Einleitung Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend ernstes Problem. Die...

1
Einleitung Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend ernstes Problem. Die Kinder und Jugendlichen leiden an Kopfschmerzen, Bauchschmerzen sowie Gelenk- und Muskelschmerzen. Außer einer rein medikamentösen Therapie werden speziell für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen wenige Behandlungsmöglichkeiten angeboten. Dabei wäre eine frühzeitige Intervention zur Vermeidung einer fortschreitenden Chronifizierung notwendig. Methodik Die Kinder- und Jugendklinik bietet in Zusammenarbeit mit der Anästhesiologischen Klinik und dem Schmerzzentrum ein multimodales Schmerzprogramm für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen. Wesentliches Ziel des Programms ist das Erlernen von Selbsthilfestrategien zur Schmerzprophylaxe und – bewältigung. Das Programm erstreckt sich über 10 Wochen (9 Gruppensitzungen die jeweils vier Stunden dauern an einem Tag pro Woche sowie 2 Einzelsitzungen mit den Eltern und ein Abschlussgespräch). Wichtige Elemente sind die Edukation, das Erlernen verschiedener Stressbewältigungskonzepte, Problemlösestrategien, Entspannungs-verfahren und Selbstsicherheitsübungen. Nichtmedikamentöse Therapieverfahren sind TENS und Akupressur. Die Körperwahr-nehmung wird mit Feldenkrais-Übungen und Bewegungstherapie gestärkt. Zwei Gruppensitzungen beinhalten eine intensive Schulung und Beratung der Eltern. In diesen Rahmen werden ebenfalls Verhaltensweisen für den elterlichen Umgang bei Schmerzen erarbeitet. Im individuellen Abschlussgespräch erhalten die Familien Informationen über die Schmerzsituation, Therapiemöglichkeiten sowie schmerz- auslösende bzw. aufrechterhaltende Bedingungen ebenso werden die Ziele für die nächsten Monate festgelegt. Eine Wiedervorstellung erfolgt nach sechs Monaten und nach zwölf Monaten. Das Team besteht aus Kinderärzten, Schmerztherapeuten, Psychologen und Physiotherapeuten. Ergebnisse In unserem multimodalen Therapieprogramm werden Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren betreut. Sie werden zu Beginn des Programms, nach 6 und 12 Monaten mit validierten Fragebögen zu ihren Schmerzen sowie der schmerz-bezogenen und emotionalen Beeinträchtigung befragt. Unsere Ergebnisse zeigen anhaltende Verbesserungen für die durchschnittliche Schmerzstärke und die schmerzbezogene und emotionale Beeinträchtigung. Schmerzzentrum Kontakt: Dr. med. Chara Gravou-Apostolatou, [email protected] Universitätsklinikum Erlangen, Kinder- und Jugendklinik, Loschgestr. 15, 91054 Erlangen Multimodale Schmerztherapie für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen Gravou-Apostolatou C 2,3 , Rascher W 2 , Mattenklodt P 3 , Grießinger N 3 , Sittl R 3 1 Anästhesiologische Klinik, 2 Kinder- und Jugendklinik, 3 interdisziplinäres Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Erlangen Frage: Wie häufig treten deine Hauptschmerzen auf? N 50 mehrmals pro Monat 4 einmal pro Woche 5 mehrmals pro Woche 14 einmal täglich 3 mehrmals täglich 7 dauernd 17 Frage: Wie stark waren deine Schmerzen meistens in den letzten 4 Wochen (NRS 0-10): N Gruppenbeginn Gruppenende Signifikanz 50 6,59 6,08 p<.10 42 Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz 6,72 5,06 p<.01 38 Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz 6,45 4,05 p<.05 Mittelwerte P-PDI – Pediatric Pain Disability Index Erfassung der schmerzbedingten Beeinträchtigung in 12 verschiedenen Lebensbereichen: Familienleben, Essen, Freunde treffen, Sport, Schlafen, Fernsehen, Lesen, Hausaufgaben, Schulbesuch, ins Kino gehen, Lieblings-beschäftigung und ungeliebte Beschäftigungen N Gruppenbeginn Gruppenende Signifikanz 50 46,67 41,00 p<.01 Frage: Wie oft stören dich Schmerzen im Alltag? Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz 42 48,34 38,32 p<.01 Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz 38 45,96 34,43 p<.01 N Gruppenbeginn Gruppenende Signifikanz 50 42,80 40,76 p<.10 Fragen an die Eltern: Wie oft stören Schmerzen ihr Kind? Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz 42 44,99 38,21 p<.01 Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz 38 44,68 35,03 p<.05 ISEV - Kinder Fragebogen zur Erfassung elterlichen schmerzbezogenen Verhaltens Gruppenbeginn Gruppenende N Signifikan z zuwendend 3,58 3,39 50 n.s. ablenkend 2,51 2,84 n.s. bagatellisiere nd 1,55 1,56 n.s. Gruppenbeginn 6 Monate Signifikan z zuwendend 3,58 3,33 42 p<.05 ablenkend 2,37 2,63 p<.05 bagatellisiere nd 1,50 1,45 p<.05 Gruppenbeginn 12 Monate Signifikan z zuwendend 3,51 3,15 38 p<.05 ablenkend 2,33 2,42 p<.01 bagatellisiere nd 1,42 1,50 n.s. Zusammenfassung Die Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen ist komplex und sollte aus mehreren Bausteinen bestehen, die über eine reine medikamentöse Schmerztherapie weit hinausgehen und auch nicht-medikamentöse Verfahren berücksichtigen (multimodales Therapiekonzept). Literatur: B.Hübner et al. (2009). Schmerzbezogene Beeinträchtigung bei Jugendlichen mit chronischen Schmerzen. Schmerz, 23:20-32 H. Denecke, B. Kröner-Herwig (2000): Kopfschmerztherapie mit Kindern und Jugendlichen, ein Trainingsprogramm, Hogrefe Verlag

Transcript of Einleitung Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend ernstes Problem. Die...

Page 1: Einleitung Chronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend ernstes Problem. Die Kinder und Jugendlichen leiden an Kopfschmerzen, Bauchschmerzen.

EinleitungChronische Schmerzen bei Kindern und Jugendlichen sind ein zunehmend ernstes Problem. Die Kinder und Jugendlichen leiden an Kopfschmerzen, Bauchschmerzen sowie Gelenk- und Muskelschmerzen. Außer einer rein medikamentösen Therapie werden speziell für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen wenige Behandlungsmöglichkeiten angeboten. Dabei wäre eine frühzeitige Intervention zur Vermeidung einer fortschreitenden Chronifizierung notwendig.

MethodikDie Kinder- und Jugendklinik bietet in Zusammenarbeit mit der Anästhesiologischen Klinik und dem Schmerzzentrum ein multimodales Schmerzprogramm für Kinder und Jugendliche mit chronischen Schmerzen. Wesentliches Ziel des Programms ist das Erlernen von Selbsthilfestrategien zur Schmerzprophylaxe und –bewältigung. Das Programm erstreckt sich über 10 Wochen (9 Gruppensitzungen die jeweils vier Stunden dauern an einem Tag pro Woche sowie 2 Einzelsitzungen mit den Eltern und ein Abschlussgespräch). Wichtige Elemente sind die Edukation, das Erlernen verschiedener Stressbewältigungskonzepte, Problemlösestrategien, Entspannungs-verfahren und Selbstsicherheitsübungen. Nichtmedikamentöse Therapieverfahren sind TENS und Akupressur. Die Körperwahr-nehmung wird mit Feldenkrais-Übungen und Bewegungstherapie gestärkt. Zwei Gruppensitzungen beinhalten eine intensive Schulung und Beratung der Eltern. In diesen Rahmen werden ebenfalls Verhaltensweisen für den elterlichen Umgang bei Schmerzen erarbeitet. Im individuellen Abschlussgespräch erhalten die Familien Informationen über die Schmerzsituation, Therapiemöglichkeiten sowie schmerz-auslösende bzw. aufrechterhaltende Bedingungen ebenso werden die Ziele für die nächsten Monate festgelegt. Eine Wiedervorstellung erfolgt nach sechs Monaten und nach zwölf Monaten. Das Team besteht aus Kinderärzten, Schmerztherapeuten, Psychologen und Physiotherapeuten.

ErgebnisseIn unserem multimodalen Therapieprogramm werden Kinder und Jugendliche zwischen 10 und 17 Jahren betreut. Sie werden zu Beginn des Programms, nach 6 und 12 Monaten mit validierten Fragebögen zu ihren Schmerzen sowie der schmerz-bezogenen und emotionalen Beeinträchtigung befragt. Unsere Ergebnisse zeigen anhaltende Verbesserungen für die durchschnittliche Schmerzstärke und die schmerzbezogene und emotionale Beeinträchtigung.

Schmerzzentrum

Kontakt: Dr. med. Chara Gravou-Apostolatou, [email protected]ätsklinikum Erlangen, Kinder- und Jugendklinik, Loschgestr. 15, 91054 Erlangen

Multimodale Schmerztherapie für Kinder und Jugendliche

mit chronischen SchmerzenGravou-Apostolatou C2,3, Rascher W2, Mattenklodt P3, Grießinger N3, Sittl R3

1Anästhesiologische Klinik, 2Kinder- und Jugendklinik, 3interdisziplinäres Schmerzzentrum, Universitätsklinikum Erlangen

Frage: Wie häufig treten deine Hauptschmerzen auf?

N 50

mehrmals pro Monat 4

einmal pro Woche 5

mehrmals pro Woche 14

einmal täglich 3

mehrmals täglich 7

dauernd 17

Frage: Wie stark waren deine Schmerzen meistens in den letzten 4 Wochen (NRS 0-10):N Gruppenbeginn Gruppenende Signifikanz

50 6,59 6,08 p<.10

42 Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz

6,72 5,06 p<.01

38 Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz

6,45 4,05 p<.05

Mittelwerte

P-PDI – Pediatric Pain Disability IndexErfassung der schmerzbedingten Beeinträchtigung in 12 verschiedenen Lebensbereichen: Familienleben, Essen, Freunde treffen, Sport, Schlafen, Fernsehen, Lesen, Hausaufgaben, Schulbesuch, ins Kino gehen, Lieblings-beschäftigung und ungeliebte Beschäftigungen

N Gruppenbeginn Gruppenende Signifikanz

50 46,67 41,00 p<.01

Frage: Wie oft stören dich Schmerzen im Alltag?

Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz

42 48,34 38,32 p<.01

Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz

38 45,96 34,43 p<.01

N Gruppenbeginn Gruppenende Signifikanz

50 42,80 40,76 p<.10

Fragen an die Eltern: Wie oft stören Schmerzen ihr Kind?

Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz

42 44,99 38,21 p<.01

Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz

38 44,68 35,03 p<.05

ISEV - KinderFragebogen zur Erfassung elterlichen schmerzbezogenen Verhaltens

Gruppenbeginn Gruppenende N Signifikanz

zuwendend 3,58 3,39 50 n.s.

ablenkend 2,51 2,84 n.s.

bagatellisierend 1,55 1,56 n.s.

Gruppenbeginn 6 Monate Signifikanz

zuwendend 3,58 3,33 42 p<.05

ablenkend 2,37 2,63 p<.05

bagatellisierend 1,50 1,45 p<.05

Gruppenbeginn 12 Monate Signifikanz

zuwendend 3,51 3,15 38 p<.05

ablenkend 2,33 2,42 p<.01

bagatellisierend 1,42 1,50 n.s.

ZusammenfassungDie Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit chronischen Schmerzen ist komplex und sollte aus mehreren Bausteinen bestehen, die über eine reine medikamentöse Schmerztherapie weit hinausgehen und auch nicht-medikamentöse Verfahren berücksichtigen (multimodales Therapiekonzept).

Literatur:B.Hübner et al. (2009). Schmerzbezogene Beeinträchtigung bei Jugendlichen mit chronischen Schmerzen. Schmerz, 23:20-32H. Denecke, B. Kröner-Herwig (2000): Kopfschmerztherapie mit Kindern und Jugendlichen, ein Trainingsprogramm, Hogrefe Verlag