Forschungsmagazin der Universität Innsbruck - 01/2014

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Das Magazin der Universität Innsbruck informiert über aktuelle Forschungsergebnisse und gibt einen Einblick in den Alltag der Forscherinnen und Forscher

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  • Forschen in der Welt

    zukunftforschung

    Magazin fr Wissenschaft und forschung der universitt innsbruck

    Ausgabe 01|14 thema: forschen weltweit | ethnologie: gestrandet in sdeuropa| geografie: amenity migration | weltkrieg: knappe kassen | germanistik: 50 jahre brenner-archiv | mineralogie: multitalent kristall | physik: astro-software aus tirol

  • Phot

    o: R

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    www.tanzsommer.at

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    TICKETS:+43/512/5

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    27. JUNI BIS 12. JULI 201427. JUNI BIS 12. JULI 2014

  • zukunft forschung 0114 3

    EDITORIAL

    Liebe Leserin, Lieber Leser,

    Ein besonderes Charakteristikum der Universitt Innsbruck ist ihre ausgeprgte Internationalitt. Fast 39 Prozent aller Studierenden kommen mittlerweile aus dem EU-Raum und sogenannten Drittstaaten an die Leopold-Franzens-Univer-sitt zum Studium. 38 Prozent der wissenschaftlichen Mitarbeite-rinnen und Mitarbeiter wurden nicht in sterreich geboren und 71 Prozent der relevanten Publikationen im Web of Science werden mit internationalen Co-Autorinnen und -Autoren verfasst. Inter-nationale Hochschulrankings besttigen diese auergewhnliche internationale Durchmischung: Eine Spezialauswertung des Times Higher Education Rankings positioniert die Universitt Innsbruck im Bereich Internationalitt als einzige sterreichische Universi-tt unter den Top Ten weltweit auf dem hervorragenden 7. Platz. Im aktuellen Leiden Ranking liegt die Universitt Innsbruck bei wissenschaftlichen Publikationen mit internationalen Partnern weltweit auf Rang 5.

    International orientieren sich auch viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unserer Universitt in ihren Forschungs-fragen und Untersuchungsfeldern. In dieser Ausgabe des For-schungsmagazins zukunft forschung prsentieren wir Ihnen einige Feldforschungsprojekte aus verschiedenen Disziplinen: Geografen um Ernst Steinicke untersuchen die Siedlungsent-wicklung im kalifornischen Hochland und vergleichen sie mit Entwicklungen in den Alpen. Aus Asien stammende Regenwr-mer erobern die Wlder der USA und werden dort von der Bio-

    login Anita Juen erforscht. Archologen um Sandra Heinsch und Walter Kuntner suchen in Armenien und Georgien nach Spuren frher Hochkulturen. Das Schicksal von Migranten recherchiert Stiftungsprofessor und Kulturwissenschaftler Gilles Reckinger auf sditalienischen Obstplantagen. Und Wirtschaftswissenschaftler Bjrn Vollan versucht mit konomischen Experimenten in China und auf den Philippinen, das wirtschaftliche Verhalten dieser Ge-sellschaften nher zu ergrnden.

    Sie finden in unserem Magazin auerdem Berichte zu zahl-reichen weiteren Forschungsprojekten unserer Wissenschaft-lerinnen und Wissenschaftler sowie Beitrge ber das nun seit einem halben Jahrhundert bestehende und international viel be-achtete Brenner-Archiv und das von der UNESCO ausgerufene Internationale Jahr der Kristallografie.

    Wir wnschen Ihnen viel Freude bei der Lektre dieser Ausgabe und freuen uns ber Ihre Fragen und Anregungen!

    TiLMAnn MrK, reKTOrsAbine sCHinDLer, ViZereKTOrin FOrsCHung

    iMpressuM

    Foto: Uni Innsbruck

    Herausgeber: Leopold-Franzens-Universitt Innsbruck, Christoph-Probst-Platz, Innrain 52, 6020 Innsbruck, [email protected], www.uibk.ac.at Projektleitung: Bro fr ffentlichkeitsarbeit und Kulturservice Mag. Uwe Steger (us), Dr. Christian Flatz (cf)Medieninhaber & Verleger: ECHO Zeitschriften- und Verlags GmbH, Eduard-Bodem-Gasse 6, 6020 Inns bruck, www.echoonline.at Redaktion: Mag. Melanie Bartos (mb), Mag. Andreas Hauser (ah), Mag. Stefan Hohenwarter (sh), Dr. Florian Becke (fb), Daniela Pmpel, MA (dp), Mag. Susanne Rck (sr)Layout & Bildbearbeitung: Thomas Binder Fotos: Andreas Friedle, Universitt Innsbruck

  • bild derwissenschaft

  • zukunft forschung 0114 5

    titelthema

    forschung

    editorial/impressum 3 | bild der wissenschaft: protorobotic 4 | neuberufung: georg eckert 6 | fundgrube Vergangen heit: ludwig haber-landt 7 | bildglossar: polarforschung 20 | patente & spin-offs 24 | meldungen 39 + 44 | cast 40 | preise & auszeichnungen 45 | zwischen-stopp: scott pincikowski 48 | sprungbrett innsbruck: oliVer hauser 49 | zahlen & fakten: fakultt fr Volkswirtschaft und statistik 50

    biologie. Anita Juen untersucht die Auswirkungen der Ankunft eines asiatischen Regenwurms auf Wlder in den USA. 12

    archologie. Innsbrucker Forscher und Archologen graben seit ber 30 Jahren im Nahen Osten. 14

    wirtschaft. Bjrn Vollan arbeitet mit verhaltenskonomischen Experimenten in China und auf den Philippinen. 16

    Vernetzung. Die Universitt Innsbruck zhlt zu den zehn Uni-versitten weltweit mit der strksten internationalen Ausrichtung. 19

    standort. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner ber die Unifinanzierung und den Forschungsstandort Tirol 22

    geografie. Forscher rund um Ernst Steinicke untersuchen die Amenity Migration in der Sierra Nevada und im franzsischen, italienischen und slowenischen Alpenraum. 8

    Die Entwicklung innovativer Fabrikationsmethoden ist eines der For-schungsgebiete von Marjan Collettis Team am Institut fr experimen-telle Architektur, welche unter dem Thema Meeting Nature Halfway laufen. Mit dem Projekt ProtoRobotic FOAMing werden zum Beispiel

    artifizielle Schaumstrukturen erforscht, die mit drei Industrierobotern mit MultiMove-Funktionalitt im REX|LAB ber koordinierte synchro-nisierte Bewegungen gereckt werden und extrem filigrane und leich-te, jedoch stabile Strukturen erzeugen.

    mathematik. Hermann Mena vermittelt mit rechnerischen Mit-teln in einem Streit zwischen Ecuador und Kolumbien, der sich um ein Unkrautvernichtungsmittel dreht. 26

    germanistik. Seit 50 Jahren leistet das Brenner-Archiv einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung heimischer Kulturgeschichte. 28

    literatur. Ein internationales Forscherinnenteam nhert sich auf verqueere Weise der rumnischen Nachkriegsliteratur. 30

    titel. Mitarbeiter der Universitt Innsbruck forschen auf der ganzen Welt. ZUKUNFT FORSCHUNG begleitete einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu ihren

    Einsatzgebieten, die auf dem Globus verteilt sind.

    mineralogie. 2014 steht im Zeichen des Kristalls 98 Prozent der festen Materie unseres Planeten bestehen aus

    Kristallen, doch ist die hufigste Erscheinungsform von Fest-krpern in der ffentlichen Wahrnehmung kaum prsent.

    Jugendforschung. Helmut Fennes untersucht in einem internationalen F orschungsprojekt die Auswirkungen

    des EU-Programms Jugend in Aktion.

    36

    34

    8

    rubriken

    Fotos: Andreas Friedle (1), Uni Innsbruck (1), Preformulation and Polymorphism Group (1), VA Innsbruck (1); COVERFOTO: Carole Reckinger

    INHalt

    astrophysik. Mit Innsbrucker Computerprogrammen werden Beobachtungen von der Erde aus effizienter. 31

    biologie. Fachbergreifend soll die Herkunft von Flora und Fauna in inneralpinen Trockengebieten geklrt werden. 32

    geschichte. Die Habsburgermonarchie war 1914 zum Zeitpunkt der Mobilisierung auf einen Krieg nicht ausreichend vorbereitet. 38

    geschichte. Der Kulturwissenschaftler Gilles Reckinger unter-sucht, was aus den Flchtlingen von Lampedusa wird. 18

    Zu diesen Beitrgen finden Sie weitere Infos auf: www.uibk.ac.at/forschung/magazin/12/@

    @

  • zukunft forschung 01146

    NeuberufuNg

    Der reiz von Lehre unD Forschung

    Den Aktienrecht-Spezialisten Georg Eckert reizt am juristischen Forschen, Querbezge innerhalb und auerhalb des Fachs herzustellen.

    Einen Ausgleich zur trockenen Forschungsarbeit braucht Ge-org Eckert nicht. Aus einem einfachen Grund. Forschen ist nicht trocken, sagt er voller berzeugung, es macht mir Freude. Freude, die er sozusagen jetzt in vollen Zgen ge-nieen kann. Seit Mrz dieses Jahres ist Eckert am Institut fr Un-ternehmens- und Steuerrecht als Professor fr Privates Recht der Wirtschaft ttig. Eingelebt hat er sich schon, auch wenn seine juris-tischen Fachbcher gerade erst in Umzugskartons ins Bro gelie-fert worden sind. Vor allem das Wetter, die Luft, Berge und Stadt gefallen ihm. Zur Juristerei ist der Niedersterrei-cher etwas ber Umwege gekommen. Nach der Matura verlngerte er seine Bundesheerzeit beim sterreichischen UN-Kontingent auf Zypern, zurck in sterreich landete er zuerst bei der OMV, ehe er 1995 in Wien mit dem Stu-dium der Rechtswissenschadt begann. Nach dem Studienende fing er in einer Rechtsanwaltskanzlei an, wechselte aber bald wieder zurck an die Wiener Wirtschaftsuni. Susanne Kalss, START-Preistrgerin aus dem Jahr 2000, holte ihn an Bord. In dem Projekt Kapitalge-

    sellschaftsrecht widmete er sich der geschichtlichen Entwicklung des Aktienrechts in sterreich und anderen europischen Lndern.

    querbezgeDie Aktienrechte, bilanziert Eckert aus dieser rechtsverglei-chenden und -historischen Arbeit, sind in der Funktionsweise in Europa sehr hnlich. Die wissenschaftliche Beschftigung mit dem Aktienrecht ist ihm geblieben. In Innsbruck plant er nun ein

    gemeinsames Projekt mit Institutskol-legen Alexander Schopper, ein anderes luft mit Susanne Kalss. Am juristischen Forschen (Eckert: Dass man einen un-bekannten Paragrafen entdeckt, kommt eher selten vor.) reizt den vierfachen Vater, Querbezge innerhalb und au-erhalb des Faches herzustellen und dass aus Vorhandenem Neues entsteht. Neues entsteht fr ihn auch in der Leh-re. Eckert: Wenn man einen Gegen-stand vermittelt, lernt man selbst durch die Aufbereitung des Stoffes dazu, aber auch durch die Rckfragen der Studie-renden. Das macht fr mich auch den Reiz der Lehre aus. ah

    Fotos: Andreas Friedle (2)

    georg eckert (*1973) studierte an der universitt Wien rechts-wissenschaften. Dem Magiste-rium im Jahr 1999 folgte 2003 das Doktorat, im Jahr 2010 die Habilitation ber Interna-

    tionales gesellschaftsrecht. zwischen 2000 und 2009 war eckert universittsassistent an der Wu Wien, gleichzeitig war er von 2003 bis 2012 bei gassauer-Fleissner rechtsanwlte ttig. Seit 2013 ist er Partner bei wkklaw rechtsanwlte, seit 2014 Professor am Innsbrucker Institut fr unternehmens- und Steuerrecht.

    zur PerSon

  • zukunft forschung 0114 7

    Fundgrube Vergangenheit

    grossvater der pilleFr seine bahnbrechenden Arbeiten zur Empfngnisverhtung erntete der Innsbrucker

    Forscher Ludwig Haberlandt viel Lob und Kritik. An Letzterer zerbrach er.

    ZUR PERSONLudwig Haberlandt (* 1885 in Graz; 1932 in Inns-bruck) gilt als Pionier der hormonalen Empfngnisver-htung, der Vorarbeiten zur Entwicklung der Antibabypil-le leistete. Nach dem Medi-zinstudium an der Universitt Graz kam er 1911 an die Universitt Innsbruck, wo er sich 1913 habilitierte und 1919 zum ao. Professor er-nannt wurde. Seinem Leben, seinen wissenschaftlichen und persnlichen Aufzeichnungen geht die Historikerin Corinna Zangerl in dem soeben erschienenen Buch Wenn Wissenschaft Lebensgrenzen setzt (Universittsverlag Wagner) nach.

    Fotos: Universittsverlag Wagner/Privatbesitz Haberlandt (3)

    Man schrieb das Jahr 1951, als einem For-scherteam rund um den amerikanisch-s-terreichischen Chemiker Carl Djerassi die Entwicklung des ersten synthetischen, oral aktiven Gestagens gelang. Es bildete die Grundlage fr die erste Antibabypille, die eine andere Forschergruppe 1960 auf den Markt brachte. Trotzdem und trotz mehr als 1200 anderen Publikationen gilt Djerassi, der Anfang Juni ein Ehrendoktorat der Universitt Innsbruck erhielt, als Vater der Pille, ein Beiname, der ihn etwas nervt, der ihm allerdings ermglicht, mit einer hnlichen Metapher auf die medizinischen Vorleistungen eines Innsbrucker Wissenschaftlers hin-zuweisen: Fr ihn ist Ludwig Haberlandt der Gro-vater der Pille.

    BAHNBRECHENdE ARBEItENDas eigentliche Forschungsinteresse Haberlandts am Physiologischen Institut galt der Kardiologie, vor allem interessierten ihn Projekte zur Leistungssteigerung. Neben diversen Untersuchungen fand er aber ab 1919 die Zeit, Ovarientransplantationen bei Kaninchen und Meerschweinchen durchzufhren bei einem Teil der Tiere hatte dies eine zeitlich begrenzte Sterilisation zur Folge. Darauf aufbauend folgten ab 1921 Injektions-behandlungen mit Eierstock- und Plazentaextrakten sowie bis 1927 Ftterungsversuche mit Prparaten aus Ovarien trchtiger Tiere und Plazenten. Mit die-sen Versuchen gelang ihm der Nachweis einer hor-monellen Sterilisation. Die zahlreichen Publikationen Haberlandts stieen auf reges Interesse sowohl in der Fachwelt als auch in der ffentlichkeit, und dies weit ber sterreichs Grenzen hinaus. Sahen die einen darin die Chance, mithilfe einer Antikindertablette gefhrliche, weil illegale Abtreibungen und deren gesundheitlichen und rechtlichen Folgen zu verhin-dern, war es fr andere ein Verbrechen am ungebo-renen Leben. Speziell die Kritik von Fachkollegen, so die Ansicht Haberlandts, hinderte ihn am beruflichen Fortkommen. In Innsbruck blieb ihm eine ordentliche Professur verwehrt, Berufungen nach Jena, Rostock und Graz scheiterten, Haberlandt geriet mehr und mehr ins wissenschaftliche und politische Abseits, zu-dem gelang ihm die Umsetzung seiner theoretischen Arbeiten in die Praxis nicht. Fr den leistungsorien-tierten Haberlandt ein zu groer Druck. Am 22. Juli 1932 nahm er sich in Innsbruck das Leben. ah

  • Foto: Roland Lffler

  • Aufbruch ins GebirGe

    Was Innsbrucker Geografen zuerst in Kalifornien beobachteten, sehen sie nun auch im franzsischen, italienischen und

    slowenischen Alpenraum: Entlegene Gebiete werden langsam wieder besiedelt, die Zuwanderer kommen aus den urbanen

    Rumen und suchen in den Alpen Lebensqualitt und Naturnhe.

  • zukunft forschung 011410

    TITELThEma

    Fotos: Andreas Friedle (1), Library of Congress (1), Dieter Hofmann (1), Institut fr Geographie (2)

    Fr unser erstes Projekt reisten wir 2003 nach Kalifornien in die High Sierra Ne-vada, da hier laut Volkszhlung von 2001 entgegen dem Landestrend die Bevlkerung interessanterweise zugenommen hatte. Nur: Als mein Mitarbeiter Roland Lffler und ich dort ankamen, fanden wir viele verschlossene Fensterlden vor und kaum Menschen, die wir befragen konnten, erinnert sich Ernst Steini-cke vom Institut fr Geographie der Universi-tt Innsbruck zurck. Erstmals auf Kalifornien gestoen war er Mitte der 1990er Jahre, als ihm im Zuge seiner Forschungsarbeiten zum Alpin-tourismus eine Parallele zum Skitourismus in Kalifornien auffiel. Die dortige Gebirgsregion wurde erst im Zuge des Gold Rush ab der Mit-te des 19. Jahrhunderts besiedelt. Nach dessen Ende wanderten die Menschen wieder ab, es entstanden Ghost Towns. Mit dem Beginn des Skitourimus ab den 1920er Jahren zogen wieder Menschen in die ehemaligen Goldgrbercamps, die Orte wuchsen und, so Steinicke, dort, wo es Skitourismus gab, nahm die Bevlkerung zu. Eine Entwicklung, die er unter Gold-Ghost-Ski zusammenfasst. Dazu kam noch, dass der Geo-graf bei Untersuchungen in Friaul mit alpinen Ghost Towns zu tun hatte: Daher hat mich die Entwicklung von Ghost Towns interessiert.

    Kein Wunder also, dass ihn das Gold-Ghost-Ski-Phnomen in bersee fesselte, vor allem mit den Bevlkerungsdaten von 2001. Aufgrund ho-her Fertilittsraten und Zuwanderung aus dem Ausland nimmt die Bevlkerung im Golden State

    zwar zu, die Zahlen belegen aber, dass seit den 1990er Jahren mehr Kalifornier den Staat verlas-sen hatten, als US-Brger zugezogen waren. Die Ausnahme ist das kalifornische Gebirge. Unse-re These war, dass es dort zu einer sogenannten Counterurbanisierung kommt, dass die Men-schen von den Stdten genug haben, ins Gebirge ziehen und dort Sicherheit, ethnische Homogeni-tt, Natur, Freizeitmglichkeiten etc. suchen. Mit den geschlossenen Fensterlden mussten wir die-se These aber zurcknehmen, gibt Steinicke zu, ergnzt aber: Verwerfen mussten wir sie nicht. Es handelt sich vielmehr um das Phnomen der Amenity Migration. Ein Phnomen, das Steini-cke mit seinem Forschungsteam (Michael Beis-mann, Roland Lffler, Wolfgang Warmuth und Judith Walder) inzwischen und hier schliet sich der Kreis auch in den franzsischen, ita-lienischen und slowenischen Alpen beobachten kann.

    WohlstandsmigrationDas Forschungsfeld der Amenity Migration, hlt die Arbeitsgruppe Demographic Change in the Alps in einer Publikation zum Thema fest, beschreibt die Verschiebung der Wohnsitzprfe-renz vom urbanen Raum in abgelegene, aber at-traktive lndliche Regionen. Eine Verschiebung, die allerdings keine fixe sein muss. Oft ist sie ein Pendeln zwischen zwei Wohnsitzen, aber nicht im Sinne eines Freizeitwohnsitzes, der auf Frem-denverkehr und das Konsumieren von touris-tischen Angeboten ausgerichtet ist. Amenity

    schon Ende des 19. Jahrhunderts entstand am

    lake tahoe ein see in der sierra nevada an der grenze zwischen nevada

    und Kalifornien einErholungsgebiet, der

    tourismus bot ehemaligen goldsuchern und holz-

    fllern neue Erwerbsmg-lichkeiten. Verstrkt wurde

    diese Entwicklung durch den skitourismus ab den 1920er

    Jahren, ab den 1960er Jahren entstand hier eine

    der grten Wintersportre-gionen der Usa. die sierra nevada ist auch ein raum mit krftigen Bevlkerungs-

    gewinnen. Verdichteten Wohnbau gibt es in dieser

    region nicht, die Folge sind Zersiedlungserscheinungen

    im hochgebirge.

    LAke TAhoe

  • zukunft forschung 0114 11

    TITELThEma

    Migration bedeutet, dass die Menschen in den lndlichen Regionen wohnen und leben, aktiv am Dorfleben teilnehmen, aber in der Stadt im-mer noch einen Wohnsitz haben, sagt Steinicke. Es kommt zu einer Verlagerung der Wochenend- und Freizeitmobilitt hin zum saisonalen bis permanenten Wohnsitz. Die franzsischen Al-pen waren bis in die 1970er ein Abwanderungs-gebiet, seit den 1980er Jahren ist ein erkennbares Bevlkerungswachstum feststellbar, beschreibt Steinicke eine Entwicklung, die in den Alpen von Frankreich ber Italien inzwischen bis nach Slo-wenien zu beobachten ist. Entlegene Gegenden, in denen sich die Landwirtschaft nicht mehr ren-tierte, wo Arbeitspltze rar waren und die tou-ristisch nicht erschlossen waren, wurden durch Landflucht ausgednnt und scheinen nun von einer neuen Stadtflucht zu profitieren. Und was Steinicke vor Ort etwa in Friaul beobachten konnte, lsst sich auch durch Zahlen belegen. Rund 3000 Neuankmmlinge lassen sich jedes Jahr in den peripheren Gebieten der italienischen Alpen nieder, beginnen fast ausgestorbene Tler und Orte wieder zu besiedeln.

    Wesentliche Pullfaktoren fr diese Amenity Migration sind die naturrumlichen Vorzge, eine hhere Lebensqualitt, ein greres Frei-zeitangebot, der gnstige Wohnungsmarkt im italienischen Gebirge sowie die Unabhngigkeit vom Arbeitsplatz dank der neuen Kommunikati-onsinfrastruktur, schreiben Steinicke und seine Mitarbeiter in einem Zwischenbericht zu Ame-nity Migration und ethnolinguistische Minder-heiten in den italienischen Alpen. Ernst Steini-cke ortet Parallelen und Unterschiede zwischen der Amenity Migration in Kalifornien und im Alpenraum: Das Thema Sicherheit spielt in Eu-ropa eine geringere Rolle, dafr sind unter den Zuwanderern mehr ltere Menschen als in den USA. Unter den Newcomern befinden sich aber auch junge Menschen, die es aus Mailand, Turin

    oder Padua in die Alpen zieht, viele von ihnen kennen ihre neue Bleibe von Urlaubsreisen, oder sie verwandeln seit Generationen in der Fami-lie befindliche Wochenendhtten in fixe Wohn-sitze. Mehr als 200 Gemeinden untersuchten die Inns brucker Geografen in der Zwischenzeit, dokumentierten und analysierten Bevlkerungs-struktur und Eigentumsverhltnisse, fhrten Ge-sprche mit alten und neuen Einwohnern.

    KEin aBWandErUngsgEBiEtDie Zuwanderer verhindern einerseits durch die Revitalisierung verlassener Gebude die Entste-hung von Ghost Towns und untersttzen durch diese Instandsetzungen die lokale Bauwirtschaft und regionales Handwerkergewerbe. Anderer-seits stellen sie eine Bedrohung der in vielen der betroffenen Gebiete noch gebruchlichen Min-derheitensprachen wie etwa Friulanisch, Ladi-nisch, Frankoprovenzalisch, Walserdeutsch oder Okzitanisch dar. Doch Steinicke relativiert. Das ethnische Mosaik und die sprachliche Vielfalt ist nirgendwo so ausgeprgt wie im Alpenraum. Doch die stndige Abwanderung junger Men-schen bedeutete fr die Sprachgruppen einen quantitativen Verlust. Geblieben sind die alten Bewohner, die zwar die Sprache noch sprechen, aber mit der Zeit wegsterben, sieht er das Pro-blem in der Abwanderung und nicht in der As-similation. Beobachten konnten die Innsbrucker Forscher sogar das Gegenteil: Die Newcomer in-tegrieren sich ins Dorfleben, identifizieren sich mit ihrer neuen Heimat und der dortigen Kultur und tragen damit zu deren Erhalt bei. Auch sei, so Steinicke, zu beobachten, dass oft jahrzehnte-lang brachliegende landwirtschaftliche Flchen wieder bestellt werden. All dies, sagt der For-scher, fhrt zu der Erkenntnis, dass man auch wenn es kleinrumige Abweichungen gibt die Alpen nicht mehr als Abwanderungsgebiet be-zeichnen kann. ah

    Ernst steinicke, *1954 in innsbruck, ist ao. Univ.-Prof.am institut fr geographie der Universitt innsbruck und seit 2013 studiendekan der Fakultt fr geo- und atmosphrenwissenschaften. nach seiner habilitation ber Friaul beschftigte er sich u.a. mit Bevlkerungs-fragen in gebirgsrumen. im rahmen von vier FWF-Projekten und aufenthalten in den hochgebirgen der Erde publizierte er mit seinen mitarbeitern in den vergangenen Jahren neue Erkenntnisse zu themenkrei-sen wie Ethnizitt, Counter-urbanisierung oder amenity migration.

    Zur Person

    die migrationsbilanz in den al-pen zwischen 2002 und 2012 (grafik ganz li.) zeigt den posi-tiven trend (rot) in den Westal-

    pen, den negativen (blau) in den ostalpen sterreichs. das fri-

    ulanische Casso (Bild seite 8/9) wandelte sich von einer ghost town zu einer unterschiedlich

    bewohnten gemeinde: ganzjh-rig bewohnt (gelb), leerstehend (wei), Zweitwohnsitz (rot) und

    amenity homes (orange).

  • zukunft forschung 011412

    TITELTHEMA

    Fotos: Anita Juen (4)

    ExotischE BEutENeben klimatischen Entwicklungen zhlt der Einfluss invasiver Arten aus der Tier- und Pflanzenwelt zu den wichtigsten Ursachen fr den globalen Wandel. Dr. Anita Juen untersucht die Auswirkungen der Ankunft eines

    asiatischen Regenwurms auf Ruber-Beute-Beziehungen in einem der ltesten Wlder der Erde in den USA.

    Sie lockern das Erdreich auf, kompostieren abgestorbene Pflanzenreste und tragen zu einem gesunden Boden bei: Regenwrmer gelten als Ntzlinge und sind in jedem Gar-ten gern gesehene Gste. Doch bereits seit einigen Jahren beginnt das positive Image dieser Wrmer immer strker zu wackeln. Ei-nige Arten breiten sich angesichts der verstrkten internationalen Vernetzung auf der ganzen Welt aus und knnen unter Umstnden ganze kosysteme verndern, erklrt Anita Juen vom Institut fr kologie der Universitt Innsbruck. Die Wissenschaftlerin befasst sich mit Themen wie Artenvielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flchen oder natrlicher Schdlingsregulation und erforscht mithilfe molekularer Methoden Entwicklungen in Nahrungsnetzen. In einem vom FWF gefrderten Projekt mit dem Titel Einfluss invasiver Ar-ten auf Ruber-Beute-Beziehungen untersucht die kologin am Beispiel der asiatischen Regenwurmart Amynthas agrestis mgliche Konsequenzen dieser Invasion nicht-heimischer Wrmer in einem Nationalpark im Osten der USA. Whrend zahlreiche Studien die

    teils massiven Auswirkungen auf Bodenstruktur oder Vegetation belegen, ist das Wissen ber potenzielle Vernderungen in Nah-rungsnetzen bisher sehr lckenhaft. Regenwrmer spielen in der Nahrungskette eine wichtige Rolle und stehen am Speiseplan zahl-reicher Arten, sagt Juen. Ich habe mir die Frage gestellt, ob das Eintreffen einer neuen Spezies Auswirkungen auf das Beuteschema ruberisch lebender Tiere hat.

    RegenwuRm auf ReisenDer Great-Smoky-Mountains-Nationalpark erwies sich als idealer Ort, um nach Antworten auf diese Frage zu suchen. Der National-park liegt in den Appalachen auf dem Gebiet der beiden US-Bun-desstaaten North Carolina und Tennessee. Als Weltnaturerbe gehrt er nicht nur zu den ltesten Wldern der Erde, sondern zeichnet sich durch Unberhrtheit und Artenvielfalt aus. Neben heimischen und einigen europischen Regenwurm-Arten fiel im Nationalpark in den letzten Jahren ein stark vermehrtes Vorkommen von Amynthas

    Der asiatische Regenwurm Amynthas agrestis tritt als invasive art in den usa

    immer strker in erscheinung.

  • zukunft forschung 0114 13

    men im Nationalpark in sehr groer Anzahl vor und wir wissen, dass sie Regenwrmer grundstzlich fressen. In insgesamt drei mehrmonatigen Forschungsaufenthalten legte die kologin zu-nchst Standorte mit Vorkommen des asiatischen Regenwurms und Vergleichsstandorte ohne Vorkommen fest. An diesen Orten untersuchte Juen das Beutespektrum der Ruber anhand des Darm-inhalts. Allerdings durften die Tiere entsprechend einer Auflage des Nationalparks dabei nicht zu Schaden kommen. Die kologin und ihr Team verwendeten daher nichtinvasive Methoden und bezogen ihre Informationen aus Untersuchungen von Proben in Form von Kot-Pellets oder Regurgitaten (Erbrochenem). Nach einem Ver-dauungsvorgang bleiben nur sehr wenige erkennbare Beutereste brig. Die Bestimmung der Nahrungsquelle ist daher nur mithil-fe modernster molekularer Techniken mglich, erklrt Juen. Die Forscherin erstellte nicht nur fr den Regenwurm Amynthas agre-stis, sondern auch fr eine Vielzahl anderer potenzieller Beutetiere molekulare Marker. Diese Marker detektieren innerhalb krzester Zeit die DNA der Beutetiere in den Proben unabhngig davon, wie stark das Gefressene bereits verdaut ist.

    weiteRe invasoRenDie Analyse der Nahrung von Laufkfern, Salamandern und Hun-dertfern zeigt, dass Amynthas agrestis zwar grundstzlich gefres-sen wird, aber keine bevorzugte Beute darstellt. Der Anteil des asiatischen Regenwurms im Beutespektrum bewegt sich zwischen zwei und 15 Prozent, verdeutlicht Juen. Die Tiere scheinen von den Neuankmmlingen relativ unbeeindruckt zu sein. Das Gleich-gewicht in den bereits bestehenden Ruber-Beute-Beziehungen wird in unseren Standorten kurzfristig nicht gestrt. Die Betonung liegt laut Juen aber auf kurzfristig. In einem Untersuchungszeitraum von drei Jahren knnen wir nur Teilaspekte dieser komplexen Zu-sammenhnge beleuchten, aber wir mssen davon ausgehen, dass die weitere Ausbreitung der invasiven Regenwrmer auf lange Sicht nicht ohne Konsequenzen fr die Nahrungsketten bleibt, da sich die Habitate der heimischen Tiere ndern. Die Forscherin stellte im Zuge ihrer Untersuchungen unerwartet fest, dass sich bereits zwei weitere asiatische Regenwurm-Arten im Nationalpark eta-blieren konnten. Hier gbe es noch viel Forschungsbedarf, denn das Wissen ber Nahrungsbeziehungen und die Dynamik in Nah-rungsnetzen ist nicht nur von kologischer Bedeutung, sondern hat auch praktische Relevanz, da es die Grundlage fr die Entwicklung nachhaltiger Regulationsstrategien darstellt, sagt Juen. mb

    agrestis auf. Mein Kooperationspartner vor Ort, Dr. Paul Hendrix von der University of Georgia, forschte viele Jahre zum Thema in-vasive Regenwrmer und machte mich auf diese Entwicklung auf-merksam, erzhlt Juen. Die nicht-heimischen Wrmer gelangten im Zuge der internationalen Schifffahrt in die USA, die Ausbreitung im Nationalpark erfolgte vermutlich durch Fischer, die den asiatischen Regenwurm gern als Kder benutzten. Der Zeitpunkt des Beginns dieser Invasion ist schwer rekonstruierbar, da Regenwrmer auf-grund ihres Lebensraums nicht sofort auffallen.

    Der bis zu 20 Zentimeter lange asiatische Regenwurm, im Eng-lischen auch als crazy snake worm bezeichnet, bewegt sich schlan-genartig fort und kann bei Gefahr springen. Er lebt an der Boden-oberflche unter der Streu und wre somit potenzielles Futter fr viele Tiere. Gemeinsam mit der Dissertantin Daniela Straube sowie sieben Diplomandinnen und Diplomanden nahm die kologin schlielich drei ruberische Tiergruppen in ihre Untersuchungen auf: Laufkfer, Hundertfer und Salamander. Diese Ruber kom-

    Hundertfer, salamander und Laufkfer (v. o.) sind im great- smoky-mountains-nationalpark weit verbreitet und ernhren sich auch von Regenwrmern.

    molekularbiologische Darminhaltsanalysen ermglichen genaue aussagen ber das nahrungsspektrum und dessen vernderungen, auch wenn die tiere nicht direkt beim fressen beobachtet werden knnen. Die analyse basiert auf einem Dna-vervielfltigungsmechanismus, der Polymerasen-Ketten-reaktion (PCR), die in Kombination mit spezifischen markern die Dna der jeweiligen Beute zuweisen kann. Diese marker werden fr all jene arten oder tiergruppen designt, die im Beutespektrum vermutet werden, und detektieren bereits kleins-te Dna-mengen im Darminhalt, im Kot oder in Regurgitaten.

    DNA-ANAlysE

    TITELTHEMA

  • zukunft forschung 011414

    Der vordere Orient Irak, Iran, Armeni-en, Georgien, Aserbaidschan, Syrien, Libanon, Israel und die Trkei ist eine der frhesten Wiegen menschlicher Hoch-kulturen. Auch wenn heute vielfach durch po-litische und teilweise auch religise Konflikte getrennt, verbindet die Gegend eine jahrtau-sendealte gemeinsame Geschichte. Innsbrucker Forscherinnen und Forscher tragen seit vielen Jahren zur Aufarbeitung dieser Geschichte bei, seit 1980 gab es etwa Grabungen in der antiken babylonischen Stadt Borsippa (heute Irak). Als die politische Lage dort zunehmend instabil wurde, mussten wir auf andere Grabungssttten ausweichen. Allein aufgrund der Sicherheitslage sind Ausgrabungen dort heute nicht zu verant-

    worten, erklrt Dr. Walter Kuntner vom Fach-bereich Vorderasiatische Archologie am Institut fr Alte Geschichte und Altorientalistik. Seit 2004 arbeiten die Innsbrucker nun in Aramus im heu-tigen Armenien. Sdlich des heutigen Dorfs Ara-mus befindet sich eine antike Festung aus dem ersten Jahrtausend vor Christus. Diese Festung ist nicht zuletzt deshalb interessant, weil an ihr Wechselbeziehungen zwischen dem urartischen Reich und der lokalen Bevlkerung nachvollzo-gen werden knnen.

    Urartisches reichUrartu war im ersten Jahrtausend vor Christus eine Gromacht im heutigen Ostanatolien und in Teilen Transkaukasiens, geriet danach aber weit-

    TITELTHEMA

    Fotos: Andreas Friedle (1),VA Innsbruck (3)

    an der Wiege der HocHkulturen

    Innsbrucker Archologinnen und Archologen graben seit ber 30 Jahren im Nahen Osten. Dabei kooperieren sie eng mit lokalen Universitten und bringen diese auch untereinander in Kontakt.

    sandra heinsch und Walter Kuntner: Das urartische reich erstreckte sich ber

    das Gebiet mehrerer staaten, zwischen denen es heute leider viel politisches Konfliktpotenzial gibt. auf

    internationalen Konferenzen zu Urartu kommen aber

    doch Wissenschaftler dieser Lnder zusammen und

    kooperieren.

  • zukunft forschung 0114 15

    TITELTHEMA

    1: studierende bei den ausgrabungen in aramus im heutigen armenien2: replik einer altbabylo-nischen (1. hlfte 2. Jt. v. chr.) Keilschrifttontafel mit mathematischen Lehrstzen aus tell harmal (irak) 3: replik einer Bauinschrift des sumerischen Knigs Ur-nammu (ende 3. Jt. v. chr.). Diese zwei dreidimensio-nalen Darstellungen sind Beispiele fr die Kooperation der archologen mit dem Forschungsschwerpunkt scientific computing der Universitt.

    grabungsarbeit

    gehend in Vergessenheit. Erst im 19. Jahrhundert widmeten sich Forscher, basierend auf antiken Quellen, wieder diesem Knigreich, besonders auch an der Universitt Innsbruck. Die Funde in Aramus zeigen, dass Urartu als Kollaborati-onskultur bezeichnet werden knnte: Die loka-len und urartischen Kulturmerkmale treten ge-meinsam auf, sodass darauf geschlossen werden kann, dass lokale Gruppen die Expansionspolitik Urartus untersttzten, sagt Ass.-Prof. Sandra Heinsch, die die Ausgrabungen gemeinsam mit Walter Kuntner leitet. Aramus war zwischen dem achten und dem vierten Jahrhundert vor Christus durchgehend besiedelt. Das Ende des urartischen Reichs wird in die Mitte des siebten Jahrhunderts vor Christus datiert, doch fehlt in Aramus bislang der Nachweis einer dazugeh-renden Zerstrungsschicht, was wiederum fr Kontinuitt spricht, sagt Walter Kuntner. Die urartischen Kulturmerkmale werden nur lang-sam aufgegeben. Diese Funde helfen uns, unser politisches Verstndnis des urartischen Reichs aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten als bisher, wo hauptschlich die militrische Organisation im Mittelpunkt steht, beschreibt Sandra Heinsch. Auch in anderen urartischen Festungen haben Forscher hnliche Spuren ge-funden, bisher allerdings nicht in einen breiteren Kontext gesetzt dazu wollen wir nun beitra-gen, sagt Walter Kuntner.

    Ein weiterer Ausgrabungsort, an dem die Inns-brucker Forscherinnen und Forscher ttig sind, ist seit 2010 Khovle Gora in Georgien. Khovle Go-ra ist etwa 180 Kilometer Luftlinie von Aramus entfernt, zeigt aber erstaunliche Parallelen, sagt Sandra Heinsch. Khovle Gora ist ein Schlssel-fundort fr die Periodisierung der Keramiktypo-logie der Sptbronze- und Eisenzeit. Die Siedlung Khovle Gora wird im achten vorchristlichen Jahr-hundert befestigt und ist bis ins dritten Jahrhun-dert vor Christus bewohnt. Durch die Parallelen zu Aramus hoffen die Forscher, die eisenzeitlichen Periodisierungsschemata anzugleichen.

    Kooperation & VerstnDiGUnGDie Innsbrucker Forscherinnen und Forscher ko-operieren fr ihre Ausgrabungen eng mit lokalen Wissenschaftlern. In Armenien arbeiten wir mit Experten der Universitt Yerevan und der Arme-nischen Akademie der Wissenschaften zusammen, in Georgien sind Forscherinnen und Forscher der Universitt Tiflis unsere Partner, sagt Sandra Heinsch. Die Innsbrucker Wissenschaftler nut-zen die Ausgrabungen auch fr die Lehre: Jedes Jahr haben etwa vierzig Studierende die Gelegen-heit, fr rund einen Monat in Khovle Gora oder

    Aramus zu graben und so praktische Erfahrung zu sammeln. Fr die Studierenden ist das eine gute Gelegenheit, in die Archologie zu schnup-pern. Sie lernen so, Funde zu interpretieren und zuzuordnen, auerdem natrlich das Handwerk des Grabens als solches, erklrt Sandra Heinsch. Dieses Angebot wird regelmig auch von Studie-renden von auerhalb der Universitt Innsbruck genutzt, zudem steht die gleiche Anzahl an Plt-zen auch stets fr Studierende der Partner-Uni-versitten im jeweiligen Land zur Verfgung. Im Rahmen dieser archologischen Schule werden auch Vertreter der Partneruniversitten sowie in-ternationale Expertinnen und Experten im Unter-richt eingebunden, sagt die Forscherin.

    Und nicht zuletzt bieten die Ausgrabungen auch einen Anlass zu internationaler Vernetzung. Das urartische Reich war riesig und erstreckte sich ber das Gebiet mehrerer Staaten, zwischen denen es heute leider viel politisches Konfliktpo-tenzial gibt. Auf internationalen Konferenzen zu Urartu und unseren Ausgrabungen, die wir in Innsbruck ausrichten, kommen aber doch Wis-senschaftler dieser Lnder zusammen und koo-perieren. Da entstehen interessante Verbindungen und auch politische Kontakte, beschreibt Walter Kuntner. Enge Beziehungen unterhalten die Inns-brucker Forscher auch in den Iran, wo im ster-reichischen Kulturforum in Teheran Vortrge und Ausstellungen zu Urartu und den Ausgrabungen stattfinden. Die Innsbrucker Archologinnen und Archologen nutzen auerdem die Mglichkeiten, die die Scientific-Computing-Forschungsplatt-form der Universitt Innsbruck bietet: Wir ben-tigen fr die 3D-Darstellung und deren Berech-nung hohe Rechnerkapazitten. Das kommt uns sehr entgegen, sagt Sandra Heinsch. sh

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    TITELTHEMA

    Fotos: Andreas Friedle (1), Andreas Landmann (1)

    Andere Lnder, Anderes VerhALten?

    Mit verhaltenskonomischen Experimenten untersuchte Bjrn Vollan, warum in China de-mokratisch gewhlte Regeln nicht so gut funktionieren und welchen Einfluss Versicherungen

    und politische mter auf die Solidaritt der Menschen auf den Philippinen haben.

    In China fhren vorgegebene Regeln zu mehr Kooperation als demokratisch gewhlte. Zu diesem Ergebnis kam Dr. Bjrn Vollan, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut fr Finanzwissenschaft, bei sei-nen spieltheoretischen Untersuchungen zu Autorittsnormen und Kooperation in der Region Peking. Natrlich kann man die Er-gebnisse der Experimente nicht direkt auf das ganze Land bertragen, sie unterschei-den sich aber klar zu vergleichbaren Expe-rimenten im europischen und anglo-ame-rikanischen Raum, erklrt der Volkswirt.

    Bei seinem Standard-Experiment der Spieltheorie wurde den Teilnehmern ein Anfangskapital zugeteilt, von dem sie ei-ne Summe in einen ffentlichen Topf in-vestieren oder behalten konnten. Dieser wurde dann unter allen also auch jenen, die nichts investierten aufgeteilt. Dadurch besteht ein Anreiz, nichts in den Topf zu werfen und darauf zu hoffen, dass es die anderen tun. Durchgefhrt wurde dieses Experiment mit zwei Gruppen: 150 Stu-dierende aus dem Raum Peking und 150 Arbeiterinnen und Arbeiter aus einer chi-nesischen Fabrikstadt. Die Zusammen-setzung der beiden Gruppen war extrem unterschiedlich, innerhalb jeden Samples befanden sich moderne und gebildete Eli-ten aus dem stdtischen Raum und weniger gebildete Fabrikarbeiterinnen und -arbeiter aus lndlichen Regionen, beschreibt Vollan.

    Einer Gruppe von Teilnehmern wurde vorgegeben, welchen Teil ihres Kapitals sie investieren mssen, um einer Bestrafung zu entgehen, eine zweite konnte demokra-tisch whlen, ob die Bestrafung eingefhrt werden sollte. Vergleichbare Experimente zeigten in Europa und Nordamerika deut-lich, dass die Teilnehmer mehr fr die Grup-

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    pe investieren, wenn sie die Bestrafungsre-gel des Spiels demokratisch bestimmen knnen, erklrt Vollan. In China war das Ergebnis allerdings anders: Hier zeigten sich die Teilnehmer wesentlich kooperativer, wenn ihnen die Regel vom Spielleiter vor-gegeben wurde. Nachdem beide Gruppen das spieltheoretische Experiment absolviert hatten, wurden sie mittels Fragebogen zu ihren Werten befragt. In einem Land, in dem die Gruppe mehr zhlt als der Einzelne und Hierarchien sehr ausgeprgt sind das war eine unserer Hypothesen , interessier-te uns, welche Rolle Autorittsnormen fr die Wirkung von demokratischen Regeln fr die Teilnehmer spielt, erklrt Vollan.

    Dabei war das Ergebnis nicht sehr ber-raschend: Die Teilnehmer, die sehr autori-tr denken, kooperierten im Experiment mit demokratisch bestimmten Regeln viel weniger, als wenn dieselbe Regel vorgege-ben wurde. Was uns berraschte, war das Ergebnis, dass Menschen mit starkem Au-torittsdenken auch auf Regeln reagierten, die sie nicht befrworten, so der Volkswirt. Dieses Ergebnis trat in beiden Gruppen zu-tage, auch wenn die Studierenden Autori-ttsnormen weniger Wert beimaen.

    In einem weiteren asiatischen Land den Philippinen untersuchte Bjrn Vollan die Auswirkungen verschiedener Faktoren auf die Solidaritt der Menschen. Auf den Phi-lippinen ereignen sich hufig Naturkatastro-phen, die die Ernte und damit das gesamte Vermgen zerstren knnen. Die Deutsche Gesellschaft fr Entwicklungszusammen-arbeit plante, den Menschen vor Ort soge-nannte Mikro-Versicherungen anzubieten, um die Auswirkungen von Naturkatastro-phen mit geringen Kosten abzufedern. Da aber Solidaritt und die Hilfe untereinander dort eine wesentlich grere Rolle in der

    Gesellschaft spielen als im Westen, sollten die Auswirkungen dieser Versicherungen vorab getestet werden.

    In unserem Experiment ging es darum abzufragen, wie sich diese Versicherungen auf die Solidaritt der Menschen unterei-nander auswirken und ob sie dazu fhren, dass die gegenseitige Untersttzung ab-nimmt, beschreibt der Volkswirt. Auch hier sollte ein spieltheoretisches Experiment Ant-worten liefern. Beim Experiment bildeten jeweils drei befreundete Teilnehmer eine

    Gruppe. Die Naturkatastrophen wurden im Experiment durch Wrfeln simuliert: Bei einer Eins, Zwei oder Drei blieb das Start-kapital gleich. Wrfelten die Teilnehmer eine Vier oder Fnf, verloren sie einen Teil ihres Kapitals. Und wenn sie eine Sechs wrfelten, verloren sie fast alles. Nachdem jeder Teilnehmer aus der Dreiergruppe ge-wrfelt hatte, erfuhren sie ihre jeweiligen Ergebnisse und konnten wieder einzeln und anonym entscheiden, ob und wenn ja mit welcher Summe sie ihre Freunde unter-sttzen, so der Volkswirt.

    In den Vergleichsgruppen fhrten die For-scher dann eine Versicherung ein, mit der sich die Teilnehmer durch einen geringen Einsatz ihres Startkapitals gegen das Wr-feln einer Vier, Fnf oder Sechs versichern konnten. Das Experiment zeigte, dass die Menschen sehr an einer Versicherung inte-

    ressiert waren. Die Versicherungen fhrten unter bestimmten Bedingungen allerdings zu einem Verdrngungseffekt: Die Solida-ritt nahm strker ab, als die Versicherung geholfen hat, so Vollan.

    Politisches Amt verndertIm zweiten Projekt, das der Wissenschaft-ler auf den Philippinen durchgefhrt hat, ging es um die Frage, ob die Ausbung ei-ner politischen Funktion das Verhalten von Menschen verndert. Fr unser Experiment whlten wir Drfer mit knappen Wahler-gebnissen bei lokalen Wahlen und befragten die Kandidaten ein Jahr nach der Wahl, beschreibt Vollan. Bei diesen Wahlen die mit Gemeinderatswahlen vergleichbar sind erhalten die sieben Kandidaten mit den meisten Stimmen ein Mandat.

    Als Teilnehmer fr unser Experiment whlten wir die Siebt- und Achtplatzierten aus Drfern mit sehr knappen Wahlergeb-nissen. Da diese Kandidaten sich kaum unterscheiden beide haben sich fr eine politische Position beworben und beide ha-ben eine hnliche Akzeptanz in der Bevl-kerung eigneten sie sich perfekt dafr, die Auswirkungen des Amtes zu berprfen. Auch wenn eine genaue Datenanalyse noch aussteht, zeigte das Experiment wieder ein Solidarittsexperiment sehr anschau-lich, dass sich die Personen, die nun ein po-litisches Amt innehatten, deutlich sozialer verhielten als die, die das Amt nur knapp verfehlten. Derzeit sind wir gerade dabei herauszufinden, woran genau das liegt, so Vollan. Mgliche Grnde knnten ein Erler-nen der Solidaritt durch hufigere Interakti-on und Kooperation oder auch ein durch das Amt entwickeltes strkeres Verantwortungs-gefhl sein. sr

    TITELTHEMA

    dr. Bjrn vollan, *1976, studierte volks-wirtschaftslehre an der Albert-ludwigs-Uni-versitt Freiburg und promovierte an der Phillips-Universitt marburg. seit 2012 ist er wissenschaftlicher mitarbeiter am institut fr Finanzwissenschaft der Uni inns-bruck. die hier vorgestellten experimente wurden in Forschungsteams und gemein-sam mit dr. Andreas landmann von der Universitt mannheim durchgefhrt.

    der innsbrucker volkswirt Bjrn vollan bei Pre-tests auf den Philippinen.

    zur person

    Menschen mit starkem Autorittsdenken reagierten auch auf regeln, die sie nicht befrworten. Bjrn Vollan

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    TITELThEma

    Fotos: Privat (1), Carole Reckinger (1), iStock (1)

    das neue Gesicht der sklaverei

    Der Kulturwissenschaftler Gilles Reckinger untersucht, was aus den Flchtlingen von Lampedusa wird.

    Wir haben uns gefragt, was mit den Migrantinnen und Migranten, die in Lampedusa ankommen, passiert, erklrt Gilles Reckinger, Experte fr Interkulturelle Kommunikations- und Risikoforschung. Was er in Kalabrien, im Sden Italiens, erfhrt, kann als neues Gesicht der Sklaverei bezeichnet werden. Der Wissenschaftler findet die Flchtlinge in Slums und auf Orangenplantagen, wo sie unter unmenschlichen Bedingungen leben und arbeiten. Reckinger erklrt: Die Men-schen dort sind zwar theoretisch frei, mangels Alternativen sind sie aber an diese Form der Arbeit gebunden. Sie sind eigentlich Gestrandete sie knnen nicht vor und nicht zurck.

    Die Flchtlinge werden nicht sofort abgeschoben, sondern kom-men groteils zuerst nach Italien. Gemeinsam mit seiner Frau, der Ethnologin Diana Reiners, entschloss sich Gilles Reckinger, die Situation vor Ort ethnografisch zu untersuchen. Wir haben in Lampedusa gelernt, dass vieles vllig anderes ist, als es medial dargestellt wird, erklrt der Wissenschaftler die Anfnge seiner Forschung in Kalabrien. Auf den Orangenplantagen in der Ebene von Gioia Tauro arbeiten viele Flchtlinge als saisonale Erntehel-fer. Am tglichen Arbeitsstrich versuchen sie, einen der Pltze in einem Lieferwagen zu ergattern, der die Arbeiter zum Orangen-

    zur personProf. Gilles Reckinger studierte in Graz Kulturanthropologie, Europische Ethnologie und Soziologie. Nach seiner Disserta-tion in St. Gallen und Forschungsaufenthalten in Genf, Qubec

    und Montreal verbrachte er drei Jahre als selbststndiger Forscher in Luxemburg, bevor er wieder nach sterreich zurck-kehrte. An der Universitt Innsbruck ist er am Institut fr Geschichtswissenschaften und Europische Ethnologie auf einer Stiftungsprofessur der Stiftung Sdtiroler Sparkasse fr interkulturelle Kommunika-tions- und Risikoforschung ttig.

    pflcken auf die Felder bringt. Die Mnner pflcken den ganzen Tag Orangen und verdienen etwa 20 Euro am Tag, erlutert Re-ckinger. Nach der Arbeit werden die Arbeiter in ein Township, mit Unterknften fr etwa 2000 Menschen aus Karton und Pla-stik, zurckgebracht. Permanent gert man an die Grenzen des Ertrglichen. Ich habe zum ersten Mal erlebt, wie Menschen hun-gern das gibt es auch in Europa, schildert der Wissenschaftler. Das Ziel des Forscherteams ist es, den Menschen in Kalabrien ein Gesicht zu geben, ihre Geschichten zu erzhlen und das Problem auch ffentlich anzusprechen, wie man es mit der Website bitter-oranges.com zu tun versucht.

    INtERESSEN PRALLEN AUFEINANDERReckinger weist darauf hin, dass es sich bei den Missstnden in Kalabrien um ein strukturelles Problem handelt. Die Produktions-bedingungen, vor allem in der Landwirtschaft und der Lebens-mittelerzeugung, seien stark von Ausbeutung gekennzeichnet. Es treffen die Effekte des europischen Grenzregimes, des Migrati-onsregimes und der Agrarpolitik aufeinander. Diese unterschied-lichen Ebenen der Politik machen das Arbeiten in diesem beson-ders komplexen Feld sehr schwierig. Gilles Reckinger und Diana Reiners versuchen intensiv, in einen Dialog mit der Politik und den Verantwortlichen zu treten, stoen dabei jedoch auf viel Wider-stand. Das Forschungsteam arbeitet gemeinsam mit der Fotogra-fin Carole Reckinger an einer Fotoausstellung mit Texten, die ein breites Publikum fr das Leben der Migrantinnen und Migranten sensibilisieren soll. dp

    Ein Videointerview mit Gilles Reckinger finden Sie auf: www.uibk.ac.at/forschung/magazin/12/

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    TITELThEma

    international vernetzt

    Die Universitt Innsbruck zhlt zu den zehn Universitten weltweit mit der strksten internationalen Ausrichtung.

    Innsbruck liegt an einer der wichtigen Nord-Sd-Achsen Eu-ropas und war schon in der Geschichte ein bedeutender Kreu-zungspunkt fr Reisende und damit Treffpunkt von Kulturen. So war auch die Universitt Innsbruck traditionell schon Anzie-hungspunkt fr viele Studierende und Forschende aus den Nach-barlndern. Fr Sdtirol, Liechtenstein und Luxemburg nimmt die Alma Mater aufgrund von Bildungsabkommen noch heute eine besondere Stellung ein. Die Universitt hat sich in den ver-gangenen Jahrzehnten darber hinaus stark internationalisiert. Die knapp 28.000 Studierenden kommen aus ber 100 Lndern. Neben den traditionell starken Gruppen aus Deutschland, Italien, Liechtenstein und Luxemburg sind auch Studierende aus fast allen anderen europischen Staaten stark vertreten. Auch aus den USA, dem Nahen Osten und China kommen immer mehr Studierende nach Innsbruck.

    Das gleiche Bild spiegelt sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wider. Auch von ihnen kommt ein groer Teil aus sterreich, Deutschland und Italien. Besonders unter den Wissen-schaftlerinnen und Wissenschaftlern finden sich aber auch viele aus Nord- und Sdamerika, Asien und Afrika. Im Times Higher Education World University Ranking hievt dies die Universitt In-nsbruck im Teilranking International Outlook auf eine Top-Ten-Platzierung. Die Tiroler Hochschule liegt dort gemeinsam mit der

    Australian National University auf dem hervorragenden siebten Platz. Angefhrt wird die Rangliste von den Schweizer ETHs in Lausanne und Zrich sowie der Universitt Genf. Es folgen die National University of Singapore, das Royal Holloway College der University of London und das Imperial College London. Als zweitbeste sterreichische Universitt liegt die Universitt Wien auf Rang 14.

    INtERNAtIoNAL oUtLooKUnter dem Titel International Outlook versammelt Times Higher Education drei Indikatoren fr die internationale Ausrichtung ei-ner Universitt: die internationale Vielfalt unter den Studierenden, den Anteil der auslndischen Lehrenden und Forschenden sowie die Zahl der wissenschaftlichen Publikationen, die gemeinsam mit Co-Autoren an auslndischen Forschungseinrichtungen verffent-licht wurden. Im letztgenannten Indikator hat sich die Universitt Innsbruck in den vergangenen Jahr stetig verbessert. Von den im Web of Science erfassten wissenschaftlichen Arbeiten werden in-zwischen knapp drei Viertel gemeinsam mit internationalen Co-Autorinnen und Co-Autoren verffentlicht. Vor zehn Jahren lag dieser Wert noch unter 50 Prozent. Dies unterstreicht einmal mehr die ausgezeichnete internationale Vernetzung der Inns brucker Wis-senschaftlerinnen und Wissenschaftler. cf

  • zukunft forschung 011020

    Forschen in Polargebieten ist ein Privileg, ein groes Abenteuer in einer schier unerschpflichen Forschungslandschaft, sagt Birgit Sattler. Sie untersucht dort Kleinstlebewesen, die im Eis berleben und auch auf vernderliche klimatische Prozesse reagieren knnen. In den ausgesetzten Gebieten der Arktis und der Antarktis erhalten wir klarere Signale als im Alpenraum, sagt die Biologin. Die Alpen sind durch die harten Lebens-bedingungen teilweise vergleichbar, die Ergebnisse hier jedoch durch den unmittelbaren Einfluss des Menschen schwerer zu interpretieren. In dieser scheinbaren Lebensfeindlichkeit mit tiefen Temperaturen, Nhrstoffknappheit und kaum flssigem Wasser finden die Forscher Leben, das den Menschen an Anpassungsstrategien bertreffen kann. Die Klteschutzanpassungen der hauptschlich mikrobiellen Lebensgemeinschaften sind zum Teil bereits gut erforscht und finden auch Einzug in der Biotechnologie, sagt Sattler.

    Das monatelange Leben im Zelt verlangt den Forscherinnen und Forschern neben der Arbeit in Eis und Schnee auch im Alltag manches an Be-scheidenheit ab. Neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen werden andere Fhigkeiten trainiert, wie etwa der soziale Umgang unter extremen Bedingungen, Improvisationsbereitschaft sowie Flexibilitt. Denn unberechenbare Wetterbedingungen bestimmen den Tages- und Projektablauf. Die Eindrcke sind allerdings unvergleichbar und es bleibt eine Ehrfurcht vor diesen sensiblen kosystemen, zeigt sich Birgit Sattler begeistert. Die polare Forschung an der Uni Innsbruck ist auf Einladungen und internationale Kooperationen angewiesen, da sterreich keine eigene Sta-tion betreibt. Jedoch existiert seit 2013 das Austrian Polar Research Institute (www.polarresearch.at).

    FORSCHEN AN DEN POLEN

  • zukunft forschung 0114 21

    IM ZooM

    Forscher der TAWANI Antarctic Expedition entnehmen einen Sedi-mentkern aus dem Untersee, welcher in den 1930er Jahren von einer deutschen Forschungsgruppe ent-deckt und benannt wurde. Aus den Sedimenten lassen sich Rckschlsse ber das Klima in der Vergangen-heit ziehen. Dieselben Wissenschaft-ler unternahmen auch Tauchgnge zur Entnahme von Stromatolithen.

    Die Gletscherschmelze ist auch in der Arktis zu spren seit ber 100 Jahren kalben kleinere Gletscher nicht mehr in die Fjorde von Spitzbergen. Stattdessen bilden sich ausgeprgte Gletschervorfelder aus, die langsam mit Fauna und Flora besiedelt werden. Ein ehemaliges Kohlenminendorf bietet eine per-fekte Plattform fr die internationale Forschung.

    Die Fortbewegungsmittel in der Antarktis sind gewhnungsbedrftig: Auf Schneemobilen mit angehngten Schlitten fr das Gepck werden in der Eiswste weite Distanzen zurck-gelegt vorausgesetzt, die Flche ist frei von Gletscherspalten. Das Eis fhlt sich durch die permanenten Scherkrfte des Windes wie kleine gefrorene Wellen an.Foto

    s: Bir

    git S

    attler

  • zukunft forschung 011422

    Standort tirol

    Ich bIn optImIstIschWissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner will 2015 zum Jahr der Forschung

    machen, fordert von den Universitten die third mission ein und stellt den Abriss der Alten Chemie sowie das Haus der Physik in Aussicht.

    Zukunft: Noch im Februar sahen Sie fr Wissenschaft und For-schung einen zustzlichen Finanzbedarf von 1,6 Milliarden Euro bis 2018, eine Forderung, die sich im kommenden Bundesbudget nicht widerspiegelt. REInHOLD MIttERLEHnER: Die budgetre Vorgangsweise ist kein Indikator fr den inhaltlichen Stellenwert der Universitten. In einem ersten Schritt haben wir, neben anderen Manahmen, vor allem 365 Millionen zustzlich fr die Spitzenforschung gesichert. Beim FWF und der AW gab es, im Gegensatz zu den Universi-tten, deren aktuelle Leistungsvereinbarungen noch bis 2015 lau-fen, dringenden Handlungsbedarf, weil das Absetzen langfristiger Frderprogramme und die Kndigung von rund 150 Wissenschaft-lern im Raum stand. Zukunft: Was bedeutet dies fr die Universitten, vor allem fr die Leistunsgvereinbarungen 2016 bis 2018? MIttERLEHnER: Die nchste Leistungsvereinbarungsperiode der Universitten fr die Jahre 2016, 2017 und 2018 ist in Vorbereitung.

    In dem Zusammenhang war es auch bei den vorangehenden Lei-stungsvereinbarungen so, dass erst gegen Jahresende der zur Ver-fgung stehende Betrag seitens des Finanzministeriums dargestellt wurde und dann im Finanzrahmen die entsprechende Abbildung gefunden hat. Daher unterscheiden wir uns auch in diesem Jahr nicht von den Vorgangsweisen frherer Jahre. Natrlich wird es da-rum gehen, dass wir nicht nur die finanzielle Geldentwertung ab-gleichen, sondern dass wir auch noch strker wettbewerbsorientierte Vergabekomponenten in die Leistungsbudgets aufnehmen, wie etwa die Kriterien Kooperation, Internationalisierung oder Profilbildung. Daher wird sich an der Grundausrichtung, einerseits ein Basisbudget und andererseits Hochschulraumstrukturmittel zur Verfgung zu haben, nichts ndern. Ich bin angesichts einer positiv verlaufenden Konjunktur optimistisch, dass wir auch eine gute Budgetausstattung fr die kommende Leistungsvereinbarung erreichen werden.Zukunft: Das Meinungsforschungsinstitut Spectra fragt regel-mig die wichtigsten sterreicherinnen und sterreicher ab,

    Fotos: Thule G. Jug (1), Jakob Glaser (1)

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    Standort tirol

    Forscher befinden sich dabei nie unter den Top 20. Ist der heimischen Bevlkerung For-schung wurst?MIttERLEHnER: Wir wissen aus einer Studie, die wir im Vorjahr gemacht haben, dass die groe Mehrheit der Bevlkerung den Stel-lenwert von Wissenschaft und Forschung fr die gesellschaftliche und wirtschaftliche Ent-wicklung sehr hoch einschtzt. Ein knappes Drittel der Befragten kann spontan ohne vorgegebene Antwortmglichkeiten Spit-zenleistungen der sterreichischen Wissen-schaft und Forschung, auf die man stolz sein kann, nennen. Das ist ein beachtlicher Wert. Auch wenn man sich ansieht, wie gro das Publikumsinteresse bei der Langen Nacht der Forschung oder bei den Kinderuniversitten ist, kann man kein Desinteresse erkennen. Warum die Bekanntheit der einzelnen Wissenschaftler nicht hher ist, hngt vielleicht auch damit zusammen, dass die sogenannte third mission von Universitten und Forschungseinrichtungen in der Praxis noch nicht gut genug gelebt wird. Hinter diesem Be-griff steht die Verpflichtung, auch Leistungen gegenber der Ge-sellschaft transparenter und verstndlicher darzustellen und in den Mittelpunkt zu rcken. Durch die aktive Einbindung steigen auch die Akzeptanz und das Ansehen in der Bevlkerung und diese breite Untersttzung ist notwendig, um den Wissenschafts- und Forschungsstandort gemeinsam weiterzuentwickeln.Zukunft: Wie kann die Politik den Stellenwert von Forschung, Bildung und Innovation in der ffentlichkeit erhhen?MIttERLEHnER: Wir untersttzen zahlreiche Programme, wie die Lange Nacht der Forschung, die Kinderuni-versitten, Nachwuchsforschungsprogramme wie etwa Sparkling Science oder auch die Wahl zum Wissenschaftsbuch des Jahres, die Interesse und Lust auf Wissenschaft erzeugen sollen. Zudem wollen wir 2015 bewusst zum Jahr der Forschung ausrufen, um die zahl-reichen Leistungen unserer Hochschulen und Forschungseinrichtungen vor den Vorhang zu holen. Zustzlich werden wir auch in der kommenden Leistungsvereinbarung darauf achten, dass die third mission und der Dialog der Wissenschaft mit der Bevlkerung gestrkt werden. Gerade die Grand Challenges der EU verdeutli-chen, welche Rolle die Forschung bei der Aufarbeitung wichtiger Fragestellungen leisten kann, wie etwa CO2-Problematik oder de-mografische Entwicklung oder auch Ernhrungssicherheit. Hier muss es allen Beteiligten gemeinsam gelingen, diese Leistungen erleb- und begreifbar zu machen. Bei den Budgetverhandlungen ist es der Community im Wissenschafts- und Forschungsbereich mit ber 50.000 Unterschriften fr ihre Petition durchaus gelungen, bei den verantwortlichen Entscheidungstrgern eine entsprechende Meinungsnderung fr eine bessere Dotierung von Wissenschaft und Forschung zu erreichen.Zukunft: Wie beurteilen Sie den Stellenwert der Universitt Innsbruck und des Forschungsstandorts Tirol in sterreich und international?

    MIttERLEHnER: Die Hochschulen, vor allem die Universitt Inns-bruck, leisten hervorragende Arbeit, nicht umsonst ist Tirol die dritt-strkste Forschungsregion in sterreich mit einer Forschungsquote von rund 2,8 Prozent. Neben dem hohen politischen Commitment ist es vor allem die gute Institutions- und disziplinenbergreifende Kooperation, die den Standort prgt. Nicht zuletzt durch die enge Zusammenarbeit mit der AW ist die Grundlagenforschung an der Uni Innsbruck sehr stark ausgeprgt und bei der Internationalitt, sowohl beim wissenschaftlichen Personal als auch bei den Studie-renden, liegt man sehr gut. Zukunft: In Innsbruck wird seit Jahren ber das Haus der Physik diskutiert. Wie ist der derzeitigen Stand der Diskussion bzw. wie konkret eine Realisierung?MIttERLEHnER: Durch eine gemeinsame Initiative von Universitt Innsbruck und BMWFW wird nun der in Aussicht genommene Bau-

    platz vorbereitet. Dafr ist der entsprechende Bereich der Bauingenieur-Labors zu adap-tieren bzw. umzusiedeln. Weiters sind noch Grundstckstransaktionen mit den Nachbarn vorzunehmen, um einen optimalen Bauplatz zu schaffen. Abschlieend sind die bau- und raumordnungsrechtlichen Rahmenbedin-gungen mit der Stadt Innsbruck festzulegen. Wenn alle diese notwendigen Vorbereitungs-manahmen abgeschlossen sind, wird mit der

    Planung des Hauses der Physik begonnen, um einen optimalen und zeitgemen Bau fr die Physiker sicherzustellen.Zukunft: Leer steht dafr die alte Chemie. Die Institute und Mitarbeiter sind in das CCB-Gebude bersiedelt, die Gerte wur-den abgebaut, die Dekontaminierung der verstrahlten Gebudeteile luft. Wie schaut die Zukunft des Gebudes aus?MIttERLEHnER: Durch den Strahlenstrfall hat sich der gesamte Zeitplan leider deutlich nach hinten verschoben. Nun erfolgt als er-ster Schritt die fachkundige Dekontaminierung, die unter der Feder-fhrung der BIG derzeit durchgefhrt wird. Sobald die behrdlichen Freigaben vorliegen, kann mit dem Abriss der alten Chemie begon-nen werden. Nach Sicherstellung der Finanzierung knnte dann aus unserer Sicht mit der Realisierung des Ersatzneubaus an dieser Stelle begonnen werden. Dieses neue Bauprojekt htte den Vorteil, dass es die Zusammenfhrung der derzeit in Innsbruck verstreut situierten Institute am Hauptcampus ermglichen wrde. ah

    Reinhold Mitterlehner (* 1955 Helfenberg/O) schloss sein Studium der Rechtswissenschaften an der universitt Linz mit dem Doktorat ab, zustzlich absolvierte er einen Post-Gradua-te-Lehrgang fr Verbandsmanagement in fribourg. Von 1980 bis 1992 war er bei der Wirtschaftskammer Obersterreich ttig, von 1992 bis 2000 Generalsekretr des sterreichi-schen Wirtschaftsbunds, 2000 bis 2008 Generalsekretr-Stellvertreter der Wirtschaftskammer sterreich. Von 2000 bis 2008 war Mitterlehner Mitglied des nationalrats, seit 2008 ist er sterreichischer Bundesminister, zuerst fr Wirtschaft und Arbeit (20082009), dann fr Wirtschaft, familie und Jugend (20092014). Seit Mrz 2014 ist er Bundesminister fr Wis-senschaft, forschung und Wirtschaft.

    Die groe mehrheit der bevlkerung schtzt den stellenwert von Forschung und Wissenschaft sehr hoch ein. Reinhold mitterlehner

    zuR peRson

  • zukunft forschung 011424

    patente & spin-offs

    Virtuelle landschaften

    Mit dem von Laserdata entwickelten Laserdaten-Infor-mationssystem (LIS) knnen Laserscanning-Daten ein-fach verwaltet, analysiert und dargestellt werden. Die 3D-Geo-Daten selbst werden vom Laserscanner flugzeuggesttzt, mobil per Fahrzeug, Eisenbahnwagon oder Schiff sowie terre-strisch per Stativ erhoben. Wichtige Kunden von Laserdata sind Verwaltungseinrichtungen von Bund, Lndern und Stdten, die Laserscanning-Befliegungen in Auftrag geben und ein geeignetes Verwaltungs- und Auswertewerkzeug bentigen. Aber auch pri-vate Unternehmen aus dem Bereich der Laserdatenaufnahme, des Ingenieurwesens sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verwenden das Programm.

    Neben der Software bietet Laserdata die Verwaltung und Ana-lyse von Laserscanning-Daten auch als Dienstleistung an. Wer nicht ber die notwendige Infrastruktur oder das Personal zur Auswertung der Daten verfgt, kann das bei uns machen, sagt Frederic Petrini-Monteferri, Geschftsfhrer der Laserdata GmbH. Als eines der zentralen Dienstleistungsfelder hat sich in den ver-gangenen Jahren die Berechnung des Solarpotenzials auf Basis von Laserscanning-Daten entwickelt. Wir stellen Gemeinden, Stdten und Regionen diese Daten fr ihre energiewirtschaftlichen Pla-nungen zur Verfgung. Entsprechende aktuelle Projekte fr Tirol, Salzburg und Krnten sind derzeit in Bearbeitung und umfassen mehr als 26.000 km. Ein Gutteil davon ist bereits in den GIS-Web-portalen der Lnder verfgbar. Ein Weltnovum gelang Laserdata in Zusammenarbeit mit Steps F&E OG im Rahmen einer Machbar-keitsstudie zur Berechnung von groflchigen Fassadensolarpoten-zialen, gefrdert vom Land Tirol. Fr das Magistrat der Stadt Wien

    konnte darauf aufbauend 2014 der weltweit erste, mehr als 160.000 Gebude umfassende Solarkataster fr Dach und Fassade erstellt werden. Auf Basis des Katasters kann fr jede Fassade und jedes Dach in der Stadt ermittelt werden, wie hoch die solare Einstrah-lung ist, wie lange die Sonne scheint und wo eine Nutzung durch Photovoltaik oder Solarthermie lohnt.

    Die Laserdata-Software wird aber auch fr forstwirtschaftliche Auswertungen von den schweizerischen Kantonen Bern und Wal-lis sowie vom Nationalen Waldzentrum der Slowakei genutzt. Das steirische Forschungsunternehmen Joanneum Research verwen-det die Software fr die Modellierung von Steinschlag und Muren auf Basis hoch aufgelster Gelndemodelle. Ein ganz aktuelles Dienstleistungsprojekt umfasst die Ableitung von Vektorgebu-demodellen aus Laserscanning-Punktwolken und wird derzeit fr den Dauersiedlungsraum in Tirol durchgefhrt, sagt Petrini-Monteferri.

    Laserdata ist auch stark in der Forschung und Entwicklung enga-giert, um neue Anwendungsfelder im Bereich des Laserscannings zu erschlieen. Dabei arbeitet es eng mit dem alpS Centre for Climate Change Adaptation und Instituten der Uni Innsbruck zusammen. Neues Potenzial sehen wir im Bereich des Umweltmonitoring durch die Auswertung multi-temporaler Laserdaten und die Kombi-nation mit Bild- oder Radardaten, sagt Frederic Petrini-Monteferri. So werten wir derzeit die Stabilitt von Hngen zum Schutz von Verkehrsinfrastruktur in Norwegen aus. Durch Vertriebspartner-schaften baut Laserdata derzeit seinen Markt international aus. Die Universitt Innsbruck ist ber die Unternehmensbeteiligungsgesell-schaft mbH an dem Spin-off-Unternehmen beteiligt. cf

    Fotos: Laserdata (2), Uni Innsbruck (1), istockphoto.com/alexsl (1)

    Das Spin-off-Unternehmen Laserdata GmbH entwickelt Software fr die Verwaltung und Auswertung von Laserscanning-Daten.

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    patente & spin-offs

    faceliftinGIn vorgefertigten Fassadenelementen fr die thermische

    Sanierung von Altbauten knnten bald auch Wrmepumpen und Lftungsgerte integriert sein.

    Mi t v o rg e f e r t i g -ten Fassadenele-menten lassen sich Altbauten mit relativ wenig Aufwand sanieren. Forscher um Wolfgang Streicher und Wolfgang Feist vom Arbeits-bereich Energieeffizientes Bauen am Institut fr Kon-struktion und Materialwis-senschaften gehen nun ge-meinsam mit 24 Partner aus Industrie und Wissenschaft der Idee nach, Mikro-Wrme-pumpen und Lftungsgerte direkt in diese Fassadenele-mente zu integrieren und den Platz fr die Wrmerckge-winnung zu nutzen.

    Das Ganze soll einen Um-fang von 60 mal 60 Zentime-ter haben und nicht mehr als 25 Zentimeter tief sein, sagt Projektmitarbeiter Fabian Ochs, der seit viereinhalb Jah-ren an der Uni Innsbruck ar-beitet. Die technische Lsung soll darber hinaus auch sehr kostengnstig ausfallen. Die Wrmepumpe wird gemein-sam mit Siko Solar in Jenbach entwickelt, das Lftungsgert liefert ein Krntner Unterneh-men. Die neu entwickelten Fassadenmodule werden von der schwbischen Firma Gumpp & Maier gebaut. Ge-testet und vermessen werden

    die neuen Module am Cam-pus Technik der Universitt Innsbruck, wo die Entwick-lung auch mithilfe von Si-mulationen untersttzt wird. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Fassadenelemente zum Test an Gebuden montiert werden. Der Bedarf an Primr-energie soll mit diesem neuen Ansatz auch bei sanierten Alt-bauten gegen null gehen. Die Fassadenelemente dmmen das Gebude auf Passivhaus-Standard und die Wrme-pumpen nutzen die Energie in der Abluft. Die Forscher und Unternehmen wollen mit den industriell vorgefertigten Fas-saden fertige Renovierungs-kits anbieten. Von der Bau-industrie eingesetzt werden diese Technologien nur, wenn sie wirkungsvoll, zuverlssig und kostengnstig sind, sagt Ochs. Die Entwicklung wird von der Europischen Union im Rahmen des Projekts iN-SPiRe finanziell untersttzt. Projektkoordinator ist die EU-RAC in Bozen. Auf den Markt kommen knnte das Bauka-stensystem bereits 2016.

    it-Qualitt & -sicherheit

    Nach einer hervorragend verlau-fenen Evaluierung der ersten Projektphase durch eine internationa-le Jury startet das QE LaB nun in die zweite Phase. Bei der Begutachtung wurden neben wissenschaftlichen Leistungen auch die Marktrelevanz und Management-Aspekte beurteilt. Das am Institut fr Informatik der Universitt Innsbruck angesiedelte und von Prof. Ruth Breu geleitete Lau-ra Bassi Centre of Expertise fr Quali-ty Engineering wurde 2009 gegrndet und wird vom Wirtschaftsministeri-um gefrdert. Es bearbeitet das immer wichtiger werdende Thema der Quali-tt und Sicherheit von vernetzten, ko-operativen IT-Systemen der neuen Ge-neration, zum Beispiel die verstrkte Automation im Qualittsmanagement und aufgabenorientierte Schnittstellen fr die beteiligten Akteure.

    Dabei arbeiten die Forscherinnen und Forscher um Ruth Breu eng mit Unternehmen zusammen. Die bei-den Tiroler Partner sind ITH icoserve und AVC. Mit Infineon ist auch ein globaler Player der Halbleiterindu-strie und eines der sterreichischen Leitunternehmen mit an Bord. Die beiden international agierenden Part-nerunternehmen Swiss Life und Por-sche Informatik entwickeln komplexe, langlebige und qualitativ hochwer-tige Softwaresysteme, einerseits fr das Management von Lebensversi-cherungen und andererseits fr die Hndler des VW-Konzerns.

    Als Spin-off des Forschungsinstituts STI Innsbruck 2007 gegrndet, ist die Seekda GmbH weiter auf Expansionskurs. Mit einer umfassenden Internetvertriebslsung fr Hoteliers und Zimmervermieter hat das Unternehmen eine interessante Marktlcke gefunden. Hoteliers und Zimmervermieter kn-nen mit dem intelligenten IT-Produkt sowohl den Direktverkauf von Hotelzimmern auf der eigenen Homepage als auch die Verwaltung von nahezu unbegrenzt vielen Buchungsplattformen gleich-zeitig ber ein einziges Interface verwalten. An den Standorten Wien, Innsbruck und Waterloo, Ontario, beschftigt das Spin-off-Unternehmen inzwischen 42 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Im Vorjahr wurde Seekda von einem kanadischen Investor bernommen und erhielt so auch Zugang auf den nordamerikanischen Markt. Inzwischen zhlt der IT-Dienstleister ber 5000 Hotels zu seinen Kunden und erwirtschaftet einen Umsatz von fnf Millionen Euro.

    sti-sPin-Off eXPandiert

    Fassadentestmodul am Campus Technik der Universitt Innsbruck

  • zukunft forschung 011426

    MatheMatik

    Fotos: Andreas Friedle (1), Hermann Mena (3)

    Drogen, HerbiziDe unD MatHeMatik

    Ein Unkrautvernichtungsmittel verursacht in Sdamerika einen Streit zwischen Ecuador und Kolumbien. Der Innsbrucker Forscher

    Hermann Mena schreitet mathematisch ein.

    Einen Auftrag der etwas anderen Art er-hielten der Innsbrucker Wissenschaftler Hermann Mena, PhD und Prof. Peter Benner vom Max-Planck-Institut fr Dynamik komplexer technischer Systeme in Magdeburg. Hingegen ihrem mathematischen Alltag standen Drogenanbau, Herbizide und Grenzverletzungen in Sdamerika auf ihrem Forschungsplan.

    Um illegale Kokapflanzen zu zerstren, ver-sprhten Flugzeuge in Kolumbien bis 2006 Gly-phosat, ein weltweit hufig verwendetes Mittel zur Unkrautvernichtung, weswegen es wiederholt zu Spannungen zwischen Ecuador und Kolum-bien kam. Die Angst, dass sich das Herbizid auch ber Kolumbiens Grenzen hinweg ausbreiten und Schaden verursachen knnte, wurde von der Poli-tik sowie den Einwohnerinnen und Einwohnern von Ecuador geteilt. Glyphosat ist ein besonders starkes Herbizid, das nicht nur die Kokapflanzen, sondern alles vernichtet, was es berhrt, erklrt Mena. Aufgrund gesundheitlicher Beschwerden der an der Grenze lebenden Einwohner unter-zeichneten Kolumbien und Ecuador ein Abkom-men, das die Verbreitung von Glyphosat auf zehn Kilometer zur Landesgrenze untersagt. Augen-zeugenberichten zufolge soll der Vertrag so nicht

    zur personHermann Mena promovierte im Jahr 2007 als erster Mathematiker in Ecuador. Nach einer Postdoc-Stelle an der Universitt Chemnitz kehrte er als Auerordentlicher Professor in seine Heimat zurck. Mena lernte und lehrte an vielen internationalen Universitten, so wurde er etwa als erster Wissenschaftler aus Ecuador eingeladen, am Massachusetts Institute of Technology zu unterrichten. Seit 2013 arbeitet Mena an der Uni Innsbruck. Seine Forschungsinteressen gelten der Optimierung von weitlufigen Kontrollproblemen, wie der Berechnungen von berflu-tungen, numerischen Analysen und Simulationen, Visualisierungen und Bildgebungen, Matrix-Gleichungen, parallelen und verteilten Systeme sowie der Modellierung von Unsicherheit und Vagheit in der konomie.

  • zukunft forschung 0114 27

    eingehalten worden sein, wei der Mathematiker: Die Einwohnerinnen und Einwohner gaben im-mer hufiger an, die Flugzeuge selbst gesehen zu haben. Sie konnten beobachten, dass diese viel zu nahe an der Grenze geflogen sind.

    MATHEMATIK IN dEN ZEUGENSTANd

    Um die bergriffe zu stoppen, reichte Ecuador 2007 eine Klage beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag ein. Da es sich bei Glyphosat um ei-nen Stoff handelt, der binnen weniger Wochen im Boden absorbiert wird und so nicht mehr nach-weisbar ist, konnten die Vorwrfe nur schwer be-sttigt werden. Alternative Herangehensweisen waren daher besonders erwnscht.

    Um die Grenzverletzungen von Kolumbien zu beweisen, bewilligte Ecuador vier Forschungs-projekte, die sich auf unterschiedliche Weise mit dem Herbizid Glyphosat und dessen mglicher Ausbreitung und Folgen auseinandersetzten. Un-tersucht wurden die Auswirkungen des Herbizids auf Menschen, Amphibien, Boden und Pflanzen. Hermann Mena reichte ein Projekt ein, dessen Ziel es war, die Ausbreitung von Glyphosat entlang der Grenze mit Hilfe eines speziell entwickelten Com-puters und mathematischen Berechnungen nume-risch zu simulieren. Eine numerische Simulation war hier der einzige Weg, um eine internationale Auseinandersetzung zwischen beiden Lndern zu verhindern, so Mena.

    Mit den Berechnungen sollte dargestellt wer-den, wie und ob Glyphosat theoretisch auch nach Ecuador gelangen kann, wobei vor allem zwei physikalische Gren bercksichtigt wurden: die Diffusion, eine zufllige Bewegung, und die Kon-vektion, der Transport durch Luftstrmungen. Fr Mathematiker ist diese Art der Modellberechnung keine Besonderheit, denn dafr werden bereits sogenannte Konvektions-Diffusions-Modelle ge-ntzt. Die numerischen Gleichungen solcher Mo-

    Glyphosat gehrt zu der Gruppe der Phosphonate und ist eine der biologischen Hauptkomponenten

    einiger Breitbandherbizide. Unter dem Namen Roundup kam es 1974 auf den Markt und ist das

    weltweit meistverkaufte Unkrautvernichtungsmittel. Glyphosat blockiert ein fr die Proteinsynthese in

    Pflanzen zustndiges Enzym und dringt in alle Be-standteile der Pflanze ein. Im Vergleich zu anderen Herbiziden wird Glyphosat nach krzester Zeit im

    Boden absorbiert und kann daher schon nach weni-gen Wochen nicht mehr nachgewiesen werden.

    glypHosat

    MatheMatik

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    1: Schematische darstellung der Wirbelschleppe hinter dem Flugzeug. durch den Auftrieb entstehen an den Tragflchen Luftwirbel, die die Ausbreitung von Glypho-sat beeinflussen.2: Grenzgebiet zwischen Kolumbien und Ecuador. Ein Abkommen sollte die Verbreitung von Glyphosat nahe der Grenze verbieten.3: Auf der Karte sind die Anbaugebiete von Ko-kapflanzen (blau) und von Schlafmohn (rot) eingezeich-net. die Grenze zu Ecuador verluft im Sdwesten des Landes, wo sich der Anbau konzentriert.

    grenzeinsatz

    delle beschreiben, wie Teilchen durch zufllige Be-wegungen oder durch grorumige Strmungen durcheinanderwirbeln und sich so ausbreiten. Aufbauend auf den internationalen Richtlinien zur Ausbringung von Unkrautvernichtungsmit-teln per Flugzeug, wurden in der Literatur bereits genaue Anleitungen fr diese Art der mathema-tischen Darstellungen verffentlicht. Mena erlu-tert, dass diese Angaben fr seine Arbeit nur be-dingt hilfreich waren: Auch wenn die mathema-tische Berechnung der Verbreitung der Trpfchen Standard ist, so wurde noch nie eine Simulation unter solch schwierigen Bedingungen, wie wir sie an der Grenze vorgefunden haben, angefertigt. Notwendige Angaben wie Hhe und Geschwin-digkeit des Flugzeuges sowie die Konstruktion der Dsen, durch die das Mittel gespritzt wird, wur-den den Wissenschaftlern falsch bermittelt oder gnzlich verwehrt, weshalb sie sich auf Abscht-zungen und Literaturwerte verlassen mussten. Um die enorme Datenmenge, die aus den untersuchten Gebieten resultierte, zu komprimieren, wurden hocheffiziente numerische Methoden angewendet. Trotz der schwierigen Rahmenbedingungen konn-ten die Forscher mit ihren mathematischen Simu-lationen in ausgewhlten Grenzregionen zeigen, wie sich die Streuweite von Glyphosat entwickelt und dass diese weiter reicht, als von Kolumbien angegeben wurde.

    WISSENSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGSHILFE

    Trotz der vagen Aussagen war das Projekt in vie-lerlei Hinsicht erfolgreich. In der Geschichte von Ecuador war es das erste Mal, dass ein Grund-lagenforschungsprojekt finanziert wurde, freut sich Mena. Mit einem Teil der finanziellen Mittel konnte der Mathematiker das erste leistungsf-hige Rechenzentrum fr Simulationen an der Uni-versitt von Quito aufbauen. Hermann Mena freut sich: Dies allein ist schon ein groer Erfolg fr das Land! Aufgrund der starken politischen In-volvierung war das Projekt fr die Wissenschaftler eine Gratwanderung. Der Mathematiker ist stolz: Es ist schn zu sehen, dass mathematische Werk-zeuge helfen, eine soziale und politische Krise zu berwinden. Dass Ecuador die Klage am Interna-tionalen Gerichtshof im Jahr 2013 zurckzog, war fr Mena sehr erfreulich, denn erst jetzt drfen die Ergebnisse der Simulation, wie sie bereits in einem Buch zusammengefasst wurden, publiziert wer-den. Fr den Mathematiker war die Arbeit aber auch auf einer nichtwissenschaftlichen Ebene er-folgreich: Die Aufmerksamkeit fr das Problem an der Grenze wurde verstrkt, und damit werden alle Beteiligten vorsichtiger. dp

  • zukunft forschung 011428

    germanistik

    Fotos: Brenner-Archiv (3), Florian Lechner (1), Andreas Friedle (1)

    Forschen im Literaturarchiv

    Das Brenner-Archiv feiert dieses Jahr sein fnfzigjhriges Bestehen. Als Forschungsinstitut der Universitt leistet es einen wertvollen Beitrag zur Aufarbeitung

    der sterreichischen und der Tiroler Kulturgeschichte.

    Am Anfang stand die Frage: Was soll mit dem Nachlass von Ludwig von Ficker passieren?, sagt Dr. Anton Un-terkircher. Er ist einer von derzeit fnf fest angestellten wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bren-ner-Archivs, das dieses Jahr sein 50-jhriges Bestehen feiert. Die Existenz des Brenner-Archivs in Innsbruck beantwortet diese Ein-gangsfrage: Damals wre naheliegend gewesen, den Bestand der Nationalbibliothek in Wien zu berlassen. Prof. Eugen Thurnher, 1964 am Institut fr Germanistik, setzte sich aber stark dafr ein, den Nachlass in Innsbruck an die Universitt zu geben. Und er hat sich durchgesetzt, die Republik hat den Bestand von Ludwig von Ficker er hat damals noch gelebt gekauft und der Universitt berlassen, erzhlt Unterkircher.

    Damals eines der ersten Literaturarchive im sterreichischen Raum, war das Brenner-Archiv seither auch Vorbild fr mehrere hnliche Grndungen in den anderen Bundeslndern. Heute ist das Brenner-Archiv als literarisches und kulturhistorisches For-schungsinstitut und zugleich als Archiv fest verankert. Zum Nach-lass von Ludwig von Ficker kamen im Lauf der Zeit 232 weitere Sammlungen, Vorlsse und Nachlsse unterschiedlicher Personen hinzu.

    Wachsende ForschungsFelderDer indirekte Archivgrnder Ludwig von Ficker war Herausgeber der Kulturzeitschrift Der Brenner, die zwischen 1910 und 1954 mit einer Unterbrechung in der Zeit des Nationalsozialismus erschien. Sein Nachlass, das Redaktionsarchiv der Zeitschrift, ist Namensgeber des Archivs. Der Brenner kann als eine Art West-Analogie zu Karl Kraus Fackel gesehen werden. Fickers Leistung als Herausgeber bestand darin, schriftstellerische Talente und theo-retische Positionen durch Verffentlichungen in die kulturelle Dis-kussion einzubringen, erklrt Dr. Annette Steinsiek. Sie hat krzlich ein FWF-Projekt zur Schriftstellerin Christine Busta abgeschlossen. Ficker selbst ffnet uns durch seine Korrespondenz mit bekannten Kulturschaffenden immer neue Forschungsfelder, sagt sie. So liegen im Brenner-Archiv unter anderem Briefwechsel zwischen Ficker und Paul Celan, Martin Heidegger, Christine Lavant, Rainer Maria Rilke, Georg Trakl und auch mit Christine Busta. Bustas Nachlass haben im Jahr 2007 ihre Erben dem Brenner-Archiv als Schenkung bergeben.

    Mit wachsenden Forschungsaufgaben begann sich das Archiv vom Institut fr Germanistik zu emanzipieren, auch wenn es nach wie vor eng mit diesem verbunden ist. 1979 wurde das Brenner-Archiv zum eigenstndigen Forschungsinstitut erhoben. Durch

  • zukunft forschung 0114 29

    mglichkeiten zu Georg Trakl auf ein neues Niveau gehoben hat; die Biografie des Sdtiroler Philosophen Carl Dallago und vieles mehr. Mit dem Lexikon Literatur in Tirol und der Literatur-Land-Karte Tirol haben Forscherinnen und Forscher des Archivs auch online frei zugngliche Portale geschaffen, die einen umfassenden berblick ber (nicht nur) die Tiroler Literaturlandschaft bieten. Viele unserer Forschungsprojekte haben in letzter Konsequenz ei-

    ne Verbindung mit dem Brenner und mit Ludwig von Ficker. Nicht zuletzt das zeigt die groe Bedeutung des Brenner fr die Kulturlandschaft des 20. Jahrhunderts, sagt Christine Riccabona. Im Herbst findet in Kooperation mit dem Landestheater eine Veranstaltung zum 60. Todestag des Schrift-stellers und Zeichners Fritz von Herzma-novsky-Orlando statt, dessen Nachlass im

    Brenner-Archiv aufbewahrt wird. Seine Werke wurden in zehn Bn-den in den Jahren 1983 bis 1994 herausgegeben. Ein FWF-Projekt zu Joseph Zoderer ist vor Kurzem bewilligt worden.

    KnFtige herausForderungenDie Materialitt der Nachlsse ndert sich mit den Jahren: Von alten Tonbndern bis hin zu Festplatten der jngeren Generation muss alles der Langzeitarchivierung zugefhrt werden. Eine Aufgabe fr die nchsten Jahre ist sicher der Umgang mit der digitalen Welt: Zum einen geht es da um die Digitalisierung unserer Archivalien, andererseits auch um knftige Nachlsse selbst, da sich die Arbeit einer Schriftstellerin, eines Schriftstellers durch Computer natr-lich verndert hat, sagt Anton Unterkircher. Am 13. Juni findet im Brenner-Archiv eine Tagung zum 50-jhrigen Bestehen des Archivs mit dem Titel Erster Weltkrieg: Attraktion und Trauma statt. Teil dieser Tagung wird auch ein ffentliches Interview mit den beiden bisherigen Leitern des Archivs, Prof. Walter Methlagl (1964 bis 2001) und Prof. Johann Holzner (2001 bis 2013) sein. Die Position des Insti-tutsleiters ist derzeit nur interimistisch besetzt, noch 2014 soll aber der neue Leiter bzw. die neue Leiterin gefunden sein. sh

    diese Umwidmung hat sich der Fokus auf die Forschung verstrkt Forschung ergibt Forschung, buchstblich, indem man im einen Projekt auf Fragen trifft, die einem Folgeprojekt Impulse geben kn-nen, sagt Annette Steinsiek. Der Busta-Nachlass, aus dem sich das Projekt ergeben hat, ist nicht zuletzt deshalb in Innsbruck, weil wir den Kontakt mit den Verwandten wegen eines FWF-Projekts zu Christine Lavant gesucht hatten, ergnzt sie. An die vierbndige Auswahledition der Briefe von und an Lud-wig (von) Ficker (19861996) etwa schliet nun ein FWF-Projekt an, das sich um Voll-stndigkeit der Briefe bemht und die Ver-mittlerttigkeit Fickers darstellen wird.

    Mit ihrer Forschung leisten die Mitar-beiterinnen und Mitarbeiter des Brenner-Archivs auch einen bedeutenden Beitrag zur Aufarbeitung der Kulturgeschichte des Tiroler Raums: In vielen Projekten erffnen sich neue Perspektiven auf die kulturelle berlieferung, und es lassen sich andere Facet-ten gngiger Vergangenheitsbilder zutage frdern, sagt Christine Riccabona, die gemeinsam mit Anton Unterkircher das Lexikon Literatur in Tirol aufgebaut hat und weiterhin betreut. Das Bren-ner-Archiv wird als Literaturarchiv auch von der Tiroler Landes-regierung getragen, als Archiv fr den Tiroler Raum einschlielich Sdtirols. 1997 bersiedelte das Brenner-Archiv an den heutigen Standort in der Josef-Hirn-Strae. Dieser Umzug markiert auch die Grndung des dem Archiv angegliederten Literaturhaus am Inn, das auch fr ffentliche Veranstaltungen des Archivs genutzt wird. Dieser Umzug hat uns deutliche Sichtbarkeit gebracht, und mit dem Literaturhaus kommen wir der Aufgabe, die Ergebnisse unserer Arbeit auch der ffentlichkeit zu vermitteln, besser nach, sagt Anton Unterkircher.

    Im Lauf der Jahre wurden zahlreiche groe Projekte abgeschlos-sen: etwa eine Wittgenstein-Edition, die zu weiteren Arbeiten zu Ludwig Wittgenstein gefhrt hat, darunter eine elektronische Auf-arbeitung des Gesamtbriefwechsels des Philosophen; die histo-risch-kritische Innsbrucker Trakl-Ausgabe, die die Forschungs-

    v.li.: das archiv im Wandel der Zeit: 1964 in Mhlau, heute, im Jahr 1988; ludwig von Ficker; das Brenner-archiv-team: anton unterkircher, annette steinsiek, christine riccabona, erika Wimmer, ursula schneider

    germanistik

    eine aufgabe fr die nchsten Jahre ist sicher der umgang mit der digitalen Welt. anton unterkircher

  • zukunft forschung 011430

    Literaturwissenschaft

    Fotos: Andreas Friedle (1), ESO/C. Malin, christophmalin.com, Innsbruck (1)

    NeulaNd betreteNEin Forscherinnenteam aus sterreich und Rumnien nhert sich auf

    verqueere Weise der rumnischen Nachkriegsliteratur.

    Es mutet etwas eigen an, in Innsbruck das Institut fr Alte Geschichte und Altorientalistik zu besuchen, um ein Ge-sprch ber ein Forschungsprojekt zum Thema Alternati-ve Formen der Sexualitt in der rumnischen Literatur nach 1945 zu fhren. Etwas klarer wird es, wenn die Gesprchspartnerin Kordula Schnegg erzhlt, dass sie sich in ihrer Habilitation mit Literatur und dem Thema Geschlechtertransgression beschftigt. Es geht zwar um eine andere Zeit und um andere Genres, ich versuche aber auch hier, das Tabuisierte zu finden, sagt Schnegg. Und Tabuisiertes finden will in den nchsten zwei Jahren eine in-terdisziplinre und internationale Forscherinnengemeinschaft in der rumnischen Literatur.

    interdisziplinrEs hat mit einer Anfrage unserer Kolleginnen von der Univer-sitt Cluj angefangen. Sie haben sich an Kolleginnen im Innsbru-cker Brenner-Archiv gewandt, ob es nicht die Mglichkeit gbe, in einem gemeinsamen Projekt das Schaffen einer bestimmten Gruppe von rumnischen Schriftstellerinnen und Schriftstellern zu unter-suchen, erinnert sich die Forscherin. Konkret geht es um jenes der sogenannten LGBT Lesbians, Gays, Bisexuals, Transgenders oder Texte, die queere Stoffe, Motive oder Themen aufweisen. Das Ausbrechen aus Konventionen in der Literatur aufzudecken, soll mit dem methodischen Repertoire der Queer Studies erfolgen. Queer Studies, sagt Schnegg, beschftigen sich mit der Frage der Vorstellungen von Geschlecht und des sexuellen Begehrens, sie

    hinterfagen Sexualitt und wie sie konstruiert sind. Und zwar auf interdisziplinrer Ebene. Das Forschungsfeld umfasst Literaturthe-orie, Politikwissenschaft, Geschichtswissenschaft, Soziologie, Philo-sophie und Psychologie und andere wissenschaftliche Disziplinen.

    Von der Anfrage war es nicht weit zur interfakultren For-schungsplattform Geschlechterforschung, der Kordula Schnegg und die Kolleginnen vom Innsbrucker Brenner-Archiv angehren: Auch durch diese Plattform verfgen wir einerseits ber viel und gute Fachliteratur zu Methodologie und Theorie, andererseits ber unterschiedlichste Kompetenzen in diesem Bereich. Gemeinsam stellten die Forscherinnen aus Innsbruck und Cluj dann einen An-trag beim sterreichischen Austauschdienst, der das Projekt geneh-migte. Das ist fr uns Neuland, gibt Schnegg zu. Neuland, das im Mai im Brenner-Archiv nicht nur symbolisch betreten wurde. Das internationale Forscherinnenteam traf sich zum ersten Mal persn-lich, den Auftakt zu einer intensiven Arbeitswoche bildete ein Lite-raturhaus-Abend zu Oskar Pastior. Der rumniendeutsche Lyriker gilt als Vertreter der experimentellen Poesie, seine Homosexualitt wurde erst nach seinem Tod bekannt. Welche bisher unbeachteten Codes Pastior dafr in seiner Fiktion gefunden hatte, soll durch das rumnisch-sterreichische Projekt geklrt werden. ah

    v.li. Ursula Schneider (Forschungsinstitut Brenner-Archiv), Heike Raab (Institut fr Erziehungswissen-schaft), Annette Steinsiek (Brenner-Archiv), Ursula Wittstock (Universitt Cluj/Klausenburg/Kolozsvr), Verena Stross (Universitt Cluj/Klausenburg/Kolozsvr), Kordula Schnegg (Institut fr Alte Geschichte und Altorientalistik), Lucia Gorgoi (Universitt Cluj/Klausenburg/Kolozsvr). Nicht im Bild: Sabine Schrader (Institut fr Romanistik)

    ein interdisziplinres und internationales team untersucht Alternative Formen der sexualitt in der rumnischen literatur nach 1945.

  • zukunft forschung 0114 31

    astrophysik

    tIrOler aStrO-SOFtWare

    Im Auftrag der Europischen Sdsternwarte ESO haben Astrophysiker

    Computer programme entwickelt, mit denen Beobachtungen auf der Erde sehr viel

    effizienter durchgefhrt werden knnen.

    Wenn Astronomen Himmelskrper von der Erde aus be-obachten, ist die Erdatmosphre ihr grter Feind. Um den Einfluss der Luftschichten zu korrigieren, mussten Wissenschaftler bisher weitere Beobachtungen durchfhren und so ihre Messungen kalibrieren. Diese Vorgehensweise hat Nach-teile, weil sich die Atmosphre stndig ndert und zustzliche Be-obachtungszeiten hohe Kosten verursachen. Eine Betriebsstunde am Very Large Telescope auf dem Cerro Paranal in Chile kostet zwischen 7000 und 10.000 Euro, erzhlt Prof. Stefan Kimeswenger vom Institut fr Astro- und Teilchenphysik. Sein Team hat nun im Auftrag der Europischen Sdsternwarte ESO eine Software entwi-ckelt, mit der Beobachtungen nicht nur genauer geplant, sondern auch wesentlich effizienter durchgefhrt werden knnen. Zustz-liche Beobachtungen fr die Kalibrierung sind seither nicht mehr so oft notwendig.

    COMpUterMOdelleDie neuen Programme basieren auf physikalischen Computermo-dellen der Atmosphre, die die Wechselwirkung des Lichts mit den Moleklen oder Aerosolpartikeln in der Luft bercksichtigen. Auch werden computergesttzte Verfahren eingesetzt, um diese Modelle und andere Referenzdaten an die beobachteten Daten der Himmelsobjekte anzupassen. Die in Innsbruck entwickelten Softwareprodukte werden mittlerweile nicht nur an bestehenden Einrichtungen eingesetzt, sondern dienen auch zur Vorbereitung der nchsten Generation von Messgerten am im Bau befindlichen European Extremely Large Telescope (E-ELT), sagt Prof. Kimes-wenger. Dieses Groteles