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Zeitschrift für die Praxis der politischen Bildung POLITIK & UNTERRICHT E 4542 ISSN 0344-3531 Deutschland wächst zusammen Eine Zwischenbilanz nach zehn Jahren Vereint und doch nicht eins Gesellschaftlicher Wandel in Ostdeutschland Vom Plan zum Markt Einheit braucht Zeit Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg 2/2000

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Zeitschrift für die Praxisder politischen Bildung

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ISSN 0344-3531

Deutschlandwächst zusammenEine Zwischenbilanz nach zehn Jahren

Vereint und doch nicht eins

Gesellschaftlicher Wandel in Ostdeutschland

Vom Plan zum Markt

Einheit braucht Zeit

Landeszentralefür politische BildungBaden-Württemberg

2/2000

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2/2000 ·2. Quartal ·26. Jahrgang

POLITIK & UNTERRICHT wird von der Landeszentrale fürpolitische Bildung Baden-Württemberg herausgegeben.

Herausgeber und Chefredakteur:Siegfried Schiele, Direktor der Landeszentrale für politischeBildung Baden-Württemberg

Redaktionsteam:Otto Bauschert, M.A., Oberregierungsrat, Landeszentrale fürpolitische Bildung, Stuttgart (geschäftsführender Redakteur)Ernst-Reinhard Beck, Oberstudiendirektor, Direktor desFriedrich-List-Gymnasiums ReutlingenJudith Ernst-Schmidt, Studienrätin, Werner-Siemens-Schule(Gewerbliche Schule für Elektrotechnik), StuttgartUlrich Manz, Rektor der Schiller-Schule Esslingen(Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule)Horst Neumann, Ministerialrat, Ministerium für Umwelt undVerkehr Baden-Württemberg, StuttgartAngelika Schober-Penz, Studienassessorin, Ministerium fürUmwelt und Verkehr Baden-Württemberg, StuttgartKarin Schröer, Reallehrerin, Eichendorff-RealschuleReutlingen

Anschrift der Redaktion:70184 Stuttgart, Stafflenbergstraße 38Tel. (0711) 16 40 99-42/45, Fax (0711) 16 40 99-77

E-Mails der Redaktion:[email protected]@lpb.bwl.de

Politik und Unterricht erscheint vierteljährlich

Preis dieser Nummer: DM 5,–

Jahresbezugspreis DM 20,–. Unregelmäßig erscheinendeSonderhefte werden zusätzlich mit je DM 5,– in Rechnunggestellt.

Verlag: Neckar-Verlag GmbH78050 Villingen-Schwenningen, Klosterring 1

Druck: Baur-Offset GmbH & Co.78056 Villingen-Schwenningen, Lichtensteinstraße 76

Namentlich gezeichnete Beiträge geben nicht unbedingt dieMeinung des Herausgebers und der Redaktion wieder.

Nachdruck oder Vervielfältigung aufelektronischen Datenträgern sowie Einspeisung inDatennetze nur mit Genehmigung der Redaktion.

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DEUTSCHLANDWÄCHST ZUSAMMENEine Zwischenbilanz nach zehn Jahren

Vorwort des Herausgebers __________________ 1

Geleitwort des Ministeriumsfür Kultus, Jugend und Sport ________________ 2

Autor dieses Heftes ________________________ 2

Werkstattseminar „Von der DDR zurBundesrepublik Deutschland“ ______________ 2

Unterrichtsvorschläge

Einleitung __________________________________ 3

Literaturhinweise____________________________ 7

Baustein AVereint und doch nicht eins __________________ 8

Baustein BGesellschaftlicher Wandel in Ostdeutschland __ 9

Baustein CVom Plan zum Markt ________________________ 12

Baustein DEinheit braucht Zeit ________________________13

(Alle Bausteine: Gerhart Maier)

Diskussionsforum __________________________U 3

AV-Medien zum Thema ____________________ U 3

Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler ________ 15–48

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VorwortdesHerausgebers

Am 3. Oktober 1990 haben die Deutschen „in freier Selbst-bestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands vollen-det“. Seither gilt das Grundgesetz „für das gesamte Deut-sche Volk“. So steht es in der neu gefassten Präambel desGrundgesetzes.

Das ist zehn Jahre später zweifellos ein Grund zum Feiern.Doch in den Jubel mischen sich auch besorgte Stimmen.1990 wurde der Beitritt der DDR zur Bundesrepublik als un-verhofftes Geschenk der Geschichte euphorisch begrüßtund die Zukunft in den schönsten Farben ausgemalt. Heutehaben Ungeduld und enttäuschte Erwartungen zuweilen inVerdruss und neue Entfremdung umgeschlagen. Ist wirklichzusammengewachsen, was zusammengehörte, oder sindan die Stelle der alten Mauern jetzt andere getreten?

Das vorliegende Heft will zu einer vorurteilsfreien Bestands-aufnahme beitragen. Als Grundlage werden zunächst nebenden wichtigsten Ereignissen die Ausgangslage und die Er-gebnisse knapp dokumentiert. Die folgenden Bausteine un-tersuchen, welche Umwälzungen die so genannte Wendefür die Menschen in den neuen Bundesländern mit sichbrachte – auf gesellschaftlicher Ebene und bei der Umstel-lung des Wirtschaftssystems. Der Schlussteil öffnet die Au-gen für die Tatsache, dass sich die äußeren Umstände oftrascher ändern als die Mentalitäten der Menschen.

Politik & Unterricht ist keine Festschrift und keine Aufsatz-sammlung. Die didaktischen Anregungen und die vielen,auch kontroversen Materialien sollen einen lebendigen Un-terricht unterstützen. Zum ersten Mal haben bei einemWerkstattseminar Schüler, Referendare und Fachleiter mitdem Autor gemeinsam erörtert, was dafür notwendig undgeeignet ist. Besonders die Fülle des Materials und derZwang zur Kürze wurden dabei als bedrückend empfunden.

Wer Lücken sucht, wird sie finden. Doch die Landeszentralefür politische Bildung bietet für Interessierte weitere Veröf-fentlichungen an. Fast gleichzeitig erscheint in der ReiheDeutschland & Europa ein Heft zu den internationalenAspekten der deutschen Vereinigung; in der zweiten Jahres-hälfte folgt „Der Bürger im Staat“ mit wissenschaftlichenAufsätzen zur Lage in Deutschland-Ost und -West. Wir hof-fen, mit diesem umfassenden Publikationsangebot den Er-wartungen unserer Leserinnen und Leser zu entsprechen.

Siegfried SchieleDirektor der Landeszentrale für politische BildungBaden-Württemberg

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Deutsche Fragen 2000: Ist Deutschland ein normaler Staat? Wer sind wirDeutschen? Sind wir eine Nation mit gebrochener Identität? Auch zehn Jahrenachdem „die deutsche Frage“ ihre Antwort gefunden hat, wird weitergefragt.Auf Tagungen und in Diskussionen wird versucht, den inneren StandortDeutschlands zu finden. Gleichzeitig wird Bilanz gezogen: Was wurde er-reicht? Was ist noch zu tun?

Von außen betrachtet scheint klar, was erreicht wurde: Ein gewaltiger und zu-mindest aus der Sicht des Auslandes auch gelungener Transformationspro-zess hat Deutschland verändert – wenn auch sicher den östlichen Teil mehrals den westlichen.

Was nicht erreicht wurde, was zu tun bleibt, steht aus der Innensicht im Vor-dergrund: Skeptiker sehen Ost- und Westdeutsche weiter voneinander ent-fernt als je. Auch wenn häufig nur Ressentiments hin- und hergeschoben wer-den, sind erhebliche Unterschiede zwischen den Gesellschaften in Ost- undWestdeutschland nicht zu leugnen. Unter ganz verschiedenen Bedingungenhaben sich westdeutsche und ostdeutsche Biografien entwickelt. So unter-schiedlich die Biografien, so unterschiedlich sind die Sichtweisen, Einstellun-gen und Erwartungen: Wer die Entstehung der Mauer miterlebte, wem ihr Fallund das Ende der Teilung die Aufhebung eines Zustandes war, den er schonimmer ablehnte, der wird die deutsche Einheit anders betrachten als derje-nige, der, sozialisiert in einer west- oder ostdeutschen Gesellschaft, die Exis-tenz zweier deutscher Staaten vielleicht ganz pragmatisch akzeptierte, oderanders als diejenigen, die mit der deutschen Einheit ganz selbstverständlichaufwachsen, die heutigen Jugendlichen. Diese Unterschiede in der Wahrneh-mung müssen in der Schule beachtet werden, vor allem, weil hier ungleicheErfahrungsmuster zusammentreffen.

Rechtzeitig zum zehnten Jahrestag der Vereinigung beschäftigt sich das vor-liegende Heft der Landeszentrale für politische Bildung mit der neuen Bun-desrepublik und dem Prozess der Annäherung zwischen Deutschland Ostund Deutschland West. Das Ministerium für Kultus, Jugend und Sport siehtdies als wichtigen Beitrag für ein gegenseitiges Verständnis und hofft, dassSchülerinnen und Schüler durch ein Auseinandersetzung mit der Frage der in-neren Einheit Deutschlands für die Problematik sensibilisiert werden und dassdadurch die Ungeduld auf beiden Seiten geringer wird.

Johanna SeebacherMinisterium für Kultus, Jugend und Sport

Geleitwortdes Ministeriumsfür Kultus, Jugendund Sport

Werkstattseminar „Von der DDR zur Bundesrepublik Deutschland“17. bis 18. September 1999, Internationales Forum Burg Liebenzell, Bad Liebenzell

Fachleiter der Staatlichen Seminare für Schulpädagogik (Gymnasien) Esslingen und Stuttgart II, ein Lehrer desGymnasiums Metzingen, Studienreferendare am Staatlichen Seminar für Schulpädagogik (Gym) in Esslingenund Schüler des Gottlieb-Daimler-Gymnasiums Stuttgart-Bad Cannstatt haben an zwei Tagen Konzeption undManuskriptentwürfe für das Heft intensiv erörtert und auf Praxistauglichkeit geprüft. Sie haben damit wesent-lich zur Gestaltung dieser Ausgabe beigetragen. An der Werkstatt haben teilgenommen:

Otto Bauschert, P&U, LpB Stuttgart Stefan Kurz, Schüler, StuttgartSusanne Blessing, StRef’in, Süßen Sebastian Laur, StRef, Heidenheim/BrenzGoran Dakic, Schüler, Stuttgart Jan Lüken, Schüler, StuttgartWolf-Rüdiger Größl, StD, Esslingen Gerhart Maier, Prof. i.R., EsslingenKim Hauer, Schüler, Stuttgart Karsten Rechentin, StR, NürtingenFrank Haussmann, StRef, Kirchheim/Teck Sylvia Rösch, LpB, StuttgartArne Heineken, Schüler, Stuttgart Oliver Roß, StRef, Geislingen/SteigePeter Imhof, StRef, Tübingen Lothar Schaechterle, StD, Kernen-StettenEberhard Keil, OStR, Marbach Martina Speier, StRef’in, Stuttgart

Leitung: Gerhart Maier, Organisation: Sylvia Rösch, Otto Bauschert

Autor dieses Heftes: Gerhart Maier, Professor i.R., Esslingen am Neckar

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DEUTSCHLAND WÄCHST ZUSAMMENEine Zwischenbilanz nach zehn Jahren

Einleitung

Zehn Jahre vereinigtes Deutschland

Wie selbstverständlich nehmen wir Deutsche es in-zwischen hin, dass die Fernseh-Wetterkarte beideTeile Deutschlands umfasst, dass von der un-menschlichen Mauer in Berlin nur noch einige Erin-nerungsstücke stehen geblieben sind und dass wirohne jegliche Grenzkontrolle nach Leipzig, Magde-burg und Rostock reisen können. Und doch liegtdas „Wunder der Einheit“, das noch am Anfang desJahres 1989 nur ganz wenige für möglich hielten,erst zehn Jahre zurück.

Heute ist es an der Zeit, sich erneut der Tragweitedieses Ereignisses zu vergewissern, den glücklichenAbschluss der „Deutschen Frage“ zu würdigen undeine nüchterne, aber aufs Ganze gesehen positiveBilanz des bisherigen Transformationsprozesses zuziehen. „Dass der Übergang in den Alltag des ver-einten Deutschland unweigerlich den Überschussan Hoffnungen vernichten würde, ist nicht verwun-derlich. Niemand konnte im Ernst erwarten, dasssich die Verhältnisse, die zum Bankrott des politi-schen, ökonomischen und gesellschaftlichen Sys-tems der DDR geführt hatten, durch den Beitritt zumWesten schlagartig verbessern ließen“1. Trotzdemsollten die bisher vollbrachten Um- und Aufbauleis-tungen in Ostdeutschland und die vielfältigenAnnäherungen zwischen den Deutschen in den al-ten und den neuen Ländern nicht geschmälert wer-den.

Dabei darf man freilich fortbestehende Unterschiedein den Einstellungen und in den Lebensumständennicht verharmlosen; sie sind vielmehr aus der Tatsa-che zu erklären, dass die Deutschen über vier Jahr-zehnte getrennt waren und sehr verschiedene „Ge-schichten“ haben. Zum besseren Verständnisfortdauernder Disparitäten und unterschiedlicherBefindlichkeiten in Ost und West müssen aber auchdie Folgen des Wandels in den neuen Bundeslän-dern und die Nichterfüllung überzogener Hoffnun-gen beleuchtet werden.

Der Wandel der Rahmenbedingungen

Schließlich darf man nicht übersehen, dass sich dieRahmenbedingungen, innerhalb derer sich der Eini-

gungsprozess vollzieht, in den letzten zehn Jahrendramatisch geändert haben:

• Die Sowjetunion ist in mehrere Staaten auseinan-dergebrochen;

• die Aufnahmefähigkeit der osteuropäischenMärkte ist seit 1989 spürbar geschrumpft;

• die Europäische Union ist durch den Beitritt weite-rer Staaten größer geworden; ihre Kompetenzenzur Einwirkung auf die einzelstaatliche Politik wur-den erweitert;

• die Globalisierung stellt die Politik vor neue He-rausforderungen und schränkt gleichzeitig ihreGestaltungsfunktion ein;

• die Industriegesellschaft befindet sich im Wandelzur Wissens- und Informationsgesellschaft;

• Automatisierung, Rationalisierung und Vernetzungvernichten zahlreiche traditionelle Arbeitsplätze;

• grenzüberschreitende Fusionen von Unternehmenverstärken den Trend zur Internationalisierung desWirtschaftslebens;

• viele Berufsbilder sterben aus; die Planung vonberuflichen Lebensläufen ist fragwürdig gewor-den.

Die Vereinigungsprobleme sind also nur ein – relativkleiner – Teil der Herausforderungen und Unsicher-heitsfaktoren, mit denen die Menschen während derletzten zehn Jahre konfrontiert worden sind.

Blockausgabe der Deutschen Bundespost zum ersten Jah-restag der Öffnung der innerdeutschen Grenze und der Ber-liner Mauer

1 Hans-J. Misselwitz (1996), S. 21 f.

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Für Deutschland hat mit dem Vollzug der Einheiteine neue Zeit begonnen. Obwohl die meistenWestdeutschen wollten, dass nach der Vereinigungmöglichst alles so bleiben sollte, wie es zuvor ge-wesen ist, und die Ostdeutschen nichts sehnlicherwünschten, als dass es auch bei ihnen so werde,wie es 40 Jahre lang im Westen war, hat sich nichtnur Ostdeutschland, sondern auch der Westen derBundesrepublik in den letzten Jahren grundlegendgewandelt. Das Koordinatensystem, in welchemman vor der Wende in der DDR gelebt hat, wurdedurch ein völlig neues abgelöst. Die Landschaften,die Städte und die Menschen in Ostdeutschland, dievorher weitgehend Terra incognita und eher fremdwaren, sind nun ein Ganzes. Die Ostdeutschen ha-ben ihre Geschichte und ihre Erfahrungen mit demSED-Staat mit ins vereinigte Deutschland gebracht;sie wollen ernst genommen werden, haben An-sprüche, stellen Forderungen und beeinflussendurch ihr Verhalten die gesellschaftliche und politi-sche Landschaft in Gesamtdeutschland. Die wirt-schaftlichen Schwierigkeiten in den neuen Ländern– Produktivitätsrückstände, Arbeitslosigkeit, ökolo-gische Altlasten und Absatzprobleme – wirken sich,ob wir das immer merken oder nicht, auf die Kon-junkturdaten und den Wohlstand auch in West-deutschland aus.

Kultur und Lebensformen, Gesellschaftsbild undMentalitäten sind in Ost- und Westdeutschland kei-neswegs identisch. Auch „nach der Vereinigung be-steht die Ost-West-Spaltung in Deutschland nichtnur fort, sie scheint sich paradoxerweise sogar ver-tieft zu haben. Der Wiedervereinigung ist eine Wie-derentfremdung gefolgt“3.

Phasen auf dem Weg zur Einheit

Die Transformationsforschung unterscheidet für dieUmstrukturierung Ostdeutschlands seit 1990 undfür den dabei beobachteten Mentalitätswandel dreiPhasen:

1990 bis 1992: Euphorie und Aufbruchsstimmung,Hoffnung auf eine baldige Angleichung des Lebens-standards in Ostdeutschland an das westliche Ni-veau, Bereitschaft der Ostdeutschen zur Anpassungan westliche Arbeits- und Lebensbedingungen

1993 bis 1998: Enttäuschung über den langsamenAufholprozess bei den Ostdeutschen und Unzufrie-denheit über die hohen Transferleistungen in West-deutschland, Zunahme der Insolvenzen, hohe Ar-beitslosigkeit, depressive Stimmungslage im Osten

1999 bis heute: Stabilisierung des wirtschaftlichenAufschwungs in den neuen Bundesländern, zuneh-mende Akzeptanz der längeren Dauer des Aufhol-prozesses, wachsendes Selbstwertgefühl der Ost-deutschen, Angleichung der Einschätzung vonZukunftsaussichten in beiden Teilen Deutschlands(vgl. A 18).

Die Materialien im vorliegenden Heft beschreibenalle drei Phasen; sie sind so ausgewählt, dass dieAdressaten zur eigenständigen Stellungnahme he-rausgefordert werden und dass diese einen mög-lichst unmittelbaren Zugang zu den Voraussetzun-gen und Folgen der Wiedervereinigung findenkönnen.

Bleibende Herausforderungen

Dieses Heft informiert über die Situation, in welchersich Deutschland zehn Jahre nach der Vereinigungbefindet. Fortbestehende Disparitäten und Missver-ständnisse zwischen Ost- und Westdeutschen wer-den aufgezeigt, die großen wirtschaftlichen Pro-bleme beim „Aufbau Ost“ sind in einem eigenenBaustein dokumentiert, die nachträgliche Verklärungder desolaten gesellschaftlichen und politischen Zu-stände im SED-Staat wird beschrieben. Dennochdürfen die Schülerinnen und Schüler nicht mit einemschier unüberwindlichen Problemberg aus dem Un-terricht entlassen werden. Es geht darum, die posi-tive Perspektive zu sehen, denn „die beiden deut-schen Gesellschaften, so unterschiedlich sie in denvierzig Jahren ihrer Teilung geworden sind, habenviele Gemeinsamkeiten in ihrer Vergangenheit be-wahrt ... Diese Gemeinsamkeiten kommen in der

Ostdeutsche Jugendliche zur deutschen Einheit

Ergebnisse einer Längsschnittstudie in Sachsen (Angaben in Prozent). Frage: Wie stehen Sie zur Verei-nigung von DDR und BRD?

(1 = sehr dafür; 2 = eher dafür als dagegen; 3 = eher da-gegen als dafür; 4 = sehr dagegen)

Jahr 1 + 2 3 + 4

1990 71 291991 69 311992 80 201993 81 191994 85 151995 85 151996 85 151998 85 16

Nach: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43/44 vom 22. Oktober 1999, S. 23.

„Als 1989 die Mauer in Berlin fiel, sahen wenige die Schwie-rigkeiten voraus, die die Neuvereinigung so unterschiedlicherpolitischer Kulturen bringen würde. Das große Problem lagdarin, dass zwei Gesellschaften zusammenfinden müssen,die sich beide in rascher Entwicklung befinden, freiwillig oderunfreiwillig. Alle Versuche, gegenseitige Rechnungen aufzu-machen, „Errungenschaften“ zu retten oder in Kategorienvon „Abbau“ oder „Rückbau“ zu denken, kranken an demMangel an dieser Einsicht: Beide Gesellschaften entwickelnsich weiter, während sie aufeinander zugehen, und die Ge-fahr, dabei aneinander vorbeizugehen, ist groß“2.

2 Martin und Sylvia Greiffenhagen; in: Stuttgarter Zeitungvom 11. Dezember 1993, S. 49

3 Edelbert Richter (1998), S. 5

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gemeinsamen Verantwortung für die gelingende ge-sellschaftliche Vereinigung zum Ausdruck, zu der eskeine Alternative gibt“4.

In allen vier Bausteinen werden deshalb zwar diefortbestehenden Unterschiede und die Problemeder Deutschen Einheit, die zum Teil erst nach derWende und während des zehnjährigen Vereini-gungsprozesses deutlich geworden sind, dokumen-tiert, andererseits werden aber auch die Erfolge undMöglichkeiten zur Bewältigung noch bestehenderAufgaben aufgezeigt. (Vgl. die Materialien D 20 bis D 25.)

In seiner Rede zum Stand der Deutschen Einheitsagte Bundeskanzler Gerhard Schröder im April1999: „Machen wir uns keine Illusionen: Die Unter-schiede in der Befindlichkeit, auch im Geschichts-bewusstsein, die gegenseitigen Ressentiments wer-den wohl noch eine ganze Weile bestehen bleiben...Diese Unterschiede sind ... nicht nur die Folge vonvierzig Jahren Teilung, sondern auch von zehn Jah-ren Erfahrungen mit der Einheit“.5

Die Umwandlung der geschlossenen sozialistischenGesellschaft in der ehemaligen DDR in eine offenedemokratische Gesellschaft und die Überführungder staatlich gelenkten Zentralverwaltungs- oderKommandowirtschaft in eine Marktwirtschaft sindVorhaben ohne Beispiel, zumal wenn für diesen Pro-zess nur eine sehr kurze Zeitspanne zur Verfügungsteht. Die Vereinigung bildet eine fortdauernde He-rausforderung für die deutsche Politik und die deut-sche Gesellschaft.

Das Thema im Unterricht

Allein die Absicht, Ziele, Methoden, Erfolge undRückschläge dieses gewaltigen Transformations-prozesses aufzuzeigen, rechtfertigt schon dessenausführliche Thematisierung im Politik- und Ge-schichtsunterricht der Schulen. Dabei geht es vorallem darum, das Ausmaß und die Bedeutung die-ses Vorganges zu vermitteln, aber auch Perspekti-ven zu erörtern.

Zwischen den Ost- und den Westdeutschen beste-hen sowohl in den Lebensumständen als auch inden Mentalitäten erhebliche Unterschiede. „Bisheute ticken die Uhren im Osten anders... Längst istklar, dass Unterschiede bleiben werden“6. Es gehtnicht darum, Verschiedenheiten und Probleme desZusammenwachsens zu ignorieren, einzuebnenoder gar einfach unter den Tisch zu kehren, not-wendig ist vielmehr die bestehende Andersartigkeitbewusst zu machen, zu begründen und zu akzeptie-ren. Es geht nicht darum, den „Einheitsdeutschen“zu erfinden, die Aufgabe besteht vielmehr darin, dieBesonderheiten der Anderen zu verstehen und sichfür die Anderen zu interessieren (vgl. Baustein D).

Es ist die deutsche Wirklichkeit, die wir aufzeigen,wenn wir im Unterricht die häufig befremdlichen Er-gebnisse der Vereinigung beschreiben. „Wenn wirüber das Thema „Mauer in unseren Köpfen“ reden,wird diese Mauer schon kleiner. Denn das Baumate-rial, aus dem diese Mauer besteht, ist hauptsächlichdie Unkenntnis voneinander“7.

Die Geschichte der Menschen in der ehemaligenDDR ist seit der Vereinigung zu einem Bestandteilder gesamtdeutschen Geschichte geworden, wenn-gleich sie 40 Jahre lang völlig anders verlaufen istals die Geschichte der alten Bundesrepublik. Ausder intensiven Beschäftigung mit den Zuständen imSED-Staat, aber auch aus der Geschichte des zehn-jährigen Transformationsgeschehens können diewestdeutschen Jugendlichen zu einer angemesse-nen Einstellung gegenüber der heutigen Situation inOstdeutschland gelangen.

Der Beitrag des Faches Geschichte zum Thema„Zehn Jahre vereinigtes Deutschland“ kann dahergar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Eine Be-trachtung, die lediglich den Ist-Zustand analysiert,ist notgedrungen zum Scheitern verurteilt. „DieWestdeutschen müssen, wenn ihnen die Ostdeut-schen nicht fremde Wesen bleiben sollen, sich einwenig vorstellen, wie es in der DDR zugegangen istund wie sich den Ostdeutschen der Wandel und dieneue Situation, in der sie leben, darstellt“8.

Nur aus der Geschichte erklären sich Einstellungen,Ressentiments und Rückbindungen an die vergan-gene DDR-Gesellschaft. Nur aus der Geschichtewird aber auch die ungeheure Herausforderung er-kennbar, vor welcher die Ostdeutschen standen, alssie sich – geradezu schlagartig – in einem gänzlichanderen politischen und wirtschaftlichen Systemwiederfanden (vgl. B 1 bis B 7).

4 Peter Steinbach; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 15/98 vom 11. Dezember 1998, S. 30

5 Presse- und Informationsamt der Bundesregierung: Bulle-tin vom 20. April 1999, S. 982

6 Hans-J. Misselwitz (1996), S. 22 und S. 37

7 Manfred Stolpe: Demokratie wagen, Marburg 1994, S. 278 Richard Schröder: Probleme der inneren Einheit, Köln

1996, S. 9

Schlechte Aussichten? Zeichnung: Henniger, 1994

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• Das Ausmaß des Wandels in Ost- und West-deutschland während der letzten zehn Jahre erar-beiten

• Die unterschiedliche Betroffenheit durch diesenWandel abschätzen

• Ziele und Methoden des Einigungsprozesses be-schreiben

• Die Erfolge des bisherigen Transformationsge-schehens bewerten

• Fortbestehende Probleme der Vereinigung derbeiden Teile Deutschlands kennen, die Ursachedafür und Perspektiven erörtern

• Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Deut-schen in Ost und West benennen

• Verständnis für andere Verhaltensweisen und Ein-stellungen entwickeln

• Andersartigkeit und Vielseitigkeit in Lebensformenund Einstellungen im vereinten Deutschland alsChance begreifen

Überlegungen zu den Methoden

Gruppenarbeit. Es wird empfohlen, die BausteineB, C und D jeweils einer Gruppe zur Auswertung zu-zuweisen und diese Gruppen aufzufordern, die Ar-beitsergebnisse für das Plenum zusammenzufas-sen. Die gemeinsame Aufgabenstellung, die für dieIntegration der Einzelergebnisse unerlässlich ist,kann für alle Arbeitsgruppen folgendermaßen lau-ten:• Welche Probleme ergaben sich in den Bereichen

Gesellschaft, Wirtschaft und Einstellungen (Men-talitäten) aus dem Einigungsprozess?

• Wie sind diese Probleme zu erklären?• Welche Lösungswege bieten sich an?

Fächerverbindung. Die Bedeutung des Themas„Deutschland wächst zusammen“ legt eine Hervor-hebung aus dem Unterrichtsalltag nahe; dafür ist einfächerverbindendes Projekt besonders geeignet. Da

sehr unterschiedliche Aspekte zu berücksichtigensind, sollten mindestens folgende Fächer an einemderartigen Projekt beteiligt werden:

Geschichte (Leben in der DDR, Der SED-Staat)

Gemeinschaftskunde (Transformationsprozesse,Parteiensysteme in den neuen und den alten Bun-desländern)

Geografie (Das Wirtschaftssystem der DDR im Ver-gleich mit der Sozialen Marktwirtschaft, Wirtschaft-liche und ökologische Erblasten, Wohlstandsinselnund industrielle Brache in den neuen Bundeslän-dern)

Deutsch (Literatur zur Wende in der DDR, Die Situa-tion ostdeutscher Schriftsteller vor und nach demUmbruch).

Zusammenarbeit mit einer ostdeutschen Schule

Das natürliche Interesse an persönlichen Schicksa-len, Lebensformen und Einstellungen Gleichaltrigerkann als produktiver Zugang zu unserem Themaaufgegriffen werden. Dabei bearbeitet die Klasse Er-gebnisse und Herausforderungen der Vereinigungzusammen mit einer ostdeutschen Schulklasse ineinem gemeinsamen Projekt. Der Austausch derFragen, Stellungnahmen und Arbeitsergebnisse er-folgt durch das Internet, notfalls auch auf schriftli-chem Wege. Die ostdeutschen Kultusministerienoder Oberschulämter vermitteln geeignete Schulenund Klassen in den neuen Bundesländern. Die Prä-sentation der zusammengetragenen Informationenund Stellungnahmen erfolgt zeitgleich an beiden be-teiligten Schulen.

Ein solches Gemeinschaftsprojekt wird in drei Pha-sen durchgeführt. Zunächst befragen sich die bei-den Schulklassen in West- und Ostdeutschland ge-genseitig über aktuelle Einstellungen undVerhaltensweisen, dazu wird gemeinsam ein Frage-bogen entworfen, der etwa folgende Aspekteberücksichtigt:

– Situation an der Schule (Schulorganisation,Fächer, Stundenpläne)

– Tagesablauf

– Freizeitbeschäftigungen und Hobbys

– Fernsehkonsum (Dauer, bevorzugte Sender undSendungen)

– Präferenzen für Musik- und Filmstars

– Zugehörigkeit zu Fanclubs

– politische Einstellungen (z.B. Parteipräferenzen)

– Ausstattung mit Videokameras, Kassettenre-kordern, Internetzugang usw.

In einer zweiten Phase befragen sich die Klassennach ihren jeweiligen Erfahrungen mit dem Vereini-gungsprozess. Dabei ist es unerlässlich, dass sichauch die westdeutschen Schülerinnen und Schüler

Ziele des Unterrichts

• Sich über die Wende in der DDR und den Weg zurVereinigung Deutschlands informieren

• Die Situation der Menschen in den neuen Bun-desländern während des Transformationsprozes-ses kennen lernen

Vorschläge für einen Handapparat

Bundeszentrale für politische Bildung: Die Wende in derDDR, Bonn 1991 • Hermann Glaser (Hg.) (1999) • Con-rad Lay/Tanja Bürgel (Hg.) (1995) • Statistisches Bun-desamt (Hg.) (1997) • Helmut Wiesenthal (1999) – Wolle,Stefan (1999) • Deutschland und Europa, Heft 40: Dasvereinigte Deutschland in Europa (2000) • Der Bürger imStaat 4/2000 (erscheint im vierten Quartal 2000)

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über die Auswirkungen der Vereinigung auf ihre ei-gene Situation Klarheit verschaffen. In diesem Ar-beitsschritt wird deutlich werden, dass die Ostdeut-schen viel stärker von der Vereinigung betroffen sindals die Westdeutschen. Es können auch kurze bio-grafische Skizzen über die letzten zehn Jahre zwi-schen den Schülerinnen und Schülern aus beidenTeilen Deutschlands ausgetauscht werden.

In der letzten Phase wird das gemeinsame Projekterweitert: Die Schülerinnen und Schüler erforschenjetzt die allgemeine Stimmungslage in Ost und Westnach zehn Jahren Vereinigung. Dazu muss ein knap-per Fragebogen entworfen werden, der sowohl inden Schulgemeinden der alten und der neuen Bun-desländer eingesetzt werden kann. Die Materialiendes vorliegenden Heftes bieten eine Fülle von Anre-gungen für diesen Fragebogen.

Weitere Projekte

Als Vorschläge zur Handlungsorientierung9 bietensich an:

• Die Gruppe entwirft den Plan für eine Reise durchdie neuen Bundesländer. Dabei sollen die Schüle-rinnen und Schüler historische Orte der deutschenNachkriegsgeschichte in Ostdeutschland, aberauch Städte und Regionen, an welchen die Folgendes Wirtschaftssystems der ehemaligen DDR unddes Transformationsprozesses sichtbar werden, ineiner Reiseroute zusammenstellen und in Form ei-nes kleinen Baedekers beschreiben. Beispiele:Reste der Grenzbefestigungen und der BerlinerMauer, DDR-Regierungsgebäude in Ost-Berlin,Gefängnisanstalt in Bautzen, Trabi-Werke inZwickau, großflächige Landwirtschaft und ehema-lige LPG’s in Mecklenburg-Vorpommern, stillge-legte Bergwerke in Ostthüringen, Plattenbausied-lungen bei Rostock. Stadtsanierung in Dresden,neue Ferienanlagen auf Rügen oder in Mecklen-burg-Vorpommern, Nikolai-Kirche in Leipzig, Ale-xanderplatz und neue Regierungsbauten in Berlin,Jenoptik in Jena, Opel-Werk in Eisenach.

• Die Schülerinnen und Schüler gestalten Plakatezum Tag der deutschen Einheit, in welchen sie dieerfolgreiche Vereinigung oder fortbestehende Pro-bleme in knapper und eindrucksvoller Weise zumAusdruck bringen. Dabei kann der Kunstunterrichtbeteiligt werden.10

• Die Klasse schreibt ein Hörspiel oder gestalteteine Gesprächsszene, in welchen „Ossis“ und„Wessis“ aufeinander treffen und ihre Meinungenund Erfahrungen nach zehn Jahren Vereinigungaustauschen. Die Materialien im vorliegenden Heftbieten dazu zahlreiche Anregungen.

Gerhart Maier

9 Vgl. Werner Heil/Gerhart Maier: 50 Jahre BundesrepublikDeutschland – was kann die Schule daraus machen?; in:Lehren und Lernen 1999/4, S. 31–37

10 dies.: Jubiläen und Gedenktage – ihr Platz in der Schule;ebenda, S. 28–30

LiteraturhinweiseBertram, Hans (Hg.): Regionen im Vergleich. Gesellschaftli-

cher Wandel in Ostdeutschland, Opladen (Leske+Budrich) 1997

Bertram, Hans u.a. (Hg.): Sozialer und demografischer Wan-del in den neuen Bundesländern, Opladen (Leske+Budrich) 1995

Böttiger, Helmut: Ostzeit/Westzeit, München (Luchterhand)1996

Bundesministerium für Wirtschaft (Hg.): Jahresbericht derBundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit1999, Berlin 1999

Dahn, Daniela: Westwärts und nicht vergessen. Vom Unbe-hagen in der Einheit, Reinbek bei Hamburg (Rowohlt)1997

Dieckmann, Christoph: Das wahre Leben im falschen. Ge-schichten von ostdeutscher Identität, Berlin (Ch. Links)1999

Dieckmann, Friedrich: Der Irrtum des Verschwindens, Leipzig(G. Kiepenheuer) 1996

Diewald, Martin/Mayer Karl Ulrich (Hg.): Zwischenbilanz derWiedervereinigung. Strukturwandel und Mentalität imTransformationsprozess, Opladen (Leske+Budrich) 1996

Eckart, Karl u.a. (Hg.): Wiedervereinigung Deutschlands, Ber-lin (Duncker & Humblot) 1998

Fischer, Wolfram u.a. (Hg.): Treuhandanstalt. Das Unmögli-che wagen, Berlin (Akademie) 1993

Fritze, Lothar: Die Gegenwart des Vergangenen, Weimar u.a.(Böhlau) 1997

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Gabriel, Oscar W. (Hg.): Politische Orientierungen und Ver-haltensweisen im vereinigten Deutschland, Opladen (Leske+Budrich) 1997

Gaus, Günter: Kein einig Vaterland, Berlin (Edition Ost) 1998

Gensicke, Thomas: Die neuen Bundesbürger. Eine Transfor-mation ohne Integration, Opladen (Leske+Budrich) 1998

Glaser, Hermann (Hg.): Die Mauer fiel, die Mauer steht. Eindeutsches Lesebuch 1989–1999, München (dtv) 1999

Grosser, Dieter: Das Wagnis der Währungs- und Sozialunion,Stuttgart (Deutsche Verlagsanstalt) 1998

Hardtwig, Wolfgang/Winkler, Heinrich August (Hg.): DeutscheEntfremdung. Zum Befinden in Ost und West, München,(C.H. Beck) 1994

Hettlage, Robert/Lenz, Karl (Hg.): Deutschland nach derWende. Eine Zwischenbilanz, München (C.H. Beck) 1995

Hickel, Rudolf/Priewe, Jan: Nach dem Fehlstart. Ökonomi-sche Perspektiven der deutschen Einigung, Frankfurt/M.(Fischer) 1994

Jarausch, Konrad H.: Die unverhoffte Einheit, Frankfurt/M.(Suhrkamp) 1995

Kleßmann, Christoph/Wagner, Georg (Hg.): Das gespalteneLand: Leben in Deutschland 1945 bis 1990. Texte undDokumente, München (C.H. Beck) 1993

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8

Kollmorgen, Raj u.a. (Hg.): Sozialer Wandel und Akteure inOstdeutschland, Opladen (Leske+Budrich) 1996

Krüger, Heinz-Hermann u.a. (Hg.): Transformationsproblemein Ostdeutschland, Opladen (Leske+Budrich) 1995

Lay, Conrad/Bürgel, Tanja (Hg.): Gemeinsam sind wir unter-schiedlich, Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung)1995

Maier, Charles S.: Das Verschwinden der DDR und der Un-tergang des Kommunismus, Frankfurt/M. (Fischer) 1999

Merkel, Wolfgang: Systemtransformation, Opladen (Les-ke+Budrich) 1999

Misselwitz, Hans-J.: Nicht länger mit dem Gesicht nach Wes-ten. Das neue Selbstbewusstsein der Ostdeutschen,Bonn (Dietz) 1996

Opp, Karl-Dieter: Die enttäuschten Revolutionäre, Opladen(Leske+Budrich) 1997

Richter, Edelbert: Aus ostdeutscher Sicht, Weimar u.a.(Böhlau) 1998

Schlesinger, Klaus: Von der Schwierigkeit, Westler zu wer-den, Berlin (Aufbau) 1998

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Siebert, Horst: Das Wagnis der Einheit, Stuttgart (DeutscheVerlagsanstalt) 1993

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Wegner, Manfred: Bankrott und Aufbau. Ostdeutsche Erfah-rungen, Baden-Baden (Nomos) 1995

Weidenfeld, Werner/Korte, Karl-Rudolf (Hg.): Handbuch zurdeutschen Einheit, Bonn (Bundeszentrale für politischeBildung) 1999

Westle, Bettina: Kollektive Identität im vereinten Deutsch-land, Opladen (Leske+Budrich) 1999

Wiesenthal, Helmut: Die Transformation der DDR. Verfahrenund Resultate, Gütersloh (Bertelsmann Stiftung) 1999

Wolle, Stefan: Die heile Welt der Diktatur. Alltag und Herr-schaft in der DDR 1971–1989, Berlin (Ch. Links) 1998.

Bildbände

Billhardt, Thomas/Hensel, Kerstin: Alles war so, alles war an-ders. Bilder aus der DDR, Leipzig (G. Kiepenheuer) 1999

Drommert, Günther (Hg.): 50 Jahre DDR. Der Alltag der DDR,Berlin (Schwarzkopf & Schwarzkopf) 1999

Handloik, Volker/Hauswald, Harald (Hg.): Die DDR wird 50.Texte und Fotografien, Berlin (Aufbau) 1998

Hölder, Egon (Hg.): Im Trabi durch die Zeit – 40 Jahre Lebenin der DDR, Stuttgart (Metzler-Poeschel) 1992

Lindner, Bernd: Die demokratische Revolte in der DDR1989/90, Bonn (Bundeszentrale für politische Bildung)1998

Ostkreuz-Agentur der Fotografen (Hg.): Östlich von Eden.Von der DDR nach Deutschland 1974–1999, Wien (Chr.Brandstätter) 1999

Vorsteher, Dieter (Hg.): Parteiauftrag: Ein neues Deutschland.Bilder, Rituale und Symbole der frühen DDR, Berlin(Deutsches Historisches Museum) 1996.

BAUSTEIN A

Vereint und doch nicht eins

Wunsch und Wirklichkeit Zeichnung: Mohr, 1990

1 Peter Förster; in: Aus Politik und Zeitgeschichte B 43–44/99 vom 22. Oktober 1999, S. 31

2 Cornelia Lang und Rüdiger Pohl; in: Deutschland Archiv2000/1, S. 9

Geglückt oder gescheitert?

Wer auf die zehnjährige Geschichte des vereinigtenDeutschland zurückblickt, stößt auf die Ambivalenzvon positiven und negativen Erscheinungsformendes Transformationsprozesses. OptimistischenWürdigungen des bisher Geleisteten stehen ein-schränkende, ja mitunter sogar von großer Unzufrie-denheit bestimmte Urteile gegenüber (vgl. C 2). Be-fragungsergebnisse zeigen, dass die deutscheEinheit inzwischen schon zur Selbstverständlichkeitgeworden ist und – von einer kleinen Minderheit ab-gesehen – nicht in Frage gestellt wird; „allerdingsstehen viele ... dem realen Vereinigungsprozessemotional mit ,gemischten Gefühlen‘ gegenüber, vorallem dann, wenn sie selbst von den negativen Fol-gen dieses Prozesses betroffen sind“1. Auch der je-weilige Bezugspunkt kann die Bewertung wesent-lich beeinflussen: „Es ist davon auszugehen, dassOstdeutschland im Vergleich zur westdeutschenReferenz wirtschaftlich schlechter, im Vergleich zu ...den Staaten Mittel- und Osteuropas aber besser da-steht“2.

Aus diesem Dilemma bezieht die unterrichtlicheAuseinandersetzung mit der deutschen Vereinigungwichtige Impulse, weil sich aus divergierenden Ur-teilen Fragen und Problemstellungen ergeben, diebei den Schülerinnen und Schülern Interesse unddie Bereitschaft wecken können, sich intensiv mitdem Thema Deutsche Einheit zu beschäftigen.

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9

Unterrichtspraktische HinweiseUm Problembewusstsein zu wecken, sollte die Kon-frontation zwischen der Euphorie des Anfangs undder Ernüchterung nach der Vereinigung möglichsteindringlich erfolgen; deshalb wird eine Gegenüber-stellung der Abbildungen A 1 und A 4 sowie der Zitate und Texte (A 2, A 3 und A 5) mit den Materia-lien A 8 bis A 15 empfohlen. Eine Vertiefung kanndurch die Auswertung der Umfrage unter Ostdeut-schen (A 17) erfolgen; hier wird deutlich, dass dieprinzipielle Bejahung der Wiedervereinigung (85Prozent!) keineswegs mit den Befindlichkeiten undmit der Integration in die Gesellschaft der Bundes-republik Deutschland korreliert. (Vgl. Schaubild 1.)

Bei der Beschäftigung mit der Zeittafel (A 16) emp-fiehlt es sich, die Schülerinnen und Schüler Eckda-ten auswählen zu lassen, zu denen sie für eineWandzeitung jeweils einen Kommentar verfassenund Bilder zur Illustration beschaffen.

Während der Beschäftigung mit den Materialien desBausteins A sollten die Schülerinnen und SchülerFragen formulieren, welche den weiteren Unter-richtsverlauf strukturieren: Ist die Vereinigung ge-glückt oder gescheitert? Warum folgte der anfängli-chen Begeisterung über die Wende und dieVereinigung alsbald der „Katzenjammer“? Wie siehteigentlich die objektive Bilanz aus? Was müssen wir

Schaubild 1Eine erste Bilanz der Deutschen Einheit

P l u s p u n k t e M i n u s p u n k t e

• Ende der deutschen Tei-lung

• Überwindung von Grenzeund Mauer durchDeutschland und Berlin

• Demokratie, Freiheit undRechtsstaatlichkeit füralle Deutschen

• Freizügigkeit für alleDeutschen

• Verbesserung der wirt-schaftlichen Situation inOstdeutschland

• Verbesserung der Infra-struktur und der Umweltin Ostdeutschland

• Beseitigung des Krisen-herdes „GeteiltesDeutschland“

• Stabilisierung von Sicher-heit und Frieden

• Völkerrechtliche Anerken-nung der deutschen Ost-grenze

• Mitgliedschaft Gesamt-deutschlands in der Eu-ropäischen Union undden Vereinten Nationen

„Wir stehen nicht am Ende, sondern am Anfang der Vereini-gung.“ (Werner Leich)

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• Fortbestehende Unter-schiede in Einstellungenund Verhaltensweisen

• Hohe Arbeitslosigkeit inden neuen Bundeslän-dern

• Enorme Kosten derDeutschen Einheit(Transferzahlungen)

• Unzufriedenheit in West-und Ostdeutschland mitden Ergebnissen derVereinigung

• Wachsender Rechts-extremismus in Ost-deutschland

wissen, um uns ein eigenes Bild über den Stand derVereinigung zu machen? Welche Unterschiede be-stehen tatsächlich zwischen Ost- und Westdeut-schen? Welche Folgen können sich aus diesen Un-terschieden ergeben?

Mögliche Aufgaben

A 1 bis A 4: Beschreiben Sie die Stimmung in Ost-und Westdeutschland nach der Öffnung der BerlinerMauer und der Grenze zwischen den beiden deut-schen Staaten.

A 5 bis A 7: Zeigen Sie die Folgen der Wende in derDDR auf.

A 5 und A 8: Vergleichen Sie die Abbildungen A 5und A 8 mit A 1 und A 4; formulieren Sie auf Grunddes Vergleichs eine zusammenfassende These.

A 9 bis A 15: Erarbeiten Sie die Gründe für den Um-bruch der Euphorie über die Wende zur Unzufrie-denheit über den Vereinigungsprozess (vgl. A 2 undA 3). Beschreiben Sie die Befindlichkeit und die Ein-stellung der in A 12 und A 13 zitierten Ostdeutschen(vgl. A 17 und A 22).

A 16: Wählen Sie fünf Ereignisse aus, die Ihnen be-sonders wichtig erscheinen. Begründen Sie IhreEntscheidung.

A 17 bis A 20: Versuchen Sie den Widerspruch zwi-schen prinzipieller Zustimmung zur Wiedervereini-gung und der persönlichen Befindlichkeit im verei-nigten Deutschland zu begründen (A 17, vgl. A 9, A 12 und A 20). Vergleichen Sie die Einschätzungder persönlichen Zukunft (A 18) sowie die wechsel-seitige Beurteilung (A 19).

A 21 bis A 24: Diskutieren Sie – ausgehend vonIhren Eintragungen in A 21 – die These „Die Wieder-vereinigung ist geglückt.“ (A 22; vgl. A 23 und A 24).

BAUSTEIN B

Gesellschaftlicher Wandelin Ostdeutschland

Der Transformationsschock

Die Gesellschaft in der DDR unterschied sich in vie-lerlei Hinsicht von der Gesellschaft in der Bundesre-publik Deutschland. Während die westdeutsche Ge-sellschaft bereits seit den späten fünfziger Jahreneine tiefgreifende Modernisierung durchlief, bliebdieser Wandel in Ostdeutschland in den Anfängenstecken oder wurde dort, wo er von einzelnen Grup-pierungen gefordert wurde, durch die Staatsmachtnachhaltig unterdrückt.

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Das Leben in der Diktatur und die permanenteFührung und Gängelung der Menschen durch Staatund Partei ließen Eigeninitiative und selbstbewuss-tes Handeln verkümmern. Die Bevölkerung der DDRarrangierte sich weitgehend mit dem System, ohnees mehrheitlich wirklich zu bejahen. Man nahm dievom Staat gewährte soziale Absicherung zustim-mend hin und lebte im Übrigen in einer „Nischenge-sellschaft“1, in welcher das Arbeitskollektiv, die Fa-milie und die Nachbarschaft eine zentrale Rollespielten.

Leben in der DDR

„Wollte der Einzelne seine Interessen durchsetzen, saher sich gezwungen, sich den politischen Maßgaben undRichtlinien weitgehend anzupassen. Nur dann hatte ereine Chance, mit Leistungen ... und Aufstiegschancenversorgt zu werden.“2

„Erfolge des Systems gab es, vom Sport einmal abge-sehen, in der DDR wenig... Aber die Lebensleistung derMenschen, die ... unter ungleich schwierigeren Bedin-gungen als im Westen ... ihre Heimat doch auch wiederaufgebaut haben, bleibt unberührt von der Erfolgslosig-keit und dem Zynismus des Systems, in dem sie lebenmussten. Sie mussten unter der Kuratel eines repressi-ven und totalen Überwachungsstaats Mitmenschlich-keit, Nähe und Anstand leben, und sie haben es getan.“3

„Er, sagt A, sei eine Art Mensch während der Arbeit inseinem Institut; eine andere Art Mensch in der Ver-sammlung; und eine dritte Art Mensch „privat“, abends,wenn er nach Hause kommt. Und er benutze auch inseinen drei Leben, die nicht miteinander zusammenhin-gen, verschiedene Arten von Wörtern: die wissenschaft-lichen, die politischen, die privaten – die er für die ei-gentlich menschlichen halte.“4

1 Vgl. Hans-Georg Wehling; in: Gerd Meyer/Jürgen Schröder(Hg.): DDR heute, Tübingen 1988, S. 63 f.

2 Wolfgang Schäuble; in: Das Parlament vom 23. April 1999,S. 5

3 Conrad Lay/Christoph Potting (Hg.) (1995), S. 29; vgl. D 13und D 14

4 Christa Wolf: Voraussetzungen einer Erzählung; zitiertnach: Metzler Aktuell Dezember 1999/25

Die Vereinigung traf die Menschen völlig unerwartet;sie wurde, als sich die Möglichkeit zum Zusammen-schluss der beiden deutschen Staaten abzeichnete,mit überwältigender Mehrheit begrüßt, aber zugleichauch maßlos mit Hoffnungen und utopischen Erwar-tungen überfrachtet, die teils von außen gewecktworden waren, teils immer in der DDR-Bevölkerunggeschlummert hatten. Es konnte daher gar nichtausbleiben, dass die Ostdeutschen von den Folgender Einheit überwältigt und enttäuscht wurden. Na-hezu alles änderte sich, vieles wurde besser, man-ches aber auch schlechter für die Menschen, diesich an eine umfassende staatliche Lenkung des so-zialen Lebens gewöhnt hatten. Die erforderlichenUmstrukturierungen und die Anpassung zahlreicherGesetze und Regelungen an die bundesrepublikani-sche politische und gesellschaftliche Ordnung

brach wie „eine kalte Dusche“ über die Menschen inden neuen Bundesländern herein. Die Notwendig-keit, sich von westdeutschen Fachleuten in dieneuen Lebensbedingungen einführen zu lassen,führte unausweichlich zu einem Gefühl der Unterle-genheit, aber auch zum trotzigen Aufbegehren ge-gen die „Besser-Wessis“. (vgl. B 1 bis B 7)

Auch wenn es in diesem Baustein zunächst darumgeht, den Schülerinnen und Schülern einen Einblickin die fortdauernden gesellschaftlichen Disparitätenzwischen den alten und den neuen Bundesländernzu ermöglichen, darf dennoch das bereits Erreichtenicht zu kurz kommen: „Die ehemalige DDR (ist)nicht das Armenhaus der Nation. Und sie entwickeltsich auch nicht rasant dorthin. Entgegen den Vorur-teilen ist die Armut in Ostdeutschland nicht drama-tisch gestiegen. Sie wächst seit der Wende, aberlangsamer als erwartet... Zwar verdient der Ossidurchschnittlich noch erheblich weniger als derWessi, aber die Kluft ist deutlich geschrumpft.“5

Unterrichtspraktische HinweiseZur Strukturierung und Veranschaulichung der indiesem Baustein angebotenen Materialien wird eineGegenüberstellung der Lebenssituation in der DDRund in den heutigen neuen Bundesländern empfoh-len, die man von den Schülerinnen und Schülern er-arbeiten lässt; diese Übersicht wird u.a. folgendeAngaben enthalten:

D a m a l s H e u t e

Umfassende staatli- Eigeninitiativeche Vorsorge

Massive lenkende Selbstverantwort-Eingriffe des Staates lichkeit und Freiheitin die Lebensgestal-tung

(Zwangs-)Mitglied- Freie Gruppenbil-schaft im staatlichen dung und freiwilligeJugendverband Zugehörigkeit zu

Organisationen und Vereinen

Einheitliches Bil- Nebeneinander ver-dungssystem schiedener Schular-

ten

Reisebeschränkun- Völlige Freizügigkeitgen/Ausreiseverbote

Arbeitsgesellschaft Freizeitgesellschaft

Mangelwirtschaft Überflussgesell-schaft

In einer zweiten Gegenüberstellung sammeln dieSchülerinnen und Schüler die fortbestehenden Un-terschiede (z.B. unterschiedliche Lebensstile, Fern-sehkonsum, Religionszugehörigkeit, Parteiensys-tem, Arbeitslosenquote, Immobilienbesitz) und

5 Klaus-Peter Schmid; in: Die Zeit vom 7. November 1997,S. 33

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Schaubild 2

Rechtsextremismusin den neuen Bundesländern

Ursachen? Phänomene Ursachen?

Nachwirkende DDR-Strukturen Folgen des Vereinigungsprozesses

Autoritäre Erziehung

Freund-Feind-Schemata

Unterdrückung der eige-nen Verantwortung

Propagandistische Verklä-rung der Wirklichkeit

Missbrauch der Begeiste-rungsfähigkeit der Jugend-lichen

Offizieller Antifaschismus bei Tolerierung des Rechts-extremismus durch die SED-Regierung

Mögliche Gegenmaßnahmen

Harte Bestrafung von rechtsradikalen Übergriffen durch die GerichteVerfolgung rechtsradikaler Gruppierungen durch die Polizei

Steigerung des Angebots an Ausbildungsplätzen und ABM-EinrichtungenAufklärungsarbeit durch die Schulen

Protestdemonstrationen gegen Rechtsradikalismus

Relativ hohe Zahl von jugendlichen Rechtsextre-

men (5–15%)

Verfolgung von Ausländernund Mitgliedern der linken

Szene

Schaffung und Verteidigung„national befreiter Zonen“

Offene Präsentation von NS-Symbolen

Hohe Arbeitslosigkeit

Unterlegenheitsgefühl gegen-über den Westdeutschen

Ablehnung der Bevormundungdurch die Westdeutschen

Schließung von Jugendeinrich-tungen

Perspektivenlosigkeit

Unzufriedenheit mit den Ergeb-nissen des Vereinigungspro-zesses

??Gemeinsamkeiten (z.B. soziale Sicherungssysteme,Bildungseinrichtungen, politische Ordnung, demo-kratische Prinzipien und Werte). Wenn es irgendmöglich ist, wird man hier Erfahrungsberichte vonSchülerinnen und Schülern, welche die neuen Bun-desländer besucht haben oder von dort stammen,einbauen. Positive Erfahrungen konnten auch mitBefragungsaktionen bei Verwandten und Bekanntengesammelt werden.

In besonders leistungsfähigen Gruppen kann dieAuswertung des unterschiedlichen Wählerverhal-tens (B 26 bis B 28) durch eine intensive Wahlana-lyse der letzten Volkskammerwahl (10. März 1990)und der Bundestagswahlen 1990 bis 1998 vertieftwerden.6

Mögliche Aufgaben

B 1 bis B 7: Stellen Sie die Veränderungen in Ost-deutschland seit 1990, die Ihnen besonders wichtigerscheinen, zusammen. Vergleichen Sie diese Ver-änderungen jeweils mit dem Zustand vor der Wende(B 18 bis B 20).

B 8 bis B 14: Erarbeiten Sie die fortdauernden Un-terschiede zwischen den Ost- und den Westdeut-schen. Nennen Sie mögliche Konsequenzen, diesich aus diesen Unterschieden ergeben.

B 15 bis B 20: Vergleichen Sie die Situation derHaushalte in Ostdeutschland vor der Vereinigungmit der heutigen Situation. Erörtern Sie, weshalbtrotz der Verbesserung der persönlichen Lebensum-stände viele Menschen in den neuen Bundesländernmit den Folgen der Einheit unzufrieden sind (vgl. B 7und B 8 sowie A 11 bis A 13).

6 Vgl. Statistisches Bundesamt (Hg.): Bevölkerung und Er-werbstätigkeit. Fachserie 1, Heft 1, Wiesbaden 1999

B 21 bis B 25: Beschreiben Sie das Ausmaß und dieErscheinungsformen des Rechtsextremismus in denneuen Bundesländern. Erörtern Sie, weshalb in Ost-deutschland mehr Jugendliche zum Rechtsextre-mismus neigen als in den alten Bundesländern. Wiebeurteilen Sie mögliche Gegenmaßnahmen?

B 26 bis B 28: Vergleichen Sie das Wählerverhaltenin Ost- und Westdeutschland. Beschreiben Sie dieRolle der PDS in den neuen Bundesländern.

Broiler – Brathähnchen

Kader – Parteifunktionär mit Leitungsfunktion

EOS – Erweiterte Oberschule (Oberstufe)

Thälmann- – Mitglied der Kinderorganisation der FDJPionier (1. bis 7. Klasse)

ZK – Zentralkomitee der SED

Datsche – Gartenhaus, Laube

LDPD – Liberaldemokratische Partei Deutschlands (eine der Blockparteien)

Winkelement – Symbole und Bilder von Parteiführern, die bei Aufmärschen mitgetragen wurden

HO – Handelsorganisation (Konsumläden)

NVA – Nationale Volksarmee

Indianerknete – DDR-Geld

Plaste – Plastik(artikel)

Subbotnik – freiwilliger und unbezahlter Arbeitseinsatz

LPG – Landwirtschaftliche Produktionsgenos-senschaft

FDJ – Freie Deutsche Jugend (Jugendorganisa-tion der SED)

DSF – Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DDR-Organisation)

SERO – Sekundär-Rohstoffe (Abfallsammelstellen)

Blaue Fliese – Hundertmarkschein (D-Mark West)

VEB – Volkseigener Betrieb

Auflösung zu B 6 (Test für Wessis)

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BAUSTEIN C

Vom Plan zum Markt

Die Situation der Wirtschaft in Ostdeutschland

Während die überaus komplizierte Übertragung derpolitischen und rechtlichen Einrichtungen der Bun-desrepublik Deutschland auf die neuen Länder er-staunlich erfolgreich verlaufen ist, blieben die Er-gebnisse der wirtschaftlichen Transformationdeutlich hinter den ursprünglichen Erwartungenzurück. Die Annahme, dass es nach der Einführungder marktwirtschaftlichen Ordnung in den ostdeut-schen Ländern rasch zu einem Wirtschaftswunderwie in den fünfziger Jahren im Westen komme, er-wies sich bald als falsch. Für die fortbestehendenProbleme der ostdeutschen Wirtschaft kann manein ganzes Bündel von Gründen anführen:

• Die Produktionsanlagen waren veraltet.

• Die Produktivität der Arbeit war viel geringer als imWesten.

• Es bestand ein hoher Investitionsbedarf für dieBeseitigung der Umweltbelastungen.

• Die Wirtschaft der DDR war einseitig auf die östli-chen Nachbarn ausgerichtet, die Produkte warenin westlichen Industrieländern nicht konkurrenz-fähig.

• Die Infrastruktur (Verkehrswege, Kommunikations-einrichtungen, Bankwesen) war marode.

• Die Währungsumstellung bedeutete eine Aufwer-tung, durch welche die Konkurrenzbedingungenauf den Märkten verschlechtert wurden.

• Die Angleichung der Löhne verursachte einen er-heblichen Kostenschub für die Unternehmen.

Perspektiven

Neue Erhebungen lassen keine einheitliche Prog-nose für die zukünftige Entwicklung der ostdeut-schen Wirtschaft zu. Sicher ist jedoch, dass der Auf-holprozess – aufs Ganze gesehen – sich in denletzten beiden Jahren verlangsamt hat oder gar zumErliegen gekommen ist. Davon sind aber nicht alleBranchen gleichmäßig betroffen, sondern vor allemdie anfänglich boomende Bauwirtschaft, bei der esin den vergangenen Jahren zu deutlichen Ein-brüchen gekommen ist. Sicher ist auch, dass Ost-deutschland noch lange Transferzahlungen aus demWesten brauchen wird: „Selbst bei einem utopi-schen Wachstum von acht Prozent jährlich bräuchteder Osten über 15 Jahre, um 80 Prozent des West-

niveaus zu erreichen“1. Andererseits hat sich dieWirtschaftskraft der ostdeutschen Bundesländerzwischen 1990 und 1998 kontinuierlich verbessert.Weder allzu hoch gesteckte Erwartungen noch einallzu großer Pessimismus entsprechen also dertatsächlichen Situation.

Unterrichtspraktische HinweiseDie Bereiche Altlasten, Staatsvertrag (Wirtschafts-und Währungsunion) und Treuhandanstalt wird manjeweils von einer Schülergruppe analysieren und fürden Bericht vor dem Klassenplenum aufbereitenlassen. (C 3 bis C 15). Die Problematik der Transfer-zahlungen und der Solidaritätsabgabe kann man ineinem Streitgespräch zwischen Befürwortern undGegnern weiterer finanzieller Hilfen konkretisieren.Befürworter und Gegner entwerfen jeweils ein Pla-kat und formulieren Slogans für ihre Position (C 22bis C 25).

Mögliche Aufgaben

C 1 und C 2: Erarbeiten Sie thesenartig die Lage derWirtschaft in Ostdeutschland.

C 3 bis C 7: Stellen Sie die Belastungen der ost-deutschen Wirtschaft beim Übergang in die Markt-wirtschaft im Jahr 1990 zusammen. Welche Schwie-rigkeiten ergaben sich daraus für die Angleichungder Wirtschaftsleistung?

C 8 bis C 11: Erläutern Sie die Ziele der Wirtschafts-,Währungs- und Sozialunion. Warum führte die Ein-führung der Wirtschafts- und Währungsunion nichtzu einem „ostdeutschen Wirtschaftswunder“?

C 12 bis C 15: Fassen Sie in eigenen Worten diewichtigsten Aufgaben der Treuhandanstalt zusam-men. Beschreiben Sie die Methoden der Treuhand-anstalt bei der Verwirklichung ihrer Aufgaben.

C 16 bis C 19: Vergleichen Sie die Lage auf dem Ar-beitsmarkt in Ost- und Westdeutschland. NennenSie Gründe für die hohe Arbeitslosigkeit in denneuen Ländern. Warum ist der Verlust des Arbeits-platzes für Ostdeutsche besonders einschneidend?

C 20 und C 21: Erörtern Sie die These, dass die ra-sche Anpassung der Löhne im Osten an die Arbeits-einkommen im Westen ein Grund für die hohe Ar-beitslosigkeit in den neuen Ländern sei.

C 22 bis C 25: Formulieren Sie Argumente für undgegen hohe Transferzahlungen von West- nach Ost-deutschland.

C 26 bis C 35: Ziehen Sie eine Bilanz des wirt-schaftlichen Aufholprozesses der letzten zehnJahre.

1 Lutz Spenneberg; in: Die Woche vom 10. Januar 1997, S. 41

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BAUSTEIN D

Einheit braucht Zeit

Ein Staat – zwei Nationen?

„Unübersehbar ist ..., dass unter dem gemeinsamen staatli-chen Dach zwei sehr verschiedene Gesellschaften leben.“

Werner J. Patzelt; in: Robert Hettlage/Karl Lenz (Hg.) (1995),S. 85

„Obwohl sich die Ostdeutschen nicht durch ... Sprache oderReligion unterscheiden, bilden sie in der BundesrepublikDeutschland eine separate Gruppe ... mit emotionalen Bin-dungen an eine gemeinsame Vergangenheit, gemeinsamenWerten ... und im Gegensatz zu einem gemeinsamen „Ande-ren“.“

Marc Alan Howard; in: Der Spiegel vom 14. September 1998,S. 56

Unterschiedliche Mentalitäten

Während in den Bausteinen B und C Verlauf undFolgen des gesellschaftlichen und des wirtschaftli-chen Wandels nach der Wende in der DDR im Mit-telpunkt stehen, werden hier in erster Linie Materia-lien zum Stand der mentalen Vereinigungangeboten. Analysen der ostdeutschen Gesellschaftzeigen, dass dort seit langem eine Rückbesinnungauf die Lebenssituation in der gescheiterten DDRstattfindet, wobei nicht das politische System, wohlaber die sozialen Bedingungen und das gesell-schaftliche Leben in der ehemaligen DDR mitunterkritiklos verklärt werden. Zweifellos werden dabeidie damaligen Zustände massiv geschönt; anderer-seits wirft aber diese Wiederentdeckung frühererLebensformen die Frage auf, ob es richtig war, alleEinrichtungen der ehemaligen DDR-Gesellschaft zudiskriminieren und in Bausch und Bogen zu verwer-fen. Die Forderung nach geradezu bedingungsloserIntegration in das westliche System und das westli-che gesellschaftliche Leben hat bei vielen Ostdeut-schen gegenteilige Einstellungen hervorgerufen.

Befragungen in Ostdeutschland haben ergeben,dass vor allem die Unzufriedenheit über die wirt-schaftlichen Verhältnisse nach zehn Jahren Vereini-gung (vgl. Baustein C), insbesondere über die hoheArbeitslosigkeit und die Unsicherheit der Arbeits-plätze zur Abkehr von den zuvor so nachdrücklichgewünschten bundesrepublikanischen Werten ge-führt hat. Daneben spielt aber auch die Enttäu-schung über die repräsentative Demokratie eine we-sentliche Rolle, weil die Ostdeutschen offenbar allzugroße Erwartungen auf die Möglichkeiten demokra-tischer Mitgestaltung gesetzt hatten. Schließlichmuss hier auch die fehlende Bereitschaft vielerWestdeutscher, die Menschen in der DDR ernst zunehmen, als Ursache für die eher trotzige Verteidi-

gung der alten Werte genannt werden (D 19). „Esgibt eine breite Übereinstimmung in der Bevölke-rung der ehemaligen DDR, dass nur ehemaligeDDR-Bürger das Leben in der DDR, die Weichen-stellungen und deren Gründe beurteilen können...“1.

Hinzu kommen fortwirkende Prägungen der Men-schen durch das vierzig Jahre lang ertragene Lebenin der DDR, welche durch die Vereinigung nicht ein-fach verschwunden sind; dazu gehören die Bereit-schaft zur Ein- und Unterordnung, das Verlangennach einer konfliktfreien Gesellschaft und das immerwieder zu konstatierende Fehlen von Eigenverant-wortung und Risikofreude.

Ein Fazit

Die wirtschaftlichen Leistungen der ostdeutschenLänder liegen im Vergleich mit Westdeutschlandnach wie vor deutlich zurück, und die Arbeitslosig-keit im Osten Deutschlands wird auch in den nächs-ten Jahren höher sein als im Westen. Es ist deshalbverständlich, wenn die Ostdeutschen immer wiederzu Missmut und Unzufriedenheit neigen. Dennochsind die Ergebnisse des bisherigen Transforma-tionsprozesses vorzeigbar. In dem kurzen Zeitraumvon zehn Jahren ist die Lebensqualität der Men-schen in Ostdeutschland beträchtlich gestiegen, dieAusstattung der Haushalte hat inzwischen westli-ches Niveau erreicht (vgl. B 15 bis B 17). „ZehnJahre nach dem Fall der Mauer ist die Zustimmungzur Deutschen Einheit ungebrochen.“2

Unterrichtspraktische Hinweise

Zwei Gruppen können ein Bild des „typischen Ossi“und ein Bild des „typischen Wessi“ entwerfen. Fürdiese Beschreibung können neben den Materialiendes Bausteins D auch solche aus den vorausgehen-den Bausteinen (Umfrageergebnisse und Bilder)herangezogen werden. Man kann die Gruppen zu-sätzlich auffordern, eine Karikatur des „Ossi“ bzw.des „Wessi“ zu zeichnen. Die Ergebnisse werden imKlassenzimmer aufgehängt und kritisch überprüft.

Bei der Erörterung der nostalgischen Verklärung derehemaligen DDR (D 1 bis D 6) muss deutlich wer-den, dass es sich dabei nicht nur um eine – teilweisesogar scherzhafte – Provokation der Westdeutschenhandelt, sondern vielmehr auch um die Äußerung ei-nes tief verwurzelten Unbehagens über den Eini-gungsprozess und um den Versuch, aus der eigenenVergangenheit zu retten, was noch zu retten ist. DieSchülerinnen und Schüler sollen dabei Verständnisfür die Wiederentdeckung der eigenen Geschichtedurch die Ostdeutschen entwickeln; allerdings mussdie von dem Bürgerrechtler Konrad Weiss aufge-zeigte Grenze ihre Gültigkeit behalten: „(Die) Besin-

1 Alexander von Plato; in: Bundeszentrale für politische Bil-dung (Hg.): Gemeinsam sind wir unterschiedlich, Bonn1995, S. 13

2 Das Parlament vom 4. Februar 2000, S. 2

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nung auf das Eigene..., auf das, was im EigentlichenHeimat war, ist heilsam... Krankhaft aber, geradezupervers, ist der verklärte Rückblick auf den StaatDDR und seine Unmenschlichkeit, ist das schnelleVergessen der tausendfachen Erniedrigung, der Un-freiheit, der Entwürdigung und Bespitzelung..., istdie Generalabsolution für den realen Sozialismus“3.

In einem Tafelbild (Schaubild 3) stellt man die Anzei-chen für eine neue Bewertung des Lebens in derDDR den Beispielen der Realität in der DDR ge-genüber; denn „es werden Dinge verklärt, die nichtverklärenswert sind“4.

Schaubild 3

Erinnerung an die DDR

Nostalgische Verklärung Die Realität des Lebens

• Wiederaufleben von DDR-Filmen und TV-Serien

• Wiederbelebung der Jugendweihe

• Gründung von Traditions-vereinen

• Wiederbelebung von DDR-Symbolen

• Wiederentdeckung desAmpelmännchens

• Massive Einschränkung derFreizügigkeit

• Missbrauch der Begeiste-rungsfähigkeit der Jugend-lichen

• Einseitige SED-Propaganda

• Zwang zur Anpassung

• Bespitzelung und Verfol-gung durch den Staatssi-cherheitsdienst („die Stasi“)

„Ich habe dieWende gewollt“

„Schön war die Zeit“

⇓ ⇓

3 Konrad Weiss; in: Der Spiegel vom 15. November 1993, S. 41

4 Dagmar Schipanski; in: Frankfurter Rundschau vom 22. Februar 2000, S. 5

Diese Gegenüberstellung führt zu der Frage nachden Ursachen für die Verklärung nicht verklärungs-würdiger Zustände. Es ist wichtig, dass man hier dieJugendlichen zu Verständnis und Zurückhaltung beider Beurteilung anhält.

Mehrere Zugänge bieten sich an, wenn es darumgeht, die fortbestehenden Mentalitätsunterschiedezwischen Ost- und Westdeutschen als eine positiveHerausforderung zu vermitteln (vgl. D 20): Man greiftdie eingangs formulierten Leitfragen als Impuls füreine Abschlussdiskussion auf (Seite 9).

Die Schülerinnen und Schüler nehmen anhand einesMeinungsspektrums „Wie soll es weitergehen?“Stellung zum Vereinigungsprozess (vgl. Schau-bild 4). Die Klasse überprüft und ergänzt die in derEinführungsphase zusammengestellte Bilanz derDeutschen Einheit (vgl. Seite 9).

Mögliche Aufgaben

D 1 bis D 11: Stellen Sie Anzeichen für eine neueSicht des Lebens in der ehemaligen DDR durch vieleOstdeutsche zusammen. Soll das Ampelmännchenauch in Westdeutschland eingeführt werden? (D 9bis D 12)

D 12 bis D 19: Stellen Sie der Verklärung des Le-bens in der ehemaligen DDR die Zustände im realenSozialismus gegenüber. Erörtern Sie, weshalb dieseZustände heute von vielen Ostdeutschen verdrängtoder mit anderen Augen gesehen werden.

D 20 bis D 25: Stellen Sie fortbestehende Unter-schiede zwischen West- und Ostdeutschen nachausgewählten Bereichen zusammen. DiskutierenSie die These, dass es nicht möglich – aber auchnicht nötig – sei, diese Unterschiede völlig einzueb-nen. Der 3. Oktober ist der nationale Feiertag derDeutschen. Erörtern Sie diese Entscheidung desDeutschen Bundestages; vergleiche dazu D 24 undD 25.

Schaubild 4

Ein Meinungstest zum Abschluss

1 Der Solidaritätszuschlag mussgezahlt werden, bis im OstenWestniveau erreicht ist.

2 Ost- und Westdeutsche habenmehr gemeinsam als man denkt.

3 Die Ostdeutschen sollten nichtalles auf einmal erwarten.

4 Die „Mauer in den Köpfen“ wirdnoch lange bestehen bleiben.

5 Die „Wessies“ sollten mehr Ver-ständnis für DDR-Biografien auf-bringen.

6 Es sollte richtige Begegnungs-programme zwischen Ost undWest geben.

7 Manchmal denke ich, die Mauerhatte auch Vorteile

8 Die Deutschen sollten froh sein,dass die Wiedervereinigung nachvierzig Jahren geklappt hat.

9 Es muss nicht alles gleich wer-den: Vielfalt in der Einheit heißtdas Motto.

10 Die Einheit ist erreicht, jetzt wen-den wir uns neuen Aufgaben zu.

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Texte und Materialienfür Schülerinnen und Schüler 109Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Neckar-Verlag GmbH aus: Politik und Unterricht

78050 Villingen-Schwenningen Zeitschrift für die Praxis derKlosterring 1 politischen BildungPostfach 1820 Heft 2/2000

DEUTSCHLANDWÄCHST ZUSAMMENEine Zwischenbilanz nach zehn JahrenBAUSTEIN A Vereint und doch nicht einsA 1 bis A 7 „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“*A 8 bis A 15 „Die Mauer fiel, die Mauer steht“**A 16 bis A 24 Bestandsaufnahme nach zehn Jahren

BAUSTEIN B Gesellschaftlicher Wandel in OstdeutschlandB 1 bis B 7 Das Ausmaß des WandelsB 8 bis B 14 Fortbestehende UnterschiedeB 15 bis B 20 Geht es den Ostdeutschen so gut wie nie?B 21 bis B 25 Jugendlicher RechtsradikalismusB 26 bis B 28 Der Osten wählt anders

BAUSTEIN C Vom Plan zum MarktC 1 bis C 7 Die AusgangslageC 8 bis C 11 Die Wirtschafts- und Währungsunion von 1990C 12 bis C 15 Die TreuhandanstaltC 16 bis C 21 Wachstum ohne BeschäftigungC 22 bis C 25 Der Osten als Kostgänger des WestensC 26 bis C 35 Lichtblicke beim Aufschwung Ost

BAUSTEIN D Einheit braucht ZeitD 1 bis D 6 „Schön war die Zeit“D 7 bis D 11 Ampelmännchen und Grüner PfeilD 12 bis D 19 Gelernte DDR-Bürger haben andere BiografienD 20 bis D 25 Manches dauert etwas länger* Willy Brandt, 1989

** Hermann Glaser, 1999

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16 „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“A

A 2 Der Fall der Mauer

A 1

9. November 1989

A 1 – A 24 Vereint und doch nicht eins

Menschen aus Ost und West„besetzen“ die Berliner Mauer

Bild: Ullstein

Trabbi-Karawane über den Grenzübergang Herleshausen

Bild: dpa

... wahrgenommen aus Ostberlin

Am 9. November 1989 saß ich mit Freunden in einerPankower Wohnung über dem Programmentwurfdes Neuen Forum. Nebenbei lief der Fernsehappa-rat... Ständig war mit Überraschungen zu rechnen.Als solche schlug die Pressekonferenz von GünterSchabowski kurz vor 19 Uhr ein. Fast beiläufigkramte er einen Zettel aus der Tasche und verkün-dete stockend, dass ab sofort und ohne weiteres dieAusreise über die innerdeutsche Grenze möglichsei. Auf Nachfrage eines Journalisten bestätigte er,dass dies auch für Westberlin gelte. Wir waren baffund diskutierten, was das bedeuten könne...

Später kam ein Freund und fragte ganz aufgebracht,ob wir denn nichts mitbekommen, die Grenze sei of-fen, die Leute strömten nach Westberlin. Daraufhinließ ich alles liegen, lief nach Hause und wecktemeine Frau und fuhr mit ihr zur Bornholmer Brücke.Was wir sahen, sprengte jede Vorstellung: Dort wosonst nur wenige Autos und Fußgänger mit Passier-schein durchkamen, wälzte sich eine unüberschau-bare Menge in den Westen. Ein Glückstaumel derFreiheit! Das Wort „Waaahnsinn“ machte die Runde.Wo sonst nur Westwagen fuhren, kroch ein Trabbiüber die Brücke ... und wurde wie ein lieber, langvermisster Abkömmling des Käfers begrüßt. Der

a

a

b

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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„Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ 17A

A 4 Demonstration für die Einheit

A 3 Zitate zur Maueröffnung

• Wolf Biermann (Liedermacher):„Ich muss weinen vor Freude, dass es so schnellund einfach ging. Und ich muss weinen vor Zorn,dass es so elend lange dauerte.“

• George Bush (als US-Präsident):„Ein dramatisches Ereignis für Ostdeutschlandund selbstverständlich für die Freiheit.“

• Helmut Kohl (als Bundeskanzler):„Es eröffnen sich Chancen für die Überwindungder Teilung Europas und damit unseres Vaterlan-des.“

• Willy Brandt (Bundeskanzler 1969-1974)„Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.“

Pappkarton war auf freier Fahrt in die große VW-Ge-sellschaft, erst- und letztmalig mit Sekt begossen.Wir liefen wie in Trance die Osloer Straße entlang...

Werner Schulz; in: Das Parlament vom 22./29. Oktober 1999,S. 7 (Werner Schulz ist Mitglied des Deutschen Bundestagesund war Mitarbeiter in der Oppositionsgruppe Neues Forum.)

... wahrgenommen aus Westberlin

Es war gegen 20.00 Uhr am 9. November 1989, alsuns auf dem Kudamm die ersten Menschen auffie-len, die sich schneller und hektischer bewegten alsgewöhnlich... Bei näherem Hinsehen ... fiel mir auf:Sie wirkten glücklich und begeistert, in einigen Mie-nen erkannte ich den Ausdruck ungläubiger Eupho-rie... Ich nahm Jubelrufe wahr: Die Grenze ist auf!Die Mauer ist gefallen! ... Ich glaube, wir brauchteneinen gewissen Moment, um das soeben Erfahrenezu realisieren und zu verdauen. Die 28 Jahre kaumüberwindbare Grenzbefestigung an der innerdeut-schen Grenze, das Wahrzeichen des Ost-West-Kon-flikts, sollte plötzlich seine grausame Funktion verlo-ren haben...

Natürlich habe ich die Geschehnisse, die diesem historischen Ereignis vorausgingen, im Fernsehenverfolgt: die Bilder der Flüchtlinge im Osten Euro-pas, die Demonstrationen in der DDR und ... Gor-batschow. Das alles konnte aber mein festgefahre-nes Deutschlandbild nicht aus den Fugen bringen;es gab zwei deutsche Staaten, und die diese Staa-ten trennende Grenze mit der durch Berlin laufendenMauer gehörten zu eben diesem Bild wie etwa dasMünchner Oktoberfest oder der Kölner Dom.

Jens Paulus; in: Das Parlament vom 22./29. Oktober 1999, S. 7 (Jens Paulus ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Se-minar für Politische Wissenschaften der Universität Köln.)

Am 2. Dezember 1989 in Plauen Bild: Gunnar Tessarczyk

b

• Walter Momper (als Regierender Bürgermeistervon Berlin):„Das war der Moment, auf den wir so lange ge-wartet haben... Wir Deutschen sind jetzt dasglücklichste Volk auf der Welt.“

Nach: Berliner Illustrierte. Sonderausgabe Dezember 1989und Hermann Glaser (Hg.): Die Mauer fiel, die Mauer steht,München (dtv) 1999

A 5 „Das Volk“ wird „ein Volk“

Montagsdemonstration in Leipzig 1990 Bild: dpa

Saupe
Keine Rechte
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18 „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört“ / „Die Mauer fiel, die Mauer steht“A

Fassung vom 23. September 1990

Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott undden Menschen, von dem Willen beseelt, als gleich-berechtigtes Glied in einem vereinten Europa demFrieden der Welt zu dienen, hat sich das DeutscheVolk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt die-ses Grundgesetz gegeben.

Die Deutschen in den Ländern Baden-Württemberg,Bayern, Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg,Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersach-sen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saar-land, Sachsen, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holsteinund Thüringen haben in freier Selbstbestimmung dieEinheit und Freiheit Deutschlands vollendet. Damitgilt dieses Grundgesetz für das gesamte DeutscheVolk.

Ursprüngliche Fassung vom 23. Mai 1949

Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott undden Menschen, von dem Willen beseelt, seine natio-nale und staatliche Einheit zu wahren und als gleich-berechtigtes Glied in einem vereinten Europa demFrieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volkin den Ländern Baden, Bayern, Bremen, Hamburg,Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen,Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern, um demstaatlichen Leben für eine Übergangszeit eine neueOrdnung zu geben, kraft seiner verfassungsgeben-den Gewalt dieses Grundgesetz der BundesrepublikDeutschland beschlossen. Es hat auch für jeneDeutschen gehandelt, denen mitzuwirken versagtwar. Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefor-dert, in freier Selbstbestimmung die Einheit undFreiheit Deutschlands zu vollenden.

A 8 Klassenfahrt

Zeichnung: Freimut Wössner

A 9 Die Kehrseite der Freiheit

Wenn jetzt 92 Prozent der Ostdeutschen in einerUmfrage ... angeben, in der DDR habe es mehr so-ziale Gerechtigkeit gegeben als heute in der Bun-desrepublik, dann ist nicht wachsende Einheit, son-dern zunehmende Distanz zwischen alten undneuen Bundesländern zu konstatieren... Das Be-zugssystem der Ostdeutschen war und blieb immerdie Bundesrepublik... Aber offensichtlich nahmendie Bewohner der DDR ... nur die Vorteile und An-nehmlichkeiten des kapitalistischen Westens wahr,nicht aber die Anforderungen, die er an die Men-schen stellt. Nun, da man auch im Osten den Risi-ken des freiheitlichen Systems ausgesetzt ist, rea-giert man enttäuscht bis ablehnend auf dieKehrseite der Freiheit. Nicht zuletzt bestärkt durchVersprechen von westlicher Seite, hatte man sichvorgestellt, das Positive an der untergehenden DDRerhalten zu können, ergänzt durch Rechte wie Frei-zügigkeit und eine Anhebung des Lebensstandardsauf westliches Niveau...

Weil der SED-Staat fast nahtlos in die Bundesrepu-blik überging, wurde den Menschen in den neuenBundesländern nicht bewusst, dass die DDR als So-zialstaat längst bankrott, dass sie schon 1985 beider Bundesrepublik mit mehr als fünfzig MilliardenMark verschuldet war... Wegen der raschen Vereini-gung (ist) den Deutschen im Osten der Bankrott ih-res Staatswesens nie so richtig deutlich geworden.Das erlaubt es offenkundig, die DDR heute positiverzu sehen, als sie war.

Werner Birkenmaier; in: Stuttgarter Zeitung vom 3. August1998, S. 1

A 6 Der Beitritt

Beschluss der Volkskammer der Deutschen Demo-kratischen Republik vom 23. August 1990

Die Volkskammer erklärt den Beitritt der DeutschenDemokratischen Republik zum Geltungsbereich desGrundgesetzes der Bundesrepublik Deutschlandgemäß Artikel 23 des Grundgesetzes mit Wirkungvom 3. Oktober 1990.

A 7 Die Präambel des Grundgesetzes

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„Die Mauer fiel, die Mauer steht“ 19DA

Politisch können wir die Wiedervereinigung abha-ken, politisch ist sie vollzogen. Bis aber die Gräbenzwischen den Menschen von hier und dort ge-schlossen, bis die geistigen und kulturellen Mauernniedergerissen, die Unterschiede in den Denkwei-sen und Einstellungen beseitigt werden, wird esnoch eine Generation brauchen.

Die Vereinigung der beiden deutschen Nachkriegs-gesellschaften ist missglückt... Die Menschen in derDDR hatten den Unterschied zwischen Anspruchund Wirklichkeit der marxistischen Lehre und desSozialismus in ihrem Land genau gekannt. Sie hat-ten damit gelebt. Nun mussten sie über Nacht ler-nen, die westlichen Abstufungen zwischen Idealund Wirklichkeit zu erkennen.

Wie viele Fehler aber auch nach der Wende unver-meidlich waren: Ebenso viele Fehler müssen derMehrheit der Politiker Westdeutschlands als Schuldangelastet werden; diese Fehler entstanden vor al-lem aus Klischeevorstellungen von der Lebenswirk-lichkeit in der DDR und aus Blindheit für die verhee-renden Wirkungen eines schier hemmungslosenfreien Marktes im Anschlussgebiet.

Nach: Konrad Weiss: Verlorene Hoffnung in der Einheit; in:Der Spiegel 1993/46, S. 41 (Konrad Weiss war Bürgerrecht-ler in der DDR und war 1990-1994 Mitglied der Bundestags-fraktion von Bündnis 90/Die Grünen.)

Wir erleben unsere Situation als Ostdeutsche sehrwidersprüchlich: Noch nie war das Warenangebotso groß, aber noch nie hat das Geld so sehr unserLeben bestimmt. Noch nie haben wir uns so vielkaufen können, aber noch nie haben sich Menschenhierzulande so stark verschuldet. Noch nie zuvor istso viel gebaut worden, aber wie nie zuvor wurdeauch so viel abgebaut und stillgelegt. Noch nie hatman die Früchte menschlicher Arbeit so schnell ern-ten können, aber noch nie waren so viele Menschenarbeitslos, und das zum ersten Mal in ihrem Lebenund völlig unvorbereitet... Noch nie war das Lebenso abwechslungsreich und interessant, aber auchnoch nie so unruhig, stressig und zerrissen. Nochnie gab es so viele Hoffnungen, aber auch noch nieso viele Ängste.

In diesem Spannungsfeld, zu dem noch manchesandere dazugehört, leben wir zurzeit hier in Ost-deutschland. Sicher: ich kenne niemanden, derernsthaft zu den alten Verhältnissen zurückkehrenmöchte. Aber ich kenne viele, die der neuen Situa-tion nicht gewachsen sind.

Rundbrief eines evangelischen Pfarrers aus Ostdeutschland;nach: Deutsches Allgemeines Sonntagsblatt vom 18. Februar1994, S. 19

A 10 Missglückte Vereinigung

A 11 Enttäuschte Hoffnungen

A 12 Erfahrungen eines Ostdeutschen

Demonstration in Magdeburg (Juli 1992) Bild: dpa

A 13 Unzufriedenheit trotz Wohlstand

Nicht wenige von denen, die angeben, es gehe ih-nen heute finanziell besser als in der DDR, sindhochgradig unzufrieden. Das hängt zusammen mitden unverfüllten Hoffnungen auf Unabhängigkeitund Emanzipation. Der Anteil von Ostdeutschen anFührungskräften in der Bundesrepublik ist drama-tisch niedrig: Wirtschaft: ein Prozent, Militär: nullProzent, Wissenschaft: drei Prozent, Gewerkschaf-ten: drei Prozent. Ähnlich sieht es in den Medien undder Kultur aus...

Die Ostdeutschen waren immer die armen Verwand-ten. Am stärksten zeigt sich dieses Ungleichgewichtdarin, dass die Westdeutschen immer ganz zufrie-den ohne die Ostdeutschen leben konnten, die Ost-deutschen aber auf die große, reiche und mächtigeBundesrepublik sahen, von der fast alles kommenmusste, was sie erhofften... Die Westdeutschenbrauchten die Vereinigung nicht, eine starke Mehr-heit der Ostdeutschen aber wünschte sie, wie essich 1990 zeigte.

Nach: Daniela Dahn; in: Die Zeit vom 7. November 1997, S.34 und Peter Bender; in: Das Parlament vom 17. Juni 1994,S. 1 (Daniela Dahn und Peter Bender leben als freie Publizis-ten in Berlin.)

Saupe
Keine Rechte
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Peter Schneider (Publizist):

Die Geschehnisse von 1989/90 reduzieren sich auswestlicher Sicht auf einen staatlichen Anschluss,der die konsumgierigen Ostdeutschen an die west-deutschen Fleischtöpfe ließ, aus ostdeutscher Sichtauf eine wüste Kolonisierung durch den westdeut-schen Manchesterkapitalismus.

Dagmar Schipanski (Wissenschaftsministerin inThüringen):

Mich betrübt, dass viele Menschen im Osten denÜbergang in das neue Leben noch nicht geschaffthaben. Es werden Dinge verklärt, die nicht ver-klärenswert sind. Man muss sich darüber unterhal-ten, wie das Leben der DDR wirklich gewesen ist.Man muss darüber reden, warum sich manche sounwohl fühlen.

Rainer Eppelmann (Vorsitzender der CDU-Sozial-ausschüsse):

Der ehemalige DDR-Bürger lebt heute in einem an-deren „Haus“, mit einer ihm fremden Wohnungsein-richtung, mit organisatorischen und technischenAbläufen, die kaum noch an sein altes Lebensum-feld erinnern.

Manfred Stolpe (Ministerpräsident von Branden-burg):

Wir sind mit einer zu großen Erwartung in die Wie-dervereinigung gegangen. Die Enttäuschung warumso größer... Man hatte sich in diesen vier Jahr-zehnten weiter auseinandergelebt, als viele in derFreude über das Wunder der Einheit wahrhabenwollten.

Jürgen Kocka (Historiker):

Die Einigung war als Ausweitung des westdeut-schen Systems auf den Osten entworfen worden. Indieser Bahn lief sie ab – zumindest größtenteils.Folglich wurden Ostdeutsche ... eher zu Objektenals zu Subjekten des Wandels; sie mussten sich än-dern und anpassen, nach Regeln, die sie nichtselbst geschaffen hatten, die vielmehr Modellen ...von außerhalb, nämlich aus dem Westen folgten.

PZ September 1997, S. 4 (a). Frankfurter Rundschau vom 22.Februar 1999, S. 5 (b). Aus Politik und Zeitgeschichte B 40-41/95 vom 25. September 1995, S. 9 (c). Sieben Jahre, sie-ben Brücken, Berlin 1997, S. 70 und S. 113 (d). FrankfurterRundschau vom 22. Januar 1998, S. 17 (e).

20 „Die Mauer fiel, die Mauer steht“ / Bestandsaufnahme nach zehn JahrenA

A 14 Alte und neue Mauern

Die neue Mauera a

b

c

d

eZeichnung: Hanel, 1992

Nostalgie

Zeichnung: Roland Beier, 1991

b

A 15 Sichtweisen

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Bestandsaufnahme nach zehn Jahren 21DA

12. Januar. Einstellung des Prozesses gegen ErichHonecker wegen Krankheit (AusreiseHoneckers nach Chile)

29. Oktober. Gesetz zur Bereinigung des DDR-Un-rechts: Entschädigungszahlungen für un-rechtmäßig Verfolgte

1993

1994

1997

1998

1999

2000

23. Juli. Verwüstungen in der KZ-Gedenkstätte Bu-chenwald durch rechtsradikale Skinheads

26. Juli. Verurteilung von Mitgliedern des NationalenVerteidigungsrates der DDR wegen derSchüsse an der innerdeutschen Grenze

31. August. Abzug der restlichen russischen Trup-pen aus Ostdeutschland

31. Dezember. Auflösung der Treuhandanstalt

31. Dezember. Anstieg der Arbeitslosenquote inden neuen Bundesländern auf 19,5% (Vor-jahr: 16,7%)

26. April. Hoher Stimmenanteil der rechtsextremenDVU bei den Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt (12,9%)

27. September. Bundestagswahlen (Stimmenge-winne der PDS)

19. April. Erste Sitzung des Deutschen Bundesta-ges im umgebauten Reichstag in Berlin

12. September. Landtagswahl in Thüringen: PDSzum ersten Mal zweitstärkste Partei (vor derSPD)

8. November. Bestätigung des Urteils gegen denletzten Staatsratsvorsitzenden der DDREgon Krenz (sechseinhalb Jahre Haft wegen„mittelbarer Täterschaft“ des Totschlags ander Berliner Mauer)

Zusammenstellung: Gerhart Maier; nach: Wolfgang Benz:Deutschland seit 1945, München (dtv) 1998 und Hans GeorgLehmann: Deutschland-Chronik 1945-1995, Bonn (Bundes-zentrale für politische Bildung) 1996.

A 16 Daten eines Jahrzehnts

1990

3. Oktober. Tag der deutschen Einheit

14. November. Bestätigung der Oder-Neiße-Grenzeim deutsch-polnischen Grenzabkommen

1. Dezember. Ausfertigung des Haftbefehls gegenden ehemaligen DDR-Staatsratsvorsitzen-den Erich Honecker

1991

24 Februar. Vereinigung des Bundes der Evangeli-schen Kirche in der DDR mit der Evangeli-schen Kirche in Deutschland (EKD)

28 Februar. Vereinbarung des Bundes mit den Bun-desländern über zusätzliche Finanzhilfen fürdie ostdeutschen Bundesländer

März. Wiederaufnahme der Leipziger Montagsde-monstrationen – jetzt gegen Sozialabbauund Arbeitslosigkeit (zwischen 25 000 und60 000 Teilnehmer)

8. März. Beschluss des Deutschen Bundestagsüber das „Gemeinschaftswerk AufschwungOst“

15. März. Völkerrechtlicher Abschluss der deut-schen Vereinigung

1. April. Ermordung des Leiters der TreuhandanstaltKarsten Rohwedder

15. April. Ermordung eines 28-jährigen Mosambika-ners durch rechtsradikale Skinheads inDresden

20. Juni. Entscheidung des Deutschen Bundestagsfür Berlin als Bundeshauptstadt

30. Juni. Abschluss der Integration der NationalenVolksarmee der DDR in die Bundeswehr

20. September. Angriff Rechtsextremer auf ein Aus-länderwohnheim in Hoyerswerda/Sachsen(in der Folge: Welle rechtsextremistischerund ausländerfeindlicher Gewalttaten in denneuen Ländern)

20. Dezember. Verabschiedung des Stasi-Unterla-gengesetzes durch den Deutschen Bundes-tag: Einrichtung einer Bundesoberbehördefür die Verwaltung und Erschließung der Ak-ten des DDR-Staatssicherheitsdienstes

1992

8. März. Verabschiedung des Hilfsprogramms „Auf-schwung Ost“ durch den Deutschen Bun-destag

1. Juli. Einführung des Solidaritätszuschlags zur Fi-nanzierung der Einheit

10. April. Wahl der aus Ostdeutschland stammen-den Angela Merkel zur Bundesvorsitzendender CDU.

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22 Bestandsaufnahme nach zehn JahrenA

Einschätzung der persönlichen Zukunft durch ost-und westdeutsche Jugendliche zwischen 15 und 25Jahren (Angaben in Prozent)

Ost- West-deutschland deutschland

eher düster

1991 3,2 4,81996 12,2 14,81999 9,5 8,7

eher zuversichtlich

1991 52,7 60,71996 34,6 35,11999 49,4 49,5

gemischt, mal so mal so

1991 44,1 34,61996 53,2 50,01999 41,1 41,7

Deutsche Shell (Hg.): Jugend 2000. 13. Shell Jugendstudie.Band 1, Opladen 2000 (Leske + Budrich), S. 287.

A 17 Umfrage unter Ostdeutschen (1999)

A 18 Zukunftsperspektiven

© Die Woche, Quelle: Forsa. Datenbasis: 1005 Ostdeutsche, die bereits 1989 im Gebiet der DDR gelebt haben; für alle Umfra-gen: an 100% fehlende = weiß nicht; Erhebungszeitraum: 30. Juli bis 11. August 1999, Fehlertoleranz +/- 3 Prozentpunkte

Die Woche vom 27. August 1999, S. 6. Grafik: Claudia Saupe

A 19 Wechselseitige Einschätzung

Der Spiegel vom 14. September 1999, S. 53.

„War die Wiedervereinigung richtig?“

Nein Ja

„Fühlen Sie sich als voll integrierter Bundesbürger?“

Nein Ja

9% 88 % 34 % 64 %

„Haben Sie sich imGesellschaftssystemder DDR alles inallem wohler gefühltals heute?“

Nein31 %

Ja42 %

Weißnicht9 %

Weißnicht10 %

27 %Gemein-

sam-keiten

Kein Unterschied18 %

Unterschiede63 %

„Überwiegenzwischen Ost undWest dieGemeinsamkeitenoderUnterschiede?“

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Bestandsaufnahme nach zehn Jahren 23A

A 20 Thüringer Jugendliche über die DDR

Stimmt Stimmt Weißnicht nicht

1 Die neuen Bundesländerwerden ihren wirtschaft-lichen Rückstand in dennächsten fünf Jahrenaufholen.

2 Die Unterschiede zwi-schen den Ost- und denWestdeutschen werdenerst in der nächsten Ge-neration verschwinden.

3 Westdeutsche sind be-leidigt, wenn man sie für„Ossis“ hält.

4 Die westlichen Bundes-länder sollten mehr fi-nanzielle Mittel für denAufbau Ostdeutschlandsbereitstellen.

5 Zwischen Ost- undWestdeutschen bestehtkein prinzipieller Unter-schied; die Gemeinsam-keiten überwiegen beiweitem.

6 Die Ostdeutschen soll-ten mehr Dankbarkeit fürdie bisherige Unterstüt-zung aus dem Westenzeigen.

7 Am besten wäre es, manwürde die Mauer wiederaufbauen.

8 Unsere deutschen Eini-gungsprobleme sindwahrhaftig nicht diegrößten Probleme dieserWelt.

9 Die staatliche EinheitDeutschlands ist nichtdas Ende, sie ist erst derAnfang der Vereinigung.

10 Die Wiedervereinigungwar das glücklichste Er-eignis der deutschenGeschichte im 20. Jahr-hundert.

Ein Spiegel-Gespräch aus dem Jahr 1999

Frage: Was fällt euch zu dem Wort DDR ein?

Susanne (16 Jahre): Zusammenhalt unter Men-schen.

Carla (15 Jahre): Dass man sozial richtig abgesichertwar...

Frage: Was meinst du mit Zusammenhalt, Susanne?

Susanne: Das Wichtigste war: Jeder hatte Arbeit.Man hat das Angstgefühl oder das Gefühl desUnter-Druck-Seins nicht gehabt. Man hat sichauch gegenseitig geholfen. Weil der Druck nichtda war, brauchte man den anderen nicht zu be-neiden.

Carla: Das war ein besseres Kollektiv, so zusam-men.

Susanne: Auch in Plattenbauten. Da hat eben dasganze Haus mal im Garten gegrillt. Das war allesviel freundlicher.

Volker (16 Jahre): Früher hat auch der Nachbar dieAxt mal freiwillig geborgt.

Frage: Würde er das heute nicht mehr?

Alle: Nein!

Frage: Ihr wart bei der Wende gerade mal fünf odersechs. Woher wisst ihr überhaupt, was in derDDR los war?

Carla: In der Hauptsache von den Eltern und danndurchs Fernsehen...

Frage: Was hört ihr denn in der Schule, über dieDDR?

Susanne: In der DDR gab es Noten in Fleiß und Be-tragen. Die würden einigen Schülern auch heuteganz gut tun. Manche haben nicht mal Lehrerngegenüber Respekt. Das gab es in der DDRnicht.

Frage: Seht ihr denn ein großes Problem zwischenOssis und Wessis?

Susanne: Ich kenne einen, der ist im Westen zurSchule gegangen. Das erste, was die drübensagten, war: hier kommt ja der Osttürke. DieWessis versuchen nicht, uns persönlich kennenzu lernen. Das finde ich schlimm...

Carla: Die Mentalität von Ossis und Wessis ist an-ders. Bei dem Ossi ist das kollektive Zusammen-gehörigkeitsgefühl noch ein bissel da. Bei denWessis ist halt jeder für sich.

Der Spiegel vom 8. März 1999, S. 28.

A 21 Wir nehmen Stellung

Kreuzen Sie bitte die Ihnen am ehesten zusagendeSpalte an.

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24 Bestandsaufnahme nach zehn JahrenA

Die deutsche Einigungsprobleme sind, im interna-tionalen Maßstab beurteilt, winzig. Vom Ausland auswird die deutsche Einigung als im Wesentlichen ab-geschlossen und als gelungen angesehen und so-gar bewundert. Und es tut uns allen gut, uns gele-gentlich daran zu erinnern, dass die deutscheEinigung tatsächlich ein Wunder ist, einmal deshalbweil kaum jemand damit gerechnet hat, sie nächs-tens zu erleben... Sie war auch deshalb ein Wunder,weil nicht nur die SED darauf beharrte, dass Kapita-lismus und Sozialismus sich wie Feuer und Wasserzu einander verhalten, also: nie zusammenfindenkönnen.

Die Übernahme der westdeutschen politischen,rechtlichen und wirtschaftlichen Ordnungen in denneuen Bundesländern ist zwar mit gewaltigen Um-stellungen und auch mit erheblichen Schmerzen fürviele im Osten verbunden, aber sie ist gelungen...Die Deutschen ... haben sich in Freiheit vereinigt,und nirgends ... ist etwas von separatistischen Ten-denzen zu spüren.

Richard Schröder: Probleme der inneren Einheit Deutsch-lands, Köln (Wirtschaftsverlag Bachem) 1996, S. 7.

A 23 Geschafft!

A 24 Gemeinsam geht es!

„Uff!“

Zeichnung: Liebermann

A 22 Gelungene Vereinigung

Zeichnung: Rolf Henn, 5.10.1990

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DDas Ausmaß des Wandels 25

B

B 1 – B 28 Gesellschaftlicher Wandel in Ostdeutschland

B 1 Alles änderte sich...

• die Krankenversiche-rung

• die Autokennzeichen• die Währung• das Parteiensystem• die Regierung• das Wahlsystem• das Schulwesen• das Zeitungsangebot• die Uniformen der

Soldaten• viele Straßennamen• das Mietrecht• die Briefmarken• die Feiertage• die Autotypen• die Prüfungsordnun-

gen

B 2 Fremd im eigenen Land

B 3

Alles neu

TAF 7-13

Warum fühlen sich heute sowohl einstige Gegner alsauch einstige Befürworter der DDR fremd in derBundesrepublik?

Der ehemalige DDR-Normalbürger

Alles in der DDR gruppierte sich um die Gretchen-frage: Wie stehst du zu diesem Staat? Die DDR for-derte von jedem Bürger ständig Solidarität. Mehroder weniger demagogisch befragt, sollte man dau-ernd Stellung nehmen, ob man auf der Seite der Ar-beiterklasse, des Friedens und des Fortschrittsstehe – oder etwa nicht. So fordernd und eng trittdie Bundesrepublik nicht an einen heran. Manchemögen dies als Lieblosigkeit dieses Staates ihnengegenüber empfinden. Wenn man sich jahrzehnte-lang in einer engen Umklammerung befand, wird dieLockerung dieser Klammer vielleicht als Aufkündi-gung von Zuwendung und Wärme erlebt – als aus-grenzende Gleichgültigkeit und damit als fremd.

Der überzeugte Anhänger des Marxismus-Leni-nismus

Ein Lehrer, der sich vollkommen mit dem Marxis-mus-Leninismus identifizierte, war überzeugt aufder besseren deutschen Seite zu stehen, und seineIdeologie gab ihm Halt und Stütze für sein Leben.

Die DDR war nach seiner Auffassung eine ge-schichtliche Epoche weiter als die BRD. Nach 1989sagt er: Nun hat die andere Seite gesiegt. Sein Welt-bild ist zusammengebrochen. Die Werte, für die ergelebt und die er vertreten hatte, zählen nicht mehr.Seine Fremdheit in der Bundesrepublik wird nurdurch die PDS aufgefangen.

Der Oppositionelle und Teilnehmer an der friedli-chen Revolution

Er hatte daran teil, dass die Entfremdung des DDR-Volkes von sich selbst durch die herrschende Kastegebrochen wurde, und es ging ihm um die Rücker-oberung von Öffentlichkeit und Identität. Leider wardieser Prozess zu kurz. Zu schnell wurden, bis insDetail, alle Strukturen der Bundesrepublik übernom-men. Das Eigene, das begonnen hatte, sich zu bil-den, musste zwangsläufig zurückgenommen wer-den. Nach den Wahlen von 1990 war klar, dass diepolitische Macht hauptsächlich an Machtträger ausdem Westen gehen würde. Auch bei ihm setzt Ent-fremdung ein – eine überaus schwerwiegende: DieEntfremdung von einer Ordnung, die zwar selbst ge-wählt war, aber dann doch als von außen überge-stülpt erlebt wurde. Welches symbolisch sichtbareZeichen gab es für sein Dazukommen? Welche An-erkennung für die Leistung der Selbstbefreiung? Ineinem Dokumentarfilm berichtet eine Arbeiterin vonihrer Entlassung und wie ihr alter und zugleich neuerChef zu ihr sagt: Ja, wärt ihr nicht auf die Straße ge-gangen...

Nach Annette Simon; in: Die Zeit vom 17. Juni 1999, S. 7.(Annette Simon lebte bis 1989 in der DDR und arbeitet heuteals Psychoanalytikerin in Berlin.) Vgl. auch: Annette Simon/Jan Faktor: Fremd im eigenen Land? Psychosozial VerlagGießen, 2000

Altes Kennzeichen

• die Reiseziele• die Arbeitszeiten• das Gesundheits-

wesen• die Pacht für Dat-

schen• das Warenangebot• die Freizeiteinrichtun-

gen• die Jugendverbände• die Eisenbahnverbin-

dungen• die Eigentumsverhält-

nisse• der Staatsaufbau• das Fernsehpro-

gramm• und, und, und...

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26 Das Ausmaß des Wandels

B 5 Schilderwechsel

B 6 Ein Test für Wessis

B 7 Eine soziale Revolution

B 4 Verschwundene Tage

B

DDR-Fest- und Gedenktage, die keine mehr sind(eine Auswahl)

15.01. Ermordung von Karl Liebknecht und RosaLuxemburg

21.01. Todestag Lenins

11.02. Tag der Zivilverteidigung

01.03. Tag der Nationalen Volksarmee

14.03. Todestag von Karl Marx

10.04. Tag des Metallarbeiters

21.04. Gründungstag der SED (Vereinigungs-parteitag)

08.05. Tag der Befreiung

20.05. Tag der Jugendbrigaden

12.06. Tag des Lehrers

19.06. Tag der Genossenschaftsbauern

26.06. Tag des Bauarbeiters

01.07. Tag der Volkspolizei

03.07. Tag des Bergmanns und des Energiearbei-ters

05.08. Todestag von Friedrich Engels

01.09. Weltfriedenstag

07.10. Tag der Gründung der DDR

13.11. Tag des Chemiearbeiters

01.12. Tag der Grenztruppen der DDR

13.12. Tag der Pionierorganisation „Ernst Thäl-mann“

Nach Wolfgang Hardtwig/Heinrich August Winkler (Hg.):Deutsche Entfremdung, München (Beck) 1994, S. 118 f.

Marx und Engels haben ausgedient

Rückkehr zum alten Namen Bild: dpa

Bild: Erik-Jan Ouwerkerk

Was bedeutete in der ehemaligen DDR:

Broiler? Indianerknete?

Kader? Plaste?

EOS? Subbotnik?

Thälmann-Pionier? LPG?

ZK? FDJ?

Datsche? DSF?

LDPD? SERO?

HO? Blaue Fliese?

NVA? VEB?

Winkelement?

Auflösung: Seite 11

Der Beitritt zwang die Menschen in den neuen Bun-desländern, jahrzehntelang gewachsene kommunis-tische Strukturen abzuschaffen, um wieder an älteregemeinsame Muster anzuknüpfen. Der Zusammen-schluss mit der Bundesrepublik machte es notwen-dig, den westdeutschen Modernisierungsprozessder Nachkriegszeit in wenigen Monaten nachzuho-

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DDas Ausmaß des Wandels / Fortbestehende Unterschiede 27

B

B 8 Ungleichgewichte

Thesen von Peter Bender aus dem Referat „Zur Lage der Na-tion“ am 31. Januar 2000, Ost-West-Kolleg Brühl (OB)

Grafik: Brocker; Frankfurter Allgemeine Zeitung vom20. November 1998, S. 15.

Die Woche vom10. September1999, S. 13.

len. Eine Einparteiendiktatur musste sich in eine plu-ralistische, parlamentarische Demokraktie verwan-deln; eine Planwirtschaft war gezwungen, sich ineine soziale Marktwirtschaft umzuwandeln; ein kor-ruptes Justizsystem hatte sich in einen Verteidigerder Menschenrechte zu verändern; ein weisungsge-bundener Indoktrinationsapparat sollte sich zu ei-nem freien Erziehungswesen mausern. Kurzum, fastalle Aspekte des Lebens mussten sich grundlegendwandeln.

Obgleich die Mehrheit einen Wandel herbeigesehnthatte, brachte die rasche Veränderung für die Be-völkerung oft mehr Verunsicherung als Befreiung.Die Überstülpung des westlichen Systems auf denOsten erinnert daher in gewisser Weise an das klas-sische preußische Muster einer „Revolution vonoben“. Über Nacht hatten Neubürger sich andereVorschriften für Krankenversicherung, Kindergeldoder Mietbeihilfe anzueignen. Begriffe und Bezeich-nungen wie „Arbeitslose“, „Kurzarbeiter“, „Beziehervon Arbeitsübergangsgeld“, „Arbeitsloser mit Hoch-schulabschluss“ u.Ä. signalisierten eine für Ost-deutschland völlig neue soziale Wirklichkeit.

Nach Konrad H. Jarausch: Die unverhoffte Einheit, Frank-furt/M. (Suhrkamp) 1995, S. 303 f. und S. 306. (Konrad Jar-ausch ist Professor für Europäische Geschichte an der Uni-versität von North Carolina/USA.)

B 10

Kaufkraft-Vergleich1998

• Der Westen ist reich, der Osten arm.

• Im Westen wohnt die Mehrheit, im Osten die Minderheit.

• Der Westen belehrt, der Osten muss lernen.

• Die Westler sind überlegen, die Ostler hilflos.

• Der Westen pflegt seine Arroganz, der Osten das Res-sentiment.

• Der Westen braucht den Osten nicht, der Osten könnteohne den Westen wenig erreichen.

B 9

Ver-mögens-vergleich

Jährliches Nettoeinkommen je Ein-wohner(Kreise und kreisfreie Städte)

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28 Das Ausmaß des Wandels / Geht es den Ostdeutschen so gut wie nie?

B

Statistisch gerechnet, geht es den Ostdeutschen sogut wie nie. ... Das Vermögen der Haushalte verdrei-fachte sich beinahe. Wie im Westen hat fast jederZweite ein Auto... Landauf, landab sind die Fassa-den der Häuser gestrichen, die Dächer neu gedecktund die Straßen geteert. Die Zeiten sind vorbei..., indenen eine Fahrt von West nach Ost wie von einemFarbfilm in einen Schwarzweißfilm war.

Der Spiegel vom 8. November 1999, S. 41.

Rund zehn Jahre nach dem Fall der Mauer gucktnoch nicht zusammen, was zusammen gehört. DieOstdeutschen sitzen nicht nur viel länger vor demFernseher, sondern drücken auf der Fernbedienungauch ganz andere Knöpfe als durchschnittlicheWestdeutsche.

B 14 Wanderungsbilanz

Der Spiegel 14/1999, S. 48

B 13 Quoten-Vergleich

B 12 Einstellung zur Kirche

Auf die Frage nach ihrer „Einstellung zur Kirche“antworteten 1990:

Grafik: Claudia Saupe. Daten nach: Der Spiegel vom 12. No-vember 1990, S. 123

Tabelle 34. Spieltag, Mai 2000

Platz Mannschaft Sp S U N Tore Pkt

1. Bayern München 34 22 7 5 73:28 732. Bayer Leverkusen 34 21 10 3 74:36 733. Hamburger SV 34 16 11 7 63:39 594. TSV 1860 München 34 14 11 9 55:48 535. 1. FC Kaiserslautern 34 15 5 14 54:59 506. Hertha BSC Berlin 34 13 11 10 39:46 507. VfL Wolfsburg 34 12 13 9 51:58 498. VfB Stuttgart 34 14 6 14 44:47 489. Werder Bremen 34 13 8 13 65:52 47

10. SpVgg Unterhaching 34 12 8 14 40:42 4411. Borussia Dortmund 34 9 13 12 41:38 4012. SC Freiburg 34 10 10 14 45:50 4013. Schalke 04 34 8 15 11 42:44 3913. Eintracht Frankfurt* 34 12 5 17 42:44 3915. FC Hansa Rostock 34 8 14 12 44:60 3816. SSV Ulm 1846 34 9 8 17 36:62 3517. Arminia Bielefeld 34 7 9 18 40:61 3018. MSV Duisburg 34 4 10 20 37:71 22

*)Eintracht Frankfurt wurden am Saisonende wegen Ver-stößen gegen Lizensierungs-Auflagen zwei Punkte abge-zogen. Da Frankfurt und Schalke punkt- und torgleich sind,entschied der direkte Vergleich über die Platzierung.

B 11 Die Bundesliga

B 15 „So gut wie nie“

Während man sich bei den Spitzenreitern noch einigist mit Gottschalks „Wetten dass...?“ und dem Fi-nale der Champions League zwischen Manchesterund Bayern, haben die Deutschen beim Restpro-gramm kaum Gemeinsamkeiten. Rund 40 Folgender RTL-Seifenoper für Teenies „Gute Zeiten,schlechte Zeiten“ sind in die neuen Ländern unterden hundert Sendungen mit den höchsten Ein-schaltquoten. Im Westen schaffte es keine einzige.

Gemäß der groben Teilung TV-Deutschlands in Un-terhaltung (Ost) und Information (West) sind die pri-vaten Sender im Osten in der Regel der Marktführer,im Westen die ARD. Nur der Mitteldeutsche Rund-funk (MDR) behauptet sich in seinem SendegebietSachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gegen dieprivate Konkurrenz – allerdings mit deren Mitteln: Erbietet kaum Information und viel Unterhaltung.

In den neuen Ländern wird auch deutlich mehr Zeitvor dem Fernseher verbracht. Während im Westenjeden Tag durchschnittlich drei Stunden ferngese-hen wird, ist es östlich der Elbe fast eine halbeStunde mehr.

Nach: Süddeutsche Zeitung vom 31. August 1999, S. 10.

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Geht es den Ostdeutschen so gut wie nie? 29B

B 16 Kaum noch Unterschiede

Ausstattung der Haushalte mit langlebigen Gebrauchsgütern1998 im Ost-West-Vergleich

B 17 Nur wenig Nachholbedarf

B 18

Vor derWendeStand 1988

B 19 So war es 1987

B 20 Alte Gegensätze

Manfred Stolpe nennt einige deutsch-deutsche Ge-gensatzpaare aus der Zeit der Trennung.

• Statt Rechtsstaat im Westen, Diktatur im Osten;statt freier Entfaltung ständige Bevormundung vonder Wiege bis zur Bahre; statt dem vollen Risiko derFreiheit ein Versorgungssystem: mausgrau, unat-traktiv, aber irgendwie verlässlich.

• Im Westen lernte man, sich streitbar zu behaupten.Im Osten war es Lebenskunst, sich durchzuschlän-geln, schräg zum Wind, äußerlich angepasst, seineInteressen zu verfolgen.

• Im Westen besteht und bestimmt eine öffentlicheMeinung. Im Osten stand einer offiziellen Meinungdie weithin unbekannt wirkliche Meinung der Bevöl-kerung gegenüber...

• Im Westen wussten die Menschen um ihre Rechts-ansprüche. Im Osten wurde Recht als politischesHerrschaftsinstrument erfahren, gab es Gnadenaktestatt verlässlicher Rechte.

Diese Unterschiede wurden in ihrer Bedeutung un-terschätzt. Sie müssen heute erkannt und aufgear-beitet werden.

Manfred Stolpe: Demokratie wagen, Marburg (Schüren)1994, S. 29. (Manfred Stolpe ist Ministerpräsident von Bran-denburg.)

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30 Jugendlicher RechtsradikalismusB

Ausländeranteil in ausgewählten Bundesländern (je 1000Einwohner)

Westdeutschland Ostdeutschland

Hessen 139 Brandenburg 23

Baden-Württemberg 123 Sachsen 19

Nordrhein-Westfalen 112 Sachsen-Anhalt 18

Bayern 92 Mecklenburg-Vorpommern 14

Rheinland-Pfalz 75 Thüringen 12

Nach: Statistisches Bundesamt (Hg.): Statistisches Jahrbuch1999, Stuttgart (Metzler-Poeschel) 1999, S. 65.

B 23 Die Realität

Grafik: Claudia Saupe. Daten: Deutsche Shell (Hg.): Jugend2000, Band 1, Opladen (Leske + Budrich) 2000, S. 240

Beurteilung des Ausländeranteils in Deutschland durch ost-und westdeutsche Jugendliche zwischen 15 und 25 Jahren:zu hoch oder gerade richtig?

Fehlende Prozentzahlen: zu niedrig, oder: keine Angaben

B 22 Die Einschätzungen

B 21 Neonazis

B 24 Umfrageergebnisse

B 25 Erklärungsversuche

Hans Merkens (Professor für Pädagogik an derFreien Universität in Berlin)

Dass rechte Gruppen im Osten mehr Erfolg haben,liegt wohl daran, dass dort einfache Lösungen ge-nerell stärker favorisiert werden und man dort nichtgelernt hat, mit den Problemen differenziert umzu-gehen... Die Jugendlichen in der DDR waren, entge-gen oder gerade wegen der offiziellen Propaganda,nationalistischer als ihre westlichen Altersgenossen.Darauf können die Rechten heute aufbauen.

Ein Aufmarsch zum Tag der Deutschen Einheit in Dresden(1992) Bild: dpa

Befragt wurden Jugendliche zwischen 14 und 25 Jahren.

Frage: Sind Sie mit der Demokratie in Deutschland zufrie-den?

Westdeutschland 51% nein 48% jaOstdeutschland 65% nein 35% ja

Frage: Können Sie sich vorstellen, eine rechtsradikale Parteizu wählen?

Westdeutschland 93% nein 7% jaOstdeutschland 83% nein 17% ja

Frage: Waren früher die Leute besser dran?

Westdeutschland 26% nein 23% jaOstdeutschland 16% nein 35% ja

Fehlende Prozentzahlen: Unentschieden

Nach: Die Woche vom 12. Juni 1998, S. 6. (Umfrage desForsa-Instituts)

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Ost West

Ost West

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Jugendlicher Rechtsradikalismus / Der Osten wählt anders 31B

Im Osten ... (ist) die Bindung an eine Partei viel we-niger ausgeprägt als im Westen. Den meistenWählern scheinen die Parteien ohnehin herzlichgleichgültig zu sein. Die schlimmen Erfahrungen mitder SED und deren Blockgenossen übertragen sienun auch auf die demokratischen Parteien... Offen-bar haben (diese) es nicht geschafft, eine stabileMehrheit davon zu überzeugen, dass eine demokra-tische Partei etwas anderes und Besseres ist alseine sozialistische Staatspartei... Eine Besonderheitdes Wahlverhaltens der Ostdeutschen: Sie wählennicht Programme, sondern Personen. Sie wählenAutorität. Darin wirken die Mechanismen beider to-talitärer Regime nach.

Konrad Weiss; in: Rheinischer Merkur vom 17. September1999, S. 4. (Konrad Weiss war Mitglied der Bundestagsfrak-tion der Grünen; er lebt als Publizist in Berlin.)

B 28 Der Osten wählt anders

Ergebnisse in den neuen Bundesländern. In Klammern: Ver-änderungen gegenüber den vorangegangenen Wahlen.

B 27 Landtagswahlen 1999Helmut Lölhöffel (Korrespondent der FrankfurterRundschau)

Jugendliche Schläger benehmen sich in manchenLandstrichen Ostdeutschlands wie „Vollstrecker desVolkswillens“, die eine Art „Sozialkontrolle“ ausü-ben... Wenn sich Erwachsene beim Anblick von Ob-dachlosen zuzischen, „da müsste man mal denRechten Bescheid sagen“, wird klar, warum Jung-nazis glauben, die schweigende Mehrheit stündehinter ihnen. Sie verlassen sich auf eine verbreiteteGrundstimmung, die durch klammheimliche Zustim-mung, ja sogar durch öffentlichen Beifall gekenn-zeichnet ist...

Christian Pfeiffer (Direktor des KriminologischenInstituts Niedersachsen)

Hauptursache ist die autoritäre Erziehung der DDR.Viel zu früh und für viel zu lange Zeit wurden die Kin-der von ihren Eltern getrennt und in Krippen, Kin-dergärten, Schulen und Jugendorganisationen stän-dig einem hohen Anpassungsdruck an die Gruppeausgesetzt... Hinzu kommt: Die SED hat die Kinderund Jugendlichen ständig mit einem idealisiertenBild der eigenen Welt überzogen und für die offen-kundigen Mängel des Systems immer wieder denKlassenfeind verantwortlich gemacht. Bereits vonden Kindergärtnerinnen verlangte das Regime dieErziehung zum Feindbild... Gerade die Erfahrungenin der Kindheit (prägen) die Persönlichkeit. Zum an-deren ist zu bezweifeln, dass der DDR-typische Er-ziehungsstil sofort mit der Wiedervereinigung ver-schwunden ist. Die Lehrer und Erzieher blieben ersteinmal die alten.

Die Woche vom 12. Juni 1998, S. 6 (a); Vorwärts 5/1998, S.47 (b) und Der Spiegel 12/1999, S. 60 ff. (c)

PDS-Wahlkundgebung in Berlin (1998)

Bild: Aris

B 26 Heimvorteil im Osten

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Berlin zweigeteilt

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32 Die AusgangslageC

C 1 – C 35 Vom Plan zum Markt

C 1 Karikaturen von 1990

C 2 Schlagzeilen von 1990 bis 2000

1990

Jeder zweite DDR-Bürger fürchtet Ar-beitslosigkeit

Unsere Märkte brechen total zusammenEsslinger Zeitung vom 2. Juli 1990; S. 11 / Stuttgarter Zei-tung vom 24. November 1990, S. 18.

„Nun stell dich nicht an! Übung macht den Meister!“Zeichnung: Rolf Henn

Will einfach nicht anspringen Zeichnung: Pielert, 1990

1991

Zehn Jahre bis zum Wohlstand

Ostdeutsche Wirtschaft kommt langsamin SchwungDer Spiegel vom 29. Juli 1991, S. 41 / Esslinger Zeitung vom27. September 1991, S. 18.

1992

Unternehmer sehen Standort Ost ge-fährdet

Das Wunder dauert etwas längerFrankfurter Allgemeine Zeitung vom 17. Juni 1992, S. 15 /Der Spiegel vom 28. Dezember 1992, S. 79.

1993

Viele Unternehmen im Osten stehen vordem Abgrund

Der Umstrukturierungsprozess in Ost-deutschland wird noch Jahre dauernFocus vom 15. Februar 1993, S. 122 / Europa Forum 6/1993,S. 4.

1994

Neue Länder: Schneller Aufholprozess

Die ostdeutsche Wirtschaft kommt inSchwungWirtschaftswoche vom 4. März 1994, S. 8 / Handelsblatt vom10. März 1994, S. 2.

1995

Aufholjagd entwickelt Eigendynamik

In den neuen Ländern ist von Dynamiknichts zu spürenStuttgarter Zeitung vom 19. Juni 1995, S. 13 / vom 30. Dezember 1995, S. 13.

1996

Aufschwung hüben, Absturz drüben

Krise im Osten verschärft sichSüddeutsche Zeitung vom 26. Juni 1996, S. 1. / Die Welt vom26. November 1996, S. 13.

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Die Ausgangslage 33C

C 4 Preise von 1989

C 5 Erblasten

C 3 Traditionelle Arbeitsbeschaffung

Wer die DDR besuchteund sich über die niedri-gen Brotpreise, diespottbilligen Straßen-bahnfahrten oder die ge-ringen Mieten wunderte,der musste wissen:Preise hatten in der DDRnichts mit den Kosten fürdie Herstellung oder dieBereitstellung von Gü-tern und Leistungen zutun. Für Nahrungsmittelschoss der Staat auf je100 Mark Kosten 46Mark an Subventionenzu; nur die restlichen 54Mark waren durch diePreise gedeckt, dieDDR-Verbraucher zahlenmussten. Noch stärker wurden Verkehrsleistungen und Woh-nungsmieten subventioniert. Die Abkopplung der Verbrau-cherpreise von den Kosten konnte absurde Folgen haben;manche Tierhalter verfütterten Brot statt Getreide, weil dasbilliger war.

1997

Die Wirtschaft im Westen wächst wiederschneller als im Osten

Dem Osten geht die Puste ausDie Woche vom 10. Januar 1997, S. 41 / Frankfurter Rund-schau vom 20. Februar 1997, S. 13.

1998

Ost-Konjunktur verliert an Schwung

Arbeitslosigkeit im Osten verfestigt sichDie Welt, 27. November 1998, S. 18 / Frankfurter AllgemeineZeitung vom 16. Dezember 1998, S. 17.

1999

Ostindustrie will nicht wachsen

Aufschwung im Osten bricht erneut abStuttgarter Zeitung vom 3. März 1998, S. 13 / Esslinger Zei-tung vom 2./3. Juni 1999, S. 2.

2000

Ostdeutschland fällt zurück

Ostdeutsche Industrie im AufwindDer Tagesspiegel vom 11. Januar 2000, S. 18 / Berliner Zei-tung vom 17. April 2000, S. 35.

Als Ergebnis der ineffizienten Wirtschafts- und Sozi-alpolitik der DDR-Regierung bauten sich in den ost-deutschen Regionen flächendeckend massive re-gionale Strukturschwächen auf...:

– erhebliche Modernisierungsdefizite der Wirt-schaftsstruktur...;

– weitverbreitete regionale Monostrukturen und einniedriges Niveau der Arbeitsteilung;

– einseitige Ausrichtung der Wirtschaftsstruktur aufdie Erfordernisse des RGW-Marktes; *

– überdimensionale betriebliche Konzentration;

– vielfältige Ausstattungslücken der Infrastruktur,die zudem stark zerschlissen war;

– ein Mangel an leistungsfähigen städtischen Zen-tren.

Dies waren von gesamtwirtschaftlicher Sicht herdenkbar ungünstige Ausgangsbedingungen für ei-nen Start der ostdeutschen Regionen in die Markt-wirtschaft.

Steffen Maretzke/Eleonore Irmen; in: Aus Politik und Zeitge-schichte B 5/99 vom 29. Januar 1999, S. 3

* RGW= Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (Zusammen-schluss der Zentralverwaltungswirtschaften des Ostblocks)

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34 Die Ausgangslage / Die Wirtschafts- und Währungsunion von 1990C

Als Hauptursache des Niedergangs erwies sich Arti-kel 9 der DDR-Verfassung: „Die Volkswirtschaft derDeutschen Demokratischen Republik ist sozialisti-sche Planwirtschaft.“ Nicht der Markt, sondern derPlan bestimmte die Preise. Die Produktion wurdenicht von der Nachfrage gesteuert, sondern durchWillkür und Wunschdenken der Regierenden ... Un-ter planungsbedingten Versorgungsengpässen –vom Dosenöffner bis zur Badekappe, vom Dübel biszum Fertigmörtel – litten Privathaushalte wie Be-triebe. Gedrückt wurde die Produktivität der DDR-Wirtschaft aber auch durch die Gleichmacherei beiden Löhnen und durch die Schwäche der Ost-Mark... Bereits Anfang der achtziger Jahre hattendie Auslandsschulden der DDR 24 Milliarden West-

C 8

Wirtschafts- und Währungsunion

C 7 Die DDR war bankrott

C 6

SozialistischePlanwirtschaft

Mark erreicht. ... Kontinuierlich nahm in den achtzi-ger Jahren die Produktivität der Wirtschaft weiterab, zugleich sank die Qualität der Waren, die in denverrottenden, umweltverseuchenden Betrieben er-zeugt wurden ...

Ende der achtziger Jahre kam die DDR nur nochdank übler Machenschaften und Manipulationenhalbwegs über die Runden – durch Konkursver-schleppung und Devisenschinderei in großem Stil:Für Valuta-Mark verkaufte die SED (teils zu diesemZweck eigens verhaftete) politische Gefangene, ge-raubte Antiquitäten, historisches Kopfsteinpflasterund die Erlaubnis, auf ihrem Staatsgebiet bundes-deutschen Müll zu deponieren.

Jochen Bölsche/Norbert F. Pötzl; in Der Spiegel vom 15. No-vember 1999, S. 200.

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Die Wirtschafts- und Währungsunion von 1990 / Die Treuhandanstalt 35C

C 9 Parolen von 1990

Sprüche auf Plakaten bei Demonstrationen in der DDR

Kommt die D-Mark nicht nach hier,dann kommen wir zu ihr.

Ohne 1:1werden wir nicht eins

C 10 Warenströme 1991

Innerdeutscher Warenverkehr im Fe-bruar 1991:Von West nach Ost um 295 Prozent,von Ost nach West um 30 Prozent ge-stiegen.

Statistisches Bundesamt Mitteilung für die Presse, Wiesba-den 24. April 1991.

C 11 Unternehmersicht 1990

Westdeutsche Unternehmer zur deutsch-deutschenWirtschaftsunion

Hans Peter Stihl (Präsident des Deutschen Indus-trie- und Handelstags)

„Die industrielle Struktur in der DDR ist hoffnungslosüberbesetzt – man kann in der Regel davon ausge-hen, dass 50 Prozent der Beschäftigten freigesetztwerden müssen.“

Rudi Häussler (Chef eines Bürounternehmens)

„Selbst ein Unternehmen wie Robotron wird keineChance mehr haben, auch nur noch einen Compu-ter zu bauen. Wir brauchen hier unsere Maschinendoch nur fünf Minuten länger laufen zu lassen, dannist die DDR versorgt.“

Helmut Werner (Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz GmbH)

„Es war doch klar, dass die Industrie in der DDRkeine neuen Kapazitäten sucht, sondern in erster Li-nie neue Märkte.“

Stuttgarter Zeitung vom 20. Juli 1990, S. 11.

C 12 Aufgaben der Treuhandanstalt

• Entwicklung einer sozialen Marktwirtschaft in denneuen Bundesländern

• möglichst rasche Verringerung der unternehmeri-schen Tätigkeit des Staates durch die Privatisie-rung ehemaliger „volkseigener“ Betriebe

• Ersetzung der früheren Staats- und Planwirtschaft(Zentralverwaltungswirtschaft, Kommandowirt-schaft) durch unternehmerisch aktive private Ei-gentümer

• Herstellung der Wettbewerbsfähigkeit möglichstvieler Unternehmen

• Sicherung der Arbeitsplätze

• Durchsetzung sozialverträglicher und regionalausgewogener Maßnahmen bei unvermeidlichenStilllegungen von Unternehmen.

Die Arbeit der am 31.12.1994 aufgelösten Treuhand-anstalt setzen drei Nachfolgeorganisationen fort,deren Arbeit im Jahr 2000 abgeschlossen werdensoll.

Nach: Treuhandanstalt (Hg.): Arbeiten für die soziale Markt-wirtschaft, Berlin o.J., S. 4 f.

C 13 Auslese

Die guten ins Kröpfchen, die schlechten bleiben im Töpf-chen …Zeichnung: Leipziger Volkszeitung, 1990

Treuhandveräußerungen15 000 Unternehmen und Unternehmensteile25 000 mittelständische Betriebe46 000 Liegenschaften62 000 Hektar land- und forstwirtschaftliche Flächen.85 Prozent des privatisierten Produktionsvermögens derDDR fiel an westdeutsche Eigner oder Bewerber, 10 Prozentan ausländische Unternehmen, nur 5 Prozent an Ostdeut-sche.

Nach: Das Parlament vom 20. Oktober 1995, S. 5 undDeutschland Archiv 1998/4, S. 627.

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36 Die Treuhandanstalt / Wachstum ohne BeschäftigungC

C 16 Die Wende am Arbeitsplatz

Für die Ostdeutschen war die Umstellung nach derWende am Arbeitsplatz am deutlichsten spürbar. ImGegensatz zu den auf Freizeit ausgerichteten West-deutschen definierte man sich im Osten durch seineArbeit im Betrieb. Dabei gewährte in der ehemaligenDDR die in der Verfassung verankerte Garantie aufeinen Arbeitsplatz Sicherheit gegen den Verlust dessozialen Status, und das berechenbare Einkommenmachte eine langfristige Lebensplanung möglich,auch wenn der Rückstand gegenüber dem Westenimmer augenfällig war.

Viel bedeutsamer war aber, dass für die Ostdeut-schen mit dem Arbeitsplatz zahlreiche soziale Ver-günstigungen verbunden waren: Weiterbildungsein-richtungen, ärztliche Versorgung, Kinderbetreuung,der Besuch von Ferienlagern und Erholungsheimenwaren betrieblich organisiert. Die DDR-Bürger nah-men diese sozialpolitischen Errungenschaften, dieaufs engste mit der Arbeit und dem Kollektiv ver-bunden waren, im Vergleich mit den anderen ost-deutschen Staaten, aber auch im Vergleich mit derBundesrepublik Deutschland, als höher entwickeltwahr.

Die Wende stellte für viele diese soziale Sicherheitund die gewohnte weitgehende Ausschaltung vonLebensrisiken in Frage. Fast drei Fünftel der Ar-beitskräfte – darunter viele Frauen – verloren mitdem seitherigen Arbeitsplatz ihre Sicherheit undihren Platz in der Gesellschaft. Viele mussten dieStelle wechseln, teilweise durch Pendeln in den Westen, oder wurden auf Kurzarbeit zurückgestuft;über zwanzig Prozent wurden entlassen oder in denVorruhestand geschickt.

Die schonungslose Offenlegung der vorher verdeck-ten Arbeitslosigkeit zerstörte bis dahin bestehendeArbeitskollektive und viele soziale Bindungen, weilmit dem Verlust des Arbeitsplatzes die Grundlagedes sozialen Lebens wegbrach.

Nach Konrad Jarausch: Die unverhoffte Einheit, Frankfurt/M.(Suhrkamp Verlag) 1995, S. 304 und Wolfgang Merkel: Sys-temtransformation (Leske + Budrich Verlag) 1999, S. 422 f.

Treuhandanstalt Berlin

Gesellschaft zur Privatisierungdes Handels

Hans-Beimler-Straße 70/72, O-1020 Berlin

AusschreibungZur Privatisierung des Handels werden hiermit Einzel-handelsobjekte mit Verkaufsstellen über 100 m2 sowiegastgewerbliche Mittel- und Großbetriebe ausgeschrie-ben. In die Ausschreibung einbezogen sind auch dieje-nigen kleineren Objekte, die in der am 3.12.1990 ab-geschlossenen Ausschreibung nicht berücksichtigt wer-den konnten.

In den Niederlassungen der Treuhandanstalt sind dieObjektlisten nach (den früheren) Bezirken der DDR aus-gelegt. Die Musterverträge und Bewerbungsrichtlinienkönnen dort ab 2.1.1991 eingesehen werden. Ein Ver-sand der Unterlagen ist nicht möglich.

Die Niederlassungen befinden sich an folgenden Orten:

Berlin 1055 Schneeglöckchenstr. 26Cottbus 7500 Gulbener Straße 24Dresden 8010 Budapester Straße 5Erfurt 5010 Bahnhofstraße 37Frankfurt/Oder 1200 Am ForumGera 6500 Puschkinplatz 7Halle 4010 Alter Markt 1-2Chemnitz 9006 Henriettenstraße 16-18Leipzig 7010 Freidrich-Engels-Platz 5Magdeburg 3010 Otto-v.-Guericke-Str. 27-28Neubrandenburg 2000 Leninstraße 120Potsdam 1581 Am Bürohochhaus 2Rostock 2500 Freiligrathstraße 1Schwerin 2750 Karl-Marx-Straße 18Suhl 6016 Straße der DSF 3, PSF 220

Verkauft wird der gesamte Geschäftsbetrieb. In keinemFall werden aber Grundstücke und Gebäude veräußert.Die Gebote sind bis zum 21.1.1991, 12.00 Uhr (der Ein-gang zählt), aufgrund der in den Niederlassungen aus-liegenden Richtlinien an die entsprechende Niederlas-sung zu richten.

C 15 Bilanz der Treuhand

Süddeutsche Zeitung vom 28. Dezember 1990, S. 23.

C 14 Eine Ausschreibung

Die Erfolge: In nicht einmal fünf Jahren entflechtetedie Treuhand etwa 80000 DDR-Betriebe. Darausentstanden fast 14000 Privatisierungen und mehrals 3000 Stilllegungen.

Die Schulden: Die Treuhand hinterlässt zum Jahres-ende (1994) ein gigantisches Defizit von 230 Milliar-den Mark ... Der Wert des DDR-Volksvermögens warnach der Wende auf 600 Milliarden geschätzt wor-den. Tatsächlich aber war die Hammer- und Zirkel-

Wirtschaft ... viel maroder als zunächst vermutet. Obindes das ganze Defizit der DDR-Erblast zuzurech-nen ist oder teils auch der Arbeit der Treuhand, da-rüber wird der Streit noch lange gehen.

Die Arbeitsplätze: Die Treuhand ist für viele Ostdeut-sche „Plattmacher“ und „Totengräber“. Mehr als 3000 Firmen wurden geschlossen, darunter ver-meintliche DDR-Perlen wie Wartburg, Trabant, Ro-botron und Interflug. Vielen Betrieben fehlte nachWährungsunion und Lohnanstieg jede Wettbe-werbsfähigkeit. Von mehr als 3,5 Millionen Arbeits-plätzen in Treuhand-Firmen blieben letztlich,großzügig gerechnet, nur gut eine Million.

Nach Thomas Wüpper; in: Hermann Glaser (Hg.): Die Mauerfiel, die Mauer steht, München (dtv) 1999, S. 180f.

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Wachstum ohne Beschäftigung 37C

C 17 Statistik im Jahr 2000

C 18 Berufstätige Mütter 1996

C 19 ArbeitsmarktpolitikDurch Arbeitsbeschaffungsmaßnah-men geförderte Arbeitnehmer

Alte NeueBundes- Bundes-länder länder

1994 57 441 192 429

1995 70 110 205 787

1996 69 546 191 458

1997 59 272 154 464

1998 59 009 151 367

1999 68 627 188 040

1994 – 1998: Jahresdurchschnitt,1999: Durchschnitt Oktober 98 bisSeptember 99.Als Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen(ABM) bezeichnet man die öffentlichfinanzierte Beschäftigung (Zuschüssedes Arbeitsamtes) für zusätzliche und

im öffentlichen Interesse durchgeführte Arbeiten.Die Entgelte dürfen höchstens 90 Prozent des Loh-nes für die vergleichbare, nicht geförderte Arbeit be-tragen; der Förderzuschuss darf 75 Prozent der be-zahlten Löhne nicht übersteigen.Nach: Bundesanstalt für Arbeit (Hg.): Arbeitsmarkt in Zahlen,Nürnberg 1999

C 20 Die Löhne sind zu hoch

Die schnelle Anpassung der östlichen Tarifverträgeund Löhne an das Westniveau war ein zentraler Feh-ler, weil das Lohnniveau und die Arbeitszeit schnel-ler angeglichen wurden, als es die Wettbewerbslagein Ostdeutschland gestattet hätte. Es ist zwar inner-halb eines Währungs- und Preisgebietes notwendig,dass man einen vergleichbaren Lebensstandard er-möglicht, aber das bedeutet nicht, dass man statt38 nicht auch 45 Stunden pro Woche arbeiten kann.Übrigens, in den meisten Industriebetrieben Ost-deutschlands wird heute länger gearbeitet, weil zweiDrittel der Betriebe dem Arbeitgeberverband nichtmehr angehören und sich durch Hausverträge flexi-bel gemacht haben.Etwas weniger verdienen, ich sage mal 80 Prozent,muss wohl sein. Davon kann man aber leben. Dasist der westliche Lebensstandard vor ca. 15 Jahren.Es geht eben leider nicht, dass in einer so schwieri-gen Aufbauphase Arbeitszeiten und Tarifleistungengenau so sind wie im Westen. Insbesondere im öf-fentlichen Dienst ist das nicht finanzierbar.Klaus von Dohnanyi; in: Vorwärts 1998/11, S. 32. (vonDohnanyi ist Beauftragter für Marktfragen beim Vorstand derBundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben.)

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38 Wachstum ohne Beschäftigung / Der Osten als Kostgänger des WestensC

C 24

Solidaritäts-Appell von 1993

Anzeige der Bundesregie-rung. Stuttgarter Zeitungvom 13. Oktober 1993, S. 25

C 23 West-Ost-Transfers seit 1991

C 22 Kostgänger des Westens

C 21 Verdienste im Ost-West-Vergleich

Die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern haben beimVerdienst kräftig aufgeholt. 1991 verdiente ein ostdeutscherArbeitnehmer nur wenig mehr als die Hälfte seines westli-chen Kollegen. Dieser Abstand hat sich inzwischen auf imSchnitt nur noch 12 Prozent verringert: In den alten Bundes-ländern betrug der durchschnittliche monatliche Nettover-dienst je Arbeitnehmer im vergangenen Jahr 2.820 D-Markund in den neuen Ländern 2.470 D-Mark.

Text: Schul/Bank 6/1999, S. 1.

Lohnangleichungen in den neuen Bundesländern*

1. Juli 1991 60 Prozent1. Mai 1992 70 Prozent1. Dezember 1992 74 Prozent1. Juli 1993 80 Prozent1. Oktober 1994 82 Prozent1. Oktober 1995 84 Prozent1. September 1997 85 Prozent1. September 1998 86,5 Prozent

* Prozentuales Verhältnis der Ostlöhne zu den Westlöhnen(Erziehung & Wissenschaft 2/2000, S. 17)

In Milliarden D-Mark

Handelsblatt vom 8. November 1999, S. 5.

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Der Osten als Kostgänger des Westens / Lichtblicke beim Aufschwung Ost 39C

C 28 Zwischenbilanz bei Wachstum und Produktivität

C 25 Fortsetzung notwendig

Für den weiteren Aufbau der Infrastruktur in denneuen Bundesländern seien in den kommendenJahren mehr als 300 Milliarden Mark notwendig. Dassagte der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts,Höppner (SPD) ... Bei einer Fortsetzung der Finanz-transfers in der bisherigen Höhe könne innerhalbvon zwanzig Jahren die Lücke zwischen Ost- undWestdeutschland geschlossen sein... „Das ist keinForderungskatalog an die alten Bundesländer undden Bund, sondern die Einschätzung, was teilungs-bedingt in den neuen Bundesländern ... noch zu tunist“, sagte der sächsische Ministerpräsident Bieden-kopf (CDU).

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 30. März 2000, S. 1.

C 26 Teilerfolge

Trotz massiver Unterstützung der Wirtschaft in denneuen Ländern und trotz milliardenschwerer Investi-tionen in die Infrastruktur ist das Ziel, in Ost-deutschland eine wettbewerbsfähige Wirtschaftsre-gion zu schaffen, ... erst zum Teil erreicht. Nochimmer bilden Ost- und Westdeutschland keine wirt-schaftliche Einheit... Trotz der beachtlichen Aufbau-leistung – die ostdeutschen Betriebe dürften ...heute bereits moderner ausgestattet sein als diewestdeutschen – ergibt sich ein eher trauriges Bild:Seit 1995 hat die ostdeutsche Wirtschaft kaum nochBoden gut gemacht. 1998 ist sie sogar zurückgefal-len... Es ist viel erreicht worden, aber noch lange

nicht genug und wesentlich weniger als erwartet...Die neuen Länder werden den wirtschaftlichen An-schluss auch bis zum Jahr 2004, wenn der Solidar-pakt ausläuft, nicht schaffen. Der Westen kann sichschon jetzt darauf einstellen, dass er unterm Strichauch dann nicht aus der finanziellen Pflicht entlas-sen werden kann.

Handelsblatt vom 10. Juni 1999, S. 7.

C 27 Der Osten holt auf

Trotz aller Probleme gilt: Die Unternehmen im Ostenwerden immer wettbewerbsfähiger. Mehr und mehrstellen sie sich der Konkurrenz auf westdeutschenund internationalen Märkten... Der Verkauf im Aus-land steigt quer durch alle Branchen... Zwar ist derBausektor immer noch sehr stark, ... aber seit eini-gen Jahren werden Überkapazitäten, die währenddes Baubooms nach der Wende entstanden, abge-baut. Im gleichen Zeitraum sind Industrie undDienstleistungsbranche gewachsen.

Vor diesem Hintergrund sieht das relativ niedrigeWachstum der gesamten Ost-Wirtschaft gar nichtso schlecht aus. Ein Plus von zwei Prozent im Jahr1998 ist zwar gering; die Quote ist aber nur deshalbso niedrig, weil hinter ihr der unvermeidliche Ein-bruch des Baugewerbes um 8,8 Prozent steht. DieIndustrie hingegen ... wuchs im selben Jahr um 11,9Prozent, die Dienstleistungsbranche um 4,8 Pro-zent.

Die Zeit vom 9. Dezember 1999, S. 35.

Handelsblatt vom 1. November 1999, S. 6.

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40 Lichtblicke beim Aufschwung OstC

Industrieaufträge:Das Ausland entdeckt den OstenAuftragseingänge aus dem Ausland im Verarbeiten-den Gewerbe, 1. Quartal 1997 = 100

C 31

Marktplatz Deutschland

C 30 Blühende Oasen

iwd-Nachrichten vom 11. November 1999, S. 5.

Eine Anzeige von 1998

C 29 Exporterfolge 1999

VW Sachsen erhöht Produktion Bild: dpa

Modernstes Braunkohlekraftwerk der Welt in der Lausitz 1998 in Betrieb ge-nommen Bild: dpa

Eine Chance für Qualität!Spitzen-Produkte aus Ostdeutschland

Unseren Erfolg als drittgrößter Han-delskonzern der Welt verdanken wirzum großen Teil unseren hohen Qua-litäts-Maßstäben. Wir überzeugen unsständig von der einwandfreien Güteunserer Ware.

Dabei machen wir seit einigen Jahrenhervorragende Erfahrungen mit Pro-dukten aus Ostdeutschland. Schadenur, daß diese qualitativ hochwertigenErzeugnisse beim Verbraucher fastnicht bekannt und nur wenig auf demMarkt etabliert sind. Kleinen und mit-telständischen Unternehmen fehlendazu die nötigen Werbebudgets.

Achten Sie doch einfach beim nächs-ten Einkauf auf Produkte aus Ost-deutschland. Wir freuen uns, wennauch Sie Qualität eine Chance geben.

Die Unternehmen der METRO AG

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Lichtblicke beim Aufschwung Ost 41C

C 32 DynamischesOstdeutschland

C 35 Ein Silberstreifen am Horizont

Zeichnung: Murschetz, Die Zeit/CCC, www.c5.net

Quelle: Statistisches Bundesamt, Statistisches LandesamtBerlin; nach: iwd-Nachrichten vom 11. November 1999, S. 5

C 33 „Unter uns“

sich im Typ Gotha auf 126 Quadratmetern „drängt“– 26 Quadratmeter Unterschied zwischen dem rei-chen Westen und dem armen Osten!... Bei noch soviel pathetischer Trauer über den schleppenden Auf-bau Ost darf nicht vergessen werden: Der weitausgrößere Teil der Ossis hat inzwischen einen akzep-tablen wirtschaftlichen Platz in Deutschland gefun-den...

Aber die Arbeitslosen? Zwanzig Prozent Arbeitslosein Ostdeutschland, das sind zu viele, und es sinddoppelt so viele wie im Westen... Doch ... es (ist)eine alte Wahrheit, dass die nackte Prozentzahl derArbeitslosigkeit im Westen genau so hoch wäre,wenn gleich viele Frauen wie im Osten nach einemJob suchten.

Antje Sirleschtow; in: Der Tagesspiegel vom 7. Oktober 1999,S. 10.

Ehrlich gesagt: Uns geht es gut. Man darf das nichtsagen in einem Land, in dem es fürs Klagen Geldgibt. Aber – ganz unter uns – es ist wirklich wahr...Wer sich ein realitätsnahes Bild vom „Osten zehnJahre danach“ machen will, der darf nicht hören,was geredet wird, der muss sehen, was der Fall ist...

Vierzig Prozent der Wohnungen, die in den vergan-genen Jahren im Osten gebaut wurden, sind Eigen-heime... Die Statistik sagt, dass der Haustyp Tau-nusstein 152 Quadratmeter misst, während man

C 34 Zehn Pluspunkte

1. Telefone funktionieren und sind verfügbar.

2. Straßen sind ordentlich geworden.

3. Innenstädte werden schöner als im Westen.

4. Renten liegen im Osten im Schnitt höher als imWesten.

5. Der Lebensstandard ist gesichert.

6. Der Nachholbedarf an Reisen kann befriedigtwerden.

7. Die D-Mark brachte echte Kaufkraft...

8. ... und ein neues Selbstwertgefühl im Ausland.

9. Die wirtschaftliche Freiheit ermöglicht neueSelbstständigkeit.

10. Und nicht zuletzt: Meinungsfreiheit ist möglich.

Peter Bender: Zur Lage der Nation, Thesen zum Vortrag am31. Januar 2000, in Brühl (Ost-West-Kolleg)

Unternehmensgründungen 1998Tatsächlicher Zugewinn an Betrieben je 10 000 Einwohnern*

Alte Bundesländer Neue Bundesländer

Bayern 18 Ostberlin 28

Saarland 12 Mecklenburg-Vorpommern 20

Schleswig-Holstein 12 Brandenburg 18

Hamburg 11 Sachsen 18

Rheinland-Pfalz 11 Sachsen-Anhalt 16

Baden-Württemberg 10 Thüringen 16

Niedersachsen 9

Nordrhein-Westfalen 9 Berlin (Ost + West) 15

Hessen 8

Westberlin 8

Bremen 5

* Tatsächlicher Zugewinn an Betrieben: Saldo aus Eintragun-gen und Austragungen von Betrieben im Handelsregister, inder Handwerksrolle oder mit mindestens einem Arbeitneh-mer.

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42 „Schön war die Zeit“

D 1 – D 25 Einheit braucht Zeit

D 1 Angebote an Aufklebern für Nostalgiker Ost und West

D 2 Anzeichen von „Ostalgie“

D 3 Blick zurück im Aufbruch

D

Annonce der Firma CUCCUC commerce. Titanic 2000/1, S. 53. www.schoen-war-die-zeit.de

• Filme und TV-Serien aus „volkseigener“ DDR-Pro-duktion werden seit Mitte der neunziger Jahre vonostdeutschen Sendern in großer Zahl und mit ho-hen Einschaltquoten wieder ausgestrahlt.

• In ostdeutschen Diskotheken werden auf soge-nannten „Ostrock-Partys“ die Platten der DDR-Gruppen Die Pudhys, Klaus-Renft Combo undKart begeistert aufgenommen.

• Die sozialistische Jugendweihe erfreut sich beiden 14-Jährigen in den neuen Bundesländern zu-nehmender Beliebtheit.

• Wer im Osten etwas auf sich hält, raucht F6 odertrinkt Rotkäppchensekt.

• In Lenzau bei Lüchow-Dannenberg ist ein vielbe-suchtes Nostalgie-Museum eingerichtet worden:ein DDR-Konsumladen mit Turnervater-Jahn-Sekt,Ata, Sil, dem Weichspüler Wolafür und in der Buchecke „Erich Honecker: Mein Leben“.

• Der riesige Kopf des Karl-Marx-Denkmals in dersächsischen Stadt Chemnitz (zu DDR-Zeiten Karl-Marx-Stadt) ist auch heute noch ein Markenzei-chen dieser Stadt und wird nachts mit Scheinwer-fern angestrahlt.

• Auf ehemaligem DDR-Grenzgebiet westlich vonEisenach wurde vom Militärhistorischen Verein einStück der alten Grenzanlagen naturgetreu wiederaufgebaut als Treffpunkt für frühere Soldaten derNationalen Volksarmee und für Gedenkveranstal-tungen. Bild: epd, 1991

• Viele ostdeutsche Fußballfreunde wünschen sichdie alte DDR-Oberliga zurück. Wenn die Regional-liga Nordost Fußball spielt, dann ist das, als wür-den 50 Jahre DDR gefeiert.

• In der linken Jugendszene in Ostdeutschland sindrote Sterne sowie Hammer-und-Sichel-Symbole,als Sticker oder an Kettchen, keine Seltenheit.

Nach: Metzler Aktuell 4/1999 und Deutschland-Archiv4/1999, S. 552-563.

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„Schön war die Zeit“ / Ampelmännchen und Grüner Pfeil 43D

D 6 „So ging es“

D 7 Das Ampelmännchen

D 8 Erfurter Variationen

Das Piktogramm (westlich) Gemütlich im Osten

Der Spiegel vom 12. Mai 1997, S. 20. Bilder: Sommariva

D 4 Stolz auf die Vergangenheit

D 5 Schöne Erinnerungen

Obwohl die Ostdeutschen beständig mehrheitlichbetonen, dass sich ihre wirtschaftliche Lage seit derVereinigung verbessert habe, äußern sie sich zuneh-mend vom Verlauf des Einigungsprozesses ent-täuscht..., drei Viertel sehen sich als „Bürger 2.Klasse“ in Deutschland. Die DDR wünschen sichzwar nur noch 15 Prozent zurück... Trotzdem be-haupten 75 Prozent der neuen Bundesbürger, sieseien stolz auf ihr Leben in der DDR... Die in dieserForm vielleicht nie dagewesene Identifikation derOstdeutschen mit der DDR lässt sich ... nicht alsAusfluss einer mitgebrachten ideologischen Be-schränktheit abtun... Festzustellen ist vielmehr, dasssich die Mehrheit der ostdeutschen Bevölkerung im-mer weniger politisch in der Bundesrepublik behei-matet sieht... Nach der Phase der Glorifizierung desWestens und einer Phase der resignativen Ernüch-terung ... greift eine neue Ost-Identität um sich.

Hans-J. Misselwitz: Nicht länger mit dem Gesicht nach Wes-ten, Bonn (Dietz) 1996, S. 26 f. (Hans-J. Misselwitz war Leiterder Landeszentrale für politische Bildung in Potsdam.)

Auto und Datsche – Symbole des Wohlstandes

Pionier-Lager im Bezirk Erfurt

Bilder: Bundesarchiv

Im Osten haben die Leute ihre Arbeit gemacht. Daswar nicht so effektiv wie im Westen und sie sindnicht gefordert worden, selbst zu denken, Verant-wortung für sich zu übernehmen, ihres eigenenGlückes Schmied zu sein. Sie bekamen ihreLehrstelle. Das war sicher. Dann fanden sie ihrenBeruf. Der war auch sicher. Wenn sie dann nocheine Weile warteten, bekamen sie ihre Zweizimmer-wohnung, ihren Trabbi, wenn sie noch ein Weile war-teten, hatten sie ihre Rente... So ging es. Und nunkommt eine völlig andere Wirtschaftsordnung, einevöllig andere Denkweise. Und es kommt eine De-mokratie, von der die Leute im Osten noch immernicht richtig begriffen haben, was das eigentlich be-deutet.

Erich Loest; in: Esslinger Zeitung vom 19. August 1999, S. 19. (Der Schriftsteller Erich Loest war als Dissident aus derDDR ausgewiesen worden und lebt heute wieder in Leipzig.)

An 14 Stellen haben Erfurter Monteure dem knolligen Männ-chen durch Manipulationen an der Schablone einen der Um-gebung angepassten Touch verpasst: Vor dem Stadion kickter, am Stadtrand trägt er Rucksack und Wanderstab und inder Nähe des Mitteldeutschen Rundfunks zückt er die Film-kamera.

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44 Ampelmännchen und Grüner PfeilD

Prospekt der FirmaAbgang! Köln o.J.,S. 33.

D 9

Kultobjekteaus Sachsen

140 Ampeln regeln in Heidelberg den Verkehr. Andreien leuchten seit vergangenem Jahr Ampelmänn-chen aus dem Osten der Republik. Mehr werden esnicht werden. Das Stuttgarter Verkehrsministeriumhat den weiteren Vormarsch der Ostmännchen ge-stoppt... Die Heidelberger hatten sich überzeugenlassen von Untersuchungen, die den Ostmännchennicht nur eine größere Leuchtfläche, sondern aucheine bessere Wahrnehmbarkeit attestieren. Außer-dem hatten sie den Heidelberger Ingenieuren ein-fach besser gefallen. Vielen Fußgängern ging es ...ähnlich.

Doch kaum hatte sich die Heidelberger Vorliebe fürOstsymbole bis nach Stuttgart herumgesprochen,setzte sich der Amtsschimmel auch schon in Bewe-gung. „Es wird gebeten, die Stadt Heidelberg daraufhinzuweisen, dass die in der Straßenverkehrsord-nung beziehungsweise in der Richtlinie für Signalan-lagen (Rilsa) vorgeschriebenen Symbole verwendetwerden müssen!“ teilte das Ministerium dem Karls-ruher Regierungspräsidium mit. Und das schriebpostwendend nach Heidelberg, um den weiterenVormarsch der Ostmännchen zu stoppen.

Stuttgarter Zeitung vom 10. Januar 2000, S. 7.

D 10 Heidelberger Experiment D 11 „Der grüne Pfeil“ jetzt amtlich

StVO § 37:

Das aus der ehemaligen DDR-Regelung ... mit Wir-kung ab 1.3.1994 übernommene grüne Pfeilschildauf schwarzem Grund rechts neben der Rot zeigen-den Lichtzeichenanlage ... (erlaubt) das Rechtsab-biegen unter bestimmten Vorsichtsmaßnahmen...

Der Einsatz des Schildes mit grünem Pfeil aufschwarzem Grund (Grünpfeil) kommt nur in Be-tracht, wenn der Rechtsabbieger Fußgänger- undFahrzeugverkehr der freigegebenen Verkehrsrich-tungen ausreichend einsehen kann, um die ihm auf-erlegten Sorgfaltspflichten zu erfüllen...

Der auf schwarzem Grund ausgeführte grüne Pfeildarf nicht leuchten, nicht beleuchtet sein und nichtretroreflektieren. Das Schild hat eine Breite vom 250mm und eine Höhe von 250 mm.

Hermann Mühlhaus/Horst Janiszewski (Hg.): Straßenver-kehrs-Ordnung, München (Beck) 1995, S. 503 und 510.

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Gelernte DDR-Bürger haben andere Biografien 45

D 12 Frage von 1977

D 13 Rückblende

D 14 Garagenaspirant Müller

siebzehn als Oberschülerin und FDJlerin, meineFreiheitssehnsüchte zu unterdrücken, um ein treuerStaatsbürger zu werden... Mit zwanzig, als Studen-tin der Journalistik, schob ich die Spitzelwut, dieEngstirnigkeit und Verlogenheit der Hochschullehrerund ihrer Helfer unter den Studenten auf ihre per-sönliche Unfähigkeit, nie aber auf den Sozialismusals Ganzes, mein Ziel und Ideal... Ich war ein Pioniergeblieben bis über die dreißig. Und es gab viele wiemich...

Heute, da die DDR sich vor der Weltöffentlichkeitentblättert wie ein sterbender Baum, fragen sichviele: Wie konnte es so weit kommen? Warum habtihr das mit euch machen lassen? Nein, es war nichtnur Angst und Feigheit. Und wir haben es auch nichtnur mit uns machen lassen. Wir haben es selbst ge-macht. Wir sind einem falschen Ideal aufgesessen.

Vera-Maria Baehr: Wir denken erst seit Gorbatschow, Reck-linghausen (Georg Bitter Verlag) 1990, S. 7-9.

D

Von Christa Wolf

Auch heutewachsen Kinder auf,in den beidendeutschen Staaten.Fragen wir uns dennernst genug:Wie sollen die,wenn sie groß sind,miteinander reden?Mit welchen Wörtern,in was für Sätzen,und in welchem Ton?

Eine Bürgerin der ehemaligen DDR über ihre Ju-gendzeit

Das Land, in dem ich Kind war, gibt es nicht mehr.Es war ein Land, in dem viel von Zukunft zu hörenwar, in dem ich mit anderen Kindern sang: „Die Hei-mat hat sich schön gemacht und Tau steht ihr imHaar...“ Und jetzt ist es ein Land der Vergangenheit.

Wir griffen nach den Sternen, wollten das höchsteMenschenglück... Lichte Horizonte ahnten wir. Unddort prangte ein Ziel, ein einziger Begriff für all das,was menschlich ist. Freiheit, Gleichheit, Brüderlich-keit. Das Zauberwort hieß: Kommunismus. Für ihnlohnte sich alle Mühe. Dafür lernten wir. Dafür woll-ten wir arbeiten. Mädchen genauso wie Jungen. Beider Wahl des Berufes überlegte man weniger: Waswürde mir Spaß machen? Eher: Womit wäre ich amnützlichsten?

Ich wuchs heran mit einem Wust von unerreichbarenIdealen, aus denen unerfüllbare Forderungen anmich entstanden... Der Druck, den ich empfand, wardurch mich selbst erzeugt. Sonst hätte er nicht funk-tioniert.

Ich dachte mit acht, als Junger Pionier, dem Welt-frieden zu dienen, wenn ich Altstoffe sammelte. Ichwollte mit neun die gemauerte Trennung von meinerWestberliner Großmutter gutheißen, weil sie angeb-lich wichtig war für mein Land. Ich mühte mich mit

Antrag an den Wohnbezirksausschuss der Nationa-len Front auf Zuteilung einer Garage. Franz Müllerführt in seinem Antrag aus, wie er ideologischenLeitlinien und offiziellen Vorgaben folgt bzw. zu fol-gen vorgibt, um Chancen oder knappe Güter für sichzu erlangen.

Franz Müller, Garagenaspirant

An den Leiter der Kommission zur Vergabe von Plät-zen im Objekt Garagengemeinschaft am Sandberg

Antrag auf Genehmigung eines Garagenplatzes

Werter Genosse Lehmann!

Mit diesem meinem Schreiben möchte ich Sie ersu-chen, mir die Genehmigung für einen Garagenplatzin dem geplanten Objekt am Sandberg zu erteilen.Meinen Antrag möchte ich damit begründen, dassich bereits seit zehn Jahren in dem Wohngebiet lebeund mich gesellschaftlich aktiv an Einsätzen imWohngebiet beteiligt habe. An den Subbotniks [einin der arbeitsfreien Zeit geleisteter zusätzlicher undunentgeltlicher Arbeitseinsatz] der Hausgemein-schaft habe ich, von wenigen Ausnahmen abgese-hen (immer entschuldigt!), teilgenommen. Seit dreiJahren bin ich als stellvertretender Hausobmann inder Wohngemeinschaft tätig.

Verbessert haben sich ... schon jetzt die Ordnung,Sauberkeit und Sicherheit in unserem Aufgang, diegegenseitige Rücksichtnahme bei Festen und Fei-ern und den Handwerksarbeiten in der Wohnung(Bohren und Hämmern)... Auch als Parteiloser habeich den Aufbau unserer sozialistischen Heimat im-mer nach besten Kräften unterstützt. So diente ichfreiwillig drei Jahre bei der Nationalen Volksarmee.Im FDGB bin ich seit mehreren Jahren als Kulturob-mann unseres sozialistischen Kollektivs tätig. ImAnglerverband unseres Ortes übernahm ich nach

Aus der Danksagung nach dem Empfang des Bremer Litera-turpreises 1977. Die Schriftstellerin Christa Wolf wurde 1929in Landsberg (Warthe) geboren. Sie war von 1949 bis 1989Mitglied der SED. 1976 hatte sie gegen die Ausbürgerungdes Liedermachers Wolf Biermann aus der DDR protestiert.

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46 Gelernte DDR-Bürger haben andere Biografien

D 17 Aus den Stasi-Akten

D 15 Käuferschlange

D 16 Alte Häuser und Plattenbauten

Vorkommnisse an der EOS (Erweiterten Oberschule)Carl von Ossietzky, Berlin-Pankow

HA XX/8

An HA XX/2 u. HA XX/9 30.9.88

Gen. Lohr Gen. Edel

... Seit Beginn des Schuljahres 1988/89 wurden ander EOS Carl von Ossietzky, durch Schüler dieserEOS verursacht, folgende politisch-negativen Vor-kommnisse bekannt:

– am 11.9.88 wurden während der Gedenk-Kund-gebung für die Opfer des Faschismus 8 nament-lich bekannte Jugendliche herausgelöst..., dieselbstgefertigte Transparente mit der Aufschrift„Wir wollen keine Neonazis“ mit sich führten...

– am 13.9.88 wurde ein posterähnlicher Aushangangebracht, in dem die Militärparade am 7.10.88verunglimpft und zum Verzicht darauf aufgerufenwird: „... Säbelrasseln, Demonstrationen der mi-litärischen Stärke und Zurschaustellung todbrin-gender Waffen ist nicht mehr zeitgemäß“.

Von Seiten des Direktors der EOS sind folgendeMaßnahmen vorgeschlagen worden, die auch dieZustimmung der Genossin Margot Honecker gefun-den haben:

– Relegierungen von der EOS (= Ausschluss aus derSchule)

– Verweis und Umschulung.Die notwendigen Schritte zur kurzfristigen Realisie-rung der Relegierung sind vollzogen worden.

Nach: Wolfgang Hardtwig/Heinrich August Winkler: DeutscheEntfremdung, München (Beck) 1994, S. 64 f.

dem bedauerlichen Ausscheiden eines unserer älte-ren Mitglieder (Todesfall) die Kassierung...

Ich hoffe, dass die nur kurz gefasste Nennung mei-ner gesellschaftlichen Aktivitäten ein ausreichendesBild ergibt, um in den Genuss der begehrten Gara-genplätze zu gelangen. Selbstverständlich werdeich die Eigenleistungen selbsttätig in der geforder-ten Höhe erbringen.

Zwecks Rücksprachen stehe ich jederzeit zur Verfü-gung.

Mit freundlichen Grüßen

Franz Müller

Bundeszentrale für politische Bildung (Hg.): Gemeinsam sindwir unterschiedlich, Bonn 1995, S. 35 f.

Berlin-Ost 1984 Bild: Bundesarchiv

D

Leipzig – triste Bilder einer DDR-Stadt Bild: dpa

Bild: dpa

Saupe
Keine Rechte
Saupe
Keine Rechte
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Gelernte DDR-Bürger haben andere Biografien / Manches dauert etwas länger 47D

D 21

Lebenszufriedenheitin Ost und West

D 20 Unterschiede akzeptieren

Daten: Aus Politik und Zeitge-schichte B 49/99, S. 26. Zeichnung: Claudia Saupe

Immer wieder ist darauf hingewiesen worden, dassman nicht die Biografien eines ganzen Volkes mit ei-

D 19 Neugierig oder trotzig?

Wo beginnen die Kompromisse, und wo enden sie?Sie beginnen im Kindesalter, in dem man, um sichselbst und seinen Eltern Schwierigkeiten zu erspa-ren, in der Schule nicht von der offiziellen Ideologieabweicht. Sie setzten sich fort in den höherenSchulklassen, wo man aus taktischen Gründen wei-ter lügt und das als seine Überzeugung ausgibt, wasfür den späteren Weg am dienlichsten ist, um nichtvon der Schule gewiesen zu werden und sich einemöglichst gute Lehrstelle zu sichern oder einenPlatz an der EOS (Erweiterte Oberschule), die zumAbitur führt... Entscheidend für die Zulassung aneine höhere Bildungsstätte ist in erster Linie die Ent-wicklung zur „sozialistischen Persönlichkeit“ unddas Elternhaus. Da dies hinreichend bekannt ist,wird jedem schon früh gesagt: „Reiß’ dich zusam-men; wenn du weiterkommen willst, mußt du ebenauch einstecken können, der Lehrer hat immerrecht.“ Später, im Betrieb, setzt sich das fort, nur mittiefgreifenderen Konsequenzen...

Matthias Bothe; in: Gerhard Finn, Liselotte Julius (Hg.): VonDeutschland nach Deutschland, Bonn 1983, S. 61 f. (Mat-thias Bothe studierte bis 1976 an der Hochschule für Musikin Ost-Berlin, wurde wegen „staatsfeindlicher Hetze“ einge-sperrt und kam 1978 in die Bundesrepublik.)

D 18 Erziehung zur Anpassung nem Schlage für null und nichtig erklären kann, dassin dem Maße, wie Kompetenzen und Orientierungender Menschen, die sich in langen geschichtlichenZeiträumen gebildet haben, der völligen Entwertungverfallen, jede Möglichkeit der differenzierten Aufar-beitung der Vergangenheit ausgeschlossen ist: Weralles falsch gemacht hat und wem alles, was er tut,als absolut unzulänglich demonstriert wird, der be-ginnt mit der Wiederherstellung seiner Würde auf ei-ner ganz anderen Ebene, nicht mit neugierigem Ler-nen gegenüber dem Ungewohnten, sondern mittrotzigem Beharren und am Ende mit der entschie-denen Verteidigung der Vergangenheit.

Oskar Negt; zitiert nach: Daniela Dahn: Westwärts und nichtvergessen, Reinbek (Rowohlt) 1998, S. 25.

Die Interessen von West- und Ostdeutschen sindnicht identisch. Diese Erkenntnis sollte nicht durcheinen harmonisch verklärten Blick auf die Gemein-samkeiten zwischen Ost und West überdeckt wer-den. Sie ist die Voraussetzung für eine Integrationder beiden deutschen Gesellschaften. Denn siemündet in die Einsicht, dass sich durch die deut-sche Einheit die politische Kultur der gesamten Bun-desrepublik verändert hat.

Iris Häuser: Gegenidentitäten, Münster (Lit Verlag) 1996, S. 235.

1 = unzufrieden

5 = sehr zufrieden

Mitt

elw

erte

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48 Manches dauert etwas längerD

Ich habe diese Wende gewollt. Dafür bin ich imHerbst 1989 mit auf die Straße gegangen, montags,hier in Leipzig. Ich weiß auch heute noch nicht, wasich aus dieser DDR wiederhaben wollte... Ich kanndoch das, was der Staat seinen Bürgern angetanhat, nicht so einfach vergessen. Ich kann doch nichtdie Stasi vergessen und sagen: es war doch soschön warm hier.

Jetzt nach der Wende gibt es so viele positive Ver-änderungen, die ich am alltäglichen Erleben festma-che und die ich ganz bewusst wahrnehme. Ich willnur einige nennen: „Meine“ Stadt zeigt wieder ihrGesicht. Immer mehr verschwinden Grau, Zerfallund Schmutz. Leipzig bietet Leben und eine außer-gewöhnliche kulturelle Vielfalt. Straßen sind saniertund ausgebaut, Radfahrwege angelegt und Bäumegepflanzt worden... Leipzigs Luft kann man wiederatmen und der Himmel ist wieder blau. Der Um-gangston in den Behörden hat sich verändert. Meineprivaten Lebensverhältnisse haben sich verbessert.Und ich habe ein gesetzlich verbrieftes persönlichesRecht...

Ja, ich bin Bundesbürgerin – mit meiner Identitätund meinem Selbstverständnis, die aus meinem Le-ben in den vierzig Jahren DDR resultieren. Das kön-nen mir auch besserwisserische Altbundesbürger,die mich nur nach ihrem Bild geformt tolerieren wol-len, die den Ostdeutschen zudem Neid, mangelndeLernfähigkeit und ignoranten Hochmut attestieren,nicht absprechen. Nebenbei bemerkt: so wie dieseAltbundesbürger will ich auch gar nicht werden...

Auch wenn die westdeutsch geprägten Nachrich-tenmagazine oder -redaktionen mich immer wiedermit ihrer Ignoranz oder Arroganz in der Berichter-

1. Wir müssen unsere Geschichten vereinigen. Wirmüssen die persönlichen Begegnungen und daspersönliche Gespräch zwischen Ost und West in-tensivieren.

2. ... Wir brauchen, nicht nur in Ostdeutschland,mehr politische Bildung. Enttäuschungen über dieRegierungspolitik und über wirtschaftliche Schwie-rigkeiten dürfen nicht wieder zur Totalkritik des „Systems“ führen, die die parlamentarische Demo-kratie, den Rechtsstaat und die soziale Marktwirt-schaft in die Pfanne haut...

3. Wir brauchen mehr Aufmerksamkeit für die ost-deutschen Probleme in der gesamtdeutschen Öf-fentlichkeit und in den gesamt-deutschen Parteien...

4. ... Die Einigungskosten sind verspätete Kriegsfol-gelasten. Sie sind der Preis für das endgültige Endedes Zweiten Weltkriegs.

Richard Schröder: Probleme der inneren Einheit Deutsch-lands, Köln (Wirtschaftsverlag) 1996, S. 36 f.

D 22 Was ist zu tun?

Für mich ist der 3. Oktober nicht so sehr der Tag derdeutschen Einheit. Es ist der Tag der deutschenFreiheit. Natürlich hat diese Freiheit ihre Grenzen,auch ihre Schattenseiten. Aber es war Unfreiheit, dieich vor zehn Jahren aus erster Hand in Ost-Berlin er-lebte, erniedrigende, quälende, lähmende Unfrei-heit; und es ist Freiheit, die meine ehemaligen Nach-barn aus der Erich-Weinert-Straße am PrenzlauerBerg heute erleben, unbequeme, beängstigende,vielleicht sogar gefährliche Freiheit – aber trotzdemFreiheit.

Timothy Garton Ash; in: Die Zeit vom 7. Dezember 1990, S. 12. (Timothy Garton Ash ist Professor für Neueste Ge-schichte an der Universität Oxford.)

Zeichnung: H.E. Köhler, 1964; wieder gedruckt in:Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 25. Februar 1986, S. 9

D 25 Ein alter Wunschtraum

D 24 Der 3. Oktober

D 23 „Ich bin Bundesbürgerin“

stattung über uns verblüffen, auch wenn diese überOstdeutsche berichten wie über einen seltsamenKäfer, der auf dem Rücken liegt und nicht hoch-kommt, und auch wenn man sich dort lieber mit dereigenen, westdeutschen Realität beschäftigt und sodas deutliche Nein vieler Menschen in den neuenBundesländern mitverantworten muss: ich bleibebei meinem Ja. Ja, ich bin Bundesbürgerin.

(Die ostdeutsche Geschäftsfrau Heide Gutsfeld ma-nagt in ihrer Heimatstadt Leipzig die Standortkam-pagne „Leipzig kommt!“)

Stuttgarter Zeitung vom 26. September 1998, S. 51.

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Diskussionsforum

Bezugsadresse für die Mappe „Erinnern und Begegnen“

In einer Zuschrift auf Seite 25 der Aus-gabe 4/1999 von Politik & Unterricht (dieich übrigens sehr schätze) wird eineRingbuchmappe der Projektgruppe desBdKJ Freiburg („Erinnern und Begeg-nen“) erwähnt. Leider war es mir nichtmöglich, mit meinen Mitteln die Bezugs-adresse ausfindig zu machen. KönntenSie mir behilflich sein? Vielleicht würdees auch noch andere Leser interessie-ren. Vielen Dank!

Franz-Josef LandwehrGymnasium Balingen

[email protected]

Wir kommen dem Wunsch unseres Le-sers gerne nach und veröffentlichen dieBezugsadresse:

sen. Ich praktiziere als Leiter unseresAusbildungsinstituts das Thema Berufs-erkundung für Schülerinnen und Schülerder Realschulen sowie Gymnasien.

Wir wollen Schülerinnen und Schülerndas Berufsfeld des Staatlich anerkann-ten Musikpädagogen in einer einwöchi-gen Berufs- und Studienorientierungvorstellen. Angesprochen sind Schüle-rinnen und Schüler, die Freude am Ak-kordeonspiel haben, sich sonst musika-lisch betätigen oder in Musikprojekten inSchule und Verein mitarbeiten.

Interessierte setzen sich mit dem Hoh-ner-Konservatorium in Verbindung:Löhrstraße 32, 78647 TrossingenTelefon 07425/327017E-Mail:[email protected].

Arnold Kutzli, Geschäftsführer Trossingen

AV-Medien zum ThemaZusammengestellt von Hanns-Georg Helwerth,

Landesbildstelle Württemberg

Zehn Jahre Wiedervereinigung, derTraum von Einheit, Freiheit und Wohlstand

Video, 45 Min., f+sw, 1999Adressaten: S8, E

Was haben zehn Jahre Wiedervereini-gung für die Menschen der ehemaligenDDR gebracht? Wie hat sich ihr Alltags-und Berufsleben verändert? Haben sichdie Hoffnungen und Träume von Freiheitund Wohlstand im kapitalistischen Sys-tem erfüllt? Der preisgekrönte Filmema-cher Andreas Voigt versucht Anwortenauf diese Fragen zu finden, indem er denWerdegang verschiedener Menschen inunregelmäßigen Abständen zwischen1989 und 1997 filmisch dokumentiert.

42 02459

Als Ossi im WestenST: Apropos

Video, 9 Min., f, 1997Adressaten: S8, S11, J14, E

Eine neue Partnerschaft und der Um-stand, dass der Auserwählte in der Hei-matstadt Chemnitz keine Arbeit gefun-den hätte, haben Bärbel dazu bewogen,in den Westen zu ziehen. Arbeit hat sieim Wolfsburger Volkswagenwerk gefun-den, die Kamera begleitet Bärbel einenTag lang an ihrem Arbeitsplatz, nachHause und zum Freundestreff. In Berich-

ten schildert sie, welche Anfangs-schwierigkeiten sie überwinden musste,um von den Mitmenschen in der neuenUmgebung akzeptiert zu werden.

42 64512

Als Wessi im OstenST: Apropos

Video, 9 Min., f, 1997Adressaten: S8, S 11, J16, E

Mirco ist dreiundzwanzig und aus beruf-lichen Gründen von Hamm in Westfalennach Potsdam gezogen. In zwei Begeg-nungen stellte er Unterschiede zwischenMenschen aus den Altländern und de-nen aus den neuen Bundesländern fest.Mirco berichtet über seine Erfahrungenals Wessi im Osten. 42 64512

Jugend Ost, WestST: Apropos

Video, 5 Min., f, 1997Adressaten: S9, S11, J14, E

Seit dem Fall der Mauer beschäftigensich Meinungsforscher mit dem Leben inWest- und Ostdeutschland. Wie lebtman dort, wie denkt man hier? Aus denJahren 1995 bis 1997 liegen umfangrei-che Untersuchungs- und Umfrage-ergebnisse vor. Thematische Schwer-

punkte des Videos sind die Gebiete Fa-milie, Liebe, Sozialverhalten und Ge-sundheit. 42 65517

Absturz nach der WendeST: Apropos

Video, 9 Min., f, 1997Adressaten: S8, S11, J14, E

Sebastian ist zweiundzwanzig und lebtin Leipzig. Nach der Wende hatte ergroße Probleme, richtig Fuß zu fassen.Er schildert, wie politische und familiäreVeränderungen sich für ihn ausgewirktund welche Gefühle sie in ihm ausgelösthaben. Eine Psychologin beschreibt ausfachlicher Sicht, welche Folgen die Um-strukturierung der Gesellschaft für Ju-gendliche hatte. Sebastian ist kriminellgeworden, wurde inhaftiert und hatdiese Zeit, wie er feststellt, zum Nach-denken genutzt. 42 64513

WendezeitST: Hundert Deutsche JahreDie Deutschen und die Einheit

Video, 30 Min., f, 1999Adressaten: S7

9. November 1989, 19.07 Uhr: Ab sofortdürfen DDR-Bürger in die Bundesrepu-blik und nach West-Berlin ausreisen,lautet die Mitteilung aus dem internatio-nalen Pressezentrum der DDR. Zahlrei-che Ost-Berliner machen sich ungläubigauf den Weg zum Grenzübergang Born-holmer Straße und erleben, wie sich derWeg in den Westteil öffnet. Doch die Ein-heitsfreude weicht bald tiefer Skepsis:Mehr als 40 Prozent aller Arbeitsplätzegehen verloren. 42 84039

Projekt „Erinnern und Begegnen“, ImErzbischöflichen Jugendamt, Oken-straße 15, 79108 FreiburgTel. 0761/5144-157Fax 0761/5144-152

Agenda 21 in Physik

Im Namen der Fachschaft Physikmöchte ich für das Heft Politik & Unter-richt 4/1999 sehr herzlich danken. DieCD und die komprimierten Texte werdenmit Sicherheit in Physik in Klassenstufe11 eingesetzt werden. Vor allem das ENSYS-Programm und die Fragebögensind interessant.

Manfred GauppDeutschorden-Gymnasium Bad Mer-gentheim

Berufserkundung Musikerziehung

Mit großem Interesse habe ich die Aus-gabe 1/2000 (Berufsorientierung) gele-

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Stafflenbergstraße 38, 70184 StuttgartFax (07 11) [email protected] (0711) 164099-0

DurchwahlnummernDirektor: Siegfried Schiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -60Referentin des Direktors: Sabine Keitel . . . . . . . . . . . . . . . . . -62Stabsstelle Marketing

Leiter: Werner Fichter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -63

Öffentlichkeitsarbeit: Joachim Lauk . . . . . . . . . . . . . . -64

Abteilung I Verwaltung (Günter Georgi)FachreferateI/1 Grundsatzfragen: Günter Georgi . . . . . . . . . . . . . . . -10I/2 Haushalt und Organisation: Jörg Harms . . . . . . . . . . -12I/3 Personal: Gudrun Gebauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -13I/4 Information und Kommunikation: Wolfgang Herterich . -14I/5** Haus auf der Alb: Erika Höhne . . . . . . (07125) 152-109

Abteilung II Adressaten (Karl-Ulrich Templ, stellv. Direktor)FachreferateII/1 Medien: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -20II/2** Frieden und Sicherheit: Wolfgang Hesse (07125) 152-140II/3 Lehrerfortbildung: Karl-Ulrich Templ . . . . . . . . . . . . . -20II/4* Schülerwettbewerb:

Reinhard Gaßmann . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -25Monika Greiner . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . -26

II/5 Außerschulische Jugendbildung: Wolfgang Berger . . . -22II/6** Öffentlicher Dienst: Eugen Baacke . . . . (07125) 152-136

Abteilung III Schwerpunkte (Konrad Pflug)FachreferateIII/1** Landeskunde/Landespolitik:

Dr. Angelika Hauser-Hauswirth . . . . . . (07125) 152-134III/2 Frauenbildung: Christine Herfel . . . . . . . . . . . . . . . . -32III/3** Zukunft und Entwicklung:

Gottfried Böttger . . . . . . . . . . . . . . . . (07125) 152-139III/4** Ökologie: Dr. Markus Hug . . . . . . . . . (07125) 152-146III/5* Freiwilliges Ökologisches Jahr: Steffen Vogel . . . . . . . -35III/6** Europa: Dr. Karlheinz Dürr . . . . . . . . . .(07125) 152-147III/7* Gedenkstättenarbeit: Konrad Pflug . . . . . . . . . . . . . . -31

Abteilung IV Publikationen (Prof. Dr. Hans-Georg Wehling)FachreferateIV/1 Wissenschaftliche Publikationen

Redaktion „Der Bürger im Staat“:Prof. Dr. Hans-Georg Wehling . . . . . . . . . . . . . . . . . -40

IV/2 Redaktion „Politik und Unterricht“: Otto Bauschert . . . . -42IV/3 Redaktion „Deutschland und Europa“:

Dr. Walter-Siegfried Kircher . . . . . . . . . . . . . . . . . . -43IV/4 Didaktik politischer Bildung: Siegfried Frech . . . . . . . -44

Abteilung V Regionale Arbeit (Hans-Joachim Mann)Fachreferate/AußenstellenV/1 Freiburg: Dr. Michael Wehner . . . . . . . (0761) 2077377V/2 Heidelberg: Dr. Ernst Lüdemann . . . . . . (06221) 607814V/3* Stuttgart: Hans-Joachim Mann . . . . . . (0711) 164099-50V/4 Tübingen: Rolf Müller . . . . . . . . . . . . (07071) 2002996

NECKAR-VERLAG GmbH · 78008 VILLINGEN-SCHWENNINGEN

AnschriftenHauptsitz in Stuttgart (s. links)* 70178 Stuttgart, Sophienstraße 28–30,

Fax (0711) 164099-55** Haus auf der Alb

72574 Bad Urach, Hanner Steige 1,Tel. (07125) 152-0, Fax (07125) 152100

Außenstelle FreiburgFriedrichring 29, 79098 Freiburg,Tel. (0761) 207730, Fax (0761) 2077399

Außenstelle HeidelbergFriedrich-Ebert-Anlage 22–24, 69117 Heidelberg,Tel. (06221) 6078-0, Fax (06221) 607822

Außenstelle StuttgartSophienstraße 28–30, 70178 Stuttgart,Tel. (0711) 164099-51, Fax (0711) 164099-55

Außenstelle TübingenHerrenberger Straße 36, 72070 Tübingen,Tel. (07071) 2002996, Fax (07071) 2002993

Bibliothek Bad UrachBibliothek/Mediothek Haus auf der Alb, Bad UrachGordana Schumann, Tel. (07125) 152-121Dienstag 13.00–17.30 UhrMittwoch 13.00–16.00 Uhr

Publikationsausgabe StuttgartStafflenbergstraße 38Ulrike Weber, Tel. (0711) 164099-66Montag 9.00–12.00 Uhr

14.00–17.00 UhrDienstag 9.00–12.00 UhrDonnerstag 9.00–12.00 Uhr

14.00–17.00 Uhr

Nachfragen

„Politik und Unterricht“Sylvia Rösch, Tel. (0711) 164099-45E-Mail: [email protected]

„Der Bürger im Staat“Ulrike Hirsch, Tel. (0711) 164099-41E-Mail: [email protected]

„Deutschland und Europa“Sylvia Rösch, Tel. (0711) 164099-45E-Mail: [email protected]

Publikationen (außer Zeitschriften)Ulrike Weber, Tel. (0711) 164099-66E-Mail: [email protected]

Bestellungenbitte schriftlich an die o.g. Sachbearbeiterinnen:Stafflenbergstr. 38, 70184 Stuttgart, Fax (0711) 164099-77oder online: http://www.lpb.bwue.de

Thema des nächsten Hefts:

Türken in Deutschland

Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg