Faust, J., & Michaelowa, K. (Hrsg.). (2013). Politische Ökonomie der Entwicklungszusammenarbeit....

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REZENSION Z Außen Sicherheitspolit (2014) 7:265–267 DOI 10.1007/s12399-014-0396-x Online publiziert: 18.03.2014 © Springer Fachmedien Wiesbaden 2014 S. Berens () Cologne Center for Comparative Politics, Universität zu Köln, Herbert-Lewin-Str. 2, 50931 Köln, Deutschland E-Mail: [email protected] Faust, J., & Michaelowa, K. (Hrsg.). (2013). Politische Ökonomie der Entwicklungszusammenarbeit. Baden-Baden: Nomos, 274 S., ISBN: 978-3848704286, € 49,-. Sarah Berens Es gibt wenige Politikfelder, in denen öffentlich proklamierte Absichten und erreichte Ziele so weit auseinander klaffen wie in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), womit besonders im wissenschaftlichen Diskurs eine wachsende Nüchternheit einhergeht. Jörg Faust und Katharina Michaelowa wirken diesem Pessimismus mit der Zusammenstellung ihres Bandes entschieden entgegen, indem sie mit einer dezidierten politökonomischen Analyse die Schwachstellen und Hürden in der EZ aufweisen, ohne jedoch der Resigna- tion Vorschub zu leisten. Trotz der scharfen Herausstellung der Problemstellen in der EZ, bleibt zum Ende dieses Sammelbands ein positiver Tenor gegenüber dem Potenzial und auch der Notwendigkeit funktionierender EZ bestehen, da die Analysen auch ein generel- les Verständnis der „Mechanismen internationaler Zusammenarbeit“ (S. 19) vermitteln, welches sich auf verschiedenste Politikfelder in einer globalisierten Welt übertragen lässt. Der Band wendet sich mit der Darstellung in deutscher Sprache explizit nicht nur dem wissenschaftlichen Publikum zu, sondern auch MitarbeiterInnen in der EZ, und bietet ebenfalls durch die theoretische und methodische Klarheit der gewählten Beiträge die Möglichkeit, in der wirtschafts- und politikwissenschaftlichen Lehre positiven Eingang zu finden. Das dem Band zugrunde liegende Akteursmodell geht von rational handelnden Akteu- ren aus, die ihr strategisches Handeln unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen ausrichten. Das Zusammenspiel individueller Interessen und Institutionen markiert dabei die analytische Linse, mit der das viel erforschte Politikfeld der EZ in den jeweiligen Beiträgen betrachtet wird. Durch die Wahl einer politökonomischen Herangehensweise zeigt sich die Stärke der Erklärungskraft der Beiträge, denn sie ermöglichen es, zum Kern der Probleme in der EZ durchzudringen: Koordinations- und Interessenkonflikte.

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Rezension

Z Außen Sicherheitspolit (2014) 7:265–267DOI 10.1007/s12399-014-0396-x

Online publiziert: 18.03.2014© Springer Fachmedien Wiesbaden 2014

S. Berens ()Cologne Center for Comparative Politics, Universität zu Köln,Herbert-Lewin-Str. 2, 50931 Köln, DeutschlandE-Mail: [email protected]

Faust, J., & Michaelowa, K. (Hrsg.). (2013). Politische Ökonomie der Entwicklungszusammenarbeit. Baden-Baden: Nomos, 274 S., ISBN: 978-3848704286, € 49,-.

Sarah Berens

Es gibt wenige Politikfelder, in denen öffentlich proklamierte Absichten und erreichte Ziele so weit auseinander klaffen wie in der Entwicklungszusammenarbeit (EZ), womit besonders im wissenschaftlichen Diskurs eine wachsende Nüchternheit einhergeht. Jörg Faust und Katharina Michaelowa wirken diesem Pessimismus mit der Zusammenstellung ihres Bandes entschieden entgegen, indem sie mit einer dezidierten politökonomischen Analyse die Schwachstellen und Hürden in der EZ aufweisen, ohne jedoch der Resigna-tion Vorschub zu leisten. Trotz der scharfen Herausstellung der Problemstellen in der EZ, bleibt zum Ende dieses Sammelbands ein positiver Tenor gegenüber dem Potenzial und auch der Notwendigkeit funktionierender EZ bestehen, da die Analysen auch ein generel-les Verständnis der „Mechanismen internationaler Zusammenarbeit“ (S. 19) vermitteln, welches sich auf verschiedenste Politikfelder in einer globalisierten Welt übertragen lässt. Der Band wendet sich mit der Darstellung in deutscher Sprache explizit nicht nur dem wissenschaftlichen Publikum zu, sondern auch MitarbeiterInnen in der EZ, und bietet ebenfalls durch die theoretische und methodische Klarheit der gewählten Beiträge die Möglichkeit, in der wirtschafts- und politikwissenschaftlichen Lehre positiven Eingang zu finden.

Das dem Band zugrunde liegende Akteursmodell geht von rational handelnden Akteu-ren aus, die ihr strategisches Handeln unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen ausrichten. Das Zusammenspiel individueller Interessen und Institutionen markiert dabei die analytische Linse, mit der das viel erforschte Politikfeld der EZ in den jeweiligen Beiträgen betrachtet wird. Durch die Wahl einer politökonomischen Herangehensweise zeigt sich die Stärke der Erklärungskraft der Beiträge, denn sie ermöglichen es, zum Kern der Probleme in der EZ durchzudringen: Koordinations- und Interessenkonflikte.

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Alle Beiträge zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Anreizstrukturen, Interessen und den pay-off der Handlungssituationen der relevanten Akteure ausdifferenzieren und somit das Handeln der Akteure und die daraus einhergehenden Problemstellen nachvollziehbar erklären.

Der Band konzentriert sich auf die Analyse der Akteursbeziehungen und Interessen-konstellationen in der EZ sowie den daraus resultierenden Wirksamkeitsdefiziten und grenzt sich damit deutlich von Evaluationsstudien zur Wirksamkeit von geleisteter Ent-wicklungshilfe ab. Die Beiträge sind in drei Teile untergliedert: Teil I widmet sich der Konzeptspezifikation und der Herausarbeitung der Prinzipal-Agenten Beziehung in der EZ. Teil II untersucht die EZ aus Perspektive der Geberländer anhand konkreter Fragestel-lungen. Abschließend werden in Teil III zwei Studien vorgestellt, welche die Allokation von Entwicklungshilfe näher analysieren. Der erste Beitrag besteht aus einer Überset-zung und Zusammenführung von zwei früheren, in der Literatur sehr renommierten, Bei-trägen William Easterlys. Easterly problematisiert die Bildung eines Geber-„Kartells“ innerhalb der EZ, das sich zwar durch ein positives Bestreben hinsichtlich von Armuts-reduktion und Förderung von wirtschaftlichem Wachstum auszeichnet, jedoch letztend-lich durch mangelnde Koordination zu Ineffizienz führt. Als Lösungsstrategie postuliert er die Schaffung von Wettbewerb und einer stärkeren Marktstruktur innerhalb der EZ. Auch wenn nicht explizit benannt, so beschreibt der Autor sehr eindrücklich eine Viel-zahl von Prinzipal-Agenten Problemen zwischen den, in der EZ beteiligten Akteuren. Der theoretische, am Prinzipal-Agenten Model orientierte Beitrag von Uwe Mummert knüpft genau an diesem Punkt an. Es zeigt sich, dass in den Delegationsbeziehungen der relevanten Akteure viel Raum für moral hazard besteht, welches durch die Paris-Erklä-rung 2005 einzudämmen versucht wurde. In der Umsetzung der Lösungsansätze sind die Geberländer allerdings bislang wenig erfolgreich, was Mummert auf die gegenläufigen Eigeninteressen der beteiligten Akteure zurückführt.

Im zweiten Teil des Bandes dringen Michaelowa und Stern tiefer in die Anreizstruktur der Geberländer ein. Sie untersuchen, wie es von der Entschuldungsinitiative HIPC I zu einer noch aufgeweichteren Form des Schuldenerlasses in der Initiative MDRI kam. Nur ein politökonomisches Erklärungsmodel leistet Aufklärung dieses, aus ökonomischer Perspektive überraschenden, Phänomens: Basierend auf einer formalisierten Kosten-Nut-zen Analyse der beteiligten Akteure wird deutlich, dass sowohl die Bürokratie als auch Nichtregierungsorganisationen (NROs) ein Interesse am Schuldenerlass haben. Außer-dem erwirkt ein starker öffentlicher Problemdruck, dass Regierungen der Ausweitung der Entschuldungsinitiative nachgeben. Die zentrale Rolle der Geberländer für die Effizienz von EZ wird auch in dem viel beachteten Beitrag von Knack und Rahman deutlich. Der sorgfältig ins Deutsche übersetzte Beitrag weist nach, dass eine erhöhte Geberfragmentie-rung die Bürokratiequalität in den Nehmerländern verringert. Da Geberorganisationen in der Lage sind, höhere Gehälter zu zahlen als die lokale Bürokratie, entstehen folgenreiche Externalitäten auf dem Markt der ausgebildeten Arbeitskräfte (S. 162). Jörg Faust weist allerdings auch daraufhin, dass es Varianz bei dem Einfluss der Geber gibt. Je besser die „politisch-institutionelle […] Verfasstheit“ (S. 169) – abstrakt gesprochen, eine stärkere Gemeinwohlorientierung – der Geberländer, desto höher ist auch die Qualität der Ent-wicklungshilfe auf Geberseite. Die quantitative Untersuchung gibt einen ersten Einblick in den Zusammenhang zwischen den institutionellen Ausgangsbedingungen der Geber-

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länder und dem folglich zu erwarteten Engagement der Geber in der EZ. Das Modell bleibt jedoch relativ apolitisch und vernachlässigt zum Teil die politischen Interessen der Regierungsakteure hinsichtlich ihrer Parteizugehörigkeit.

Im dritten Teil des Bandes finden wir, konkretisiert am Bespiel des multilateralen Gebers EU, eine Analyse zu den Faktoren, die sich auf die Vergabe von Entwicklungs-hilfe auswirken. In der Regressionsanalyse finden Baumann, Berthélemy und Micha-elowa empirische Evidenz für eine Zunahme der sicherheitspolitischen Orientierung innerhalb der EZ und eine überraschende Abnahme gegenüber einer Orientierung an Armutsbekämpfung und der Fokussierung auf bessere Regierungsführung auf Seiten der Nehmerländer. Dies, obwohl letztgenannte Ziele seit den 1990er Jahren den öffentlichen Diskurs in der EZ überlagern. Die geopolitischen Interessen der EU dominieren somit die Ausgestaltung der EZ.

Der Band schließt mit Axel Drehers Untersuchung der Anreizstruktur der Nehmer-länder bezüglich der Beantragung von Krediten bei dem Internationalen Währungsfonds (IWF) vor Wahlterminen und erweitert somit die analytische Perspektive des Bandes von einer Geber-Orientierung zu den Interessenkonstellation auf Seiten der Empfänger. Dre-her untersucht, inwieweit die Kredite des IWF in den Empfängerländern einen politischen Konjunkturzyklus verursachen (S. 241) und liefert mit seiner quantitativen Analyse ein differenziertes Bild: die Wiederwahl eines Kandidaten wird zwar positiv von einem ex-ante Abschluss eines IWF-Programms beeinflusst, allerdings verringert ein IWF-Kredit die Wahrscheinlichkeit der Wiederwahl bei gleichzeitig stärkerem Wirtschaftswachstum (S. 260), wodurch sich die Allokation von Krediten teilweise erklären lässt. Der sehr lesenswerte Band besticht durch die Klarheit der Beiträge hinsichtlich der Ausarbeitung der konfligierenden Interessen der Beteiligten Akteure in der EZ, der Anwendung ver-schiedener methodologischer Ansätze sowie der klaren Verortung der Fragestellungen innerhalb der Forschungsliteratur und bietet somit eine gute Einführung bzw. Vertiefung in das komplexe Feld der EZ aus politökonomischer Perspektive.