EmpaNews Mai 2009

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Bei Russfiltern stimmt die Chemie 06 Der Lebenslauf von Nanopartikeln 10 Gian-Luca Bona übernimmt Leitung der Empa 16 Die Kunden- und Publikumszeitschrift der Empa Jahrgang 7 / Nummer 25 / Mai 2009 Empa News PS-Orchester im neuen Konzerthaus 04

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Magazin für Forschung, Innovation und Technologietransfer - Jahrgang 7, Nummer 25

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Bei Russfiltern stimmtdie Chemie 06

Der Lebenslauf von Nanopartikeln 10

Gian-Luca Bona übernimmtLeitung der Empa 16

Die Kunden- und Publikumszeitschrift der EmpaJahrgang 7 / Nummer 25 / Mai 2009

EmpaNews

PS-Orchester imneuen Konzerthaus 04

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02 // Editorial

Auf dem Weg durch den AuspuffBei Russfiltern stimmtdie Chemie 06

Die Empa auf Kurs

An der Empa steht ein Füh-rungswechsel an; LouisSchlapbach, der die Empa

in den vergangenen acht Jahren zueiner modernen Forschungsinstitu-tion weiterentwickelt hat, gab dieLeitung Ende März ab. Zeit also, sowohl auf das Erreichte in der «Ära Schlapbach» zurückzuschauen(S. 12 ff.), den Blick aber auch nachvorne zu richten (S. 16/17).

So viel ist sicher: Die Empa wirdden in den letzten Jahren erfolgreicheingeschlagenen Kurs weiterführen,sie wird auch in Zukunft ihre Brü-

ckenfunktion zwischen Forschung und praktischerAnwendung wahrnehmen und ihre Industriekon-takte sowie den Wissens- und Technologietransferweiter ausbauen. Sei es im Bereich «Public PrivatePartnerships» oder bei der Spin-off- und Start-up-Unterstützung im neuen Technologiepark glaTec inDübendorf, für den Gelder und Räumlichkeiten be-reit gestellt wurden und dessen erste Mieter – unteranderem die Gewinner des ZKB Pionierpreises2009, Optotune (S. 19) – bereits eingezogen sind,oder gar bei neuen Kooperationsmodellen mit etab-lierten Firmen, etwa durch Industrie-«Antennen»auf dem Empa-Areal.

All diese Aktivitäten dienen letztendlich un-serem vorrangigen Ziel: Forschung in marktfähigeInnovationen umzuwandeln. Das war in der Ver-gangenheit so, das wird auch künftig einer unse-rer Schwerpunkte sein.

Peter HoferDirektor ad interim

Impressum

HerausgeberinEmpaÜberlandstrasse 129CH-8600 Dübendorfwww.empa.ch

Redaktion & GestaltungAbteilung Kommunikation

KontaktTelefon +41 44 823 45 98Telefax +41 44 823 40 [email protected]

Erscheint viermal jährlich

ISSN 1661-173X

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Inhalt // 03

Auf dem Weg zur InnovationEmpa knüpft Kontakte nachSpanien und Schweden 19/20

Auf dem Weg in die NahrungsketteDer Lebenslauf von Nanopartikeln 10

Titelbild

Ein grosser Schritt vorwärtsfür die Motorenforschungan der Empa: Das Motorenlaborwurde komplett umgebaut,jetzt ist auch Platz für einenneuen Prüfstand für starkeLKW-Motoren. Im Bild einForschungsmotor zur Erprobungneuer Brennverfahren.Ziel ist die Entwicklungschadstoffarmer Erdgas-Hybrid-Fahrzeuge. (Foto: Boris Adolf)

Forschung und Entwicklung

04 PS-Orchester im neuen Konzerthaus

Forschung und Entwicklung

06 Preisgekrönt: Partikelfilter ohne Nebenwirkungen

Forschung und Entwicklung

08 Ein Nanoteppich als Gassensor

Forschung und Entwicklung

10 Klein, aber nicht spurlos

Fokus: Stabwechsel an der Empa

12 Die Faszination Wissen

15 Frisch strukturiert und neu positioniert

16 «Die Empa soll weiterhin Brücken bauen»

Wissens- und Technologietransfer

18 Der Impfstoff aus dem Bioreaktor

Wissens- und Technologietransfer

19 Pionierpreis für neuartige Linsen

Wissens- und Technologietransfer

19 Spanische Ministerin hat Schweizer Innovationen im Blick

Wissenschaft im Dialog

20 «Science Speed Dating»: Schweden loten Partnerschaften aus

Wissenschaft im Dialog

22 Wo Funken Sprühen: Neue Ideen fürs Schweissen und Löten

24 Veranstaltungen

Auf dem Weg nach Dübendorf Gian-Luca Bona übernimmtLeitung der Empa 16

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04 // Forschung und Entwicklung

Garagentore, Hebebühnen, offene Motorhauben und halb zerlegte Autos, aufheu-lende Motoren und Männer im Blaumann. Eine Autowerkstatt? Wohl kaum. Beimgenaueren Hinschauen sind komplizierte Messaufbauten und Überwachungsmo-

nitore zu erkennen, Schaltschränke, Glaskolben und Reagenzgläser verraten, dass es sicheher um eine Zukunftswerkstatt handelt, um ein Labor für die Mobilität der nächstenJahrzehnte.

Ein neuartiger Erdgas-Hybrid-Motor treibt den froschgrünen Mittelklassewagen an,der halb zerlegt auf der Hebebühne hängt. Und an der Kehrmaschine nebenan arbeitetnicht ein Mechaniker, sondern ein Elektroingenieur: Eine wasserstoffbetriebene Brenn-stoffzelle ersetzt das Dieselaggregat.

Kehren mit WasserstoffkraftDie Kehrmaschine wird schon bald durch Basel und dann durch weitere Schweizer Städtewuseln und dabei in doppeltem Sinn saubere Strassen hinterlassen: Statt Dieselabgasenquillt nur Wasserdampf aus dem Auspuff. Es ist ein wichtiger Schritt aus dem Labor hi-naus auf die Strasse; denn anderthalb Jahre lang wollen die Fachleute der Empa und desPaul Scherrer Instituts beobachten, wie sich die Brennstoffzelle im Alltagsbetrieb verhält,und wie die Komponenten des Fahrzeugs altern.

Der Erdgas-Hybrid-Antrieb und die Wasserstoff-Kehrmaschine gehören zu den wich-tigsten aktuellen Projekten der Empa-Abteilung «Verbrennungsmotoren». Seit dem 23. Februar können sich die Motorenspezialisten über mehr Platz und völlig neue Ar-beitsgegebenheiten freuen: An diesem Tag wurde das umgebaute und erweiterte Moto-renlabor eröffnet.

Weniger Spritverbrauch, weniger SchadstoffeZusammen mit anderen Schweizer Hochschulen und mit Autoherstellern und -zuliefe-rern wird hier an der Zukunft des Automobilantriebs geforscht: Energieeffiziente Moto-ren, neue Katalysatoren- und Partikelfiltersysteme, die die Abgasreinigung verbessern,sowie neue CO2-arme Treibstoffe stehen auf der Agenda der Motorenspezialisten.

PS-Orchester im neuenKonzerthausSeit Ende Februar können die Motoren-Fachleute der Empa im neuen Motorenlaboram Antrieb der Zukunft forschen. Ziel ist, Autos sparsamer und sauberer zu machenund gleichzeitig völlig neue Motoren zu erproben. Kern des grundlegend umgebauten underweiterten Labors ist ein neuer, besonders leistungsfähiger Prüfstand für LKW-Motoren.

TEXT: Ivo Marusczyk / FOTOS: Rémy Nideröst

1In der umgebauten Motorenhallefindet ein neuer Prüfstand fürdie stärksten LKW-Motoren Platz.

2Ein V8-Dieselmotor mit 4000Newtonmeter Bremskraftauf dem neuen Prüfstand.

3Keine Zukunftsmusik mehr:Gas-Hybrid-Motorenstellen ihre Alltagstauglichkeitunter Beweis.

4Neue Motoren als Ergebnislangjähriger Forschung: EinVW mit Erdgas-Hybrid-Motor.

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Forschung und Entwicklung // 05

Auch wenn die mit Erdgas oder Biogas betriebenen Fahrzeuge den herkömmlichenDiesel- und Benzinmotoren oft die Show stehlen, gibt es doch an den herkömmlichenAntrieben noch viel zu erforschen und zu verbessern: Ein nagelneuer Prüfstand für leis-tungsstarke LKW-Motoren ist das Herz des neuen Labors und in seiner Art einzigartig inder Schweiz. Erst der grundlegende Umbau der Motorenhalle schaffte den Platz für denneuen Prüfstand «P4».

Ein Motor für 40 Kleinwagen«In meinen Ohren ist das Musik», schwärmt Abteilungsleiter Christian Bach, währendder Motor auf dem «P4» aufheult. Das sonore, tiefe Brummen schwillt zu einem ohren-betäubenden «Wrrrumm» an, als wäre ein ganzer Formel-Eins-Rennstall auf die Renn-strecke gestartet. Nur dass dieser Motor viel satter klingt, mit deutlich mehr Bass. DerLaie vernimmt nur ein beeindruckendes Wummern, Bach dagegen hört ein ganzes Or-chester heraus: «Ein 4000 Newtonmeter-V8-Dieselmotor, wie Daimler ihn in grosse Lastwa-gen einbaut.» 4000 Newtonmeter, das entspricht der Kraft von 30 – 40 Kleinwagen-Motoren.Nebenbei gesagt: Der Turbo-Kraftprotz ist auch fast so gross wie ein Kleinwagen.

Noch Mitte der 1990er-Jahre lag das Drehmoment der stärksten handelsüblichen LKW-Motoren bei rund 2500 Newtonmeter. Seitdem haben diese dank weiterentwickelter Turbo-Aufladung und neuen Brennverfahren noch einmal einen gewaltigen Leistungssprung voll-zogen. Was wiederum die Motorenforscher vor Probleme stellte. Denn der alte Prüfstandkann die kraftstrotzenden Antriebe der neuesten Generation nicht herunterbremsen. Nurmit hoher Bremskraft lässt sich hohe Belastung des Motors simulieren.

Strom aus dem PrüfstandWelche Kraft hinter dem «Wrrrumm» steckt, lässt sich eine Etage über dem neuen Prüf-stand erahnen. In einem Gewirr aus mannshohen Luftschächten und Ventilatoren wirddie Kühl- und Verbrennungsluft aufbereitet. Dasselbe passiert im Keller mit dem Kühl-wasser. 60 Prozent der Energie des im Motor verbrannten Treibstoffes werden als Ab-wärme frei. Diese verfliegt nicht ungenutzt, sondern sie wird verwendet, um das Empa-Gelände zu beheizen. Und die beim Bremsen des Motors freiwerdende Energie wird insStromnetz der Empa eingespeist.

Die Empa-Abteilung «Verbrennungsmotoren» wird gemeinsam mit anderen For-schungsgruppen des ETH-Bereichs und der Industrie wichtige Untersuchungen für dieMobilität der Zukunft angehen. Neue Brennverfahren sollen den Spritverbrauch verrin-gern, neue Systeme zur Abgasbehandlung die Luft sauber halten. Und nicht zuletzt stel-len Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen die Motorenbauer vor neue Herausforderungen.Jeder neue Treibstoff fordert Anpassungen im Motorenmanagement, um das Optimumaus den Maschinen herauszukitzeln.

Neuer Kat sorgt für sauberere AbgaseAuch in der Abgastechnik steckt noch Potenzial. Derzeit erforschen die Experten einen «turbu-lent durchströmten schaumkeramikbasierten Katalysatorträger». Hinter diesem Wortwurmsteckt ein neues Katalysatorkonzept. Die Abgase strömen nicht mehr laminar durch paralleleKanäle. Der neue Kat hat vielmehr die Struktur eines Schwamms, was die Abgase auf ihremWeg durch die Gänge und Höhlen kräftig verwirbelt. Das Ergebnis: Der Katalysator wird gleich-mässiger durchströmt, die Umwandlung der Abgase wird verbessert, die Autos werden saube-rer. Und: Die Hersteller brauchen weniger der kostbaren Edelmetallbeschichtungen.

«Die Verringerung des CO2-Ausstosses ist im Moment das wichtigste Ziel bei derFahrzeugentwicklung», sagt Bach. Dass dabei in verschiedene Richtungen geforschtwird, ist für ihn kein Widerspruch. Die bestehenden Verbrennungsmotoren werdenvermutlich nicht auf einen Schlag durch eine einzige neuartige Technologie ab-gelöst werden. «Der Kraftstoffmarkt dürfte sich diversifizieren», so Bach.Trotzdem – einen Favoriten hat der vor kurzem von der «Automobil Revue»zum «Motorenpapst» apostrophierte Empa-Forscher: «Erdgas- und Biogas-antriebe haben wegen ihrer niedrigen Umweltbelastung und wegen der ra-schen Umsetzungsmöglichkeiten klar die Nase vorn.»

Deshalb ist Bach auch so stolz auf den grünen Erdgas/Biogas-Polo, daserste Projekt, dass die Empa und die ETH Zürich gemeinsam mit Volkswagenund Bosch realisiert haben. Das aktuelle Nachfolgeprojekt «CLEVER» soll dasPotenzial neuer Brennverfahren und der Hybridisierung von Erdgas/Biogasmo-toren erforschen. Das Ziel ist ehrgeizig gesteckt: Im Vergleich zu heutigen Ben-zinmotoren soll der CO2-Ausstoss um 30 Prozent sinken. //

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06 // Forschung und Entwicklung

Tief unter dem Gotthard-Massiv wüh-len sich riesige Maschinen durch denBerg: Die NEAT-Baustelle ist eine ge-

waltige technologische Herausforderung,nicht nur für Geologen und Tunnelbauer.Das Jahrhundertbauwerk wirft unter ande-rem auch das Problem auf, hunderte Arbei-ter in den 57 Kilometer langen Röhren vorden giftigen Abgasen der Baumaschinen zuschützen. Reichen die verfügbaren Filteraus? Bauen sie toxische Verbindungen hin-reichend ab? Oder könnten durch chemischeVorgänge an den katalytischen Oberflächengar neue Schadstoffe entstehen? Offene Fra-gen. Und so lieferte das Ja der Schweiz zurNEAT auch den Anlass für die Arbeit einesinterdisziplinären Forschungsteams derEmpa: Norbert Heeb, Andrea Ulrich, LukasEmmenegger und ihr Team untersuchten,welche chemischen Prozesse in russgefüll-ten Partikelfiltern ablaufen.

Was ausser Russ noch aus demAuspuff kommt Moderne Filter fangen mehr als 99 Prozentder nanometerkleinen Russpartikel aus demAbgas von Personen- und Lastwagen, Loko-motiven, Traktoren, Schiffen und Bauma-schinen ab und reduzieren so die Feinstaub-belastung. Doch auch gasförmige Verbin-dungen reagieren mit der Katalysatorober-fläche des Filters. Ein heikles Problem.Schliesslich stecken im Abgas auch aromati-sche Kohlenwasserstoffe. Einige dieser Ver-bindungen gelten als Erbgut schädigendoder Krebs erregend.

Um Nutzen und eventuelle Risiken ver-schiedener Filtertechnologien umfassend zuanalysieren, haben sich an der Empa Chemi-ker, Biologen, Ingenieure und Umweltwissen-schaftler zusammengetan. Sie konnten nach-weisen, dass je nach Katalysatormaterial eineNeubildung toxischer Sekundärschadstoffe

Preisgekrönt: Partikelfilterohne NebenwirkungenEmpa-Forscher haben entscheidend dazu beigetragen, Russpartikelfilter fürDieselfahrzeuge weiterzuentwickeln. Ein interdisziplinäres Team hat diebislang unbekannten chemischen Prozesse untersucht, die bei der Russzersetzungin katalytischen Partikelfiltern ablaufen. Unter gewissen Bedingungen könnendort Krebs erregende oder Erbgut schädigende Substanzen entstehen. Gute Filterbauen diese Schadstoffe jedoch ab. Die Arbeit des Empa-Teams wurde MitteFebruar mit dem Sandmeyer-Preis, dem wichtigsten Schweizer Forschungspreisfür angewandte Chemie, ausgezeichnet.

TEXT: Ivo Marusczyk / FOTOS: Empa

grundsätzlich möglich ist. So entstehen in ge-wissen Filtersystemen in der Tat Nitroaroma-ten oder polychlorierte Dibenzodioxine und -furane (PCDD/F), wobei das katalytisch akti-ve Metall eine wesentliche Rolle spielt.

Gute Filter bauen Schadstoffe abSoweit die schlechte Nachricht. Die gutelautet jedoch: Viele Filtersysteme könnenso betrieben werden, dass diese Risikenminimiert sind. Mehr noch: KatalytischeFiltersysteme können Erbgut schädigendeStoffe sogar abbauen. So entfernen sienicht nur die Russpartikel, sondern entgif-ten die Abgase noch zusätzlich.

«Zu Beginn der Diskussion um Partikel-filter waren wir nicht sicher, ob wir dieseTechnologie wirklich fordern – und fördern– sollen», sagt Norbert Heeb, Empa-Fach-mann für organische Analytik. «Schliesslichkönnen bei der Russzersetzung auch extrem

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bedenkliche Verbindungen bis hin zu Dioxi-nen entstehen.» Inzwischen hätten die For-scher allerdings zahlreiche gut funktionie-rende Filtersysteme begutachten können, sodass sie «voll und ganz hinter dieser neuenUmwelttechnik stehen.»

Da die Untersuchungen in Zusammen-arbeit mit Filter- und Katalysatorenherstel-lern erfolgen, fliessen die Forschungsergeb-nisse der Empa direkt in die technologischeWeiterentwicklung ein und führen so zu ef-fizienteren Partikelfiltern ganz «ohne Ne-benwirkungen».

Empa-Ergebnisse prägen Normen Sowohl im Inland als auch internationalstiess die Arbeit der Empa-Forschungsgrup-pe auf grosse Beachtung. Wesentliche Teiledes international akzeptierten «VERT-Eig-nungstests» für Partikelfiltersysteme (Ver-minderung der Emissionen von Real-Diesel-

motoren im Tunnelbau) basieren auf For-schungsarbeiten der Gruppe, ebenso einedazu erschienene Norm (SNR 277205), diedie Grundlage für die Änderung der Schwei-zerischen Luftreinhalteverordnung bildet.«Insofern ist unsere Forschung sehr praxis-bezogen,» sagt Heeb.

Dieser Ansicht ist auch die Schweizeri-sche Chemische Gesellschaft. Sie zeichnetedas Empa-Team Mitte Februar in Neuchâtelmit dem angesehenen Sandmeyer-Preis fürangewandte Chemie aus. «Die preisgekrönteArbeit vereinigt in vorbildlicher WeiseGrundlagenforschung mit praktischem Nut-zen», begründete Georg Fráter, der Präsidentder Schweizerischen Chemischen Gesell-schaft, die Entscheidung. «Die interdiszipli-näre Qualität der Arbeit ist bemerkenswert.Und sie ist ein Beispiel für die gelungenePartnerschaft zwischen einem Forschungs-institut und der privaten Wirtschaft.» //

«Die Ergebnisse überzeugen.Wir stehen voll undganz hinter der Filtertechnik.»

1Die Preisträger des Sand-meyer-Preises: NorbertHeeb, Andrea Ulrich undLukas Emmenegger mitGeorg Fráter, dem Präsiden-ten der SchweizerischenChemischen Gesellschaft(2.v.r.).

2Moderne Filtersystemereduzieren schädliche Ver-bindungen äusserst effizient.

3Die meisten Baumaschinenblasen ihren Russ heutenoch ungefiltert in die Luft.

4Saubere Baustelle: Beim Baudes Uetlibergtunnels kamenbereits Baumaschinenmit modernen Partikelfilternzum Einsatz.

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08 // Forschung und Entwickung

Ein Nanoteppichals Gassensor Am Anfang stand ein internes Empa-Projekt zur Herstellung farbiger,transparenter Dünnschichten. Daraus bildete sich ein EU-Projektzur Entwicklung neuartiger Gassensoren. Und gelandet ist PierangeloGröning mit seinem Team schliesslich bei Nanodrähten mit idealenVoraussetzungen für den Einsatz in der zukünftigen Nanoelektronik.

TEXT: Martina Peter / FOTOS: Empa

1Nanodrähte bilden einen«Teppichflor». Je dichter er ist,desto deutlicher ändert dieDünnschicht ihre Farbe, wennsich Gasmoleküle anlagern.

2Unter strikter Kontrollevon Substrattemperatur,Molekülfluss undSubstratvorbehandlungwachsen die Nanodrähtezum «Teppich» heran.

3Drei unterschiedlich herge-stellte Perylen-Dünnschichtenbesitzen je eine andereFluoreszenz. Zum Leuchtengebracht werden sie mitUV-Licht (365 Nanometer).

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Uns schwebte zunächst eine Art elektronischer Schlüsselfür Sicherheitsanwendungen vor, der nur auf bestimmteoptische Bedingungen reagiert», erzählt Empa-Physiker

Pierangelo Gröning. Gefragt waren deshalb transparente, starkfluoreszierende Dünnschichten, die aufgrund ihrer photonischenStrukturen unter ganz bestimmten Lichtbedingungen zu leuchtenbeginnen, denn nur Licht mit einer ganz bestimmten Wellenlängekann sich in diesen Strukturen fortbewegen. Daher machten sichdie Empa-Forscher an die Entwicklung eines Plasmaverfahrens,um Farbstoffmoleküle unversehrt und in hohen Konzentrationenin Dünnschichten einzulagern.

Schnell zeigte sich: Bei geeigneter Wahl der Plasmaparameterweisen die Dünnschichten nicht nur «perfekte» optische Eigen-schaften auf, sind farbig und fluoreszieren, sie besitzen auch diechemische Sensitivität der eingelagerten Moleküle. Lagern sichnämlich bestimmte Gasmoleküle an ein Farbstoffmolekül an, än-dern diese seine Fluoreszenz, die Dünnschicht zeigt einen Farb-umschlag. Mit Hilfe verschiedener Farbstoffe lassen sich so unter-schiedliche Gasmoleküle «erkennen». Eine Eigenschaft, die dieDünnschichten für den Einsatz als Gassensor prädestiniert.

Gassensoren überwachen und warnenHier begann nun das zweite Kapitel. Der spanische Physiker AngelBarranco kehrte nach seinem dreijährigen Forschungsaufenthaltan der Empa zurück nach Valencia und rief dort das EU-Projekt«PHODYE» ins Leben. Das Ziel der Empa und ihrer Projektpartner:Mit Hilfe der neu entwickelten Fluoreszenzschichten preiswerteoptische Gassensoren zu entwickeln.

Dank der relativ einfachen Produktionsweise und dem billi-gen Ausgangsstoff – den Farbstoffmolekülen – eignen sich dieGasdetektoren der Zukunft für den Masseneinsatz, beispielsweisefür das Überwachen von Strassenverkehrsemissionen. In Valenciawerden derzeit im Rahmen eines Pilotprojekts Ampeln an viel be-fahrenen Strassen damit ausgestattet. Überschreiten Schadstoffeeine bestimmte Grenze, so löst der Sensor ein Warnsignal aus,welches an eine Zentrale weitergeleitet wird.

Neue Dünnschichten aus NanodrähtenDie neue Generation von Gassensoren soll künftig aber auch La-bor- und Spitalpersonal sowie Bergwerkarbeitern mehr Schutzbieten: Ändert der Chip, den sie an der Kleidung tragen, seine Far-be, droht Gefahr.

Für viele dieser Anwendungen ist ein möglichst schnelles An-sprechverhalten des Sensors wichtig – eine Eigenschaft, die sichmit den kompakten Plasmafarbschichten allerdings nur schwer er-füllen lässt. «Wir suchten deshalb nach einer Lösung, die kompak-te Plasmaschicht durch eine möglichst offenporige Schicht zu er-setzen. Dadurch erhöht sich die Adsorptionsfläche, und die Diffu-sionswege für die Gasmoleküle verkürzen sich, wodurch der Sen-sor deutlich schneller reagiert», so Gröning. Das Plasmaverfahrenzum Abscheiden kompakter Dünnschichten wandelten die Empa-ForscherInnen daher «kurzerhand» um in ein neues Verfahren zurSynthese kristalliner organischer Nanodrähte.

Diese aus den Farbmolekülen Phthalocyanin oder Porphyrinhergestellten Nanodrähte sind unfassbar dünne «Fäden» mit ledig-lich 10 bis 50 Nanometer Durchmesser und einer Länge von biszu 100 Mikrometer, die durch Aufdampfen der Ausgangsmateria-lien auf eine Unterlage entstehen. Das Spezielle und Unerwartetean dem neuen Verfahren: Bei genauester Kontrolle von Substrat-temperatur, Molekülfluss und Substratvorbehandlung «wachsen»die Nanodrähte durch Kristallisation; sie zeigen also über ihre ge-samte Länge einen perfekten monokristallinen Aufbau. Bildensich die Drähte dicht an dicht, entsteht eine Art «Teppich». Gröningund seinem Team war es so erstmals gelungen, organische Nano-drähte in einer noch nicht gekannten kristallinen Qualität herzu-stellen.

Eine analytische HerausforderungAllerdings mussten die ForscherInnen unbeirrt daran arbeiten,den kristallinen Aufbau eines Nanodrahts mit Hilfe eines Elektro-nenmikroskops überhaupt nachzuweisen. Denn ohne die nötigeVorsicht zerstört der Strahl des Elektronenmikroskops die Kristall-struktur der Nanodrähte. «Unter dem Einfluss des Elektronen-strahls führen die Nanodrähte – die äusserst flexibel sind – einenregelrechten Tanz auf, bewegen sich hin und her und winden sichum ihre eigene Achse», erklärt Grönings Mitarbeiterin Ana Borrás.Mit viel Fingerspitzengefühl, Beharrlichkeit und technischemKnow-how gelang es Borrás und ihrer Kollegin Miriam Aguirra,erstmals die Kristallstruktur der Nanodrähte mit einem Transmis-sions-Elektronenmikroskop sichtbar zu machen.

Nanodrähte als elektronische und optoelektronische BauteileNach den ersten Aufnahmen der organischen Nanodrähte wurdeGrönings Team rasch klar, dass sich mit dem von ihnen entwi-ckelten Verfahren nicht nur Nanodrähte für Sensoranwendungenherstellen lassen, sondern auch Nanodraht-Strukturen für elektro-nische und optoelektronische Anwendungen.

Und hier beginnt das vorerst letzte Kapitel. Borrás und Gröningist es inzwischen gelungen, ungeheuer komplexe Nanodrähte zusynthetisieren, etwa Nanodrähte, die abschnittweise aus unter-schiedlichen Ausgangsmolekülen bestehen. Verwendet man dabeiMoleküle, die entweder nur positive oder nur negative Ladungentransportieren können, entsteht eine Diode, die den Strom nur ineine Richtung «durchlässt».

Selbst koaxialartige Nanodrähte konnten die Empa-Forscher-Innen synthetisieren. Diese besitzen eine Hülle aus Kupfer-Phtha-locyanin-Molekülen und einen Kern aus Platin-Octaethyl-Porphyrin-Platin. Die «core@shell-Nanowires» genannten Nanodrähte äh-neln winzigen Kabeln: Je nach Materialwahl kann ihre äussereSchicht isolierend wirken, der innere Teil elektrisch leitend sein.Gut möglich, dass daraus Bauteile für die Nanoelektronik vonmorgen entstehen. //

«PHODYE»

Ana Borrás und Pierangelo Gröning entwickeln imRahmen des EU-Projekts «PHODYE» neue Herstel-lungsprozesse für Dünnschichten, die beim Kontaktmit bestimmten Gasmolekülen Farbe und Fluoreszenzändern. Am Projekt beteiligt sind neben der Empa dasInstituto de Ciencia de Materiales de Sevilla, die Uni-versität Valencia, die Königlich Technische Hochschu-le Stockholm, das Centre Suisse d'Electronique et deMicrotechnique (CSEM) in Neuenburg und verschie-dene Industriepartner.

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Zurzeit ist es noch viel zu früh, um definitiv zu beurteilen,ob Nanopartikel ein ernst zu nehmendes Umweltproblemdarstellen oder nicht», sagt Bernd Nowack von der Empa-

Abteilung «Technologie und Gesellschaft». Das Forschungsgebietder Nano-Ökotoxikologie – also die Erforschung von Verhaltenund Auswirkungen synthetischer Nanopartikel auf die Umwelt –sei derart jung, dass noch vieles unklar sei: Wie und in welchenMengen werden Nanopartikel aus Produkten in die Umwelt frei-gesetzt? Wie hoch ist die zu erwartende Belastung, etwa von Flüs-sen oder Böden und den darin lebenden Organismen? WelcheAnalysenmethoden eignen sich überhaupt zur Untersuchung vonUmweltproben auf Nanopartikel, deren Mengen in vielen Fällen«homöopathisch» sein dürften? Oder wie Nowack es formuliert:«Wie finden wir die Nano-Stecknadel im Umwelt-Heuhaufen?».

Stoffflüsse für Nanopartikel am Computer modellierenDer Empa-Forscher und sein Team liefern nun erste Hinweise, woüberhaupt nach synthetischen Nanopartikeln zu suchen ist. An-haltspunkte dazu geben Computersimulationen von Stoffflüssenfür verschiedene Nanopartikel, etwa für Nano-Silber, Nano-Titan-dioxid (TiO2) und Kohlenstoffnanoröhrchen (engl. carbon nano-tubes, CNT). Nano-Silber wird aufgrund seiner antimikrobiellenEigenschaften etwa in der Textilindustrie eingesetzt; Nano-TiO2findet vor allem in Sonnencrèmes, aber auch in Malerfarbe An-wendung; CNT schliesslich werden vor allem von der Elektronik-und Polymerindustrie genutzt.

Als erstes füttern die Umweltwissenschaftler ihre Computer-modelle mit unzähligen Daten wie weltweite Produktionsmengenverschiedener Partikel und deren Verwendung in zahlreichen Pro-dukten, aber auch – ganz wichtig – Informationen über den zu er-

10 // Forschung und Entwicklung

Klein, aber nicht spurlos

wartenden Lebenszyklus eines Nanoprodukts – also Gebrauch,Lebensdauer sowie Art der Weiterverwertung oder Entsorgung.Wesentlicher Bestandteil ist zudem eine auf experimentellen Da-ten basierende Abschätzung darüber, wie viele Partikel in die Um-welt freigesetzt werden, etwa beim Verbrennen der entsorgtenProdukte in einer Kehrichtverbrennungsanlage oder beim Klärender Abwässer in einer Abwasserreinigungsanlage, und wie sichdie Partikel in der Umwelt – beispielsweise in Fliessgewässern –verhalten. Aus diesen Daten berechnet das Modell dann die Kon-zentrationen der Nanopartikel in verschiedenen Ökosystemen – inder Luft, in Flüssen und Seen sowie im Boden. Diese Umweltbe-lastung vergleichen die Empa-WissenschaftlerInnen schliesslichmit denjenigen Partikelkonzentrationen, die in toxikologischenStudien gerade noch keine nachteiligen Auswirkungen auf Mo-dellorganismen wie Wasserflöhe, Algen oder Fische verursachthaben. Dieser Vergleich liefert den so genannten Risikoquotientenfür die untersuchten Partikel in den jeweiligen Ökosystemen.

«Reality Check»: Auswaschung aus HausfassadenDabei zeigte sich: Die vom Computer ermittelten Risiken unterschei-den sich je nach Nanopartikel zum Teil deutlich. So stellen etwaCNT derzeit kein relevantes Umweltrisiko dar. Produkte mit CNTwerden entweder rezykliert oder enden in einer Kehrichtverbren-nungsanlage. Dort verbrennen die Nanoröhrchen zum grossen Teiloder werden aus den Abgasen gefiltert. Dagegen könnten TiO2-Na-nopartikel in kleinen, stark mit Abwasser aus Kläranlagen belastetenFliessgewässern durchaus in grösseren Mengen auftreten.

Experimentell bestätigt wurden die TiO2-Simulationen in ei-nem Gemeinschaftsprojekt der Empa und der Eawag, dem Was-serforschungsinstitut des ETH-Bereichs, zur Untersuchung des

Nanopartikel können sich aufgrund ihrer «Grösse» relativ rasch in der Umweltverbreiten. Um den Analytik-Fachleuten Anhaltspunkte zu liefern, in welchenUmweltproben es sich «lohnen» dürfte, nach synthetischen Nanopartikelnzu suchen, haben Empa-UmweltwissenschaftlerInnen erstmals systematisch die«Lebensläufe» von Nanopartikeln nachgezeichnet. Am Computer simulierensie Stoffflüsse und zeigen, wann, wo und wie die in Nanoprodukten enthaltenenPartikel in die Umwelt gelangen könnten.

TEXT: Martina Peter / FOTOS: Urs Bünter, iStock

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Forschung und Entwicklung // 11

Auswaschverhaltens vonNanopartikeln aus Gebäu-dematerialien: Den Forschernum Teamleiter Ralf Kägi vonder Eawag war es gelungen, erst-mals synthetische TiO2-Nanopartikelin einer Wasserprobe aus einem SchweizerFluss nachzuweisen. Die TiO2-Partikel werden vermutlich aus denHausfassaden ausgewaschen – im Fassadenablauf sind sie in re-lativ hohen Mengen zu finden – und gelangen über die Kanalisa-tion in die Oberflächengewässer, wo sie stark verdünnt werden.Und daher recht schwierig nachzuweisen sind. Dass es sich beiden TiO2-Partikeln um künstlich hergestelltes Material handelte(TiO2 kommt auch natürlicherweise in Böden vor), belegten ihreGrösse und ihre gleichmässig sphärische Morphologie, die mit Hil-fe eines Transmissionselektronenmikroskops im neuen Partikella-bor von Empa und Eawag untersucht wurden.

Weitere Kandidaten warten auf ModellierungMit Stofffluss-Modellen, die nicht mehr auf Schätzungen basieren,sondern die Unsicherheiten mathematisch korrekt mit Wahr-scheinlichkeitsrechnungen einbinden, wollen Bernd Nowack undseine KollegInnen in Zukunft Stoffflüsse für weitere Nanopartikelmodellieren. Einer der ersten Kandidaten ist Zinkoxid, das wieTiO2 ebenfalls in Sonnencrèmes und wegen seiner antiseptischenWirkung auch in medizinischen Präparaten zur Haut- und Wund-behandlung enthalten ist. Ebenso Fullerene, fussballähnliche Mo-leküle aus Kohlenstoff, die in Zukunft als Halb- und Supraleiter inder Elektronik Verwendung finden könnten, derzeit aber nochnicht in Produkten auf dem Markt sind. //

Fullerene:Nur Nebenprodukte sind toxisch

Je weiter Nano-Anwendungen in den Alltag vordringen, destomehr stellt sich die Frage nach möglichen Gefahren. Die Ant-wort fällt – derzeit noch – zwiespältig aus. So gibt es Studien,die Nanopartikeln toxische Wirkungen zuschreiben, andere Un-tersuchungen geben Entwarnung. Forscher der Empa um Peter Wick sind der Quelle dieses Wider-spruchs ein Stück näher gekommen. Sie konnten nachweisen,dass nicht bestimmte Nanoteilchen toxisch wirken, sondern dieihnen anhaftenden Nebenprodukte. Konkret geht es um Fulle-rene, wegen ihrer Form auch Carbon-Nanosphären oder «Buckyballs» genannt. Einige wissenschaftliche Publikationenloben sie als Radikalfänger, die vor Alterungsprozessen schüt-zen, andere halten sie für schädlich. Die Empa-Forscher konnten diesen Widerspruch aufklären. Sieunterzogen Fulleren-Suspensionen einer aufwändigen Reini-gungsprozedur, bevor sie Wasserflöhe (Daphnia magna ) undmenschliche Lungen-Epithelzellen mit ihnen konfrontierten.Die Nanopartikel selbst richteten dabei keinen Schaden an. Das«Waschwasser», in dem sich wasserlösliche Nebenproduktedes Suspensionsprozesses angesammelt hatten, wirkte hinge-gen toxisch. Daher müssten bei der toxikologischen Untersu-chung von Nanoteilchen die verwendeten Materialien sorgfäl-tiger charakterisiert und Verunreinigungen ausgeschlossenwerden, so Wick. Genau das dürfte bei vielen der bislang vor-liegenden Studien vernachlässigt worden sein.

Lebenszyklus-Beispiel: Sonnencrèmemit Nano-Titandioxid.

Fullerene werden wegen ihrer Fussballformauch «Buckyballs» genannt. Eine Visionfür ihren Einsatz: Als Behälter transportierensie dereinst Medikamente (hier rot) anderen Bestimmungsort.

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DieFaszinationWissenNach acht Jahren als Direktor der Empahat Louis Schlapbach Ende März dieLeitung der Materialforschungsinstitutionan seinen Nachfolger übergeben. AchtJahre, in denen die Empa gewaltigeVeränderungen erfahren und ihr Imagegründlich gewandelt hat. Zeit für einenganz persönlichen Rückblick.

INTERVIEW: Michael Hagmann / FOTOS: Ruedi Keller

1880 Wie alles begann: Die «Anstalt für die Prüfungvon Baumaterialien» nimmt in Zürich die Arbeit auf.Die Vision ihres ersten Direktors, Ludwig von Tetmajer:«... wissenschaftliche Untersuchungen von Eigenschaftenmannigfacher Materialien und Rohstoffe».

1891 Die Anstalt macht international Schlagzeilen:Sie klärt in kurzer Zeit die Ursache für den Einsturz der vonGustav Eiffel erbauten Eisenbahnbrücke bei Münchenstein.

1895 Erstmalige Verwendung der Bezeichnung«Eidg. Materialprüfungs-Anstalt». Das Kürzel «Empa»wird schweizweit zum Begriff; die Anstalt entwickeltsich zur universellen Prüfinstitution auf dem Gebietdes Bauwesens und Maschinenbaus.

Neues Velo, neue Aufgaben:Zum Abschied schenkten die Empa-MitarbeitendenLouis Schlapbach ein neues Fahrrad.

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Fokus: Stabwechsel an der Empa // 13

Acht Jahre Empa-Direktor – Ihr Resumé in zwei Sätzen?Die Empa hat einige Dinge erreicht, die wesentlich sind für eine erfolgreiche For-

schungsinstitution. Zum einen eine interne Kulturänderung, in der Neugier und Interesseam «life-long learning» einen deutlich höheren Stellenwert haben als früher. Andererseitskonnten wir das hervorragende Renommé der Empa im Bereich Dienstleistungen halten.Dienstleistungseinnahmen machen nach wie vor zwischen 10 und 15 Prozent unseresGesamtbudgets aus. Ein dritter Punkt betrifft die ungleich höhere nationale und interna-tionale Sichtbarkeit der Empa als Forschungsinstitution. Denn anstatt pro Jahr rund 400Berichte inklusive rund 50 Beiträge in wissenschaftlichen Fachzeitschriften zu veröffent-lichen, wie dies noch vor 10 Jahren der Fall war, hat die Empa 2008 mehr als 400 refe-rierte Fachpublikationen «produziert». Das waren jetzt leider mehr als zwei Sätze.

Um ein Bild aus der Wirtschaft zu benutzen: Wie sehen Sie die «Kursentwicklung»der Empa über die letzten Jahre?

Als ich meinen Job an der Empa antrat, tat ich dies mit dem Auftrag des ETH-Rats,die Empa von einer eher traditionellen Materialprüfanstalt zu einer anwendungs- undpraxisnahen Forschungsinstitution weiterzuentwickeln. Dass dies intern bei einigen aufAblehnung gestossen ist, hat mich nicht erstaunt. Schwierig wurde es erst, als sich derETH-Rat selbst nicht mehr im Klaren darüber war, ob er noch hinter dem ursprünglichenAuftrag steht. Das war, wenn man so will, der Tiefpunkt. Die Situation hat sich erst ge-ändert, als Fritz Schiesser die Leitung des ETH-Rats übernommen hat. Heute – und dasist auch für mich eine Genugtuung – geniesst die Empa in ihrer derzeitigen Ausrichtungdie volle Unterstützung des ETH-Ratspräsidenten.

Haben Sie die Ziele, die Sie sich damals gesteckt haben, erreicht?Aus heutiger Sicht bin ich überzeugt, dass die Empa die grossen Ziele – nämlich als

Institution des ETH-Bereichs in der akademischen Welt anerkannt und gleichermassenvon der Industrie geschätzt zu werden – grosso modo erreicht hat.

Welche Erfahrungen nehmen Sie aus diesem «Change-Prozess» mit?Es war ein nicht unerhebliches Risiko, das sowohl der ETH-Rat als auch ich selber

bei meiner Wahl eingegangen sind, aber es hat sich gelohnt. Man muss sich das vorstel-len: Man nimmt einen durchaus erfahrenen Forscher, der als Leiter eines typischen Lehr-stuhls mit einem rund 20-köpfigen Team allerdings eine eher geringe Führungserfahrungmitbringt, und setzt diesen vor mehr als 800 Leute, die zum Teil unter völlig anderenZielvorstellungen angestellt worden waren.

Obligatorische Frage: Wenn Sie nochmals antreten könnten,was würden Sie anders anpacken?

Ich würde gewisse Prozesse und Personalentscheide schneller umsetzen. Ich war mirbewusst, dass die Strategieänderung eine Gratwanderung werden würde, auf der ich die in-terne Unterstützung nicht verlieren durfte. Damit bestimmen die Anpassungsfähigkeit derbestehenden Mitarbeitenden und der Einfluss der neu Rekrutierten, wie schnell man dieVeränderungen vorantreiben kann. Die Empa könnte heute womöglich noch ein wenig wei-ter sein, aber dann wäre vermutlich mehr Geschirr zerschlagen worden.

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1937 Geburtsstunde der «Empa St. Gallen».Die Schweizerische Versuchsanstalt St. Gallenmit ihrer Textilkontrollstelle fusioniert mit der Empa,behält ihren Sitz jedoch in St. Gallen.

1962 Umzug von Zürich in die Neubauten nachDübendorf. Seit diesem Jahrzehnt untersucht die Empadie schweizerische Luftqualität. Auch entwickelt siein dieser Zeit kunststoffbasierte Verankerungssysteme.

1973 Die Empa experimentiert erstmals mitkohlenstofffaserverstärkten Kunststoffen (CFK).Aus dieser Forschung entstehen in der Folgezeit völligneue, erfolgreiche Anwendungen im Bauwesen.

Fotos: Empa

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In der Schweiz ist es gerade Mode, «rüs-tige» Pensionäre für heikle Aufgaben zureaktivieren. Was steht bei Ihnen für dieZeit «nach der Empa» an?

In den vergangenen acht Empa-Jahrenist mein Bedürfnis, möglichst eng mit der Forschung und dem ex-perimentellen Arbeiten verknüpft zu sein, zu kurz gekommen.Das möchte ich nachholen, ich gehe demnächst für zwei Monateals Gastwissenschaftler nach Japan ans «National Institute for Ma-terials Science». Mein Ziel ist es, in laufenden Forschungsprojek-ten mitzuarbeiten und meine Ideen einzubringen. Ausserdemhabe ich vor kurzem das Präsidium für das Leitungsgremium desneuen Nationalen Forschungsprogramms «Smart Materials» über-nommen, was mich wohl für die nächsten fünf Jahre beschäftigenwird.

Langeweile kommt da also keine auf.Trotzdem: Ein wenig mehr Freizeit dürfte drinliegen.Was haben Sie sich vorgenommen?

Ich bastle sehr gerne, vor allem für meine Grosskinder, etwaMöbel für eine Kinderküche und anderes Spielzeug. Ausserdem«benötige» ich eine gewisse Dosis Sport, um mich wohl zu fühlen,also Joggen, Schwimmen, Velo fahren. Und einen gewissen Nach-holbedarf habe ich in Sachen Kultur. Für mehr als Kino hat es inder Vergangenheit oft nicht gereicht. //

14 // Fokus: Stabwechsel an der Empa

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1988 Die so genannte Strategie 88 leitet einenWechsel zu vermehrter Forschung ein. Nanotechnologie,moderne Werkstoffe wie auch adaptive Werkstoffsystemerücken zunehmend ins Zentrum des Interesses. Darausentstehen später Anwendungen wie 2008 dieser Blimp,der sich durch «Flossenschläge» fortbewegt.

2000 Die Empa-Akademie wird eingeweiht.Sie vermittelt in Tagungen, Vortragsreihen, Seminarenund Kursen Fachwissen und Know-how an Industrie,Wirtschaft und Gesellschaft.

2001 Die Ära Louis Schlapbach beginnt. Sein Auftraglautet, die Empa auf Forschung und innovative Ent-wicklungen auszurichten. Er gliedert die Empa in Forschungs-einheiten, lanciert interdisziplinäre Forschungsprogrammeund setzt eine Forschungskommission ein.

«Die Schweiz ist Europameister der Innovation»,vermeldete Ende Januar das Bundesamt für Statistik.Also alles bestens, oder?

Ich weiss nicht genau, auf welchen Befunden diese Aussageberuht. Noch vor zehn Jahren galt die Schweiz als Land, das sehrviel neues Wissen generiert, aber Schwächen bei der Umsetzungdieses Wissens in wirtschaftliche Werte hat. Dieser Wissens- undTechnologietransfer hat sich in den letzten Jahren verbessert. DieAnreize der Schweizer Bildungsinstitutionen, bei den Studieren-den mehr Entrepreneurship zu entwickeln, tragen sicherlichFrüchte. Ob wir dadurch aber schon europäische Spitze sind, …

Haben Innovation, Forschung und Entwicklung hier zu Landeden «richtigen» Stellenwert?

Aus Gründen, die mir nicht ersichtlichsind, sind die Medien voll von Themen wieBeauty-Contests und ähnlich Banalem. Wis-sen und die Faszination, die davon ausgeht,hat dagegen einen wesentlich tieferen Stel-lenwert, vor allem im Fernsehen. Ich habeden Eindruck, dass der Anteil junger Leute,die allzu sehr auf den Genuss und das Aus-kosten des bereits Erreichten Wert legen, ge-genüber denjenigen, die Spass daran haben,Neues zu entdecken und sich neuen Heraus-forderungen zu stellen, überhand genommen hat. Das kann sichschnell wieder ändern, mittelfristig aber zu einem Kulturproblemführen. Der wissenschaftliche Nachwuchs etwa aus dem asiati-schen Raum hat ganz andere Vorstellungen von persönlichen Am-bitionen und Leistungsbereitschaft als ein Teil der hiesigen Ju-gend. Das zeigt sich an der Empa unter anderem bei unserem Dok-torandentag. Die letzten beiden letzten Male hat sich kein einzigerSchweizer Doktorand an dessen Organisation beteiligt.

Woran liegt dies? Wie lässt sich das ändern?Das hat mit der Erziehung zu tun, sowohl in der Schule als auch

daheim. Es muss uns wieder gelingen, Jugendlichen die «Faszinati-on Wissen» besser zu vermitteln. Wahrscheinlich hat es auch damitzu tun, was unsere Gesellschaft als «erfolgreich» betrachtet und wasnicht. Wenn man sieht, dass Beschäftigte in der Finanzindustrie –zumindest in der Vergangenheit – für eine Arbeit mit vergleichbarerAusbildung und Leistung um den Faktor zwei bis fünf besser entlöhntwerden als in der Forschung – und die Gesellschaft die entsprechen-den Tätigkeiten auch so bewertet –, dann wird es schwierig, die gu-ten Leute für die Forschung zu rekrutieren.

«Es wird schwierig,die guten Leutefür die Forschungzu rekrutieren.»

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Fokus: Stabwechsel an der Empa // 15

2003 Der organisatorisch-strategische Wandel gehtmit der Gründung der Abteilungen «nanotech@surfaces»und «Funktionspolymere» in die nächste Phase; die Empaintensiviert ihre Aktivitäten in der Nanotechnologie.

2004 Ein neues Logo für die Empa:Die Byline «Materials Science & Technology»unterstreicht das erweiterte Leistungsspektrum.

2005 «Empa goes East»: Sie gründet gemeinsammit der polnischen Universitäten die «InternationalPhD School Switzerland – Poland». Parallel gewinntder Technologietransfer in die Industrie immer mehr anBedeutung; das «Portal» nimmt seine Arbeit auf. Es sollFirmen den Zugang zum Empa-Know-how erleichtern.

Fotos: Empa

Die Ausrichtung der Empa auf For-schung und Entwicklung seit 1988äusserte sich auch in einer Namensän-derung: Die Versuchs- wurde zur For-schungsanstalt – wobei das Akronym«Empa» erhalten blieb. (Der auchdenkbaren Abkürzung «Empfa» hafte-te der Stallgeruch der ehemaligen Eid-genössichen Militärpferdeanstalt an.)2001 wurde unter dem neuen DirektorLouis Schlapbach die Vielfalt der Tä-tigkeit kritisch beurteilt und bereinigt

und in fünf Forschungsprogrammenfokussiert. Ziel: die Empa innerhalbdes ETH-Bereichs als die Forschungs-institution für Materialwissenschaftenund -technologie zu positionieren.

Routineprüfungen, die keine Syn-ergien zur Forschung ergaben, wur-den mehr und mehr an private Unter-nehmen abgegeben. Im Gegenzug ent-

stehen neue Forschungseinheiten ander Empa, etwa die Abteilungen «Na-noscale Materials Science», «Biomate-rialien», «Wasserstoff & Energie»,«Festkörperchemie und -katalyse»,«Funktionspolymere», «Technologieund Gesellschaft» und einige mehr.

Die Empa übernimmt ab 2002 zu-nehmend die Rolle einer nationalenInstitution für nachhaltige Material-wissenschaft und Technologie. Sieholt das Grundlagenwissen im inter-nationalen und nationalen Umfeld abund entwickelt daraus innovative,neue Lösungen. In diesem Zusam-menhang entstehen auch zahlreicheKooperationen mit Schweizer Fach-hochschulen und Universitäten; sowurden etwa 2008 Kooperationsver-träge mit den Universitäten Zürichund Bern unterschrieben.

Kompetenz für NanotechnologieBesonders in der Nanotechnologie po-sitioniert sich die Empa als Kompetenz-zentrum, das sich neben den Chancenauch intensiv mit den eventuellen Risi-ken beschäftigt. Seit 2004 gibt es den«Master in Mikro- und Nanotechnolo-gie (MNT)» unter Beteiligung mehrererFachhochschulen.

Auf Initiative von Louis Schlap-bach wurde 2006 die erste «NanoCon-vention» ins Leben gerufen. Und umdie Nanotechnologie auch einer breitenÖffentlichkeit näher zu bringen, wurdein St. Gallen die «NanoPubli» organi-siert. Die Veranstaltung findet seit 2005

als Sonderschau im Eingangsbereichzur dem Fachpublikum vorbehaltenen«NanoEurope» statt und zeigt Nano-technologie zum Anfassen.

Der wissenschaftliche Outputist entscheidendDie Leistungen der Empa werden vomETH-Rat seit ein paar Jahren in dergleichen «Währung» gemessen wie dieihrer «grossen Schwestern», der ETHZürich und Lausanne, aber auch deranderen Institutionen im ETH-Be-reich: In der Zeitspanne von 2001 bis2008 stieg die Zahl der referierten wis-senschaftlichen Publikationen vonjährlich rund 70 auf mehr als 400, aus-serdem wurde die Empa für Doktoran-dInnen attraktiver: 2001 zählte dieEmpa noch 16 «PhD-Studierende», imJahr 2008 waren es 102, 39 von ihnenerhielten im gleichen Jahr ihren Dok-torhut. Aber auch andere Indikatorenkönnen sich sehen lassen. Die Empabeschäftigt mittlerweile 12 Professo-rInnen und fast jedes Jahr gründenMitarbeitende aus der Empa heraus ei-gene Firmen – letztes Jahr gab es viersolcher Spin-offs.

Als wichtige Stütze zur For-schungs-Evaluierung wurde einehochrangig besetzte Forschungskom-mission eingesetzt. Sie stellt sicher,dass die Arbeit der Empa im interna-tionalen und nationalen Umfeld rich-tig ausgerichtet ist und sich die Empabei ständig wechselnden Anforderun-gen entsprechend positioniert. //

Frisch strukturiert und neu positioniert

Louis Schlapbach im Gespräch mit Lehrlingen der Empa.

TEXT: Rémy Niederöst

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2006 beschreitet die Empa Neuland bei derFinanzierung neuer Forschungseinheiten: Das«Center for Synergetic Structures» wird als «Public-PrivatePartnership» mit der Festo AG getragen. Ziel ist,ultraleichte Tragstrukturen «aus Luft» zu entwickeln.

2008 In Dübendorf startet «glaTec», das Pendantzum Technologiezentrum «tebo» in St.Gallen.Es unterstützt Gründung und Ansiedlung innovativerJungunternehmen. Zudem leitet die Empa eineengere Zusammenarbeit mit dem japanischen «NationalInstitute for Materials Science» ein.

2009 Auftrag erfüllt: Louis Schlapbach (rechts)übergibt die von einer Prüf- zur Forschungsinstitution«mutierte» Empa an seinen Nachfolger Gian-Luca Bona(Mitte). Interimistisch leitet Peter Hofer (links) die Empa.

Ich bin in St. Gallen aufgewachsen. Daherkenne ich die Empa schon seit Schülerta-gen», sagt der 51-Jährige. Doch sein Le-

bensweg führte den Forscher erst nach ei-nem riesigen Umweg an die Empa. Bona ent-scheidet sich für ein Physik-Studium an derZürcher ETH. Während seiner Dissertationlernt er dort auch den Mann kennen, der vie-le Jahre später den Stab als Empa-Chef an ihnübergeben sollte: «Wir waren beide am Lehr-stuhl von Hans-Christoph Siegmann in derAbteilung Festkörperphysik. Louis Schlap-bach war damals Oberassistent, ich nochDoktorand», so Bona.

Forschung bei IBM1987 promoviert Bona über Phänomene desOberflächenmagnetismus. Danach wechselter an eine der angesehensten Forschungsin-stitutionen der Schweiz, an das IBM For-schungslabor in Rüschlikon bei Zürich.

Dem weltweit tätigen Technologiekon-zern bleibt Bona lange Jahre treu. Zunächstuntersucht er Halbleiterlaser, später leitet er

den Aufbau eines optischen Telekommunika-tionsnetzwerks. 1998 wird er zum For-schungsmanager für den Bereich PhotonicNetworks befördert. Es geht um die Erfor-schung und Entwicklung von Materialien mithohem Brechungsindexkontrast und den Auf-bau von adaptiven optischen Bauelementen.

2004 wagt Bona den Sprung über den«grossen Teich»: Am IBM Almaden For-schungszentrum im kalifornischen SanJosé übernimmt er den Posten eines Re-search Functional Manager im Bereich Sci-ence and Technology. Das heisst, er leiteteine Reihe von Forschungsabteilungen, diesich unter anderem mit Materialwissen-schaften für die Chipentwicklung und neu-en Massenspeichern beschäftigen. Eineneue Aufgabe verschlägt Bona 2008 nachTucson, in den Süden des Wüstenstaats Ari-zona: Er übernimmt die Leitung der Abtei-lung Bandspeicherlösungen in der IBM Ser-ver and Technology Group. Damit steht ereiner rund um den Globus verteilten Grup-pe von 350 Forschern und Ingenieuren vor.

«Die Empa soll weiterhinBrücken bauen»Die Überraschung war perfekt: Bis zum Schluss blieb die Nachricht streng gehütet.Zwar machten getuschelte Gerüchte die Runde, doch die kleine Handvoll Eingeweihterschwieg eisern. Erst bei seinem Abschieds-Apéro am 25. März lüftete der scheidendeEmpa-Direktor Louis Schlapbach das Geheimnis: Der Physiker Gian-Luca Bona wirdsein Nachfolger, er tauscht seinen Posten als Leiter der IBM-Entwickungsabteilung inTucson, Arizona, mit dem Chefsessel der Empa.

TEXT: Ivo Marusczyk

Empa immer im BlickDie Empa verliert Bona trotzdem nicht ausdem Blick: «Die starke Ausrichtung derEmpa auf Nanotechnologie und anwen-dungsorientierte Materialforschung habeich sehr aufmerksam verfolgt. Das warsehr nahe an dem, was ich mit meinemTeam in Almaden gemacht habe.»

Bona will auf Kontinuität setzen, aberauch seine eigenen wissenschaftlichenSchwerpunkte einbringen: «Ich könnte mirvorstellen, bei der Photonik einen gewis-sen Akzent zu setzen. Hier wurde ja schoneiniges aufgebaut. Wir werden mal schau-en, ob da noch mehr zu machen ist.»

Die Umstellung von einem global täti-gen US-Unternehmen an eine schweizeri-sche Bundesinstitution bereitet dem For-scher kein Kopfzerbrechen, im Gegenteil:«Aus meiner Sicht ist die Empa heute fastideal positioniert, weil sie einerseits durchdie Kontakte zu den beiden ETH und denUniversitäten aus der Grundlagenfor-schung schöpfen kann. Andererseits beste-

Fotos: Empa

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Fokus: Stabwechsel an der Empa // 17

hen enge Kontakte zu den Unternehmen.Diese Rolle, Brücken zu bauen, als Mittle-rin interessante Partner zusammenzubrin-gen, sollte die Empa in jedem Fall weiter-hin spielen.» Daher müsse die Empa ihrenwissenschaftlichen «Output» auf dem er-reichten hohen Niveau stabilisieren, aberauch ihre Kontakte im Technologietransferweiter pflegen. «Die Empa hat hier eineganz besondere Rolle, die andere Institu-tionen gar nicht übernehmen können.»

Aus Arizona zurück in die Schweiz9320 Kilometer, neun Zeitzonen (im Som-merhalbjahr) und ein durchschnittlicherTemperaturunterschied von 15 Grad trennenBonas alte und die neue Wirkungsstätte.«Was ich hier in den USA sehr geschätzthabe, war die Offenheit, Dinge unvoreinge-nommen anzugehen, dann rasch abzuklärenund zu entscheiden», sagt der designierteEmpa-Chef. «Ich war erstaunt, wie leicht mandie Leute dafür gewinnen konnte, etwas Neu-es auszuprobieren. Vielleicht täusche ichmich, aber in der Schweiz ist die Hemm-schwelle da möglicherweise etwas grösser.»

Dennoch sieht er seiner Rückkehrnach Europa mit Freude entgegen. Denn inArizona hat der erfahrene Forschungsma-nager nicht nur etliche Freunde und Be-kannte, sondern auch die Schweizer Bergevermisst. Und die Möglichkeit zu ausge-dehnten Velotouren. «Ich habe die Zeit inden USA zwar sehr genossen. Aber in derSchweiz habe ich mich immer am wohlstengefühlt.» //

Aus der Wüste nach Dübendorf: Bona leitetebislang eine IBM-Forschungsabteilungin Tucson im südwestlichen US-BundesstaatArizona. (Foto: Jennifer Trueba-Spears, IBM)

Foto: PrivatFoto: Privat

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Der Impfstoff aus dem BioreaktorIm Kampf gegen Infektionskrankheiten bleiben Impfstoffe die wirksamsten Waffen. Doch zurAufrüstung genügt es nicht, neuartige Vakzine zu entwickeln; auch die Herstellung ausreichen-der Mengen stellt die Forschung vor Herausforderungen. Zusammen mit dem ETH-Spin-OffGlycoVaxyn AG konnten Empa-Forscher ein neues Bioverfahren etablieren, das die Impfstoff-Ausbeute im Vergleich zur herkömmlichen Methode um das 50fache steigert.

TEXT: Ivo Marusczyk / FOTOS: Empa, iStock

Haemophilus influenzæ ist ein extrem lästigerZeitgenosse. Das Bakterium ist nicht nur fürschwere Infektionen im Nasen-Rachenraum ver-

antwortlich, sondern auch für Hirnhautentzündungen, die töd-lich verlaufen können. Deswegen empfiehlt die EidgenössischeKommission für Impffragen dringend, Kinder gegen den Erregerzu immunisieren.

Als besonders sicher und effektiv haben sich dabei so genann-te konjugierte Impfstoffe erwiesen: Bei diesen werden Antigene inForm von Zuckerketten (Oligosaccharide) in einem aufwändigenVerfahren chemisch an Trägerproteine gekoppelt, ein Prozess, derals Glykosylierung bezeichnet wird.

Design-Bakterien statt chemischer SyntheseEleganter ist es, diese Aufgabe speziell designten, ungiftigenEscherichia coli-Zellen zu überlassen, Bakterien also, die norma-lerweise im Darm vorkommen. Dafür hat GlycoVaxyn ein auf En-zymen basierendes in vivo-Verfahren entwickelt. Die Coli-Bakte-rien wurden genetisch derart verändert, dass sie bestimmte Pro-teine glykosylieren, das heisst Impfstoff herstellen.

Eine Erfolg versprechende Methode. Doch trotzdem standendie Gründer von GlykoVaxyn bald vor einem Problem: Die Aus-beute ihres Produktionsprozesses war zu gering. Die Impfstoffher-steller brauchten Fachleute, die ihren Prozess in grösserem Mass-stab in einen Bioreaktor übertragen konnten. Und fanden sie inder Abteilung «Biomaterials» der Empa, die über das nötige Know-how und die Bioreaktoren verfügt.

Von der Zellkultur zum Bioreaktor«Das ist das klassische «Scale-Up-Problem» der Biotechnologie: Esist nicht einfach alles mal hundert zu nehmen», erläutert Empa-

Fachmann Julian Ihssen die Aus-gangslage. «In grösserem Massstab

wird alles schwieriger. Bei höherer Zell-dichte ändern sich viele Faktoren.» Zum Bei-

spiel beginnen Escherichia coli-Bakterien, Essigsäure zu bilden.Auch die Sauerstoffversorgung läuft nicht mehr optimal ab. Des-halb sind die Ergebnisse nur sehr schwer vorherzusehen.

Die Empa-Forscher fanden heraus, dass die Bildung der «Gly-kokonjugate», also des Impfstoffs, von der Art der Nährlösung so-wie der Steuerung des Prozessverlaufs beeinflusst wird. MehrereProzessabläufe wurden erprobt. Dabei erwies sich eine «fed-batch»-Betriebsstrategie, bei der Glycerol als Hauptnährstoffschubweise zugegeben wird, als die beste.

Deutlich gesteigerte VakzinproduktionDer neuartige Bioprozess lieferte im Vergleich zum bisherigen Schüt-telkolbenverfahren eine 40fache Erhöhung der Biomasse, also derBakterienzelldichte. Gleichzeitig stellte jede einzelne Bakterienzelleim Schnitt sogar etwas mehr Vakzin her. Daher stieg der Ertrag angereinigtem konjugiertem Impfstoff von 0,6 auf mehr als 30 Milli-gramm pro Liter Kulturflüssigkeit. «In einem drei Liter grossen Bio-reaktor waren die Ergebnisse sehr viel versprechend. Jetzt hoffenwir, dass sich das Prinzip auch auf den Industrie-Standard mit nochgrösseren Ausmassen übertragen lässt», sagt GlycoVaxyn-Mitbe-gründer Michael Wacker.

Auf diesem Weg könnten höchstwahrscheinlich auch anderekonjugierte Impfstoffe erzeugt werden. Zum Beispiel sind Impfun-gen gegen bestimmte Durchfallerreger oder Salmonellose denk-bar. Das wäre vor allem für Entwicklungsländer ein Hoffnungs-schimmer. Denn dort scheitern Impfkampagnen oft auch am ho-hen Preis von Vakzinen. //

18 // Wissens- und Technologietransfer

Bioreaktor an der Empa inSt.Gallen: Bioprozessein diesen Massstab zu über-führen, erfordert Erfahrungund Fingerspitzengefühl,etwa bei der biotechnischenProduktion von Impfstoffen.

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Wissens- und Technologietransfer // 19

Spanische Ministerin hatSchweizer Innovationen im Blick

Ende Januar war die spanische Ministe-rin für Wissenschaft und Innovation,Cristina Garmendia, zu Gast in derSchweiz. Neben Treffen mit den Bundes-räten Pascal Couchepin und Doris Leut-hard in Bern stand auch die Empa in Dü-bendorf auf ihrem Programm.

Spanien will die Zusammenarbeit mitSchweizer Forschenden stärken und denTechnologietransfer in die Industrie be-schleunigen. Themen, die auch für dieEmpa zentral sind.

Die Ministerin zeigte sich beeindrucktvom Forschungsportfolio der Empa. Undals politische Quereinsteigerin – bis vorkurzem leitete die promovierte Biologinselbst mehrere Biotech-Unternehmen –fühlte sie sich im Kreis der Nachwuchs-ForscherInnen aus Spanien und Latein-amerika, die an der Empa tätig sind,sichtlich wohl.

Die spanische Regierung setzt derzeitvoll auf das Thema Innovation , das zeigtsich auch im kürzlich verabschiedetenKonjunkturprogramm, «Nanotechnologieund neuartige Materialien sind für unsThemen von strategischer Bedeutung », soGarmendia. Gemeinsame Forschungspro-jekte – etwa auf dem Gebiet der Solarener-gie, der Biotreibstoffe oder der Biotechno-logie, sind schon in Planung.

Pionierpreis fürneuartige LinsenUnd wieder hat das Optotune-Team abgeräumt: Am 2. Aprilwurde das Jungunternehmen mit dem «ZKB PionierpreisTechnopark» ausgezeichnet. Der ETH-Spin-off entwickeltam glaTec-Technologiezentrum der Empa neuartige optischeLinsen, die sich mit Hilfe computergesteuerter «künstlicherMuskeln» krümmen und dadurch fokussieren können – genauwie das menschliche Auge.

TEXT: Michael Hagmann / FOTO: Optotune

Der von der Zürcher Kantonalbank mit 98696.04 Franken dotierte Preis –10000-mal die Kreiszahl π zum Quadrat – würdigt technologische Inno-vationen, die kurz vor dem Markteintritt stehen. Für den Jury-Vorsitzen-

den und Präsidenten der Stiftung Technopark Zürich, Thomas von Waldkirch,war Optotune der ideale Gewinner: «Eine Kombination von herausragender tech-nologischer Entwicklung und überzeugendem unternehmerischem Ansatz.»

«Klassische» Objektive, bestehen aus mehreren gegeneinander verschieb-baren Linsen. Im Vergleich dazu sind die verformbaren Polymerlinsen wesent-lich kleiner, leichter und kostengünstiger: Sie lassen sich durch das Anlegeneiner elektrischen Spannung mit Hilfe so genannter elektroaktiver Polymere – den «künstlichen Muskeln» – in eine bestimmte Krümmung bringen, also zoo-men. Eine bahnbrechende Entwicklung – so die Preisurkunde – etwa fürHandykameras, die bislang digital zoomen.

Optotune ist eine Erfolgsgeschichte. Nur drei Monate nach Firmengründungim Februar 2008 gewannen Manuel Aschwanden, Mark Blum und David Niede-rer den renommierten Venture-Businessplan-Wettbewerb. Ein KTI-Projekt unddie strategische Partnerschaft mit einem Handy-Zulieferer folgten. Und nun derPionierpreis, einer der wichtigsten Innovationspreise der Schweiz.

Bereits 2011 sollen die ersten Handys mit echtem Zoom auf den Marktkommen. Aschwanden: «Wird das erste Handy mit unserer Linse in Australienverkauft, dann ist unsere Technologie um die Welt gegangen – eine grossartigeVorstellung.»

Das Optotune-Team hat bereits zahlreiche weitere Anwendungen wie Mi-kroskope, Lasermessgeräte, Überwachungskameras oder Endoskope im Visier.Ab Mitte 2009 suchen sie für den Aufbau weiterer Geschäftszweige zusätzlicheInvestoren. In den nächsten fünf Jahren soll das Jungunternehmen von 13 aufrund 40 Mitarbeiter anwachsen. //

Cristina Garmendia (rechts) im Gespräch mit Empa-Nachwuchsforschern. (Foto: Empa).

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20 // Wissenschaft im Dialog

«Science Speed Dating»:Schweden lotenPartnerschaft aus«Speed Dating», die Methode, um neue zwischenmenschliche Beziehungenzu knüpfen, taugt auch zur Anbahnung wissenschaftlicher Projekte.Den Beweis trat die Empa-Akademie an. Sie organisierte mit Saab den«Swiss-Swedish Nanotechnology Workshop» – zum ersten Mal in Form einesScience Speed Dating aus. VertreterInnen aus Wissenschaft und Industriebekamen Gelegenheit, in kürzester Zeit mögliche bilaterale Allianzen zuorten. Erste EU-Projektanträge auf dem Gebiet der Nanotechnologie wurdenbereits eingereicht.

TEXT: Martina Peter / FOTOS: Empa, iStock

Schnell muss es gehen…, schliesslich istZeit auch im wissenschaftlichen AlltagGeld wert. Anstatt am Rande eines

Kongresses über geraume Zeit Small Talk zubetreiben, um dann erst noch herauszufin-den, dass das Gegenüber doch nicht das Ge-wünschte bieten kann, setzen ForscherInnenauf der Suche nach neuen Projektpartner-schaften auf «Science Speed Dating».

Speed Dating ist einWeg für Singles, um mög-lichst «effizient» Flirt-oder Beziehungspartnerzu finden. Im Rahmen ei-nes Events bieten Part-nervermittlungsagentu-ren seit ein paar JahrenBegegnungen an, die imMinutentakt stattfindenund genauen Spielregelnfolgen. Sieben Frauen sit-zen da beispielsweise sie-ben Männern gegenüber.Nach einigen MinutenSmall Talk ertönt einKlingelzeichen. Beide

Seiten kreuzen verdeckt auf einem Zettel an,ob sie den anderen wiedersehen möchten.Dann werden Stühle gerückt, männliche undweibliche Singles sitzen sich in neuer Kon-stellation gegenüber. Die Veranstalter wertendie Zettel am Ende aus und lassen die Teil-nehmenden wissen, wer an wem gegenseitigInteresse bekundet hat.

«Die Methode des Speed Dating müsstesich doch prinzipiell auch für die Anbah-nung wissenschaftlicher Projekte nutzenlassen», sagte sich Magnus Ahlström, Di-rector Business Development von Saab,dem schwedischen Luftfahrt- und Rüs-tungskonzern. Mit Gabriele Dobenecker,Leiterin der Abteilung «Marketing, Wis-sens- und Technologietransfer» an derEmpa, hatte er Anfang Februar zum zwei-tägigen Nano-Workshop eingeladen. «Un-ser Ziel war es, die Workshop-Teilnehmen-den möglichst zahlreiche schwedisch-schweizerische Allianzen identifizieren zulassen und sie dazu zu bringen, Ideen zurZusammenarbeit auf dem Gebiet der Nano-technologie auszuarbeiten.»

Für mehr gemeinsameForschungsprojekteDer schwedische Botschafter in derSchweiz, Per Thöresson, ortete inder Tat Chancen für den Ausbauder bilateralen Forschungsko-operation: «Obwohl unserewirtschaftlichen Strukturenund unsere Kulturen sichrecht ähnlich sind», sagteer am ersten Tag desWorkshops, «und ob-wohl Schweizer undSchweden eigentlich na-heliegende Partner sind,arbeiten wir in der Reali-

Wissenschaftler kommen sich näher: Die Empa-ForscherAnke Weidenkaff und Paul Brühwiler mit Lars Samuelsonvon der schwedischen Universität Lund.

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Wissenschaft im Dialog // 21

tät in Forschung und Entwicklung noch zuwenig miteinander.» Er hoffe, dass der Work-shop dies ändere und «auch bereits möglichstviele konkrete Projekte hervorbringt». Zu de-ren Finanzierung erhielten die an einer Ko-operation interessierten ForscherInnen undIndustrievertreter von den anwesenden For-schungsförderungsinstitutionen aus beidenLändern bereits wertvolle Informationen.

Und so lief es ab: Sechs Gruppen mit For-schern von schwedischen Universitäten,oder mit Vertretern von Forschungsinstitutenund Unternehmen, setzten sich jeweils zu ei-nem Forschungsteam mit Schweizern an ei-nen Tisch, dann stellten beide sich und ihreArbeit kurz vor. «Zum Glück gilt beim Sci-ence Speed Dating nicht der Minutentakt»,meinte einer der Teilnehmenden. «Aber zuwissen, dass irgendwann ein Signal ertönt,

zwingt einen schon, sich sehrschnell aufs Wesentliche zu kon-

zentrieren.» Nach 45 Minuten klin-gelte es dann tatsächlich, und die

ForscherInnen der Universitäten Lund, Lin-köping und Uppsala, der Chalmers-Universi-tät in Göteborg, der Königlich Technologi-schen Hochschule (KTH) in Stockholm, derForschungsinstitute Swerea und FOI, vonSaab und Volvo Aero verschoben sich zügigzum nächsten Tisch. Dort wartete einenächste Schweizer Gruppe mit Vertretern derEmpa, ETH Zürich, Universität Basel, desAdolphe Merkle Instituts der Universität Frei-burg oder des IBM Forschungslabors Zürich.«So, was haben euch die anderen denn «ver-kaufen» wollen?» scherzte einer der Teilneh-mer. Und schon drehten sich die Gesprächein entspannter Atmosphäre um Dünnfilm-schichten für Photovoltaik, hybride Solarzel-len, Kohlenstoffnanoröhrchen, möglicheGraphenanwendungen, molekulare Elektro-nik, Nanodrähte und dergleichen.

Erfolgreiches «Dating»«Manche Gruppen konnten sich kaum von-einander trennen», beobachtete GabrieleDobenecker. «Da schlummert offensichtlich

viel Potenzial.» Wie Recht sie damit hat-te, zeigte sich in der Schlussrunde, alsdie wichtigsten Ideen im Plenum vor-gestellt wurden. Magnus Ahlström er-gänzte: «Alle Gruppen haben in ihren

sechs Gesprächsrunden mindestens beivier Gruppen der «Gegenseite» Synergienentdeckt und gemeinsam Projektideenentwickelt.»

In einem nächsten Schritt gälte es, dievielen Projektvorschläge thematisch zubündeln, so Empa-Direktor Louis Schlap-bach. «Der Anlass hat gezeigt: Die Chemiezwischen der Schweiz und Schwedenstimmt, wir haben zahlreiche gemeinsameInteressen auf dem Gebiet der Nanowissen-schaften und deren praktischer Anwen-dung.» Nun müssten Rahmenverträge zwi-schen beiden Ländern den an der Empa er-arbeiteten Projekten «ein gemeinsamesDach verleihen», fasste Schlapbach zusam-men.

Nachtrag: Der übergesprungene FunkenWie ein paar Wochen nach dem Anlass zu er-fahren war, hat es erfolgreich «gefunkt»: For-scher der Empa-Abteilung «Funktionspoly-mere» wurden eingeladen, an zwei EU-Pro-jektanträgen als Partner teilzunehmen. AmSpeed Dating-Event hatten gleich zweischwedische Projektkoordinatoren grossesInteresse an den Themen organische Solarzel-len und Karbonfaser-Komposite bekundet. //

Fotomontage: Empa

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22 // Wissenschaft im Dialog

Wo Funken sprühen:Neue Ideen fürsSchweissen und Löten

Sollen metallische Bauteile dauerhaft miteinander verbunden werden,geschieht das in der Regel durch Schweissen oder Löten. Beide Fügeprozesseverlangen ein grundlegendes physikalisches Verständnis der verwendetenMetalle. Eine Tagung rund um neue Fügetechnologien an der Empa brachte imJanuar etwa 100 Fachleute aus Industrie und Forschung zusammen, um überverschiedene Aspekte der Füge- und Grenzflächentechnologie zu diskutieren.

TEXT: Rémy Nideröst

Schweissen, das unlösbare Verbinden von Bauteilen durchWärme und Druck, ist zwar keine Hexerei; doch Flamm-schweissen, Gasschmelzschweissen, Schutzgas-, Wider-

stands-, Kaltpress-, Laser-, Schmelz- und Reibschweissen – umnur einige zu nennen – wollen beherrscht und, noch wichtiger,verstanden sein. Denn sonst kann es leicht passieren, dass das ge-schweisste Teil nicht aushält, was es sollte. Aber auch beim Löten,bei dem die Grundwerkstoffe selber nicht zum Schmelzen ge-bracht werden und die Verbindung durch ein Lot zustandekommt, sind die physikalisch-chemischen Vorgänge alles andereals trivial.

So vielfältig die an der Tagung vorgestellten Fügeverfahrenauch sind, die Schwierigkeiten in der Anwendung sind immerähnlich: Verziehen des Bauteils, Verspröden des Materials durchHitze, Oxidation der Schweissnaht, schlechte Schweiss- und Löt-barkeit der Materialien und vieles mehr. Probleme, die auch dieWissenschaft herausfordern. Denn ist erst einmal verstanden, wa-rum sich ein bestimmtes Material beim Schweissen so und nichtanders verhält, lassen sich unter Umständen bessere, dauerhaftereFügeverfahren entwickeln. «Daher ist der Austausch zwischenWissenschaftlern und Praktikern so wichtig», meint der Leiter derEmpa-Abteilung «Füge- und Grenzflächentechnologie», ManfredRoth. «Das war denn auch der Zweck unserer Tagung.»

Computersimulation zur ProzessoptimierungGemäss Christian Leinenbach von der Empa stecken im Schweis-sen und Löten viel Empirie und Erfahrung. «Es funktioniert ein-fach. Wir möchten die Prozesse aber auch verstehen, um Werk-stoffe weiterzuentwickeln und die Prozesstechnologie optimierenzu können. Hierzu muss man sich das Material und seine Eigen-schaften ganz genau ansehen, das ist Grundlagenforschung», soLeinenbach. Um beispielsweise die Wechselwirkungen der amSchweiss- oder Lötprozess beteiligten chemischen Elemente zuverstehen, sind experimentelle Daten nötig. Aber auch verschie-dene computerbasierte Simulationsmethoden werden eingesetzt,mit denen sich etwa berechnen lässt, bei welchen Temperaturenwelche der so genannten Phasen in der Fügeverbindung, also inder Grenzfläche, entstehen.

Zum Beispiel beim Auflöten von Diamant auf Stahl für Hoch-leistungs-Schleifwerkzeuge. Gegenüber dem klassischen galvani-schen Verfahren, bei dem die winzigen Diamanten praktisch in ei-ner Metallschicht versenkt werden, hat das Löten den Vorteil, dassdie Diamantkörner weit aus dem Stahl herausragen. Es werdenhöhere Schleifgeschwindigkeiten möglich und das Werkzeug hältlänger. «Allerdings ist das Löten von Diamant nicht ganz einfach»,so Leinenbach. Hierzu brauche es genaue Kenntnis der Grenzflä-chenreaktionen und der Reaktionsmechanismen zwischen Dia-

Foto: iStock

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Wissenschaft im Dialog // 23

mant und dem verwendeten Lot. An der Empa werden diese Me-chanismen einerseits mit realen Versuchen etwa in einem Hoch-vakuumofen erforscht, aber auch virtuell am Rechner modelliert.Ziel ist das Optimieren der Prozessparameter oder der Zusammen-setzung des Lotes.

Hans Gut von der MAN Turbo AG ging als Industrievertreterauf die speziellen Herausforderungen beim Herstellen von Lauf-rädern für Turbokompressoren ein. Dabei kommen sowohlSchweiss- als auch Lötverfahren zum Einsatz, und dies bei oftschwierigen Platz- und Temperaturverhältnissen an bis zu ton-nenschweren Objekten. Gut sieht es als besonders wichtig an,dass der «Übertrag von der Hochschule in die Industrie» stattfin-det, denn «wir sind immer etwas hinterher».

Laserschweissen – eine Technologie mit ZukunftKonrad Wegener von der ETH Zürich stellte schliesslich einSchweissverfahren vor, das es seit gut 25 Jahren gibt und in demnoch immer viel Potenzial steckt: das Laserschweissen. Diese «revo-lutionäre» Technik sei im Wirkungsgrad zwar schlechter als her-kömmliche Verfahren, etwa als solche mit Gas, dazu auch aufwän-diger und teurer. Aber dank Laser lassen sich selbst schwerschweissbare Materialien wie Alu und Stahl miteinander verbinden.Ausserdem lässt er sich auch an schwer zugänglichen Stellen an-wenden, etwa im Inneren von Sandwichbauteilen. Wird die Laser-technik mit herkömmlichen Schweisstechniken in einem Hybridver-fahren kombiniert, lassen sich so beispielsweise im Flugzeugbau so-gar grosse Aluminiumteile hochpräzis fügen.

«Bisher musste der Schweisser nur die Elektrode reinigen unddann mit dem Schweissen anfangen», so Wegener. Nicht ganz soschnell gehts beim Laserschweissen: Es wird in der Regel automati-siert eingesetzt und benötigt daher einen gewissen Programmierauf-wand der Maschine. Das Verfahren müsse gezielt dort eingesetztwerden, wo die positiven Eigenschaften des Lasers zum Tragenkommen, wie dessen hohe Energieintensität, die berührungsloseÜbertragung der Energie, die grosse Schweissgeschwindigkeit, diedamit verbundene höhere Produktivität und die Anwendbarkeitauch bei kleinsten (Elektronik-)Teilen oder im Flugzeugbau, wo tra-ditionell genietet wird. Konrad Wegener sieht für den Lasereinsatzweiterhin grosses Potenzial: «Die Revolution hat erst begonnen.».

Praktische Anwendungen im FokusNeben dem Fügen wird der Laser aber auch fürs Trennen von Bau-teilen genutzt und ersetzt zum Teil schon teure Stanzwerkzeuge.Im zweiten Teil der Tagung am Nachmittag wurden solche neu-artigen praktischen Anwendungen vorgestellt und anwendungs-bezogene Probleme der Laser- und anderer Techniken mit den an-wesenden Industrievertretern diskutiert. Organisator ManfredRoth ist denn auch zufrieden: «Die Teilnehmenden haben sichrege untereinander ausgetauscht und dabei die ‚familiäre Atmo-sphäre’ an der Empa geschätzt – wie es ein Teilnehmer ausge-drückte. Direkter können wir unsere Erkenntnisse aus For-schungs- und Entwicklung nicht an den Mann oder die Frau brin-gen und die Empa als Forschungspartnerin präsentieren.» //

1Schweissen des Laufradeseines Turbokompressors.(Foto: MAN Turbo).

2Laser-Auftragsschweisseneiner Gasturbinen-Kompo-nente bei Sulzer Innotec.(Foto: Sulzer Innotec).

3Auf Stahl gelöteter Dia-mant eines Hochleistungs-Schleifwerkzeuges: DasDiamantkorn ragt weit ausdem Stahl heraus, dasWerkzeug bleibt so längereinsetzbar. (Foto: Empa).

An der «Grenzfläche»zur Industrie

Die Empa ist im Bereich Fügetechnik und Stoffverbunde ein interna-tional anerkanntes Kompetenzzentrum. Das Team der Abteilung«Füge- und Grenzflächentechnologie» – NaturwissenschaftlerInnen,Ingenieure, qualifizierte Techniker – bearbeitet Forschungs- und Ent-wicklungsprojekte mit Partnern aus der Industrie, entweder direkt fi-nanziert oder im Rahmen einer Drittmittelfinanzierung (KTI, Brite-Eu-ram, Cost). Das Prozesslabor «Fügetechnik» ist mit modernsten Ap-paraturen ausgestattet, darunter auch ein Hochvakuumofen fürgrosse Komponenten; ausserdem steht das gesamte Spektrum derEmpa an analytischen Methoden zur Verfügung.

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Veranstaltungen11. Mai 2009Innovation – Jetzt erst recht!Seminar für KMU-Kader Empa, St.Gallen

28. Mai 2009glaTec – das Technologiezentrumder Empa in DübendorfOffizielle Eröffnung und Besichtigung Empa, Dübendorf

11. Juni 2009Tage der Genforschung Darwins Theorie in der Praxis - Evolution vonBakterien und Enzymen im LaborEmpa, St.Gallen

6. Juli 2009NanoConvention ‘09Swissôtel, Zürich-Oerlikon

15. und 16. September 2009World Resources Forum (WRF)Kongresszentrum Davos undNagoya University, Japan

Details und weitere Veranstaltungen unterwww.empa-akademie.ch

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Die Partnerschaft zwischen

der ZKB und der Empa

fördert die Vernetzung

von Wissenschaft und

Wirtschaft – etwa bei der

im Juli erneut stattfinden-

den NanoConvention –

und dient damit dem

Wirtschaftsraum Zürich

und seiner Bevölkerung.

Dr. Martin ZollingerMitglied des Präsidiums der ZKB“

Meinung

Martin Zollinger

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nanoconvention