ��������i), S. 3

Wessen Stiefel tanzen auf den Köpfen deutscher Abgeordneter 18.12.04 331. ������%��� ����� �' (�����' {��%�\��), S. 1

Forderung der Ukraine (Vitalij Garbuzov) =��� =i�� 19.11.2004, Nr. 43 332. �i��i \� ¤��� ��, S. 3

Kli�kos für Juš�anka 333. �<-�"}i \>#� ii ����<�� (��> ����i#� ��), S. 4

DJs änderten die Taktik (Ales’ Trafimenka) 334. ...%�� @��@���� ... 75% � FM (~�), S. 7

... unterschrieb ... 75% im UKW-Radio 26.11.2004, Nr. 44 335. ��} } �#}�� (�^�# ����, ��> ����i#� ��. �i�� – �� ��), S. 1/3

Noch nicht gestorben (Arcjom Ljava, Ales’ Trafimenka. Kiev – Minsk) 336. �� "���� �}��Y^<� ( ��}' |��i ��i), S. 3

Orangene Revolution (Andr�j Rasinski) 337. ��^�� \ @��� � (�i��> ~ii^�i), S. 4/11

Wind aus Süden (Vital’ Silicki) 338. ����i ���� � �<��%�i�^��� �}��Y^<�. �� �#� ¤��� �i �� �}��^<� ���% ��� %��"��

�"�*i %�' ��� ��@i��< (��i� ���i ), S. 4/16 Ukrainische antiglobalistische Revolution. Phänomen Juš�anka als Reaktion des kleinen Bourgeois auf die Angst vor dem großen Kapital (Ljolik Uškin)

339. �������i �}�� �. «��i \>�\�'�> ��^^� �}��Y^<�, ���� � \�#i �� ����� i# @i^> ����» (��> ����<^�i), S. 5 Belarussische Landung „Wenn sich die Revolution verwirklicht, so wird es den verbliebenen kein Kaffeetrinken er-setzen“ (Ales’ Kudrycki)

340. 1000 ������ �� %�������' �\i��> i^<, (�), S. 5 1000 Dollar für eine belarussische Beobachterin (AK)

341. |}*� �}��Y^<i � #� ��i* �}����* (-), S. 5 Echo der Revolution in Minsker Theatern (-)

3.12.2004, ~45 342. ��* � �}��Y^<i (-), S. 1

Die Revolutionsküche 343. �� "���� #���. (��> ����<^�i), S. 3/4/5

Oranges Meer. (Ales’ Kudrycki) 344. =������ ����� � ����i�� (-, p�\ .), S. 3

Misstrauen der Regierung von Janukovi� (-, versch.) 345. ��������� �}*� @��\��� (¤�< ��%��i�, {<%����), S. 5

Belarussisches Echo auf das Ereignis (Jury Kalbasi�, Hlybokae) 346. ����i ��i� �@�����^<: �%�@� %��<��� (�� |�...), S. 6

Ukrainische Sportler: auf beiden Seiten der Barrikade (Aleh Ra..) 347. «£�\�#� @����� <» – «����\� ���#�». «������> ����� �» i «=���� �� ���» @�� @��\�i ��

ª���i � (��> ����i#� ��), S. 6 „Examen bestanden“ – „Niderlage des Kremls“. „Belarus Segodnja“ und „Narodnaja Volja“ über die Ereignisse in der Ukraine ( Ales’ Trafimenka)

348. �� "���� �}��Y^<�. «����i ^< �%��<i, ��� � < – �^<�» (�����<� ��> ����<^�i, �i��), S. 7

Page 308: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 319

Orange Revolution. „Die Ukrainer haben gesehen, dass sie eine Nation sind.“ (das Gespräch führte Ales’ Kudrycki, Kiev)

349. ���� @�}�< (-), S. 10/11 Presseschau

350. ~���'� i ���� � ��'�� � (~����' ����i ), S. 11 Streik und Feier auf dem Majdan

351. ��*�� <� �}��Y^<i. §�*i� – ~�����i � – ~}�%i� – {��\i� – ����i �. ������>? ( ��}' |��i ��i), S. 11 Wegweisende Revolutionen. Tschechien – Slowakei – Serbien – Georgien – Ukraine. Belarus? (Andr�j Ra-sinski)

352. «�����} �� ����� � �'�< \� ��^i �» (�����<� �^�# ����), S. 11 „Lukaš�nka ist toleranter als Pucin (Gespräch: Arcjom Ljava)

353. �������i� #�\<�i – \� ¤��� �� (-, ��\ .), S. 15 Belarussische Musiker sind für Juš�anka (-, versch.)

354. ����i> �� #��}> @����\i �� (�i���� �� �����i�, @����� «£*� �����<»);, S. 16 Richtiges Modell der Ereignisse (Viktar Šandarovi�, nach „©cho Moskvy“)

10.12.2004, ~46 355. ����i � ��� � @���#} ^��'. ¤�<�<� � \�#�^��� < �< i�i �� "���' �}��Y^<i. (~����'

�i����i�), S. 1 Ukraine wird parlamentarisch. Die Eregbnisse der Orangen Revolution weren gerichtlich fetsgehalten. (Sjarhej Mikulevi�)

356. |������i� ������@ < (-, ��\ .), S. 3 Rusakevi� unereichbar (-, versch.)

357. ~� > � ª���i �, \����� #<! (-, ��\ .), S. 3 Heute die Ukraine, morgen wir!

358. ���< �}��Y^<i. «�� � ��#� <* ��i » %'� �}����< ����i ��i* �}��}'�< ��� (��> ����<^�i), S. 3/4 Die traurigen Augen der Revolution. Der „Sender der ehrlichen Nachrichten“ erreichte Rekorde der ukrainischen Einschaltquoten. (Ales’ Kudrycki)

359. {i# ����i ���' �}��Y^<i (��> ����i#� ��, @����� gazeta.ru), S. 4 Die Hymne der ukrainischen Revolution (Ales’ Trafimenka, nach gazeta.ru)

360. 200 �������� �\i��> i��#i (�), S. 4 200 Belarussen als Beobachter (AŠ)

361. ~��\�^> ���#� i � ����i�... (��i� ���i ), S. 4 Treffen sich Ku�ma und Janukovi�... (Ljolik Uškin)

362. «�< ��� ����^� ii ����i ^��» ({����<� ��> ����<^�i), S. 13 „Wir haben alle die Ukrainer unterschätzt“ (Gesrpräch Ales Kudrycki)

363. ª���i ���� ª���i � ' %�������� ������> (��> ����, ���^��), S. 13 Ukrainische Ukraine und belarussisches Belarus (Ales’ Arkuš)

17.12. 2004, ~47 364. ��� � (� �), %������i ¤��� ��. ��i�<� <� i�}�< ����\��Y^> � @<�� > i «==» (��>

����<^�i), S. 3/4 Wer ist er (oder sie), der belarussische Juš�anka. Spitzenpolitiker im Interview mit „NN“ (Ales’ Kudrycki)

365. ��}#i� �� %������i* "�� �i����. (-, ��\ .), S. 3 Prämie für belarussische Journalisten (-, Versch.)

366. �"�\i ��i @�� ������> (-, ��\ .), S. 3 Bžazinski über Belarus (-, versch.)

~�������� ��������� 16.11.2004 367. ���"�# � @��# (¤��' ����^��', #� ���� �����< � ��������� ����� <), S. 3

Page 309: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

320 Anhang

Wir freunden uns an und singen (Jurij Boguckij, Minister für Kunst und Kultur der Ukraine) 17.11.04 368. ��� � ��� «�<��� � �_���»? (����> ��>�� ��, «~�»), S. 5

Wer und wie „spielte in der Kiste“ (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 18.11.04 369. �%�\�����? =��, @�����"��! (�������� ��@���, � ����� �, «~�»);, S. 11

Verpflichtung? Nein, Unterstützung! (Viktorija Popova, Anna Šadrina, „SB) 20.11.04 370. �� �����< @����Y��� � \��\�< (����> ��>�� ��, «~�»), S. 4

Die Kandidaten vertrauen den Sternen (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 23.11.2004 371. {��#�� ����� ���� ��>... (����> ��>�� ��, «~�», ����), S. 1/4/5

Laute ukrainische Nacht... (Igor’ Kol’�enko, „SB“; Kiew) 372. |����^�� <' ��##� ����' (���� ~������%), S. 4/5

Kommentar der Redaktion (Pavel Starodub) 24.11.2004 373. ����� � @����� ����\ M�'�� (����> ��>�� ��, «~�», ����), S. 1/2

Die Ukraine überschritt den Majdan (Igor’ Kol’�enko, „SB“; Kiew) 25.11.2004 374. �� �����#� %���' ���<. (-!), S. 1/2

Hinter den Kulissen des großen Spiels 375. ~��%_��� @����-��"%� ���\��� ��, S. 2

Der Pressedienst des Präsidenten teilt mit 376. ��� ������ �� %�\ ����*���� (����> ��>�� ��, «~�», ����), S. 2

Balanceakt ohne Absicherung (Igor’ Kol’�enko, „SB“; Kiew) 26.11.04 377. ���������� �� �� ��� (����> ��>�� ��, «~�»), S. 1/3

Überspannen der Feder (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 27.11. 04 378. � «������� ����» ��Y��� ��< (����> ��>�� ��, «~�»), S. 3

„Runder Tisch“ hat spitze Ecken (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 30.11.2004 379. �����"� �� ������ (����> ��>�� ��, «~�»);, S. 1/5

Fortsetzung folgt (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 380. ��#� #��� «���%�» (=���"�� �#��....), S. 4

Wem schadet „Forbes“ (Nadežda Dmit...) 381. �� ��' ���� � %�� <� ���^�� (��� � ���������, «~�»), S. 5

Erlesener Geschmack und stürmischer Beifall (Irina Zavadskaja) 01.12.04 382. =� ��^� ���� � ������� �� ��%�� (����> ��>�� ��, «~�»), S. 1/5

Das Spiel auf der Straße führt nicht zum Guten (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 02.12.2004 383. ����� ���� @������>���� � @������ �# ������ �� (����> ��>�� ��, «~�»), S. 1/2

Ukrainische Regierung in der unterlegenen Position (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 384. �������' ���� (� ���� ������������, «~�»), S. 2

Kiever Torte (Inessa Pleska�evskaja, „SB“) 03.12.04 385. ����. ¢��� �� ��' � @����"����� (����> ��>�� ��, «~�»), S. 1/5

Kiev. Der kalte Krieg geht weiter. (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 04.12.2004 386. ~�� <' �� > �������� (����> ��>�� ��, «~�»), S. 1/3

Page 310: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

Anhang 321

Der Gerichtstag fand statt (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 387. =�����"�#�� ¤�� �"� ������ � �%���> |����Y �������#� �@�>�� �#� (-), S. 3

Unbändige Julija ist bereit, Russland mit Kiever Apfelsinen zu versorgen (-) 07.12.2004

388. ���\��� � �� � ����>Y ����� �� «>-��%��» (-), S. 2 Der Präsident gab dem Fernsehsender „Al-Arabia“ ein Interview (-)

389. ����: =� ��"��' ��* � ���' #�'�� (������� ���Y�, «~�»; {�#�> – ����), S. 5 Kiev: Jeder Küche ihr Majdan (Violetta Draljuk, „SB“)

390. �� � �� � ����� ��� ����� < � ~�. ��� �\<������ ����>�, �@�%����� �� � �� �� ���' ��\��� «{����� », S. 5 Bewegung in Kiev wurde in den USA gestärkt? Das berichtet ein Artikel der Londoner Zeitung „Guardian“

8.12.2004 391. ¢����� ��� ����>. ���� �@���' � ��\�%���>��. (����> ��>�� ��, «~�»), S. 5

Genug der Unruhe. Es ist an der Zeit in Ruhe zu verhandeln (Igor’ Kol’�enko, „SB“) 9.12.2004 392. ������ ��>�? � ����� � �\#� � � �� �����^��. �������� � }�� � ������Y? (����

��^������, «~�»), S. 2 Ein Remis in der Schlacht? In der Ukraine wurde die Verfassung geändert. Führt diese zur Eintracht? (Pavel Macukevi�, „SB“)

393. �\ %� �� � %� ��! (���� �� ��#��, ������� ���Y�, «~�»), S. 2 Aus der Bank in die Bank! (Aleksandr Tumar, Violetta Draljuk, „SB“)

10.12.2004 394. ���������� ����������< ����� ����� ��� (���� ��� ~�#��� �);, S. 6/7

Die Moskauer Geschmacksprüfer des ukrainischen Specks (Aleksandra Samarina) 395. P.S. (zu 394) (���� ~������%), S. 7

P.S. (Pavel Starodub) 11.12.04 396. ��#���� � ����� ��� "��<� ����< (�#����' ��#����), S. 30

Ob den Kli�kos die orangen Boxershorts helfen (Dmitrij Komaško) 14.12.04 397. �\%�����> �Y ��#@� �Y ������� (���� ��^������, «~�»), S. 2

Wahlkampagne wurde vergiftet (Pavel Macukevi�, „SB“) 15.12.04 398. §������ "�\ � (����� ��@����, �����), S. 13

Lebensgefühl (Boris Lepeško, Brest) 18.12.04 399. �Y\�� � �Y\�� (=� � |�#� ��.), S. 2

Illusion und Allusion (Nina Romanova)

Page 311: Die Transformation von –ffentlichkeit und Journalismus: Modellentwurf und das Fallbeispiel Belarus

322 Anhang

5. Fragen und Ergebnisse des Referendums 1996. Aus: Sovetskaja

Belorussija, 26.11.1996

6. Aufruf der Redaktion der Sovetskaja Belorussija in der Ausgabe vom 27.08. 1991: „An unsere Leser“