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58. Jahrgang – ifo Schnelldienst 1/2005 3 Ein Plädoyer für Devisen- markt-Interventionen Der Dollar-Kurs hat sich seit Jahresbeginn etwas erholt. Aber das Risiko eines er- neuten Schwächeanfalls ist weiterhin hoch. Mein Plädoyer lautet: Sollte sich Dollar erneut auf Talfahrt begeben, so hiel- te ich Devisenmarktinterventionen der EZB für sinnvoll und angemessen. Die In- terventionen sollten offen (nicht heimlich) erfolgen, um ein Signal für die Märkte zu setzen. Die EZB sollte auch dann inter- venieren, wenn die US-amerikanische Sei- te sich nicht beteiligen will. Die Auswir- kungen auf die Geldmenge sollten in vol- lem Umfang sterilisiert werden. Die Leit- zinsen sollten nicht gesenkt werden. Ent- gegen der vorherrschenden Meinung schätze ich die Erfolgschancen solcher Interventionen trotz erschwerter Umstän- de (unilateral, sterilisiert, ohne begleiten- den geldpolitischen Richtungswechsel) recht hoch ein. Eines ist klar: Die aus der Dollarschwäche resultierende Aufwertung des Euro behagt den Währungshütern im Eurotower nicht. EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hat sie bereits als »brutal« und »unwillkom- men« bezeichnet. Zu Recht: Die Kon- junktur im Euroraum schwächelt seit dem Sommer. Die Inlandsnachfrage dümpelt dahin. Der Exportboom neigt sich dem Ende zu, teils in Reaktion auf die starke Aufwertung des Euro Ende 2003 und An- fang 2004, teils in Reaktion auf die Ab- kühlung der Weltkonjunktur. Die Stärke des Euro beruht nicht auf einer Stärke der Wirtschaft im Euroraum. Wie sollte die EZB reagieren? Die Puristen unter den Ökonomen sagen, man solle den Euro den Marktkräften überlassen. Schließlich wisse niemand, wo genau der angemessene Wechselkurs liegt, auch die EZB nicht. Und wenn der Euro so stark wird, dass eine Rezession droht oder die Inflation unter das EZB-Ziel von knapp 2% rutscht, dann solle die EZB eben die Zinsen senken. So einfach kann es sich die EZB allerdings nicht machen, aus zwei Gründen. Erstens zeigt die Erfahrung, dass Wechselkurse zum Überschießen neigen. Der Grund liegt nicht nur darin, dass – wie im Dornbusch- Modell dargestellt – die Finanzmarktprei- se flexibler sind als die Güterpreise, son- dern auch in dem ausgeprägten Herden- verhalten der Teilnehmer am Devisen- markt, also der Dominanz der »Chartis- ten« gegenüber den »Fundamentalisten«. Kaum jemand glaubt etwa, dass der Euro im Sommer 2000, als er nur noch wenig mehr als 80 US-Cent kostete, fair be- wertet war. Jetzt droht das andere Extrem. Natürlich weiß niemand, wo genau der Gleichgewichtskurs des Euro liegt. Das ist aber auch nicht nötig. Die meisten öko- nometrischen Fundamentalmodelle be- rechnen jedenfalls einen »fairen Wert«, der deutlich unter dem aktuellen Kurs von 1,31 US-Dollar je Euro liegt. Extreme Über- und Unterbewertungen von Wäh- rungen, die längere Zeit anhalten, führen zu einer Fehlleitung von Kapital und Ar- beit und verursachen so volkswirtschaft- liche Kosten. Zweitens hätte eine Zinssenkung, die manche anstelle von Devisenmarktin- terventionen vorschlagen, unerwünsch- te Nebenwirkungen. Schon jetzt schwimmt der Euroraum in Über- schussliquidität. Negative Realzinsen am Geldmarkt beschleunigen das Wachs- tum der Geldmenge und der Kredite. So expandieren etwa die Kredite für den Wohnungsbau mit einer Jahresrate von knapp 10%. Die überreichlich vorhan- Eurokurs: Sollte die EZB intervenieren? Im Zuge der Aufwertung des Euro gegenüber wichtigen Handelswährungen, insbesondere dem US-Dollar, ist die Europäische Zentralbank vielfach aufgefordert worden zu intervenieren, um dem Aufstieg des Euro Einhalt zu gebieten und so den befürchteten Wachstums- und Beschäfti- gungsverlusten entgegenzuwirken. Sollte die EZB dieser Forderung nachkommen? Joachim Fels* * Joachim Fels ist Managing Director und Chef- volkswirt Europa bei Morgan Stanley in London.

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Ein Plädoyer für Devisen-markt-Interventionen

Der Dollar-Kurs hat sich seit Jahresbeginnetwas erholt. Aber das Risiko eines er-neuten Schwächeanfalls ist weiterhinhoch. Mein Plädoyer lautet: Sollte sichDollar erneut auf Talfahrt begeben, so hiel-te ich Devisenmarktinterventionen derEZB für sinnvoll und angemessen. Die In-terventionen sollten offen (nicht heimlich)erfolgen, um ein Signal für die Märkte zusetzen. Die EZB sollte auch dann inter-venieren, wenn die US-amerikanische Sei-te sich nicht beteiligen will. Die Auswir-kungen auf die Geldmenge sollten in vol-lem Umfang sterilisiert werden. Die Leit-zinsen sollten nicht gesenkt werden. Ent-gegen der vorherrschenden Meinungschätze ich die Erfolgschancen solcherInterventionen trotz erschwerter Umstän-de (unilateral, sterilisiert, ohne begleiten-den geldpolitischen Richtungswechsel)recht hoch ein.

Eines ist klar: Die aus der Dollarschwächeresultierende Aufwertung des Euro behagtden Währungshütern im Eurotower nicht.EZB-Präsident Jean-Claude Trichet hatsie bereits als »brutal« und »unwillkom-men« bezeichnet. Zu Recht: Die Kon-junktur im Euroraum schwächelt seit demSommer. Die Inlandsnachfrage dümpeltdahin. Der Exportboom neigt sich demEnde zu, teils in Reaktion auf die starkeAufwertung des Euro Ende 2003 und An-fang 2004, teils in Reaktion auf die Ab-kühlung der Weltkonjunktur. Die Stärkedes Euro beruht nicht auf einer Stärke derWirtschaft im Euroraum. Wie sollte dieEZB reagieren?

Die Puristen unter den Ökonomen sagen,man solle den Euro den Marktkräftenüberlassen. Schließlich wisse niemand,wo genau der angemessene Wechselkursliegt, auch die EZB nicht. Und wenn der

Euro so stark wird, dass eine Rezessiondroht oder die Inflation unter das EZB-Zielvon knapp 2% rutscht, dann solle die EZBeben die Zinsen senken.

So einfach kann es sich die EZB allerdingsnicht machen, aus zwei Gründen. Erstenszeigt die Erfahrung, dass Wechselkursezum Überschießen neigen. Der Grund liegtnicht nur darin, dass – wie im Dornbusch-Modell dargestellt – die Finanzmarktprei-se flexibler sind als die Güterpreise, son-dern auch in dem ausgeprägten Herden-verhalten der Teilnehmer am Devisen-markt, also der Dominanz der »Chartis-ten« gegenüber den »Fundamentalisten«.

Kaum jemand glaubt etwa, dass der Euroim Sommer 2000, als er nur noch wenigmehr als 80 US-Cent kostete, fair be-wertet war. Jetzt droht das andere Extrem.Natürlich weiß niemand, wo genau derGleichgewichtskurs des Euro liegt. Das istaber auch nicht nötig. Die meisten öko-nometrischen Fundamentalmodelle be-rechnen jedenfalls einen »fairen Wert«, derdeutlich unter dem aktuellen Kurs von1,31 US-Dollar je Euro liegt. ExtremeÜber- und Unterbewertungen von Wäh-rungen, die längere Zeit anhalten, führenzu einer Fehlleitung von Kapital und Ar-beit und verursachen so volkswirtschaft-liche Kosten.

Zweitens hätte eine Zinssenkung, diemanche anstelle von Devisenmarktin-terventionen vorschlagen, unerwünsch-te Nebenwirkungen. Schon jetztschwimmt der Euroraum in Über-schussliquidität. Negative Realzinsen amGeldmarkt beschleunigen das Wachs-tum der Geldmenge und der Kredite. Soexpandieren etwa die Kredite für denWohnungsbau mit einer Jahresrate vonknapp 10%. Die überreichlich vorhan-

Eurokurs: Sollte die EZB intervenieren?

Im Zuge der Aufwertung des Euro gegenüber wichtigen Handelswährungen, insbesondere dem

US-Dollar, ist die Europäische Zentralbank vielfach aufgefordert worden zu intervenieren, um

dem Aufstieg des Euro Einhalt zu gebieten und so den befürchteten Wachstums- und Beschäfti-

gungsverlusten entgegenzuwirken. Sollte die EZB dieser Forderung nachkommen?

Joachim Fels*

* Joachim Fels ist Managing Director und Chef-volkswirt Europa bei Morgan Stanley in London.

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dene Liquidität hat bereits zu einer Inflation bei vielen An-lagearten geführt: Wohnimmobilien in Spanien, Frankreich,Irland und Belgien, Staats- und Unternehmensanleihenund zuletzt auch wieder Aktien zeigen einen starken Preis-auftrieb. Senkt die EZB die Zinsen, um den Höhenflugdes Euro zu stoppen, so pumpt sie die Kursblasen in an-deren Märkten weiter auf. Platzen diese Blasen, drohenRezession und Deflation.

So paradox es klingt: Eine übermäßig expansive Geldpoli-tik, die einer Inflation der Vermögenspreise Vorschub leis-tet, kann zu deflationären Tendenzen führen, wenn die Kurs-blasen platzen. Das lehrt die Erfahrung Japans: Die locke-re Geldpolitik der späten achtziger Jahre war vor allem dar-auf gerichtet, eine weiter Abwertung des US-Dollars zu ver-hindern. Der Preis war eine Inflationierung der Immobilien-preise und der Aktienkurse. Als diese Blasen Anfang derneunziger Jahren platzten und die Bank von Japan die Zin-sen zu langsam senkte, ging zunächst das Bankensystembankrott. Dann setzte die Deflation ein, die bis heute nochnicht überwunden ist.

Von Zinssenkungen in Reaktion auf die Dollar-Schwächeist der EZB deshalb abzuraten. Vielleicht wäre es möglich,den Euro damit zu stabilisieren. Aber der Preis für eine Sta-bilisierung am Devisenmarkt wäre eine Destabilisierung desFinanzsystems an anderer Stelle. Deshalb liegt es nahe, einanderes Instrument einzusetzen: Interventionen am Devi-senmarkt. Setzt der Euro zu einem erneuten Höhenflug an,dann sollte die EZB Dollar ankaufen, um die amerikanischenWährung zu stützen.

Allerdings ist die Skepsis unter Marktteilnehmern undÖkonomen groß, was die Erfolgschancen solcher Inter-ventionen angeht. So etwas könne nur funktionieren,wenn die Amerikaner mitmachen (was unwahrscheinlichist) und wenn die EZB gleichzeitig die Zinsen senkt bzw.die Interventionen nicht sterilisiert (was zwangsläufig dieGeldmarktzinsen drücken würde). Gar so schlecht, wiedie Skeptiker meinen, sind die Erfolgschancen von In-terventionen aber nicht, auch wenn die EZB auf sich al-lein gestellt wäre und die Interventionen voll sterilisiert, al-so nicht auf Geldmenge und Zinsen durchschlagen lässt.Warum?

Notenbanken können den Devisenmarkt heute leichter be-einflussen als früher. Denn anders als früher wird der Devi-senmarkt mittlerweile von Akteuren dominiert, die sich haupt-sächlich an Marktsignalen orientieren. Wenn die Notenbankden Wechselkurs mit gezielten Devisenkäufen oder -ver-käufen in eine bestimmte Richtung drückt, dann springensolche Akteure auf und verstärken die Bewegung. Handeltdie EZB geschickt, so kann sie mit gezielten Dollarkäufen –bildlich gesprochen – eine Lawine am Devisenmarkt in Be-wegung bringen, die den Eurokurs drückt.

Gelingt ihr dies, so kann sie auf einen weiteren Selbstver-stärkungseffekt hoffen, der auf dem bereits erwähnten Her-denverhalten vieler Devisenmarktteilnehmer beruht. Hat sichnämlich ein neuer Trend am Devisenmarkt erst einmal fest-gesetzt, dann werden auch die fundamentalen Daten vonvielen Marktteilnehmern und Kommentatoren in neuem Lichtbetrachtet. So ist beispielsweise das amerikanische Leis-tungsbilanzdefizit, das oft als Grund für die Dollarschwächeangeführt wird, erst richtig in den Fokus der so genanntenExperten geraten, nachdem sich der Dollar kräftig abge-schwächt hatte. Sollte es der EZB gelingen, eine Dollar-Aufwertung anzustoßen oder zu verstärken, dann würdenam Markt bald wieder andere Fundamentaldaten in den Vor-dergrund rücken, die einen stärkeren Dollar rechtfertigenkönnten.

Teilweise lässt sich dieser Prozess der Neuinterpretation be-reits jetzt in einigen Marktkommentaren ablesen: So werdenin jüngster Zeit vermehrt der große Wachstumsvorsprungder amerikanischen Wirtschaft sowie der wachsende Zins-abstand zugunsten amerikanischer Anlagen in den Vorder-grund gerückt. Merke: Der Markt sucht sich immer die Fak-ten heraus, die den jüngsten Trend rechtfertigen. Dieses Ver-haltensmuster kann sich die Notenbank zunutze machen,indem sie durch gezielte Interventionen versucht, einen neu-en Trend zu etablieren oder einen sich abzeichnenden Trendzu verstärken.

Dass dies möglich ist, hat die EZB übrigens schon ein-mal bewiesen – unter umgekehrten Vorzeichen. Im No-vember 2000 gelang es ihr, den damals schwächelndenEuro durch gezielte Dollarverkäufe innerhalb weniger Ta-ge nachhaltig zu stützen, und zwar ohne Unterstützungder Amerikaner und ohne begleitende Zinserhöhung. Wa-rum sollte ihr das diesmal nicht wieder gelingen? Die Vor-aussetzungen sind heute sogar besser als damals: Es istimmer einfacher die eigene Währung zu schwächen, alssie zu stärken.

Nochmals: Wichtig ist allerdings, dass die EZB die Inter-ventionen nicht auf den Geldmarkt durchschlagen lässt.Denn sonst würde sie die Geldmenge weiter aufblähen undder Assetpreis-Inflation Vorschub leisten. Die Euro-Beträ-ge, die sie durch ihre Dollarankäufe in den Markt geben wür-de, müssten dann spätesten beim nächsten wöchentlichenRefinanzierungsgeschäft mit den Banken wieder abgesaugtwerden, indem die EZB entsprechend weniger Wertpapie-re ankauft. Angesichts eines durchschnittlichen Zuteilungs-betrags dieser Geschäfte von etwa 250 Mrd. € pro Wochekönnte die EZB theoretisch riesige Devisenmarktinterven-tionen mühelos sterilisieren.

Noch eine abschließende Bemerkung: Ich halte wenig vonVorschlägen, die auf eine dauerhafte Stabilisierung der Euro-Dollar Kurses abzielen, etwa in Form eines Festkurssystems

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oder eines Zielzonenmodells. Der amerikanische und dereuropäische Währungsraum sind zu verschieden, um einedann zwangsläufig gleichgerichtete Geldpolitik realistisch er-scheinen zu lassen. Insofern ist dies kein Plädoyer gegenflexible Wechselkurse. Aber Wechselkurse neigen aus denangeführten Gründen zum Überschießen. Dieses Über-schießen ist mit volkswirtschaftlichen Kosten verbunden.Deshalb sollte die EZB, wie auch schon im Jahre 2000 prak-tiziert, bei extremen Ausschlägen eingreifen. In einer Welt,in der fast alle anderen Notenbanken oder Regierungen ih-re Währungen durch direkte oder indirekte (verbale) Eingrif-fe zu manipulieren versuchen, kann die EZB nicht tatenlosbeiseite stehen.

Die Antwort: Ein klares Nein, jedenfallsnicht zurzeit

I.

Devisenmarktinterventionen sind ein Mittel der Geld- undWährungspolitik, wie jedes andere auch. Ihr Einsatz hängtdavon ab, welche Ziele man erreichen will und ob Interven-tionen als Mittel dazu geeignet sind oder nicht. Da Inter-ventionen in der Praxis immer auch Liquiditäts- und Zins-wirkungen haben, sollte man der Klarheit wegen die Dis-kussion von Anfang an auf so genannte sterilisierte Inter-ventionen beschränken.

Die Frage der Interventionen ist heute also keine Glaubens-frage mehr. Früher gab es beinahe ideologisch fest gefüg-te Positionen, dass es entweder vollkommen feste oder voll-kommen flexible Kurse geben sollte. Alles andere wurdeals unsauber angesehen. Daher auch der Begriff »schmut-ziges Floaten« für Währungssysteme, in denen die Zentral-banken einen Wechselkurs durch Interventionen in die eineoder andere Richtung beeinflussen.

Heute gibt es nach der Statistik des Internationalen Wäh-rungsfonds über 80 Länder, die ein Währungssystem des»Managed Floating« oder des »Independent Floating« ha-ben und sich dabei explizit auch zur Möglichkeit der Inter-ventionen bekennen. Die tatsächliche Zahl der Länder, diedazu zu rechnen sind, ist vermutlich sogar noch größer.Dazu gehören nicht nur die kleineren Länder wie Schwe-den oder die Schweiz (oder gar Ghana und Guinea), son-dern auch die Großen wie Japan, die USA oder Großbri-tannien. Interventionen sind heute unter Ökonomen durch-aus hoffähig. Wenn ich es recht sehe, befürwortet derzeitdie Mehrzahl der europäischen Ökonomen – wohl auch das

Martin Hüfner*

* Dr. Martin Hüfner ist Chefvolkswirt der HypoVereinsbank, München.

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ifo Institut – Interventionen zur Verhinderung einer zu star-ken Euro-Aufwertung.

Auch die Haltung der Europäischen Zentralbank zur Frageder Interventionen ist eher pragmatisch. Sie hat bereits aufden Devisenmärkten eingegriffen (im Jahre 2000, als derEuro in ihren Augen stark unterbewertet war). In der ge-genwärtigen Diskussion über Interventionen hat sie sich we-der positiv noch negativ geäußert.

II.

Fangen wir bei der Diskussion der Interventionen also mitden Zielen an. Hier gibt es in der derzeitigen Diskussion ei-nige Konfusion. Der Devisenmarkt und auch weite Teile derÖffentlichkeit sehen den Wechselkurs vor allem im Hinblickauf Wachstum und Beschäftigung. Je stärker sich der Euroaufwertet, umso schlechter für die konjunkturelle Aufwärts-bewegung. Tatsächlich ist der gegenwärtige Kurs (1,35 Dol-lar) ja in historischer Perspektive schon sehr hoch. Er ent-spricht einem Dollar/D-Mark-Kurs von 1,45). Das liegt deut-lich unter der Marke, die ein vorsichtiger Kaufmann früherals normale Kalkulationsbasis ansah (1,60 DM). Er ist abernatürlich auch noch erheblich über dem bisherigen Tiefst-kurs (1,35 DM). Interventionen bieten sich also als ein Ins-trument der Konjunkturpolitik an.

Nur leider sieht das aus der Sicht der Zentralbank, die dieInterventionen letztlich durchführen muss, anders aus. DasMandat der EZB ist nicht in erster Linie die Stabilisierung derKonjunktur, sondern die Wahrung der Preisstabilität. Auf-wertungen helfen grundsätzlich der Stabilitätspolitik. Siedämpfen die Importpreissteigerungen, was in Zeiten hoherÖlpreise besonders ins Gewicht fällt. Sie bremsen die kon-junkturelle Dynamik und wirken auch auf diese Weise sta-bilitätsfördernd. Wo die Europäische Zentralbank nur auf-passen muss, ist, dass die Dämpfung des Preisauftriebsnicht zu weit geht und am Ende zu einer Deflation führt.Davon ist die EZB bei einer Zunahme der Preise gemessenam Harmonisierten Verbraucherpreisindex von über 2% inEuropa noch weit entfernt. Insofern sind Interventionen ausSicht der Notenbank viel weniger dringlich. Sie wären im der-zeitigen Stadium aus geldpolitischer Sicht sogar kontra-produktiv, weil sie die Rückkehr der zu hohen Preissteige-rung auf das angestrebte Niveau von 2% bremsen würden.

Aus heutiger Sicht könnte sich die Meinung der Zentral-bank erst bei Kursen von über 1,45 bis 1,50 Dollar ändern,aber auch dann nur bei Zugrundelegung des stabilitätspo-litischen Gesamtbildes. Es muss also wirklich eine Deflati-on drohen oder der Preisanstieg auch mittelfristig so geringwerden, dass die Zentralbank ohne Gefährdung ihres Man-dats auch wachstums- und beschäftigungspolitische Zielein Betracht ziehen kann.

Angesichts der unterschiedlichen Sichtweisen der Inter-ventionen durch Konjunktur- und Geldpolitik stellt sich dieFrage, ob die Regierungen die EZB mit Interventionen aufden Devisenmärkten beauftragen könnten. Meiner Kennt-nis nach geht dies nur in außergewöhnlichen Situationen.Die Zentralbank ist nach allgemeiner Ansicht für das tägli-che Geschäft an den Devisenmärkten, also die Glättung vongrößeren Schwankungen, zuständig. Die Regierungen sindverantwortlich für das Währungssystem insgesamt und da-mit nur für systemische Fehlentwicklungen. In der bisheri-gen Praxis der Europäischen Währungsunion hat sich hiernoch kein größerer Konflikt ergeben. In jedem Fall könnendie Regierungen derzeit nicht damit argumentieren, dass diederzeitige Entwicklung des Euro-Kurses ein systemischesProblem stellt.

Ich schließe mich in der Frage der Ziele der Argumentationder Zentralbank an, auch deshalb, weil die negativen Wir-kungen des hohen Eurokurses auf die Konjunktur bei demgegenwärtigen Kursniveau noch nicht so groß sind, dassdie Zentralbank ihr Pulver jetzt schon verschießen sollte. Daskann sich bei steigendem Eurokurs jedoch ändern.

III.

Es gibt freilich einen Fall, in dem die Zentralbank auch vonihren Zielen her selbst zur Intervention bereit ist. Man kannInterventionen ja unterscheiden in

– Eingriffe zur Verringerung der Volatilität der Wechselkur-se, also zur Verhinderung von »disorderly market condi-tions«, und

– Eingriffe zur Beeinflussung des langfristigen Trends derWechselkurse, derzeit also zur Verhinderung einer zu star-ken Aufwertung des Euro.

Es besteht weitgehend Einigkeit, dass disorderly market con-ditions unerwünscht sind. Darunter versteht man kurzfristi-ge große Schwankungen der Wechselkurse ohne einen kla-ren, fundamental begründeten Trend. Solche Schwankun-gen können die Kosten der ex- und importierenden Wirt-schaft erheblich erhöhen. Sie können aber auch gesamt-wirtschaftlich negative Wirkungen entfalten, etwa wenn ei-ne starke Abwertung die Preise im Inland in die Höhe treibtund es daraufhin in der Lohnpolitik zu negativen Zweitrun-deneffekten kommt.

In solchen Fällen ist unbestritten, dass eine Zentralbank aufden Devisenmärkten intervenieren soll. Die Chancen, dasssie dabei Erfolg hat, sind auch nicht schlecht. Zum einenweiß der Markt nicht recht, wo er hin will; die Händler wer-den umso unsicherer, je weiter sich die Kurse vom langfris-tigen Trend entfernen. Sie werden also nicht gegen die Zent-ralbank spekulieren wollen. Zum anderen müssten sich die

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großen Zentralbanken der Welt in solchen Fällen relativ ein-fach über die Diagnose einigen können und dann an einemStrang ziehen. Es würde daher mit großer Wahrscheinlich-keit zu konzertierten Interventionen kommen. Kein Händlerwird aber gegen die geballte Macht aller Zentralbanken Po-sitionen halten. Dazu ist das Risiko, dass er auf dem falschenFuß erwischt wird, zu groß.

Die derzeitige Entwicklung an den Devisenmärkten ist frei-lich in keiner Weise als »disorderly« zu bezeichnen. Das Jahrbegann mit 1,26 Dollar; im Januar und Februar wurden Kur-se von 1,29 Dollar erreicht. Im April und Mai fielen sie bis auf1,17 Dollar. Dann schwankten sie lange Zeit zwischen 1,19und 1,24 Dollar, bis sie zum Jahresende wieder bis auf knapp1,35 Dollar stiegen. Die maximale Differenz zwischen Höchst-und Tiefstkurs lag damit – über das ganze Jahr berechnet –bei weniger als 15%. Das sind Differenzen, wie sie sogar nochmit dem Europäischen Währungssystem II vereinbar wären.Danach dürfen die Wechselkurse um ± 15% schwanken. Dasist sicher kein Casus für Interventionen.

Freilich waren die Kursbewegungen zeitweise hektisch undbesonders schnell – so schnell, dass EZB-Präsident Tri-chet sie als »brutal« bezeichnete. Der Euro stieg von MitteOktober bis Anfang Dezember, also in zwei Monaten von1,22 auf 1,35 Dollar; das sind über 10%. Wenn sich dies sofortsetzen würde, wären wir Anfang Februar bei 1,48 Dollarund Anfang April bei 1,64 Dollar. Eine solche Bewegungüberfordert die Anpassungsfähigkeit jedes Systems. Die Zen-tralbank muss alles tun, um so schnelle Veränderungen zuverhindern.

Freilich gab es in dieser Zeit auch am Markt viele Händler,die die Bewegung für zu schnell hielten. Eine Reihe vonMarktteilnehmern ging schon bei Kursen ab 1,29 Dollar»short« in Euro in der Erwartung, dass es eine so genann-te »technische Reaktion« gäbe. Damit baute sich eine sta-bilisierende Spekulation auf, die ein Eingreifen der Zentral-bank überflüssig machte. Es dauerte allerdings eine Weile,bis sich das am Markt durchsetzte und die Aufwertungbremste.

IV.

Wie sind nun Interventionen als Mittel der Währungspolitikzu beurteilen? Sie kommen aus meiner Sicht nur in Betracht,a) wenn sie Aussicht auf Erfolg haben, es muss also dieChance bestehen, den Trend zu brechen, und b) wenn dieKosten der Intervention nicht höher sind als ihr Nutzen.

Ob Interventionen Erfolg haben, hängt davon ab,

– dass zum einen die Kräfte, die die Aufwertung bewir-ken, nicht zu stark sind. Das war zum Beispiel im Herbst

2000 der Fall, als der Euro bei 0,82 Dollar notierte undder Markt nicht mehr recht wusste, wohin die Reise geht.Damals konnte die EZB den Markt mit relativ geringenBeträgen »drehen«. Derzeit stellt sich die Lage aber ganzanders dar. Der Aufwertungstrend ist so stark, dass nichteinmal die stabilisierende Spekulation ihn aufhalten kann.Natürlich würden die Märkte »zittern«, wenn über denTicker die Meldung läuft, dass die EZB interveniert. Er-fahrungsgemäß kehren die Märkte jedoch sehr schnellzu einer nüchternen Betrachtung zurück und überlegen,ob die Intervention wirklich durchgehalten und damit er-folgreich sein kann. Derzeit glauben wenige, dass eineIntervention wirklich Erfolg haben könnte;

– zum anderen dass die Notenbank bereit ist, mit großenBeträgen zu intervenieren. Die Bank von Japan hat bei-spielsweise in den letzten zwei Jahren Dollar im Wertvon rund 320 Mrd. gekauft. Allein im Januar 2003 gingsie mit einer Summe von 70 Mrd. Dollar in den Markt. Esist der Bank von Japan damit gelungen, eine Aufwer-tung des Yen über 105 Yen pro Dollar zu verhindern. ImFrühjahr stellten die Japaner die Interventionen ein undinzwischen hat sich der Yen dann doch weiter aufge-wertet. Ich vermute, dass die Europäische Zentralbanknicht bereit wäre, solche Summen für Interventionen aus-zugeben.

– Wenn die EZB das aber nicht will, müsste sie konzertiertzusammen mit anderen Notenbanken intervenieren. Dannwäre nicht nur die quantitative Wirkung der Interventio-nen größer; es käme auch noch der psychologische Ef-fekt dazu, dass nicht nur eine Zentralbank dahinter steht.Die Japaner haben Ende vorigen Jahres zeitweise dasGerücht gestreut, sie würden gemeinsam mit der EZBauf den Devisenmärkten intervenieren. Das hat den Marktfreilich nicht sehr beeindruckt. Ich vermute, dass selbsteine konzertierte Intervention von Japanern, Briten undSchweizern zusammen mit der EZB keine größere Wir-kung hätte. Nach wir vor ist die amerikanische Fed diewichtigste Notenbank der Welt. Wenn diese den Märk-ten signalisiert, dass sie einen schwächeren Dollar fürrichtig hält, sind konzertierte Aktionen der anderen Zent-ralbanken weitgehend umsonst. Wie wichtig die Koope-ration der Vereinigten Staaten ist, zeigte sich im Jahr 2000,als die Amerikaner mit ihren öffentlichen Äußerungen vollhinter den Interventionen der EZB standen, sich tat-sächlich aber kaum selbst an den Dollarkäufen beteilig-ten (so jedenfalls der Eindruck der Märkte damals).

– Schließlich kommt es für den Erfolg der Interventionender Notenbank darauf an, dass sie Rückenwind von denfundamentalen Faktoren haben. Wenn der Markt der Mei-nung ist, dass er – gemessen an den fundamentalen Fak-toren – richtig liegt und die Notenbanken sich zu »un-recht« dagegen stellen, werden die Märkte in jedem Fallversuchen, den Widerstand der Notenbank zu brechen.Das erinnert dann an Beispiele des Fixkurs-Systems, alsdie Notenbanken unrealistisch gewordene Wechselkur-

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se verteidigen mussten und es die Märkte als »sichereWette« ansahen, sich gegen die Notenbanken zu stel-len. Derzeit deuten die fundamentalen Faktoren aber ein-deutig in Richtung auf einen schwächeren Dollar: das ho-he Leistungsbilanzdefizit der Amerikaner, die öffentlichenÄußerungen aus der amerikanischen Administration undder Notenbank und die Bemühungen der nicht-ameri-kanischen Notenbanken, ihre Währungsreserven aus Ri-sikoerwägungen stärker zwischen Dollar und Euro zudiversifizieren. Wer auf eine Aufwertung des Euro spe-kuliert, muss sich also auf der richtigen Seite fühlen.

Insgesamt gesehen erscheint es aus diesen Gründen frag-lich, ob Interventionen den Aufwärtstrend des Euro wirklichbremsen oder gar verhindern könnten. Es ist aber dasSchlimmste für die Glaubwürdigkeit einer Notenbank, wennsie einen Markttrend zu verhindern sucht und dies am En-de nicht schafft.

Unter den Kosten einer Intervention, die dem Nutzen vonDollarkäufen zur Verhinderung oder Verlangsamung der Euro-Aufwertung entgegenstehen, verstehe ich hier in erster Li-nie die Ausweitung der Geldmenge. Sie fällt vor allem des-halb ins Gewicht, weil die Liquiditätsausstattung der euro-päischen Wirtschaft bereits jetzt sehr hoch ist. Wenn die EZBhier noch interveniert, kann sie auch gleich die Zinsen sen-ken, was sie unter den gegenwärtigen Bedingungen sichernicht will. In Japan spielte das Geldmengenargument keinegrößere Rolle, weil sich Japan nach wie vor in einer Deflati-on befindet und daher an den inflationären Wirkungen derhohen Geldmenge interessiert ist.

Das gilt freilich nur für »nicht sterilisierte« Interventionen. Waspassiert, wenn die Zentralbank die Zuführung von Liquidi-tät über ihre regelmäßigen Refinanzierungsgeschäfte ent-sprechend verringert? Immerhin handelt es sich bei den wö-chentlichen Refinanzierungsgeschäften um einen Betrag vonknapp 300 Mrd. Euro. Das gibt der EZB also einen erheb-lichen Spielraum, mehr als sie sicherlich je in Betracht zie-hen würde. Früher glaubte man, dass die Sterilisierung derInterventionen ihre Wirkung auf den Devisenmärkten be-einträchtige, weil dann die Zinseffekte zur Interstützung derDollarkäufe wegfallen. Die neuere Forschung hat jedochüberzeugende empirische Argumente gefunden, dass auchsterilisierte Interventionen wirksam sind. Am Markt schautman ohnehin nicht so sehr darauf, ob eine Intervention ste-rilisiert wird oder nicht.

Das Geldmengenargument gegen Interventionen ist alsonicht so stark, wie vielfach behauptet wird. Gleichwohl bleibtein ungutes Gefühl. Zum einen gelingt die Sterilisierung er-fahrungsgemäß immer nur teilweise, weil die Zentralbank dieNachfrage des Marktes nach Geld ja erfüllen muss. Die ne-gativen Wirkungen auf die Geldmenge werden umso grö-ßer, je stärker die Interventionen sind. Es könnte sein, dass

die Märkte testen wollen, wie weit die EZB im Falle von In-terventionen denn wirklich gehen wird und ob nicht irgend-wann doch die Schmerzgrenze der EZB erreicht sein könn-te. Zum anderen fragt sich, ob auf Dauer nicht doch die Preis-erwartungen zunehmen könnten und es am Schluss mehrInflation geben könnte. Dies insbesondere auch deshalb,weil die Notenbank durch die Interventionen die positivendirekten Preiseffekte über die Importpreise unterbindet oderabschwächt. Hinzu kommt, dass auf den Märkten jetzt schondie negativen Wirkungen der hohen Liquidität spürbar sindin Form von hohen Asset-Preisen insbesondere auf deneuropäischen Renten- und auf einigen nationalen Immobi-lienmärkten.

V.

Das Fazit: Bei den gegenwärtigen Kursen erscheint eine In-tervention der EZB unter Abwägung aller Faktoren nicht alssinnvoll. Entscheidend ist vor allem, dass sie unter den der-zeitigen Bedingungen von den Zielen nicht dringlich ist, vonden Mitteln kaum erfolgreich sein kann und dass die Kos-ten in Form einer Ausweitung der Geldmenge in meinenAugen auch bei einer Sterilisierung zu hoch sind. Freilichnehmen die Argumente gegen Dollarkäufe mit steigendemEurokurs ab. Es könnte daher irgendwann der Zeitpunktkommen, an dem Interventionen sinnvoll werden. Das könn-te der Fall sein, wenn die Entwicklung zu schnell verläuft (unddann auch den Amerikanern zu schnell wird) oder wenn Kur-se von über 1,50 Dollar erreicht sind, die das Preis- unddas Konjunkturbild dann doch anders aussehen lassen.Die Analyse zeigt jedoch, dass auch dann eine sorgfältigeAbwägung aller Punkte notwendig ist, so dass eine einfa-che Faustformel nicht möglich ist.

Literatur

Calvo, G.A. und C.M. Reinhardt (2002), »Fear of Floating«, Quarterly Journalof Economics CXVII(2), 379–408.Hüfner, F. (2004), Foreign Exchange Intervention as a Monetary PolicyInstrument, Physica, Springer, Heidelberg, New York.

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Gegen Devisenmarktinterventionen

»Die ganze Vorstellung, dass der Zinssatz als ein Instru-ment der Politik zu gebrauchen sei, ist völlig verfehlt, da nurder Wettbewerb auf einem freien Markt all den UmständenRechnung tragen kann, die bei der Bestimmung des Zins-satzes berücksichtigt werden sollten.«Friedrich August von Hayek, Entnationalisierung des Gel-des, 1977, S. 98.

Im Zuge der Aufwertung des Euro gegenüber wichtigen Han-delswährungen, insbesondere dem US-Dollar, ist die Euro-päische Zentralbank (EZB) vielfach aufgefordert worden, imDevisenmarkt zu intervenieren, um dem Aufstieg der Ein-heitswährung Einhalt zu gebieten; befürchteten wechselkurs-induzierten Wachstums- und Beschäftigungsverlusten soll soentgegengetreten werden.1 Bislang hat die EZB diesen Ru-fen widerstanden – wenngleich sie auch ihrem Missfallen überdie jüngsten Wechselkursbewegungen deutlich Ausdruck ver-liehen hat.2 Die EZB wäre aber aus einer Reihe von (polit-)öko-nomischen Gründen gut beraten, Forderun-gen nach Devisenmarktinterventionen auchkünftig nicht nachzukommen.

Am Anfang der Diskussion um die Frage, obdie Zentralbank in das freie Marktspiel ein-

greifen soll, muss die Beantwortung der Frage stehen: Istder Euro »überbewertet«? Dazu ist es nötig, sich Aufschlussüber den realen Wechselkurs zu verschaffen, denn er ist dasMaß für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit einer Volks-wirtschaft im Außenhandel. Abbildung 1 zeigt die preislicheWettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft für die Zeitvon 1972 bis Ende 2004. Selbst nach der jüngsten Auf-wertung des Euro ist die Wettbewerbsfähigkeit der deut-schen Wirtschaft immer noch etwas besser als im langfris-tigen Durchschnitt.3 Abbildung 2 zeigt das gleiche Maß fürdie Verhältnisse im Euroraum für die Periode von 1978 bisEnde 2004. Wie zu erkennen ist, hat die jüngste Euro-Auf-wertung den realen Wechselkurs nur um etwa 3% über denlangfristig zu beobachtbaren Durchschnitt gehoben. Sowohlfür Deutschland als auch für den Euroraum gibt es bislangalso keine Indikation, die eine »irrationale Übertreibung« –und damit einen Bedarf für Staatsinterventionen – diagnos-tizieren würde.

Theoretische Wechselkursmodelle sind jedoch mit großerVorsicht zu interpretieren, wenn es gilt, wirtschaftspoliti-sche Folgerungen abzuleiten. Sie beruhen auf bestimmtenPrämissen, und die zugrunde liegenden wertbestimmendenFaktoren entziehen sich meist der direkten empirischen Über-prüfbarkeit. So basiert z.B. die Kaufkraftparitätentheorie derWechselkurse auf der Annahme, dass die betrachteten Gü-tergruppen der Länder homogen sind, eine Annahme, diein einer globalen, arbeitsteiligen Wirtschaft zunehmend un-angebracht erscheint. Zudem liegt es nahe, dass es nichtaktuelle Daten sind, die die Wechselkurse bestimmen, son-dern Erwartungen über künftige Entwicklungen – etwa dieErwartung über die relative Rendite, die mit Investitionen in

Ansgar Belke und Thorsten Polleit*

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Ein Steigen (Fallen) der Zeitreihe signalisiert ein Aufwerten (Abwerten) des Euroraum-Wechselkurses.

Preisliche Wettbewerbsfähigkeita)

der deutschen Wirtschaft

Quelle: Deutsche Bundesbank.

a) vis-a-vis 19 Industrieländern, auf Basis der Konsumentenpreise.

"Durchschnittsband" 1972 bis 2004 und 1990 bis 2004

Abb. 1

* Prof. Dr. Ansgar Belke ist Inhaber des Lehrstuhls für Au-ßenwirtschaft an der Universität Hohenheim. Dr. Thorsten Polleit ist Chefökonom Deutschland vonBarclays Capital und Honorarprofessor an der Hoch-schule für Bankwirtschaft, Frankfurt.

1 Nach seiner Einführung am 4. Januar 1999 fiel der Eurogegenüber dem US-Dollar von knapp 1,18 auf 0,82bis zum Oktober 2000, danach stieg er bis auf 1,36 imDezember 2004.

2 Anfang November 2004 – der Euro handelte bei knapp1,30 gegenüber dem Greenback – nannte EZB Präsi-dent Jean-Claude Trichet die Euro-Aufwertung wieder»brutal« (ein Adjektiv, das im französischen Sprachge-brauch wohl weniger negativ belegt ist als im englischenund deutschen Sprachgebrauch).

3 Gerade für Deutschland gilt, dass in den letzten Jahren gesunkene Ex-portvolumina in Regionen außerhalb durch gestiegene Volumina innerhalbdes Euroraums kompensiert wurden und die Wechselkursabhängigkeit da-mit tendenziell abgenommen hat.

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zwei Währungsräumen zu erzielen ist. Jedoch lassen sichdiese nicht unmittelbar beobachten und messen. Folglichdeutet ein Abweichen eines theoretischen Wechselkursesvom Marktpreis nicht zwangsläufig auf ein »(Un-)Gleichge-wicht« hin und rechtfertigt damit auch per se keine Rufe nachkorrigierenden Zentralbankeninterventionen.

Eine weitere Frage, die es zu klären gilt, ist gleichzeitig vongrundsätzlicher Art: Ist es ökonomisch wünschenswert, dassZentralbanken im Devisenmarkt intervenieren? Die Preisbil-dung am Markt ist der freiheitliche Ausdruck für die Wert-haltigkeit, die Marktakteure knappen Gütern zuweisen. Zwei-fel sind angebracht, ob Behörden es »besser« wissen: Mankann nicht davon ausgehen, dass staatliche Stellen über einsuperiores Wissen über die Höhe des »richtigen« gleichge-wichtigen Wechselkurses verfügen, das einen Markteingrifflegitimieren könnte. Besteht aber Unwissen über den rich-tigen Wechselkurs, kann die Abweichung des aktuellen vondiesem Wert auch nicht verlässlich bestimmt werden. WennNotenbanken dennoch bei einem Wechselkurs interventio-nieren, der sich in enger Nachbarschaft des tatsächlichenGleichgewichts befindet, ist es meist so, dass diese Politik-maßnahme zusätzliche Volatilität induziert, die letztlich derInvestitionstätigkeit und der Beschäftigung abträglich sind.

Es scheint für viele Kommentatoren ausgemachte Sache zusein, dass eine Euro-Aufwertung Produktions- und Be-schäftigungseinbußen nach sich zieht. Doch das ist alles an-dere als sicher. Erstens sorgt eine Euro-Aufwertung für»Terms-of-Trade«-Gewinne – man erhält nunmehr mehr Im-port- für Exportgüter –, und dies macht die Bürger im Eu-roraum reicher. Sie eröffnet aber auch Spielräume für höhereLöhne oder mehr Beschäftigung. Man denke auch an die-ser Stelle an die dämpfende Wirkung der Euro-Aufwertung,die den Ölpreisanstieg in heimischer Währung markant ab-gemildert und damit die verfügbaren Einkommen gestützthat. Nicht zuletzt ist eine Währungsaufwertung, die mit ei-

ner Verbesserung der Einschätzung der Wirt-schaftslage verbunden ist, vorteilhaft für Aus-länder, die im Inland investieren wollen. Einerhöhter Zufluss von Auslandskapital dürftepositiv für die Wirtschaftsentwicklung sein.

Man sollte nicht übersehen, dass die öffent-liche Diskussion über den Wechselkurs imEinflussbereich polit-ökonomischer Zusam-menhänge steht. So kann es nicht verwun-dern, dass regelmäßig (Industrie-)Interes-senvertreter und auch Regierungen geflis-sentlich Argumente negieren, die gegen De-visenmarktinterventionen sprechen; undmancher Ökonom mag dem Anreiz erliegen,publizitätswirksam mit den »Wölfen zu heu-len«: Sie versprechen sich von staatlichenDevisenmarktinterventionen einen Nettovor-

teil. Exporteure hoffen darauf, ihre Umsätze verbessern zukönnen; und Regierungen eröffnet sich durch Devisen-marktinterventionen quasi durch die Hintertür der Weg in dieBilligzinspolitik. Wechselkursmanipulationen sollen schmerz-hafte strukturelle Anpassungen abmildern oder gänzlich um-gehen. Was für den Einzelnen in der Tat wünschenswerterscheinen mag, gilt nicht notwendigerweise für das Markt-system insgesamt: Kommt die Notenbank Forderungen nachAbwertung nach, mindert sie die Anreize für die Marktak-teure, sich an ändernde Umstände anzupassen – und ero-diert damit eine der entscheidenden Triebfedern für nach-haltiges Wachstum und Beschäftigung. Gerade bei negati-ven Angebotsschocks sollte deshalb von akkomodierendenAbwertungen abgesehen werden. Hierdurch würden allen-falls kurzfristig Symptome gelindert, die Anreize, verkruste-te Strukturen aufzubrechen, werden jedoch spürbar gesenkt,so dass mittel- bis langfristig Wachstum und Beschäftigungabnehmen.

Auf theoretischer Ebene wird die Geldpolitik zur Bekämp-fung einer Konjunkturflaute durch die Einbeziehung der Theo-rie rationaler Erwartungen in Frage gestellt. Bei rationalenErwartungen, d.h. wachsamen und lernfähigen Marktak-teuren, ist für eine dauerhafte Periode der Preisniveausta-bilität eine glaubwürdige und stetige Geldpolitik die Grund-lage. Bei einer (wiederholten) Interventionspolitik kann dieGlaubwürdigkeit der Zentralbank leicht ins Wanken geratenund nur unter erheblichen Output- und Beschäftigungs-kosten wiederhergestellt werden. Falls die Geldpolitik ein-mal systematisch im Dienste einer Abwertung genutzt wur-de, werden die erwarteten Folgen eines wiederholten Rück-griffs auf Devisenmarktinterventionen durch eine Antizipati-on z.B. in (Tarif-)Verträgen der Marktakteure eingeschränkt.Die tarifpolitische Disziplin der Lohnverhandlungsparteienwürde sich abschwächen. Eine monetär induzierte Wech-selkurspolitik liefe Gefahr, selbst destabilisierende reale Ef-fekte auszulösen und die Funktionsweise und Dynamik ma-kroökonomischer Systeme zu ändern.

Abb. 2

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Das aktuell wohl überzeugendste Argument gegen Devi-senmarktinterventionen der EZB steht im unmittelbaren Zu-sammenhang mit dem Auftrag der Bank: den Geldwert zusichern. Markteingriffe zur Abwertung des Euro – ob durchDevisenkäufe oder Zinssenkungen – führen zu einer Erhö-hung der Geldmenge. Das würde die Inflationsperspekti-ven weiter verschlechtern. Angesichts der ohnehin schonhohen Überschussgeldmenge im Euroraum wäre eine der-artige Politik nicht vereinbar mit dem Ziel der EZB, die Preis-stabilität mittelfristig zu gewährleisten: Schon heute wächstdie Geldmenge – getrieben durch die extreme Billigzinspo-litik – weitaus stärker als mit einer Inflation von unter 2%kompatibel ist. Zwar könnte man daran denken, dass dieEZB nach dem Kauf von US-Dollar die geschöpfte Liquidi-tät wieder neutralisiert. Jedoch würde bei einer solchen Po-litik dann vermutlich sogar ein temporärer Kursausschlagdes Wechselkurses ausbleiben. Derzeit ist die EZB dahernicht in der Lage, den Wechselkurs zu manipulieren, ohnedabei das Inflationsziel zu verletzen.

Devisenmarktinterventionen zu empfehlen, entstammt viel-fach nicht nur dem Bestreben, die wirtschaftliche Situationverbessern zu wollen, sondern auch der Auffassung, esdurch Staatseingriffe erreichen zu können. Wie in vielen an-deren Politikbereichen, so gilt jedoch auch in der Geldpoli-tik, dass das Wissen um die ganzen Konsequenzen von De-visenmarktinterventionen viel zu beschränkt ist, als dasssolch ein Politikinstrument leichtfertig zu empfehlen wäre.Im Interesse der Wohlfahrt aller Bürger im Euroraum solltedie EZB folglich darin bestärkt werden, ihrem Kernmandatnachzukommen: der Bewahrung der Kaufkraft des Geldes.Niedrige und stabile Inflation im Euroraum ist der beste mo-netäre Beitrag für Wirtschaftswachstum. Die bisherigen Ent-wicklungen im Devisenmarkt geben auch keine Hinweise,dass ein »Marktversagen« vorliegen würde, auf das die Wirt-schaftspolitik zu reagieren hätte. Die Sorge um Wachstumund Arbeitsplätze, die die Diskussion um Devisenmarktin-terventionen speist, sollte vielmehr anspornen, die Lohn-und Preisflexibilität zu stärken, damit die volkswirtschaftli-chen Ressourcen sich schnell und mit geringen Kosten aufsich ändernde Umstände anpassen können: In einer Markt-wirtschaft ist es die Aufgabe der Unternehmen, nicht die derGeldpolitik, sich an ständig ändernde Marktumstände an-zupassen.

Im gegenwärtigen Umfeld nicht ratsam

Meine Antwort auf diese Frage lautet zur gegenwärtigen Zeit:nein. Die Bedingungen für eine erfolgreiche Devisenmarkt-intervention sind meines Erachtens nicht gegeben.

Als teilnehmender Beobachter des Devisenmarkts habeich keine grundsätzlichen Bedenken gegen Interventionen.Devisenmärkte sind nicht immer effizient in dem Sinne,dass sie alle öffentlich verfügbaren Informationen wider-spiegeln. Zumindest gelegentlich wird die Preisbildungdurch selektive Wahrnehmung der Mehrheit der Markt-teilnehmer und Herdeneffekte verzerrt. Unter diesen Um-ständen können Devisenmarktinterventionen der Zentral-banken den Märkten zu größerer Effizienz verhelfen. Au-ßerdem kann durch Devisenmarktinterventionen natürlichLiquiditätssteuerung betrieben und damit der Kurs derGeldpolitik verändert werden.

Allerdings haben sowohl ökonomische Forschung alsauch praktische Erfahrung gezeigt, dass der Erfolg vonDevisenmarktinterventionen von der Erfüllung einer Rei-he von Bedingungen abhängt. Werden die Liquiditätsef-fekte der Intervention nicht sterilisiert, so dürfen diese nichtder allgemeinen Ausrichtung der Geldpolitik widerspre-chen. Es ist z.B. widersinnig, gleichzeitig die Zinsen an-heben und die eigene Währung am Devisenmarkt ver-kaufen zu wollen. Kann aufgrund der Ausrichtung derGeldpolitik nur eine sterilisierte Intervention erfolgen, sosollte diese

– nicht gegen den ökonomisch fundierten Trend der Wech-selkurse gehen,

– in einem Markt erfolgen, in dem spekulative Kräfte fun-damental orientierte Kräfte dominieren, und

Thomas Mayer*

* Dr. Thomas Mayer ist Chefvolkswirt, Europa, bei der Deutschen Bank,London.

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– möglichst von den für die betroffenen Währungen ver-antwortlichen Zentralbanken gemeinsam durchgeführtwerden.

Sind diese Bedingungen erfüllt, können Devisenmarktinter-ventionen nachhaltige Erfolge haben. Das wohl berühmtesteBeispiel einer erfolgreichen Intervention in der Geschichtefloatender Wechselkurse ist das Plaza-Abkommen vom Sep-tember 1985. Im Februar desselben Jahres hatte der US-Dollar seine Spitze überschritten und im Verlauf des weite-ren Jahres etwas an Wert verloren. Gemeinsame Devisen-marktintervention der G5-Zentralbanken (USA, Japan,Deutschland, Frankreich und Großbritannien) und eine ent-sprechende Presseerklärung der Finanzminister nach einemTreffen im September 1985 verstärkten dann die fundamentalnotwendige weitere Dollarabwertung. Ein anderes Erfolgs-beispiel war die Stabilisierung des Euro im Herbst 2001.Nach einer deutlichen Abwertung unter ihren fundamentalgerechtfertigten Wert hatte die europäische Gemein-schaftswährung gegen Mitte des Jahres einen Tiefpunkterreicht und bewegte sich in den Sommermonaten orien-tierungslos seitwärts. Die gemeinsame Intervention der USFederal Reserve, der EZB (zusammen mit ihren nationalenZentralbanken) und der Bank von Japan wies den Märktendann eine neue Richtung für den Kurs des Euro.

Aber es gibt auch Beispiele für fehlgeschlagene Aktionenzur Wechselkurstabilisierung. So versuchten die G7-Fi-nanzminister im Februar 1987 im so genannten Louvre Ac-cord eine Stabilisierung des inzwischen stark geschwäch-ten Dollars einzuleiten. Die Märkte bezweifelten jedoch, dassder Dollar schon genügend abgewertet hatte, um eine Trend-wende des US-Leistungsbilanzdefizits einzuleiten. Daherstiegen die Risikoprämien auf US-Dollar-Anlagen und dieFed hob die Zinsen an. Die Aussicht auf weiter steigendeZinsen zur Dollarstabilisierung unterminierte die Bewertungdes Aktienmarkts und trug zum Aktienmarktkrach vom Ok-tober 1987 bei. Nach diesem Ereignis setzte der Dollar sei-ne Talfahrt fort.

Im weiteren Verlauf der achtziger Jahre versuchte Japan sichmit einer lockeren Geldpolitik und beträchtlichen Interven-tionen am Devisenmarkt einer Aufwertung des Yen zum Dol-lar entgegenzustellen. Die dadurch geschaffene Liquiditätblähte die Preise für Vermögenswerte zu einer gewaltigenBlase auf, deren Platzen Anfang der neunziger Jahre dasLand in die Rezession und schließlich Deflation stürzte. Auchist es Japan in jüngerer Zeit trotz massiver Yen-Verkäufegegen US-Dollar nicht gelungen, eine Aufwertung seinerWährung um mehr als 20% im Zeitraum von 2002 bis 2004zu verhindern.

Diese Erfahrungen zeigen, dass vor einer Entscheidung zurIntervention sorgfältig zu prüfen ist, ob die Bedingungen füreine erfolgreiche Aktion gegeben sind. Wie steht es nun hier-

mit für Interventionen gegen eine weitere Aufwertung desEuro? Offensichtlich stehen nicht steriliserte, liquiditäts-schaffende Verkäufe von Euro gegen Dollar im Gegensatzzur erklärten Absicht der EZB, eine Abschwächung des Geld-mengenwachstums zu seinem Referenzwert anzustreben.Gegenwärtig wächst die Geldmenge M3 immer noch mit ei-ner Rate von rund 6%, also 1,5 Prozentpunkte über ihremReferenzwert, und die EZB schätzt, dass Ende 2004 ein Li-quiditätsüberhang (bereinigt um Inflations- und Portfolio-umschichtungen) in Höhe von etwa 2% des Geldbestan-des existierte.1 Auch wenn sich die geschaffene Liquiditätin absehbarer Zeit nicht auf die Konsumentenpreisinflationauswirken sollte, so zeigt das Beispiel Japans, dass exzes-sive Liquiditätsversorgung der Wirtschaft zu einer Blase beiden Vermögenswerten führen kann. Solange daher für dieEZB die Inflationsrisiken (für Konsumenten- oder Vermö-genspreise) überwiegen, würde eine implizite geldpolitischeLockerung durch unsterilisierte Devisenmarktinterventionennicht nur fahrlässig, sondern auch schizophren erscheinen.

Aber auch die Bedingungen für eine sterilisierte Interventi-on scheinen nicht erfüllt zu sein. Erstens zeichnen sich nochkeine Trendwende des US-Leistungsbilanzdefizits oder ei-ne in der Zukunft das Defizit verringernde engere Finanz-politik in den USA ab. Die meisten seriösen Schätzungenzeigen, dass der US-Dollar bei gleich bleibender Finanzpo-litik noch erheblichen Abwertungsbedarf hat, bis die Wen-de im Trend des Leistungsbilanzdefizits geschafft ist.2

Zweitens ist es unwahrscheinlich, dass die US Federal Re-serve der EZB bei einer Aktion zur Stabilisierung des Dollargegenüber dem Euro zu Hilfe kommen wird. In seinem vielbeachteten Beitrag zu einer Podiumsdiskussion in Frankfurtam 19. November stellte Fed Chairman Alan Greenspan klar,dass »given the size of the U.S. current account deficit, adiminished appetite for adding to dollar balances must oc-cur at some point«. Es ist unwahrscheinlich, dass die USAdie Anleger mit alternativen Währungen versorgen werden,wenn das »unvermeidliche« passiert. In der Tat passt eineDollarabwertung sehr gut in das wirtschaftspolitische Kon-zept von US-Regierung und Notenbank. Zur Verbesserungder makroökonomischen Stabilität in den USA ist es nun ge-boten, dass die privaten Haushalte ihre Sparquote erhöhen,während gleichzeitig der Unternehmenssektor seine Er-sparnisse neuen Investitionen zuführt. Mit ihrer Politik derlangsamen Zinserhöhungen stärkt die Federal Reserve dieSparneigung der US-Haushalte, während die Dollarabwer-tung gleichzeitig die Exportaussichten und damit die Inves-titionsneigung im Unternehmenssektor verbessert. Zinser-

1 Vgl. EZB, Monetary analysis in real time, Monatsbericht, Oktober 2004.2 So schätzen z.B. Obstfeld und Rogoff, dass der US-Dollar noch 20 bis

40% real effektiv abwerten muss, bevor das US-Leistungsbilanzdefizit ei-ne längerfristig tragbare Größe annimmt (vgl. M. Obstfeld und K. Rogoff,The Unsustainable US Current Account Position Revisited, NBER Wor-king Paper 10869, November 2004).

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höhungen und Währungsabwertung sind also komplemen-täre Teile einer Strategie, welche bei insgesamt weiterhin ex-pansiver Ausrichtung der Geldpolitik die Komponenten desgeldpolitischen Umfelds (»monetary conditions«) neu aus-tariert und damit eine Reallokation der Ersparnisse zwischenHaushalts- und Unternehmenssektor erreicht.3

Drittens gibt es keine Anzeichen dafür, dass spekulativ ori-entierte Anleger den Markt bestimmen und gegen funda-mental bedingte Entwicklungen treiben. Unter anderem istdies an den Preisbewegungen zu erkennen. So führten inder jüngeren Vergangenheit immer wieder Überraschun-gen bei Datenveröffentlichungen, die im Prinzip positiv fürden Dollar sein sollten, zu einer nur wenige Minuten anhal-tenden Erholung der US-Währung, der dann eine umso stär-kere Abschwächung folgte. Dies dürfte darauf zurückzu-führen sein, dass spekulative Marktteilnehmer bei bekanntwerden der Daten »dollar long« Positionen eingingen. Einhöherer Dollar löste dann aber Verkaufsorders von Inha-bern von Dollarbeständen aus. Fiel der Dollar dann wieder,mussten die »longs« ihre Positionen schließen, also Dollarverkaufen, was dann die US-Währung auf noch niedrigereWerte trieb.

Die Abbildung zeigt diesen Ablauf am Beispiel der Veröf-fentlichung der US-Arbeitsmarktzahlen für den Oktober. Vorder Veröffentlichung am 5. November um 13.00 Uhr Lon-doner Ortszeit lag der Konsensus der Markterwartungen beieinem Anstieg um 175 000 Stellen. Tatsächlich sprang dieBeschäftigung aber um 337 000 Stellen, was die Aussich-

ten auf eine Zinserhöhung der Federal Re-serve am 10. November deutlich verbesser-te und daher zu spontanen Dollarkäufen führ-te. Nach einem kurzen Anstieg wurde derDollar allerdings von erneuten Verkäufen ge-drückt. Die Haussiers versuchten es nocheinmal, stießen aber wieder auf starken Wi-derstand. Dies zwang sie, ihre Euro »short«Positionen zu schließen und Euro gegen Dol-lar zurückzukaufen. Der dann folgende »shortsqueeze« katapultierte den Euro bis Endedes Tages deutlich nach oben. Würde sichdie EZB in einem solchen Umfeld als Dollar-käufer anbieten, würde sie wahrscheinlichvon Dollaranbietern überschwemmt werden.Vielleicht würden ja auch einige asiatischeZentralbanken diese Gelegenheit dann nut-

zen, um eine Teil ihrer beängstigend hohen Dollarreservenzu günstigeren Kursen abzubauen.4

Alles in allem erscheint es also nicht ratsam, im gegenwär-tigen Umfeld die Aufwärtsbewegung des Euro mit Devisen-marktinterventionen zu bekämpfen. Sollte eine Interventionmisslingen, was ich unter den beschriebenen Bedingun-gen für wahrscheinlich halte, würde die Glaubwürdigkeit derEZB beschädigt und möglicherweise der stabilitätsorientierteKurs der Geldpolitik gefährdet. Natürlich kann diese Ein-schätzung nur eine Momentaufnahme sein. Es ist durch-aus vorstellbar, dass sich die Situation so verändert, dassdie Bedingungen für Interventionen erfüllt sind und eine ent-sprechende Aktion sinnvoll ist. Bei der Abwärtsbewegungdes Euro dauerte es beinahe drei Jahre, bis dies der Fall war.Bei der Aufwertung könnte es angesichts der Problemedes US-Dollar noch erheblich länger dauern.

3 Was für die USA ideal erscheint, bringt allerdings für die Regionen mitaufwertenden Währungen erhebliche Probleme. Im Prinzip sollten dortdie geldpolitischen Bedingungen durch Zinssenkungen stabilisiert werden.Theoretisch könnte so eine Verlagerung der Wachstumskräfte von der Aus-lands- zur Inlandsnachfrage veranlasst werden, die zum Abbau der inter-nationalen Leistungsbilanzungleichgewichte beitragen würde. Leidet dieWirtschaft allerdings an strukturellen Verkrustungen, so fällt die struktu-relle Anpassung schwer, und die Währungsaufwertung, gekoppelt mit ei-ner Niedrigzinspolitik, kann zu schwächerem Wachstum bei höherer In-flation führen.

4 Ebenso war auch der Euro-Anstieg zum Jahresende eher fundamentalgetrieben. Viele Unternehmen sicherten vor dem Jahreswechsel noch ih-re Dollarpositionen ab, indem sie Dollar gegen Euro per Termin verkauf-ten. Mit dem Auslaufen der »Hedge-Aktivität« konnte dann der Dollar zumJahresbeginn etwas Boden zurückgewinnen.

Die Beiträge sind auszugsweise in englischer Sprache im CESifo InternetForum auf unserer Website www.cesifo.de zu finden.