«Familie und Betrieb» Angst und Mut gehören beide dazuMit «Mut zum Risiko – Angst vor...

1
56 Bäuerinnen und Bauern wollten am 26. Februar mehr zum Thema wissen. Die Fachta- gung «Veränderung entwickelt uns» am Strickhof Wülflingen in Winterthur nutzten sie, um Neues zu erfahren, Fragen zu stellen, zu diskutieren und sich ganz allgemein auszutauschen. Zum dritten Mal organisierten die landwirtschaftlichen Bil- dungszentren Schluechthof Cham, Liebegg und Strickhof einen Anlass für Betriebsleiter- paare, auch heuer wieder mit ei- nem gut ausbalancierten Mix aus Referaten und Workshops. Das Hirn mag Routine Als Redner mit nicht land- wirtschaftlichem Hintergrund zeigte Roman Cortesi allgemei- ne Erkenntnisse zur Dynamik rund um Veränderungen auf. Mit «Mut zum Risiko – Angst vor Verlust» betitelte der Be- triebsoptimierer und Hotelier im Aufbruch sein Referat. Er plädierte für beides in ausgewo- genem Mass. «Das Zwischen- drin ist ideal», hielt Roman Cor- tesi fest, «bei etwas Neuem ge- wisse Befürchtungen zu haben, aber im richtigen Moment los- zulassen, mutig zu sein.» Dass das nicht immer einfach ist, zeigte der werdende Familien- unternehmer in vielen Facetten auf. So schafft das menschliche Hirn Effizienz, indem es ener- giesparende Routinehandlun- gen bevorzugt. Was neu ist, braucht mehr Kraft, bringt mehr Unsicherheit. Diese kann besser überwinden, wer Vertrauen hat, dass er selber etwas gezielt zu bewirken vermag. «Ein Verän- derungsprozess setzt ein be- wusstes Handeln voraus», be- tonte Roman Cortesi. Ob eine Veränderung selbst gewählt oder aufgezwungen ist, macht dabei viel aus. Ist sie fremdbe- stimmt, dominiert zunächst ein Gefühl des Schocks, dann der Verneinung. Daraus wachsen Widerstand und Angst. Doch FACHTAGUNG AM STRICKHOF: «Familie und Betrieb» Veränderungen passieren laufend. Wie geht man mit ihnen am besten um? Eine Fachtagung am Strickhof, «Veränderung entwickelt uns», gab Antworten, reg- te zu Diskussionen an und bot Gelegenheit zum Gedankenaustausch. SANNA BÜHRER WINIGER auch wer selber neue Ziele wählt, ist vor Gefühlen der Un- sicherheit nicht gefeit. Diese be- gleiten alle, die zu Neuem auf- brechen und dieses umsetzen wollen oder müssen. Über Ängste reden «Wichtig ist, auch zu analysie- ren: Wo komme ich her? Was kann ich schon? Was bringe ich mit?», erklärte Roman Cortesi. «Man darf nicht nur die Zu- kunft anschauen, sondern muss im Vorfeld auch über Ängste re- den, nicht erst, wenn es in der Veränderung schwierig wird. Dann kann man keine Grund- satzdiskussionen mehr führen, dann braucht man die Energie für anderes.» Die Fragen nach dem Woher muss man sich auch für all jene stellen, die von der Änderung betroffen sind. Nur dann gelingt es, Mitarbeitende ins Boot zu holen. Wer bei aller Kopfarbeit auch das Bauchge- fühl mit einbezieht, verfügt über mehr Flexibilität, mit Verände- rungen umzugehen. «Oft herrscht die Meinung, wer flexi- bel sei, brauche keinen Plan», meinte Roman Cortesi. «Doch ein Plan ist extrem wichtig. Er gibt den roten Faden.» Es läuft nicht immer rund Auf Flexibilität und Mitein- anderreden fokussierte auch das Aufbruchteam, das Land- wirtschaftsbetrieben bei ver- meintlichen Sackgassen bera- tend weiterhilft. Stefan Moser, Rüedu Schüpbach und Christi- ne Schumacher bringen alle ei- nen bäuerlichen Hintergrund sowie erweiterte Fachkenntnis- se zur Betriebsentwicklung mit in ihre Arbeit. Sie zeigten an der Tagung auf, wie vielfältig die Einflüsse sind, die auf einen Be- trieb einwirken, wie viele ver- schiedene Aspekte unter einen Hut gebracht werden müssen. Das familiäre, das politische und das wirtschaftliche Umfeld sollen wie Zahnräder ineinan- dergreifen und möglichst rei- bungslos drehen. Verändert sich ein Rad, hat dies auf die anderen Auswirkungen. Dann ist es die Aufgabe des Betriebsleiter- paars, zu analysieren, wo die Schwierigkeiten liegen und wie sie sich so justieren lassen, dass das Getriebe wieder zum Lau- fen kommt. Das können Gene- rationenprobleme sein, Nach- barschaftsstreitigkeiten, finan- zielle oder politische Brems- klötze. Wichtig ist, immer am Ball und beweglich zu bleiben, nicht in der Verzweiflung zu verharren. «Man muss die Komfortzone verlassen und Neues angehen», riet Rüedu Schüpbach, und Stefan Moser griff eine Grundfrage auf, die kreatives Denken erst beflügelt: «Was würdest du tun, wenn du keine Angst hättest?» Christine Schumacher wiederum erzählte exemplarisch von Schwierig- keiten, denen sie und ihr Mann begegnet waren und die sie mit mutigen und unkonventionel- len Schritten gemeistert haben. Erkenntnisse mitnehmen Alle vier Referierenden stellten ihr Fachwissen individuell zur Verfügung. In Workshops bot sich den Teilnehmenden die Chance, sich persönlich in die Themen zu vertiefen. Roman Cortesi half dabei, ei- gene Muster und Typologien im Umgang mit Veränderungen zu entdecken. Stefan Moser führte auf die Spur eigener grundle- gender Werte. Christine Schu- macher und Rüedu Schüpbach stellten mit einer Entschei- dungsmatrix ein solides Werk- zeug vor, bei Schwierigkeiten Plus- und Minuspunkte ver- schiedener Lösungsmöglichkei- ten zu gewichten und gegenein- ander abzuwägen. Für die Teilnehmenden bot sich so eine Vielfalt an Möglich- keiten, auf sie zugeschnittene Erkenntnisse mitzunehmen und je nach Bedarf in den Alltag einzubringen. Angst und Mut gehören beide dazu Die Organisatorinnen: v.l. Barbara von Werra, Strickhof, Lisa Vogt Altermatt, Liebegg, Claudia Küenzi, Schluechthof Cham. (Bilder: Sanna Bührer Winiger) Teamwork beim Ausfüllen der Entscheidungsmatrix. Strickhof-Direktor Ueli Voegeli begrüsst Roman Cortesi (l.).

Transcript of «Familie und Betrieb» Angst und Mut gehören beide dazuMit «Mut zum Risiko – Angst vor...

Page 1: «Familie und Betrieb» Angst und Mut gehören beide dazuMit «Mut zum Risiko – Angst vor Verlust» betitelte der Be-triebsoptimierer und Hotelier im Aufbruch sein Referat. Er plädierte

56 Bäuerinnen und Bauernwollten am 26. Februar mehrzum Thema wissen. Die Fachta-gung «Veränderung entwickeltuns» am Strickhof Wülflingenin Winterthur nutzten sie, umNeues zu erfahren, Fragen zustellen, zu diskutieren und sichganz allgemein auszutauschen.Zum dritten Mal organisiertendie landwirtschaftlichen Bil-dungszentren SchluechthofCham, Liebegg und Strickhofeinen Anlass für Betriebsleiter-paare, auch heuer wieder mit ei-nem gut ausbalancierten Mixaus Referaten und Workshops.

Das Hirn mag RoutineAls Redner mit nicht land-

wirtschaftlichem Hintergrundzeigte Roman Cortesi allgemei-ne Erkenntnisse zur Dynamikrund um Veränderungen auf.

Mit «Mut zum Risiko – Angstvor Verlust» betitelte der Be-triebsoptimierer und Hotelierim Aufbruch sein Referat. Erplädierte für beides in ausgewo-genem Mass. «Das Zwischen-drin ist ideal», hielt Roman Cor-tesi fest, «bei etwas Neuem ge-wisse Befürchtungen zu haben,aber im richtigen Moment los-zulassen, mutig zu sein.» Dassdas nicht immer einfach ist,zeigte der werdende Familien-unternehmer in vielen Facettenauf. So schafft das menschlicheHirn Effizienz, indem es ener-giesparende Routinehandlun-gen bevorzugt. Was neu ist,braucht mehr Kraft, bringt mehrUnsicherheit. Diese kann besserüberwinden, wer Vertrauen hat,dass er selber etwas gezielt zubewirken vermag. «Ein Verän-derungsprozess setzt ein be-wusstes Handeln voraus», be-tonte Roman Cortesi. Ob eineVeränderung selbst gewähltoder aufgezwungen ist, machtdabei viel aus. Ist sie fremdbe-stimmt, dominiert zunächst einGefühl des Schocks, dann derVerneinung. Daraus wachsenWiderstand und Angst. Doch

FACHTAGUNG AM STRICKHOF: «Familie und Betrieb»

Veränderungen passierenlaufend. Wie geht man mitihnen am besten um? EineFachtagung am Strickhof,«Veränderung entwickeltuns», gab Antworten, reg-te zu Diskussionen anund bot Gelegenheit zumGedankenaustausch.

SANNA BÜHRER WINIGER

auch wer selber neue Zielewählt, ist vor Gefühlen der Un-sicherheit nicht gefeit. Diese be-gleiten alle, die zu Neuem auf-brechen und dieses umsetzenwollen oder müssen.

Über Ängste reden«Wichtig ist, auch zu analysie-ren: Wo komme ich her? Waskann ich schon? Was bringe ichmit?», erklärte Roman Cortesi.«Man darf nicht nur die Zu-kunft anschauen, sondern mussim Vorfeld auch über Ängste re-den, nicht erst, wenn es in derVeränderung schwierig wird.Dann kann man keine Grund-satzdiskussionen mehr führen,dann braucht man die Energiefür anderes.» Die Fragen nachdem Woher muss man sich auchfür all jene stellen, die von derÄnderung betroffen sind. Nurdann gelingt es, Mitarbeitendeins Boot zu holen. Wer bei allerKopfarbeit auch das Bauchge-fühl mit einbezieht, verfügt übermehr Flexibilität, mit Verände-rungen umzugehen. «Oftherrscht die Meinung, wer flexi-bel sei, brauche keinen Plan»,meinte Roman Cortesi. «Dochein Plan ist extrem wichtig. Ergibt den roten Faden.»

Es läuft nicht immer rundAuf Flexibilität und Mitein-

anderreden fokussierte auchdas Aufbruchteam, das Land-wirtschaftsbetrieben bei ver-meintlichen Sackgassen bera-tend weiterhilft. Stefan Moser,Rüedu Schüpbach und Christi-ne Schumacher bringen alle ei-

nen bäuerlichen Hintergrundsowie erweiterte Fachkenntnis-se zur Betriebsentwicklung mitin ihre Arbeit. Sie zeigten an derTagung auf, wie vielfältig dieEinflüsse sind, die auf einen Be-trieb einwirken, wie viele ver-schiedene Aspekte unter einenHut gebracht werden müssen.

Das familiäre, das politischeund das wirtschaftliche Umfeldsollen wie Zahnräder ineinan-dergreifen und möglichst rei-bungslos drehen. Verändert sichein Rad, hat dies auf die anderenAuswirkungen. Dann ist es dieAufgabe des Betriebsleiter-paars, zu analysieren, wo dieSchwierigkeiten liegen und wiesie sich so justieren lassen, dassdas Getriebe wieder zum Lau-fen kommt. Das können Gene-rationenprobleme sein, Nach-barschaftsstreitigkeiten, finan-zielle oder politische Brems-klötze. Wichtig ist, immer amBall und beweglich zu bleiben,nicht in der Verzweiflung zuverharren. «Man muss dieKomfortzone verlassen undNeues angehen», riet RüeduSchüpbach, und Stefan Mosergriff eine Grundfrage auf, diekreatives Denken erst beflügelt:«Was würdest du tun, wenn dukeine Angst hättest?» ChristineSchumacher wiederum erzählteexemplarisch von Schwierig-keiten, denen sie und ihr Mannbegegnet waren und die sie mitmutigen und unkonventionel-len Schritten gemeistert haben.

Erkenntnisse mitnehmenAlle vier Referierenden stelltenihr Fachwissen individuell zurVerfügung. In Workshops botsich den Teilnehmenden dieChance, sich persönlich in dieThemen zu vertiefen.

Roman Cortesi half dabei, ei-gene Muster und Typologien imUmgang mit Veränderungen zuentdecken. Stefan Moser führteauf die Spur eigener grundle-gender Werte. Christine Schu-macher und Rüedu Schüpbachstellten mit einer Entschei-dungsmatrix ein solides Werk-zeug vor, bei SchwierigkeitenPlus- und Minuspunkte ver-schiedener Lösungsmöglichkei-ten zu gewichten und gegenein-ander abzuwägen.

Für die Teilnehmenden botsich so eine Vielfalt an Möglich-keiten, auf sie zugeschnitteneErkenntnisse mitzunehmenund je nach Bedarf in den Alltageinzubringen.

Angst und Mut gehören beide dazu

Die Organisatorinnen: v.l. Barbara von Werra, Strickhof, Lisa Vogt Altermatt, Liebegg,Claudia Küenzi, Schluechthof Cham. (Bilder: Sanna Bührer Winiger)

Teamwork beim Ausfüllen der Entscheidungsmatrix.

Strickhof-Direktor Ueli Voegeli begrüsst Roman Cortesi (l.).