EB Kurs - Magazin der EB Zürich Frühling 2008

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Magazin der EB Zürich Kantonale Berufsschule für Weiterbildung Nr. 17 Frühling 2008 Creative Work: So arbeiten wir in zehn Jahren. Bastien Girod: Jung und gelockt im Nationalrat.

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Creative Work: So arbeiten wir in zehn Jahren

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Magazin der EB Zürich

Kantonale Berufsschule

für Weiterbildung

Nr. 17

Frühling 2008

Creative Work: So arbeiten wir in zehn Jahren.

Bastien Girod: Jung und gelockt im Nationalrat.

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EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – �

5 Porträt GelernthatRahel-MedeaRuossOffset-Monteurin.

HeuteistsieBuchhändlerinundwünschtsicheinKultur-Café.

EDITORIAL IN DIESEM HEFT

6 CreativeWork WiesiehtunsereArbeitinzehn,zwanzigJahren

aus?WirstehenvoreinemWechselvomWissens-zeitalterinsKreativzeitalter.

14 Kursfenster VieleFrauenwollennichtwissen,wiemaneinen

Computerbaut.SiewollenihninArbeitundFreizeiteinsetzenkönnen.

16 ImGespräch DerjungeGrüneBastienGirodgehörtzuden

jüngstenNationalrätenimLand.ErhatklareVorstellungenvoneinerbesserenUmwelt.

20 Persönlich IsabelGut-vonSchulthessistschonweitherum-

gekommen.HeutesetztsiesichfürinterkulturelleKommunikationein.

Rubriken13 Comic19 TippsundTricks22 Kultur23 Agenda

Die Bilder zu Creative WorkJahrhunderte altes Handwerk wird auch in Zukunft einen goldenen Boden haben, wenn das innere Streben nach der edlen Form sich mit Ideenreichtum paart. Die Autorin Brigitta Neumeister-Taroni und die Fotografin Stephanie Tremp sind der Frage nachgegangen, wie Kreativarbeitende in der Schweiz ihr Kunsthandwerk neu erfinden. Ob Tischlerin, Schreiner, Schuhmacherin, Skibauer, Strickerin oder Spielzeugmacher – sie alle schaffen mit ungewöhnlichen Materialien, ausgefeil-ten Techniken oder überraschendem Design edle Unikate. Seit kurzem liegt die Spurensuche in Buchform vor: «Der Traum von der perfekten Form – Innovation und Ästhetik im Schwei-zer Handwerk», Helden-Verlag, Zürich, 2007. Ästhetisch und innovativ sind auch die 141 Abbildungen, von welchen EB Kurs einige zur Illustration der aktuellen Titelgeschichte verwenden durfte (Umschlag und Seiten 6–12).

IMPRESSUMEBKURSNr.17/Frühling2008MagazinderEBZürich,KantonaleBerufsschulefürWeiterbildungZürich,Riesbachstrasse11,8090ZürichTELEFON0842843844,Fax0443858329INTERNETwww.eb-zuerich.chE-MAILeb-kurs@eb-zuerich.chHERAUSGEBERSergeSchwarzenbach(fürdieGeschäftsleitung)REDAKTIONChristianKaiser,FritzKeller,silbensilber,ZürichGESTALTUNGHanariChiesaTEXTEEvaGattiker,AnoukHolthuizen,ChristianKaiser,FritzKeller,GuidoStalderFOTOSSusannaAnliker,Luc-FrançoisGeorgi,RetoSchlatter,StephanieTrempILLUSTRATIONENEvaKläui,RuediWidmerDRUCKRingierPrintAdligenswilAG

Die Berufe der Zukunft

TraumberufevonMädcheninderSchweiznachBeliebt-heit:1.Lehrerin,2.Tierärztin,10.Schauspielerin.Traum-berufevonBubeninderSchweiznachBeliebtheit:1.Pilot,2.Polizist,10.Schauspieler.Klingtwiegehabt.BleibtinderBerufsweltalsoallesbeimAlten?

GlaubtmanderZukunftsforschung,gehörenzudenimJahr2020gefragtenJobsvieleher«CorporateTeenager»,«Sinn-Beraterin»,«Biografie-Designerin»oder«ChiefDestructionOfficer»(sieheSeiten11/12).Aber:Träumenkannmannurvonetwas,dasmankennt.

DieZukunftistweitgehendunbekannt,dasliegtinihrerNatur.BekanntsindhingegendieTrends,welchedieRichtungweisen:«GlobalisierungderUnternehmen»,die«TechnisierungderKommunikation»oderdie«Flexibili-sierungderArbeitsplätze».DerWettbewerbwirdhärter,BerufsbiografienweisenBruchstellenauf,vondenMit-arbeitendenaufallenEbenenwirdmehrFlexibilitätundInnovationgefordert.

DieAngestelltenwerdenimmermehrzueigenverant-wortlichenAkteurenineinerWertschöpfungskette,sindnichtmehrblossAusführende,dieeinfachBefehlenge-horchen.InBetriebenmitflachenHierarchiestufenwer-denZielvorgabengesetzt,dievondenMitarbeitendenselbstverantwortlichundkreativumgesetztwerden.Le-senSieabSeite6,wiesichunsereBerufsweltunddieun-sererKinderwandelt.

SergeSchwarzenbachHerausgeber

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EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – �

GESEHEN,GEHöRT

BLUTSPENDENVerdankenswert.Blutistknappzurzeit.UmsosinnvollerdasUnter-nehmenvonGabrielWildberger,SchülerdesFreienGymnasiumsZürich.ImRahmenseinerMatur-arbeitorganisierteerimBildungs-zentrumderStadtZürich,BiZE,indemauchdieEBZürichzuHauseist,eineBlutspendeaktion.Am4.Februar2008waressoweit.134BlutspenderinnenundBlutspenderfolgtendemAuf-rufWildbergersundspendeteninderTurnhalledenrotenSaft,derfürvieleKrankeundVerunfalltelebensrettendist.WildbergerzeigtesichmitdemErfolgseinerAktionsehrzufrieden.DieNotefürseineMaturaarbeitistihmnichtsowichtig,Hauptsache,erhabeetwasSinnvollesgetan.

TÜRENöFFNENSehenswert.Kulturelle,wirtschaftlicheundsozialeRahmenbedingungenprägendieArt,wiejemandwohntundseineWohnungeinrichtet.DieAusstellung«Türenauf»dokumentiertdiesanhandvon31BeispielenausderSlowakei,Rumänien,Lettland,Weissrussland,RusslandundderSchweiz.VerschiedenePersonenöffnenihreTürenundgebenEinblickinihreprivatenRäumlichkeiten.DieBilderausderWohnungwerdenergänztdurcheinenkurzenTextzumAlltagderBewohnerinnenundBe-wohner.DieWanderausstellungreistebisHerbst2006durchdieamProjektbeteiligtenLänderundistnunvom13.Märzbiszum18.April2008indenRäumenderEBZürichzuGast.

PORTRÄT

FaszinationLesen.Selbereinenneu-

enKursanderEBZürichanstossen?

Rahel-MedeaRuoss,26,hatdaszu-

sammenmitGleichgesinntenge-

macht.IhrgrössterTraum:ein

eigenesKultur-Café.

Aufgezeichnet: Guido StalderBild: Luc-François Georgi

LiteraturistmeineLeidenschaft

«An die EB Zürich gekommen bin ich vor fünf Jahren, da habe ich den Lehrgang ‹Deutschdiplom der Zürcher Handelskammer› be-sucht. Weil einige Teilnehmende vom Fach Literatur so begeistert waren, haben wir nach dem Di-plom gleich selber einen neuen Kurs initiiert: ‹Deutschsprachige Literatur lesen›. Zuerst waren wir quasi unter uns. Jetzt ist er im of-fiziellen Programm ausgeschrie-ben, und diesmal haben sich sech-zehn Leute angemeldet, ein neuer Rekord!

Ich freue mich, wenn ich mit Gleichgesinnten meine Leiden-schaft für Literatur teilen kann.

Ich habe schon sehr früh gelesen; geradezu verschlungen habe ich die Rätselbücher ‹Geheimnis um...› von Enid Blyton. Dazu ha-be ich 161 Konsalik-Bände gesam-melt und noch drei- oder vierhun-dert andere Bücher. Mein Lieb-lingsbuch aber ist ‹Das geheime Leben der Bücher› von Régis de Sá Moreira, mein bevorzugter Autor ist heute Stefan Zweig.

Ich mag alles Altmodische. Ich ha-be auch eine klassische Lebensein-stellung und würde am liebsten Anfang zwanzigstes Jahrhundert leben. Bei Goethe kann ich so richtig schwelgen und träumen. Zu dieser Zeit wusste man noch, was richtig ist, heute zerfallen die Werte. Ich habe auch das ‹gentle-manlike› gerne, und wäre gerne mit jemandem zusammen, der so ist. Wahrscheinlich bin ich hoff-nungslos romantisch. Auch meine Wohnung ist altmodisch und ge-mütlich eingerichtet, zum Bei-spiel mit einem Gasherd.

Gelernt habe ich ursprünglich Offset-Monteurin. Aber schon während meiner Lehre ist dieser

Beruf ausgestorben. Später war ich Verkäuferin und nachher Ge-schäftsführerin in einem ‹Buch-Kiosk› am Flughafen. Wir waren gleich beim ‹Swiss›-Tower, des-halb war es eher gehobene Kund-schaft. Ich habe auch viele Promi-nente bedient, unter anderem Da-vid Hasselhoff, DJ Bobo, Herbert Grönemeyer oder die thailän-dische Prinzessin mitsamt Hof-staat. Der Schweizer Schriftsteller und Manager Rolf Dobelli war bei uns Stammgast.

Mein grösster Traum ist, ein eige-nes Kultur-Café zu führen. Ge-mütlich soll es sein, mit Biblio-thek und Bücherladen. In diesem Kultur-Café möchte ich Lesungen, Konzerte und Kurse veranstalten und junge Talente fördern. Einen Fantasy-Abend möchte ich ma-chen, einen Klassik-Abend und und und. Für dieses Projekt habe ich letzten Frühling an der EB Zü-rich den Kurs ‹Aufbruch in die be-rufliche Selbständigkeit› besucht. Dazu habe ich bereits verschie-dene Lokale angeschaut – Ideen habe ich viele, bloss genügend Startkapital, das habe ich nicht.»

� – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008

ARTIKELSCHREIBENPreiswert.ConstantinSeibt,«JournalistdesJahres2007»,hateinenLehrauftraganderEBZürichangenommen.AbMai2008wirderimLehrgang«Journalismus»zudenThemenKolumneundKommentarunterrichten.Seibt,deralsReporterbeim«Tages-Anzeiger»schreibt,stehtfüreinenJournalismus,derfrechundgleichzeitiggenaunachfragtundnachhakt.LegendäristSeibtsIronie:«WirsindimFiktionsbusinesstätig,wirerzählenGeschichten,dievielleichtauchaufFaktenberuhen.»Wasdasheisst,kannmanzumBeispielnachlesenimBuch«DerSwissair-Prozess»,indemSeibtsBeobachtungenderGerichts-verhandlungeninBülachzusammengefasstsind.

GESCHICHTENERFINDENLesenswert.DerLehrgang«LiterarischesSchreiben»beginntimFrühlingzumsechstenMal.VerschiedeneAbsolventinnenfrühererJahrgängemachenmitVer-öffentlichungenundPreisenaufsichaufmerksam.SilviaReusserhatfüreinRomanprojekteinStipendiumdesKantonsZüricherhalten.NadjaSchillerundBrigitteSpalingerhabenmitKurzgeschichtenbeieinemWett-bewerbdesLiteraturhausesinZürichgewonnen(www.literaturhaus.ch).DerneueKrimivonMitraDeviheisst«StummeSchuld»undisterschienenimPendragon-Verlag.EbenfallsganzneuistSabinaAltermattsKrimi«Alpenrauschen»,erschienenimLimmatVerlag.ErhältlichingutenBuchhandlungen.

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ZukunftderArbeit–ArbeitderZukunft.Wiewird

dieArbeitsweltin10,20Jahrenaussehen?Welche

Kompetenzenwerdenwirdafürbrauchen?Geht

esnachdenZukunfts-Forschern,stehtunseintief

greifenderWandelbevor:vomWissens-zum

Kreativzeitalter.

Text: Christian KaiserBilder: Stephanie Tremp

DieEvolutionderArbeit

CREATIVEWORK

EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – �

«Wir müssen die Zukunft der Arbeit nur fürchten, wenn wir weiter in industriellen Massstäben denken. Also in lebenslangen, garantierten ‹Arbeitsplätzen›, die uns eine biogra-fische Identität geben wie früher der ‹Lebensberuf› des Vaters. Wir – oder unsere Kinder – werden in Zukunft drei, vier, fünf verschiedene Berufe in unserem Leben ausüben. Wir wer-den zwischen verschiedenen Erwerbs-formen wechseln – angestellt, selb-ständig, Portfolio-Worker etc. Das wirkt für viele Menschen erschreckend und unsicher, weil wir alle aus einer ‹Kultur der Abhängigkeit› stammen. Wir haben noch nicht die richtigen Kultur-Kompetenzen dafür. Aber wir werden das lernen. Ebenso, wie wir in einem langen historischen Über-gang die Tugenden der Industrie-gesellschaft gelernt haben.»Matthias Horx, Zukunftsforscher

Charles Darwin beobachtete Finken-arten auf den Galapagos-Inseln und entwickelte daraus seine Evolutions-theorie «Über die Entstehung der Arten». Die Vielfalt des Lebens ent-steht im Laufe der Zeit durch Anpas-sung an die Umgebung; die am besten angepassten Arten setzen sich durch, «Survival of the fittest» nannte Dar-win diesen Selektionsvorgang. Das Forschungsobjekt von Imke Keicher und Kirsten Brühl vom Zukunftsin-stitut im deutschen Kelkheim sind nicht Vögel (oder deren Knochen, aus

Anita Moser. Schuhe. www.anitamoser.ch

Caroline Felber. Hüte. www.huete.ch

denen frühere Wahrsagerinnen ja die Zukunft lasen), sondern die Trends in der Berufswelt. Auch die Zukunfts-forscherinnen sprechen von einer Evolution, einer «Evolution der Arbeit»: Von den Jägern und Samm-lern über die Industriearbeiter der letzten zweihundert Jahre hin zu den Wissensarbeiterinnen der Gegenwart und darüber hinaus.

Vom Wissens- zum Kreativzeit-alter. Bereits am Übergang von der landwirtschaftlich geprägten Wirt-schaftsweise zum Industriezeitalter haben sich die Arbeit und der Arbeits-begriff stark verändert, auch der Wechsel vom Industrie- zum Dienst-leistungszeitalter zwang die Men-schen, sich an die veränderten wirt-schaftlichen Gegebenheiten anzu-passen. Tief greifend wird laut Kei-cher und Brühl auch der Übergang vom Wissens- zum Kreativzeitalter werden. Und: Er hat schon eingesetzt. Was das für unsere Arbeitskultur bedeutet, beschreiben sie so:«Wir müssen uns mitverändern! Zwar werden wir nicht alle sofort neue Qualitäten hervorbringen müssen, doch viele von uns sind gefordert, sich in den nächsten Jahren weiter-zuentwickeln.» Die Zukunftsforsche-rinnen ordnen jedem Wirtschafts-zeitalter einen bestimmten Arbeitsty-pus zu: «Da jede Phase neue und andere Typen von Arbeitnehmern hervorbringt, wird sich das Arbeits-

leben für eine grosse Zahl von Men-schen verändern.»

Der Organization Man bis ca. 1980. So ähnlich wie aus dem «homo erec-tus» irgendwann einmal «homo sapi-ens» wurde, veränderte sich der Jäger und Sammler von einst im Industrie- und Dienstleistungstzeitalter zum «Organization Man». Die meisten heutigen Angestellten sind noch Vertreter dieser Art: Sie sind fest angestellt bei einer Organisation, die ihnen Sicherheit bietet und Gebor-genheit, das Unternehmen über-nimmt «fast Vater- oder Mutter- funktion». Im Gegenzug kontrolliert die Organisation ihre Mitarbeiten-

den, die Spielräume des Einzelnen sind begrenzt. Der Organization Man war bis 1980 der Normalfall, ist heute noch häufig anzutreffen, stirbt aber allmählich aus.

Bis 2010: die Wissensarbeiter. Mit der zunehmendem Verlagerung der Arbeit vom Industrie- zum Dienst-

Angela Burkhardt. Keramik.

www.burkhardt-guallini.ch

� – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008

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� – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – �

CREATIVEWORK

Gisela Müller. Drechslerei. 9434 Au.

leistungssektor gewann Wissen als Ressource an Bedeutung. Für den Wissensarbeiter steht deshalb im Zentrum, sein Fachwissen à jour zu halten, um seinen Wert auf dem Arbeitsmarkt zu erhalten; seine Arbeitsmarktfähigkeit oder «Employ-ability» stellt er über sinnvolle Aus- und Weiterbildungen sicher. Die Konkurrenzfähigkeit ist ihm wichtig, denn er weiss, dass er in seinem Berufsleben für verschiedene Firmen arbeiten wird: Wissensarbeiterinnen wählen ihre Arbeitgeber deshalb so, dass sie weiter lernen und wachsen können. Das Führungsklima ani-miert die Angestellten dazu, ihr Know-how einzubringen. Der Wis-sensarbeiter wird noch bis zirka 2010 der Prototyp des Arbeitenden blei-ben.

Ab 2010: die Kreativen kommen. Abgelöst wird er dann allmählich vom Kreativarbeiter. Dessen wich-tigste Ressource ist grau und wiegt ca. 1,3 Kilo; ein Hirn ist nicht nur dazu da, zu speichern und bei Bedarf abzu-rufen – mindestens genauso wertvoll, sind seine Fähigkeiten, sich in andere hineinzufühlen, Verbindungen her-zustellen und Neues zu schaffen: Bei «Creative Work», der in Zukunft vorherrschenden Arbeitsweise, wer-den solche schöpferischen Fertig-keiten besonders gefragt sein. Das Ziel des Kreativarbeiters besteht darin, das in ihm angelegte Potenzial zu entdecken und so gut wie möglich

für sich und andere zur Entfaltung zu bringen. Was der Kreativarbeiter (häufig sind es Kreativarbeiterinnen) beruflich tut, ist immer mit dem Anspruch verbunden, seine indivi-duelle Einzigartigkeit, die «Uniqua-bility», weiter auszuformen. Treiber sind Selbstverwirklichung und Sinn, aber auch Spass. Die neuen Kreativen arbeiten selbständig, angestellt oder projektbezogen, oft in kreativen Beziehungsnetzwerken. Am liebsten lassen sie sich von Personen führen, die authentisch sind und die wirklich am besten für diese Aufgabe geeignet sind.

Sowohl als auch – nicht entweder oder. Selbstverständlich gibt es heute

bereits viele Kreativarbeiterinnen und Kreativarbeiter: Sie erschaffen Filme, Bücher, Werbung, Design, Software, Musik, Online-Anwen-dungen, Zeitschriften, Zeitungen, Radiosendungen, Spiele, Architektur oder Kunsthandwerk (siehe Bildkon-zept und Erläuterungen S.3). Gemäss einer Studie von 2005 gibt es allein im Kanton Zürich 37�000 Kreativ-arbeitende, die mindestens 3,3 Mil-

liarden Franken an Wert schöpfen. Zum Vergleich: im Finanzbereich arbeiten 47�000, im Maschinenbau 16�500 Zürcherinnen und Zürcher. Schweizweit arbeiten über 200�000 Personen für die Kulturwirtschaft. Für die Autoren der Publikation «Kreativwirtschaft Schweiz» sind bereits mehr als ein Zehntel der

gesamten Schweizer Wirtschaft die-sem Sektor zuzurechnen. Allerdings sind noch in vielen Firmen und öffentlichen Institutionen auch Ver-treter des Typus Organisationsarbei-ter anzutreffen. Keicher und Brühl gehen aber von einer sich beschleu-nigenden Gewichtsverschiebung in Richtung Kreativarbeit aus. Ihre Defi-nition von «Creative Work» geht zudem über die bekannten Kreativ-jobs hinaus: Sie verstehen darunter «eine fundamental neue Arbeitskul-tur, die auf Selbstverantwortung, Selbstkenntnis und dem Bedürfnis nach individuellen Lebensentwürfen basiert, in denen die klassische Frag-mentierung in ein Arbeits-Leben und ein Privat-Leben aufgebrochen ist.» Diese neue Arbeitskultur wird auch

bisher unbekannte Berufsbilder her-vorbringen (Interview S. 11/12).

Die Treiber des Wandels. Unsere inneren Glaubenssätze und Vorstel-lungen von der Realität werden durch die Umwälzungen in der Arbeitswelt in Frage gestellt. «Was wir als normal empfinden, ändert sich mit Ausbrei-tung der jeweils neusten Welle.» Für viele sei das nicht nur «eine grosse Heraus-, sondern meist auch eine Überforderung», schreiben Keicher und Brühl in ihrer Studie «Creative Work – Business der Zukunft». «Wer gut ausgebildet ist, dem kann nichts passieren», lautet beispielsweise ein Credo des Wissensarbeiters. Doch dieses Grundvertrauen ist mittler-weile arg erschüttert: Langsam, aber sicher setzt sich die Einsicht durch, dass auch die Jobs von gut ausgebil-deten Technikern nach Asien verla-gert werden können, auch noch bis vor kurzem umjubelte Berufsklassen wie Investmentbanker können – ein Jahr später – ihre Stelle verlieren. Und wenn Hochspezialisierte auf die Strasse gestellt werden, finden sie nicht so leicht wieder einen neuen Job: ein Metierwechsel ist zudem mit Einkommens- und Prestigeverlusten verbunden. Die letzten Krisen haben gezeigt: Egal ob Akademikerin oder Handwerker mit Diplom – Arbeits-losigkeit kann auch den Mittelstand treffen. Mehr Wissen und mehr Anstrengung sind keine Garanten mehr für Arbeitsplatzsicherheit.

Heinz Baumann. Möbel. www.moebelmanufaktur.ch

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10 – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – 11

CREATIVEWORK

Welchen Einfluss hat der Wandel auf die Kompetenzen, die wir in der Arbeitswelt künftig brauchen werden? Kreatives Denken und Handeln sind Schlüsselkompetenzen, wenn es um Problemlösungen in zunehmend komplexeren Arbeitssituationen geht. Kreativität ist aber auch des-halb eine neue Kernkompetenz, weil sie der Treibstoff für die immer grössere Nachfrage nach Produkt-, Service- und Geschäftsmodellinno-vationen ist. Ausserdem wird Empa-thie immer wichtiger. Sie ist so etwas wie die Zwillingsschwester der Kreativität, stellt sie doch sicher, dass der «kreative Schatz» auch bei den Menschen ankommt, also an die Lebenswirklichkeit von Kunden ankoppelt.

Wie bereitet man sich am besten auf das Zeitalter des Creative Work vor? Beantworten Sie sich die zentralen «Uniquability»-Fragen: Was ist mein besonderes Talent? Aus welcher Arbeit schöpfe ich Energie? Was begeistert mich? Wo liegen meine kreativen Stärken? Alle Menschen haben kreatives Potenzial, nur nut-zen sie es häufig kaum am Arbeitspatz. Die ureigene «Uniqua-bility» zu entdecken und zu fördern wird zur neuen Erfolgstechnik. Damit ist der ganz individuelle Mix an Stärken und Talenten gemeint, das, was wir mit Freude und gros-ser Einsatzbereitschaft tun. Wer seine Uniquability in seiner Arbeit nutzen und pflegen kann, ist belast-barer und leistungsfähiger. Schliess-lich kann heute niemand mehr darauf setzen, dass er oder sie den «richtigen» Beruf wählt, mit dem sich ein ganzes Arbeitsleben absi-chern lässt.

Sie schreiben zur Uniquability: «Statt den Markt zu beobachten und sich das Wissen und die Qualifaktionen anzueignen, die in Zukunft vermut-lich gebraucht werden, steht für die Arbeitenden der Zukunft die Frage <Wer bin ich?> im Mittelpunkt.» Das klingt nach Selbstverwirklichung, die an den Realitäten der Wirtschaft vor-beizielt.

«AlleMenschenhabenkreativesPotenzial»ImkeKeicher*sprichtvoneinerEvolutionderArbeit:vomLandwirtschafts-arbeiter(AgriculturalMan)überdenIndustrie-undDienstleistungsange-stellten(OrganizationMan)hinzumWissensarbeiter(InformationMan).Diesenwiederumwürdenab2010dieKreativarbeiter(CreativeWorkers)ablösen.Wasbedeutetdasfüruns?

Ich sehe darin eher eine Absiche-rung gegen den Wettbewerbsdruck auf dem Arbeitsmarkt. Denn auch auf dem Arbeitsmarkt, nicht nur bei Produkten, drückt Austauschbar-keit die Preise. Das kann ich am besten vermeiden, wenn ich «Ecken und Kanten» habe, also meine Origi-nalität kenne und pflege. Vor allem muss ich wissen, unter welchen Bedingungen ich am leistungsfä-higsten bin – und genau das ist es, was für Unternehmen ausgespro-chen interessant ist. Schliesslich ist unsere Uniquability die stärkste Quelle für Erfolg und Kreativität in der Unternehmensrealität.

Sie schreiben, zu einer Uniquability-Biografie gehörten auch Brüche und Neuanfänge. Radikale Wechsel und die damit verbundene Unsicherheit sind aber nicht jedermanns/jeder-fraus Sache. Was, wenn zur persön-lichen Uniquability gehört, dass man sich vor allem Konstanz und Ruhe wünscht? Natürlich machen Brüche und Ver-änderungen vielen Menschen Angst. Angst vor Veränderungen zu haben und sich Ruhe zu wünschen ist weniger ein spezielles Talent, als vielmehr eine ganz menschliche Reaktion, insbesondere in einer Zeit, die als eher instabil empfun-den wird. Und in der Tat hat das Veränderungstempo in der globali-sierten Wissensgesellschaft rapide zugenommen. Die eigene Biografie und die Erwartungen an das eigene Leben diesen neuen Realitäten anzupassen ist eine Anpassungs-leistung, die unsere Gesellschaft gegenwärtig wirklich stark in Anspruch nimmt. Und jeder Ein-zelne wird seinen individuellen Weg gehen und seine Veränderungskom-petenz im eigenen Tempo entwi-ckeln. Gerade die Rückbesinnung auf die eigene Uniquabilty ist ein solider Ankerpunkt und Stabilisie-rungsfaktor in diesem Umfeld.

Auch der Kreative lebt nicht vom Brot allein. Die Realität ist doch so, dass ein Grossteil der Kreativarbei-ter, welche jetzt den Schritt in die

Literatur zum Thema

Imke Keicher/Kirsten Brühl: «Sie bewegt sich doch! – Neue Chancen und Spielregeln für die Arbeitswelt von morgen», Orell Füssli, 2008, 192 Seiten.

Kirsten Brühl/ Imke Keicher: «Creative Work – Business der Zukunft», Zukunftsinstitut, 2007, 145 Seiten.

Christoph Weckerle/Manfred Gerig/Michael Söndermann: «Kreativwirtschaft Schweiz – Daten, Modelle, Szene», Birk-häuser, 2007, 160 Seiten.

Brigitta Neumeister-Taroni (Text), Stephanie Tremp (Fotografie): «Der Traum von der perfekten Form – Innovation und Ästhetik im Schweizer Handwerk», Helden-Verlag, 348 Seiten.

Philipp Klaus: «Stadt, Kultur, Innovation – Kulturwirtschaft und kreative innovative Kleinstunternehmen in der Stadt Zürich», Seismo, 2007, 255 Seiten.

Jonas Ridderstrale: «Karaoke-Kapitalismus – Fitness und Sexappeal für das Business von morgen», Redline, 2005, 326 Seiten.

Willy Rüegg: «New Work – Eine Orientie-rungshilfe für die neue Arbeitswelt»,KVZ, 70 Seiten.

«Was will ich?» statt Loyalität. Im globalen Wettbewerb stehende Unternehmen scheren sich nicht mehr darum, ob eine Angestellte oder ein Angestellter schon 20 oder 30 Jahre gute Arbeit für ein und dieselbe Firma geleistet hat. Das «Hire and Fire» (Anstellen und Rausschmeis-sen) hat vielerorts bereits die klas-sische Patronmentalität von früher abgelöst, wo sich die Firmeninhaber um ihre Angestellten wie um eine erweiterte Grossfamilie kümmerten. «Unternehmen handeln darwinis-tisch, weil sie sich an die Marktbe-dingungen anpassen und sich des-halb immer wieder von Mitarbeiten-den trennen.» Solche Umwälzungen verändern natürlich auch unsere Ein-stellung zur Arbeit und treiben deren Evolution voran. Der «Darwiportu-nismus» (Christian Scholz), wo jeder versucht, sich seine Stelle zu sichern, indem er die gewünschten Kompe-tenzen erwirbt, neigt sich damit dem Ende zu. Der für den Organization Man noch typische Handel «Loyalität

gegen Sicherheit» ist endgültig passé. «Wenn ich keine Garantien mehr habe, kann ich gleich machen, was ich will», sagt Keicher.

Näher zu uns selbst? An die Stelle der Employability, also der Arbeits-marktfähigkeit, welche nach aussen schielt, auf die im Markt gefragten Fähigkeiten, Methoden und Tools, tritt deshalb die Uniquability. Der Begriff steht für die Fähigkeit, die eigene Einzigartigkeit zu erkennen und die künftige Berufslaufbahn darauf auszurichten: «Wer an seinen Stärken und Talenten arbeitet, hat mehr Freude am Arbeiten und diese Freude ist eine unschätzbare Ener-giequelle und ein Kreativitäts- booster.» Uniquability ist eine

Simone Gugger. Schmuck. www.simonegugger.ch

Orientierung von innen heraus: «Wer bin ich?», «Was gibt mir Energie?», «Mit wem will ich arbeiten?» lauten die entscheidenden Fragen.

Denn: Um in der Arbeitswelt von morgen zu bestehen, braucht es nicht weniger als einzigartige, nicht aus-tauschbare Fähigkeiten. Für die Auto-rinnen lauten die zentralen Fragen für den Arbeitsalltag 2015 darum:1. Kann dein Job von jemandem

irgendwo auf der Welt billiger gemacht werden?

2. Kann es ein Computer schneller?3. Gibt es eine grosse Nachfrage nach

deinen Fähigkeiten?

Nur wer die Fragen eins und zwei mit einem deutlichen Nein beant-worten könne und die Frage drei mit einem Ja, werde, so Keicher und Brühl, künftig «unangreifbar» sein. Beim schwedischen Management-Guru und Buchautor Jonas Ridder-strale, heisst das auf den Punkt gebracht dann so: «Wer keine einzig-artigen Fähigkeiten hat, ist gezwun-gen, den Wettbewerb mit etwa 1,2

Milliarden Chinesen aufzunehmen.» Zumindest das Selektionsprinzip der Zukunft wird also dasselbe bleiben wie schon in der Vergangenheit: Sur-vival of the fittest. Evolution bedeu-tet aber immer auch eine Bewegung hin zu einer höheren Ordnung des Zusammenlebens. Entsprechend bie-tet der nächste Evolutionsschritt, der Übergang zur kreativen Ökonomie, so das Fazit von «Creative Work», auch eine grosse Chance: «Wenn wir die aktuellen Herausforderungen am Arbeitsmarkt aktiv annehmen, könnte es sein, dass wir unverse- hens ein Stück näher bei uns selbst landen.»

Marlis Candinas.

Strickmode. 4056 Basel.

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CREATIVEWORK

Selbständigkeit wagen, nur knapp am Existenzminimum vorbei-schrappt oder sich selbst ausbeutet. Wird sich das ändern? Kreativarbeiter in unserer Defini-tion sind nicht Menschen, die aner-kannt kreative Berufe ausüben – sondern alle Menschen, die eigen-verantwortlich (auch im Kontext von Unternehmen) ihr Berufsleben gestalten und dabei nicht mehr klassischen Karrierepfaden folgen, sondern dem eigenen Entwicklungs-tempo, der Freude an der Tätigkeit. Das können auch Ingenieure, Land-schaftsgärtner oder Zahnärzte sein. Deshalb gibt es da punkto Einkom-men nach oben wie nach unten keine Grenze.

Was ist mit der Globalisierung? Ist es nicht eine Illusion zu glauben, dass nur die stupiden Billiglohnjobs abwandern? Auch Brasilianer, Inder und Chinesen sind kreativ. Können wir wirklich kreativer sein als 1,2 Milliarden Chinesen?Da stimme ich Ihnen 100% zu. Die Liste der Jobs, die bei entspre-chender Qualifikation irgendwo auf der Welt gemacht werden können, wird täglich länger. Dazu gehören auch so hochspezialisierte Tätig-keiten wie die Analyse und Interpre-tation von Röntgenbildern oder wis-senschaftliche Recherchearbeiten. Umso wichtiger wird es ja für den Einzelnen, sich nicht nur auf einen Karrierepfad oder ein Unternehmen zu verlassen, sondern in solider

WEITERBIlDuNG

Roger Weber. Schmuck/Automaten. www.mehrundwert.ch

Thomas Sonderegger. www.mach-werk.ch

Kenntnis seiner selbst immer in Alternativen zu denken.

Welche Berufe haben Zukunft, wel-che Berufsbilder werden neu entste-hen?Wenn Sie an die grossen Herausfor-derungen denken, haben sie schon die wichtigsten Entwicklungsfelder, also im Bereich Umwelt/Energie, Gesundheit, Bildung, Pflege. Aber auch im Management werden wir neue Rollen erleben. Zum Beispiel den «Corporate Teenager», der den Unternehmen hilft, den Dialog mit der Aussenwelt aufrecht zu erhal-ten und immer neue Impulse ins Unternehmen zu bringen. Oder den «Biografie-Designer», der ausgehend von der eigenen Uniquability bei der Gestaltung einer ganzheitlichen Lebens- und Arbeitsbiografie hilft, inklusive Suchmaschinen-Erschei-nungsbild. Oder der «Downaging Trainer». Seine Aufgabe: mentale, emotionale und physische Alte-rungserscheinungen zu minimieren.

Unser Berufsbildungssystem ist vor allem auf – teilweise seit Jahr-zehnten – bestehende Berufsbilder ausgerichtet. Wie bildet man die Leute so aus, dass sie optimal auf solche neuen Berufe vorbereitet sind? Vielleicht sollten wir uns von der Idee einer «optimalen Ausbildung» verabschieden. Ausbildung ist ein Startpunkt in eine Biografie, die ohnehin durch permanentes Lernen und Ent-lernen gekennzeichnet sein wird. Wichtig ist daher neben dem Fachwissen (dessen Halbwertszeit rapide sinkt), dass junge Menschen lernen, immer weiter zu lernen, dass sie sich selbst kennen lernen, ihre Uniquability optimal einsetzen können und sich selbst vertrauen. Denn dann sind sie für alle poten-ziellen Veränderungen und Neue-rungen am besten gerüstet.

Die Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung wird in 10 bis 15 Jahren nicht mehr in einem festen Angestelltenverhältnis tätig sein. Diesen Schluss zieht der Kaufmän-nische Verband Zürich (KVZ) aus den Trends in Wirtschaft und Gesellschaft: Firmen lagern ihr unternehmerisches Risiko zuneh-mend aus, indem sie Arbeiten an freischaf-fende Zulieferer delegieren. Immer mehr Personen arbeiten an zeitlich begrenzten Projekten auf Auftragsbasis.

Klar, dass solche Entwicklungen dazu führen, dass sich das klassische Angestell-tenverhältnis allmählich aufweicht, und die Grenzen zwischen selbständiger und unselbständiger Arbeit verschwinden. Die entstehende Vielzahl neuer Arbeitsformen und -verhältnisse fasst der KVZ mit dem Begriff «New Work» zusammen: freie Mitarbeitende, befristete Arbeitsverhält-nisse, Arbeit auf Abruf, selbständige Auf-tragnehmende, Kombinationen von Teilzeit und Selbständigkeit.

Die wichtigsten Thesen des KVZ zu New Work lauten:1. Es gibt keine Sicherheit in der Arbeits-

welt.2. Allein die Orientierung am freien

Arbeits- und Auftragsmarkt und die tägliche Bewährung im Konkurrenz-kampf hält die Menschen wach und sichert ihre Kreativität und Schaffens-kraft nachhaltig.

3. Der Aufbau eines individuellen Portfo-lios von marktfähigen Talenten und Fähigkeiten, von Know-how und Erfah-rungen, Netzwerken und Verbindungen ist heute das Wichtigste.

4. Eine feste Anstellung in einer Firma anzunehmen mag verlockend sein, doch ist sie nur unter Preisgabe einzelner Elmente des individuellen Portfolios zu haben. Die Beschränkung auf ein stets nivellierend wirkendes Umfeld und die Entwicklung zwischen den Leitplanken einer bestimmenden Geschäftsstrategie ist zwingend.

* Imke Keicher ist Zukunftsforscherin, Autorin und selbständige Unterneh-mensberaterin in Rüschlikon ZH.

«NewWork»–neueArbeitsformenimKommen

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1� – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – 1�

ImKurs«PC-Basics:vonFrauenfürFrauen»lernt

frau,dassComputerkeineUngeheuersind.Sondern

Geräte,diedenAlltaggewaltigerleichternkönnen–

undsogardiePartnerschaftverbessern.

Text: Anouk HolthuizenBilder: Reto Schlatter

Mélanie Tschofen Brader drückt auf die Play-Taste. Aus den Lautsprechern des Kurslokals 211 im Bildungszen-trum für Erwachsene im Seefeld dringt klassische Musik. Sie spielt auch noch, als die Kursleiterin elf Frauen zwischen 38 und 60 Jahren begrüsst. Eine entspannte Stimmung ist im «PC-Kurs von Frauen für Frauen» wichtig, denn hier geht es – nebst Wissensvermittlung – vor allem darum, Berührungsängste abzubauen; viele der Kursteilneh-merinnen haben zwar schon am Com-puter gearbeitet, aber sie stossen schnell an Grenzen und rufen lieber

den Ehemann oder Arbeitskollegen zu Hilfe, statt selber auszuprobie-ren.

Diese Abhängigkeit ist ärgerlich. Denn: Männer, so sind sich die Frauen einig, sind ungeduldige Lehrer und wollen lieber alles selber machen, statt erklären. Am PC zuhause erlebt das sogar die Kursleiterin. Die Unter-schiede beim Umgang mit dem Com-puter haben Mélanie Tschofen denn auch dazu bewogen, ein rein auf Frauen zugeschnittenes Angebot zu entwickeln. «Frauen trauen sich in der Anwesenheit von Männern nicht,

AnleitungzumunverkrampftenMausgebrauch

Fragen zu stellen», weiss sie aus den gemischten Kursen. «Sie haben Angst, dumm zu erscheinen.» Dabei wüssten auch viele Männer oftmals nicht wei-ter. Aber sie geben das nicht zu.

Spürbare Unsicherheit am ersten Kurstag. Tschofen erklärt die wich-tigsten Tasten, die es zum Aufstarten braucht, dann geht es los. Gemeinsam werden Benutzername und Passwort eingegeben, dann auf das Word-Icon geklickt. «Bei mir kommt nichts!», ruft bereits eine Kursteilnehmerin verzweifelt, und es mutet sehr sym-bolhaft an, dass nun statt klassischer

Musik eine kreischende Motorsäge aus dem anliegenden Park zu hören ist. Doch das Problem ist schnell behoben. Tschofen hält bewusst die Hände hinter dem Rücken ver-schränkt: Sie will niemandem etwas vorgreifen. Damit sie mit dem Gefühl in ihrer Hand vertraut werden, malen die Frauen mit der Maus im Paint-Programm Bäume auf ihre Bild-schirme. Minutenlang herrscht kon-zentrierte Stille. Als hinter einem der Bildschirme ein nachdenkliches «ent-wurzelt» ertönt, kichern einige los.

Entspannung tritt ein. Die 51-jährige Antonia Capaul wagt, selber den virtuellen Radiergummi zu suchen und findet ihn. «Toll!», freut sie sich und radiert zahlreiche Äste weg. Die attraktive Frau möchte Nägel mit Köpfen machen und ihr Hobby pro-fessionalisieren. Während sie ihre Kinder aufzog, verzichtete sie auf eine Erwerbstätigkeit, verwaltete privat aber einige Häuser. Und dazu muss sie mehr auf dem Computer können, als Briefe und E-Mails schrei-ben. Im Kurs nur unter Frauen zu sein, war Antonia Capaul eigentlich nicht wichtig. Aber jetzt schätzt sie die Atmosphäre. «Männer würden mich wohl verunsichern. Ich denke immer, die können das besser. Total irrational, ich weiss.»

Verständliche Hemmungen. Män-ner verbringen viel mehr Zeit am Computer als Frauen, Jungen mehr

als Mädchen. Gemäss Bundesamt für Statistik nutzten im Jahr 2006 rund 58 Prozent der Frauen das Internet – gegenüber 73 Prozent bei den Män-nern. Dass Männer viel leichter den Zugang zum Computer finden, hat auch mit Sozialisierung zu tun: Com-puter gehören in den Bereich der Technik, und Technik wird hierzu-lande mit Männlichkeit assoziiert. Jungen haben häufiger einen eigenen Computer zur Verfügung als Mäd-chen, die stattdessen den Computer des Vaters oder des Bruders nutzen dürfen. Mädchen sind vor allem an nützlichen Anwendungen interes-siert, verwenden den PC zudem gerne als Kommunikationsmittel für E-Mails oder Chatten. Jungen interes-sieren sich eher für die Funktions-weise und den Prozess beim Bedie-nen, statt zu mailen, gamen sie lieber. Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die geschlechtsspezi-fischen Unterschiede im Umgang mit den Kommunikationsmitteln ver-schwinden, sobald beide den Com-puter gleich intensiv nutzen.

Eine rasante Entwicklung verpasst. Vor allem bei den etwas älteren Semes-tern nutzen aber nach wie vor deut-lich mehr Männer als Frauen den Computer; so wie Antonia Capaul hängten in den Achtzigerjahren viele den Job an den Nagel, sobald das erste Kind unterwegs war. Damals fanden Computer gerade erst ihre Verbrei-tung, zahlreiche Mütter erlebten

KURSFENSTER

diese Entwicklung nur am Rande mit. Nun sind ihre Kinder gross, und der Wiedereintritt in die Berufswelt ohne Computerkenntnisse praktisch unmöglich.

Weiterkommen – beruflich und pri-vat. Obwohl der USB-Stick jetzt noch mit dem UBS-Sticker verwechselt wird: Am Ende des Kurses werden die Frauen problemlos mit Mail, Internet und Word umgehen können, und auch ein bisschen mit Excel. Mélanie Tschofen ist sich sicher: «Das kommt gut. In den Kursen herrscht in der Regel eine fröhliche Stimmung, die Frauen sind dadurch zum Lernen motiviert.» Oft sind die Motive nicht nur rein beruflicher Natur: Verena Balmer, 64, arbeitet in einer Apotheke und ärgert sich regelmässig, wenn eine Patientendatei auf ihrem Bild-schirm verschwindet – und unauf-findbar bleibt; sie möchte aber auch für das Pensionsalter gerüstet sein und als Vorstandsmitglied eines Ver-eins am Computer walten können. Einen Kurs hat sie bereits besucht – bei einem Mann. «Er erklärte so lange und so kompliziert; ich wollte ja nicht lernen, wie man einen PC baut!», begründet sie ihre Wahl für den Frauen-Kurs.

Page 9: EB Kurs - Magazin der EB Zürich Frühling 2008

1� – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008

DerGrüneBastienGirod,mit27dritt-

jüngsterNationalrat,politisiertfrisch

undfrech:ErwillOffroadervon

SchweizerStrassenverbannen,fordert

mehrUmwelt-undSozialverantwor-

tungvonKonzernenundbessere

ProduktinformationenfürKonsumen-

tinnenundKonsumenten.Wennes

seinmuss,ziehtersichauchmalvor

einemPolizeipostenaus.

Interview: Eva GattikerBilder: Luc-François Georgi

der jungen Grünen», der «erfolgreichste Linke der Schweiz». Selbst die NZZ ist voller Lob. Wird es dir da nicht angst und bang?Naja, nicht alles ist bloss positiv. Ein NZZ-Journalist hat, als ich frisch in den Gemeinderat gewählt wurde, geschrieben: «Politik ist kein Kindergarten» und mich wegen der Stopp-Offroader-Kleber stark kritisiert. Aber natürlich freue ich mich über Lob. Obschon ich mir bewusst bin, dass sich das rasch ändern kann. Sicher habe ich auch meinem Alter einen gewissen Goodwill zu verdanken. Aber das hält naturgemäss nicht ewig. Jetzt muss ich mich auch behaupten.

Am Alter alleine kann es nicht liegen...Ich denke, ich kann auch damit punkten, dass ich un-ideologisch argumentiere und nicht einfach das Par-teiprogramm runterspule. Das wird von vielen Leuten positiv gewertet.

Bereitet dir Kritik Mühe?Wenn Kritik auf einer falschen Darstellung des Sach-verhaltes aufbaut, macht mir das sehr wohl Mühe, weil sich dann die Leser kein eigenes Bild machen können. In solche Situationen habe ich auch schon eine Gegendarstellung verlangt. Ansonsten bin ich Kritik gegenüber sehr offen.

Auf deiner Homepage sprichst du Klimawandel, Solida-rität und Frieden an. Die konkreten Lösungsvorschläge wirken dann aber recht banal: Unter dem Link «pazifis-tisch geprägt» forderst du zum Beispiel einen Notknopf auf Handys, mit dem man eine Polizeifahndung auslö-sen kann, wenn man überfallen wird.Das ist sicher nicht die umfassende Lösung für den Weltfrieden. Aber es ist eine Idee, die politisch noch nicht aufgegriffen wurde. Ich will am Wettbewerb um Lösungen teilnehmen. Das Sicherheitsgefühl vieler Leute ist durch Pöbeleien und Schlägereien von Jugendlichen beeinträchtigt. Deshalb muss der Voll-

EB Kurs: Es ist der 5. Dezember 2007, ungefähr 8.30 Uhr. Du hast dich für dein erstes Votum gemeldet und weisst, du wirst in wenigen Minuten das erste Mal vor dem Nationalrat sprechen. Wie fühlst du dich?Bastien Girod: Gut. Erleichtert hat mir die Situation wohl auch Bundesrat Couchepin. Er sagte mir, ich solle mich nicht davon irritieren lassen, dass mir nie-mand zuhören werde und alle die Zeitung lesen. Das habe nichts mit mir zu tun und sei hier immer so. Du hast einen steilen Aufstieg hinter dir. In der Presse wirst du fast durchwegs gelobt. Du seist die «Lichtgestalt

zug bestehender Gesetze verbessert werden, der Not-knopf wäre eine Möglichkeit dafür.

Ein Linker, der mehr Polizei fordert ...?Ich bin nicht gegen die Polizei. Sie macht vieles, das gut und nötig ist. Zum Beispiel ist es sehr im Sinne der Grünen, wenn Parksünder und Geschwindigkeits-übertretungen gebüsst werden. Auch im Bereich «häusliche Gewalt» leistet die Polizei wichtige Arbeit.

Mit der Stripaktion vor dem Polizeigebäude hast du mit den Jungen Grünen die Polizei jedenfalls sehr wirksam kritisiert.Da muss man differenzieren. Man muss nicht generell gegen die Polizei sein, um deren Verhalten in gewis-sen Bereichen zu kritisieren. Mit unserer Aktion haben wir dagegen protestiert, dass die Polizei Fest-genommene auf dem Posten grundlos ausziehen lässt. Das geht nicht. Die Polizei hat viel Macht, des-halb ist es Verantwortung der Politik, den Bürger auch vor unverhältnismässiger Anwendung diese Macht zu schützen. Aus diesem Grund bin ich auch gegen das neue Polizeigesetz, welches viele Gummi-paragrafen enthält und so die Polizeiarbeit nicht klar auf Kernaufgaben einschränkt.

Zweites Beispiel: Mit der «Stopp-Offraoder-Initiative» willst du ineffiziente Autos verbieten. Taktisch ist das Thema zwar geschickt gewählt, weil du so ein Feind-bild aufbaust. Aber entscheidend für den Klimawandel sind die paar Offroader sicher nicht.Das stimmt nicht! Wenn alle Amerikaner auf die Off-roader verzichten würden, könnten die USA auf einen Grossteil der Erdölmenge, welche sie aus dem Irak importieren, verzichten.

Wir leben aber nicht in Amerika.Nein, aber die Tendenz ist die gleiche: Auch hier wer-den die Autos immer grösser. Ein Offroader, wie er in unserer Volksinitiative definiert ist, säuft mehr als 10 Liter auf 100 km. Technisch wären 1-Liter-Autos mög-lich. Hier besteht also ein riesiges Klimaschutzpoten-zial, welches mit dem Offroader-Boom zunichte gemacht wird. Trotz dem Klimaabkommen von Kyoto nimmt der Treibstoffverbrauch in der Schweiz nicht ab. Es besteht hier klar ein Handlungsbedarf.

Wärst du ohne deinen sozialen Hintergrund auch so engagiert? Dein Vater ist Arzt, deine Mutter Sozialarbei-terin, du konntest ins Gymnasium und studieren. Sicher bin ich mit wenig Sorgen aufgewachsen. Ich musste mich nicht mit persönlichen Problemen herumschlagen, das hat mir vieles erleichtert. So konnte ich mich schon früh auf meine Interessen und

«IchwillamWettbewerb

umLösungenteilnehmen»

IMGESPRäCH

auf nationale und globale Probleme konzentrieren. Ich habe viel bekommen, so dass ich es mir jetzt auch leisten kann, etwas zurückzugeben.

Hat dich dein Umfeld auch grün gefärbt?Eigentlich nicht. Ökolo-gisch sind meine Eltern wohl sensibilisiert, aber bei den Grünen waren sie nicht. Ich fühlte mich schon früh mit der Natur verbunden. Als Kind wollte ich Bauer werden. Und irgendwann habe ich dann realisiert, dass der Mensch den Ast absägt, auf dem er sitzt. Das war wohl ausschlaggebend für mein Engagement. Ich frage mich, warum sich nicht mehr Menschen mit diesen Themen beschäftigen.

Nach wie vor gibt es die Ansicht, der Klimawandel sei nicht so gravierend, beziehungsweise nicht menschgemacht.Ja, das ist einerseits natürlich bequemer, so muss man sein Verhalten nicht hinterfragen und kann weiter mit dem Off-roader Gipfeli kaufen gehen. Andererseits gibt es viele Menschen, bei denen einfach andere Probleme oben auf den Sorgenlisten stehen: Inte-gration zum Beispiel oder die Lehrstellenpro-blematik. Erst wenn das gelöst ist, haben die Leute die Energie und die Motivation, sich für öko-logische Themen zu beschäftigen. Deshalb sind mir diese Sorgen auch wichtig.

Page 10: EB Kurs - Magazin der EB Zürich Frühling 2008

EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – 1�

IMGESPRäCH TIPPS uND TRICkS

Manchmalgehtesumviel.Manchmalum

weniger.Verhandeltwirdtäglich,imBeruf,in

deröffentlichkeit,privat.Verhandelnheisst

gebenundnehmen.ImIdealfallgibteskeine

SiegerundVerlierer.

Text: Fritz KellerIllustration: Eva Kläui

Bei Verhandlungen versuchen zwei oder mehrere Ver-handlungspartner ihre voneinander abweichenden Interessen oder Ziele auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Je näher diese beieinander liegen, umso einfacher ist die Verhandlung. Ein «Wer kauft ein?» in einer WG lässt sich meistens schnell lösen. Verhandlungen bei wirtschaftlichen und politischen Problemen (z.B. Nahost-Konflikt) sind komplex und dauern oft sehr lange.

Welche Art des Verhandelns führt zum Ziel?› Gegenseitige Perspektivenübernahme: Sich gemeinsam «an den Verhandlungstisch» zu setzen,

reicht noch nicht. Ich muss mich gut vorbereiten, meine Interessen und Ziele kennen, aber auch diejenigen meines Verhandlungspartners. Welches sind seine Interessen? Gibt es allenfalls übergeordnete Zielset-zungen?

› Kreative Lösungssuche: Wenn die Verhandlungspartner auf ihren Maximalfor-

derungen bestehen, wird es schwierig. Diese harten Positionen gilt es aufzuweichen mit Fragen wie: Gibt es Lösungen, an die ich gar nicht gedacht habe? Wie können Unterschiede für beide Seiten nutzbringend eingesetzt werden?

› Sorgfältige Gestaltung des Verhandlungs- prozesses:

Eine konstruktive Kommunikationsführung beinhal-tet, dass ich mich vorurteilslos mit dem Standpunkt des Gegenübers auseinandersetze. Wichtig ist, unter-schiedliche Meinungen zu akzeptieren und neue Lösungsmöglichkeiten entstehen zu lassen.

Verhandeln lernt man nicht, indem man starre Richtli-nien befolgt. Das Spannende am Verhandeln ist, dass jede Verhandlungssituation wieder neu ist. Viele Wege führen zu bestmöglichen Verhandlungsresultaten.

kurse zum Thema:

Erfolgreichverhandeln:GleichgewichtvonGebenundNehmen.

Konflikteerkennen–Konfliktelösen:MitToleranzundDurchsetzungsvermögen.

WeitereInfosundAnmeldungunterwww.eb-zuerich.ch

Verhandeln–freivonVorurteilen

Ich würde sagen, die Gesamtbilanz stimmt. Einzig was das Lichterlöschen betrifft, bin ich ein schlechtes Vorbild. Aber ich gelobe Besserung!

Neben all den Vorteilen, mit denen du aufgewachsen bist, gibt es in deinem Leben ein Handicap. Du bist Legastheniker. Wie hat das dich und deine Schulzeit geprägt?Es war schon hart. Vor allem, wenn ich im Diktat bei der Kollegin abgeschrieben habe und der Lehrer das gemerkt hat, weil ich anstatt 40 nur 20 Fehler hatte.

1� – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008

Aber ich hatte den Vorteil, dass ich in die Steiner-schule ging. Da war das nicht so wichtig, und viele andere Leistungen wurden auch stark gewichtet.

Aber das Lernen hat dir die Legasthenie nicht grund-sätzlich vermiest?Bis zu einem gewissen Grad schon. Jedenfalls was Sprachen und das Schreiben anbelangt. Aber ich habe mich schon stark verbessert und zum Glück gibt es heute Korrekturprogramme, die sind mir eine

grosse Hilfe. Meine Texte lasse ich zudem alle gegenlesen.

Was ist der Plan für deine politische Zukunft?In der Politik hängt vieles von äusseren Faktoren ab, so viel kann man da selber nicht beeinflussen. Ich habe mehr

einen Wunsch bezüglich des Zustands der Schweiz und nicht bezüglich meiner politischen Position.

Sagst du irgendwann: Mission erfüllt, mich braucht es nicht mehr?Wenn alle grünen Kernforderungen erfüllt sind, werde ich mich zurückziehen. Es gibt auch andere Projekte: Gerne würde ich Dokumentarfilme über Ressourcen-abbau drehen. Auch könnte ich mich gut 100 Prozent wissenschaftlich betätigen. Aber im Moment möchte ich so weitermachen, weil es mich einfach zu fest nervt, in einer Gesellschaft zu leben, in der so vieles schief geht.

Ein Grüner mit Leib und SeeleBastien Girod ist Grüner mit Leib und Seele. Der 1980 geborene Bieler war in seiner jungen politischen Karriere Greenpeace-Aktivist, Mitbegründer der Jungen Grünen und Gemeinderat in Zürich. Im Herbst 2007 wurde er in den Nationalrat gewählt. Neben seinen politischen Aktivitäten hat Girod an der ETH Umweltnaturwissenschaften studiert, wo er zur Zeit auch seine Doktorarbeit schreibt. Zu reden gaben Girods freche Aktionen: Mit einer Kleber-Aktion gegen Offroader nervte er nicht nur die Fahrer der grossen Autos, sondern auch die SVP, die ihm – gemäss Girod zu unrecht – «Sachbeschädigung» vorwarf. Der «Strip vor dem Polizeiposten» richtete sich gegen die Polizei, welche von einer Minderjährigen wegen eines Joints verlangte, sich auf dem Posten nackt auszuziehen.Girods neuste Forderung gilt einer Produktetikette, welche Informationen zum Umwelt- und Sozialverhalten der Her-stellerfirma abbildet. So soll für die Konsumenten klar ersichtlich sein, ob ein Pro-dukt mit Kinderarbeit herge-stellt wurde oder aus umwelt-schädigender Produktion stammt.

Wie eignest du dir das Wissen zu all diesen Themen an?Ich muss viel lesen. Der Nationalrat hat einen guten Dokumentationsdienst, der mich rasch und gut mit Material versorgt. Es kommt aber vor, dass ich zu einem Thema nicht so viel weiss, dann stimme ich so ab wie die Fraktion, weil da die gleiche Werthaltung herrscht.

Wie gehst du damit um, wenn du eine Ansicht hast, vonder du weisst, sie kommt bei der Wähler-schaft oder der Fraktion nicht gut an?Erst führe ich mit der Fraktion eine Diskussion und überlege mir, was meine Wählerinnen und Wähler wohl einwenden würden. Doch wenn ich zu einem anderen Schluss komme stehe ich dazu. Besser mal eine andere Meinung vertreten, als opportunistisch alles einfach abnicken.

Und die Partei?Wir sind ein Haufen von Querdenkern, wir sind uns nicht immer einig. Gerade das gefällt mir an den Grünen. Wenn meine Meinung von der der Partei abweicht, muss ich sie gut begründen, dann ist das kein Problem.

Es gibt im Nationalrat auch junge, hübsche Nationalrä-tinnen. Zum Beispiel Nathalie Rickli von der SVP. Ihr wärt doch ein Traumpaar!Muss ich darauf antworten?

Anders gefragt: Hast du Freunde, die politisch nicht dei-ner Meinung sind?Grundsätzlich habe ich keine Mühe mit Leuten, die eine andere Meinung haben. Sicher ist es aber ent-spannender, wenn die Leute um mich herum auch auf die Umwelt achten.

Und wie reagierst du darauf, wenn ein WG-Kollege immer das Licht brennen lässt oder mit dem Flieger in die Ferien reist?Ich bin da zurückhaltend. Aber oft kommen Freunde zu mir und «beichten» von sich aus wenn sie etwas Unökologisches gemacht haben...

Und du erteilst ihnen die Absolution!Nein! Das muss jeder für sich entscheiden. Ich bin kein Moralapostel.

Sicher hast du auch die eine oder andere Umweltsünde zu verbuchen.

«DerMenschsägtdenAstab,

aufdemersitzt.»

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20 – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – 21

PERSöNLICH

Kulturenverbinden.IsabelGut-vonSchult-

hessunterrichtetanderEBZürichMediation

iminterkulturellenUmfeld.Sieistüberzeugt,

dasszwischenMenschenmehrBrücken

gebautwerdenmüssen.VielWissenschöpft

sieausdereigenenLebenserfahrung.Ihre

dreiKindergebarsieaufdreiKontinenten.

Text: Anouk HolthuizenBilder: Reto Schlatter

Eigentlich wollte Isabel Gut Opernsängerin werden. Zunächst aber studierte sie Romanistik und europä-ische Volksliteratur. Das Analysieren von kulturellen Werten hinter Sprichwörtern, Märchen und Gedich-ten fand sie spannend. Während eines Auslandjahres in Spanien 1971 wurde ihr bewusst: Wer die Kultur des anderen verstehen will, muss erst einmal die eigene begreifen. Diesem Thema wollte sie sich beruflich wid-men – bloss wie? Entsprechende Berufe gab es in der Schweiz noch nicht. Jung in New York. Nach Abschluss des Studiums hei-ratete Gut einen Banker und zog mit ihm 1979 für drei Jahre nach New York. Weil es der jungen Frau nicht möglich war, einem bezahlten Job nachzugehen, wandte sie sich an eine der in den USA zahlreichen Freiwilligenorganisationen. Das Angebot, in einem Hort für autistische Kinder deren Sprachentwick-lungsstand zu testen, irritierte sie. «Ich dachte, ich könne das nicht, ich sei keine Logopädin», erzählt sie. Doch das Vertrauen der Amerikaner gab ihr Mut. «Die Amerikaner glauben von Anfang an einen. Wir Schweizer sind erst mal kritisch, sein Können muss man erst unter Beweis stellen.»

In New York kam ihr erster Sohn zur Welt. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz wollte sie mehr sein als Haus-frau und Mutter. Eine befreundete Amerikanerin, die Benimm-Kurse für Kaderleute des Finanzdienstleis-tungsunternehmens Merryll Lynch durchführte, brachte sie auf die Idee: Sie würde Amerikanerinnen in der Schweiz Deutsch lehren und ihnen den Schwei-zer Alltag näher bringen. Die Frauen, deren Gatten für

die internationale Chemiefirma Dow Chemical arbei-teten, und die alle zwei Jahre in ein anderes Land zie-hen mussten, waren ihr dankbar.

Stillen in Japan. Selbst zog die Familie Gut 1984 – um eine Tochter reicher – nach Japan. Isabel Gut erzählt: «Alles war neu für mich, nicht nur wegen der fremden Kultur. Meine Situation als Mutter zweier Kinder gab andere Lebensbedingungen vor als in New York, wo

wir zuerst ohne Kinder lebten.» Sie machte eine wich-tige Beobachtung: Nicht nur die lokalen Werte prägen unsere Erfahrungen mit einer fremden Kultur, auch die eigenen Lebensumstände haben grossen Einfluss. «Wer wenig Geld hat, erlebt seine Umgebung anders als ein wohlhabender Mensch. Eltern erleben ein Gast-land anders als Kinderlose. Wer gezwungen wird, sein Land zu verlassen, nimmt es anders wahr als ein frei-willig Migrierender.»

In Japan machte Isabel Gut noch weitere Erfahrungen, die ihr später als interkulturelle Kommunikatorin zu-gute kommen würden: Zum Beispiel hat sich dort das Individuum der Gruppe unterzuordnen – eine Grund-haltung, welche bei uns im Westen anders ist. Als Isabel Gut ihr drittes Kind in einem japanischen Kran-kenhaus zur Welt brachte, rief kurz nach vier Uhr morgens eine Lautsprecherdurchsage alle Wöchne-rinnen zum Stillen. Durch ein Fensterchen im Baby-zimmer reichte ihr eine Krankenschwester ihre Tochter. «Wir mussten uns alle in einen Kreis in ein Zimmer setzen und unsere Kinder stillen. Das war mir fremd. Ich war mir von den ersten Geburten traute Zweisamkeit von Mutter und Kind gewohnt.»

Isabel Gut erlebte in Japan aber auch das Gefühl des Aufgehobenseins, beim zen-buddhistischen Bogen-schiessen. «Alle trugen die gleichen Gewänder, wir machten gemeinsam die Rituale und so fühlte ich mich mit der Gruppe verbunden, obwohl ich die ein-zige Ausländerin war.» – Zurück in der Schweiz unter-richtete Gut Japanerinnen und deren Kinder in Deutsch. Die Kulturvermittlung nahm dieses Mal ei-nen grösseren Stellenwert ein. «Mir wurde mit den Jahren immer stärker bewusst, wie wichtig das Verste-hen für das Wohlbefinden ist», sagt Gut. «Wir müssen mehr für das gegenseitige Verständnis unternehmen. Ich betrachte das als eine Lebensnotwendigkeit. Viele Ausländer fühlen sich hier sehr einsam.»

Arbeiten in der Schweiz. Isabel Gut zog ihre Kinder auf und begegnete in der eigenen Stube vielen aus-ländischen kleinen Freunden. Als ihre jüngste Tochter 13 Jahre alt wurde, wollte die Mutter raus in die Ar-beitswelt. Das Schicksal hatte offenbar nur auf diesen Moment gewartet: Eine Freundin war im Telefonbuch zufällig auf das Zürcher Institut für Interkulturelle Kommunikation gestossen, als sie unter «Inst...» etwas anderes suchte. «Das ist doch was für dich», meinte die Freundin.

Und ob. Der Institutsleiter fand in Isabel Gut die idea-le Mitarbeiterin und stellte sie sofort ein. Das war 1996. Noch immer arbeitet sie da, berät Firmen und Institutionen, aber auch Einzelne bei interkulturellen Fragen und erteilt Kurse. Ihre Vision ist es, interkultu-relles Gedankengut bei Jung und Alt und in unter-schiedlichen sozialen Welten zu fördern. Dort sieht sie viel Bedarf. Bisher schien sie immer zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein – sie vertraut darauf, dass das so bleiben wird.

DieBrücken bauerin

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22 – EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 EB Kurs Nr. 17 – Frühling 2008 – 2�

KULTUR

KursleitendeundMitarbeitendederEBZürichgebenTippszuinteressantenBüchern,CDsundVideos.

Robert WalserLiebesgeschichten

LesenVerträumt. Traum und Liebe sind ja seit eh und je miteinander im Gespräch. In Robert Walsers Liebes-geschichten auf eine sehr vielseitige Art, einmal zärtlich und verspielt, einmal roh und provokativ, dann wiederum auch erschütternd. – Walser weiss mit seinem Einfalls-reichtum, seiner vielfarbenen Vor-stellungswelt zu bestricken und mit seiner Anmut zu bezaubern. Er sagt Kleines, scheinbar Unbedeutendes und doch klingt es lange nach. Manch-mal ist er auch närrisch und manie-riert, was ich durchaus mag. Kurz, vielseitig und anregend ist dieser scheue Blick ins Reich der Liebe. Walsers Liebesgeschichten sind eine gute Lektüre für Liebende – oder solche, die es werden wollen.

HörenErstaunlich. Der Frontmann der Rol-ling Stones als Blues-Sänger? Doch, doch, das gibt es, bisher freilich bloss inoffiziell als Raubpressung oder im Netz. Im Juni 1992, während der Aufnahmen zu seinem Soloalbum «Wandering Spirit», spielte Jagger in Los Angeles an einem einzigen Tag mit einer Lokalband ein gutes Dut-zend Blues-Klassiker ein. Jaggers Interpretation ist eine Referenz an Muddy Waters, Elmore James, How-lin’ Wolf, Sonny Boy Williamson und weitere schwarze Musiker, doch die Stimme ist unverkennbar Jagger, full of soul, gelegentlich rockig und in einem Fall ultralangsam, bei «Dream Girl», einem Stück, das wir wohl seinerzeit als «Süüder» bezeichnet hätten.

Mick Jagger/The Red Devils: The Famous Blues Session (Bootleg)

SehenGrässlich. Ja, auch das muss sein: einen grottenschlechten Film anse-hen, um die guten wieder schätzen zu können. Und hier ist er – «Plan 9 from Outer Space» – der anerkannt schlechteste Film aller Zeiten von Regisseur Ed Wood, dem schlechtes-ten Regisseur aller Zeiten. Wenn verchromte Autokappen an Bindfä-den als UFOs vor schlecht bemalten Kulissen wackeln und eine tiefe Stimme uns Erdlingen das nahe Ende verkündet, ja dann sind wir schon mitten drin in einer hanebüchenen Story mit miserablen «Schauspie-lern» in absurden Kostümen, die sinnloses Zeugs brabbeln, während die Schatten der Bühnenarbeiter das Monster von der Bühne zerren. Sehr heilsam!

Ed WoodCollection, A Salute to Incompetence (2 DVDs)

Susanne FernandezKursleiterin Alphabetisierung für fremdsprachige Erwachsene

Felix AeppliKursleiter Politische Bildung und Zeitdokumentation

Nicolo PaganiniKursleiter Informatik und Mitarbeiter Technik

aGENDa

Vormerken!

InformationsveranstaltungenzuKursenundLehrgängen:

SVEB,Eidg.FachausweisAusbilder/inundEidg.DiplomAusbildungsleiter/in

Montag,17.März2008Donnerstag,29.Mai2008Zeit:jeweils19.00–20.30UhrOrt:BiZE

Lehrgang«Kommunikation»Lehrgang«ManagementundLeadership»Lehrgang«Leadershipkompakt»Lehrgang«NPO-Management»Lehrgang«Projektmanagement»Lehrgang«MarketingundÖffentlichkeitsarbeit»Lehrgang«Textpraktiker/in»Lehrgang«MediationiminterkulturellenUmfeld»Lehrgang«Journalismus»

Dienstag,4.März2008Donnerstag,15.Mai2008Zeit:jeweils18.00–19.30UhrOrt:BiZE

Lehrgang«ECDLLehrgang«Informatik-Anwender/inSIZ»Lehrgang«ICTPower-UserSIZ»Lehrgang«Web-PublisherEBZürich»Lehrgang«3D-Visualisierungund3D-Animation»Lehrgang«Video»Lehrgang«WebProgrammerPHP2.0»Lehrgang«Java(SunCertifiedJavaProgrammer)»Lehrgang«MicrosoftMCTSWebApplications»Lehrgang«Linux-SystemadministrationBasis(LPIC-1)»Lehrgang«Linux-SystemadministrationAufbau(LPIC-2)»

Dienstag,4.März2008Donnerstag,3.April2008Zeit:jeweils18.00–19.30UhrOrt:BiZE

WeitereInfos:www.eb-zuerich.ch/agenda

Wirtschaftlichdenkenundhandeln

DereuropäischeWirtschaftsführerschein(EuropeanBusinessCompetenceLicence,EBC*L)bescheinigtunternehmerischesKernwissenindenBereichenBilanzierung,Kennzahlen,KostenrechnungundGesell-schaftsrecht.

Grundkenntnisse in Wirtschaft sind gemäss vielen Umfragen entscheidend, um im Arbeitsleben weiterzukommen. Was aber tun, wenn man sein Manko beheben möchte, aber keine teure Diplom-ausbildung durchlaufen will? Neu startet die EB Zürich im Sommersemester 2008 einen Vorbe-reitungskurs für all jene, die die EBC*L anstreben. Dieser Abschluss wird bereits in zahlreichen euro-päischen Ländern anerkannt. Der Vorbereitungs-kurs führt an acht Abenden à je drei Lektionen zum Ziel – inklusive der freiwilligen Teilnahme an einem zusätzlichen Lernatelier, um den Stoff mit Übungen zu vertiefen. Geeignet ist die EBC*L für interessierte Nicht-Betriebswirtschafter sowie für Fachkräfte, die ihr Wissen auffrischen möchten. In-teressant ist die EBC*L aber auch für angehende Ökonomen und Ökonominnen, die einen aner-kannten Zwischenabschluss erreichen wollen.

In der nächsten ausgabe: kompetenzen: Was sich unternehmen wünschen.

FreeLinuxNotebooks

Linuxistlängstzueinemstabilenundkomfor-tablenBetriebssystemgeworden.Davonkannsichüberzeugen,werbeiderEBZüricheinNotebookmitvorinstalliertemLinuxausleihtundvierzehnTaglanggratisausprobiert.

Mit dieser Aktion – eingebettet in das Jahr der In-formatik 2008 – fördert die EB Zürich, den Ge-brauch von frei verfügbarer Software, auch Open Source Software genannt. Das soll nicht nur eine Sache für Insiderinnen und Insider sein. In Einfüh-rungskursen werden auch weniger bewanderte Computernutzerinnen und -nutzer mit den wich-tigsten Linux-Anwendungen vertraut gemacht. Ausserdem können sie auf ein vielfältiges Unter-stützungsangebot zurückgreifen, das die EB Zürich zur Verfügung stellt. Der Umstieg auf Linux wird so allen leicht gemacht.

WeitereInfos:www.eb-zuerich.ch

Page 13: EB Kurs - Magazin der EB Zürich Frühling 2008

Kantonale Berufsschule für Weiterbildung wwww.eb-zuerich.ch

Weiterbildung – wie ich sie will