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www.boeckler.de Mai 2007 Copyright Hans-Bckler-Stiftung Rainer Weinert Europische Restrukturierungsprozesse und Arbeitnehmerbeteiligung in europischen Grounternehmen der Metallindustrie. Das Beispiel General Motors Europe Abschlussbericht Auf einen Blick Für die europischen Gewerkschaften ist es von zentraler Bedeutung, Instru- mente zu entwickeln, mit denen die Gewerkschaften den groen Unter- nehmen "auf Augenhhe" begegnen knnen: mit der Entwicklung eines genuin europischen Vertragswerks. Die Entwicklung europischer Rahmen- vereinbarungen, die für alle Standorte und europischen Mitgliedslndern verbindlich sind, ist nicht nur die Entwicklung eines neues Regelwerkes, sie stellt eine neue gewerkschaftspolitische Strategie dar. Bislang gibt es nur wenige dieser Rahmenvereinbarungen. Das Beispiel von GM im Jahre 2004 zeigt jedoch, dass die enge Zusammenarbeit zwischen EMB und EBR das Auseinanderdividieren der Standorte in Trollhttan und Rüsselsheim verhindern konnte. 2006 gelang das in Azambuja Portugal nicht. Die Ergebnisse zeigen, dass die tatschliche europische Solidaritt, vor allem bei europaweiten Streikaktionen, noch unterentwickelt ist. Diese gewerk- schaftliche Schwche versucht das Management für seine Zwecke zu nutzen. Dennoch sind Rahmenvereinbarungen ein wirksames Instrument, europische Solidaritt herzustellen.

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Für die europäischen Gewerkschaften ist es von zentraler Bedeutung, Instru-mente zu entwickeln, mit denen die Gewerkschaften den großen Unter-nehmen "auf Augenhöhe" begegnen können: mit der Entwicklung eines genuin europäischen Vertragswerks. Die Entwicklung europäischer Rahmen-vereinbarungen, die für alle Standorte und europäischen Mitgliedsländern verbindlich sind, ist nicht nur die Entwicklung eines neues Regelwerkes, sie stellt eine neue gewerkschaftspolitische Strategie dar.

Bislang gibt es nur wenige dieser Rahmenvereinbarungen. Das Beispiel von

GM im Jahre 2004 zeigt jedoch, dass die enge Zusammenarbeit zwischen EMB und EBR das Auseinanderdividieren der Standorte in Trollhättan und Rüsselsheim verhindern konnte. 2006 gelang das in Azambuja Portugal nicht.

Die Ergebnisse zeigen, dass die tatsächliche europäische Solidarität, vor

allem bei europaweiten Streikaktionen, noch unterentwickelt ist. Diese gewerk-schaftliche Schwäche versucht das Management für seine Zwecke zu nutzen. Dennoch sind Rahmenvereinbarungen ein wirksames Instrument, europäische Solidarität herzustellen.

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Rainer Weinert

Abschlussbericht

Europäische Restrukturierungsprozesse und Arbeitnehmerbeteiligung

in europäischen Großunternehmen der Metallindustrie.

Das Beispiel General Motors Europe

Gefördert durch die Hans-Boeckler-Stiftung

- Abschluss: Mai 2007 -

PD Dr. Rainer Weinert Waldschluchtpfad 24 c 14089 Berlin

Tel. 030/364 30 453

Tel. 030/364 30 454

Email: [email protected]

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Inhalt I. Problemstellung 5 II. Zielsetzung der Studie 7 III. Erhebungen 9 IV. Die Europäische Automobilindustrie 10 IV .1. Restrukturierung in der Europäischen Automobilindustrie 10 IV .2. General Motors globale Strategie 18 V. Die Rolle der Gewerkschaften und des EBR bei General Motors Europe 24 V.1. Der Europäische Betriebsrat bei GM: Das Europäische 24 Arbeitnehmerforum V.2. Der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB) 28 VI. Der Kampf um Europäische Rahmenvereinbarungen 33 VI.1. Europäische Rahmenvereinbarungen als politisches Konzept 33 VI.2. Die Europäische Rahmenvereinbarung 2004: 34 Trollhättan oder Rüsselsheim? VI.3. Die Europäische Rahmenvereinbarung 2006: Der Kampf um das Werk in Azambuja 38 VII. Andere Beispiele Europäischer Rahmenvereinbarungen 42 VIII. Eine gewerkschaftspolitische Evaluierung der

EMB-Restrukturierungspolitik 44 IX. Sind die Erfahrungen bei General Motors verallgemeinerbar? 53 Literatur 57 Anhang 59

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I. Problemstellung

Die Entwicklung des europäischen Betriebsrates bei General Motors Europe (GME) gilt als eines der

wenigen Beispiele, in denen ein enger Zusammenschluss mit dem zuständigen europäischen

Industrieverband, dem europäischen Metallgewerkschaftsbund (EMB) gelang, ohne dass sich die

befürchteten betriebsegoistischen Tendenzen durchsetzen konnten.

Die Literatur über die europäischen Betriebsräte ist aus nahe liegenden Gründen von den Anfängen dieser

europäischen Institution geprägt. Die Mehrheit kommentiert die EBR kritisch. Nach dem bekannten

Diktum von Wolfgang Streeck sind die Europäischen Betriebsräte weder ‚europäisch’ noch ‚Betriebsräte’

(Streeck 1997). Er spielt damit polemisch darauf an, dass EBRs stark hierarchisiert sind, d.h. die

nationalen Betriebsräte, in deren Land das jeweilige Stammwerk des Unternehmens angesiedelt ist,

befinden sich in einer günstigeren Verhandlungsposition gegenüber den anderen Standorten. Erstere

kennen ‚ihr’ Management, die Verhandlungskultur des Unternehmens und werden deshalb diese

privilegierte Position insbesondere dann ausspielen, so können wir diesen Gedanken weiter entwickeln,

wenn drastische Personalkürzungen im Prozess europaweiter Restrukturierungen drohen. Die EBRs seien

auch keine „Betriebsräte“ wie sie das deutsche Recht kennt, vielmehr handelt es sich eher um Foren der

Information und Konsultation, die vor allem von den Unternehmen genutzt werden können, um ihre

Interessen durchzusetzen (ähnlich: Hancké 2000).

Eine ältere Studie belegt denn auch, dass die Organisation der bestehenden nationalen rechtlichen

und/oder gewerkschaftlichen Vertretungsstrukturen für die EBRs von zentraler Bedeutung ist. Diese

Strukturen prägten auch die EBRs, so dass aufgrund bestehender nationaler Vertretungsstrukturen

unterschieden werden könne zwischen „the Franco-Belgian, Germanic-Dutch, Nordic and southern

European groups of countries, which have such systems, from the Anglo-Irish, north American and Asian

groups, which do not.” (Marginson/Gilman/Jacobi/Krieger 1998: 74). Auch die neuere Studie von

Kotthoff bestätigt diese Zusammenhänge (Kotthoff 2006). In der älteren Studie von Marginson u.a. fallen

die Ergebnisse für die Konzerne aus Deutschland eher positiv aus, da in den meisten Fällen die

Gewerkschaften Mitunterzeichner von EBR-Vereinbarungen sind. Während Kotthoff umgekehrt in fast

allen EBRs ein „German problem“ anzutreffen glaubt. Er spielt damit auf die im europäischen Vergleich

hohe Kompetenz der deutschen Vertreter an, deren gute Ausstattung und der hohen Zahl der Vertreter, so

dass bei vielen anderen EBR-Mitgliedern leicht ein Gefühl der Majorisierung auftauche (Kotthoff 2006:

119) Gleichwohl dominieren länder-spezifischen Unterschiede (Marginson/Gilman/Jacobi/Krieger 1998:

71). Diese werden auch durch eine neuere Studie der „European Foundation for the Improvement of

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Living and Working Conditions“ aus dem Jahre 2004 bestätigt. „The interrelation and overlap between

employee representation bodies depends very much on the specific national level company representation

and trade union structures.” (Weiler 2004: 88) Dabei könne man sehr unterschiedliche institutionelle

Verortungen feststellen. Die EBRs können danach:

- ein strategische Einheit innerhalb der Arbeitnehmervertretung auf transnationaler Ebene sein; - innerhalb des Unternehmens zwar integriert sein, aber von den Arbeitnehmervertretern im Vergleich

zu anderen, nationalen Vertretungsorganen, nicht als besonders wichtig wahrgenommen; - die EBRs sind nicht integriert, aber agieren als ‘stand-alone’- Organ; - die EBRs werden als ein Fremdkörper wahrgenommen (ebenda). Eine etwas andere Typenbildung nimmt Kotthoff (2006) in seiner neueren Studie vor, die aber inhaltlich

ähnliche Sachverhalte beschreibt. Es fällt auf, dass in beiden Untersuchungen Gewerkschaften nur am

Rande vorkommen. Der Zusammenhang zwischen EBRs und europäischen Gewerkschaften war danach

vor allem in der Gründungsphase sehr stark, ohne die gewerkschaftliche Initiative wären viele EBRs gar

nicht gegründet worden (so Kotthoff 2006: 139) Nach der Institutionalisierung habe sich dieser Kontakt

wieder gelockert, sodass in vielen EBRs die Gefahr einer Loslösung von den europäischen

Gewerkschaften bestehe (ebenda: 141). Bei den Typen selbst ist der des tatsächlichen

Verhandlungsgremiums nur marginal vertreten. Bei Kotthoff ist es vor allem der EBR als „mitgestaltendes

Arbeitsgremium“, der dem nahe kommt. Aber schon die vorsichtige Wortwahl zeigt, dass es sich hier

bestenfalls um erste Ansätze handelt.

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Vor diesem empirischen Hintergrund nimmt die Entwicklung des EBR bei General Motors Europe eine

Sonderstellung ein, die wir bislang kaum in anderen Unternehmen finden. Von den europäischen

Dachgewerkschaften wird geltend gemacht, dass die bisherigen Erfahrungen in den über 600

Unternehmen, in denen bislang ein EBR errichtet wurde, nicht den gewerkschaftlichen Forderungen

entsprächen und bestenfalls eine ergänzende Funktion zu den bestehenden nationalen

Vertretungsstrukturen darstellen. Gleichwohl unterstütze der EGB die EBRs, um Einfluss auf die

multinationalen Unternehmen entwickeln zu können (Kluge 2006).

Vor diesem empirischen Hintergrund tritt eine gewerkschaftspolitische Thematisierung der EBRs in den

Hintergrund. Das belegt auch der Beitrag von Haipeter (2006) über den EBR bei GM, in dem der EMB

und dessen Rolle beim Abschluss der wichtigen Rahmenvereinbarung von 2004 überhaupt nicht erwähnt

wird. Nur die kleineren Beiträge von Mitgliedern des EEF selbst (Herber/Schäfer-Klug 2002) oder von

einer Begleituntersuchung des EEF von der IG Metall (Bartmann/ Blum-Geenen 2006 und Bartmann

2005) gehen kurz auf die Rolle des EMB ein.

II. Zielsetzung

Das Hauptanliegen der europäischen Branchengewerkschaften ist es, zum Abschluss europäischer

Rahmenvereinbarungen zu kommen. Am Beispiel des europäischen Betriebsrates bei General Motors

Europe soll exemplarisch dargestellt werden, welche Faktoren diese Option begünstigen und welche sie

behindern. Damit können auch verallgemeinerbare Faktoren identifiziert werden, die für andere EBRs

bedeutsam sind und vor allem die europäischen Gewerkschaften.

Analysiert werden drei Fragenkomplexe:

- Europäische Rahmenvereinbarungen

Das zentrale Ziel der europäischen Branchengewerkschaften ist es, bei Restrukturierungen europäische

Rahmenvereinbarungen zwischen dem Unternehmen, dem EBR und der europäischen

Branchengewerkschaft abzuschließen. Welche Bedeutung kommt unter gewerkschaftspolitischen

Gesichtspunkten europäischen Rahmenvereinbarungen zu, wie etwa die von 2004 bei GME?

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- Stärkung der Rolle Europäische Branchengewerkschaften im Prozess europaweiter Restrukturierungsprozesse

Restrukturierungsprozesse werden von großen multinationalen Unternehmen als europaweite Prozesse

initiiert und durchgesetzt. Insofern können wir von einer Europäisierung von Branchenstrukturen

sprechen. Gleichzeitig weigern sich fast alle Unternehmen, europäische Rahmenvereinbarungen

abzuschließen, sondern nur lokale Standortvereinbarungen. Das geschieht häufig mit dem Ziel, die

verschiedenen Standorte gegen einander auszuspielen („beauty contest“). Setzen sich europäische

Rahmenvereinbarungen stärker durch, führt dies zu einer veränderten Rolle der europäischen

Branchengewerkschaften selbst, die bislang solche Vereinbarungen kaum abgeschlossen haben. Für den

EMB gilt hier wiederum die europäische Rahmenvereinbarung von 2004 bei GME als ein Meilenstein, da

er eine starke gewerkschaftspolitische Handschrift trägt. Es soll daher rekonstruiert werden, wie dieser

Prozess aus Perspektive des EMB abgelaufen ist und welche verallgemeinerbaren Schlussfolgerungen der

EMB aus dieser Erfahrung gezogen hat.

- Zusammenarbeit zwischen lokaler, nationaler und europäischer Regulierungsebene

Europaweite Restrukturierungsprozesse in großen Unternehmen setzen die Arbeitnehmervertreter und

Gewerkschaften unter einen enormen politischen und ökonomischen Druck, angemessene Antworten zu

finden. Das Management hat sowohl in der Strategiewahl, den möglichen Optionen und in der geplanten

Umsetzung einen strategischen und großen zeitlichen Vorteil. Dem gegenüber müssen die europäischen

Branchengewerkschaften, die nationalen Mitgliedsgewerkschaften und die lokalen Gewerkschaften bzw.

Betriebsräte unter einem massiven Zeitdruck eine europaweit einheitliche ‚Linie’ finden - und

durchhalten. Daher kommt dem Zusammenspiel zwischen der lokalen, der nationalen und europäischen

gewerkschaftlichen Handlungsebene zentrale Bedeutung zu. Diese Zusammenarbeit ist umso mehr

gefordert, wenn zu europäischen Protestaktionen aufgerufen wird. Auch in diesem Fall gilt die

europäische Rahmenvereinbarung von 2004 bei GME und der europäische Aktionstag, zu dem der EMB

ausgerufen hatte, als ein Beispiel für ein erfolgreiches Ineinandergreifen der drei Handlungsebenen, eine

rasche und erfolgreiche europaweite Mobilisierung, die für das Management unerwartet kam. Auch hier

wird zu rekonstruieren sein, wie dieses Zusammenspiel erfolgreich umgesetzt werden konnte und welche

Schlussfolgerungen der EMB aus dieser Erfahrung gezogen hat.

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III. Erhebungen

Die Analyse stützt sich:

- auf eine systematische Auswertung der ersten unternehmenspolitischen Konferenz des EMB im

November 2006; Intensivinterviews mit - den zuständigen Mitarbeitern des Sekretariats des EMB; - Vertretern des Arbeitnehmerforums von GME, vor allem Klaus Franz und Rudi Kennes; - EMB-Koordinatoren, vom EMB eingesetzte Vertreter nationaler Gewerkschaften, die die

Koordinierung zwischen den EBRs und dem EMB zu bewerkstelligen haben; vor allem - - Blandine Landas, CFDT, u.a. zuständig für Bull Corp., GEHC (Heathcare), Thomson u.a. - - Sabina Petrucci, FIOM, zuständig für: Whirlpool; - - Gustav Zöhrer, GMT, u.a. zuständig für: ATB Austria, Voest-Alpine; - - Pierre Coletti, FGMM-CFDT, ehemals zuständig für: Arcelor; - - Maureen Kearney, zuständig für: Areva; - - Göran Lindstedt, SIF, zuständig für: Sandvik AB, Sandviken/Schweden; - - Luc Triangle, CCMB, Belgien, u.a. zuständig für: Bosal, Fiat Spa, Gilette; - - Joachim Leidig, IG Metall, zuständig für: Röchling Gruppe.

Die Interviews fanden in Brüssel anlässlich der unternehmenspolitischen Konferenz des EMB statt, in

Frankfurt anlässlich der Sitzung des Gewerkschaftskoordinierungsausschusses des EMB für General

Motors Europe im Januar 2007. Bei den anderen Interviews handelt es sich um längere Telefoninterviews,

die im Frühjahr 2007 durchgeführt wurden.

Allen Interviewpartner sei herzlich gedankt, zu besonderem Dank verpflichtet bin ich dem Generalsekretär

des EMB, Peter Scherrer.

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IV. Die Europäischen Automobilindustrie

IV.1. Restrukturierung in der Europäischen Automobilindustrie Nach einem berühmten Satz des österreichischen Ökonomen Peter F. Drucker ist die Automobilindustrie

„die Industrie der Industrien“. In der Tat ist die Automobilindustrie eine Hightech-Industrie mit einer

herausragenden Bedeutung für Wirtschaftswachstum und Beschäftigung in Europa. Die

Automobilhersteller sind daher ein zentraler Sektor für die europäische Wirtschaft insgesamt, mit seinen

Zulieferern ist sie die bedeutendste Industrie Europas. Auch hinsichtlich des Einsatzes innovativer

Produktionstechniken, der Automatisierung, Organisationsstrukturen, aber der Internationalisierung von

Konzernstrukturen nahm die Automobilindustrie immer eine Vorreiterrolle ein, deren Bedeutung auch

heute zutrifft.

Allein in Europa sind knapp 2,0 Millionen Menschen direkt und 10 Millionen indirekt für die

Automobilindustrie tätig (Eurostat 2004). Der europäische Markt ist neben dem US-amerikanischen und

dem japanischen von strategischer Bedeutung für alle großen Automobilhersteller. Der Anteil der

europäischen Automobilindustrie an der Weltproduktion liegt bei etwa 29 Prozent (s. Abbildung).

Allerdings weist der VDA daraufhin, dass in den letzten Jahren Osteuropa und Asien und hier vor allem

China mit rund 8 Prozent erhebliche Wachstumsmärkte darstellen, die die Automobilhersteller für sich

nutzen (VDA 2005). Gleichwohl ist Europa immer noch führend bei der Entwicklung und Herstellung von

Pkws und LKWs, allerdings sind die europäischen Standorte einem wachsenden Konkurrenzdruck aus

Niedriglohnländern wie Osteuropa und Süd-Ost-Asien ausgesetzt. Und wie wir zeigen werden, wird dieser

Konkurrenzdruck von großen Automobilherstellern wie General Motors genutzt, um in Europa

Standortschließungen oder massive Zugeständnisse bei Lohnabschlüssen zu erzwingen.

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Quelle: VDA 2005.

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In den letzten 25 Jahren war die Automobilindustrie einem heftigen Konzentrationsprozess unterworfen,

von den ursprünglich 30 Unternehmen mit Standorten in Europa im Jahre 1980 sind im Jahre 2003 nur

noch 14 übrig geblieben (BMW, Daewoo, DaimlerChrysler, Fiat, Ford, GM, Honda, Hyundai, PSA,

Porsche, Renault /Nissan, Rover, Toyota). Mit Ausnahme des koreanischen Hyundai Konzerns stammen

alle Unternehmen aus Japan, den USA oder Europa. Vor allem die großen Hersteller General Motors,

Ford, aber auch DaimlerChrysler, realisierten im Verhältnis zum Umsatz eher geringe Gewinne. Das

Hauptproblem etwa von GM ist, dass im Kerngeschäft Verluste gemacht werden, die nur durch Gewinne

aus Finanzgeschäften ausgeglichen werden konnten.

Source: European Competitiveness report 2004

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Quelle: Roth 2005.

Auch in den Produktionsstrukturen haben sich seit den 90er Jahren massive Veränderungen ergeben.

Nachdem innovative Konzepte der Arbeitsorganisation in den 70er und 80er Jahren stark dominierten,

sind solche Ansätze heute weitgehend verschwunden. Allerdings ist Jürgens zuzustimmen, wonach die nur

modellhafte Implementierung innovativer Arbeitsstrukturen in der europäischen Automobilindustrie zu

einem bestimmten europa-spezifischen Verständnis von „guter Arbeit“ (decent work) geführt hat. So

ließen sich auch in den heutigen Formen der Arbeitsorganisation eine starke Orientierung an Konzepten

von „guter“ Arbeit ausmachen (Jürgens 2004: 18). Außerdem seien diese Orientierungen vor allem bei

den europäischen Gewerkschaften und den lokalen Gewerkschaftsakteuren wirksam. Das hätte

mittlerweile auch die internationale Ebene erreicht, weil die ILO den Begriff „anständige Arbeit“ (decent

work) übernommen hat, unter dem sie verschiedene Rechte am Arbeitsplatz, Möglichkeiten der

Personalentwicklung und Arbeitsbedingungen zusammengefasst (ebenda).

Bestimmend für die Automobilindustrie ist die Tatsache, dass mehr als 70 Prozent aller weltweit

verkauften Autos in den westlichen Industrienationen abgesetzt werden. Zwar stellen Osteuropa und Asien

erhebliche Wachtsumsmärkte dar, aber die zentralen Märkte für die großen Automobilhersteller sind

Japan, die USA und Europa. Aber selbst die drei wichtigsten Märkte (Japan, USA, Europa) weisen

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erhebliche Unterschiede und regionale Eigenheiten auf. So spielen auf den japanischen Märkten Autos aus

Europa oder den USA eine untergeordnete Rolle. Erklärt wird das mit der langen Abschottung der

japanischen Märkte und die sich dadurch entwickelten Kaufpräferenzen. Andere Unterschiede betreffen

bestimmte Nachfragemuster in den USA, wo traditionell große, aber technische eher anspruchslose Autos

mit einem hohen Benzinverbrauch (gas guzzlers) verkauft werden. Dem gegenüber werden in Europa und

Japan vor allem kleinere, technisch anspruchsvolle Automobile mit geringem Benzinverbrauch bevorzugt

(Marktl 2005: 9).

Aus diesen verschiedenen Umständen erwächst den europäischen Metallgewerkschaften eine starke

Stellung. Im Kontext eines hohen gewerkschaftlichen Organisationsgrades in der europäischen

Automobilindustrie, sind sie zentrale Akteure bei der Ausgestaltung von Arbeitsbedingungen. Dies könnte

sich aber durch die produktions-spezifischen Innovationen in den 90er Jahren möglicherweise ändern.

Zentrale Veränderungen in der europäischen Automobilindustrie in den 90er Jahren bestehen vor allem in

einer erheblichen Ausweitung der Stückzahlen, in einer teilweise drastischen Ausweitung der Modelle

sowie kürzere Lebenszyklen der einzelnen Modelle (ebenda: 18). Das kann beispielhaft an den

Veränderungen der Produktpolitik bei Mercedes-Benz in den 90er Jahren aufgezeigt werden: Die Anzahl

der Modelle wurde mehr als verdoppelt bei einer (fast) Halbierung des Produktzyklus (Zeitraum der

völligen Erneuerung einer Modellreihe) (ebenda).

Bei einer solchen Politik entsteht schnell die Gefahr, dass die Kosten aus dem Ruder laufen. Hier boten

sich zwei wesentliche Optionen an, das sog. Plattformkonzept und das Modulkonzept. Die „Plattformen“

legen das Rohgerüst eines Automobils fest, den jeweiligen Antrieb, Getriebe, Motoren sowie Fahrwerks-

und Elektronikkomponenten im Fahrzeug. Auf dieser Plattform-Basis können dann verschiedene Modelle

hergestellt, nicht nur ein bestimmter Modelltyp. Dieser Produktionstypus ist mittlerweile branchen-üblich,

obwohl das Ausmaß und die Varianzen erheblich sein können.

Eine zentrale Innovation stellt das Konzept der Modularisierung dar. Module sind Bausteine die für eine

ganze Produktfamilie gebaut werden und beliebig ausgetauscht und kombiniert werden können. Wie

Jürgens (2004) dargelegt hat, lassen sich Modularisierungskonzepte zwar schon in den späten 70er/frühen

80er Jahren aufzeigen, diese galten aber als europäische Besonderheit, obwohl die zugrunde liegende Idee

lange zuvor in anderen industriellen Zusammenhängen aufgekommen war. Bis zur völligen Reife haben

die Hersteller in den 70er und 80er Jahren verschiedene Alternativen zum Fließbandsystem durch die

Einrichtung von „Modulbereichen“ außerhalb der Hauptbandmontage, Produktionszellen,

Fertigungsinseln usw. ausgetestet (ebenda). Diese Modularisierungskonzepte waren produktionsorientiert;

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ihre Ausgestaltung wurde durch die immer komplexer werdenden Produktionsprogramme oder auch durch

Automationsprojekte vorangetrieben (Jürgens 2004: 16)

Quelle: Das Modulkonzept, nach: www.dai-lab.de, zit. N. Marktl 2005.

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Nach Jürgens lassen sich international zwei verschiedene Modularisierungsstrategien ausmachen:

(1) Einzelne europäische und japanische Hersteller, so vor allem Toyota und Honda, bevorzugten

funktionale Module und setzten stark auf eine Optimierung des Fahrzeugdesigns insgesamt, dabei spielt

Outsourcing keine zentrale Rolle, sondern ist nur eine der möglichen Methoden, um gesteckte Ziele zu

erreichen. Ein wesentliches Charakteristikum dieses Typs ist, dass diese beiden Firmen als Endhersteller,

als OEM, Original Equipment Manufacturer, ihren Zulieferern keine große Verantwortung im Prozess der

Modularisierung übertragen. Sie versuchen im Gegenteil, grundlegende Kompetenzen auf allen strategisch

wichtigen Gebieten in der Hand und damit die Kontrolle über die Wertschöpfungskette zu behalten.

(2) Diesen Weg haben die meisten europäischen und amerikanischen Autohersteller nicht beschritten, sie

beschränken sich auf bestimmte Kernkompetenzen und delegieren Verantwortlichkeiten außerhalb dieses

Kernbereichs in zunehmendem Maße an sog. 1st-tier-Zulieferer. Diese Entwicklung impliziert einen nicht

unwichtigen Kompetenzverlust in zentralen Herstellungsbereichen für die OEMs. (Jürgens 2004: 18)

Die Modularisierung führte nicht nur zu einer Ausweitung der Zuliefererindustrie, sondern zu einem

völligen Bedeutungswandel in der Wertschöpfungskette.

Quelle: Martl 2005.

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Gerade in Europa führte diese Entwicklung in den 90er Jahren zu einer völligen Neustrukturierung der

Zuliefererindustrie nach dem sog. Tier- oder Pyramidenmodell (s. Abbildung). Danach wird die Anzahl

der direkt an die OEMs reduziert und diese gleichzeitig mit der Fertigung und Entwicklung von Modulen

und Systemen betraut. Dies erfordert eine engmaschige Abstimmung zwischen den Endfertigern und den

Zulieferern hinsichtlich Design, Herstellung, Logistik und Dienstleistungen (Jürgens 2004: 21 ff.)

Im Zuge des Bedeutungswandels der Zulieferindustrie erfolgte sowohl eine Ver- und Auslagerung von

Forschung und Entwicklung, aber auch Verlagerungen ganzer Produktionsstandorte, die durch diesen

Strukturwandel erheblich erleichtert wurde.

Diese Problemlagen haben für die Gewerkschaften und Betriebsräte massive Auswirkungen:

- Der Wettbewerb wird weiter an Härte zunehmen. Dieser Wettbewerb ist zugleich Innovations- und Kostenwettbewerb.

- Der Wettbewerb findet in Europa in gesättigten Märkten statt. - Für Europa schätzt man die angehäuften Überkapazitäten auf etwa 7 Mio. - Vor diesem Hintergrund ist nicht nur ein verschärfter Wettbewerb zwischen Standorten erwartbar,

sondern auch ein „battle of the regions“ und sogar zwischen den Nationalstaaten. Dieser erfolgt über einen ruinösen Wettbewerb der Absenkung der Arbeitskosten, der Steuern und dem Verteilen von Subventionen.

- Unabhängig von der Marktentwicklung in Europa erleichtern die oben beschriebenen Innovationen einen Kapazitätsaufbau in Niedriglohnländern und Wachstumsmärkten wie Osteuropa und Asien.

- Parallel zu diesen Strategien werden Gewerkschaften und Beschäftigte verschiedener Standorte gegeneinander ausgespielt (Roth 2005).

Damit wird die Vertretung der Interessen der Arbeitnehmer in der europäischen Automobilindustrie

immer problematischer. Aus den umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen ergeben sich für die

europäischen Gewerkschaften zwei Hauptprobleme:

- Restrukturierung in der europäischen Automobilindustrie ist in der Regel ein streng zentralisierter Prozess, so dass von einer neuen Qualität der Europäisierung der Branchenstrukturen gesprochen werden kann;

- gleichzeitig ist das Management dieser Unternehmen gewillt, die Folgen dieser transnationalen Restrukturierungen für die Beschäftigung nur auf lokaler Ebene zu verhandeln.

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Durch diese Strategie verschärft sich die Asymmetrie zwischen den Arbeitnehmervertretern in den

Standorten und dem Management dieser Unternehmen. Parallel versucht das Management beim Bau neuer

Modelle die einzelnen Standorte gegen einander auszuspielen, indem von den Arbeitnehmervertretern

Pakete von Zugeständnisse erwartet werden und u.a. von diesen Zugeständnissen eine Entscheidung

abhängig macht, wo ein neues Modell produziert werden soll. Insofern ist ein erzwungenes ‚concession

bargaining’ immer ein wesentlicher Bestandteil von Restrukturierungsmaßnahmen und neuen

Produktionsentscheidungen.

Um dieser „Restrukturierungsfalle” auf lokaler Ebene zu entkommen, versuchen die europäischen

Gewerkschaften europäische Rahmenvereinbarungen abzuschließen, die grundlegende Regeln und

Verfahren enthalten, die für alle europäischen Standorte gültig sind. Auf lokaler Ebene der Standorte

erfolgt dann nur eine, entsprechend der jeweiligen nationalstaatlichen Rechtskultur angepasste Umsetzung

dieser Rahmenvereinbarung, aber eine Unterschreitung ist ausgeschlossen. Dieses Ziel europäischer

Rahmenvereinbarung ist bislang nur in sehr wenigen Unternehmen erfolgreich umgesetzt worden, ein

herausragendes Beispiel ist hier General Motors Europe.

IV .2. General Motors globale Strategie

Im Frühjahr 2007 hat General Motors erstmals seine Position als größter Automobilhersteller der Welt an

Toyota verloren. Die Krise bei GM hat unterschiedliche Ursachen und ist in Europa anders gelagert als in

den USA. In Europa ist die Kernmarke von General Motors Europe, Opel. In Europa hat die Krise bei

GME allgemeine als auch unternehmensspezifische Ursachen.

Wie gezeigt, hat die europäische Automobilindustrie erhebliche Umstrukturierungen und Veränderungen

des Produktionsregimes vorgenommen. Unter den sozialwissenschaftlichen Experten gibt es eine

Diskussion, ob und inwieweit es in Europa eine regionalspezifisches Produktionsmodell gibt, was Jürgens

(2004) vorsichtig bejaht. Aber es ist ebenso zutreffend, dass amerikanische OEMs auf eine lange Präsenz

auf den europäischen Märkten zurückblicken können. So hat General Motors das erste Werk in Europa

schon im Jahre 1923 in Kopenhagen eröffnet, ein Jahr später ein Werk in Antwerpen. GM erwarb

Vauxhall Motors in Luton, Großbritannien 1925 und 1929 schließlich die Adam Opel AG in Rüsselsheim.

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Insofern ist insbesondere General Motors neben Ford seit langem auf den europäischen Märkten mit

eigenen Produktionsstätten vertreten und man sollte annehmen, dass das Management sich sowohl auf die

anders gelagerten Kundenwünsche in Europa eingerichtet hat wie auf die besondere europäische Prägung

der Arbeitsbeziehungen.

Werksschließungen und Neueröffnungen in Europae 1991-2006 Jahr Schließungen Neueröffnungen 1991 Renault, Valladolid 1, Spain

Saab, Mal,ö, Sweden Eurostar, Seyr Austria

1992 Renault, Billancourt, France Lancia, Desio, Italy Lancia, Chivasso, Italy Innocenti, Lambrate, Italy

Opel, Eisenach, Germany Mecedes, Rastattm Germany Honda, Swindon, UK Toyota, Burnaston, UK Suzuki, Esztergom, Hungary

1993 Volvo, Uddevalla, sweden Seat, Martorell, Spain Volkswagen, Bratislava, Slovakia

1994 Volvo, Kalmar, Sweden Svelenord, Hordain, France AutoEuropa, Palmela, Portugal Volkswagen, Mosel, Germany Fiat, Melfi, Italy

1995 NedCar, Born, Netherlands Ford, Plonsk, Poland

1996 Seat, Barcelona, Spain Chausson, Creil, France

Autonova, Uddevalla, Sweden

1997 Renault, Vilvorde, Belgium MCC Smart, Hambach, France 1998 Renault, Setubal, Portugal Opel, Gliwice, Poland

Audi, Györ, Hungary 1999 Opel, Szengotthard, Hungary 2000 Ford, Azambuja, Portugal

Ford, Plonsk, Poland Foden, Sandbach, UK

2001 GM, Luton, UK Fiat, Rivalta, Italy

Ford, Turkey Toyota, Valenciennes, France

2002 Ford, Dagenham, UK Volkswagen, Dresen, Germany Porsche, Leipzig, Germany

2005 BMW, Leipzig, Germany Peugeot-Citroĕn-Toyota, Czech Republic

2006 GM, Azambuja, Portugal Quelle: Lang 2002; EMF data

Ein allgemeines Problem der OEMs sind die Überkapazitäten in Europa. Unternehmen wie Fiat, Ford und

Opel hatten mit sinkenden Verkaufszahlen um 2000 zu kämpfen und antworteten mit drastischen

Restrukturierungsmaßnahmen. Standortschließungen und Massenentlassungen mit über 45,000

Beschäftigten waren die Folge. General Motors schloss das Werk in Luton, Großbritannien, in Azambuja,

Portugal, reduzierte die Produktion in Antwerpen und Bochum, was einem Beschäftigungsabbau von über

20,000 Arbeitsplätzen bedeutete. Aber auch Ford hatte mit ähnlichen Problemen zu kämpfen und schloss

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fünf der 11 europäischen Standorte, darunter das Werk in Dagenham, Großbritannien, eine Schicht wurde

im Werk in Genk, Belgien, gestrichen, was einen Beschäftigungsabbau von 3,000 bedeutete

(MacNeill/Chanaron 2005).

GM gehört nach wie vor zu den großen Drei in der Automobilindustrie. Die Zentrale befindet sich in

Detroit (USA). Im Jahre 1986 wurde die Europa-Zentrale in Zürich errichtet. “With the setting up of the

European GM Group headquarters in Zurich in 1986, the automotive corporation began a move towards

greater centralisation of its operations in Europe.” (Herber/Schäfer-Klug 2002) Die einzelnen Standorte

verloren ihre Unabhängigkeit. Seitdem beklagen sowohl die Ingenieure der europäischen Hauptmarke

Opel als auch die Arbeitnehmervertreter der deutschen Opel-Werke, dass die Entwicklungspotenziale

dieser Marke nicht ausgeschöpft werden, sondern entweder gar nicht in Angriff genommen oder über

andere GM-Marken umgesetzt wurden. So hat der Betriebsrat in Rüsselsheim das Management für die

schlechte Geschäftsentwicklung verantwortlich gemacht, weil sich das Unternehmen nicht frühzeitig auf

die gestiegene Nachfrage nach Dieselfahrzeugen sowie von Sportcoupés eingerichtet hat, obwohl

entsprechende Vorschläge auf den Tisch lagen und von den Betriebsräten mit unterstützt, aber vom

Management abgelehnt wurden.

Für die Betriebsräte war diese Erfahrung insofern besonders bitter, weil eine Modelloffensive in den

beiden Bereichen in jedem Fall der Marke Opel zugute gekommen wäre. Diese Chancen blieben aber

ungenützt und ab dem Jahre 2000 verschärften sich dadurch die Umstrukturierungsmaßnahmen bei Opel

drastisch. Schon von 1998 bis 2001 wurden in verschiedenen Restrukturierungswellen 21,000

Arbeitsplätze in Europa abgebaut. Nach GM-Angaben waren es im Jahre 2005 nur noch 63,000

Beschäftigte in Europa (s. Übersicht). Trotz dieses drastischen Arbeitsplatzabbaus musste GM Verluste in

fünf hinter einander folgenden Jahren hinnehmen. Vor diesem Hintergrund waren die europäischen

Gewerkschaften und der europäische Betriebsrat besonders geschockt, als GME im Jahre 2004 in einer

‘big bang-Verlautbarung’ den Abbau von weiteren 12,000 Jobs ankündigte.

Hinsichtlich der neuen der Produktionsverfahren hat sich GM zurückhaltend genähert. General Motors

arbeitet 2007 nur auf drei Plattformen, der Delta Plattform (Opel Astra, Opel Zafira), der Gamma

Plattform (Opel Corsa, Opel Tigra, Twintop) und der Epsilon Plattform (Opel Vectra, Signum, Saturn

Aura, Saab 9-3, Cadillac BLS, Chevrolet Malibu). Zukäufe wie Saab arbeiteten bis 2004 völlig außerhalb

des Plattformkonzeptes, was zu teuren Einzelentwicklungen und –fertigungen in Schweden führte.

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Source, GM Annual report, 2005.

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Aber diese Zurückhaltung gehört bei GM der Vergangenheit an. Ähnlich wie Toyota werden globale

Plattformen implementiert. Diese basiert neben den neuen Plattformkonzepten auf einem extremen

Wettbewerb zwischen den einzelnen Standorten. Die Zuständigkeiten bei der Implementierung der neuen

Plattformstrategien erfolgt zwar anhand der bekannten regionalen Muster, aber die Zuständigkeit der

Managementfunktionen bleibt bei GM hoch zentralisiert in Detroit (Franz 2006).

Die wesentlichen Elemente der neuen Globalstrategie von GM sind:

- In Europa: erfolgt die Entwicklung der Delta und Epsilon Plattform - In Asien und Korea: Gamma Plattform (small cars) - In die Australien die Zeta Plattform (upper middle-class) - N.N.: noch nicht entschieden wurde bislang über die Plattform für Kleintransporter.

Die neue, zentrale Plattform für GM ist die Epsilon Plattform, die ab 2008 umgesetzt wird. Es soll zwei

Hauptziele erreichen: die Erhöhung der horizontalen Flexibilität innerhalb einer Plattform, und die

Erhöhung der vertikalen Flexibilität gegenüber angrenzenden Plattformen. Das Erreichen eines solchen

Flexibilitätsniveaus würde es erlauben, Produktion aus einem Epsilon-Werk in Europa zu einem Epsilon-

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Werk in Korea in kurzer Zeit zu verschieben. Die Implementierung dieses Konzeptes hätte erhebliche

Auswirkungen auf die bestehende Entwicklungs- und Produktionsstruktur bei GM. In der Vergangenheit

waren die Standorte relativ sicher innerhalb eines Modellzyklus’. In Zukunft wird aber Produktion

innerhalb eines Modellzyklus’ schnell zwischen den Standorten gewechselt werden können. Damit sind

völlig neue Handlungsoptionen für das Management verbunden, insbesondere die Möglichkeit die

einzelnen Standorte noch schneller gegen einander ausspielen zu können als dies ohnehin schon der Fall

ist (Franz 2006). Damit erhöht sich die Gefahr von Schließungen einzelner Werke in Westeuropa, eines

verschärften Wettbewerbs zwischen den Standorten sowie der Druck auf die europäischen

Gewerkschaften und der Beschäftigten bei GM, in noch stärkerem Maße Konzessionen zuzustimmen. Der

europäische Betriebsrat bei GME schätzt, dass mit dieser neuen Plattformstrategie in Westeuropa bis zu

30,000 Arbeitsplätze unmittelbar bedroht sind, weil sie nach Osteuropa oder Asien verschoben werden

könnten.

Der EMB und der EEF wissen von der GM-Strategie und die neuen Möglichkeiten des Managements seit

einiger Zeit, sie waren gleichwohl bestürzt, als das Management die Schließung des Opel-Werkes in

Azambuja, Portugal beschloss. Denn diese Entscheidung fügt sich in das Raster ein, dass sich mit der

neuen Plattformstrategie bei GM verbindet.

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V. Die Rolle der Gewerkschaften und des EBR bei General Motors Europe V.1. Der Europäische Betriebsrat bei GM: Das Europäische Arbeitnehmerforum

Der Europäische Betriebsrat bei General Motors Europe wurde 1996 freiwillig vom Unternehmen

eingerichtet. Als Name wurde “Europäisches Beschäftigungsforum”, englisch: “European Employee

Forum” (EEF) gewählt. Der EEF wurde nach belgischem Recht errichtet, da GM dem deutschen

Mitbestimmungsrecht ‚entfliehen’ wollte.

Zusammensetzung des EEF bei General Motors Europe

Länder (Sizte im EEF) Standort Marke

Germany (6 seats) Rüsselsheim Bochum Kaiserslautern Eisenach

Opel

Great Britain (4 seats) Luton Ellesmere Port

Vauxhall

Belgium (3 seats) Antwerp Opel

France 2 seats) Strasbourg Powertrain

Austria (2 seats) Aspern Powertrain

Poland (1 seat) Gliwice Opel

Portugal (1 seat) Azambuja Opel

Spain (3 seats) Zaragoza Opel

Sweden (3 seats) Trollhättan Saab

Hungary (1 seat) Szentgothard Powertrain

Other national sales organizations (3 seats)

Quelle: Herber/Schäfer-Klug 2002.

Der EEF war einer ersten EBRs, dem es gelang, sich über die Aufgaben Konsultation und Information

hinaus in eine Institution zu transformieren, die zentrale Fragen der Restrukturierung des Unternehmens in

Europa verhandelt. Der Ausgangspunkt für diese Entwicklung waren schwerwiegende Restrukturierungen,

die General Motors in den 90er Jahren in Europa durchführte. Die Auswirkungen dieser

Restrukturierungen wurden durchweg auf lokaler bzw. regionaler Ebene verhandelt. So wurden für

einzelne Standorte erhebliche Einschnitte in Deutschland und Großbritannien ausgehandelt. Es zeigte sich

aber, dass diese Einzelvereinbarungen schnell überholt waren und das Management mit neuen

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Forderungen aufwartete. Aus europäischer Sicht wurden diese Einzelvereinbarungen aufgrund ihrer

nationalen Abschottung („national bias“) teilweise heftig kritisiert (so Schulten/Seifert/Zagelmeyer 2002:

12). “Discussion of the various production security agreements made it only too clear that the nationally

successful agreements were an expression of the logic of the intra-group competitive situation, and that

European and national management were able to play one individual location off against the other. Those

involved in the European Employee Forum of General Motors were forced to recognise that this was a no-

win situation: success for one location came at the expense of another.” (Herber/Schäfer-Klug 2002)

Der Wendepunkt für den damaligen europäischen Betriebsrat bei GM in Europa war die Allianz, die GM

im Jahre 2000 mit Fiat einging. Das Management plante das Outscourcing von zwei Unternehmensteilen,

was bei GM 14,000 und bei Fiat fast 15,000 Arbeitnehmer in Europa and Brasilien betroffen hätte. “They

faced the threat of cuts in the workforce and a worsening of their terms and conditions of employment.

Employee representatives saw the approach taken by GM management as a provocation. It contravened

the agreement setting up the GM European Works Council as well as the EU Directive on information and

consultation rights.” (ebenda)

Intern entschied das EEF, dass zunächst eine europäische Rahmenvereinbarung abgeschlossen werden

müsse, die die Basis für standort-spezifische Regelungen sein muss. Damit begann für den EEF eine völlig

neue Ära als „negotiating body“. Bislang hatte nur das Management Restrukturierung als ein

„europäisches Projekt“ vorangetrieben. Mit der Forderung nach einer europäischen Rahmenvereinbarung

antwortete der EBR gewissermaßen ‚auf Augenhöhe’. Die nächste Herausforderung stand für den EEF

schon vor der Tür: die Schließung des Werkes in Luton, Großbritannien nur ein Jahr später in 2001. Im

Dezember 2000 hatte GM ein Restrukturierungsprogramm angekündigt, das einen weiteren Abbau von

10,000 Arbeitsplätzen weltweit und in Europa weitere 6,000 bedeutete. Die Schließung des Werkes in

Luton konnte nicht verhindert werden. “The employee representatives on the EWC claimed that the job

losses at Luton breached an existing employment security agreement, and that the information provided to

the EWC was neither timely nor complete.” (Herber/Schäfer-Klug 2002)

Zu diesem Zeitpunkt spielte auch der europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB) eine aktive Rolle bei

der Verhandlung des Restrukturierungsprogramms. EEF und EMB organisierten einen europäischen

Aktionstag am 25 Januar 2001, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Es sollte insbesondere

keine weiteren Standorte geschlossen werden und die Sicherheit der Arbeitsplätze in Luton hergestellt

werden. Nach EMB-Angaben legten über 40,000 Beschäftigte bei GME die Arbeit nieder und beteiligten

sich an den Demonstrationen. “The GM Day of Action on 25th January 2001 wrote a new chapter in trade

union history. More than 40,000 employees from virtually all European GM plants took part in strikes and

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demonstrations on this day of solidarity. While this was going on, the European Employee Forum was

sitting down at the negotiating table in Zurich with the management of General Motors Europe. Initially,

management was unwilling to conclude a further European framework agreement. It did not expect that

the European day of action would be so widely supported, particularly as there was still competition

between the locations.” (ebenda) Das Ergebnis dieses Druckes war der Abschluss einer europäischen

Rahmenvereinbarung im März 2001 zur Umsetzung des Restrukturierungsplanes. In der Vereinbarung

heißt es, dass die Rahmenvereinbarung auf nationaler Ebene umgesetzt, entsprechend den jeweils gültigen

nationalen arbeitsrechtlichen und unternehmensrechtlichen Regelungen. Das Management und das EEF

kamen ebenso überein, dass die getroffene Vereinbarung rechtlich verbindlich für die einzelnen

Beschäftigten ist. In der Vereinbarung heißt es auch, dass es das primäre Ziel des Managements und des

EEF sei, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Sicherheit der Beschäftigten künftig gesichert werden soll.

Seit der ersten europäischen Rahmenvereinbarung wurde die Zusammenarbeit zwischen EMB und EEF

systematisch verbessert. Die schnell auf einander folgenden Restrukturierungsprogramme bei General

Motors Europe schmiedete den europäischen Betriebsrat zusammen. In der Literatur wird die

Vereinbarung über die Bedingungen der Schließung des Werkes in Luton anerkannt. “Indeed it is arguably

the most substantive such joint text yet concluded and appears to have played a major part in resolving a

Europe-wide industrial dispute.” (Carley 2001: 62) Damit etablierte sich die “europäische

Rahmenvereinbarung” als ein wesentliches Instrument europäischer Gewerkschaftspolitik. Es stellt einen

Rahmen dar, der allgemeine Normen und Verfahren regelt, die bei der konkreten Umsetzung in den

jeweiligen Standorten in jedem Fall zu berücksichtigen sind. Zwar gab es auch schon vorher europäische

Rahmenvereinbarungen über Restrukturierungen, die aber primär die Konsultation und Information des

EBR regelten. Neu an der GM Vereinbarung war, dass auch Fragen der Produktion,

Ruhestandsregelungen, Wiederbeschäftigung und „labour mobility and flexibility” innerhalb des

Unternehmens (Carley 2001: 62) geregelt wurden.

Nur ein halbes Jahr nach der Auseinandersetzung um das Werk in Luton wurde der EEF mit einem neuen

Restrukturierungsprogramm konfrontiert, das sog. Olympia Programm. Dessen Ziel war der Abbau von

Überkapazitäten in Europa. Davon waren in erster Linie die Werke in Antwerpen, Bochum, Eisenach und

Saragossa betroffen. Das Hauptziel des EEF war die Verhinderung von Werksschließungen und

betriebsbedingter Kündigungen. Der EEF war im Gegenzug bereit, das Olympia

Restrukturierungsprogramm im Grundsatz zu unterstützen, auch dann, wenn ein schmerzlicher Abbau von

Überkapazitäten notwendig werden sollte. Das Ergebnis war eine weitere europäische

Rahmenvereinbarung, die als transnationale Sicherungen fungieren und in den Folgevereinbarungen in

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den Standorten berücksichtigt werden mussten. Damit sollte insbesondere verhindert werden, das lokale

Gewerkschaften erpresst werden und zu überzogenen Zugeständnissen gezwungen werden (ebenda).

Insofern machte der EBR bei GME innerhalb von wenigen Jahren eine Art “crash-Kurs” in Sachen

transnationaler Restrukturierung durch (die Allianz von General Motors und Fiat im Juli 2000, die

Schließung des Werkes Luton im März 2001 und das Restrukturierungsprogramm "Olympia" im Oktober

2001). Nach und nach etablierte sich das Instrument der europäischen Rahmenvereinbarung bei General

Motors Europe. So wurde 2002 ein „code of conduct” vereinbart. Armin Herber and Wolfgang Schäfer-

Klug vom EEF (2002) heben hervor, dass durch die Politik des EEF vor 2004 “the European Employee

Forum of US automotive group General Motors has written trade union history. During the course of three

major industrial disputes, the Forum has developed into a body able to negotiate and sign agreements. It

has also made sure that plants cannot be played off against one another in the restructuring caused by

overcapacity in Europe.” Entscheidend für die Phase 2000 und 2001 war für den EEF, sich von einer

Einrichtung, die Informations- und and Konsultationsrechte eines EBR wahrnimmt, zu einem

tatsächlichen Verhandlungsgremium gewandelt zu haben. Dass das möglich war, wird von allen befragten

Mitgliedern des EEF als eine Frage der Vertrauensbildung bezeichnet. Klaus Franz, Vorsitzender des

EEF, sagte, dass sich die Diskussionen innerhalb des EEF zu 20 Prozent um ‚harte Fakten’ drehen, aber zu

80 Prozent um den Aufbau einer Vertrauensbasis innerhalb des EEF sowie dem gegenseitigen Verständnis

über die jeweiligen Verhandlungskulturen in den verschiedenen Ländern. Dabei sei es wichtig, dass alle

Standorte und deren Beschäftigte gleiche Rechte im EEF hätten und gleich behandelt würden. Die

allgemeine Handlungsmaxime des EEF bei Restrukturierungsmaßnahmen bei GM sei daher “sharing the

pain”. Wenn schon Einschnitte nicht verhindert werden könnten, müssten die negativen Folgen auf alle

verteilt werden. Dadurch würde ein hohes Maß an Gerechtigkeit erzielt und die Auswirkungen auf die

einzelnen Standorte minimiert werden.

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V.2. Der Europäische Metallgewerkschaftsbund (EMB)

Der EMB ist mit über sieben Millionen Mitgliedern der größte und einflussreichste europäische

Industrieverband und gilt als wichtigster Promoter der Europäisierung der Gewerkschaften (Stöckl 1986).

Die gewerkschaftspolitischen Aktivitäten des EMB bei General Motors und anderen multinationalen

Konzernen in der europäischen Metall- und Automobilindustrie ist eingebettet in dem Kampf des EMB

für europäische Rahmenvereinbarungen mit dem grundlegenden Ziel, Standortschließungen zu

verhindern. Der Ausgangspunkt für den EMB bei Restrukturierungsmaßnahmen großer Konzerne besteht

darin, dass die Unternehmen Restrukturierung als ein „europäisches Projekt“ angehen, dass sich nicht um

die nationalstaatlichen Grenzen kümmert. Bestandteil dieser Strategie ist es, die Auswirkungen von

Restrukturierungsmaßnahmen nur auf der Ebene der einzelnen Standorte zu verhandeln. Das ermöglicht es

dem Management, die einzelnen Standorte gegen einander auszuspielen und die nationalen und

europäischen Gewerkschaften ins Leere laufen zu lassen. Um solchen Strategien Einhalt zu gebieten, hat

der EMB seit dem Jahre 2000 verschiedene Beschlüsse gefasst, um die gewerkschaftspolitischen

Handlungsoptionen auf europäischer Ebene deutlich zu erhöhen.

Im Jahre 2000 verabschiedete das Exekutivkomitee des EMB eine Resolution über die Einrichtung eines

„EMB Koordinators“, der für die EBRs großer Unternehmen eingesetzt wird und die Kompetenzen der

EMB-Mitgliedsgewerkschaften regelt. In der Resolution heißt es, dass die Begleitung und Führung der

bestehenden EBRs eine Hauptaufgabe des EMB in der Zukunft sein wird. Aus gewerkschaftspolitischer

Sicht sei es entscheidend, dass die Arbeitnehmer die Rechte der Information und Konsultation auch

tatsächlich wahrnehmen können. “If properly guided, EWCs can serve as a lever to enforce workers

involvement in the decision-making, and to foster cooperation between workers' representatives at

European level.” (EMB-Resolution 2000) In der Resolution heißt es weiter, dass diese Aufgabe nur mit

einer starken gewerkschaftlichen Vertretung in den europäischen Betriebsräten durch die Entsendung von

Gewerkschaftsvertretern gesichert werden kann. Aus diesem Grund seien die EMB-Koordinatoren aus

gewerkschaftspolitischer Sicht besonders wichtig, da sie einen wichtigen Beitrag der Koordinierung der

verschiedenen Regulierungsebenen innerhalb der großen Konzernen leisten können.

Die Entwicklung in den letzten Jahren mit massiven Restrukturierungsprogrammen sowohl in der

Automobilindustrie wie der europäischen Metallindustrie (EADS, Siemens u.a.) belegen, dass es richtig

war, Restrukturierung zu einem Schwerpunkt europäischer Gewerkschaftsarbeit zu machen. Und es zeigte

sich ebenfalls, dass die EMB-Koordinatoren eine wichtige Funktion erfüllen, wenn in einem großen

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Unternehmen ein Restrukturierungsprogramm umgesetzt werden soll. Das betrifft insbesondere, wenn der

EMB zu europaweiten Streikaktionen aufruft. Weitere Aufgaben der EMB-Koordinatoren ist die

Koordinierung der verschiedenen Ebenen, d.h. vor allem wichtige Informationen zugänglich zu machen,

damit sich die Betriebsräte und Gewerkschaften ein vollständiges Bild von den Maßnahmen des

Managements wie der anderen Gewerkschaften machen können. Denn es zeigt sich immer wieder, dass

das Management bei Restrukturierungsmaßnahmen nicht oder nur unzureichend informiert, Gerüchte

streuen lässt, um Unruhe in der verschiedenen Standorten zu säen. Hier erfüllen die EMB-Koordinatoren

durch eine frühzeitige Information eine wichtige Funktion der Vertrauensbildung im Zuge der

Restrukturierungsmaßnahmen. Wie wir noch sehen werden, war das bei den letzten beiden Wellen des

Arbeitsplatzabbaus bei GM immer der Fall (s. nächste Kapitel).

Bei umfassenden Restrukturierungsmaßnahmen besteht das grundlegende Problem eines europäischen

Industrieverbandes wie des EMB darin, rechtzeitig vom Management Informationen zu erhalten, diese mit

den Mitgliedsgewerkschaften und den lokalen Interessenvertretern auszutauschen und gewerkschaftliche

Gegenmaßnahmen auf lokaler, nationaler und europäischer Ebene zu diskutieren, zu planen und

schließlich zu organisieren. Diese Aufgabe ist nicht immer leicht zu erfüllen, da es in den

Mitgliedsländern sehr unterschiedliche Kulturen in den Arbeitsbeziehungen, die teilweise hoch reguliert

und rechtlich fixiert sind (wie in den skandinavischen Ländern), teilweise kaum rechtlich geregelt sind

(wie etwa in Italien). Diese unterschiedlichen Kulturen brechen in solchen Krisensituationen regelmäßig

auf und müssen durch den EMB vermittelt werden. Hinzu kommt, dass bei Restrukturierungsprogrammen

das Management einen strategischen Vorteil hat, den es in der Regel auch immer ausspielt, da die

Unternehmen nach der Ankündigung ihrer Restrukturierungspläne die interne, unternehmensspezifische

Koordinierung längst abgeschlossen haben, während die Gewerkschaften umfassende

Koordinierungsprozesse unter hohem Zeitdruck erst organisieren müssen.

Die Grundlage für das Vorgehen des EMB bei Restrukturierungsmaßnahmen wurde im Juni 2005 vom

Exekutivkomitee des EMB durch die Annahme einer Resolution über die EMB-Politik für eine sozial

verantwortliche Unternehmensrestrukturierung gelegt (“EMF policy approach towards socially

responsible company restructuring”, s. Anhang). Ausgangspunkt waren die umfassenden und immer

europäisch organisierten Restrukturierungsmaßnahmen der großen, multinationalen Konzerne der

Metallindustrie, insbesondere der Automobilindustrie. Man kann diese Entwicklung als eine

„Europäisierung der Restrukturierung“ fassen (Scherrer/Weinert 2007). Dies auch deshalb, weil einige

zentrale Parameter, wie eingangs dargelegt, es gerechtfertigt erscheinen lassen, von einem

europaspezifischen Entwicklungsweg in der Automobilindustrie zu sprechen (Jürgens 2004). Aber auf

europäischer Ebene forcierten die großen Automobilhersteller ihre Restrukturierungsanstrengungen

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drastisch, so dass aus dieser Entwicklung ein verstärkter Zwang zur transnationalen

Gewerkschaftskooperation und –koordination durch den EMB erwuchs. Das Zusammenführen der

unterschiedlichen nationalen Politiken der Gewerkschaften bezogen auf die großen Automobilhersteller

sei daher zu einem Eckpfeiler der Arbeit des EMB geworden

Diese Anstrengungen des EMB stoßen aber auf nationaler Ebene auf eine Reihe von unterschiedlichen

Ausgangsbedingungen für europäische Gewerkschaftsarbeit. So existieren in den europäischen

Nationalstaaten sehr unterschiedliche rechtliche Rahmenbedingungen, die bei

Unternehmensrestrukturierungen berücksichtigt werden müssen. Den nationalen Mitgliedsorganisationen

war bewusst geworden, dass Unternehmensrestrukturierungen weit über die nationalen Grenzen hinweg

ausgelegt sind, damit reichen die bestehenden, nationalen Rechtskulturen nicht aus, um einen

angemessenen Schutz der Beschäftigten sicher zu stellen. Aus dieser Erkenntnis wuchs die Einsicht bei

den europäischen Metallgewerkschaften, jenseits bestehender nationaler Rechtsvorschriften, europäische

Gewerkschaftsstrategien zu entwickeln. Die handlungsleitende Idee über die sozial verantwortliche

Restrukturierung ist, dass der EMB seine Mitgliedsorganisationen unterstützt bei der Vorbereitung,

Planung und Durchführung gewerkschaftlicher Gegenmaßnahmen, um die negativen Auswirkungen auf

die betroffenen Beschäftigten so weit wie möglich zu begrenzen. Außerdem sollten die Erfahrungen aus

den verschiedenen Unternehmensrestrukturierungen nach und nach zusammengeführt und ausgewertet

werden, damit die europäischen Gewerkschaften bei den nächsten Restrukturierungswellen besser

vorbereitet sind als das in der Vergangenheit der Fall war.

Einer der problematischen Aspekte bei transnationalen Unternehmensrestrukturierungen ist, dass das

Management bewusst die verschiedenen Standorte, Länder und nationalen Gewerkschaften in einen

Wettbewerb zu ziehen trachtet. Die Arbeitnehmer würden dann zunächst nur an die Arbeitsplätze im

eigenen Land denken, weitgehende Konzessionen akzeptieren, um diese zu erhalten – eine Rechnung, die

immer nur zulasten anderer europäischer Standorte und damit der Gewerkschaftsmitglieder in den

Nachbarländern gehe. Diese Strategie hat in den 90er Jahren aus der Sicht des Managements, gerade auch

bei General Motors Europe, funktioniert. Und ein raffiniertes Management wird immer versuchen, die

Betriebsräte und Vertreter der lokalen Gewerkschaften mit Lockangeboten zulasten anderer Standorte zu

ködern. Unterlegt wurde diese Strategie des Managements in der Vergangenheit mit unzureichenden oder

gar falschen Informationen. Hier liegt eine zentrale Aufgabe der europäischen Gewerkschaften,

aufzuzeigen, dass solche einzelnen Standortvereinbarungen nur Scheinlösungen darstellen, da nach kurzer

Zeit wieder neue Forderungen mit noch weiter reichenden negativen Auswirkungen für die Beschäftigten

gestellt würden. Eine wirksame Antwort gegen diese Managementstrategien könne nur auf europäischer

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Ebene gegeben werden, wenn all Standorte und betroffenen nationalen Gewerkschaften mit dem EMB

gemeinsame Forderungen formulierten und versuchten, diese auch europäisch durchzusetzen.

Diese Forderung ist zwar naheliegend, stößt aber auf eine Reihe organisatorischer und

gewerkschaftspolitischer Widrigkeiten. So sind beispielsweise die Arbeitsbeziehungen in den

europäischen Mitgliedstaaten fest etabliert, es gibt teilweise sehr unterschiedliche Verhandlungskulturen,

aber diese sind feste Bestandteile der jeweiligen Nationalstaaten. Auf europäischer Ebene fehlen fast alle

diese Merkmale nationaler Verhandlungskulturen. Als die ersten europäischen Rahmenvereinbarungen

abgeschlossen wurden, betraten die Gewerkschaften völliges Neuland, es gab keine rechtlichen

Strukturen, an denen sich diese Vereinbarungen orientieren konnten. Vor diesem Hintergrund musste der

EMB für sich und seine Mitgliedsorganisationen bestimmte Verfahren vereinbaren, die bei transnationalen

Unternehmensrestrukturierungen einzuhalten sind. Dazu verabschiedete der EMB Prinzipien und

Instrumente bei transnationalen Unternehmensrestrukturierungen.

Diese wurden im Juni 2006 beschlossen. Der EMB macht eingangs deutlich, dass Tarifverhandlungen die

zentrale Kompetenz der nationalen Gewerkschaften und ihrer lokalen Organe sei, die in den europäischen

Ländern aber unterschiedlich rechtlich ausgestaltet sind. Dem gegenüber hätten die europäischen

Betriebsräte kein Mandat für Kollektivverhandlungen und sollten auch keine Verhandlungspartner des

Managements werden. Richtig sei aber auch, dass der Begriff Tarifpolitik oder im Englischen ‘collective

bargaining’ in europäischen Mitgliedsländern eine teilweise sehr unterschiedliche Bedeutung habe. Aus

gewerkschaftspolitischer Sicht sei es daher von zentraler Bedeutung, dass eine volle Einbeziehung der

Gewerkschaften im Falle europaweiter Unternehmensrestrukturierungen gewährleistet ist. Nach den

Statuten des EMB ist bei Verhandlungen auf europäischer Ebene eine Mandatierung durch das

Exekutivkomitee zwingend erforderlich, die eine zwei Drittel-Mehrheit erfordert. Das ist der allgemeine

Rahmen, innerhalb dessen Verhandlungen auf europäischer Ebene in der Metallindustrie stattfinden.

Im Fall von europaweiten Unternehmensrestrukturierungen sind die europäischen Gewerkschaften mit

teilweise völlig neuen rechtlichen Problemen konfrontiert. So gibt es keinen verbindlichen Rechtsrahmen

für den Abschluss europäischer Rahmenvereinbarungen, es gibt auch keine rechtliche Garantie der

zwingenden Beteiligung der Gewerkschaften bei solchen Verhandlungen. Und schließlich gibt es auch

keine klaren internen Verfahrensvorschriften innerhalb des EMB, wie bei solchen Verhandlungen und

deren Abschluss verfahren werden sollte (EMF 2006). Die Prinzipien und Instrumente bei transnationalen

Unternehmensrestrukturierungen von 2006 sollten hier für die nationalen Mitgliedsorganisationen und für

die lokalen Gewerkschaften bzw. Betriebsräte Klarheit schaffen. Neben diesen europäischen Richtlinien

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wurden gleichzeitig die nationalen Mitgliedsorganisationen aufgefordert, interne Richtlinien und

Verfahren zu verabschieden, die insbesondere die Rolle des EMB klärt.

Neben diesen Prinzipien und Instrumente bei transnationalen Unternehmensrestrukturierungen hat der

EMB weitere Beschlüsse gefasst, wie bei europaweiten Restrukturierungen zu verfahren ist. So

veröffentlichte der EMB ein Handbuch über europäische Restrukturierungen, in denen anhand von vielen

Beispielen dargelegt wird, welche Probleme bei transnationalen Unternehmensrestrukturierungen

regelmäßig auftreten und wie dem begegnet werden kann.1 Richtlinien, Prinzipien und Informationspolitik

sind zentrale Aspekte in der Politik des EMB. Aber diese ersetzen nicht den Erfahrungsaustausch der

betroffenen Gewerkschaftsakteure face-to-face. Denn die erhöhten Anforderungen aufgrund

transnationaler Unternehmensrestrukturierungen erhöhten auch den Informations- und Austauschbedarf

der Gewerkschaften in Europa. Um diese gestiegenen Bedürfnisse entgegen zu kommen, organisiert der

EMB regelmäßig europäischer Unternehmenskonferenzen. Diese erste dieser Art fand am 22. und 23.

November 2006 in Brüssel statt. In der Konferenz wurde ein Überblick über die Unternehmenspolitik des

EMB gegeben und erfolgreiche Beispiele europäischer Unternehmensrestrukturierungen wurden

vorgestellt. In Arbeitsgruppen wurden die Erfahrungen aus anderen Ländern und Unternehmen vertieft.2

Diese Beispiele belegen, welch hohen Stellenwert transnationale Unternehmensrestrukturierungen beim

EMB einnimmt. Es handelt sich hier um ein Regulierungsfeld, in dem der EMB entscheidend für die

Beschäftigten in der europäischen Metallindustrie gestaltend mitwirken kann.

1 Das EMB-Handbuch ist in Deutsch, Englisch und Französisch verfügbar und kann von der EMB-Homepage herunter geladen werden, http://www.emf-fem.org/areas_of_work/company_policy/restructuring/emf_handbook_on_how_to_deal_with_transnational_company_restructuring 2 Der Endbericht und alle Präsentationen können ebenfalls von der EMB-Homepage herunter geladen werden, http://www.emf-fem.org/areas_of_work/company_policy/activities/1st_emf_company_policy_conference

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VI. Der Kampf um Europäische Rahmenvereinbarungen VI.1. Europäische Rahmenvereinbarungen als politisches Konzept

Vor dem Hintergrund der Liberalisierung der Märkte und den neuen Möglichkeiten der großen

Automobilunternehmen, Restrukturierungen als europäische Projekte zu konzipieren und durchzusetzen,

ist es für die europäische Gewerkschaftsbewegung von zentraler Bedeutung, Instrumente zu entwickeln,

mit denen die Gewerkschaften den Unternehmen ‚auf Augenhöhe’ begegnen können: nämlich mit der

Entwicklung eines genuin europäischen Vertragswerks. In dieser Perspektive, der Asymmetrie der

Handlungsmöglichkeiten großer, multinationaler Unternehmen und den in erster Linie nationalstaatlich

agierenden Gewerkschaften, ist die Entwicklung europäischer Rahmenvereinbarungen, die für alle

Standorte und europäischen Mitgliedsländern verbindlich sind, nicht nur die Entwicklung eines neues

Regelwerkes. Vielmehr stellt diese neue Verhandlungsoption eine gewerkschaftspolitische Strategie dar,

die beschriebene Asymmetrie zu überwinden. Insofern ist die Entwicklung und vermehrte Durchsetzung

europäischer Rahmenvereinbarungen gleichzeitig auch ein politisches Konzept der Gewerkschaften, um

die Interessen der Arbeitnehmer in Europa gleich und verbindlich zu regeln.

Eine europäische Rahmenvereinbarung kann man sich bildlich als einen Regenschirm vorstellen, der

grundlegende Regeln, Normen und Verfahren enthält, die für alle Länder und Standorte verbindlich sind.

Diese allgemeinen Normen und Regeln sind dann die Basis der in den jeweiligen Standorten

auszuhandelnden Einzelvereinbarungen, die entsprechend den landesüblichen Rechtstraditionen erfolgt.

Aber ein Unterschreiten der Normen der europäischen Rahmenvereinbarung ist ausgeschlossen

(Scherrer/Weinert 2007). In dem Verhandlungsprozess selbst stellt der EMB sicher, dass alle Akteure

umfassend informiert werden. Der zweite Aspekt betrifft die Implementierung der Rahmenvereinbarung

durch die europäischen Betriebsräte. Entscheidend ist hier, dass die verschiedenen Regulierungsebenen

auf Gewerkschaftsseite eng mit einander kommunizieren und sich abstimmen. Dieser Prozess der

Abstimmung erfolgt in der Regel unter hohem politischen Druck, großer öffentlicher Aufmerksamkeit

sowie einem enormen Zeitdruck. Deshalb ist eine funktionierende Abstimmung zwischen europäischer,

nationaler und lokaler Ebene unerlässlich, um erfolgreich mit dem Management zu verhandeln.

Wie wir noch zeigen, belegt gerade das Beispiel bei General Motors Europe, dass große

Automobilhersteller zu sozial verträglichen Restrukturierungsvereinbarungen gezwungen werden können,

wenn die Zusammenarbeit zwischen dem EMB, den nationalen Gewerkschaftsorganisationen und den

lokalen Organen und den EBRs wirklich funktioniert. Gerade die europäische Rahmenvereinbarung aus

dem Jahre 2004 ist in dieser Hinsicht ein wichtiges Beispiel. Aufgrund der absehbaren Zunahme weiterer

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europäischer Restrukturierungen wird die Rolle des EMB in solchen Prozessen an Bedeutung zunehmen

müssen. Denn es gibt gewissermaßen eine Art ‚natürlicher Versuchung’, die negativen Auswirkungen von

Restrukturierungen durch Einzelvereinbarungen zu begegnen. Deshalb ist eine starke, europäische

Gewerkschaftsorganisation notwendig, die betriebliche Egoismen überwindet und die Erfolgschancen

europäischer Regulierung deutlich macht. Richtig ist aber auch, um dieses Ergebnis vorweg zu nehmen,

dass es noch viel Überzeugungsarbeit in den nationalen Gewerkschaften und den lokalen Vertretungen

bedarf, um diese Einsicht bei den Arbeitnehmern tatsächlich zu verankern. Der EMB ist sich darüber im

Klaren, dass „europäische Rahmenvereinbarungen“ ein politisches Konzept darstellt, dass in vielen seiner

Mitgliedsorganisationen in seiner Tragweite für gewerkschaftspolitisches Handeln erst noch gefestigt

werden muss. Vor diesem Hintergrund sind die europäischen Rahmenvereinbarungen, die bei General

Motors abgeschlossen werden konnten, gerade auch unter gewerkschaftspolitischen Aspekten von

grundlegender Wichtigkeit. Diese Vereinbarungen belegen nachdrücklich, dass „europäische

Rahmenvereinbarungen“ ein ständiger Prozess gegenseitigen Lernens darstellt, der zwischen den lokalen,

der nationalen und der europäischen Regulierungsebene etabliert werden muss.

VI.2. Die Europäische Rahmenvereinbarung 2004: Trollhättan oder Rüsselsheim? Das Management von General Motors Europe kündigte am 2. September 2004 an, einen

Produktionsstandort in Europa zu schließen. Diese Ankündigung erfolgte ohne vorherige Information und

Konsultation mit dem EBR. Diese Erklärung wurde veröffentlicht als die schwedische Metallgewerkschaft

Svenska Metall gerade ihren Kongress in Stockholm abhielt. Der Generalsekretär des EMB war auf

diesem Kongress anwesend und am 8. September veröffentlichten auf diesem Kongress die schwedischen

Gewerkschaften (neben Svenska Metall die ‚white collar workers’ Gewerkschaften SIF und die CF)

zusammen mit dem EMB eine gemeinsame Erklärung unter dem Titel: „Kein Sozialdumping, für die

Einhaltung angeschlossener Vereinbarungen“ (“No to social dumping, yes to respect for signed collective

agreement”). Die Gewerkschaften protestierten gegen das einseitige Vorgehen des Managements, ohne

dass den rechtlich vorgeschriebenen Informations- und Konsultationspflichten nachgekommen wäre. Es

wurde eine konstruktive Diskussion mit den europäischen Gewerkschaften eingefordert, um sozial

akzeptable Vereinbarungen für alle zu finden.

Der EMB diskutierte Anfang September mit seinen Mitgliedsgewerkschaften die Situation, um ein

gemeinsames Vorgehen zu vereinbaren. Dazu wurde die europäische Gewerkschaftskoordinierungsgruppe

(“European trade union coordination group” (E.T.U ) für GME ins Leben gerufen. Sie setzt sich aus

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Vertretern der EMB-Mitgliedsgewerkschaften, dem Sekretariat des EMB und Mitgliedern des EEF

zusammen. Die Gruppe verständigte sich auf gemeinsame Grundforderungen über eine sozial verträgliche

Restrukturierung, die danach mit den nationalen Gewerkschaften und den lokalen Interessenvertretern

diskutiert wurden. Die Gewerkschaften verständigten sich ebenso darauf, dass es keine

Einzelvereinbarungen auf Standortebene geben darf. Weiter wurde vereinbart, dass der EEF ein Schreiben

an das GME-Management schickt, das die Forderung nach dem Abschluss einer europäischen

Rahmenvereinbarung enthalten soll. Die Gewerkschaftskoordinierungsgruppe wurde so zusammengesetzt,

dass jede nationale Gewerkschaft, die betroffen ist, sowie alle Standorte vertreten sind, außerdem wurde

ein EMB-Koordinator bestimmt.

Anfang Oktober 2004 kündigte das GME-Management weiter an, bis zu 20 Prozent der Beschäftigten in

Europa abzubauen. Am selben Tag sandte das EMB-Sekretariat an alle Mitgliedsorganisationen ein

Schreiben, in dem die Situation erläutert wurde, verbunden mit der Forderung, sich auf europäische

Kampfmaßnahmen vorzubereiten.

Diese Vorbereitungsarbeiten führten schließlich dazu, dass am 19. Oktober 2004 ein europäischer

Aktionstag an allen GM-Standorten in Europa durchgeführt wurde, an dem über 50,000 Arbeitnehmer in

ganz Europa teilnahmen. Als ein Ergebnis dieser Maßnahmen erklärte sich das Management bereit, eine

europäische Rahmenvereinbarung abzuschließen. Der Vorschlag des Managements wurde aber von der

Gewerkschaftskoordinierungsgruppe am 25. Oktober abgelehnt, weil diese für die Gewerkschaften und

den Beschäftigten inakzeptabel war. Es schlossen sich harte Verhandlungen an, die am 8. Dezember zu

einem erfolgreichen Abschluss gebracht werden konnten.

Betrachtet man sich den Willensbildungsprozess auf Seiten der Gewerkschaften, so ist dieser durch

günstige Zufälle geprägt gewesen. So erfolgte die Ankündigung des Managements über die Schließung

eines Werkes (gemeint war das Werk in Bochum) während des Kongresses der schwedischen

Metallgewerkschaft. Auf diesem Kongress waren beispielsweise Vorstandsmitglieder der IG Metall

vertreten und der Generalsekretär des EMB. Diese Koinzidenz ermöglichte eine schnelle Abstimmung

zwischen den wichtigen deutschen und schwedischen Gewerkschaften und der EMB ergriff in einem

frühen Stadium eine Initiativpolitik. Das waren glückliche Umstände, die die Akteure der europäischen

Gewerkschaften aber auch zu nutzen verstanden. Gewerkschaftspolitisch entscheidend waren daher nicht

so sehr die gewerkschaftlichen Strukturen, sondern die Initiative einzelner Gewerkschaftsakteure: actors

rather than structure (Schroeder/Weinert 2004).

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Hinsichtlich des Konfliktes selbst sind zwei Aspekte zu unterscheiden, die in der öffentlichen Debatte

häufig vermischt wurden. Der erste Aspekt betrifft die Kostenreduzierung, die das Management

angekündigt hatte und 12,000 Arbeitsplätze betraf. Der zweite Aspekt betraf die Entscheidung, wo die

nächste Generation der Plattformtechnologie eingesetzt werden sollte. Und hier war frühzeitig die Absicht

des GM-Managements erkennbar, den schwedischen Standort Trollhättan gegen den deutschen in

Rüsselsheim auszuspielen. Der EBR bekräftigte seine Leitlinie, die er schon in den vorherigen

Restrukturierungsmaßnahmen umgesetzt hatte: eine gleichmäßige Verteilung der Lasten, um

Standortschließungen zu verhindern (“sharing the pain”). Dieser grundlegenden Forderung stimmte das

Management schließlich zu. Um dieses Ziel zu erreichen, kamen beiden Seiten überein, dass die

Wettbewerbsfähigkeit aller europäischen Standorte erhöht werden müsse. Der zweite Aspekt bezieht sich

auf den Auswahlprozess, in welchen Standorten die nächste Generation der Plattformtechnologie zum

Einsatz kommen soll. Hier war es wichtig, dass beide Seiten überein kamen, dass beim Auswahlprozess

bestimmte Kriterien eingehalten werden sollten. Dazu zählen die Verkaufs- und Marketingstrategie, die

allgemeine Nachfragesituation auf den regionalen Märkten, die künftige Produktionsstrategie, finanzielle

Effektivität, Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigungssituation und Kosten für Abfindungen. Für die

Arbeitnehmervertreter war es ein wichtiger Erfolg, dass solche Kriterien wie „Beschäftigungssituation“

und „Abfindungskosten“ mit in eine europäische Rahmenvereinbarung aufgenommen wurden.

„Europäische Rahmenvereinbarung” heißt, dass die Vertragspartner GM Europe ist, der europäische

Betriebsrat von GME und der EMB. Die Vereinbarung besteht aus allgemeinen Regeln und

Verfahrensnormen, die bei der Implementierung des Restrukturierungsplanes beachtet werden müssen.

Die Implementierung der europäischen Rahmenvereinbarung erfolgt auf nationaler und lokaler Ebene,

entsprechend den jeweils gültigen landesspezifischen unternehmens- und arbeitsrechtlichen

Bestimmungen. Allerdings ist eine Unterschreitung der Normen der europäischen Rahmenvereinbarung

ausgeschlossen. Die Vereinbarung stellt auch einen Verhaltenskodex dar („code of conduct”), der regelt,

wie der Implementierungsprozess umgesetzt werden soll. Das betrifft insbesondere solche Aspekte, dass

betriebsbedingte Kündigungen auf ein Minimum zu reduzieren.

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Weinert © 2005.

Aus Gewerkschaftsperspektive bedeutet der Abschluss einer europäischen Rahmenvereinbarung immer

einen doppelten Prozess: Es ist eine Top-down-Strategie, eine Art ‘Regenschirm’, dessen allgemeiner

Schutz für alle folgenden Verhandlungen auf nationaler und regionaler Ebene für alle bindend ist (s.

Abb.). In diesem Verhandlungsprozess stellt die EMB-Koordinierungspolitik sicher, dass alle Akteure

über die relevanten Entscheidungen informiert werden. Der andere Aspekt bezieht sich auf eine Bottom-

up-Strategie, die im Wesentlichen von den Mitgliedern des EBR umgesetzt wird. Diese Strategie erfordert

eine enge Abstimmung und gegenseitige Information zwischen den Standorten, den nationalen

Gewerkschaften und dem EMB.

Hinsichtlich der Koordinierung der verschiedenen Ebenen, war es von zentraler Bedeutung, dass der EMB

den Gewerkschaftskoordinierungsausschuss eingesetzt hatte, in dem sowohl alle GM-Standorte vertreten

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waren, als auch alle betroffenen nationalen Gewerkschaften. Dieses Gremium ist unter

gewerkschaftspolitischen Gesichtspunkten von zentraler Bedeutung, da von vielen Gewerkschaftern

häufig die Befürchtung geäußert wird, dass die EBRs – unterstützt von den Unternehmensleitungen –

selbst Verhandlungen führen, was ihnen rechtlich eigentlich untersagt ist. Die Struktur einer europäischen

Rahmenvereinbarung und der Gewerkschaftskoordinierungsausschuss stellen allerdings sicher, dass die

europäischen Gewerkschaften nicht nur über solche weitreichenden Prozesse wie europaweite

Restrukturierungen informiert werden, sondern die zentralen Akteure sind.

Für den europäischen Metallgewerkschaftsbund war diese Vereinbarung ein Meilenstein in der

Entwicklung europäischer Tarifvereinbarungen. Ermöglicht wurde diese Vereinbarung durch eine enge

Zusammenarbeit zwischen dem EMB und dem europäischen Betriebsrat. Die Mitgliedsgewerkschaften

des EMB waren über den europäischen Gewerkschaftskoordinierungsausschuss in die Verhandlungen

eingebunden. Dieses Beispiel verdeutlicht, dass europäische Rahmenvereinbarungen durch eine enge

Zusammenarbeit möglich sind. Dieses wird aber nur durch die Fähigkeit und Bereitschaft zu

grenzüberschreitende Mobilisierung der Arbeitnehmer möglich sein. Die politische Organisierung solcher

transnationalen Kampfmaßnahmen kann weder politisch noch rechtlich ein EBR oder eine nationale

Gewerkschaft ins Werk setzen. Dazu bedarf es einer effektiven gewerkschaftlichen Interessenvertretung

auf europäischer Ebene, die diese rechtlichen Begrenzungen (wie beim EBR) oder die nationalen Grenzen

(wie bei den nationalen Mitgliedsorganisationen des EMB) überwindet und eine tatsächliche europäische

Interessenformulierung garantiert, die frei von betriebsegoistischen Versuchungen oder nationalen

Alleingängen ist.

VI.3. Die Europäische Rahmenvereinbarung 2006: Der Kampf um das Werk in Azambuja

Der Prozess transnationaler Restrukturierung setzte sich nach der Entscheidung, über 12,000 Arbeitsplätze

abzubauen, bei GM weiter fort. Anfang 2006 meinte Carl-Peter Forster vom GM-Vorstand, dass in Europa

bis zu drei Werke geschlossen werden könnten (EMF 22/05/2006). Dabei ermögliche die neue

Technologie ein flexibles Verschieben von Produktion auch über weite Distanzen. In März 2006 meinte

Bob Lutz, General Motors globaler Entwicklungschef, dass es ein neues Phänomen in der europäischen

Automobilindustrie gebe, "footprint migration". Jede rede von der Verlagerung von Produktion aus den

Hochkostenstandorten in Westeuropa und Nordamerika nach Osteuropa und nach Asien. "We're also

talking about Korea, Thailand, Mexico and, in five years ... China.” (Guardian, March 2, 2006). Mit

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solchen Verlautbarungen soll den europäischen Standorten deutlich gemacht werden: kein Standort sollte

sich sicher wähnen. Selbst die niedrigen Löhne im polnischen Werk in Gliwice sind dann keine

Bestandsgarantie mehr, da neue Werke in Osteuropa noch billiger produzieren können. Die europäischen

Gewerkschaften befürchteten, dass sich mit dem Wechsel zur neuen Generation des Astra Models ab 2010

die Situation in den sog. Delta Werken, in denen der Astra und Zafira hergestellt wird, dramatisch

verschlechtern könnte, da, so Einschätzungen des EEF, zwei von fünf Standorten geschlossen werden

könnten. Durch Outscourcing arbeitsintensiver Produktion, der Verlagerung von Produktion nach

Osteuropa sowie der Verlagerung bestimmter Produktionsteile nach Asien, würde eine mächtige

Bedrohung der Werke in Europa darstellen. Außerdem wurde das schwedische Werk in Soedertaelje zur

Disposition stehen, in dem der GM Powertrain hergestellt wird.

Im Mai 2006 kündigte GM an, eine Schicht in Ellesmere Port, England, zu streichen, wo GM den

Vauxhall herstellt, aber auch den Opel Astra. Der Streichung fielen 900 Arbeitsplätze zum Opfer, jeder

dritte Arbeitsplatz im Werk. GME begründete diese Streichung mit schlechten Verkaufszahlen und der

Notwendigkeit der Kostenreduzierung. Allerdings gelang es den lokalen Gewerkschaften, großzügige

Abfindungszahlungen auszuhandeln sowie Regelungen über Frühpensionierungen. Der EMB und der EEF

protestierten gegen diese Maßnahmen als völlig unangemessen, weil sie das Problem der geringen

Auslastung der GM-Werke in Europa nicht wirklich lösten. Der EEF schlug dem gegenüber vor,

Maßnahmen der Arbeitszeitverkürzung zu ergreifen, freiwilliges Ausscheiden von Arbeitnehmern sowie

Frühpensionierungsregelungen. Diese Vorschläge wurden vom Management zurückgewiesen.

Aber die weitaus dramatischere Ankündigung des GME-Managements war, ein weiteres Werk in Europa

zu schließen. Dieses Mal ging es um das Werk im portugiesischen Azambuja, nördlich von Lissabon.

Bezieht man die Beschäftigten aus den Zuliefererbetrieben, ein, waren über 3,000 Arbeitnehmer und deren

Familien betroffen. Abermals protestierten EEF und EMB gegen die beabsichtigte Schließung dieses

Werkes. Klaus Franz, Vorsitzender des EBR, sagte: “This would be the start of abandoning car production

and engineering in Western Europe and would lead to massive job losses at General Motors step by step

all over Europe. Therefore, we are not willing to accept the closure of the Azambuja plant”. Es zeigte sich

für den EBR in einem frühen Stadium, dass GM Europe kein Interesse an einer gemeinsamen Lösung

hatte. Das offenbarte schon die Informationspolitik des Managements gegenüber dem EBR. Die

Informationen kamen spät, waren unvollständig und enthielten nicht die zentralen Angaben, die der EEF

brauchte, um reagieren zu können. Der EEF schlug vor, Produktion des Chevrolets für die

westeuropäischen Märkte nach Azambuja zu verlagern, um das Werk zu retten. Es war aber offensichtlich,

dass die Schließung des Werkes in Azambuja in erster Linie eine politische Maßnahme war. Denn das

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Argument, Überkapazitäten abzubauen, wurde durch die Tatsache konterkariert, dass GM zum selben

Zeitpunkt neue Produktion in Osteuropa aufbaute. Auch passte ins Bild, dass sich das Management von

GM weigerte, vertrauensvoll mit dem EEF und EMB an einer europäischen Rahmenvereinbarung zu

arbeiten (EMF 12/06/2005).

Vor allem die Arbeiter in Azambuja waren empört über das Vorgehen des Managements, weil sie in der

letzten Tarifrunde erhebliche Zugeständnisse gemacht hatten, um die Zusicherung von GM Europe zu

erhalten, dass das neue Model des Opel Combo dort hergestellt werden würde. Aber diese

Tarifvereinbarung war ein Akt er Erpressung. Die Gewerkschaften stimmten den Zugeständnissen nur

deshalb zu, dass dadurch die Produktion bis 2009 erhalten würde. Die Tarifvereinbarung läuft bis Ende

2007, aber das Werk sollte schon Ende 2006 geschlossen werden. Außerdem hatte der EEF Kenntnis von

internen Unterlagen des Managements bekommen, wonach das Werk in Azambuja eines der produktivsten

Werke in Europa war, gleich nach Eisenach; und eines mit den niedrigsten Löhnen, gleich nach dem

polnischen Werk in Gliwice.

Sowohl für den EBR als auch für den EMB ging es beim Kampf um Azambuja einerseits um den Erhalt

dieses Werkes. Andererseits war offensichtlich, dass mit dieser Schließung ein erster Schritt getan werden

sollte, um weitere Schließungen in Europa vorzubereiten. Insofern war der Kampf um Azambuja nicht nur

von lokaler Bedeutung. Der EMB und der EEF entschieden sich deshalb dafür, europäische Streikaktionen

durchzuführen. Dabei stand nicht nur ein europäischer Aktionstag im Zentrum, vielmehr handelte es sich

um eine Serie von Kampfmaßnahmen, die von ‘Info Meetings’, dem Boykott von Überstunden,

Produktionsstilllegungen bis hin zu großen Streikaktionen reichte. Diese Aktionen zogen sich über zwei

Wochen hin.

Den Auftakt machten die Arbeiten im Werk von Azambuja am 29. Juni 2007. Sie streikten 24 Stunden

und begannen mit ihren Familien einen “Marsch nach Lissabon” zum portugiesischen Parlament. Danach

weiteten sich die Streikmaßnahmen auf alle 18 Standorte von GM aus. Es gab

Produktionsunterbrechungen, Informationen über den Fortgang der Verhandlungen und Warnstreiks. In

Portugal marschierten die Arbeiter zur Residenz des portugiesischen Ministerpräsidenten, Jose Socrates.

Peter Scherrer, Generalsekretär des EMB, machte deutlich, dass der Kampf um Azambuja von zentraler

Bedeutung für die europäische Gewerkschaftsbewegung insgesamt sei. “Because it is a fight against a

completely unacceptable unsocial decision and does in no way meet the standards of the social

responsibility multinational companies have. In particular against the background that GM Europe

received substantial Portuguese public funding for the Azambuja plant in recent years (EMF 2006). Die

Shop Stewards des Werkes verlangten vom Management, dass sie ihre Zusagen erfüllen, die sie in der

letzten Tarifvereinbarung dem Werk Azambuja und deren Arbeiter gegeben hatten, nämlich eine Garantie

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für das Werk bis 2009. Nur unter dieser Bedingung hatte General Motors Europe von der portugiesischen

Regierung über 40 Millionen Euro an Subventionen erhalten.

Obwohl der EMB und seine Mitgliedsorganisationen, organisiert und koordiniert durch den

Gewerkschaftskoordinierungsausschuss, so viel Druck als möglich auf das Management von General

Motors Europa ausübte, konnte die Schließung des Opel Werkes in Azambuja nicht verhindert werden.

Das Werk wurde Ende 2006 geschlossen. Allerdings gelang es dem EEF in einer europäischen

Rahmenvereinbarung die höchsten Abfindungen zu vereinbaren, die jemals in Portugal gezahlt wurden.

Die europäische Solidarität der Arbeitnehmer der Metallindustrie wurde auf eine harte Probe gestellt,

obwohl das Hauptziel nicht erreicht werden konnte. Aber selbst die Abfindungen waren nur in

schwierigen und langwierigen Verhandlungen zu erreichen. Zunächst lehnte es das Management ab, diese

Regelungen in eine europäische Rahmenvereinbarung zu gießen, Verhandlungen sollten nur mit den

lokalen Gewerkschaften stattfinden. Am Ende wurde ein Kompromiss gefunden und das Management

stimmte zusätzlichen sozialen Regelungen zu wie dem Fortgelten von Gesundheitsvorsorgeleistungen,

Lebensversicherungen, Pensionen u.a. außerdem wurde vereinbart, dass sich GM in Zusammenarbeit mit

der portugiesischen Regierung in Azambuja um alternative Arbeitsplätze kümmert.

Die Solidaritätsaktionen, die der EMB mit dem EEF in allen 18 Standorten von General Motors Europe

organisierten, stellte eine neue Qualität europäischer Solidarisierung dar. Dennoch konnte das Hauptziel,

die Verhinderung der Schließung des Opel Werkes in Azambuja nicht verhindert werden. Darüber hinaus

war allen Arbeitnehmern klar, dass diese Schließung einen krassen Bruch einer Zusage darstellte, die im

Rahmen einer Tarifrunde den portugiesischen Beschäftigten gegeben wurde. Mit Bezug auf dieses

Vorgehen fragte ein spanisches Mitglied des EEF auf einer Sitzung im Januar 2007 in die Runde: „Wenn

das so weiter geht, dann frage ich: Was sind die Tarifvereinbarungen noch Wert, die wir mit dem

Management abschließen?“

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VII. Andere Beispiele europäischer Rahmenvereinbarungen

“Europäische Rahmenvereinbarungen” sind ein relativ neues Instrument europäischer

Gewerkschaftspolitik. Der EMB versucht daher seine Mitliedsorganisationen und die EBRs davon zu

überzeugen, dass dieses Vereinbarungen wichtige Instrumente sind, da sie für alle Standorte und deren

Beschäftigten Gültigkeit haben. Es ist gleichzeitig ein transnationaler Schutz, um sich gegen

Abwärtsspiralen zu schützen. Eine wichtige europapolitische Funktion für die europäischen

Gewerkschaften und den Arbeitnehmern besteht darin, das Bewusstsein zu stärken, dass den Strategien

der großen Unternehmen nur durch ein geschlossenes Auftreten der Gewerkschaften auf europäischer

Ebene begegnet werden kann. Die Erfahrungen, die bei General Motors gesammelt werden konnten, sind

dabei durchaus ermutigend, obwohl nicht alle Ziele erreicht werden konnten. Dennoch bleibt die Tatsache,

dass das zentrale Hauptbetätigungsfeld der EBRs transnationale Restrukturierung ist (s. die Beispiele bei

Kotthoff 2006), die Unternehmen sich aber weigern, europäische Rahmenvereinbarungen mit dem EMB

und den EBRs abzuschließen. Deshalb wird eine wichtige Aufgabe des EMB bleiben, darauf hinzuwirken,

dass in solchen Fällen keine Einzelstandortvereinbarungen mehr abgeschlossen werden, sondern nur noch

europäische Rahmenvereinbarungen.

Die Besonderheit bei GM besteht zum einen darin, dass bereits verschiedene europäische

Rahmenvereinbarungen abgeschlossen werden konnten. Zum anderen beziehen sich diese auf das

Hauptbetätigungsfeld der EBRs der transnationalen Restrukturierung. Hierbei geht es ans „Eingemachte“,

um Arbeitsplätze, dem Kampf um Erhalt von Standorten und Versuchen des Managements, die nationalen

Gewerkschaften gegen einander auszuspielen.

Es wäre daher erwartbar gewesen, dass das Instrument der europäischen Rahmenvereinbarungen zunächst

in Bereichen zum Einsatz kommt, die nicht so kontrovers zwischen Management und EBRs diskutiert

werden, also sog. soft issues. Aber auch hier gibt es noch relativ wenige Vereinbarungen. Ein solches

Beispiel ist die Gleichbehandlung am Arbeitsplatz. In diesem Bereich hat der Areva-Konzern einer

wichtigen europäischen Rahmenvereinbarung zugestimmt. Der Areva-Konzern ist einer der wichtigen

Energieunternehmen, die Atomkraftwerke und Elektrizitätsausstattungen und –verteilungssysteme

entwickeln und herstellen. Der Konzern operiert weltweit und ist in Europa in 13 Ländern vertreten, der

Hauptsitz ist in Frankreich. Er beschäftigt über 61,000 Arbeitnehmer, die Vorstandvorsitzende ist eine

Frau, Anne Lauvergeon.

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Der Areva-Konzern, der EBR und der EMB vereinbarten im November 2006 eine europäische

Rahmenvereinbarung über Gleichbehandlung am Arbeitsplatz. Dieser Begriff erstreckt sich nach der

Vereinbarung auf Sachverhalte der

- Nicht-Diskriminierung bei der Anstellung

- Zugang zu allen professionellen Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen

- gleiche Bezahlung und

- Vergütungen im Elternschaftsurlaub.

Die Vereinbarung besteht aus drei Hauptkapiteln (CSR-Prinzipien des Unternehmens,

Geschlechtergleichbehandlung (gender equality) und die Beschäftigung von Behinderten). Vor Abschluss

der Rahmenvereinbarung sandte der EBR einen Fragebogen an alle Arbeitnehmer an alle Standorte in

Europa, um sich über Probleme der Geschlechtergleichbehandlung und der Beschäftigung von

Behinderten ein vollständiges Bild zu machen. Der EMB war von Anfang an den Verhandlungen

beteiligt.3

„Geschlechtergleichbehandlung” erstreckt sich in der Vereinbarung auf die Anstellung,

Karriereentwicklungspläne, berufliche Fort- und Weiterbildung, equal pay sowie Vergütungen im Falle

von Elternschaftsurlaub. Die gleichen Sachverhalte werden für Behinderte aufgezählt, außerdem Fragen

der Integration. Für die Gewerkschaftsvertreter war wichtig, dass sich das Unternehmen in den

Verhandlungen sehr konstruktiv verhalten habe und auf mehrerer Vorschläge der Gewerkschaftsseite

eingegangen sei.

Die gewerkschaftspolitische Bedeutung dieser europäischen Rahmenvereinbarung besteht darin, dass der

EMB erstmals eine solche Vereinbarung für den Bereich der Gleichbehandlung abschließen konnte. Es

handele sich deshalb um einen Meilenstein in der Politik des EMB.

3 The text of the agreement, the presentation of Maureen Kearny, and a summary report of the First Company Policy of the EMF of the EMF secretariat can be downloaded, http://www.emf-fem.org/areas_of_work/company_policy/activities/1st_emf_company_policy_conference

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Es ist erwartbar, dass sich das Instrument der europäischen Rahmenvereinbarung zunächst bei soft issues

weiter durchsetzen wird. Weniger wahrscheinlich ist eine breite Welle von solchen Vereinbarungen bei

Restrukturierungen. Europäische Rahmenvereinbarungen wie die bei Areva sind insofern bedeutsam, weil

sie einerseits einen wichtigen Bereich europäischer Beschäftigungspolitik abdecken. Gleichzeitig können

durch die Praxis in diesem Bereich das Bewusstsein und die Einsicht bei Management wachsen, dass

solche Vereinbarungen auch in anderen Bereichen ihre Berechtigung haben, insbesondere wenn es um

transnationale Restrukturierungen geht.

VIII. Eine gewerkschaftspolitische Evaluierung der

EMB-Restrukturierungspolitik

Die Rahmenvereinbarung bei General Motors aus dem Jahre 2004 wird vom EMB als Beginn einer neuen

Ära europäischer Gewerkschaftspolitik gewertet. In einer für die Beschäftigten und deren Gewerkschaften

zentrale Fragen wurden Normen und Verfahrensregeln ausgehandelt, die für alle Gewerkschaften auf

regionaler und lokaler Ebene bindend sind. Sowohl die befragten Mitglieder des EEF als auch die

involvierten Gewerkschaftsvertreter bestätigten, dass die folgenden Verhandlungen in den einzelnen

Standorten weitaus einfacher waren als wenn es diese Rahmenvereinbarung nicht gegeben hätte. Darüber

hinaus ist diese Rahmenvereinbarung ein transnationales Symbol, das die europäischen

Metallgewerkschaften und der EBR bei GM zusammenstehen und handeln – und das war für das GM-

Management durchaus eine Überraschung.

Der Kampf um die europäische Rahmenvereinbarung zeigt auch, dass multinationale Unternehmen bei

europaweiten Restrukturierungsprozessen zu einem sozial verantwortungsvollen Verhalten gezwungen

werden können. Dies erfordert aber erfolgreiche Mobilisierungen der europäischen Gewerkschaften. In

dieser Hinsicht war gerade unter gewerkschaftspolitischen Aspekten die Rahmenvereinbarung von 2004

von entscheidender Bedeutung. Sowohl die europaweiten Restrukturierungsprozesse von GM und anderen

europäischen Großunternehmen belegen zudem, dass in solchen Fällen nationale Lösungen nicht in der

Lage sind, die Arbeitsplätze wirkungsvoll zu schützen.

Zwei Jahre später war die Situation ähnlich gelagert wie 2004, von der Schließung betroffen war aber nur

ein Werk. Außerdem zeigte sich zu einem frühen Zeitpunkt, dass das Management zwar bereit war, über

die Folgen der Schließung zu verhandeln, nicht aber über die Schließung selbst. Der EMB rief 2006

ebenfalls zu europaweiten Streikaktionen auf, die für den EMB und dessen Mitgliedsorganisationen eine

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große Herausforderung darstellten. Im Januar 2007 diskutierte die Gewerkschaftskoordinierungsgruppe

des EMB die Erfahrungen, die im Zuge dieser Mobilisierungsprozesse gemacht wurden.

Diskussionsgegenstände war die Intensität der Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Standorten, den

Streikaktionen, die an den verschiedenen Standorten organisiert wurden, der Grad der Involvierung der

nationalen Gewerkschaften, das Zusammenspiel zwischen den verschiedenen Ebenen und den

Gewerkschaften. Übereinstimmung herrschte dahingehend, dass die Gewerkschaften nicht genug

Gegenmacht mobilisieren konnten, um die Schließung von Azambuja zu verhindern. Die Mitglieder

stimmten ebenso überein, dass bei diesen europaweiten Aktionen der Grad der Einbeziehung der

nationalen Gewerkschaften von entscheidender Bedeutung sei. Dieser Beitrag hätte 2004 wie 2006 zu

wünschen übrig gelassen und würde (fast) alle nationalen Mitgliedsorganisationen des EMB betreffen.

Beim Kampf um Azambuja könnten positive wie negative Aspekte ausgemacht werden. Die positiven

Aspekte seien:

- Der EMB, seine Mitgliedsgewerkschaften, die lokalen Interessenvertretungen und die Betriebsräte mussten eng zusammenarbeiten, und dieses sei auch gelungen, nachdem GM verlautbaren ließ, das Werk in Portugal zu schließen;

- alle 18 Standorte von General Motors Europe waren in die Protestaktionen einbezogen, der EMB hatte die zentrale Aufgabe, die jeweiligen Aktionen europaweit zu koordinieren;

- die europäischen Gewerkschaftsverbände konnten erfolgreich eine europaweite öffentliche Aufmerksamkeit zu mobilisieren;

- wahrscheinlich hatten diese Aktionen auch einen gewissen Einfluss auf die Entscheidung von GME, die neue Modellreihe des Astra in bestehenden westeuropäischen Werken zu produzieren und nicht, was von vielen Gewerkschaftern befürchtet wurde, diese Produktion nach Asien oder Osteuropa zu vergeben; diese Entscheidung wurde im April 2007, wenige Monate nach diesen Protestaktionen, getroffen.

Das sind zweifellos erfolgreiche Bestandteile der europäischen Protestaktionen. Gleichzeitig wurden aber

auch im Prozess dieser Aktionen nicht unerhebliche Schwachstellen deutlich. Auf der Sitzung der

Gewerkschaftskoordinierungsgruppe wurden folgende Sachverhalte kritisiert:

- in vielen Standorten war es schwierig, die Beschäftigten von der Notwendigkeit europaweiter Kampfmaßnahmen zu überzeugen;

- es gab drastische Unterschiede hinsichtlich der tatsächlich durchgeführten Protestaktionen zwischen den jeweiligen Standorten;

- in vielen Fällen waren nur geringe Teile der Belegschaft in die Maßnahmen einbezogen; - es zeigte sich zudem, dass es in einigen Werken nicht möglich war, weiter gehende Streikaktionen

aufgrund bestehender nationaler Rechtsprechung in Angriff zu nehmen (Schweden), was die Handlungsfähigkeit der europäischen Gewerkschaften schwächt.

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Diese Probleme sind nicht neu für den EMB, wenn es um die Organisierung europaweiter Protestaktionen

geht. Im Wesentlichen handelt es sich um die gleichen Probleme, mit denen der EMB und der EEF zwei

Jahre zuvor konfrontiert waren. Der EMB meinte damals, dass die Verpflichtung für europaweite

Protestaktionen äußerst differenziert war (EMF Focus report No. 1, p. 29). Schon 2004 wurde darauf

hingewiesen, dass die Organisierung eines europäischen Aktionstages keine Angelegenheit sei, die man

beliebig ins Werk setzen könne. Wenn sich der EMB, seine Mitgliedsorganisationen und die lokalen

Interessenvertretungen darauf verständigen, europaweite Protestaktionen zu organisieren, dann handele es

sich um ‚große Politik’, die von den verantwortlichen Gewerkschaftsakteuren auch so betrachtet und

angegangen werden müssten. Es zeigte sich aber schon 2004, dass das in vielen Fällen nicht gegeben war.

Ein großes Problem bei den Protestaktionen war auch die Tatsache, dass die ergriffenen Maßnahmen mehr

eine symbolische Bedeutung hatten. Dieser Charakter dürfte auch dem lokalen Management nicht

verborgen bleiben, die entsprechende Informationen zur Europazentrale weiter geleitet haben dürften.

Insofern schwächen solche minimalen, eher symbolischen Aktionen das gesamte Anliegen der

europäischen Gewerkschaften.

Der Verlauf der Aktionen in 2004 wie in 2006 offenbarte, dass das schwächste Glied bei der

Koordinierung die nationalen Mitgliedsverbände waren. Aber gerade die Unterstützung durch die

nationalen Gewerkschaftsorganisationen ist bei solchen Maßnahmen von entscheidender Bedeutung für

den Erfolg für die transnationalen Aktionen insgesamt. Von EMB-Seite wurde festgehalten, dass das

Zusammenspiel der lokalen, der nationalen und der europäischen Kampfebene verbessert muss. Der

Exekutivausschuss des EMB verabschiedete Prinzipien und Instrumente, die regeln wie bei solchen

europaweiten Aktionen in Zukunft verfahren werden soll. Klaus Franz hatte deshalb Recht, wenn er

unterstrich, dass solche transnationalen Aktionen ohne tatsächliche Unterstützung von Gewerkschaftsseite

keine Wirkungen auf das Management entfalten könnten. Eine wesentliche Bedingung, um zu echten

europäischen Aktionen zu kommen, ist die Überwindung herkömmlicher Denkweisen, wonach ein

Abschluss in einem Standort richtig sei, um die Beschäftigung am eigenen Standort zu sichern, aber

eindeutig zulasten anderer geht. Gerade der EBR bei GME musste die schmerzliche Erfahrung machen,

dass sich solche Vorgehensweisen eben nicht auszahlen. Innerhalb von nur wenigen Monaten waren in

den 90er Jahren die einzelnen Standortvereinbarungen Makulatur. Durch die neue globale Strategie von

General Motors wird der Abschluss von Einzelstandortvereinbarungen noch mehr obsolet.

Bei einem Vergleich des Erfolgs der europäischen Rahmenvereinbarung 2004 und des Scheiterns 2006

zeigt sich, dass das Management von den europaweiten Aktionen im Herbst 2004 überrascht wurde.

Zusätzlich erschwert wurde das Handeln des Managements durch die engen, informellen Abstimmungen

zwischen den schwedischen und deutschen Gewerkschaftern und Betriebsräten. Die Rechnung des

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Managements, Trollhättan gegen Rüsselsheim auszuspielen funktionierte nicht, wodurch die Position der

Gewerkschaften gestärkt wurde und das Management dem getroffenen Kompromiss zustimmte. Zwei

Jahre später sah die Situation anders aus, es sollte ein Werk geschlossen werden, das Management war

fest entschlossen, diese Schließung ‚durchzuziehen’. Gleichzeitig war man darauf gefasst, dass die

europäischen Gewerkschaften zu transnationalen Aktionen aufrufen werden. Dem gegenüber fiel es den

europäischen Gewerkschaften schwerer als 2004 einen überzeugenden Widerstand zu organisieren, auch

wenn der EMB und der EEF darauf hinwiesen, dass dieser Schließung eine übergeordnete, europäische

Bedeutung zukomme. Gewissermaßen waren 2004 die europäischen Gewerkschaften ‚besser aufgestellt’

als das Management, während es sich 2006 genau umgekehrt verhielt. Dennoch kann man nicht von einer

völligen Niederlage beim Kampf um Azambuja sprechen. Es wurde eine europäische

Rahmenvereinbarung über die Schließung des Werkes erzielt, die weit über das sonst in Portugal übliche

Niveau bei Werksstilllegungen hinausgeht. Außerdem verpflichtete sich GM zusammen mit der

portugiesischen Regierung, alternative Arbeitsplätze zu entwickeln. Schließlich dürfte die Entscheidung

des GM-Managements, die neue Modellreihe des Astra in bestehenden europäischen Werken herstellen zu

lassen, auch mit ein Effekt dieser Mobilisierungen gewesen sein. Denn nur wenige Monate zuvor hatten

Vertreter des Managements die Schließung mehrerer europäischer Werke nicht ausgeschlossen. In diesem

Gesamtkontext war der Kampf um Azambuja und die Aktionen, die an allen 18 Standorten stattfanden,

zweifellos wichtige Sachverhalte, die mit in die Entscheidungsfindung des GM-Managements Eingang

fanden.

Fast man die Erfahrungen, die die europäischen Gewerkschaften innerhalb von zwei Jahren bei General

Motors in Europa bei Restrukturierungen gemacht haben, lassen sich folgende zentrale Punkte

identifizieren (Caron/Weinert 2005):

1. Eine europäische Strategie zur Bewältigung von Restrukturierung

Große, global operierende Unternehmen der Metallindustrie entwickeln und implementieren ihre

Restrukturierungsmaßnahmen als europäische Projekte bestehende Landesgrenzen hinweg. Damit greifen

die sonst üblichen gewerkschaftlichen Gegenmaßnahmen auf nationaler Ebene zu kurz. Gleichzeitig sind

die Unternehmen nur bereit, die Folgen dieser Restrukturierungen auf lokaler Ebene zu verhandeln.

Lokalen Interessenvertretern werden häufig verlockende Zugeständnisse gemacht, wenn sie bereit sind,

Einzelstandortvereinbarungen abzuschließen. Gerade die Erfahrung bei General Motors Europe zeigt aber

eindeutig, dass diese Zugeständnisse vom Management bei nächster Gelegenheit über den Haufen

geworfen werden. Um dieser „lokalen Falle“ zu entgehen, ist es notwendig, dass die europäischen

Gewerkschaften Gegenmaßnahmen und Verhandlungsstrategien entwickeln, die auf der Ebene angesiedelt

sind wie die Restrukturierungsmaßnahmen auch: auf europäischer Ebene. Nur unter dieser Voraussetzung

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werden den Gewerkschaften Europas diese Maßnahmen erfolgreich begegnen können. Insofern verfolgt

der EMB eine ‚Doppelstrategie’: eine Top-down-Strategie und eine Bottom-up-Strategie. Das Ziel sind

europäische Rahmenvereinbarungen, die wie ein Regenschirm einen allgemeinen Schutz für alle

Beschäftigten garantieren und deren Regelungen bei den folgenden Verhandlungen auf nationaler und

regionaler Ebene für alle bindend sind. Die Bottom-up-Strategie bezieht sich auf die Umsetzung der

Inhalte der Rahmenvereinbarungen durch die jeweiligen Mitgliedern des EBR und den lokalen

Interessenvertretungen. Dieses Ziel ist anspruchsvoll und bei den meisten Großunternehmen der

europäischen Metallindustrie noch nicht realisiert. Deshalb kommt der Entwicklung bei General Motors

Europe unter gewerkschaftspolitischen Aspekten zentrale Bedeutung zu. Aufgrund der hohen Bedeutung,

die Restrukturierungsmaßnamen für die EBRs insgesamt einnehmen und deren massiven Auswirkungen

auf die Beschäftigten und deren Gewerkschaften ist die Bewältigung von europaweiten

Restrukturierungsmaßnamen ein Hauptbetätigungsfeld des EMB. Aufgrund der grundsätzlichen

Bedeutung, die diese Maßnahmen für die EBRs wie die nationalen Gewerkschaftsorganisationen haben,

ist eine Intensivierung des Informationsaustauschs auf europäischer Ebene notwendig.

2. Europäische Gewerkschaftskoordinierung

Um das anspruchsvolle Ziel erfolgreich bewältigen zu können, hat der EMB beschlossen, ein europäisches

Koordinierungsgremium für einzelne Unternehmen einzurichten: das ist jeweils der

Gewerkschaftskoordinierungsausschuss („European trade union coordination group”). In diesem

gewerkschaftlichen Koordinierungsgremium sind alle betroffenen nationalen Mitgliedsorganisationen

vertreten, der EBRs und Vertreter der jeweiligen Standorte und natürlich Vertreter des EMB-Sekretariats.

In diesem Gremium werden alle Informationen gesammelt und ausgetauscht, Gegenmaßnahmen beraten

und vorgeschlagen. Es ist insofern das strategische Zentrum des gewerkschaftlichen

Konfliktmanagements. Es ist daher von höchster Bedeutung, dass die relevanten Gewerkschaftsakteure

aus den EMB-Mitgliedsorganisationen und aus den Standorten vertreten sind, um den vollständigen

Informationsfluss zu gewährleisten. Vor diesem Hintergrund wird derzeit im EMB diskutiert, ob und

inwieweit die Zuständigkeiten des EMB ausgeweitet werden sollen, wenn ein Großunternehmen der

europäischen Metallindustrie eine europaweite Restrukturierungsmaßnahme umsetzen will.

3. Die Bedeutung des EMB-Koordinators

Insbesondere der Konflikt bei GM im Jahre 2004 machte deutlich, dass die Rolle des EMB-Koordinators

entscheidend ist, um den gewerkschaftlichen Koordinierungsprozess effektiv zu erfüllen. Die Aufgaben

betreffen aber auch den Verhandlungsablauf selbst und die Organisierung der gewerkschaftlichen

Unterstützung. Die zentrale Bedeutung des EMB-Koordinators ist allerdings noch nicht Allgemeingut in

den EMB-Mitgliedsorganisationen.

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4. Das Zusammenspiel der verschiedenen Handlungsebenen

Ein weiteres Problem betrifft das effektive Zusammenspiel zwischen EMB, seinen Mitgliedsverbänden

und den lokalen Interessenvertretern. Sowohl der Konflikt bei GM in 2004 wie in 2006 offenbarte, dass

das schwächste Bindeglied die nationalen Gewerkschaften sind. Deren aktive Teilnahme ist aber im

Kampf gegen die Restrukturierungsmaßnahmen der großen Unternehmen absolut notwendig, um zu

gewerkschaftlich akzeptablen Lösungen zu gelangen.

5. Die Zusammenarbeit zwischen EMB und den EBR

Im Fall von transnationalen Restrukturierungsmaßnahmen ist eine enge Zusammenarbeit zwischen EMB

und dem europäischen Betriebsrat die unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg gewerkschaftlicher

Gegenmaßnahmen. Beide brauchen einander. Der EBR ist der Verhandlungspartner des Managements,

gewerkschaftliche Gegenmaßnahmen können aber nur von der zuständigen freiwilligen

Interessenvertretung der Beschäftigten ausgerufen und organisiert werden. In der Metallindustrie ist das

der EMB. Der Erfolg des Kampfes bei GM 2004 beruhte im hohen Maße auf die enge Abstimmung

zwischen EMB und EEF. Gerade dieser Kampf zeigte aber auch, dass die Strukturen bei europaweiten

Restrukturierungsmaßnahmen bei den Gewerkschaften noch kaum existent sind, der Erfolg hängt stark

von der Initiativpolitik einzelner Akteure ab. Deshalb wird der EMB weiter daran arbeiten müssen, bei der

Entwicklung von Gegenmaßnahmen diese stärker zu strukturieren. Notwendig ist aber auch, dass solche

Strukturen, wenn sie dann etabliert sind, auch wirklich in die Mitgliedsverbände hineinwirken.

6. Gegenseitige Information der Gewerkschaftsakteure

Europaweite Restrukturierungsmaßnahmen setzen in kurzer Zeit EBRs und die europäischen

Gewerkschaften unter massiven Handlungsdruck. Um erfolgreich als europäische Gewerkschaften

arbeiten zu können, ist ein kontinuierlicher Informationsfluss zwischen allen beteiligten Akteuren und

Regulierungsebenen absolut erforderlich. Die Erfahrung mit dem GM-Management wie anderen

Unternehmen zeigt immer wieder, dass versucht wird, einzelne nationalen Gewerkschaftsverbände und

vor allem lokale Interessenvertreter mit Versprechungen zu ködern, doch einer

Einzelstandortvereinbarung zuzustimmen, auch wenn allen klar sein muss, dass diese zulasten anderer

Standorte gehen wird. Um diesen Lockangeboten zu widerstehen, aber auch um den dahinter stehenden

Interessen des Managements zu erkennen, ist es notwendig, sich über diese ‚Angebote’ auszutauschen und

den gesamten Koordinierungsprozess diszipliniert aufrecht zu halten. Denn eine Tatsache hat sich in der

Vergangenheit immer wieder bestätigt: Lockangebote zahlen sich nicht aus, sie sind kurzlebig und

verschaffen einzelnen Standorten nur kurzfristig Luft zulasten anderer Standorte. Deshalb gibt es zu

europäischen Gewerkschaftslösungen keine Alternative.

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7. Internationale Mobilisierung und Verhandlungen

Verhandlungen und die Organisierung europäischer Protestaktionen sind kein Widerspruch, sie sind zwei

Seiten derselben Medaille. Der EMB wird grundsätzlich bei Restrukturierungsmaßnahmen den Abschluss

von europäischen Rahmenvereinbarungen anstreben. Gleichzeitig müssen aber der EMB, seine

Mitgliedsorganisationen und die lokalen Interessenvertreter darauf vorbereitet sein, grenzüberschreitende

Protest- und Kampfmaßnahmen zu ergreifen. Diese Aktionen setzen voraus, dass der EMB, seine

Mitgliedsorganisationen und die lokalen Interessenvertreter in der Lage und willens sind, solche

Protestmaßnahmen zu ergreifen.

8. Mangel an Wissen über die nationalen Verhandlungskulturen

In beiden GM-Konflikten wurde teilweise sehr lange und kontrovers über das Ausmaß der Teilnahme an

den Protestaktionen an den verschiednen Standorten diskutiert. Die Ursachen waren unterschiedlicher Art.

Eines ließ sich aber immer wieder feststellen: Es existiert unter den Akteuren ein geringer Kenntnisstand

über die nationalen Rechtskulturen und die unterschiedlichen Verhandlungskulturen, die sich in den

europäischen Ländern über Jahrzehnte herauskristallisiert und fest etabliert haben. So sind in Deutschland

Warnstreiks zulässig, während sie etwa in Schweden rechtlich unzulässig sind. In Italien wiederum gibt es

diesbezüglich überhaupt keine rechtlichen Regulierungen. Deshalb sind der EMB und der EEF

übereingekommen, das Informationsniveau über die Verhandlungskulturen in Europa zu verbessern. Hier

bieten sich schon bestehende Einrichtungen wie europäische Seminare und Sommerschulen an.

Neue Herausforderungen

Im April 2007 gab General Motors bekannt, die nächste Generation des Hauptmodells der Mittelklasse,

des Astra, in vier bestehenden Werken Europas bauen zu lassen: Ellesmere Port, Großbritannien; Bochum,

Deutschland; Trollhättan, Schweden und Gliwice, Polen. Das neue Modell soll die existierende Astra-

Produktion Anfang 2010 ablösen und wird über drei Milliarden Euro Investitionen erfordern. Außerdem

wird aufgrund der neuen Plattformtechnologie eine Produktivitätsverbesserung bis zu 30 Prozent erwartet

bzw. von den Werken gefordert. Allerdings gibt es keine Pläne, das Opelwerk in Antwerpen über 2010

hinaus zu halten. Damit wurde eines der zentralen Ziele der europäischen Gewerkschaften und des EBR

erreicht, nämlich die Schließung von Standorten zu verhindern. Gleichzeitig wird es aber an fast allen

Standorten einen massiven Arbeitsplatzabbau geben. Besonders problematisch ist die Situation in

Antwerpen nach 2010, das Management plant dann offenbar, das Werk dort zu schließen. Zunächst wird

dort eine Schicht gestrichen, was den Verlust von 1,400 Arbeitsplätzen bedeutet.

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Aus diesen Gründen gingen die Beschäftigten des Opelwerkes in Antwerpen am 25. April 2007 in einen

Streik. Der EMB und der EEF unterstützen nachdrücklich die Forderungen der GM-Beschäftigten, das

Werk zu erhalten. In einer Presseerklärung des EEF und des EMB gaben beide ihre volle Solidarität für

das Fortbestehen des Standortes Ausdruck. Aufgrund dieser Situation in Antwerpen wurde für den 3. Mai

2007 zu einem europäischen Aktionstag aufgerufen. Der EEF und EMB stellten folgende Forderungen an

GM:

- Garantien für angemessene Produktion in Antwerpen und die Fertigung von mindestens zwei Produkten.

- Abschluss einer europäischen Zukunftsrahmenvereinbarung, die bis 2016 Garantien für alle europäischen Standorte enthalten muss sowie die Einhaltung von Mindeststandards bei Outsourcing.

Damit stellen sich die Aufgaben für den EMB und den EEF ähnlich wie in den letzten Jahren wieder neu:

2004 ging es um Rüsselsheim und Trollhättan, 2006 um Azambuja und jetzt um das Werk in Antwerpen.

Die zentralen Forderungen bleiben ebenfalls: keine Standortschließungen und keine betriebsbedingten

Kündigungen.

Für die neue Aufgabe stellte der Gewerkschaftskoordinierungsausschuss folgende Forderungen auf:

- keine Standortschließungen und keine betriebsbedingten Kündigungen - Faire Verteilung von Produktion auf die Standorte - Auslastung der Global Delta Plattform, um die europäische Produktion auszuweiten - Produktion zusätzlicher GM-Marken und Modelle in Europa.

Die zentralen Umbrüche werden bei General Motors in Europa zwischen 2008 to 2012 erwartet, wenn die

neuen Modelltypen auf den Markt kommen. Die neue Produktionsstruktur wird ab 2008 mit der Plattform

Epsilon II realisiert werden. Dann können andere Marken von GM wie Chevrolet, Opel, Saab und andere

GM-Marken in einem Werk hergestellt werden. Für Europa wird beim EEF damit gerechnet, dass dann

drei bis sechs Standorte von Schließungen gefährdet sein können. Zieht man die Zulieferbetriebe mit ein,

wird sich das auf einen Arbeitsplatzabbau auf über 30,000 addieren. Außerdem besteht für zwei Werke

der sog. Delta Plattform (Saragossa in Spanien und Eisenach) die Gefahr, zwischen 2012 und 2014

geschlossen zu werden, weil die neue globale Gamma Plattform in Warschau implementiert werden wird.

Diese neue globale Plattform wird außerdem in Werken in Russland, Korea und China eingesetzt werden

(EMF 22/05/2006).

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Aber es ist eine ganz andere Frage, ob die Überheblichkeit des GM-Managements, die sich in diesen

Weltplänen ausdrückt, tatsächlich aufgeht. Die europäischen Märkte sind entscheidend für General Motors

in Europa und der Hauptmarke Opel. Das dürfte auch einer der wesentlichen Gründe gewesen sein, den

neuen Astra in Europa herzustellen und nicht woanders. Außerdem könnten weitere Massenentlassungen

das Image von GM in Europa weiter beschädigen und potenzielle Käufer davon abhalten, ein GM-Auto zu

kaufen. Eine andere Frage ist es, ob ein beliebiges Verschieben von Produktion in das Land mit den

niedrigsten Lohnkosten sich überhaupt auszahlt. Aber die Mitglieder des EEF haben da so ihre

Erfahrungen mit dem Management von GM machen müssen. ‘Sie haben die Welt nach globalen Marken

aufgeteilt, also nach Chevrolet, Cadillac, Saab und Hummer sowie regionalen Marken wie Opel/Vauxhall,

Holden, Saturn u.a. Das hat aber weniger mit den Wünschen der Konsumenten zu tun, sondern eher mit

der internen Unternehmensbürokratie in Detroit. Aber es ist diese Bürokratie, die glaubt bestimmen zu

können, wie die Welt aufgeteilt werden müsste“, sagte ein Mitglied des EEF kopfschüttelnd

Gleichwohl werden die europäischen Märkte auch in Zukunft für GM eine zentrale Rolle spielen. Und

hier wird der EMB seine im Ganzen erfolgreiche Politik transnationaler Solidarität voll einsetzen. EMB

und EEF haben gemeinsam als freiwillige Interessenvertretung der europäischen Arbeitnehmer und als

europäischer Betriebsrat gute Erfahrungen sammeln können. Der EMB wird diese Politik konsequent

fortsetzen. Allerdings wird es noch ein weiter Weg sein, bis sich das Bewusstsein durchgesetzt hat, dass

bei global operierenden Großunternehmen wie General Motors u.a., nur ein genuin europäisches

Vorgehen jene Strategie ist, von der alle Beschäftigten profitieren und nicht

Einzelstandortvereinbarungen.

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IX. Sind die Erfahrungen bei General Motors verallgemeinerbar?

Wie bereits erwähnt, ist die Entwicklung bei General Motors Europe insofern eine besondere, weil es hier

dem EBR gelungen ist, eine Politik europäischer Rahmenvereinbarungen durchzusetzen. Aus

gewerkschaftspolitischer Sicht ist diese Entwicklung über das „Fallbeispiel GM“ hinaus von zentraler

Bedeutung, weil sich an dieser Entwicklung einige bedeutsame Aspekte gewerkschaftspolitischer

Handlungsmöglichkeiten auf europäischer Ebene skizzieren lassen. Die wichtigsten scheinen folgende

vier grundlegende Aspekte zu sein:

- Europäische Rahmenvereinbarungen

Europäische Rahmenvereinbarungen sind für den EMB die Aneignung einer völlig neuen

Handlungsarena. Insofern trifft die Einschätzung des EMB von 2004 zu, dass es sich um den Einstieg in

eine völlig neue Ära europäischer Gewerkschaftspolitik handelt. “Europäische Rahmenvereinbarungen”

stellen einen Rahmen dar, der allgemeine Normen und Verfahren enthält, die bei der konkreten

Umsetzung der Restrukturierungspläne in allen Standorten bindend zu berücksichtigen sind. Zwar gab es

auch schon dem Jahre 2004 europäische Rahmenvereinbarungen über Restrukturierungen, die aber primär

die Konsultation und Information des EBR regelten. Neu an der GM Vereinbarung von 2004 war, dass

Fragen der Produktion, Ruhestandsregelungen, Wiederbeschäftigung und „labour mobility and flexibility”

innerhalb des Unternehmens geregelt wurden.

Die Notwendigkeit für europäische Rahmenvereinbarungen ergibt sich aus der Tatsache, dass große,

global operierende Unternehmen der Metallindustrie ihre Restrukturierungsmaßnahmen als europäische

Projekte über bestehende Landesgrenzen hinweg entwickeln und implementieren. Die sonst üblichen

gewerkschaftlichen Gegenmaßnahmen auf nationaler Ebene greifen deshalb zu kurz. Gleichzeitig sind die

Unternehmen nur bereit, die Folgen dieser Restrukturierungen auf lokaler Ebene zu verhandeln. Lokalen

Interessenvertretern werden häufig verlockende Angebote gemacht, wenn sie bereit sind,

Einzelstandortvereinbarungen abzuschließen. Gerade die Erfahrung bei General Motors Europe hat aber

gezeigt, dass diese Zugeständnisse schnell von der Restrukturierungspolitik des Unternehmens überholt

sind. Wir sprechen daher von der „lokalen Falle“, der die Gewerkschaften nur dadurch entgehen können,

wenn gewerkschaftliche Gegenmaßnahmen und Verhandlungsstrategien auf europäischer Ebene

entwickelt werden.

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Vor diesem Hintergrund hat Paul Teague (2000: 441) Recht, wenn er meint, dass

Einzelstandortvereinbarungen „bad behaviour” seien. Innerhalb eines integrierten Europas hätten aber

Einzelstandortvereinbarungen, die nur zulasten anderer Standorte abgeschlossen werden, heute eine

unmittelbare europäische Dimension. Es ist nicht mehr eine lokale Angelegenheit. Dennoch zeigt die

Erfahrung europäischer Gewerkschaften, dass das Management die Versuchungen nährt, mit lokalen

Interessenvertretern doch Einzelstandortvereinbarungen abschließen. Auch bei General Motors Europe

war das in den 90er Jahren der Fall. In diesen Fällen ist es Aufgabe des EMB deutlich zu machen, dass ein

betriebsegoistisches Vorgehen vor dem Hintergrund einer transnational angelegten

Restrukturierungspolitik ein absolut untaugliches Mittel darstellt und zudem einen Verstoß gegen die

Solidarität der europäischen Gemeinschaft der Gewerkschaften darstellt.

Für die Gewerkschaften und die EBRs lassen sich damit zwei zentrale Problemkreise bestimmen:

1. Die Gewerkschaften und der EBR müssen von der Notwendigkeit des Abschlusses einer europäischen Rahmenvereinbarung überzeugt sein und müssen deren Vorteile den Arbeitnehmern in den betroffenen Standorten vermitteln. Denn häufig versucht das Management mit scheinbar günstigen Vereinbarungen die lokalen Gewerkschaften zum Abschluss von Einzelstandortvereinbarungen zu überreden. Dieser gewerkschaftsinterne Prozess ist höchst voraussetzungsvoll und setzt ein enges Zusammenarbeiten des EMB mit dem EBR und vor allem mit den nationalen Mitgliedsgewerkschaften voraus.

2. Ist dieser erste Schritt erfolgreich abgeschlossen, muss das Management dazu gebracht werden, eine europäische Rahmenvereinbarung abzuschließen. In meisten großen Unternehmen ist das schon versucht worden, scheiterte aber einerseits an der harten Position des Managements als auch an den nicht geschlossenen Reihen bei den Gewerkschaften selbst, was dem Management meistens nicht entgeht.

Es ist also ein schwieriges Unterfangen, europäische Rahmenvereinbarungen bei multinationalen

Unternehmen erfolgreich durchzusetzen. Gleichzeitig können die Gewerkschaften Europas aber gerade

auf europäische Ebene sich neue Handlungsoptionen erschließen, die ihnen bei europaweiten

Restrukturierungen auf nationaler Ebene verschlossen sind. Gerade hier zeigt das Beispiel GM, dass etwa

europaweite Protestaktionen wichtige und mächtige Protestformen sind, die das Management nicht

unbeeindruckt lässt. Es bleibt aber auch festzuhalten, dass der Abschluss europäischer

Rahmenvereinbarungen das „Bohren dicker Bretter“ bleibt.

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- Die Zusammenarbeit zwischen EMB und EBR

Unter den befragten Gewerkschaftsakteuren wurde vielfach die Befürchtung geäußert, dass die EBRs den

Gewerkschaften gewissermaßen aus dem Ruder laufen könnten, weil diese über ihre Aufgabe der

Konsultation und Information hinzu tatsächlichen Verhandlungsgremien wandeln könnten. Dieses sei aber

die genuine Aufgabe der europäischen Gewerkschaften und nicht der EBRs. Solche Entwicklungen dürfte

es vor allem dort geben, wo die Zusammenarbeit zwischen EBR und den europäischen Gewerkschaften

nicht funktioniert und der EBR gewissermaßen ‚frei schwebend’ agieren kann. Das Beispiel von GM zeigt

das Gegenteil, wie eine enge Zusammenarbeit zwischen EMB und dem europäischen Betriebsrat die

zentrale Voraussetzung für den Erfolg gewerkschaftlicher Gegenmaßnahmen sein kann. Beide brauchen

einander. Aber selbst die Erfahrungen bei GM haben gezeigt, dass der Erfolg etwa im Jahre 2004 stark

von der Initiative einzelner Akteure abhing und weniger von gut funktionierenden Strukturen des

transnationalen Informationsaustauschs zwischen Gewerkschaften und Betriebsräten. Der EMB wird

deshalb weiter daran arbeiten müssen, dass bei europäischen Gegenmaßnahmen Strukturen des

transnationalen Informationsaustauschs stärker greifen als das in der Vergangenheit der Fall war. Das setzt

voraus, dass diese Strukturen Bestandteil der Organisation und der Politik der Mitgliedsverbände werden.

Neben der Zusammenarbeit zwischen dem EMB und dem EBR ist die Kooperation mit den betroffenen

nationalen Gewerkschaftsorganisationen entscheidend. Die beiden Restrukturierungsmaßnahmen bei GM

2004 und 2006 machten deutlich, dass die größte Schwachstelle die Kommunikation und Kooperation mit

den nationalen Mitgliedsverbänden darstellte. Das dürfte unterschiedliche Ursachen haben. Mitunter

erachten sich die nationalen Gewerkschaftsorganisationen bei solchen europaweiten

Restrukturierungsmaßnahmen als nicht zuständig, sondern betrachten es als eine Aufgabe des EMB und

des EBR. Aber der Erfolg europaweiter Protestmaßnahmen ist ohne die aktive Teilnahme der nationalen

Gewerkschaftsorganisationen kaum vorstellbar. Die nationalen Gewerkschaftsorganisationen sind ebenso

bedeutsam wie die Akteure auf lokaler und europäischer Ebene. Insofern wird es in Zukunft darauf

ankommen, die Notwendigkeit eines reibungslosen Zusammenspiels zwischen der lokalen, der nationalen

und der europäischen Kampfebene herzustellen. Die Erfahrungen bei GM haben gezeigt, dass an dieser

Schnittstelle erhebliche Verbesserungen notwendig sind. Als einen Beitrag zu dieser Aufgabe ist der

Beschluss des Exekutivausschusses des EMB über Prinzipien und Instrumente bei solchen europaweiten

Aktionen. Dem liegt insbesondere die gewerkschaftspolitische Überzeugung zugrunde, dass echte

europäische Aktionen die Überwindung herkömmlicher Denkweisen voraussetzt. Nach wie vor scheinen

lokale Handlungsoptionen verlockend zu sein, Einzelstandortvereinbarungen abzuschließen.

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- Die Koordinierungspolitik des EMB

Die Zusammenarbeit zwischen EMB und EBR sowie die mit den nationalen Gewerkschaftsverbänden

erfordert eine optimale Koordinierung dieser Handlungsebenen. Das ist die Aufgabe des EMB. Der EMB

hat deshalb beschlossen, ein europäisches Koordinierungsgremium für einzelne Unternehmen

einzurichten, den Gewerkschaftskoordinierungsausschuss („European trade union coordination group”).

Hier sind alle betroffenen nationalen Mitgliedsorganisationen vertreten, der EBRs und Vertreter der

jeweiligen Standorte. Dieses Gremium sammelt alle Informationen, berät und empfiehlt gewerkschaftliche

Gegenmaßnahmen. Es ist das strategische Zentrum des gewerkschaftlichen Konfliktmanagements. Um

dieser Aufgabe gerecht werden zu können, müssen natürlich alle relevanten Gewerkschaftsakteure aus den

EMB-Mitgliedsorganisationen und aus den Standorten in diesem Gremium vertreten sein. Die

Erfahrungen bei GM haben gezeigt, dass das nicht immer der Fall war und es zu Informationsverlusten

kam. Innerhalb der Koordinierungspolitik nimmt der EMB-Koordinator eine zentrale Funktion wahr.

Diese Bedeutung des EMB-Koordinators ist allerdings noch nicht Allgemeingut in den EMB-

Mitgliedsorganisationen.

- Die politische Dimension europäischen Gewerkschaftsprotestes

Hinsichtlich der Handlungsmöglichkeiten großer, multinationaler Unternehmen und den primär

nationalstaatlich agierenden Gewerkschaften verschärft sich die Asymmetrie zwischen Gewerkschaften

und Unternehmen. Auf der anderen Seite eröffnet der Charakter europaweiter Restrukturierungen den

Gewerkschaften neue Handlungsmöglichkeiten, die in der Vergangenheit nicht oder nur begrenzt

bestanden. In erster Linie ist hier die Option europaweiter Mobilisierungen zu nennen. Mit dieser Form

grenzüberschreitenden Protestes antworten die Gewerkschaften den Unternehmen ‚in Augenhöhe“ und

können durch europaweite Protestaktionen ihren Willen deutlich machen, nur für europäische Lösungen

zu Verfügung zu stehen. Damit sehen sich die Unternehmen auch einer europäischen Öffentlichkeit

konfrontiert. Europaweiter Protest und die Herstellung einer europäischen Öffentlichkeit sind zwei ganz

gewichtige neue Handlungsmöglichkeiten der Gewerkschaften, die sie intelligent einsetzen sollten. Es

lässt sich zeigen, dass sowohl die europaweiten Proteste 2004 wie 2006 Auswirkungen auf die Politik des

Management hatte: 2004 ging die Rechnung, Trollhättan gegen Rüsselsheim auszuspielen nicht auf, 2006

konnte zwar die Schließung des portugiesischen Opelwerkes nicht verhindert werden, allerdings ist die

wenige Wochen nach den Protestaktionen getroffene Entscheidung, die neue Generation des Astra in

bestehenden europäischen Werken produzieren zu lassen als eine Art ‚Fernwirkung’ dieses Protestes zu

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werten. Dies auch deshalb, weil verschiedene Vertreter von GME zuvor die Verlagerung dieser neuen

Automobile nach Osteuropa und Asien als wahrscheinlich eingestuft hatten. Insofern stellen europaweite

Restrukturierungen zwar eine massive Gefahr für die europäischen Gewerkschaften und den

Arbeitnehmern dar, gleichzeitig eröffnen diese neuen Produktionsformen auch neue Formen des

grenzüberschreitenden Gewerkschaftsprotestes, der den Unternehmen heftig zusetzen können. Deshalb

sollten die europäischen Gewerkschaften europaweite Restrukturierungen selbstbewusst nutzen und

europäische Solidarität als einen politischen Anspruch formulieren, der in eine neue Ära der

Interessenvertretung münden kann.

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Anhang

GMLAAM

GMAP

GME

GME: General Motors Europe (incl. East Europe)GMNA: General Motors North AmericaGMAP: Asian PacificGMLAAM: Latin America, Africa, Middle East

GMNA

General Motors global Organisation

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Location GM since Assembly Total Production

Belgium Antwerp 1924 Astra

Germany Bochum 1962 Astra Zafira

Eisenach 1990 Corsa Astra

Rüsselsheim 1929 Vectra Signum Omega B)

Poland Gliwice 1998 Agila Astra Classic

Portugal Azambuja 1959 Combo Closed down Russian Fed. Togliatti D) 2002 Chevrolet Niva

Spain Zaragoza 1982 Corsa/Corsa Van Meriva

Sweden Trollhättan 1990 Saab 9-3 Saab 9-5

UK Ellesmere Port 1962

Astra Vectra

Luton IBC 1925 Frontera B) Vivaro/Trafic C)

Other Production of GM Vehicles

Ausria Graz Saab 9-3 Cabrio

E)

UK Norwich Speedster/VX220

Finland Uusikaupunki

Saab 9-3 Cabrio B) Saab 9-3 3/5

France Batilly Movano

Italy Turin Astra Coupé Astra Cabrio

Source: GM Europe 2004

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Brussels, 8 December 2004

THE VICTORY OF REASON: European Framework Agreement about GME restructuring avoids plants closures and forced redundancies! In the night of 7th December 2004, GM Europe management and the GM European Employees Forum supported by the EMF reached in the night of a European Framework Agreement to push GME restructuring on a path of social responsibility, at the same time supporting the need for a change of approach towards competitiveness in difficult European car markets. Both parties agreed to avoid collective redundancies and plant closures as well as to find other alternatives for a socially acceptable path towards growth, development and competitiveness. European trade unions and workers representatives from Austria, Belgium, Germany, Spain, France, Sweden and the UK met yesterday afternoon at the Adam Opel plant in Rüsselsheim, within the European trade union coordination group in order to evaluate, discuss and approve the European Framework Agreement. The basic demands of the European metalworkers’ unions and the EEF have been reached: - avoiding plant closures - avoiding forced redundancies - developing and contributing to a European growth strategy for the European brands: Opel, SAAB and Vauxhall for GM Europe. “The European Framework Agreement is a success for the workers, the EEF and the EMF after a long fight with the GM US and European managements!” stated Klaus Franz, President of the EEF. We will bear in mind: the EMF and the EEF had to organise a European action day on 19 November 2004 with the participation of more than 100,000 employees, their families and Civil society in Europe. On the basis of this broad solidarity movement, European metalworkers in GM Europe resisted entering a downward spiral as well as the pressure of the company to close one production site, either Opel Rüsselsheim or Saab Trollhättan. Europäisches GM Arbeitnehmerforum Well elaborated trade union coordination and a close cooperation with the European Employee Forum guaranteed European solidarity which has opened the way towards a European Framework Agreement. The European framework will now be the umbrella for special negotiations at the national level. Close coordination will be organised by the EMF on the basis of full transparency and complete information in order to avoid any opportunity of being played one against the other at the national level. The EMF thanks all workers, workers representatives and trade unions for their solidarity. We have now accomplished our major aim of preventing plant closures and forced redundancies.

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The EMF is aware that this plan puts a heavy burden on the workers but all alternatives would have been worse, imposing unacceptable conditions on the workers and abolishing car manufacturing in core industrial European regions. “This European Framework Agreement is a significant step forward to create a European negotiation space” Reinhard Kuhlmann, EMF General Secretary stated “but all this exercise is defensive and not really safeguarding manufacturing jobs in the car industry in Europe. The weakness of internal demand, the lack of growth and the persisting danger of stagflation all over Europe puts new pressure on industry, especially on its manufacturing branch. If there is no increase in markets even this framework agreement could just be the first step in a further round of additional job losses in the car industry. The EMF trade union coordination group will not only monitor the implementation of this European Framework Agreement, it will immediately start to coordinate the follow-up national negotiations.

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Zürich / Rüsselsheim December 8, 2004

Restructuring Framework The European Employee Forum (EEF) of General Motors sets forth the following framework in relation to the current European Restructuring Initiative as presented and discussed at the meeting with the EEF Steering Committee meeting on October 15th, 2004.

Introduction Despite all the efforts and results of the previous turnaround program, GME is faced with a rapidly deteriorating financial condition, caused by sluggish demand growth, increasing competition from both European and Asian brands, and a negative outlook on net vehicle pricing. With no reasonable indication that conditions will improve substantially in the coming years, Management sees no other choice than to initiate the described restructuring program, with the aim to reduce structural costs by at least € 500 million and a significant reduction of the workforce over the next two years. This restructuring program will affect all brands, sites, plants and functions within GM Europe. Employee Representatives acknowledge the serious situation GME is faced with and, in general, support the need for the restructuring. In tradition of the joint solutions, as found with the previous European frameworks, Management and Employee Representatives will work together during the restructuring with continuing information and consultation and with the intention to reach mutually agreed solutions. Progress and sustainability will be reviewed at EEF Steering Committee meetings. Implementation of the initiatives will start immediately in the respective countries with the inclusion of national unions and/or employee representation bodies according to national legislation and practice.

Competitiveness It is the intention of both parties to avoid a site closure in connection with the restructuring initiative communicated October 14th, 2004. In order to achieve this, both parties intend to improve the competitiveness of the European sites to enable their sustainable operations in the future. Future volume allocation and capacity utilization as well as site selection processes will be based on the following principles:

- Sales and Marketing strategy and general demand situation - Manufacturing strategy - Financial effectiveness - Competitiveness - Employment situation and separation cost

Manpower Management and Employee Representatives will work together in good faith to find financially sustainable and socially responsible solutions for the necessary manpower adjustments. This includes that both parties will examine potential business opportunities in order to lessen the impact on employees. Respective solutions may cover (in no particular order) but are not limited to processes like:

- Voluntary separation programs - Early Retirement programs - Specific local programs based on national legislation - Transfers to spin-offs, Joint Ventures, partnerships, other locations - etc.

and will, in case of a sufficient number of participants, enable us to work towards results without

forced redundancies.

Both parties acknowledge that these measures cannot be limitless in cost and timing.

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Partnerships Both parties agree that Joint Ventures are the general rule. Exceptions may be agreed upon on the local level. In all cases, employment terms and conditions will be handled on a national level.

Business opportunities Management and Employee Representatives support all actions on the revenue side leading the company to profitability and sustainable growth. Therefore, business and product opportunities for all European brands, for example marketing and sales initiatives, will also be sought.

Implementation Implementation of this framework shall occur on the national level.

According to European legislation and National laws Management and Employee

Representatives will ensure that the agreed provisions will become legally binding for individual

employees as well as negotiating partners.

Klaus Franz..................................... Carl-Peter Forster........................................

Jürgen Ratayczak........................... Holger Kimmes............................................

Rudi Kennes................................... Bob Schelfhaut............................................

Lothar Sorger.................................. Norbert Küpper............................................

Paul Akerlund.................................. Allan Rothlind...............................................

Fernando Bolea............................... Pedro Escudero...........................................

John Fetherston…………………….. Jose Vale………………………………………

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EMF Policy Approach towards Socially Responsible Company Restructuring

(approved by the 100th

EMF Executive Committee

Luxembourg, 7th

& 8th

June 2005) 1. Corporate restructuring with a transnational dimension has become a permanent feature in the metal

sector over the past years. Globalisation, fast-growing technological change, domination of the liberal ideology and the driving role played by financial markets have all contributed to making today’s economy one of accelerating change.

2. The European Metalworkers’ Federation (EMF) has always been in favour of change since in our view

only viable companies can create and secure the stable, highly valued and well-paid jobs and the favourable working conditions workers have a vested interest in. The EMF supports a strategy of change which creates the conditions for a viable industrial concept in the long run but also takes on board the social interests of the employees. Supporting processes of change and development within companies should be combined with strategies for safeguarding and developing employment. This is why the EMF endeavours to ensure that workers and their representatives are actively involved in all phases of the process of change and especially in the planning phase. Anticipation and preparation for change are the pre-conditions for managing change in a socially responsible way.

3. Change and restructuring can also be synonymous with jobs cuts and loss of employment security. The

EMF does not accept that workers are the only ones to pay the price for restructuring. Socially responsible change should create the conditions for growth, development and viability for the company as well as for employment. Accompanying measures should be offered and negotiated (early retirement, retraining…) if redundancies are inevitable.

4. The EMF is also aware that restructuring processes put sites and countries in competition with each

other. The EMF undertakes to ensure a European response via strong trade union co-operation and involvement of institutions such as European works Councils.

__________ FEM8/2005

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5. In the EMF view there is only one way to respond to management attempts to play off workers and unions

across borders: by guaranteeing the unity of the workers and the unions. It is only through co-ordinated and common actions that we will be able to counter the pressure exerted by management. If we accept being played off against each other we will all be the losers in the long run.

6. Over the past years, the EMF and its member organizations have increasingly been involved in cross-

border company restructuring. Confronted with transnational strategies of multinationals, the EMF member organizations had to look beyond national boundaries to develop co-ordinated strategies and actions at European level. Tying together various unions' national company policies and strategies in multinationals has become the cornerstone of the EMF policy in its attempt to ensure that restructuring is carried out in a socially responsible way.

7. Knowing how to respond to transnational restructuring processes and pressure exerted by management

has become a matter of urgency for EMF members. Despite the existence of national legal tools and practices there is a need to go beyond the national level and develop joint strategies at European level. Against this background the EMF Company Policy Committee has developed these guidelines as a tool to assist EMF members in preparing a first reaction and in planning a strategy as regards how to respond to a restructuring plan at European level with a view to avoiding or limiting the negative impact on employment.

8. The rationale and background of restructuring processes differ considerably from one company to another

and from one country to another. However, despite the fact that each restructuring is unique and that workers and their representatives have to adapt their strategy accordingly, some common rules have to be established as to how the metal unions should handle restructuring at European level. Furthermore, lessons should be drawn from the concrete cases the EMF has been dealing with recently.

9. With the present document the EMF intend, in the first place, to outline ten principles which should be the

driving force for any response to a transnational restructuring plan. In the second place, some technical guidance as to how to organize this joint answer will be provided.

The EMF ten principles on transnational restructuring 10. In the EMF understanding, restructuring is defined as company measures that lead to important changes

in the business and/or labour organization with an important economical, technological and social impact (such as for example mergers, acquisitions, plant closures, transfers of production, downsizing, strategic repositioning…).

11. The EMF has identified ten principles for a common response to a restructuring project, putting pressure

on management, ensuring that workers’ interests are taken on board by management and avoiding workforces being played off against each other:

• Develop an early warning system

Any rumour of a restructuring plan should be checked especially with colleagues from other countries in order to be able to rapidly confirm or invalidate the news. Should the information be confirmed it has to be disclosed to the actors concerned i.e. national officers, the EMF Secretariat, the EMF EWC coordinator and EWC members in such a way as to allow rapid reaction. Anticipation is a pre condition for influencing the decision-making process. The news can also come from newspaper articles – an occurrence that we see more and more frequently. Our response to this style of announcement will require a higher degree of reactivity and tighter co-ordination.

• Ensure full compliance with information and consultation rights both at national and European level

Access to relevant information is essential to understand the company strategy and propose alternative measures. Furthermore workers and their representatives should have the necessary time to develop these alternatives proposals. Steps will be taken to ensure that workers and their representatives are properly informed and consulted both at national and European level before the final decision is taken. Where a European Works Council exists, an extraordinary meeting of a EWC will be requested in the first place with a view to obtaining more information and agreeing on a timeframe for consultation.

• Set up a European trade union coordination group composed by the unions involved in the company, the EWC and the EMF co-ordinator

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If it is deemed necessary, a European trade union coordination group will be set up. The idea is to tie together around the same objective all the potential actors: the trade union officials from the trade unions concerned, the EWC members, the EMF EWC coordinator, the EMF Secretariat, workers’ representatives within the Executive or the Supervisory Boards. This body will be the driving force behind the European strategy and the establishment of a European, co-ordinated response. Most likely it will become a social dialogue group in the event of framework negotiations at European level. The EMF Coordinator will take care of the general interests of the workers all through the process.

• Full transparency of information Creating a climate of trust and confidence among the colleagues in the different countries concerned is the prerequisite for a joint and co-ordinated response. Full transparency of information should be achieved in this respect. More specifically, any attempt from management to strike a deal with one company or in one country will be reported to the colleagues concerned or to the co-ordination group. No negotiation will be concluded before having informed and consulted with the colleagues concerned or the co-ordination group.

• Draw up a common platform

A platform of common demands will have to be drawn up to signal to management and to the outside world the workers’ intention to stand up together and develop co-ordinated actions. Basic demands will have to be supplemented by the development of a plausible and coherent alternative concept combining an industrial plan with socially acceptable measures. The possibility of bringing in external experts to assist on this matter shall be considered. Where an EWC exists the EMF Coordinator will have a key role to play in initiating such a platform. The platform will be drawn up in co-operation with the national unions and the EWC. The workload will be shared between the different stakeholders.

• Envisage negotiated solutions acceptable for all

The unions, together with the EWC, will seek to negotiate a framework agreement with management at European level covering both industrial and social aspects, guaranteeing that restructuring is managed in a socially responsible manner and that the sustainability of the company and employment are guaranteed in the long run. All possibilities to mitigate the social consequences will be explored (reduction of working time, reallocation of work, early retirement, retraining, reclassification, etc.). Minimum standards for a social plan will be defined Europe wide. No negotiation at national level or within one company will be concluded before having informed and consulted with the colleagues concerned at European level.

• Develop a communication strategy

Wielding influence is the key to the success of your strategy. First reactions, the political platform, conclusions and decisions should be immediately relayed by the press, the unions, the workers, the politicians, etc. In order to ensure that the campaign is ‘worker-based’, members and workers must be fully informed. Communicating to the outside world is also essential. Politicians, MEPs or anyone with influence can be rallied to your cause.

• Envisage cross-borders activities

In case management is not willing to agree to a fair and constructive approach, cross-border actions will be envisaged. Mobilization should be worker-based and creative. A European day of action is one of many instruments that can be envisaged. Others can be developed in line with national practices and traditions providing that they make our cause and our demands more visible. If this type of action is decided, the internal EMF procedure for such actions, will apply.

• Explore any legal possibilities to ensure that workers are heard

In the event of a merger, workers have the right to be heard in the merger control procedure which is carried out by the European Commission. Through this procedure the European Commission will decide whether the planned merger/acquisition will lead or not to abuse of dominant position. Workers can ask to be consulted by the Commission on the abuse of dominant position and raise the issue of the social consequences.

• Binding commitment

Any strategy agreed, any decision taken, at European level should be made binding for all the actors concerned and implemented at national level.

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With these ten principles the EMF aims at enhancing our ability to act in a crisis, and at avoiding being played off against each other, as well as demonstrating that alternative solutions exist and are viable with a lower social cost. We should also bear in mind that building relationships and strengthening solidarity on an ongoing basis with colleagues from others countries constitute a real added value to developing co-ordinated actions in a crisis situation. In this respect EWCs should also be used build our capacity to work together. The practical implementation of the EMF approach The EMF EWC coordinator is the driving force behind the implementation of the EMF approach towards company restructuring. He or she, in close cooperation with the EMF Secretariat, the EWC and the trade unions concerned, will take the necessary steps to ensure that workers’ representatives are involved in due time in the restructuring process and that a common and co-ordinated response is developed throughout Europe with a view to guaranteeing a socially responsible process. Where EWCs do not exist, the EMF approach will be conducted by the trade unions of the country where the headquarters are located in close c-operation with the EMF Secretariat and the trade unions concerned in the other countries. Early warning system In the event of a company planning to restructure, the EMF Coordinator will immediately inform the EMF Secretariat, which will also inform all the unions concerned. The EMF Coordinator, together with the EMF Secretariat, will decide on an appropriate response based on the 10 EMF guiding principles on restructuring. European trade union coordination group If deemed necessary, the EMF Coordinator, together with the EMF Secretariat, will set up a European trade union co-ordination group composed of EWC representatives (most likely the Select Committee) and one trade union officer for each national union involved. Additional workers’ representatives (local shop stewards, workers’ representatives in the Executive or the Supervisory Boards, an EWC financial expert) could join this co-ordination group with the prior agreement of the EMF Coordinator and the EMF Secretariat. The purpose of this co-ordination group is to develop a European co-ordinated response to the project or measures planned by the central management. Any meeting of the European trade union co-ordination group organised under the EMF auspices will take place with the involvement of and with the prior agreement of the EMF Secretariat. The EMF will in principle cover the expenses of the meeting venue. All the other costs (accommodation, travel, etc.) will be covered by the national trade unions. In principle, all meetings will be conducted in one language, most probably English.

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PRINCIPLES AND TOOLS

Adopted by EMF affiliates and the EEF Aimed at guarantying the viability of GME plants and jobs

1. Commitment to prevent any plant closure and forced redundancies The EMF affiliates and members of the EEF will strongly oppose any plant closure. To

this end, they are willing to strengthen/improve the trade union tools enabling to defeat any attempt by GME to close down one of its European plants.

2. Commitment to work together at European solutions

EMF trade unions and EEF members will make sure that daily work with local

managements will be limited to the legally absolute minimum in case of a conflict with GME and they will work together at European solutions.

3. Improved availability of staff in trade unions to support GME employees

EMF trade unions will secure the assistance by the appropriate trade union officers. These officers will attend all meetings of the trade union coordination group (TUCG)

and actively cooperate with the EEF to develop joint strategies and actions4 on how to deal with company management.

4. Trade unions to support GME employees in case of cross-boarder actions The EMF affiliates will bring all necessary support to their delegates in the different

plants so that these may undertake all necessary actions with all possible means available so as to secure solidarity with all GME employees across Europe.

5. Recourse to experts

The EMF affiliates and EEF members will give all possible support and use economic and legal experts to evaluate management’s decisions and plans. Whenever appropriate,

they will work out alternative proposals to GME planned measures and make sure that

the rights to information and consultation are strictly abided by.

6. Coordination of negotiations at local level The EMF affiliates and EEF members want to cooperate in a transparent way.

They will ensure that no negotiations will take place at local level without informing all trade unions with membership in GME and consulting with them when these

negotiations may have an impact on GME employees in other European countries. They will rapidly explore the possibility to set up a mechanism which secures an open

exchange of information inside the TUCG whenever something happens at local level.

7. Recourse to legal actions

With the assistance of their experts (see 3rd point) they will exploit all possibilities given by the European Framework Agreements concluded with GME in case of an infringement of these

agreements by the company

4 When developing actions the group will take into account the limits imposed by national laws. However, based on past experience and especially the closure of Azambuja, they will commit themselves to improve as much as possible the impact of such actions.