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Fortbildungszeitschrift und Informationsbulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie Vol. 29 Nr. 3 IX/2018 Pädiatrische Pneumologie Epidermolysis bullosa Jahresversammlung

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Fortbildungszeitschrift und Informationsbulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie

Vol. 29 Nr. 3 IX/2018

Pädiatrische Pneumologie

Epidermolysis bullosa

Jahresversammlung

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Inhaltsverzeichnis

RedaktionDr. C. Eberhardt, Atlanta, GA

Dr. N. Jundt, Etagnières

Dr. U. Lips, Zürich (Schriftleiter ad interim)

Dr. R. Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds

Dr. R. von Vigier, Biel

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PaediatricaErscheint 4 x jährlich für die Mitglieder der SGP.

Nicht-Mitglieder können beim Sekretariat

die Paediatrica zum Preis von Fr. 100.–

jährlich abonnieren.

Auflage2116 Ex. / ISSN 1421-2277

Bestätigt durch WEMF

Titelbild «Lebenslauf»

Jolanda Brändle

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Für den Inhalt der Texte übernimmt die Redaktion

keine Verantwortung.

Editorial

3 Editorial/EditorialeG.P. Ramelli

Jahresversammlung

5 Protokoll der SGP-GeneralversammlungC. Baeriswyl

7 Guido Fanconi Gedenkpreis 2018 T. Riedel

8 SGP Talent Prize 2018 M. Grotzer

9 Ein brennendes Thema aus dem Praxis-Alltag soll gelöst werdenK. Posfay Barbe, Ch. Aebi

10 Highlights der klinischen Forschung in der Pädiatrie – SwissPedNet an der SGP-Jahresversammlung in Lausanne

P. Wenger, C. Kuehni, K. Posfay Barbe

Fortbildung

12 EditorialJ. Hammer

13 Versorgung und Therapie des akuten Asthmaanfalls bei Kindern auf der Notfallstation

F. Augsburer, J. Hammer, G. Staubli, C. Barazzone-Argiroffo

20 Abklärung und Behandlung von chronischem Husten beim KindA. Möller, N. Regamey

25 Schlafstörungen bei Kindern – pneumologische AspekteD. Trachsel, R. Corbelli

29 Primäre ciliäre Dyskinesie (PCD): ein kurzes Update und aktuelle diagnostische Kriterien

L. Müller, C. Kuehni, S.A. Tschanz, A. Jung, P. Latzin, C. Casaulta

36 Epidermolysis Bullosa – Überblick und Schweizer NetzwerkA. Schwieger-Briel, C. Gouveia, R. De Lorenzo, A.-B. Schlüer, P. Itin, M. Theiler, L. Weibel

Hinweise

42 Ja zum Velo in der VerfassungC. Merkli

43 Rauchende Kinder?M. Koch

44 Budapester Deklaration zu Rechten, Gesundheit und Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen auf der Flucht

Y. Heller, N. Pellaud

48 Online-Weiterbildung in Kinderschutz – eine einmalige Chance!U. Lips

49 Gesucht: Titelbild für die Paediatrica 2019

Quiz

50 FMH Quiz 70C. Casaulta

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COLLOQUE DE PÉDIATRIE4 OCTOBRE 2018, PALEXPO – GENÈVE

PROGRAMME13h30 Accueil café 14h00 Introduction Pre Constance Barazzone (HUG)14h10 Ces fièvres qui durent : l’œil de l’infectiologue

Dre Noémie Wagner (HUG)14h40 Convulsions fébriles

Dr Christian Korff (HUG)15h10 La fièvre indique-t-elle un cancer chez l’enfant ?

Dre Maja Beck Popovic (CHUV)15h40 Pause16h00 Fièvre et maladies inflammatoires

Dre Katerina Theodoropoulou (CHUV)16h30 Infections sans fièvre Pre Klara Posfay Barbe (HUG)17h00 Conclusion Pr Michaël Hofer (CHUV)

INSCRIPTION ET INFORMATIONS• Par internet : www.assisesmed.ch• Par email : [email protected]• Par tél : +41 22 702 93 23• Par fax : +41 22 703 93 55

ÉVÉNEMENT GRATUIT POUR TOUS LES MÉDECINS. Programme complet et informations sur www.assisesmed.ch

Dans le cadre des 2e Assises de la Médecine romande

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Animation : Pre Constance Barazzone (HUG) et Pr Michaël Hofer (CHUV)

Mises au point express sur la fièvre chez l’enfant et leurs impacts sur la pratique (3 crédits SSP).

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Editorial

Liebe Kolleginnen und Kollegen

In diesem Editorial werde ich mich nicht mit den verschiedenen Themen beschäftigen, die derzeit in der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie behandelt werden, weil Sie si-cherlich die Möglichkeit haben, sie in ande-rem Zusammenhang zu lesen.

Hingegen möchte ich dieses Mal einige Über-legungen zu den Auswirkungen des raschen Wandels anstellen, den wir in den letzten Jahren durch die Entwicklung verschiedener elektronischer Techniken erfahren haben.

Meine Überlegungen orientieren sich am Titel eines Manifests «Mit digitalen Bildschirmen aufwachsen», das sich auf den Einsatz ver-schiedener elektronischer Geräte in der Kind-heit konzentriert. Als Kinderarzt, aber vor al-lem als Neuropädiater, bin ich besonders sensibel für dieses Problem und es ist für mich eine faszinierende Herausforderung, zu versuchen, den möglichen Einfluss neuer Technologien auf die Hirnentwicklung unserer Kinder zu verstehen.

Unser Gehirn ist definitiv das beste elektroni-sche Gerät, das es gibt, man denke nur, dass es mit etwa 100 Milliarden Neuronen in der Lage ist, eine unendliche Menge an Informa-tionen zu verarbeiten.

Unmittelbar nach der Geburt beginnt dieses kleine elektronische Gerät von 500 g eine riesige Anzahl von Verbindungen zu bilden, die extrem anfällig auf äussere Reize sind, und aus diesem Grund ist es für uns Kinderärzte von grösster Wichtigkeit zu verstehen, was es für ein Kind bedeutet, täglich elektronischen Reizen ausgesetzt zu sein. Welches sind die Konsequenzen für die Entwicklung von «sozi-alen» Kompetenzen, wenn das Gehirn den ganzen Tag nur durch elektronische und virtu-elle Reize gespeist wird? Wir leben zuneh-mend in einer Gesellschaft, in der soziale Kontakte nach und nach durch computerbe-zogene Aktivitäten ersetzt werden. Diese Entwicklung deutet darauf hin, dass eine un-kontrollierte Exposition gegenüber neuen Technologien in der sensiblen Phase der

EditorialG.P. Ramelli, SGP-Präsident, Bellinzona

Entwicklung sozialer Kompetenzen die zu-künftige Fähigkeit zur Beziehung zu anderen Menschen gefährden könnte.

Diese radikale Veränderung spürt man auch in unserer Arbeit. Die Untersuchungstech-niken, die uns heute zur Verfügung stehen, nehmen immer mehr Platz bei der Diagnose-stellung ein und ersetzen den menschlichen Aspekt, der mit einer sorgfältigen Anamnese und einer gründlichen klinischen Untersu-chung verbunden ist.

All das kann dazu führen, dass in gewissen Fällen die Ergebnisse nicht immer interpre-tierbar sind, so dass weitere Untersuchungen durchgeführt werden, die zu noch grösserer diagnostischer Unsicherheit und erhöhten Kosten führen.

Natürlich sind neue Technologien eine grosse Hilfe, aber sie müssen ausgewogen und gut durchdacht sein, denn ich bin sicher, dass keiner von uns einen Kernpunkt unserer Ar-beit verschwinden sehen will: die Aufmerk-samkeit und das Zuhören gegenüber dem Mensch.

Aus diesem Grund halte ich es für wichtig, dass wir in unserer Gesellschaft auch Überle-gungen zu neuen Philosophien, wie z. B. «choosing wiseyl», anstellen.

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Vol. 29 Nr. 3 2018Editorial

Care colleghe, cari colleghi,

in questo editoriale non starò ad annoiarvi con le varie tematiche che attualmente ven-gono trattate all’interno della Società svizzera di pediatria, perché di sicuro avete modo di leggerle in altri contesti.

Mi permetto quindi, questa volta, di fare alcu-ne riflessioni su quello che comporta anche nel nostro ambito il cambiamento veloce che stiamo vivendo in questi ultimi anni portato dall’evoluzione dalle varie tecniche elettroni-che.

La mia riflessione prende spunto dal seguen-te titolo di un manifesto «diventare grande con gli schermi digitali», il quale rende attenti sull’uso dei vari apparecchi elettronici in età pediatrica. Come pediatra, ma soprattutto come neuropediatra, sono particolarmente sensibile a questa problematica e cercare di capire il tipo d’influsso che le nuove tecnolo-gie possono avere sullo sviluppo cerebrale dei nostri bambini è per me una sfida intrigante.

Il nostro cervello è sicuramente il miglior dispositivo elettronico esistente, basti pensa-re che con circa 100 miliardi di neuroni è in grado di elaborare una serie infinita di infor-mazioni.

Subito dopo la nascita questo piccolo appara-to elettronico di 500 gr inizia a formare un’infinità di connessioni, le quali sono estre-mamente influenzabili da stimoli esterni ed è per questo motivo che per noi pediatri è di assoluta importanza poter capire cosa signi-fica, per un bambino, essere sottoposto quotidianamente a stimoli elettronici. Quali possono essere le conseguenze sullo sviluppo delle competenze «sociali» se il cervello viene nutrito dalla mattina alla sera solamente da stimoli elettronici e virtuali? Sempre più vivia-mo in una società in cui i contatti sociali sono gradualmente sostituiti da attività legate a mezzi informatici. Questa evoluzione fa sup-porre che l’esposizione incontrollata alle nuove tecnologie nella delicata fase dello

EditorialeG.P. Ramelli, Presidente, Bellinzona

sviluppo delle abilità sociali, possa mettere a rischio la futura capacità di relazionare con altre persone.

Questo radicale cambiamento si fa sentire anche nel nostro lavoro. Le tecniche di indagi-ne che oggi abbiamo a disposizione prendono sempre più posto negli accertamenti dia-gnostici e tendono a sostituire quell’aspetto umano legato ad una attenta anamnesi ed un approfondito esame clinico.

Tutto ciò può portare a casi in cui i risultati non sono sempre interpretabili, perciò si compiono ulteriori indagini, le quali conduco-no sempre più ad una insicurezza a livello di diagnostica e dall’altro canto ad un aumento delle spese.

Certo, le nuove tecnologie sono di grande a iuto, ma devono essere calibrate e pensate, perché sono certo che nessuno di noi voglia vedere scomparire un punto fermo del nostro lavoro: l’attenzione e l’ascolto della persona.

Per questo motivo ritengo importante che all’interno della nostra società vadano consi-derate delle riflessioni anche su nuove filoso-fie come può essere il Choosing Wisely.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Jahresversammlung

Die diesjährige Generalversammlung findet am frühen Abend des ersten Kongresstages im modernen Swiss Tech Convention Center in Lausanne statt. Vor Eröffnung der Ver-sammlung würdigt die SGP das Lebenswerk von Walter Bär aus Chur mit dem Guido Fan-coni Gedenkpreis 2018. Er ist vielleicht einer der letzten richtigen Allrounder der Kinder- und Jugendmedizin und hat diese nicht nur in Graubünden, sondern in der ganzen Schweiz über viele Jahre wesentlich beeinflusst. Der Talent Prize der SGP geht in diesem Jahr an Raphael Morscher aus Zürich für seine Arbeit «Mitochondrial translation requires folate-dependent tRNA methylation», die er in ei-nem kurzen Referat vorstellt.

Eröffnung und Wahl der Stimmen-zählerDer Präsident Gian Paolo Ramelli begrüsst zu seiner ersten Generalversammlung und eröff-net diese um 17.30 Uhr. Als Stimmenzähler werden Dominique Gut und Caroline Hefti gewählt. An der Versammlung nehmen 44 stimmberechtigte Mitglieder teil, sieben ha-ben sich entschuldigt.

Protokoll der SGP-Generalversammlung

Donnerstag, 24. Mai 2018, 17.00 – 18.30 UhrSwiss Tech Convention Center, Lausanne

Claudia Baeriswyl, Generalsekretärin SGP

Protokoll der GV vom 2. Juni 2017Das Protokoll der letztjährigen Generalver-sammlung ist in Paediatrica Vol. 28, Nr. 4, veröffentlicht worden und wird nicht verlesen.

Das Protokoll wird einstimmig genehmigt und verdankt.

Jahresbericht des Präsidenten Dem Präsidenten ist es ein grosses Anliegen, den italienischsprachigen Teil der Schweiz besser in die Gesellschaft einzubinden, wes-halb die Folien zur Generalversammlung erst-mals dreisprachig sind. In seinem Jahresbericht wechselt er fliessend zwischen allen drei Sprachen und setzt damit ein wichtiges Zei-chen. Als offizielle nationale Fachgesellschaft der Kinder- und Jugendmedizin hatte die SGP auch im vergangenen Jahr zahlreiche Aufgaben zu erfüllen und war in verschiedener Hinsicht gefordert. In seinem Bericht geht Gian Paolo Ramelli auf die Partnerschaft mit SwissPedNet, die Arbeiten an einem neuen Konzept für Paedi-atrica und die Realisierung der Übersetzung des Atlas für Entwicklungsdiagnostik ein. Viele Re-aktionen ausgelöst hat die Stellungnahme der SGP zur Altersbestimmung junger Migranten.

Im Weiteren hat die SGP die Budapest Deklara-tion unterzeichnet, eine Arbeitsgruppe für die Überarbeitung des Gesundheitsheftes einge-setzt und die Tabakinitiative unterstützt. Eine der grössten Herausforderungen sind nach wie vor die Tarife. Der Vorstand setzt sich vehement für die Anliegen von Spital und Praxis ein und macht, wo immer möglich, auf die Besonderhei-ten der Kinder- und Jugendmedizin aufmerk-sam. In den kommenden Monaten wird sich der Vorstand dem Thema Qualität annehmen und hat dazu in der Person von Dominique Gut ei-nen neuen Qualitätsdelegierten ernannt. Be-sonders am Herzen liegt dem Präsidenten das Thema smarter medicine.

Der Jahresbericht wird mit Applaus genehmigt und verdankt.

Übrige Berichte Die übrigen Jahresberichte sind in Paediatrica Vol. 29, Nr. 1, veröffentlicht worden. Es sind keine Wortmeldungen zu verzeichnen.

Die übrigen Jahresberichte werden einstimmig genehmigt.

Mitgliederwesen Seit der letzten Generalversammlung ist die Gesamtmitgliederzahl um 56 auf nunmehr 2479 gestiegen, wovon 1940 ordentliche Mitglieder. Elf Mitglieder sind im Verlauf des Jahres verstorben. Die Versammlung gedenkt ihrer in einer Schweigeminute.

Jahresrechnung 2017, Revisionsbericht Die Kassiererin Valérie Dénervaud präsentiert die Jahresrechnung 2017 und geht kurz auf die wichtigsten Zahlen ein. Die detaillierte Jahres-rechnung liegt in gedruckter Form im Saal auf. Die Rechnung 2017 schliesst bei Ausgaben von CHF 1110 858.– und Einnahmen von CHF 1111841.– mit einem Gewinn von CHF 983.–. Die Bilanz der SGP weist per Ende 2017 Akti-ven von CHF 1387301.–, ein Fremdkapital von CHF 306521.– und ein Eigenkapital von CHF 1080780.– aus.

Auf eine entsprechende Frage teilt Christoph Aebi mit, dass der von der SGP an Infovac entrichtete Beitrag von CHF 20 000.– ein kostenloses Abonnement für alle SGP-Mitglie-der möglich macht. Nicht-Mitglieder bezahlen CHF 25.– für ein Einzelabonnement.

Die CORE Fiduciaire Revicor Consulting AG in Freiburg hat die Rechnung revidiert und be-

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Vol. 29 Nr. 3 2018Jahresversammlung

stätigt die gesetzeskonform geführte Buch-haltung. Sie empfiehlt der Generalversamm-lung, die Rechnung 2017 anzunehmen.

Die Jahresrechnung 2017 wird einstimmig ge-nehmigt.

Entlastung des Vorstandes Dem Vorstand wird einstimmig die Entlastung erteilt.

Budget 2019Die Kassiererin Valérie Dénervaud präsentiert das Budget 2019, das Einnahmen von CHF 1065900.– vorsieht. Dem gegenüber stehen voraussichtliche Ausgaben von CHF 1124100.–, woraus ein Verlust von CHF 58200.– resultiert. Diesem Ausgabenüber-schuss zugrunde liegt der Entscheid des Vorstands, im kommenden Jahr die Arbeit an einem Kommunikationskonzept der SGP in Angriff zu nehmen. Ziel ist, sich der fortschrei-tenden Digitalisierung anzupassen und den Bedürfnissen der Mitglieder gerecht zu wer-den. Die Kassierin stellt den Antrag, das Budget 2019 zu genehmigen.

Die Versammlung genehmigt das Budget 2019 einstimmig.

WahlenDer Vorstand wurde im vergangenen Jahr für eine Amtsperiode von zwei Jahren gewählt, so dass in diesem Jahr keine Wahlen anstehen. Nicole Pellaud ist nach Ihrem Rücktritt als Präsidentin ein weiteres Jahr im Vorstand verblieben und tritt nun aus. Sie muss nicht

ersetzt werden, da mit der Wahl von Gian Paolo Ramelli vor zwei Jahren der Vorstand um ein Mitglied erweitert worden ist.

EhrenmitgliederDer Vorstand schlägt René Tabin, Ulrich Lips und Rudolf Schlaepfer als neue Ehrenmitglie-der vor. Jedem einzelnen von ihnen kommen grosse Verdienste für die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie zu, im Besonderen für die Fortbildungszeitschrift Paediatrica. Jahrzehntelang waren sie als Chefredaktor, Redaktor und Übersetzer tätig und haben mit ihrem unermüdlichen Einsatz die regelmässi-ge Herausgabe der Zeitschrift überhaupt erst möglich gemacht. Nachdem Ende 2017 für den zurückgetretenen Chefredaktor René Tabin kein Nachfolger gefunden werden konn-te, hat sich Ulrich Lips spontan bereit erklärt, diese Funktion für ein Jahr ad interim zu über-nehmen. Nicole Pellaud verliest die von ihr verfasste Laudatio für das «Trio Paediatrica».

René Tabin, Ulrich Lips und Rudolf Schlaepfer werden einstimmig und mit grossem Applaus zu Ehrenmitgliedern ernannt.

Stellvertretend für alle drei bedankt sich René Tabin in einer emotionalen Rede.

RevisionsstelleDer Vorstand schlägt vor, die CORE Fiduciaire Revicor Consulting AG aus Freiburg für ein weiteres Jahr zu wählen.

Die Wahl der CORE Fiduciaire Revicor Consul-ting AG aus Freiburg erfolgt einstimmig.

InformationenSwissPedDoseChristoph Aebi berichtet über das nationale Verzeichnis zur Dosierung von Arzneimitteln bei Kindern. Im vergangenen Jahr wurde mit finanzieller Beteiligung der SGP und der acht Collège-A-Kliniken der Verein SwissPedDose gegründet und damit die Basis für eine Pro-jekteingabe anlässlich der öffentlichen Aus-schreibung geschaffen. In der Folge hat der Verein den Zuschlag erhalten und ist seither daran, die Datenbank aufzubauen. Im Mai 2018 sind 20 Substanzen und 100 harmoni-sierte Dosierungsempfehlungen aufgeschal-tet, https://db.swisspeddose.ch. Eine Webapplikation ist in Vorbereitung.

VerschiedenesAn dieser Stelle dankt der Präsident dem scheidenden Vorstandsmitglied Nicole Pel-laud für ihr grosses Engagement zugunsten der SGP und die langjährige Tätigkeit. Er überreicht ihr im Namen des Vorstands ein Geschenk.

Denis Bachmann hat die SGP seit 1999 im Vorstand des Swiss Resuscitation Council vertreten und gibt sein Amt nach fast 20 Jah-ren ab. Auch er kann ein Geschenk entgegen-nehmen.

Vorankündigung Kongress 2019Gian Paolo Ramelli freut sich besonders, den Kongress 2019 in seiner Heimat anzukündi-gen. Dieser wird am 6./7. Juni 2019 in Bellin-zona zum Thema Ethnopädiatrie/Autismus/Choosing wisely stattfinden.

Der Kongress 2020 wird am 4./5. Juni in Freiburg stattfinden.

Es sind keine weiteren Wortmeldungen zu verzeichnen. Der Präsident schliesst die Ge-neralversammlung um 18.30 Uhr.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Jahresversammlung

Walter Bär hat in seinen Funktionen als Ober-arzt, stellvertretender Chefarzt und dann als Chefarzt an der Kinderklinik des Kantonsspi-tals Graubünden die medizinische Versorgung der Kinder der Südostschweiz in den letzten gut 25 Jahren in besonderer Weise geprägt. Sein leidenschaftlicher Einsatz für die Bedürf-nisse der Kinder, gepaart mit seinem diploma-tischen Geschick, seiner herausragenden Kommunikationsfähigkeit, seiner Hartnäckig-keit und seinen vielfältigen, breit gefächerten medizinischen Interessen waren die Grundvo-raussetzungen für den qualitativen und quan-titativen Ausbau der stationären Kindermedi-zin im Kanton Graubünden. So hat er während Jahren neben der Intensivstation und Neona-tologie auch die kinderonkologische und kin-derrheumatologische Sprechstunde geführt.

Walter Bär ist vielleicht einer der letzten rich-tigen Allrounder der Kinder- und Jugendmedi-zin. Er hat sich kontinuierlich an den Entwick-lungen diverser anderer Subspezialitäten aktiv beteiligt. Als Beispiele seien die Rheu-matologie und die Infektiologie genannt.

Guido Fanconi Gedenkpreis 2018

Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie verleiht den Guido Fanconi Gedenkpreis 2018 an Walter Bär

Thomas Riedel, ChurBearbeitet durch Claudia Baeriswyl, Generalsekretärin SGP

Mehr als 50 junge Kolleginnen und Kollegen hat er weitergebildet. Er hat es immer wieder geschafft, den klinischen Blick zu schärfen und dabei den Details das nötige Gewicht zu geben, ohne das Wesentliche aus den Augen zu verlieren.

Zusätzlich zum Aufbau und zur Führung der Kinderklinik am Kantonsspital Graubünden war Walter Bär standespolitisch sehr aktiv. Über viele Jahre beteiligte er sich äusserst aktiv an der Gestaltung der Pädiatrie-Land-schaft der Schweiz, engagierte sich für ver-schiedenste politische, soziale und medizini-sche Facetten der Kinder- und Jugendmedizin und war (und ist es immer noch) ein gern ge-sehener, kompetenter Gesprächspartner mit einem riesigen Fundus an Wissen und Erfah-rung in multiplen Bereichen der Schweizeri-schen Gesellschaft für Pädiatrie.

Walter Bär hat nicht nur die Kinder- und Ju-gendmedizin in Graubünden, sondern in der ganzen Schweiz über viele Jahre wesentlich beeinflusst.

Im Jahr 2017 wurde er, nach vielen Jahren aktiver Mitarbeit im SGP-Vorstand, und für seinen unermüdlichen Einsatz für die Kinder- und Jugendmedizin zum Ehrenmitglied er-nannt.

Die SGP würdigt das Lebenswerk von Walter Bär mit der Verleihung des Guido Fanconi Gedenkpreises.

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Vol. 29 Nr. 3 2018Jahresversammlung

Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie verleiht den Talent Prize 2018 an Raphael Morscher aus Zürich. Der Preis wird in diesem Jahr zum zehnten Mal verliehen.

Raphael Morscher hat in Salzburg Medizin studiert und bereits während dem Studium ein Forschungstrimester am Kinderspital Zü-rich im Labor von Matthias Baumgartner verbracht. Er interessiert sich nicht nur für Stoffwechselerkrankungen, sondern auch für Medizinische Genetik und Onkologie. Nach einem MD PhD in Innsbruck bei Johannes Zschokke ist er weiter gezogen nach Prince-ton, USA, wo er im Labor von Joshua Rabino-witz sehr eigeninitiativ und erfolgreich ge-forscht hat über Folate-related one-carbon metabolism.

Den Talentpreis 2018 hat Raphael Morscher mit seiner in Nature (er ist alleiniger Erstau-

SGP Talent Prize 2018Michael Grotzer, Zürich

tor!) publizierten Arbeit «Mitochondrial translation requires folate-dependent tRNA methylation» gewonnen. Diese Arbeit basiert auf seiner klinischen Erfahrung in an-geborenen Stoffwechselerkrankungen. Sie zeigt sein Talent, Klinik mit aktuellen Fragen aus der Grundlagenforschung zu verbinden.

Seit Januar 2018 arbeitet Raphael Morscher als klinischer Assistent am Kinderspital Zü-rich. Ziel ist eine Karriere in Pädiatrischer Onkologie mit einem Fokus auf Tumor-Meta-bolismus.

Wir wünschen Raphael Morscher für seine berufliche Zukunft weiterhin viel Erfolg und Enthusiasmus für das Fach Pädiatrie.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Jahresversammlung

Ein brennendes Thema aus dem Praxis-Alltag soll gelöst werden

Die SGP und SwissPedNet unterstützen ein Projekt in der pädiatri-schen Palliativmedizin

Klara Posfay Barbe, Genf; Christoph Aebi, Bern

Am 24. Mai 2018 wurden am fPmh-/SGP-Jahreskongress in Lausanne im Anschluss an die SwissPedNet Translational & Clinical Re-search Session die Gewinnerinnen unserer Ausschreibung in Versorgungsforschung be-kannt gegeben.

Das Preisgeld von CHF 120 000.– geht an Karin Zimmermann und Eva Bergsträsser vom Universitäts-Kinderspital Zürich für ihr For-schungsprojekt

SPhAERA: Specialised Paediatric PAlliativE CaRe: Assessing family, healthcare professi-onals and health system outcomes in a multi-site context of various care settings.

Die Zahl der Kinder, die mit einer lebensbe-drohlichen Erkrankung leben und möglicher-weise eine pädiatrische Palliativbetreuung benötigen, nimmt international zu. Für die Schweiz geht man von ca. 5000 Säuglingen,

Kindern und Jugendlichen aus, wobei diese Zahl auf Daten aus England beruht1).

Die kürzlich abgeschlossene PELICAN-Studie (Pediatric End-of-LIfe CAre Needs in der Schweiz, 2012-2015) lieferte epidemiologi-sche Basisdaten über die Betreuung von Kin-dern am Lebensende und deren Familien in der Schweiz. PELICAN umfasste auch die Er-fahrungen von Hinterbliebenen und Angehö-rigen der Gesundheitsberufe und es wurde deutlich, dass in der Schweiz ein Bedürfnis für verbesserte Palliativbetreuung in der Pädiat-rie besteht.

Das Ziel des SPhAERA-Forschungsprojekts ist es, die Wirksamkeit spezialisierter pädiatri-scher Palliativbetreuung zu evaluieren. Das Studienteam geht davon aus, dass eine spe-zialisierte pädiatrische Palliativbetreuung die Lebensqualität der Patienten, Eltern und Ge-schwister positiv beeinflusst und dass auch

die medizinischen Fachkräfte – besonders auch in der Praxispädiatrie – davon profitie-ren, da Ressourcen zielführend gebündelt werden.

Es gilt, alle Fachpersonen, die betroffene Kinder und Jugendliche und deren Familien betreuen, in das Modell einzubeziehen. Somit werden für die Durchführung dieser Studie die klinischen pädiatrischen Forschungszentren von SwissPedNet wie auch die Praxis-Kinder-ärzte und -ärztinnen einbezogen.

Wir erhielten auf unsere Ausschreibung insge-samt sieben Anträge. Alle Anträge entspra-chen den formalen Anforderungen und wur-den der Jury weitergereicht. Die Jury bestand aus fünf erfahrenen Kinderärzten und klinisch Forschenden. Für die SGP und die Sicht der Grundversorger setzten sich Pierre Klauser, Genf, und Jan Teller, Langnau, ein. Ein beson-deres Augenmerk auf die Methodologie und spezifische Sicht der klinischen Forschung hielten Christoph Aebi, Bern, Christian Kind, St. Gallen, und David Nadal, Zürich. Christoph Aebi, der beide Organisationen vertritt, hat die Jury geleitet.

Die Jury bewertete alle Anträge auf ihr aktu-elles wissenschaftliches Interesse und die Relevanz für die pädiatrische Gesundheitsver-sorgung, die Aktualität und Originalität der Arbeit, die Tauglichkeit der zu verwendenden Methoden sowie die Machbarkeit ganz gene-rell.

Alle eingereichten Arbeiten waren von hoher Qualität und nach individueller Benotung und eingehenden Diskussionen fiel die Wahl auf SPhAERA.

SwissPedNet und die SGP gratulieren den Gewinnerinnen herzlich zu ihrem Preis und wünschen viel Erfolg bei der Durchführung der Studie. Die Resultate werden sicher u. a. auch in Paediatrica zugänglich gemacht wer-den.

Referenz1) Fraser LK, Miller M, Hain R, et al. Rising national

prevalence of life-limiting conditions in children in England. Pediatrics. 2012; 129: e923-9.

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V.l.n.r.: Klara Posfay Barbe, Eva Bergsträsser, Karin Zimmermann, Christoph Aebi

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Vol. 29 Nr. 3 2018Jahresversammlung

Am 24. Mai 2018, während des fPmh/SGP-Jahreskongresses in Lausanne, war SwissPed-Net im Rampenlicht. Im Plenarsaal auf der grossen Bühne präsentierte Klara Posfay Barbe, Präsidentin von SwissPedNet, das Netzwerk der klinisch forschenden Kinderärz-te und -ärztinnen. SwissPedNet besteht heute aus neun «clinical pediatric hubs», also neun Studienzentren an den fünf Universitäts-Kin-derspitälern (Basel, Bern, Genf, Lausanne, Zürich) und den vier weiteren grossen Kinder-kliniken (Aarau, Bellinzona, Luzern, St. Gal-len). Angeschlossen sind auch zwei Service-Plattformen: SwissPedRegistry unterstützt Aufbau und Erneuerung von pädiatrischen Registern und SwissPedPha, das pädiatrische

Highlights der klinischen Forschung in der Pädiatrie – SwissPedNet an der SGP-Jahresversammlung in Lausanne

SwissPedNet stellt sich im Plenum vor und führt zum 6. Mal ihre «Translational & Clinical Research Session» durch.

Pascale Wenger, Berna; Claudia Kuehni, Bernb; Klara Posfay Barbe, Genf c

a Koordinatorin SwissPedNet; b Vorstandsmitglied SwissPedNet; c Präsidentin SwissPedNet

Pharmakologie-Zentrum stellt Expertise in Modelling und Pharmakometrics zur Verfü-gung. SwissPedNet steht auf der Liste der Forschungsinfrastrukturen von nationaler Be-deutung und alle elf Mitglieder erhalten finan-zielle Unterstützung durch den Bund, um ihre Infrastruktur bereitzustellen für aktuelle Auf-gaben in der pädiatrischen klinischen For-schung.

SwissPedNet ist international vernetzt als Mitglied beim Netzwerk pädiatrischer For-schungsnetzwerke der Europäischen Arznei-mittelbehörde «Enpr-EMA, European network of paediatric research at the European Medi-cines Agency (Enpr-EMA)».

Über die Swiss Clinical Trial Organisation (SCTO) ist SwissPedNet auch im Konsortium von drei Europäischen Infrastruktur-Projekten (finanziert durch Horizon 20201), und «innova-tive medicines initiative IMI2»2) vertreten und somit Schweizer Kontaktstelle.

• PedCRIN: Paediatric Clinical Research Infrastructure Network ist der pädiatri-sche Arm von ECRIN (European Clinical Research Infrastructure Network) und entwickelt zusammen mit den pädiatri-schen Forschungszentren Europa-weit Kapazitäten für die Durchführung multina-tionaler klinischer Studien (http://www.ecrin.org/projects/pedcrin).

• EPTRI: European Paediatric Translational Research Infrastructure ist eine komple-mentäre Infrastruktur die alle verfügbaren Kompetenzen und Technologien zusam-menbringt, um effizient die translationale Forschung in der Pädiatrie zu verbessern (https://eptri.eu/).

• c4c: Conect4children (collaborative net-work for European clinical trials for child-ren) ist ein IMI2-Projekt, das die Entwick-lung, Implementierung und Auswertung paneuropäischer klinischer Studien fördert (http://conect4children.org/).

Claudia Kuehni, Leiterin von SwissPedRegist-ry und Vorstandsmitglied von SwissPedNet stellt ein Projekt vor, welches SwissPedNet beim «Swiss Personalized Health Network (SPHN)» eingereicht und erhalten hat. Das einjährige Projekt, das nun startet, hat den Titel «Harmonizing the collection of health related data and biospecimens in paediatric hospitals throughout Switzerland». Im Projekt geht es darum, die im klinischen Alltag in der Pädiatrie stationär und ambulant erhobenen Daten schweizweit so weit zu standardisieren, dass die Datenqualität dieser klinischen Rou-tinedaten vergleichbar ist mit derjenigen von prospektiven Studien. Alle ärztlichen LeiterIn-nen der Kinderkliniken unterstützen das Pro-jekt und alle Kinderkliniken sind federführend am Prozess beteiligt. Dank diesem Projekt werden der klinischen pädiatrischen For-schung in Zukunft sehr wertvolle Datenmen-gen zur Verfügung stehen, die die Forschen-den für viele interessante Fragestellungen verwenden können.

Der Beitrag im Plenarsaal wird abgerundet durch den Start der 6. «SwissPedNet Transla-tional & Clinical Research Session». Zwei

V.l.n.r.: Christian Juvet, Klara Posfay Barbe, Eva Pedersen, Christoph Aebi

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Jahresversammlung

junge Forschende geben bereits im Plenum eine Kostprobe ihrer Tätigkeit und ihres For-schungsgebietes und am Nachmittag folgen weitere Beiträge in zwei Blöcken während der Parallel-Sessions. Insgesamt haben 15 junge Forscher und Forscherinnen aus der Pädiatrie Resultate ihrer klinischen oder translationalen Forschung vorgestellt. Die Qualität der For-schungsprojekte und der Vorträge war durch-wegs exzellent. Der Jury, zusammengesetzt aus erfahrenen Forschenden vom SwissPed-Net-Netzwerk, fiel die Wahl der zwei Gewin-nerInnen nicht leicht. AbbVie hat freundlicher-weise das Preisgeld von zweimal CHF 1500.– zur Verfügung gestellt. Wir dürfen den folgenden zwei jungen Forschenden zum SwissPedNet Research Award 2018 ganz herzlich gratulieren:

• Eva S.L. Pedersen, Institut für Sozial- und Präventivmedizin der Universität Bern für ihr Forschungsprojekt «The simple 10-item PARC tool predicts childhood asthma in an external validation cohort.» (O02) und

• Christian Juvet, Département femme mère enfant, CHUV, Lausanne für sein For-schungsprojekt «Early postnatal overfee-ding induces transient overexpression of senescence promoting factors in the mou-se kidney.» (O22)

Zur weiteren individuellen Förderung und Unterstützung der jungen Forschenden orga-nisiert SwissPedNet am 22. November 2018 eine Tagung in Bern – den Next Generation Research Day. Mit Hilfe von eingeladenen Beiträgen, Workshops und Diskussion der ei-genen Forschung wird sehr individuell auf brennende Fragen junger Forschender einge-gangen. Der Tag darf schon reserviert werden und Pascale Wenger nimmt sehr gerne ab sofort Voranmeldungen entgegen (e-mail: [email protected]).

Referenzen1) https://ec.europa.eu/programmes/horizon2020/2) https://www.imi.europa.eu/about-imi

[email protected]

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Die Anfrage wieder einmal eine Ausgabe der Paediatrica auf die Pneumologie zu konzent-rieren, hat die Schweizerische Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (SGPP) sehr gerne angenommen. Respiratorische Erkran-kungen gehören schliesslich zu den häufige-ren Gründen, warum Eltern Hilfe beim Kinder-arzt suchen. Drei der folgenden Artikel beschäftigen sich mit den praxisrelevanten Themen Husten, Asthma und Schlafstörungen beim Kind. Der vierte Artikel liefert ein Update über die primäre ziliäre Dyskinesie.

Asthma ist die häufigste chronische Erkran-kung im Kindesalter und betrifft global circa 14% aller Kinder. In einer interdisziplinären Arbeitsgruppe hat die SGPP zusammen mit der PEMS (Pediatric Emergency Medicine Switzerland) Empfehlungen zur Versorgung und Therapie des akuten Asthmaanfalls beim Kind ausgearbeitet. Die Motivation zu diesen Empfehlungen war eine gefühlte Praxisvarianz in den verschiedenen Notfallstationen und Akutspitälern beim Umgang mit asthmakran-ken Kindern. Wissenschaftliche Evidenz – wo vorhanden – und Expertenkonsens unter Be-rücksichtigung der Literatur und internationa-ler Empfehlungen bildeten die Grundlagen für diesen Artikel. Hervorheben möchte ich die Empfehlung, die konservativen O2-Sättigungs-ziele zu verlassen und einen unteren Grenz-wert von 90% zu akzeptieren bevor zusätzli-cher Sauerstoff verabreicht wird. Ebenfalls gibt es kaum einen Grund für systemische Steroide bei infektgetriggerter Obstruktion bei Kindern unter 2 Jahren.

Prolongierter Husten ist eine häufige Ursache elterlicher Sorge und Anlass für viele Arztbe-suche und das Thema des zweiten Artikels. Husten führt zur Beeinträchtigung der Le-bensqualität, Schulabsenz und Schlafstörun-gen beim Kind und noch mehr bei den Eltern. Obwohl die üblichen Hustenmittel in der Regel kaum Wirkung zeigen, erstaunt es immer wieder, was diesen Kinder so alles verabreicht wird. Ich bin überzeugt, dass sich viele Kolle-gen nach dessen Lektüre in ihrer bisherigen Handlungsweise bestätigt fühlen und da und

Editorial Jürg Hammer, Basel, Präsident SGPP

dort doch noch auch Neues zu einem alten Thema mitnehmen. Besonders herausstrei-chen möchte ich zwei Punkte aus diesem le-senswerten Artikel: 1. Trockener Husten ist ohne begleitende Atemwegsobstruktion höchst selten Ausdruck eines Asthma bron-chiale und 2. die protrahierte bakterielle Bronchitis ist die häufigste Ursache von chro-nisch produktivem Husten und rechtfertigt einen etwas länger dauernden antibiotischen Therapieversuch auch bei Fehlen der typi-schen bakteriellen Infektzeichen wie Fieberoder erhöhte Entzündungsparameter.

Im dritten Artikel wird auf das wichtige Thema schlafassoziierter respiratorischer Störungen bei Kindern eingegangen. Bei Kindern mit prädisponierenden seltenen Grunderkrankun-gen, wie progressiven Muskeldystrophien, liegt diese Diagnostik und Therapie in der Regel beim Spezialisten. Hingegen spielt der Kinderarzt eine wichtige Rolle, gesunde Kin-der mit einem OSAS zu erkennen und einer weitergehenden Diagnostik zuzuführen. Bei gesunden Kindern ist eine apparative Thera-pie der obstruktiven Schlafapnoe kaum je notwendig. Herausstreichen möchte ich die Botschaft, dass eine nächtliche Pulsoximetrie ein OSAS weder verlässlich diagnostizieren noch ausschliessen kann. Der Goldstandard ist die Polysomnographie.

Der vierte Artikel widmet sich dem Krank-heitsbild der primären ziliären Dyskinesie. Diese ist wohl eine seltene Erkrankung; aber die Prävalenz liegt bei Kindern mit wiederhol-ten respiratorischen Infekten doch in der Grössenordnung von bis zu 5%. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dieses Krankheitsbildes bewusst sind. Herausstrei-chen möchte ich, dass eine typische Kombi-nation spezifischer Symptome in der Regel auf die PCD hinweist. Dazu gehören das neonata-le Atemnotsyndrom, rezidivierende Otitiden und die chronische Rhinosinusitis. Mit der nasalen NO-Messung steht in geübten Hän-den ein einfacher Screening-Test zur Verfü-gung.

Bedanken möchte ich mich ganz herzlich bei allen Autoren für Ihren Einsatz für dieses pneumologische Themenheft der Paediatrica und natürlich bei allen Lesern für Ihr Interesse an unserem Fachgebiet.

[email protected]

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

Gemeinsam mit einer Kommission schweize-rischer Experten für pädiatrische Pneumolo-gie und pädiatrische Notfallmedizin haben wir die internationalen «Leitlinien» und die lokalen Praktiken aller Universitätskliniken überarbei-tet. Diese Empfehlungen wurden im gemein-samen Konsens – basierend auf wissenschaft-licher Evidenz oder, wenn nicht möglich, basierend auf Expertenmeinungen – erarbei-tet. Aus praktischen Gründen haben wir im Text nur die Empfehlungsgrade A und B auf-geführt (A: basierend auf einer Metaanalyse oder systematischen Durchsicht hochwerti-ger randomisierter und kontrollierter Studien; B: basierend auf einer systematischen Durch-sicht hochwertiger, randomisierter Kohorten- oder Fallstudien).

EinleitungAsthma ist die häufigste chronische Erkrankung bei Kindern und eine der Hauptursachen für das Aufsuchen einer Notfallstation, für Hospitalisa-tionen und Fehlzeiten in der Schule1).

Die letzten schweizerischen Empfehlungen zur Behandlung obstruktiver Atemwegser-krankungen bei Kindern stammen aus dem Jahr 20092).

Nach einer einleitenden Wiederholung der Klassifikation obstruktiver Atemwegserkran-kungen bei Kindern hat dieser Artikel das Ziel, einheitliche Empfehlungen für die Versorgung von akuten obstruktiven Bronchitiden und Asthmaanfällen auf der Notfallstation zu defi-nieren. Als Grundlage dienten bestehende Empfehlungen der Schweizer Kinderspitäler und internationale Empfehlungen. Im vorlie-

Versorgung und Therapie des akuten Asthmanfalls bei Kindern auf der NotfallstationFlorence Augsburger1, Jürg Hammer2, Georg Staubli3, Constance Barazzone-Argiroffo1

Ausgearbeitet von einer Expertengruppe der Schweizerischen Gesellschaft für pädiatrische Pneumologie (SGPP) und der Pediatric Emergency Medicine Switzerland (PEMS): I. Bach-mann, A. Bänziger, J. Barben, E. Berger, C. Casaulta, P. Eng, B. Frey, A. Galetto, D. Garcia, S. Guinand, G. Hafen, T. Höhn, P. Latzin, S. Manzano, A. Möller, A. Mornand, N. Regamey, I. Rochat, M. Seiler. D. Stefanutti, L. Szabo, D. Trachsel, M. Zanolari

Dieser Artikel wurde erstmals in Swiss Medical Forum publiziert: 2017;17(11):258-263.

1Unité de Pneumologie Pédiatrique, Département de Pédiatrie, Genève, Suisse; 2Abteilung für Intensivmedizin und Pneumologie, Universitäts-Kinderspital Basel (UKBB), Universität Basel, Schweiz; 3 Interdisziplinäre Notfallstation, Universitätskinderspital Zürich, Schweiz

genden Artikel befassen wir uns nicht mit der Behandlung der Bronchiolitis.

Klassifikation der obstruktiven Atemwegserkrankungen Asthma ist eine chronisch entzündliche Er-krankung der Atemwege, die durch eine vari-able und reversible Obstruktion und eine bronchiale Hyperreagibilität charakterisiert ist.

Die obstruktiven Atemwegserkrankungen im Kindesalter lassen sich vereinfacht in zwei Haupttypen aufteilen:

• Die akute obstruktive Bronchitis, die aus-schliesslich durch Virusinfektionen ausge-löst wird, wird international als «episodic viral wheeze» bezeichnet. Diese ist wie folgt charakterisiert:

> Isolierte Episoden ausgelöst durch eine akute Virusinfektion

> Gesunde Intervalle von mindestens 6 bis 8 Wochen

> Fehlen ganz schwerer Verläufe ▶ Therapie basiert auf Inhalation von Sal-

butamol bei Bedarf• Die akute obstruktive Bronchitis, die durch

multiple Faktoren ausgelöst wird, wird in-ternational als «multiple trigger wheeze» bezeichnet und ist charakterisiert durch:

> Variable Auslösefaktoren (Virusinfektio-nen, körperliche Anstrengung, Weinen, Lachen, kalte oder feuchte Luft, Passivrau-chexposition, Inhalationsallergene, Um-weltverschmutzung)

> Intervalle zwischen den Episoden kürzer als 6 bis 8 Wochen

> Und/oder Persistenz der Symptomatik zwischen den einzelnen Anfällen

> Und/oder schwere Exazerbationen mit Notwendigkeit einer Hospitalisation und/oder einer Sauerstofftherapie

▶ Indikation für eine 3-monatige antiasth-matische Basistherapie mit inhalativen Steroiden1)

Abbildung 1: Klassifikation der obstruktiven Atemwegserkrankungen

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Abbildung 1: Klassifikation der obstruktiven Atemwegserkrankungen Exazerbation, die kürzlich eine Hospitalisation erforderten

Schwerer Anfall mit Hospitalisation auf einer Intensivstation in der Anamnese

Mehrere orale Kortikoidtherapien in der Anamnese der vergangenen 12 Monate

Hintergrundbehandlung erfolgt bereits mit der maximalen Dosierung (entsprechend 500 µg/Tag Fluticason oder 800 µg/Tag inhalatives Budesonid)

Begleiterkrankungen, wie z.B. angeborene Herzerkrankung, chronische Lungenerkrankung, bronchopulmonale Dysplasie, Frühgeborenes Tabelle 1: Risikofaktoren für schwere Exazerbationen (aus Infants and Children - Acute Management of Asthma, NSW Health, 2012)

Reversible obstruktive

Atemwegser-krankungen

Vorschulalter

Episodic viral wheeze

Multiple trigger wheeze

Schulalter

Asthma

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Allerdings ist diese vereinfachte Klassifikation auch umstritten, da die beiden Typen im Ver-lauf variieren können. Ausserdem lässt die Unterscheidung zwischen «episodic viral wheeze» und «multiple trigger wheeze» keine Voraussage bezüglich eines späteren Asthma bronchiale zu. Unabhängig davon sind häufige und schwere Exazerbationen, ein gutes An-sprechen auf eine antiasthmatische Therapie sowie das Vorliegen einer Sensibilisierung auf inhalative Allergene bessere Prädiktoren für die Entwicklung eines Asthma bronchiale1)-4).

Bei Kindern ab Schulalter spricht man von Asthma, das meist durch Allergene aber auch durch multiple andere Trigger ausgelöst wird. Die Einteilung in diese zwei Haupttypen ist für die Indikation einer antiasthmatischen Basis-therapie von Bedeutung. Hingegen spielt diese Einteilung keine Rolle bei der Behand-lung akuter Exazerbationen.

Klinische Beurteilung eines Asth-maanfalls auf der Notfallstation

Anamnese• Erfrage typische Symptome wie Giemen,

Atemnot, Husten (insbesondere nachts), Schlafstörungen, Anstrengungsintoleranz, Sprechdyspnoe, Trinkschwäche.

• Erkenne mögliche Auslösefaktoren: > Virale Infektion der oberen Atemwege

(insbesondere bei Kindern unter 5 Jahren) > Exposition gegenüber inhalativen Aller-

genen, z. B. Pollen, Hausstaubmilben oder Katzenhaaren (insbesondere bei Kindern über 5 Jahren)

> Exposition gegenüber inhalativen Noxen (z. B. Tabak)

> Anstrengung (insbesondere bei kaltem und trockenem Wetter)

• Erfasse genau die bisher für die akute Be-handlung und/oder für die Basistherapie verwendeten Medikamente (Bronchodila-tatoren, inhalative Kortikosteroide, Monte-lukast usw.)

• Ermittle bekannte Risikofaktoren für eine schwere Exazerbation (siehe Tabelle 1)

• Suche nach Atopien beim Patienten und in der direkten Familie (Verwandte 1. Grades)

• Denke daran eine Fremdkörperaspiration auszuschliessen (altersabhängig)

Klinische Untersuchung• Atemfrequenz, SpO2, Zeichen von Atemnot

(juguläre, interkostale, subkostale Retrak-tionen, Einsatz der Atemhilfsmuskulatur, thorako-abdominelle Asynchronie, Nasen-flügeln, «Grunting»), Palpation eines Haut-emphysems am Hals, Sprechdyspnoe

• Auskultation der Lunge: symmetrischer Lufteintritt? verlängertes Exspirium? Gie-men? «silent chest»? (Letzteres ist ein Warnzeichen für eine drohende respirato-rische Insuffizienz.)

• Beurteilung des Hydrierungszustands

• Klinische Zeichen einer drohenden respi-ratorischen Erschöpfung: Agitiertheit, Somnolenz, Verwirrtheit (als Zeichen einer zerebralen Hypoxie)

Klinische ScoresIn der Schweiz finden mehrere Scores zur Schweregradbeurteilung Verwendung. Einige dieser Scores werden bei Erwachsenen und älteren Kinder, andere nur bei jüngeren Kin-dern angewendet.

Wir haben uns für den PRAM-Score (Paediatric Respiratory Assessment Measure) entschie-den, der ursprünglich für Kinder von 3 bis 6 Jahren entwickelt und später für Kinder von 2 bis 17 Jahren validiert wurde5). Dieser Score hat den Vorteil, dass er für Kinder aller Altersgrup-pen anwendbar ist. Er basiert auf leicht zu er-hebenden klinischen Kriterien und ist von di-daktischem Wert für die ärztliche Weiterbildung.

Drei Stunden nach Eintreffen des Kindes in der Notaufnahme ist der PRAM Score (nach erfolgter intensiver Behandlung) ein guter Prädiktor des Hospitalisationsrisikos6).

Kürzliche Hospitalisation wegen einer Exazerbation

Schwerer Anfall mit Hospitalisation auf einer Intensivstation in der Anamnese

Mehrere orale Kortikoidtherapien in den vergangenen 12 Monaten

Maximal dosierte Basistherapie mit inhalativen Steroiden (entsprechend 500 µg/Tag Fluticason oder 800 µg/Tag inhalatives Budesonid)

Begleiterkrankungen wie z. B. angeborene Herzerkrankung, chronische Lungenerkrankung, bronchopulmonale Dysplasie, Frühgeburtlichkeit

Tabelle 1: Risikofaktoren für schwere Exazerbationen (Entnommen aus: Infants and Children - Acute Management of Asthma, NSW Health, 2012)

0 1 2 3

Juguläre Einziehungen Fehlend - Vorhanden -

Kontraktion der Musculi scaleni Fehlend - Vorhanden -

Atemgeräusch Normal Abgeschwächt an der Basis

Abgeschwächt an Apex und Basis

Fehlend/sehr gering

Giemen Fehlend Exspiratorisch Inspiratorisch und exspira-torisch

Mit dem blossem Ohr hörbar oder «silent chest»

O2-Sättigug ≥ 95 % 92-94 % < 92 % -

PRAM-Gesamtscore 0-3 4-7 8-12

Schweregrad des Anfalls Leicht Moderat Schwer

Hospitalisationsrisiko Gering (< 10 %) Mittel (10-50 %) Hoch (> 50 %)

Tabelle 2: PRAM-Score (Paediatric Respiratory Assessment Measure), adaptiert von Ducharme FM, et al. The Pediatric Respiratory Assessment Measure: a valid clinical score for assessing acute asthma severity from toddlers to teenagers. The Journal of Pediatrics, 2008, vol. 152, no 4, p. 476-480

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

Eine regelmässige, wiederholte Beurteilung der klinischen Symptomatik und des Anspre-chens auf die Behandlung ist essentiell.

Zusätzliche Untersuchungen Zusatzuntersuchungen sind nur im Falle eines schweren Anfalls und/oder eines unzurei-chenden Ansprechens auf die Behandlung von Bedeutung7).

• Blutgasanalyse > Blutgasanalysen sind bei Kindern mit

einem schwerem Anfall im stationären Setting gerechtfertigt.

> Der PCO2–Wert muss auch in Relation zur Atemfrequenz interpretiert werden. Ein normaler oder nur leicht erhöhter PCO2 ist beim Vorliegen einer Tachypnoe Ausdruck einer respiratorischen Insuffizienz.

> Ein niedriger PCO2 kann selten auch Folge einer respiratorischen Kompensati-on einer Laktatazidose, die als Nebenwir-kung von hochdosiertem Salbutamol auf-treten kann, sein8).

• Thoraxröntgen > Eine Röntgenuntersuchung sollte beim

schwerem Anfall und/oder bei unzurei-chendem Ansprechen auf die Initialthera-pie zum Ausschluss eines Pneumothorax vorgenommen werden.

> Eine Röntgenuntersuchung sollte auch bei Verdacht auf eine Pneumonie oder ei-nen Fremdkörper erfolgen.

• Entzündungswerte im Blut > Eine Bestimmung der Entzündungswerte

im Blut ist nicht notwendig, da die meisten Exazerbationen durch Viren ausgelöst wer-den.

> Im Fall einer schweren Krise mit schlech-tem Therapieansprechen und einem Fie-berfokus kann ein venöser Zugang mit Abnahme von Blutkultur, Blutbild und CRP in Erwägung gezogen werden.

Therapie der akuten obstruktiven Bronchitis und des Asthmaanfalls auf der Notfallstation

SauerstofftherapieSauerstoff kann das Gefühl der Dyspnoe re-duzieren. Eine Sättigung ≤ 92 % bei Eintritt ist mit einer erhöhten Hospitalisationswahr-scheinlichkeit verbunden.

In der Literatur finden sich unterschiedliche Grenzwerte, ab wann Sauerstoff appliziert werden soll.

• Wir empfehlen bei einer Sättigung ≤ 90 % Sauerstoff zu verabreichen, wobei der Allgemeinzustand des Kindes und die Atemarbeit zu berücksichtigen sind.

• Unter Sauerstofftherapie empfehlen wir einen Sättigungszielwert ≥ 94 %.

Kurzwirksame ß2-Sympathomimetika: Salbutamol (Ventolin®) Salbutamol ist ein kurzwirksamer Bronchodi-latator (Wirkungseintritt nach 5-10 Minuten, Wirkungsdauer 3-4 Stunden). Die Inhalation von Salbutamol ist die erste Therapiemass-nahme (Empfehlungsgrad A).

Salbutamol wird als wirksamer beschrieben, wenn es als Dosieraerosol via Vorschaltkam-mer und nicht mit einem Vernebler verabreicht wird. Zudem treten unerwünschte Wirkungen wie z. B. Tachykardie und Hypoxämie seltener auf 9),10). Deshalb soll diese Applikationsform ausser bei sehr schweren Anfällen primär verwendet werden (Empfehlungsgrad A).

Bei sehr schweren Krisen soll Salbutamol aber mittels Vernebler und unter Umständen sogar kontinuierlich inhaliert werden. Es exis-tieren verschiedene Dosierungsempfehlun-gen. Wir empfehlen altersunabhängig mit 20 Tropfen (1ml) 0,5 %iger Salbutamol-Lösung (5 mg) verdünnt mit 2 ml NaCl 0,9 % (d. h. 1:3 verdünnt) zu beginnen. Danach ist es wichtig, den klinischen Zustand des Kindes regelmäs-sig zu beurteilen und bei fehlender Besserung eine Blutgasanalyse durchzuführen. Salbuta-mol kann bei sehr schweren Anfällen auch unverdünnt (0,5%) mittels Dauerverneblung oder im Extremfall auch intravenös verab-reicht werden.

Nebenwirkungen von Salbutamol sind Tachy-kardie, Hyperglykämie und Hypokaliämie, und werden generell gut toleriert. Sauerstoffsät-

tigung und Herzfrequenz müssen monitori-siert werden.

Cave: Bei der Gabe von hochdosiertem Salbu-tamol kann eine metabolische Laktatazidose auftreten8).

Anticholinergika: Ipratropiumbromid (Atrovent®)Gemäss mehreren Studien führt die Inhalation von Ipratropiumbromid, kombiniert mit Salbu-tamol, zu Beginn eines schweren Anfalls auf der Notfallstation zu einer Reduktion der Hospitalisationsrate (Empfehlungsgrad A) 11)-

13). Ein Benefit ist nach stationärer Aufnahme oder bei moderatem Asthma nicht nachweis-bar1).

Die meisten Studien zu Ipratropiumbromid schlossen keine Kinder unter 2 Jahren ein. Bei moderaten Exazerbationen fallen die Ergeb-nisse bezüglich der Hospitalisationsrate un-terschiedlich aus. Eine in Australien durchge-führte randomisierte Studie zu moderaten Exazerbationen bei Kindern von 2 bis 15 Jah-ren konnte keine Reduktion der Hospitalisati-onsrate nachweisen, wenn Ipratropiumbromid zusätzlich zu Salbutamol und Prednisolon gegeben wurde14).

Die beste dokumentierte Wirkung von Ipratro-piumbromid ist eine Verringerung der Hospi-talisationsrate. Deshalb empfehlen wir, Ipratropiumbromid bei Kindern älter als 2 Jahre nur bei schweren Exazerbation und nur 3-mal innerhalb der ersten Stunde anzuwen-den (Tabelle 4). Wenn Salbutamol in sehr kurzen Abständen oder kontinuierlich inha-liert werden muss, darf Ipratropiumbromid nach Aufnahme des Patienten (siehe oben) zusätzlich 6-stündlich während 24 Stunden inhaliert werden (ausschliesslich Experten-meinung).

Tabelle 3: Dosierung von Salbutamol (Ventolin®) via Vorschaltkammer (1 Hub = 100 µg)

Via Vorschaltkammer (1 Hub = 20 µg)

< 6 Jahre: 4 Hübe > 6 Jahre: 8 Hübe

Eine Stunde lang alle 20 Minuten Via Vernebler

(Ampulle 250 µg/ml = 20 Tropfen)

20 Tropfen

< 6 Jahre 6 HübeEine Stunde lang alle 20 Minuten

> 6 Jahre 12 Hübe

Tabelle 4: Dosierung von Ipratropiumbromid (Atrovent®)

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Systemische Behandlung mit Gluko-kortikoiden Kortikosteroide mindern die Entzündung und die Schleimproduktion. Bei akuten Exazerba-tionen beschleunigen sie das Abklingen der Exazerbationen, mindern das Rezidiv- und Hospitalisationsrisiko und den Bedarf an ß2-Sympatomimetika1),15).

Es wird empfohlen, die Kortikosteroide bei moderater oder schwerer Exazerbation syste-misch anzuwenden (Empfehlungsgrad A)1).

Die Kortikosteroide sollten in der ersten Stun-de verabreicht werden insbesondere wenn:

• die initiale Inhalationstherapie zu keiner schnellen Besserung der Symptome führt,

• die Exazerbation trotz einer Therapie mit gut dosierten oralen oder inhalativen Kor-tikosteroiden aufgetreten ist,

• beim Patient bereits früher eine schwere Exazerbation aufgetreten ist, die mit ora-len Kortikosteroiden behandelt werden musste1).

Oral verabreichte Kortikosteroide sind ebenso wirksam wie intravenös verabreichte1).

Sollen Kinder im Vorschulalter bei akuter obs-truktiver Bronchitis orale Kortikosteroide erhal-ten?Der Benefit oraler Kortikosteroide ist bei Kindern im Vorschulalter mit akuten obstruk-tiven Bronchitiden umstritten. Eine randomi-sierte Studie, die bei 700 Kindern im Alter zwischen 10 und 60 Monaten eine 5-tägige orale Prednison-Therapie gegenüber Placebo verglich, fand keinen signifikanten Unter-schied bezüglich der Hospitalisationsdau-er16),17).

Bei rezidivierenden obstruktiven Bronchitiden bei Kindern im Vorschulalter liegt primär eine neutrophile Atemwegsentzündung vor, wäh-rend beim Asthma bei Kindern im Schulalter eine eosinophile Atemwegsentzündung cha-

rakteristisch ist, was das bessere Ansprechen auf Kortikosteroide erklärt17).

• Wir empfehlen, bei Kindern unter 2 Jahren orale Kortikosteroide ausschliesslich bei stationärer Behandlungsbedürftigkeit an-zuwenden (gemäss den britischen Empfeh-lungen, BTS 2014) 4),9).

Prednison, Dexamethason, Betametha-son oder Methylprednisolon?Bisher wurde für die orale Gabe immer Pred-nison empfohlen (1 bis 2 mg/kg/Tag, 3 bis 5 Tage). Mehrere Studien, vorwiegend bei Kin-dern von 5-6 Jahren durchgeführt, zeigten, dass Dexamethason (0,6 mg/kg/Tag, 1 Tag lang) nicht weniger wirksam ist. Der Vorteil von Dexamethason ist seine längere Halb-wertszeit (36 bis 72 Stunden gegenüber 12 bis 36 Stunden bei Prednison)18)-20). Dies würde die Gabe von Dexamethason als Ein-maldosis erlauben. Dexamethason könnte so für die ambulante Behandlung eines modera-ten Anfalls bei Kindern, die älter als 5 Jahre sind, eingesetzt werden. Wegen der kürzeren Halbwertszeit empfehlen wir für die stationä-re Behandlung die Verwendung von Predni-son.

Zur Behandlung von Kleinkindern verwenden einige Kliniken Betamethason (Betnesol®) in einer Dosis von 0,2 mg/kg/Tag, das wegen seiner Galenik leichter verabreicht werden kann.

Gemäss den britischen Richtlinien ist orales Prednison bei Kindern das Kortikosteroid der Wahl zur Behandlung von Asthmaanfällen (Empfehlungsgrad B) 9).

• Wir empfehlen die Anwendung von Predni-son in einer Dosis zwischen 1-2 mg/kg/Tag über 3 bis 5 Tage (maximal 60 mg/Tag). Bei ambulanter Therapie kann bei Kindern über 5 Jahren auch Dexamethason angewendet werden. Als Alternative bietet sich auch Betamethason an.

• Bei schwerem Asthmaanfall kann Methyl-prednisolon (Solumedrol®) in einer Dosis von 2 mg/kg (max. 60 mg) intravenös verabreicht werden, falls eine orale Ein-nahme unmöglich ist (s. Tabelle 5).

Zweitlinien-Therapien Als Zweitlinien-Therapien kommen intravenö-ses Salbutamol, Magnesiumsulfat, Amino-phyllin, Heliox, volatile Anästhetika und Keta-min zum Einsatz. Diese Arzneimittel finden ausschliesslich auf Intensivstationen Verwen-dung, wenn ein sehr schwerer Asthmaanfall nicht auf die übliche Therapie anspricht. In der Literatur findet sich hierfür wenig Evidenz, weshalb hier nicht weiter darauf eingegangen wird. Es sei lediglich die Behandlung mit Ma-gnesiumsulfat erwähnt, die in der Notaufnah-me vor Verlegung auf die Intensivstation ein-geleitet werden kann. Die Dosierung ist in Tabelle 6 spezifiziert. Die wichtigsten Neben-wirkungen sind arterielle Hypotonie und Bra-dykardie.

Die Kriterien für die Aufnahme auf die Inten-sivstation sind in Tabelle 7 zusammengefasst. Diese Kriterien können in den einzelnen päd-iatrischen Einrichtungen in Abhängigkeit von den jeweils vorhandenen Überwachungskapa-zitäten möglicherweise variieren. Auf jeden Fall soll in schweren Fällen der Intensivmedi-ziner beigezogen werden.

Hospitalisationskriterien• Sauerstoffgabe notwendig (SpO2 < 90 %

im Wach- oder Schlafzustand).• Salbutamol muss häufiger als alle 3-4

Stunden inhaliert werden (abhängig auch von Therapieadhärenz und Compliance der Eltern).

• Trinkschwäche (Hydrierung, Medikamente).

Neben diesen obligaten Hospitalisationskrite-rien sollen auch folgende Risikofaktoren situ-ativ berücksichtigt werden:

Prednison Dexamethason Betamethason Methylprednisolon

Art der Verabreichung per os per os per os i. v.

Äquivalenzdosis 5 mg 0,75 mg 0,75 mg 4 mg

Halbwertszeit 12-36 h 36-72 h 36-54 h 12-36 h

Dosis (/Tag) 1-2 mg/kg (max. 60 mg) 0,6 mg/kg 0,2 mg/kg 2 mg/kg (max. 60 mg)

Behandlungsdauer 3-5 Tage 1 Einmaldosis 2-5 Tage 3-5 Tage (sobald wie möglich oral)

Tabelle 5: Orale Kortikosteroide

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

• Wiederholte Vorstellung auf der Notfallsta-tion.

• Vorangegangene Behandlung auf der Inten-sivstation.

• Grunderkrankungen (Bronchopulmonale Dysplasie, kongenitale Herzerkrankung, neuromuskuläre Erkrankung).

• Ungünstige soziale oder familiäre Verhält-nisse.

EntlassungsplanungWichtigste Kriterien für eine Entlassung nach Hause sind die deutliche Besserung des klini-schen Zustands und der bronchialen Obstruk-tion. Das Kind muss mit einer Salbutamol-inhalation alle 3-4 Stunden stabil sein und eine Sättigung von ≥ 92 % aufweisen.

Die Eltern müssen instruiert werden, wann ein erneutes Aufsuchen der Notfallstation erfor-derlich ist, das heisst zunehmende Atemnot mit Sprechdyspnoe, Trinkschwäche oder Schlaflosigkeit. Für die Entlassung nach Hau-se ist ein Behandlungsplan zu erstellen, der folgende Verordnungen enthält:

• Salbutamol: 200 µg alle 4 Stunden mit Verlängerung der Intervalle bis zum Abset-zen des Medikaments nach einer Woche. Nach Besserung der Bronchoobstruktion können die Abstände zwischen den Salbu-tamol-Gaben rasch verlängert werden.

• Orale Kortikosteroide: Prednison 1-2 mg/kg/Tag (max. 60 mg) über 3-5 Tage. Alter-nativ kann bei Kindern über 5 Jahren auch einmalig eine Dosis Dexamethason (0,6 mg/kg) verabreicht werden, da dieses eine längere Halbwertszeit besitzt. (Siehe Tabelle 5)

Die Inhalationstechniken müssen überprüft werden. Wenn der Patient bereits eine Basis-therapie hatte (inhalatives Kortikosteroid al-lein oder in Kombination mit einem langwirk-samen ß2-Mimetikum) soll diese wieder aufgenommen und vor der stationären Entlas-sung gegebenenfalls angepasst werden.

Im Anschluss an eine akute Exazerbation muss die antiasthmatische Therapie reevalu-iert werden. Die Anpassung oder der Abbruch einer antiasthmatischen Basistherapie erfolgt durch den Kinderarzt oder Kinderpneumolo-gen.

Sonderfall – Kind benötigt Intensivbehand-lung: In dieser Situation soll ein Kinderpneu-mologe die Weiterbehandlung nach Entlas-

< 30 kg Ladedosis 75 mg/kg (0,3 mmol/kg) i. v. über 20 Minuten, danach 40 mg/kg/h i. v. kontinuierlich über 4 Stunden

> 30 kg Ladedosis 50 mg/kg (0,2 mmol/kg) i. v. über 20 Minuten (max 2 g), danach 40 mg/kg/h i. v. kontinuierlich über 4 Stunden

Tabelle 6: Dosierung von Magnesiumsulfat 20 %, 200 mg/ml = 0,8 mmol/ml. Adaptiert nach21)

Hypoxämie mit normalem oder erhöhtem PaCO2

Schwere respiratorische Azidose

Hämodynamische Instabilität

Erschöpfung des Patienten («silent chest»)

Veränderter Bewusstseinszustand

Kontinuierliche Inhalation von Salbutamol, Gabe von Magnesiumsulfat i. v. und/oder fehlendes Ansprechen auf die inhalative Therapie

Kürzlich erfolgte Hospitalisation mit Beatmung auf einer Intensivstation

Tabelle 7: Kriterien für die Einweisung auf eine Intensivstation

sung verordnen und anpassen. Eine kinderpneumologische Nachkontrolle ist 4 bis 6 Wochen nach Entlassung empfohlen.

Das Wichtigste für die Praxis • Es stehen mehrere klinische Scores zur

Beurteilung des Schweregrads eines Asth-maanfalls zur Verfügung. Wir empfehlen die Anwendung des PRAM-Scores, da er bei Kindern aller Altersgruppen anwendbar ist.

• Zusätzliche Untersuchungen, wie Blutgas-analyse, Thoraxröntgen oder Messung von Infektparametern, sind nur beim schweren Anfall mit unzureichendem Therapiean-sprechen sinnvoll.

• Die in der Literatur angegebenen Grenz-werte für die Applikation von Sauerstoff variieren. Wir empfehlen unter Berücksich-tigung der Atemarbeit einen unteren Grenzwert von 90 % festzulegen.

• Salbutamol ist das erste Medikament der Wahl. Dieses sollte in der Mehrzahl der Fälle via Dosieraerosol mit Gebrauch einer Vorschaltkammer inhaliert werden.

• Wir empfehlen die Gabe von Ipratropium-bromid ausschliesslich bei Kindern über 2 Jahren mit schwerer Exazerbation.

• Die Wirkung oraler Kortikosteroide bei akuter obstruktiver Bronchitis im Vorschul-alter ist umstritten. Wir empfehlen Korti-kosteroide bei Kindern unter 2 Jahren nur bei einem hospitalisationspflichtigen Anfall anzuwenden.

Referenzen (**wichtigste Quellen)1) Global Strategy for Asthma Management and Pre-

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

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20) Cronin JJ, McCoy S, Kennedy U, Fhailí SN, Wakai A, Hayden J, et al. A Randomized Trial of Single-Dose Oral Dexamethasone Versus Multidose Predniso-lone for Acute Exacerbations of Asthma in Children Who Attend the Emergency Department. Annals of emergency medicine, 2016, vol. 67, no 5, p. 593-601. **

21) Egelund TA, Wassil SK, Edwards EM, Linden S, Ira-zuzta JE. High-dose magnesium sulfate infusion protocol for status asthmaticus: a safety and pharmacokinetics cohort study. Intensive care medicine, 2013, vol. 39, no 1, p. 117-122.

22) Castro-Rodriguez JA, Rodrigo GJ, Rodríguez-Martí-nez CE. Principal findings of systematic reviews of acute asthma treatment in childhood. Journal of Asthma, 2015, vol. 52, no 10, p. 1038-1045.

23) Gehri M, Laubscher B, Di Paolo ER, Roth-Kleiner M, Joseph JM, Mazouni SM. Vade-Mecum de Pédiatrie, 3ème edition – Ed. BabyGuide, 2006.

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Referenzen 1/ De Giorgio R et al., Use of macrogol 4000 in chronic constipation. Eur Rev Med Pharmacol Sci. 2011 Aug;15(8):960-6. 2/ Chaussade S et al., Comparison of efficacy and safety of two doses of two different polyethylene glycol-based laxatives in the treatment of constipation. Aliment Pharmacol Ther. 2003 Jan;17(1):165-72. 3/ Katelaris P et al., Comparison of the effectiveness of polyethylene glycol with and without electrolytes in constipation: a systematic review and network meta-analysis. BMC Gastroenterol. 2016 Mar 31;16:42. 4/ Arzneimittelinformation www.swissmedicinfo.ch.Laxipeg® / - aromafrei Z: Macrogol 4000. I: Obstipation bei Erwachsenen und Kindern. D: Beutelinhalt in 125 ml Wasser auflösen und rasch trinken. Bei Laxipeg aromafrei kann auch ein anderes Getränk gewählt werden. Erwachsene und Kinder > 8 J.: 1 - 2 Beutel/Tag; Pulver aus Dose: 4 - 8 volle Messlöffel/Tag; Tageshöchstdosis von 20 g Pulver nicht überschreiten. Kinder < 8 J und weniger als 20 kg schwer: übliche Anfangsdosis 0,7 g/kg täglich. KI: schwere entzündliche Darmerkrankungen (Colitis ulcerosa, Morbus Crohn), toxisches Megakolon, Perforation oder Gefahr einer Perforation im Verdauungstrakt, Ileus oder Verdacht auf intestinale Obstruktion, Schmerzen im Bauchraum unbest. Ursprungs, Überempfindlichkeit gegenüber Macrogol oder einem der Hilfsstoffe. VM: Kinder von 6 Mt. - 2 J. (KG von mind. 6 kg) nur nach Rücksprache mit Arzt anwenden. Bei jüngeren und leichteren Kindern nicht anwenden. Vor Behandlungsbeginn organische Funktionsstörung ausschliessen; max. Therapiedauer bei Kindern: 3 Mt. Vorsicht bei Diarrhö bei Patienten mit Störungen des Wasser-Elektrolyt-Haushalts. UW: Meteorismus und/oder Abdominalschmerzen, Nausea, Diarrhö. Schwangerschaft: Vorsicht geboten. P: Laxipeg Beutel 10 g: 20 und 100; Dose Pulver: 200 g; Laxipeg aromafrei Beutel 10 g: 20 und 100; Dose Pulver: 200 (C* Lim.). [Mai 2013]. Ausführliche Angaben finden Sie auf www.swissmedicinfo.ch.

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Generelle AspekteAlle Kinder husten und gesunde Kinder husten zwischen 1-34-mal pro Tag. Dabei zeigt sich in der Regel eine grosse Variabilität in der Intensität wie auch den Tageszeiten. Am häu-figsten husten Kinder im Rahmen von Erkäl-tungen. Solche infektassoziierte Hustenepi-soden treten bei einem gesunden Kind im Vorschulalter ca. 6-10-mal im Jahr auf. 50% der Kinder sind jeweils nach einer Woche und 75% nach 2 Wochen hustenfrei, aber ca. 10% der Kinder zeigen Hustenepisoden mit einer Dauer von mehr als 4 Wochen1).

Husten beim Kind ist einer der häufigsten Vorstellungsgründe in der kinderärztlichen Praxis und kann eine erhebliche Belastung für Patient und Familie darstellen. Dies wieder-spiegelt sich im hohen Verbrauch von soge-nannten «over the counter» Hustenmitteln. Es kann mitunter für den Kinderarzt schwer sein zu entscheiden, ob ein chronischer Husten noch als «normal» beurteilt werden kann, oder ob weitere Abklärungen erfolgen sollen. Zu oft wird chronischer Husten als Asthma diagnos-tiziert und bis zwei Drittel der wegen chroni-schem Husten zugewiesenen Kinder hatte zuvor eine Asthmatherapie bekommen, die oft nicht hilfreich war2). Chronischer Husten ist aber auch manchmal durch eine relevante zugrundeliegende Pathologie verursacht. Eine verspätete Diagnose (z. B. bei verpasster Fremdkörperaspiration) kann dann zu einer chronischen Lungenpathologie führen3).

Wir möchten mit diesem Artikel aufzeigen, welche Abklärungen und Massnahmen bei chronischem Husten wann sinnvoll erschei-nen. Die zeitliche Grenze ab wann ein konti-nuierlicher, das heisst täglicher Husten, als chronisch bezeichnet werden soll, schwankt je nach Literaturangabe zwischen 4 und 8 Wochen. Aufgrund der oben besprochenen Schwierigkeiten der Abgrenzung zum banalen Erkältungshusten bevorzugen die Autoren 8 Wochen als Definition für einen chronischen Husten.

1 Fachbereich Peumologie, Universitäts-Kinderspital Zürich, Steinwiesstrasse 75, 8032 Zürich; 2 Fachbereich Pneumologie, Kinderklinik Luzern, Spitalstrasse, 6000 Luzern 16

Abklärung und Behandlung von chronischem Husten beim KindAlexander Möller1, Zürich; Nicolas Regamey2, Luzern

Differentialdiagnosen des chroni-schen Hustens beim KindUnter den Kindern mit chronischem Husten finden sich gesunde Kinder (z. B. mit einem prolongierten postinfektiösen Husten), Kinder mit einer heilbaren (z. B. einer protrahierten bakteriellen Bronchitis, Fremdkörperaspirati-on) oder einfach behandelbaren Krankheit (z. B. Asthma), Kinder mit einer ernsten pul-monalen Grunderkrankung (z. B. primäre Zili-endyskinesie, cystische Fibrose) und letztend-lich auch Kinder mit einer Hypersensitivität für die Symptomatik, respektive deren Eltern (z. B. psychogener Husten, übertriebene Angst bei normaler Hustenhäufigkeit).

Tabelle 1 zeigt eine Übersicht über die wich-tigsten Differentialdiagnosen bei chroni-schem Husten im Kindesalter. Einige spezifi-sche Differentialdiagnosen werden im folgenden Abschnitt genauer beschrieben.

Prolongierter postinfektiöser Husten («postinfektiöse Hyperreagibilität der Hustenrezeptoren», «cough hypersen-sitivity syndrome»)Die postinfektiöse Hypersensitivität des Hus-tenreflexes ist eine der wichtigsten Ursachen

für chronischen Husten4). Klinisch präsentiert sie sich mit Hustenanfällen, welche durch niederschwellige Reize im Alltag wie die Expo-sition zu Tabakrauch, Aerosolen, Gerüchen, Temperaturwechsel oder Lachen / Weinen getriggert werden. Dies beeinträchtigt die Lebensqualität der Kinder signifikant. Die Betroffenen beschreiben Symptome wie «das Gefühl husten zu müssen», ein «Fremdkörper-gefühl im Hals» (oft als Schleim beschrieben, der nicht weggehustet werden kann), manch-mal auch «Schmerzen» oder eine «Atemwegs-enge». Anamnestisch lässt sich oft ein Infekt erhärten, mit dem «alles angefangen hat».

Chronische obstruktive Rhinopathie mit posteriorer Rhinorrhoe («post nasal drip syndrome», «syndrome descendant», «rhinobronchiales Syndrom», «upper airway cough syndrome»)Nebst infektiösen Ätiologien sind vor allem allergische Reaktionen (insbesondere bei Hausstaubmilbenallergie) und eine Adenoid-hyperplasie ursächlich für eine obstruktive Rhinopathie mit posteriorer Rhinorrhoe. Sie ist eine häufige Ursache von chronischem Husten beim Kind. Dieser ist trocken, kann aber auch von Auswurf begleitet sein, vor al-lem wenn Schleim aus den oberen Atemwe-gen in das Tracheobronchialsystem fliesst. Typische Symptome sind behinderte Nasen-atmung, Räusperzwang, Reizhusten, Heiser-keit und ein Fremdkörpergefühl im Hals, das vor allem im Liegen und beim Aufstehen am Morgen auftritt. Begleitend können Kopf-,

Abbildung 1: Postinfektiöse Hyperreagibilität der Hustenrezeptoren, modifiziert nach3)

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

Gesichts- und Thoraxschmerzen und ein all-gemeines Krankheitsgefühl vorhanden sein.

Umwelteinflüsse (insbesondere Tabakrauchexposition)Umwelteinflüsse, insbesondere die Passiv-rauchbelastung, sind häufige Auslöser von chronischem Husten bei Kindern. Auch Kin-der, die in stark verkehrsbelasteten Regionen wohnen, leiden vermehrt unter chronischem Husten, aufgrund einer Reizung der Atemwe-ge durch Feinstaub und anderen Schadstoffen wie Schwefeldioxid oder Stickstoffdioxid.

Asthma bronchialeIm Gegensatz zur Situation bei Erwachsenen, bei denen das Asthma bronchiale einer der Hauptverursacher für chronischen Husten darstellt, wird es bei chronisch hustenden Kindern oft überdiagnostiziert. Husten alleine (ohne Wheezing) ist ein schlechter Parameter für die Diagnose eines Asthmas. Das soge-nannte «cough-variant» Asthma mit Husten alleine ist selten.

Gastroösophagealer Reflux Wie beim Asthma ist der gastroösophageale Reflux (GOER) bei Kindern eine eher seltene

Ursache von chronischem Husten. Der GOER kann eine chronische Reizung der laryngealen Strukturen und der oberen Atemwege verur-sachen und ist tendenziell bei kleineren Kin-dern ursächlich für chronischen Husten. Oft kann nicht definitiv geklärt werden, ob der GOER ursächlich für oder eine Konsequenz von chronischem Husten ist.

Dysfunktioneller (habitueller oder psychogener) HustenDer habituelle Husten ist seltener als ange-nommen und ist charakterisiert durch lauten repetitiven Husten, manchmal als Räusper-

Trockener HustenProlongierter postinfektiöser Husten («postinfektiöse Hyperreagi-bilität der Hustenrezeptoren», «cough hypersensitivity syndrome»)

Infekt zu Beginn; oft nachts hustenfrei; Husten bei Anstrengung und Kälte; Husten oft anfallsartig oder in Clustern

Chronische obstruktive Rhinopathie mit posteriorer Rhinorrhoe («post nasal drip syndrome», «syndrome descendant», «rhinobron-chiales Syndrom», «upper airway cough syndrome»)

Husten v. a. nach dem Abliegen, kaum im Schlaf; Husten oft morgens; Haus-staubmilbenallergie; Husten, Hüsteln, Räuspern oft kontinuierlich; Reiz in Halsregion angegeben. Der Husten ist manchmal produktiv. Lokalbefund: obstruktive Rhinopathie; Schleimstrasse an Rachenhinterwand

Umwelteinflüsse (insbesondere Tabakrauchexposition) Anamnestisch eruierbar. Wichtig ist, dass Tabakrauchexposition zusätzlich zu allen anderen Differentialdiagnosen vorhanden sein kann

Asthma bronchiale In der Regel auch Wheezing vorhanden; trockener Husten v. a. bei Anstren-gung, nachts aus dem Schlaf (nach Mitternacht); Hustenanfälle in der Exa-zerbation. Lungenfunktion mit reversibler Atemwegs-Obstruktion, probato-rische Asthmatherapie wirksam

Gastroösophagealer Reflux Betrifft vorwiegend kleinere Kinder; Husten vermehrt im Liegen, respektive im Schlaf, unabhängig von der Nachtzeit. Probatorische Säureblockade wirksam

Infektiöse Ursache (Pertussis, Parapertussis, Tuberkulose) Impfanamnese; Herkunftsland; Umgebungsanamnese. Husten anfallsartig bei Pertussis/Parapertussis

Dysfunktioneller (habitueller oder psychogener) Husten Verschwindet bei Ablenkung, im Schlaf; oft von merkwürdigem Charakter; theatralisches Verhalten

Fremdkörperaspiration Anamnese; lokalisierte Befunde in der Auskultation; unilaterale Überblähung

Interstitielle Pneumopathien Tachypnoe; intercostale Einziehungen; reduzierte Sauerstoffsättigung

Herzvitien / Herzinsuffizienz Spezifische Untersuchungsbefunde; Zeichen der Herzinsuffizienz; radiologi-sche Auffälligkeiten

Seltene Ursachen, wie z. B. thorakale Tumoren Radiologische Auffälligkeiten, auffällige Lungenfunktion

Produktiver HustenProtrahierte bakterielle Bronchitis Beginn in der Regel mit einem Infekt; keine spezifischen Auffälligkeiten; un-

auffälliger klinischer Status

Cystische Fibrose Immer noch daran denken, trotz neonatalem Screening; Gedeihstörung; Stuhlauffälligkeiten; Schweisstest

Primäre ziliäre Dysfunktion Beginn neonatal: Rhinitis, prolongierte Tachypnoe, Sauerstoffbedarf; chro-nische Sinusitis, rezidivierende Otitis media

Non-CF-Bronchiektasen Begin oft unklar, evtl. Pneumonie oder mögliches Aspirationsereignis; Im-mundefekt. Unilateraler Auskultationsbefund; radiologische Auffälligkeiten nicht obligat

Anatomische Ursache (Atemwegsmalformation, Tracheobroncho-malazie)

Früher Beginn der Symptomatik; lokalisierte Auskultationsbefunde; radiolo-gische Befunde. Wichtig ist, dass gerade die Tracheobronchomalazie durch-aus auch mit trockenem Husten einhergehen kann

Immundefekt Infektanamnese (u. a. Hautinfekte, repetitive Pneumonien)

Aspirationen Neurologische Grunderkrankung; Schluckstörung; Assoziation mit Nahrungs-aufnahme

Tabelle 1: Häufige Differentialdiagnosen und Merkmale bei chronischem Husten im Kindesalter

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Anamnestische Punkte

Qualität des Hustens Feucht oder trocken?Bellend, Pseudokrupp-ähnlich?Merkwürdig, hupend?Paroxysmal?

Schwere Lebensqualität beeinträchtigt?Schlaf beeinträchtigt?

Beginn Neonataler Beginn?Hustenfreie Periode nach Geburt?Beginn mit einem Infekt?Beginn nach Verschlucken?

Verlauf Dauer: wie viele Wochen?Ausprägung: wellenförmig, persistierend, hustenfreie Perioden?Tageszeitlicher Verlauf?Abhängigkeit vom Essen/Trinken?Ansprechen auf bisherige Therapien?

Assoziierte Symptome Wheezing?Dyspnoe?Gastroösophagaler Reflux?

Mögliche Auslöser Passivrauchexposition?Allergien?Körperliche Anstrengung?Was verschlechtert/lindert den Husten?Psychosoziale Belastungsfaktoren?

Untersuchungsbefunde

Generell Wachstum, Perzentilenknick?Uhrglasnägel, Trommelschlägelfinger?

Haut Kolorit, Atopie-Zeichen?

HNO Nasenschleimhaut, Nasenatmung?Posteriore Rhinorrhoe?Adenoid- /Tonsillenhyperplasie?

Pulmonal Zeichen der vermehrten Atemarbeit?Auskultation: fixierte Befunde?Thoraxform?

Tabelle 2: Wichtige anamnestische Punkte und klinische Untersuchungsbefunde bei der Dia-gnostik des chronischen Hustens

husten imponierend, in der Regel im Schlaf oder bei Ablenkung verschwindend (kann aber beim Einschlafen noch vorhanden sein). Häufig steht am Anfang ein zumeist viraler Luftwegsinfekt. Der Hustenreiz entwickelt sich als Reaktion auf die Schleimhautreizung der oberen Atemwege, wodurch ein Teufels-kreis von weiterer Schleimhautreizung ent-steht. Beide Geschlechter sind ähnlich betrof-fen. Die Dauer reicht von Wochen bis einige Monate. Typischerweise fehlt eine relevante Besserung der Symptome unter den oft vielen versuchten Therapien (Bronchodilatatoren, Steroide, Antibiotika, Antitussiva), und es kommt zu häufigen Arztkontakten. Die klini-sche Untersuchung wie auch die weiterfüh-renden Abklärungen (Lungenfunktion, Rönt-gen u. a.) sind unauffällig. Die Lebensqualität der Betroffenen und oft noch mehr der Fami-lie ist reduziert und nicht selten kommt es zu Schulabsenzen. Beim psychogenen Husten ist

die Symptomatik teilweise sehr stark ausge-prägt und auffallend ist ein manchmal physio-logisch nicht nachvollziehbares Hustenge-räusch mit teils merkwürdigen Lauten und ein assoziiertes theatralisches Verhalten5).

Protrahierte bakterielle Bronchitis Die protrahierte bakterielle Bronchitis (PBB), manchmal abgekürzt auch protrahierte Bron-chitis genannt, ist der häufigste Grund für chronischen produktiven Husten beim Kind. Klinisch wird die PBB definiert durch: i. isolier-ter produktiver Husten, ii. Verschwinden der Hustensymptomatik nach einer Antibiotika-therapie (mind. 14 Tage), iii. Absenz von spezifischen Hinweisen welche eine alterna-tive Ursache suggerieren6). Die PBB ist ge-häuft im Vorschulalter. Die Symptome ver-schlechtern sich in der Regel im Rahmen von viralen Luftwegsinfekten und oft husten die Kinder auch nachts. Deshalb wird nicht selten

fälschlicherweise ein Asthma diagnostiziert. Produktiver oder feuchter Husten weist auf vermehrtes Sekret in den unteren Atemwegen hin. Die PBB entspricht einer chronischen endobronchialen Infektion ohne systemische Entzündungszeichen. Dem Kind geht es in der Regel gut und es zeigt keine Hinweise für eine chronische Rhinosinusitis. Die broncho-alve-oläre Lavage zeigt bei einer hohen Prozent-zahl eine relevante bakterielle Infektion (>105 Keime) mit den führenden Bakterien Haemo-philus influenzae, Streptococcus pneumoniae, Staphylococcus aureus und Moraxella catar-rhalis7),8). Die Atemwegsentzündung ist cha-rakterisiert durch eine ausgeprägte Neutro-philie mit gesteigerten pro-inflammatorischen Zytokinen9).

Rationelle Diagnostik des chroni-schen HustensDie Anamnese hat einen sehr hohen Stellen-wert in der Diagnostik des chronischen Hus-tens und hilft, unnötige Untersuchungen und Therapieversuche zu reduzieren, gleichzeitig aber auch zielgerichtete weitere Untersuchun-gen einzuleiten (siehe Tabelle 2). Vor allem die anamnestische Unterscheidung von chroni-schem trockenem zum feuchten Husten ist essenziell («Haben Sie das Gefühl, Ihr Kind hat Sekret in den Atemwegen?»; «Ist der Husten schleimig?»; «Auswurf» haben Kinder in der Regel erst ab dem Schulalter). Es besteht eine hervorragende Übereinstimmung zwischen der elterlichen Anamnese und der objektiven Diagnostik in der Bronchoskopie bzgl. puru-lenter Atemwegserkrankung10).

Eine detaillierte klinische Untersuchung muss eine ausführliche Auskultation beinhalten (achte insbesondere auf asymmetrische Be-funde für kontinuierliche oder diskontinuierli-che Nebengeräusche). Bei einem Kind mit chronischem Husten sollte eine Thorax-Rönt-genuntersuchung in p.a.-Ebene in Betracht gezogen werden (Anatomie? lokalisierte Be-funde? Überblähung?). Eine Allergietestung (Hautest oder spezifische IgE für die häufigs-ten inhalativen Allergene; z. B. Hausstaubmil-benallergie) und eine Spirometrie (Frage nach reversibler Atemwegsobstruktion) bei Kindern im Schulalter sind differentialdiagnostisch wichtige Untersuchungen.

Bei chronisch produktivem Husten sollte, wenn möglich, ein Sputum gewonnen oder ein Rachenabstrich durchgeführt werden (Frage nach bakterieller Besiedelung, z. B. durch Haemophilus influenzae). Kinder mit chro-

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nisch produktivem Husten zeigen ausser einer PBB nicht selten weitere Pathologien wie anatomische Ursachen (z. B. Tracheomalazie), welche durch eine gestörte mukoziliäre Clea-rance die Schleimproblematik in den unteren Atemwegen unterhalten. Wenn der produktive Husten unter einer antibiotischen Therapie von 4 Wochen nicht sistiert, rezidiviert oder wenn klinische Warnzeichen wie Gedeihstö-rung oder Uhrglasnägel vorhanden sind (siehe Tabelle 3), sollte das Kind für weitere Abklä-rungen (u. a. Bronchoskopie, Lungen-CT oder –MRI, immunologische Tests, Zilienfunktions- und Schweisstest) an ein kinderpneumologi-sches Zentrum zugewiesen werden.

• Neonataler Beginn des Hustens• Chronischer produktiver Husten trotz antibiotischer Therapie• Progression des Hustens• Beginn nach Würgen/Erstickungssymptomatik• Husten beim Trinken/Essen• Hämoptyse, Dyspnoe• B-Symptome• Gedeihstörung• Infektanfälligkeit• Entwicklungsverzögerung, neurologische Erkrankung• Gesichtsanomalien• Uhrglasnägel, Trommelschlägelfinger• Fixierte Auffälligkeiten in der Auskultation

Tabelle 3: Warnzeichen, bei denen eine Überweisung an ein kinderpneumologisches Zentrum empfohlen ist

Abbildung 2 zeigt einen sinnvollen Algorith-mus zur Abklärung von chronischem Husten.

Therapeutisches ManagementAllgemeines Basis des Managements des chronischen Hustens ist die Abklärung. Wenn eine Grund-krankheit vorhanden ist oder gefunden wird, steht natürlich deren Behandlung im Vorder-grund. Erkannte Trigger (z. B. Tabakrauchex-position) sollten eliminiert werden.

HustenmittelFür die extrem häufig verwendeten sogenann-ten «over-the-counter» Hustenmittel (pflanz-

liche Mittel, Antitussiva, Antihistaminika, Schleimlöser, abschwellende Medikamente, Expektoranzien), die oft als Kombinationen angeboten werden, bestehen weder Stan-dards für die Verschreibung noch Studien zur Effektivität und Dosis13). Mehrere randomi-sierte Placebo-kontrollierte Studien zeigen keinen oder nur einen geringfügigen Unter-schied zwischen Placebo und aktiven Subs-tanzen. Honig und Lutschtabletten besitzen eventuell hustenlindernde Eigenschaften, so dass sie (ausser bei kleinen Kindern aufgrund der Gefahr von Botulismus oder Aspiration) bedenkenlos verabreicht werden können.

Für den Einsatz von Codein- oder Codeinderi-vat-haltigen Medikamenten zur Behandlung von chronischem Husten beim Kind gibt es keinerlei Evidenz14). Aufgrund des Risikos von klinisch relevanten Nebenwirkungen (Atem-suppression und Opioid-Toxizität) hat die Eu-ropäische Arzneimittelbehörde EMA eine Warnung publiziert mit der Empfehlung, diese Medikamente Kindern unter 12 Jahren nicht zu verabreichen. Die Amerikanische Arznei-mittelbehörde FDA und die American Acade-my of Pediatrics AAP empfehlen sogar, diese Medikamente bei Kindern unter 18 Jahren nicht anzuwenden.

Asthma-MedikamenteInhalative Betamimetika zeigen zwar einen positiven Effekt auf die Zilienfunktion, aber keine Überlegenheit über Placebo auf Husten-Scores15).

Leukotriene-Rezeptor Antagonisten (Monte-lukast®) sind für den Husten meistens nicht effektiv16). Zeitlich limitiert eingesetzt (z. B. 2-4 Wochen), können sie allenfalls hilfreich sein beim seltenen «cough variant» Asthma.

Inhalative Steroide (ICS) werden häufig und oft relativ unspezifisch eingesetzt. Ein Gross-teil von Kindern mit chronischem Husten hat daher mindestens einen ICS-Therapieversuch hinter sich. Bei Kindern mit trockenem Husten und einer Anamnese von Wheezing kann eine zeitlich limitierte Therapie versucht werden. Besser ist es, eine Asthmadiagnose vorher mittels einer Spirometrie mit nachgewiesener Broncholyse zu erhärten12).

Anticholinergika führen zu einer Reduktion der entzündlich bedingten Sekretproduktion sowie über eine Vagushemmung zur Entlas-tung der langsam adaptierenden Hustenre-zeptoren. Abbildung 2: Algorithmus zur Abklärung von chronischem Husten. Modifiziert nach11),12)

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Während eine gute Evidenz bei Erwachsenen vorliegt, gibt es keine Studien zum Einsatz von Anticholinergika bei chronischem Husten bei Kindern. Aufgrund positiver Erfahrungen setzen wir sie bei postinfektiösem trockenem Husten relativ häufig ein, z. B. in Form von Ipratropiumbromid als Aerosol mit einem Nassvernebler inhaliert17).

AntibiotikaEs gibt eine hohe Evidenz dafür, dass mit einer adäquaten antibiotischen Therapie bei Kindern <14 Jahren mit chronischem produktivem Hus-ten eine Verbesserung und Heilung erzielt werden kann18). Die antibiotische Therapie (empfohlen ist Co-Amoxicillin mit einem Amoxi-cillin-Anteil von 40mg/kg q12 h) sollte über mindestens 14 Tage erfolgen, da eine kürzere Therapiedauer mit einem Rezidiv innert kurzer Zeit assoziiert ist. Unbehandelt kann eine pro-trahierte bakterielle Bronchitis zur Bildung von irreversiblen Bronchiektasen führen.

Während Antibiotika die primäre Wahl bei chronisch produktivem Husten darstellen, ist deren Stellenwert bei trockenem Husten ge-ring. Bei Nachweis von Bordetella pertussis oder parapertussis in den Atemwegssekreten dient eine antibiotische Therapie mit Makroli-den vor allem der Umgebungsprophylaxe.

Spezifische IndikationenZeigt sich eine chronische oder allergische Rhinopathie mit Zeichen der posterioren Rhinorrhoe ist der Einsatz von topischen Ste-roiden (mindestens 4 Wochen) nebst einer guten Nasentoilette mit täglichen Nasenspü-lungen sinnvoll und sehr effektiv. Ergänzend kann bei einer allergisch bedingten Rhinopa-thie auch ein Leuktotriene-Rezeptor Antago-nist eingesetzt werden.

Für die Nahrungseindickung bei Kleinkindern mit GOER ist die Datenlage unklar. Ein thera-peutischer Versuch kann ohne Gefahr unter-nommen werden. Für Cisaprid ist kein Effekt gezeigt worden, für Protonenpumpenhemmer gibt es keine kontrollierten Studien19).

Eine sogenannte pro-tussive Therapie ist indi-ziert bei produktivem Husten, wenn eine mindestens 2-wöchige Antibiotikatherapie den Husten nicht zum Verschwinden bringt. Dabei wird eine Therapie durchgeführt, die sich an der Behandlung der cystischen Fibro-se anlehnt. Sie beinhaltet die Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung (3 oder 6%) und atemphysiotherapeutische Massnahmen.

Das Wichtigste für die Praxis • Der wichtigste anamnestische Hinweis bei

der Abklärung und Therapie von chroni-schem Husten beim Kind ist die Unter-scheidung von «trockenem» und «feuch-tem» (produktivem) Husten.

• Die häufigsten Ursachen für einen chroni-schen trockenen Husten beim Kind sind der prolongierte postinfektiöse Husten, die chronische obstruktive Rhinopathie mit posteriorer Rhinorrhoe und die Passivrau-chexposition. Asthma bronchiale und gast-roösophagealer Reflux sind seltenere Ur-sachen und werden oft überdiagnostiziert und -therapiert.

• Die häufigste Ursache von chronisch pro-duktivem Husten beim Kind ist die protra-hierte bakterielle Bronchitis, oft gekoppelt mit einer anatomischen Anomalie wie Tracheobronchomalazie. Eine adäquate antibiotische Therapie über mindestens 2 Wochen ist in dieser Situation indiziert, unter anderem um die Progression der Erkrankung in die Bildung von irreversiblen Bronchiektasen zu verhindern.

• «Over-the-counter» Hustenmittel sollten zurückhaltend eingesetzt werden, da de-ren therapeutischer Effekt fehlend oder gering ist. Codeinhaltige Hustenmittel soll-ten bei Kindern nur in Ausnahmefällen eingesetzt werden.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

EinleitungSchlafassoziierte respiratorische Störungen stehen in der kinderärztlichen Praxis gegen-über verhaltensbedingten, maladaptiven und Parasomnie-assoziierten Phänomenen im Hintergrund, können die Schlafarchitektur und Schlafqualität jedoch erheblich beein-trächtigen und letzteren über die wiederholt provozierten Arousals auch zugrunde liegen. Es wird unterschieden zwischen schlafassozi-ierten zentralen und obstruktiven Ventilati-onsstörungen, zudem können gewisse Symp-tome wie ein chronischer Husten schlafbetont auftreten. Die durch obere Luftwegsobstruk-tionen bedingten Ventilationsstörungen rei-chen vom einfachen Schnarchen bis hin zum obstruktiven Schlafapnoesyndrom (OSAS). Eine Obstruktion der unteren Atemwege ist in der Regel asthmatisch bedingt, differentialdi-agnostisch kommen selten fixe Obstruktionen in Betracht.

Die Atemphysiologie im SchlafDie spontane Atmungsaktivität unterliegt der Kontrolle des Atemzentrums im Hirnstamm. Dessen Steuerung erfolgt hauptsächlich über den lokalen CO2-Partialdruck (PaCO2), und wird in zweiter Linie beeinflusst durch Rück-meldungen von peripheren O2-Partialdruck (PaO2) Rezeptoren sowie durch Stimuli aus dem Kortex. Im Schlaf nimmt die kortikale Kontrolle des Muskeltonus ab, und der Atem-antrieb durch körperliche Bewegungen ent-fällt vollständig. Physiologischerweise redu-ziert sich dadurch das Atemzugsvolumen im Schlaf um etwa 25%, und auch Atemruhelage und alveoläre Ventilation nehmen ab. Entspre-chend steigt der PaCO2 um 3–4 mmHg, wäh-rend der PaO2 etwas fällt. Im Alter von 3 Mo-naten liegt die 5. Perzentile der mittleren Sauerstoffsättigung (SpO2) im Schlaf bei 93% und steigt bis 6 Monate auf 94-96%1). Im Non-REM-Schlaf typisch sind zudem Atemausset-zer bei Bewegungen und nach tiefen Seufzern, welche als Rekrutierungsmanöver verstanden werden und die Surfactantproduktion stimu-

1Pädiatrische Pneumologie und Intensivmedizin, Pädiatrisches Schlaflabor des Basler Zentrums für Schlafmedizin, Universitäts-Kinderspital beider Basel UKBB, Basel 2Pädiatrische Pneumologie und Intensivmedizin, unité de pneumologie pédiatrique, service des spécialités pédiatriques, département de l’enfant et de l’adolescent, Hôpitaux Universitaires Genève HUG, Genève

Schlafstörungen bei Kindern – pneumologische AspekteDaniel Trachsel, Basel1; Regula Corbelli, Genf2

lieren sollen. Der REM-Schlaf, der bei jungen Säuglingen bis über 50% der Schlafzeit ein-nehmen kann, ist charakterisiert durch eine unregelmässige Atemtätigkeit mit multiplen interponierten Apnoen von üblicherweise 4–8 Sekunden Dauer. Aufgrund des reduzierten Muskeltonus sind sowohl der Thorax wie auch die oberen Atemwege im REM-Schlaf weniger stabil, sodass im Säuglingsalter häufig eine thorakoabdominale Asynchronie («paradoxe Atmung») sowie physiologische obstruktive Atempausen beobachtet werden können, letztere allerdings mit einer jeweiligen Apnoe-dauer von unter 5 Sekunden2). Desaturatio-nen, Atempausen und paradoxe Atmung sind also bis zu einem gewissen Grad physiologi-sche Phänomene.

Schlafassoziierte obstruktive VentilationsstörungenBei Gesunden sind vergrösserte Adenoide und Tonsillen meistens an der Entstehung des OSAS beteiligt, wobei die Grösse der Tonsillen nur bedingt mit dem Schweregrad des OSAS korreliert3). Zu berücksichtigen sind aber auch kieferorthopädische, zum Teil durch die chro-nische Mundatmung selbst begünstigte Fak-toren wie ein schmaler Biss mit hohem Gau-men. Meist sind diese Faktoren im Kindesalter durch entsprechende kieferorthopädische Massnahmen partiell reversibel, sodass sich eine zahnärztliche Beurteilung bei entspre-chender Physiognomie empfiehlt.

Obwohl respiratorisch evozierte Arousals im Kindesalter häufig nur subkortikal ablaufen, beeinträchtigt die daraus resultierende Schlaffragmentierung die Architektur und Qualität des Schlafs. Nur etwa ein Viertel der Kinder mit OSAS klagen indes über Tagesmü-digkeit, aber praktisch alle Kinder mit OSAS schnarchen. Auch ein verschärftes Atemge-räusch im Schlaf («noisy breathing») oder ein chronischer nächtlicher Husten können Indi-zien für das Vorliegen einer schlafassoziierten obstruktiven Ventilationsstörung sein. Weite-

re Hinweise sind eine dauernd überstreckte Kopfhaltung, motorische Unruhe, nächtliches Schwitzen, häufiges Erwachen, Mundtrocken-heit bzw. morgendlicher Foetor und gelegent-lich auch Parasomnien oder Verhaltensauffäl-ligkeiten am Tag.

Verschiedene klinische Fragebögen, mit de-ren Hilfe das Vorliegen eines kindlichen OSAS anamnestisch eruiert werden soll, haben diese variable Symptomatologie zur Grundla-ge, haben sich allerdings als nur bedingt ver-lässlich erwiesen. Im Allgemeinen sind sie entweder recht sensitiv, aber dafür wenig spezifisch oder umgekehrt, sodass sich ein OSAS im Einzelfall nicht zuverlässig diagnos-tizieren oder ausschliessen lässt.

Kinder können obere Luftwegsobstruktionen im Schlaf rasch und effektiv über Lagewech-sel, kurze Kopfreklinationen oder eine anhal-tend überstreckte Kopfhaltung kompensieren. Viele vermeiden damit obstruktive Hypopno-en oder Apnoen, sodass eine stabile SpO2 in der Pulsoxymetrie oder das Fehlen obstrukti-ver Apnoen eine relevante schlafassoziierte Ventilationsstörung nicht ausschliessen. Zu beachten gilt, dass Pulsoxymetriegeräte in aller Regel die Messungen über ein Intervall von meist 10–15 Sekunden mitteln, um Fehl-alarme durch Bewegungsartefakte zu mini-mieren. Diese Mittelungen führen aber zu ei-ner Attenuierung kurzer, tiefer Desaturationen, wie sie beim kindlichen OSAS typisch sind4). Eine Erweiterung der nächtlichen Pulsoxymet-rie um ein nasales Flowmuster und die thora-kalen und abdominellen Atemexkursionen (Polygraphie) erhöhten die Zuverlässigkeit der Diagnostik, als Goldstandard gilt aber aus guten Gründen die nächtliche Polysomnogra-phie (PSG). Allerdings sind PSGs teuer, auf-wändig und beschränkt verfügbar. Wie also soll konkret vorgegangen werden?

Die Frage nach einer Rhonchopathie sollte Teil jeder Vorsorgeuntersuchung sein. Wird diese bejaht, sollte die Möglichkeit einer schlafas-soziierten obstruktiven Ventilationsstörung detaillierter evaluiert werden (Tab. 1) 5). Aller-dings sind Geschichte und körperliche Unter-suchung wie erwähnt nur moderat prädiktiv für oder gegen das Vorliegen eines OSAS: Nur etwa 1/3 der Kinder mit Tonsillenhyperplasie III° - IV° haben ein OSAS. Zudem kann sich

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

die PSG bei sonst gesunden 5- bis 9-jährigen Kindern mit Adenotonsillenhypertrophie und PSG-dokumentiertem OSAS innert 6 Monaten normalisieren. Dies geschieht in knapp der Hälfte der Fälle, sodass sich in dieser Alters-gruppe ein zeitlich limitiertes, exspektatives Vorgehen rechtfertigt6).

Prinzipiell raten die amerikanischen Vereini-gungen für Pädiatrie und für Schlafmedizin (AAP, AASM) im Verdachtsfall zur PSG, um das Vorliegen einer schlafassoziierten obst-ruktiven Ventilationsstörung zu dokumentie-ren. Angesichts der Ressourcenknappheit hingegen halten es die amerikanischen HNO-Ärzteschaft (AAO-HNSF) und auch die euro-päischen Pneumologen (ERS) bei anderweitig gesunden Kindern im typischen Alter für ge-rechtfertigt, eine Adenotonsillotomie/-ekto-mie auch ohne vorangehende PSG zu indizie-ren7). PSGs sollten jedoch im Verdachtsfall immer veranlasst werden bei Kindern < 3 Jahren, Adipositas, Unklarheiten bezüglich der Behandlungsbedürftigkeit eines OSAS und bei prädestinierenden Grunderkrankungen.

Prädisponierende Grunderkrankun-genDie Erfahrung zeigt, dass bei prädisponieren-den Grunderkrankungen, z. B. bei Kindern mit Trisomie 21, die schlafassoziierten obstrukti-ven Ventilationsstörungen unterdiagnostiziert sind. Einige dieser Grunderkrankungen sollen daher im Folgenden diskutiert werden, eine umfassendere Übersicht ist tabellarisch dar-gestellt (Tab. 2).

Down SyndromKinder mit Down Syndrom haben ein hohes Risiko für obstruktive Ventilationsstörungen aufgrund verschiedener anatomischer und funktioneller Merkmale wie Mittelgesichtshy-poplasie, maxilläre Hypoplasie, kleine Nase mit tiefer Nasenbrücke, Glossoptosis, adeno-

tonsillärer Hyperplasie aufgrund wiederholter Infektionen der oberen Luftwege, Überge-wicht und allgemeiner wie auch spezifisch pharyngealer Hypotonie. Die Anamnese hat eine geringe Aussagekraft, da Kinder mit Down Syndrom weniger Symptome beklagen und zudem auch gehäuft andere Schlafprob-leme wie Insomnie und Parasomnien zeigen8). Ein signifikantes OSAS kann sich bereits im Säuglingsalter manifestieren und ist im Durchschnitt schwerer als bei gleichaltrigen Gesunden9). Dies hat seine klinische Relevanz nicht nur in der assoziierten Beeinträchtigung der Schlafqualität und gegebenenfalls der neurokognitiven Entwicklung, sondern auch in Bezug auf eine mögliche pulmonalarterielle Hypertonie, welche bei Down Syndrom ge-häuft auftritt, schwierig zu behandeln und nicht selten auch prognoserelevant ist.

Komorbiditäten wie Adipositas, Hypothyreo-se, chronisches Aspirationssyndrom und gastro-oesophagealer Reflux sollten nicht ausser Acht gelassen werden. Therapeutisch erlaubt eine Adenotonsillektomie, mehr Platz im Oropharynx zu schaffen. Nichtsdestotrotz persistiert ein OSAS häufig oder kann erneut auftreten, so dass weitere Kontrollen mit Schlafuntersuchungen indiziert sein können, und nicht selten ist eine CPAP- oder nichtin-vasive Beatmung nötig.

Prader Willi SyndromDas Prader Willi Syndrom (PWS) ist eine ge-netische Erkrankung, verursacht zu 75% durch eine paternale Deletion des proximalen lan-gen Arms des Chromosoms 15 und zu 25% durch eine maternale Disomie des Chromo-soms 15. Neugeborene mit PWS sind typi-scherweise hypoton mit schwachem Schreien und Fütterungsschwierigkeiten. Bereits Klein-kinder werden schnell übergewichtig auf-grund einer für das PWS typischen Hyperpha-gie. Schlafassoziierte Ventilationsstörungen

mit zentralen und obstruktiven Apnoen und alveolärer Hypoventilation sind häufig bei PWS, sowohl bei Kindern mit und ohne Über-gewicht. Die Ursachen sind multifaktoriell: Hypotonie, hypothalamische Dysfunktion, Hirnstammunreife und eine abnormale Che-mosensitivität auf den PaCO2 und den PaO2. Eine häufig anzutreffende exzessive Tages-schläfrigkeit steht wahrscheinlich in Zusam-menhang mit einer hypothalamischen Dys-funktion.

Therapeutisch kann eine Adenotonsillektomie die obstruktive Ventilationsstörung verbes-sern. Wenn dies nicht genügt oder wenn zu-sätzlich eine signifikante alveoläre Hypoven-tilation vorliegt, kann eine nichtinvasive Beatmung nötig werden.

Speziell zu beachten beim PWS ist der häufige Mangel an Wachstumshormon. Die Wachs-tumshormonsubstitution kann nebst dem somatischen Wachstum auch einen günstigen Einfluss auf das Lipidprofil und die Kognition haben. Bevor eine Substitution mit Wachs-tumshormon initiiert wird, muss allerdings zwingend eine Schlafstudie durchgeführt wer-den, da plötzliche Todesfälle bei PWS unter Wachstumshormontherapie in einen mögli-chen Zusammenhang mit dem Vorliegen eines OSAS gebracht wurden. Falls ein obstruktives Schlafapnoesyndrom vorliegt, sollte eine Ade-notonsillektomie durchgeführt werden. Die Empfehlung ist, nach Beginn einer Therapie mit Wachstumshormon eine Schlafstudie nach 6 Wochen, 3 Monaten und 6 Monaten zu wiederholen.

Zentrale Ventilationsstörungen stehen mögli-cherweise in Zusammenhang mit einer Stö-rung des neuromodulatorischen Ateman-triebs, welcher nötig ist für die Funktion des Prä-Blötzinger-Komplexes. Zusätzlich sind wahrscheinlich Störungen der Chemorezep-tor-Sensitivität ursächlich beteiligt. Therapeu-tisch hilft eine nächtliche Sauerstofftherapie, um die zentralen Apnoen zu verringern, da die Elimination der Hypoxie als auslösender Fak-tor der zentralen Apnoen das Atemmuster bei Kindern mit PWS stabilisieren kann10).

AchondroplasieDie Achondroplasie beruht auf einer Mutation im Fibroblasten Growth Faktor Rezeptor 3 (FGFR-3) und ist autosomal dominant vererbt, in 80% der Fälle jedoch sporadisch auftre-tend. Charakteristisch sind kleine Statur, kurze Extremitäten, Hypotonie und Mittelge-

Geschichte Körperliche UntersuchungHabituelles Schnarchen (≥ 3 Nächte/Woche)

Erhöhte Atemarbeit und Schwitzen im Schlaf

Beobachtete Atempausen

Hyperextensionshaltung des Kopfes

(Sekundäre) Enuresis nocturna

Morgendliche Kopfschmerzen

Tagesmüdigkeit/ADHS Symptome

Schulische Schwierigkeiten

Frühgeburtlichkeit

Positive Familienanamnese bezüglich OSAS

Übergewicht oder Untergewicht

Tonsillenhypertrophie

Facies adenoidea

Mikro-/Retrognathie

Arterielle Hypertension

Tabelle 1: Symptome und Zeichen eines OSAS5)

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sichtshypoplasie. Ausserdem besteht das Risiko einer kraniozervikalen Stenose mit zervikomedullärer Kompression.

Schlafassoziierte obstruktive Ventilationsstö-rungen aufgrund der Mittelgesichtshypopla-sie, der Hypotonie und zusätzlich einer mög-lichen Hirnstammkompression sind bei bis zu zwei Dritteln der Betroffenen zu finden. Nach einer Adenotonsillektomie kann ein OSAS weiterbestehen und eine nichtinvasive Beat-mung notwendig werden.

Zentrale Apnoen sind ebenfalls häufig und werden einer zervikomedullären Kompression zugeschrieben. Eine Dekompression des Fo-ramen magnum kann daher beim Vorliegen von zentralen Apnoen und/oder bildgebenden Hinweisen auf eine medulläre Kompression indiziert sein und ist meist erfolgreich11). Nächtliche Hypoxämien mit oder ohne Hypo-ventilation können jedoch auch erklärt sein durch eine thorakolumbale Kyphoskoliose und die allgemeine Hypotonie.

Progressive Muskeldystrophie vom Typ Duchenne (DMD)DMD ist eine X-chromosomal vererbte Erkran-kung des Dystrophin Gens (Xp21). Das mitt-lere Überleben bei Kindern mit progressiver Muskeldystrophie vom Typ Duchenne korre-liert mit der minimalen nächtlichen Sättigung, dem PaCO2 im Wachzustand und der Vitalka-pazität12). Erwartete Ventilationsstörungen sind zunächst im Schlaf auftretende Hypoven-tilationen aufgrund eines verminderten respi-ratorischen Atemantriebs und der Muskel-schwäche, ungefähr zwei Jahre später kann eine Hyperkapnie tagsüber hinzukommen. Zusätzlich besteht häufig auch ein OSAS auf-grund der pharyngealen Muskelschwäche. Empfohlen werden regelmässige Schlafunter-suchungen mit Kapnographie oder zumindest eine orientierende nächtliche SpO2-Überwa-chung bei muskelerkrankten Kindern, wenn die Vitalkapazität unter 60% des Solls gefallen oder spätestens wenn das Kind rollstuhlge-bunden ist13). Eine nichtinvasive Beatmung wird bei nächtlichen Hypoventilationen und schlafassoziierter obstruktiver Ventilations-störung grosszügig indiziert und verbessert das Überleben signifikant14).

Familiäre Dysautonomie (Riley Day Syndrom)Die Familiäre Dysautonomie (FD) ist eine he-reditäre autosomal rezessive (IKBKAP intron 20 Mutationen) sensorische und autonome

Neuropathie, sie betrifft fast ausschliesslich Ashkenazi-Juden. Pathophysiologisch zugrun-de liegt eine unvollständige neuronale Ent-wicklung und progressive neuronale Degene-ration des peripheren sensorischen und autonomen Nervensystems. Kennzeichnend sind eine autonome Dysregulation mit ausge-prägter orthostatischer Hypotension, wieder-holte autonome Krisen mit schwerer Hypoten-sion, Schwitzen, Hautveränderungen und Verhaltensauffälligkeiten wie emotionale La-bilität. In Zusammenhang mit Stress-Situatio-nen können auch hypertensive Krisen auftre-ten. Beschrieben sind ausserdem plötzliche und unerklärte Todesfälle bei FD, sowohl im Wach- wie im Schlafzustand.

Respiratorische Probleme beinhalten eine verminderte Reaktivität auf Hypoxie und Hyperkapnie verursacht durch zentrale Atem-regulationsstörungen mit pathologischer un-genügender Reaktivität der Hirnstamm-rezeptoren auf Veränderungen des PaO2 und PaCO2. Konkret können ausgeprägte und je nach Aktivität (z. B. Schwimmen, Tauchen) potentiell lebensgefährliche «breath-holding spells» auftreten. Polysomnographische Un-tersuchungen zeigen ausgeprägte und andau-ernde hypoxämische Perioden, sowohl im Schlaf- wie auch im Wachzustand. In kleine-rem Ausmass werden Apnoen und Bradykar-dien beobachtet. Je nach Ausprägung kann zusätzlicher nächtlicher Sauerstoff oder nichtinvasive Beatmung nötig sein15).

ZusammenfassungSchlafassoziierte respiratorische Störungen werden bei Kindern meist unterschätzt. Obs-truktive Ventilationsstörungen und das obst-ruktive Schlafapnoesyndrom sind aufgrund adenotonsillärer Hypertrophie auch bei sonst gesunden Kindern möglich. Eine Anamnese mit Schnarchen und beobachteten Atempau-sen soll Anlass zu weiteren Abklärungen ge-ben, bei unter 3-jährigen Kindern wird eine Schlafuntersuchung vor einer chirurgischen Intervention empfohlen.

Diverse Grunderkrankungen präsentieren auf-grund muskulärer Hypotonie, Mittelgesichts- und anderen Missbildungen oder zentralen Anomalien ein erhöhtes Risiko für Ventilati-onsstörungen im Schlaf- und/oder Wachzu-stand.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

ZusammenfassungPrimäre ciliäre Dyskinesie (Primary Ciliary Dyskinesia, PCD) bezeichnet eine Gruppe angeborener Erkrankungen mit Störungen der Zilienmotilität. Genetik und Zilienfunktion sind unterschiedlich betroffen. Dies führt zu einer Heterogenität im klinischen Erscheinungsbild (Phänotyp) und Verlauf. Die Diagnostik ist komplex und benötigt beträchtliche Erfahrung in der Durchführung und Interpretation der Tests. Um Betroffene rasch und zielgerichtet zu behandeln, ist eine frühe Diagnose unbe-dingt anzustreben.

Klinische ManifestationWährend das Vorliegen der klassischen Kar-tagener-Trias mit Situs inversus, Bronchiekta-sien und chronischer Sinusitis schnell den Verdacht auf eine Zilienfunktionsstörung auf-kommen lässt, ist die Diagnosestellung bei der Mehrzahl der Patienten schwierig. Nur knapp die Hälfte der Patienten hat einen Situs inversus. Bronchiektasien sind Spätfolgen schlecht behandelter PCD und sollten nicht zur Diagnostik benutzt, sondern vermieden werden. Die typischen Symptome (Husten, Otitiden und Rhinitis) sind unspezifisch. Um den Verlauf günstig zu beeinflussen, sollte die Diagnose möglichst frühzeitig gestellt und die

1Pädiatrische Pneumologie, Universitätsklinik für Kinderheilkunde, Inselspital Bern, Universität Bern, Schweiz; 2Institut für Sozial- und Präventivmedizin, Universität Bern,Schweiz; 3Institut für Anatomie, Universität Bern, Schweiz; 4Pneumologie, Universitäts-Kinderspital Zürich, Schweiz

AbkürzungenPCD Primäre ciliäre DyskinesienNO nasales StickstoffmonoxidHSVM, HVMA Hochgeschwindigkeits- Video-MikroskopieTEM Transmissions- ElektronenmikroskopieIF ImmunfluoreszenzERS European Respiratory Society

Primäre ciliäre Dyskinesie (PCD): ein kurzes Update und aktuelle diagnostische Kriterien Loretta Müller1, Claudia Kuehni1,2, Stefan A. Tschanz3, Andreas Jung4, Philipp Latzin1 und Carmen Casaulta1

Patienten multi-disziplinär an spezialisierten Zentren versorgt werden, in enger Zusammen-arbeit mit dem praktizierenden Pädiater oder Hausarzt. Die Kombination von prolongiertem produktivem Husten, rezidivierenden Otitiden und einer chronischen Rhinitis/Sinusitis sollte den behandelnden Kinderarzt an eine PCD denken lassen. Über 50% der Kinder haben respiratorische Probleme als Neugebo-rene, die sich als verzögert auftretendes Atemnotsyndrom beim Termingeborenen oder neonatale Pneumonie äussern. Chronischer Husten und Rhinitis treten oft schon in den ersten Lebenstagen auf (Tabelle 1). Daneben gibt es eine lange Liste anderer Symptome, die bei einzelnen Patienten vorhanden sind (Tabelle 2). Viele davon sind jedoch sehr sel-ten.

PathophysiologieDen Symptomen zugrunde liegt eine fehlende oder pathologische Funktion einer hochkom-plexen Zellorganelle, der Zilie. Diese haarför-migen an der apikalen Zellmembran liegenden Strukturen mit einem mikrotubulären Zyto-skelett werden in motile und immotile Zilien eingeteilt. Sie finden sich in fast allen Orga-nen, haben neben der Bewegung von Flüssig-keiten auch mannigfaltige Transport- und «sensing»-Funktionen und sind pathophysio-logisch an vielen syndromalen Krankheiten ursächlich beteiligt. Speziell zu erwähnen sind die nodalen Zilien, welche während der emb-ryonalen Entwicklung durch ihre Rotationsbe-wegung die umgebende Flüssigkeit in Bewe-gung versetzen und damit die korrekte Lateralisation der entstehenden Organe be-wirken. Funktionieren diese Zilien nicht ist die Lateralisation der Organe zufällig und es bil-det sich in 50% der Fälle ein Situs inversus.

EpidemiologiePCD ist in der Schweiz unterdiagnostiziert. Ausgehend von einer Prävalenz von 1:100004) und einer Einwohnerzahl von 8.4 Millionen sollten in der Schweiz ca. 840 Menschen mit PCD leben. Im Schweizer Register für Patien-ten mit PCD sind trotz wiederholten Umfragen bei allen pädiatrischen und adulten Pneumo-logen, anderen Spezialärzten (HNO) und der Patientenorganisation nur 133 Pateinten re-gistriert. Mögliche Gründe für die tiefe Detek-tionsrate sind die unspezifische und variable Symptomatik, v. a. bei Betroffenen ohne Situs inversus, und die Schwierigkeiten in der Dia-gnostik, welche hohe Anforderungen an Infra-struktur und Erfahrung stellt. Das Wissen um die Erkrankung ist darüber hinaus auch heute noch in der Ärzteschaft unzureichend, wobei die Zuweisungen in die Diagnostik-Zentren in den letzten Jahren erfreulicherweise sowohl für Kinder als auch für Erwachsene deutlich zugenommen haben.

DiagnostikDie Diagnostik ist herausfordernd. Es gibt keinen einzelnen Gold-Standard-Test, sondern man benötigt eine Kombination verschiedener Untersuchungen2): nasales Stickstoffmonoxid (nNO), Gewinnung von nasalen Epithelzellen für Hochgeschwindigkeits-Video-Mikroskopie (HSVM, auch als HVMA bezeichnet), Transmis-sions-Elektronenmikroskopie (TEM), Immun-

• Prolongierter produktiver Husten, oft seit den ersten Lebenstagen• Chronische Rhinitis und Rhinosinusitis• Rezidivierende Otitiden und chronischer Paukenerguss (Seromukotympanon)• Neonatales Atemnotsyndrom bei Termingeborenen• Situs inversus (Achtung: nur bei 50%)

Der vom nationalen PCD- Diagnostikzentrum in Southampton entwickelte und extern vali-dierte PICADAR-Score (Tabelle 3) gewichtet die wichtigsten Symptome und erlaubt, die Wahrscheinlichkeit einer PCD-Diagnose abzu-schätzen (Abbildung 1). Wichtig zu wissen ist, dass der Score nur bei Kindern mit chronisch produktivem Husten angewendet werden sollte3).

Tabelle 1: Bei diesen Symptomen sollte man an eine PCD denken.

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Altersgruppe Erscheinung Indikation für PCD Diagnostik Vorkommenbei PCDabsolut relativ

Alle

Persistenter produktiver Husten ohne andere Ursache X Häufig

Situs inversus (totalis oder partialis) X Knapp 50%

Heterotaxie (komplexe Lateralitätsdefekte) mit/ohne Herzdefekte mit respiratorischer Symptomatik

X Ca. 10%

Angeborenes komplexes Herzvitium (v. a. TGA) X Ca. 5%

Persistente nicht-allergische Rhinitis X Häufig

Geschwister von PCD-Betroffenen X Häufig

Chronische Otitis media X Häufig

Ventrikulomegalie und Hydrozephalus aufgrund einer Aquäduktstenose

X Sehr selten

Jungen mit orofazialem digitalem Syndrom Typ 1 X Sehr selten

Ösophagus- und biliäre Atresie X Sehr selten

SäuglingeNeonatales Respiratory distress syndrome, Atelektase beim reifen Neugeborenen

X Häufig

Kontinuierliche Rhinorrhoe, beginnend am ersten Lebenstag X Häufig

Kinder

Chronischer feuchter/produktiver Husten mit rezidivierenden Atelektasen (v. a. des Mittellappens) und Pneumonien ungeklärter Genese

X Häufig

Bronchiektasen ungeklärter Genese X Häufig

Atypisches therapierefraktäres Asthma (v. a. mit feuchtem Husten)

X Häufig

Täglich bestehende therapierefraktäre Rhinitis X Häufig

Chronische Otitis media mit Ergüssen und Mittelohrschwerhörigkeit

X Häufig

Chronische Sinusitis X Häufig

Schwere gastroösophageale Refluxerkrankung X Mittel

Retinitis pigmentosa (Jungen) X Sehr selten

Polyzystische Nierenerkrankung X Sehr selten

Jugendliche/Erwachsene

Progrediente Bronchiektasen unklarer Ursache (betont in Mittellappen/Lingula und Unterlappen)

X Häufig

Chronische mukopurulente Sputumproduktion X Häufig

Unklarer progredienter Abfall der Lungenfunktion X Häufig

Infertilität durch Spermiendysmotilität X Häufig

Polyposis nasi X Mittel

Uhrglasnägel oder Trommelschlägelfinger X Mittel

Weibliche Infertilität und Extrauteringravidität X Selten

Tabelle 2: Mögliche Symptome bei PCD. Häufig auftretende Symptome sind fett gedruckt. Abgeändert von 1) und ergänzt aus 2)

fluoreszenz (IF), Zellkulturen und genetische Untersuchungen2),5).

Nasales Stickstoffmonoxid (nNO)NO wird von den Epithelzellen der unteren und oberen Atemwege produziert. Die NO-Kon-zentration beträgt in den unteren Atemwegen in der Regel beim Gesunden um die 25 ppb, in der Nase zwischen mehreren 100 und >1000 ppb. Bei Patienten mit PCD betragen die nasalen NO-Werte oft nur wenige ppb, die Ursachen der erniedrigten nNO-Werte bei

PCD sind noch unklar6). Die Messung von nNO eignet sich gut als Screening-Methode für PCD in tertiären Zentren, bei weniger selekti-onierten Patienten (wie in der Primärversor-gung) ist der prädiktive Wert eines tiefen nNO allerdings schlecht – nur sehr wenige (<10%) der Patienten mit einem niedrigen nNO in ei-ner Praxis haben tatsächlich PCD 5),7). Auch falsch niedrige Werte kommen vor (z. B. bei Rhinitis, Nasenpolypen, Sinusitis usw.). Bei einer stark PCD-verdächtigen Anamnese sind auch bei normalen nNO-Werten weitere Ab-

klärungen angezeigt, da bekannt ist, dass das nNO bei einigen PCD-Mutationen im norma-len Bereich liegt2). Die Technik der nasalen NO-Messung ist altersabhängig, erfordert viel Erfahrung und sollte daher in spezialisierten Zentren durchgeführt werden2).

Gewinnung von EpithelzellenWenn Anamnese und PICADAR-Score den Verdacht für eine PCD-Erkrankung erhärten und/oder die nNO-Werte tief sind, sind wei-terführende Untersuchungen sinnvoll. Dafür

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

werden mittels eines nasalen (oder seltener bronchialen) Brushings Epithelzellen entnom-men und für die weitere Diagnostik aufberei-tet. Beim nasalen Brushing werden kleine Bürstchen in die Nasenlöcher eingeführt und mittels Drehbewegung Zellen von den mittle-ren oder unteren Nasenmuscheln gewonnen. Die Entnahme wird von den Betroffenen als unangenehm bis schmerzhaft empfunden. Die Applikation von Lokalanästhetika ist aber wegen Beeinflussung des Zilienschlages kon-

traindiziert. Allenfalls kann die Entnahme durch den Einsatz eines Sedativums erleich-tert werden. Je mehr Erfahrung die Untersu-cher haben, desto höher fällt der Ertrag an Zellen aus. Die Zellen sollten möglichst bald (innerhalb von Stunden) nach der Entnahme weiterverarbeitet werden.

Hochgeschwindigkeits-Video-Mikros-kopie (HSVM, HVMA)Die gewonnenen Zellen werden unter einem

Lichtmikroskop begutachtet und der Zilien-schlag mit einer Hochgeschwindigkeits-Ka-mera aufgenommen (mit 300 Bildern/Sekun-de). Mittels spezieller Programme kann der Zilienschlag verlangsamt (30-60 Bilder/Se-kunde) beobachtet und analysiert werden (siehe Abbildung 2). Das Schlagmuster (Bewe-gung, Amplitude, Koordination innerhalb einer Zelle wie auch zwischen den Zellen) und die Schlagfrequenz werden beurteilt. Die Schlag-frequenz ist bei PCD oft reduziert, kann je-doch bei gewissen Mutationen auch erhöht sein, sodass die Schlagfrequenz nie alleine für die Beurteilung verwendet werden darf, son-dern immer nur in Kombination mit dem Schlagmuster2).

Die HSVM stellt heute das zentrale Element der PCD-Diagnostik dar; sie soll bei jedem klinischen Verdacht auf eine PCD mit wieder-holt niedrigem nasalem NO durchgeführt werden. Die internationalen ERS-Guidelines empfehlen, sowohl die Messung des nasalen NO als auch die HSVM dreimal zu wiederho-len, bevor eine Diagnose bestätigt werden kann. Ob dies bei eindeutigen Befunden wirk-lich notwendig ist, ist im Moment noch un-klar2). HSVM sollte nicht als alleinige Methode zur Diagnose benutzt werden, da subtile De-fekte oft schwierig zu diagnostizieren sind und eine Bestätigung mit einer zweiten Me-thode die diagnostische Sicherheit erhöht.

Die HSVM hat gegenüber der TEM den Vorteil, dass sie nicht nur strukturelle Defekte, son-dern auch funktionelle PCD-Varianten erfas-sen kann, welche der Ultrastruktur-Analyse entgehen8). Die Untersuchung benötigt Erfah-rung und entsprechende Ausrüstung. Daher wird sie nur an spezialisierten Zentren mit einer genügend hohen Zahl an Untersuchun-gen durchgeführt (in der Schweiz derzeit am HUG Genf, Kinderklinik des Inselspitals Bern und Kinderspital Zürich).

Transmissions-Elektronenmikroskopie (TEM)Lange Zeit galt die Untersuchung der ziliären Ultrastruktur mittels TEM als Goldstandard der PCD-Diagnostik. Seit aber mehrere PCD-verursachende Mutationen entdeckt wurden, die eine normale Ultrastruktur aufweisen9), und moderne Methoden der Zilienfunktions-analyse zur Verfügung stehen, hat die TEM heute in erster Linie einen bestätigendenden Charakter. Man geht davon aus, dass ca. 30% der PCD-Fälle eine normale Ultrastruktur aufweisen.

Tabelle 3: PICADAR-Score. Wahrscheinlichkeit von PCD bei Kindern mit chronisch produktivem Husten3)

Abbildung 1: Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer PCD. Auf der Y-Achse kann man die Wahrscheinlichkeit einer PCD ablesen für die jeweiligen Werte des Picadar Scores (x-Achse) 3)

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

Abbildung 3: Schematische Darstellung der ziliären Ultrastruktur

Abbildung 4: TEM-Aufnahmen Zilienquerschnitte. Elektronenmikroskopische Aufnahmen von humanen Nasalbrushings, Vergrösserung ca. 60000 x. Balken: 250 nm. A: gesunde Kontrolle, 10-jähriges Mädchen, chronische Rhinopathie, normaler Vitalbefund. B: 2-monatiger Knabe, unklare Pneumopathie, Vitalbefund mit tiefer Schlagfrequenz, PCD-Diagnose aufgrund ver-schiedener tubulärer Störungen im TEM, u. a. multiple Transpositionen (Pfeil, fehlendes Zent-ralpaar, ein peripherer Doppeltubulus rutscht nach zentral). C: 7-jähriger Junge, chronische, unklare Pneumopathie, komplett amotile Zilien. PCD-Diagnose im TEM durch komplettes Fehlen der äusseren UND inneren Dyneinarme

Die Ultrastruktur der Zilien besteht aus neun Doppeltubuli und zwei einzelnen Zentraltubu-li. Die äusseren Doppeltubuli haben äussere und innere Dyneinarme und sind per regula-torischem Nexin-Dynein-Komplex miteinan-der verbunden. Von jedem Doppeltubulus verläuft eine Radialspeiche in Richtung Zent-rum (Abbildung 3). Mit Hilfe der TEM können vor allem Defekte der äusseren und inneren Dyneinarme, Desorganisation der Tubuli mit/ohne Verlagerung der Zentraltubuli (u. a. «Transposition», siehe Abbildung 4) und Un-ordnung bezüglich der Orientierung der zent-ralen Tubuli erkannt werden. Die Analyse mittels TEM ist zeitaufwändig und kostenin-tensiv. Zudem erfordert sie viel Erfahrung und die entsprechende Ausrüstung und kann nur an spezialisierten Zentren von geschultem Fachpersonal durchgeführt werden.

Immunfluoreszenz (IF)In den letzten Jahren wurde die Immunfluores-zenz zum Portfolio der PCD-Diagnostik- hin-zugefügt. Die IF macht spezifische Proteine der Zilien sichtbar und zeigt gegebenenfalls deren Abwesenheit. Diese Methode ist schneller und kostengünstiger als TEM10), benötigt weniger teure Geräte und kann eini-ge Defekte, die in der TEM nicht sichtbar sind, detektieren. Aufgrund dieser verbesserten Sensitivität ersetzt die IF in einigen Zenten mittlerweile die TEM als diagnostisches Tool zur Bestätigung der Erkrankung. Die Grenzen für diese Methode bestehen vor allem in der Verfügbarkeit der Antikörper für die spezifi-schen Proteine.

ZellkulturDie Kultivierung der nasalen Epithelzellen an der Luft-Flüssigkeits-Grenze (air-liquid-inter-face) ist eine Möglichkeit, Schwächen des frischen nasalen Brushings zu umgehen. Sie ermöglicht es, potentielle sekundäre Patholo-gien durch Infektionen zu eliminieren und die Anzahl verwertbarer Zellen und Zellgruppen sowohl für die HSVM, als auch für TEM und IF zu erhöhen. Die Schwierigkeit besteht darin, die Zellen zur sogenannten «Re-Differenzie-rung», resp. zur in-vitro-Ziliogenese zu brin-gen. Dies kann durch spezialisierte Protokolle unter der Verwendung spezifischer Zellkultur-medien erreicht werden. Dieses Prozedere braucht eine entsprechende Ausrüstung und Expertise und dauert mehrere Wochen. Zwar sind die Erfolgschancen auf eine erneute Zi-liogenese mit den neusten Medien mittlerwei-le recht hoch (ca. 80-90%), es kann aber noch immer vorkommen, dass eine Probe kontami-

Abbildung 2: HSVA Aufnahme eines nasalen Brushings. 2-jähriger Junge mit chronischer Bron-chitis, keine Hinweise für eine PCD. Gerichteter Partikeltransport sichtbar (Pfeil), normales Schlagmuster. Sequenz eines kompletten Zilienschlagzyklus, ca. 80 ms umfassend (Frequenz 12Hz). Balken 10µm

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

niert ist oder sich keine Zilien bilden. In diesen Fällen muss das Brushing wiederholt werden.

Zellkultur alleine verschafft noch keine PCD-Diagnose, es verbessert jedoch die Ergebnis-se der HSVM, TEM und IF, insbesondere in Fällen, in denen sich die primäre Diagnostik aufgrund von sekundären Veränderungen und/oder Sekret als schwierig erweist. Des-halb empfiehlt die ERS explizit die Verwen-dung von Zellkulturen2).

GenetikDie unterschiedliche Ausprägung der Funkti-onsstörungen und die daraus resultierende

Abbildung 5: Ablauf der PCD Diagnostik am Beispiel der Kinderklinik Inselspital Bern

heterogene klinische Manifestation werden durch die verschiedenen zugrundeliegenden genetischen Defekte verursacht. Mittlerweile kann die PCD-verursachende Genmutation in 50-75% der Fälle identifiziert werden. Welt-weit wurden bis heute knapp 40 Gene ent-deckt, deren Mutationen PCD verursachen2). Die Mutationsanalyse auf PCD-assoziierte Gendefekte hat heute noch den Stellenwert einer wissenschaftlichen Anwendung, kann aber in einigen Fällen einen wesentlichen Beitrag zur Diagnosestellung einer PCD leis-ten. Da die Anzahl möglicherweise betroffe-ner Gene gross ist, ist die Analyse entspre-chend aufwändig. Nebst der Identifikation der

Mutation per Next-Generation-Sequencing braucht es auch eine Bestätigung per Sanger Sequencing und einen Abgleich mit den El-tern. Mit der Identifikation von weiteren PCD-Genen und High-Throughput-Sequencing-Technologien wird die Genetik in Zukunft weiter an Bedeutung gewinnen.

Gesamthafte PCD-Diagnostik Da sich die PCD-Diagnostik in den letzten Jahren rasant entwickelt hat, gibt es in der Schweiz im Moment noch keine fest etablier-ten Strukturen, die den neuen Richtlinien der ERS gerecht werden. Einzelne diagnostische Untersuchungen werden an verschiedenen Zentren durchgeführt, wie oben erwähnt wird die HSVM z. B. am HUG in Genf, an der Kin-derklinik des Inselspitals Bern und am Kinder-spital Zürich durchgeführt. Abbildung 5 zeigt eine Übersicht über den neu etablierten Ab-lauf der PCD-Diagnostik an der Kinderklinik des Inselspitals Bern.

TherapieDie Therapie von Patienten mit PCD basiert noch auf wenigen fokussierten Studien, vor allem aber aus klinischer Erfahrung und in Analogie zur Therapie bei Patienten mit cysti-scher Fibrose und Bronchiektasen und chro-nischer Sinusitis anderer Ätiologie. Die aktu-ellen Therapieempfehlungen, basierend auf einem Konsens internationaler PCD-Experten, wurden in mehreren aktuellen Reviews zu-sammengefasst11),12). Die Patienten werden – am besten in shared care mit dem praktizie-renden Pädiater oder Hausarzt – von multidisziplinären Teams an PCD-Zentren betreut und in der Regel im 3-monatlichen Abstand klinisch kontrolliert. Zu den involvier-ten Spezialisten gehören pädiatrische Pneu-mologen, HNO-Ärzte, Physiotherapeuten und Sozialberatungs-Fachpersonen. Die Kontrol-len werden durch Lungenfunktions-Tests, Mikrobiologie von Rachenabstrich oder Spu-tum, und regelmässige Bildgebung ergänzt.

Die tägliche Therapie des Patienten orientiert sich an den Symptomen und beinhaltet bron-chiales und nasales Clearing des Sekrets mit Nass-Inhalation und Nasenspülung mit Koch-salzlösung sowie altersentsprechend ange-passter Atemphysiotherpie (Sekretdraina-ge)13). Paff et al. publizierten 2017 Resultate zur Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung bei PCD-Patienten14). Obwohl die Wirksamkeit nicht eindeutig gezeigt werden konnte, sind diese Daten wichtig, da es sich um die erste randomisierte Therapie-Studie bei Patienten

Anamnese durch Kinderarzt, Facharzt Kinderarztpraxis

Nasales NO Spezialisiertes Fachpersonal

Kinderklinik Bern

Nasales Brushing Spezialisiertes Fachpersonal

Kinderklinik Bern

Wenn verdächtig

Wenn sehr tief

Zellkultur Geschultes

Fachpersonal Department for

BioMedical Research,

Universität Bern

Elektronen-Mikroskopie Geschultes

Fachpersonal Institut für Anatomie,

Universität Bern

Video-Mikroskopie Geschultes

Fachpersonal Institut für

Anatomie, DBMR, Universität Bern

Immunfluoreszenz Geschultes

Fachpersonal Department for

BioMedical Research,

Universität Bern

Verarbeitung Labor-Fachpersonal

Labor Department for BioMedical Research (DBMR), Universität Bern

Interdisziplinäres PCD Diagnostik Meeting Besprechung der Fälle und Entscheidungen über weiteres Vorgehen und ggf. weitere

Analysen Alle involvierten Personen (Min. von jeder Methode eine Fachperson)

Kinderklinik Bern

Genetik Je nach Kostengutsprache und Kanton des

Patienten

Wenn Original-Sample nicht gut war

Wenn weiterhin unklare Diagnose

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Vol. 29 Nr. 3 2018Fortbildung

mit PCD handelt. Regelmässige mikrobiologi-sche Proben aus den unteren Atemwegen – alternativ via Rachenabstrich – sind obligato-risch; die Mehrheit der PCD-Patienten ist mit typischen Erregern wie H. influenzae oder S. aureus chronisch kolonisiert. Eine Eradikation gelingt in der Regel nicht und muss auch nicht angestrebt werden; pulmonale Exazerbationen werden resistenzgerecht und frühzeitig behan-delt, um die Ausbildung von Bronchiektasen zu verhindern. Bei einem Nachweis von Prob-lemkeimen wie P. aeruginosa erfolgt jedoch eine aggressive inhalative oder systemische Eradikationstherapie. Eine multizentrische EU-geförderte Studie untersucht derzeit die Wirk-samkeit einer prophylaktischen Dauertherapie mit Azithromycin auf den Verlauf der Lun-generkrankung. In der näheren Zukunft wer-den weitere Studien zur Therapie der PCD durchgeführt, damit ein evidenz-basierter Behandlungsplan für PCD-Betroffene aufge-stellt werden kann12). Von allgemeinpädiatri-scher Seite werden Impfungen (Pneumokok-ken, jährliche Influenzaimpfung) und die Kontrolle des Ernährungszustandes empfoh-len, da Untergewicht mit schlechter Lungen-funktion korreliert. Vitamin D ist oft tief und sollte überwacht und allenfalls ergänzt wer-den. Im HNO-Bereich sind regelmässige Hör-tests empfohlen und bei chronischem Pau-kenerguss mit Mittelohrschwerhörigkeit allenfalls temporär das Anpassen von Hörge-räten. Mit dem Einlegen von Paukenröhrchen sollte man sehr zurückhaltend sein, da man in 30% im Anschluss eine chronische purulente Otorrhoe beobachtet.

Verlauf und AusblickAktuelle Daten aus grossen Registerstudien zeigen, dass Patienten mit PCD oft schon in der Kindheit ein reduziertes Wachstum haben, welches sich negativ auf die Lungenfunktion auswirkt15). Eine frühe Diagnose und Betreu-ung in spezialisierten Zentren trägt daher wesentlich zu einer besseren Lungenfunktion und einem längeren Überleben bei15). Mehre-re laufende Studien zu verschiedenen Thera-pien und die Identifizierung von zugrundelie-genden Mutationen werden in naher Zukunft weiterhin zu einem besseren Verständnis und zu neuen therapeutischen Möglichkeiten bei-tragen.

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Aptamil Folgemilch

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1. Furness, J.B et al. Immune responses. Am J Physiol, 1999. 277(5 Pt 1): p. G922-8. 2. Gibson et al. Nature Reviews, Gastroenterology & Hepatology, 2017;14:491-502. 3.Patel RM & Denning PW (2013) Clin Perinatol 40:11-25 4. Aguilar-Toalá JE et al. (2018) Trends Food Sci Technol 75:105-114. 5. Rodri-guez-Herrera A et al. Pediatrics, Book of Abstracts (2017),4:1408251. ID:218/OP:1-4; https://doi.org/10.1080/2331205X.2017.1408251 6. Herrera AR, et al. OP-18 J Pediatr Gastroenterol Nutr, 2015; 61: 516–7. 7. Rodriguez-Herrera A et al. J Pediatr Gastroenterol Nutr, 2016a;62: Abstract G-P-230 (p 422) 8. Martin R et al. Benef Microbes. 2010;1:367–382. 9. Moro G et al. J Pediatr Gastroenterol Nutr 2002;34:291-5

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Die Epidermolysis bullosa hereditaria, kurz EB, beschreibt eine Gruppe von Erkrankun-gen, die durch eine pathologische Fragilität der Haut und Schleimhäute mit Blasenbildung und Erosionen charakterisiert ist. Es handelt sich um seltene Erkrankungen, welche sich je nach Unterform nicht nur mit Hautverände-rungen, sondern auch mit diversen z. T. le-bensbedrohlichen Sekundärkomplikationen präsentieren. Dieser Artikel soll einerseits einen Überblick über die verschiedenen Un-terformen und ihre klinischen Besonderheiten geben, sowie andererseits auch das prakti-sche Vorgehen zu Diagnostik und Therapie-möglichkeiten erläutern.

Die EB ist eine seltene genetische Erkran-kung. Sie wird weltweit und bei beiden Ge-schlechtern gleichermassen gesehen. Die Inzidenz der EB über alle Krankheitsgruppen hinweg, wird laut der Dystrophic Epidermoly-sis Bullosa Research Association (DEBRA) und verschiedenen epidemiologischen Unter-suchungen auf etwa 1:50000 Geburten ge-schätzt1). Das deutsche EB-Netzwerk geht in Deutschland von einer Inzidenz von 1:39000 Geburten aus. In der Schweiz liegt die ge-schätzte Zahl von betroffenen Patienten zwi-schen 110 und 130.

Während die ersten Fälle der EB mit der ihr typischen Hautfragilität bereits im 19. Jahr-hundert beschrieben wurden, konnten in den

1Universitäts-Kinderspital Zürich, Abteilung Pädiatrische Dermatologie; 2Inselspital Bern, Abteilung für Dermatologie; 3Universitätsspital Basel, Abteilung für Dermatologie;4Universitäts-Kinderspital, Pflegedienst; 5Universitätsspital Zürich, Dermatologische Klinik

Epidermolysis Bullosa – Überblick und Schweizer NetzwerkAgnes Schwieger-Briel1, Carolina Gouveia2, Rosaria De Lorenzo2, Anna-Barbara Schlüer1,4, Peter Itin3, Martin Theiler1,5, Lisa Weibel1,5

letzten 30 Jahren zunehmend auch die auslö-senden genetischen Ursachen erforscht wer-den. Heute kennt man weit über 1000 Muta-tionen in inzwischen 20 verschiedenen Genen, die zu einer Hautfragilität führen2),3). Diese Gene kodieren vorwiegend Strukturpro-teine in der Epidermis oder an der dermo-epidermalen Junktionszone (DEJ), welche über Hemidesmosomen, Desmosomen und Keratinzytoskelett für den Zusammenhalt der Keratinozyten untereinander bzw. die Stabili-tät zwischen Epidermis und Dermis zuständig sind. Die Unterschiede zwischen den betrof-fenen Genen und Proteinen, sowie auch die Existenz unterschiedlich schwerwiegender Mutationen, erklären das breite klinische Spektrum der EB. So gibt es Formen, die mit extremer Hautfragilität ab Geburt, Einbezug der Hautanhangsgebilde und ausgeprägten Sekundärkomplikationen einhergehen, wie auch milde Subtypen mit relativ stabiler Haut und Blasenbildung erst nach relevanter me-chanischer Belastung.

Klassifikation der EBIm Verlauf der vergangenen Jahrzehnte wur-den die ultrastrukturellen Unterschiede der verschiedenen EB-Formen zunehmend be-kannt und durch die modernen Möglichkeiten der humangenetischen Untersuchungen wei-ter in verschiedene Unterformen unterschie-den. Die letzte internationale Konsensusklas-sifikation datiert von 2014 4). Seither konnten mithilfe der modernen Hochdurchsatz-Tech-nologien, wie z. B. der Exomsequenzierung, aber bereits weitere neue Gene und Pathome-chanismen v. a. als Ursache seltener EBS-Subtypen aufgedeckt werden.

EB Haupt- und UnterformenJe nach Tiefe der morphologischen Blasenbil-dungsebene wird in 4 EB-Typen unterteilt

1) EB simplex (EBS suprabasal und basal), 2) junktionale EB (JEB), 3) dystrophe EB (DEB) und 4) Kindler Syndrom.

Die Trennung der Hautschichten findet bei der EBS innerhalb der Epidermis, bei der JEB ent-lang der Basalmembran und bei der DEB un-terhalb der Basalmembran statt (Abb. 1). Beim Kindler-Syndrom ist die dermo-epider-male Junktion strukturell verändert und Bla-sen können auf allen 3 Ebenen vorkommen. Jede Hauptform hat verschiedene Unterfor-

Abbildung 1: Die verschiedenen Formen der EB und die betroffenen Proteine/Gene

Abkürzungen: EBS Epidermolysis bullosa simplexJEB junktionale Epidermolysis bullosaDEB dystrophe Epidermolysis bullosaDDEB dominant dystrophe Epidermolysis bullosaRDEB rezessiv dystrophe Epidermolysis bullosaIFM Immunfluoreszensmikroskopie

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

men, die sich bezüglich genetischer, biologi-scher oder klinischer Charakteristika unter-scheiden lassen. Angesichts des breiten Spektrums der verschiedenen Unterformen, ist die korrekte Diagnose für eine gute Erläu-terung der betroffenen Familien zu Prognose und Therapiemöglichkeiten von grösster Be-deutung. Nach Möglichkeit sollte auch die genaue genetische Grundlage der Erkrankung mittels Mutationsanalyse eruiert werden, um den betroffenen Familien im weiteren Verlauf eine gute genetische Beratung und ggf. auch pränatale Diagnostik zu ermöglichen.

Diagnostik der EBBeim Neugeborenen oder Säugling ist das klinische Bild für eine sichere Diagnose nicht ausreichend, zu sehr ähneln sich die frischen Wunden und die häufig bei Geburt vorhande-ne Aplasia cutis. Nach einigen Monaten bis Jahren wird das klinische Bild klarer, wenn man den Allgemeinzustand, die Art der Ver-narbung, den Einbezug von Nägeln und Haa-ren und die sekundären Symptome zur Beur-teilung hinzuziehen kann.

Immunfluoreszenzmapping (IFM)Das Immunfloureszenzmapping ist der Gold-Standard der EB-Diagnostik. Hier werden kryoasservierte Schnitte einer Hautbiopsie mit spezifischen Antiköpern gegen die ver-schiedenen Strukturproteine im Bereich der dermo-epidermalen Junktionszone (DEJ) ge-färbt (Abb. 2) und im Vergleich zu gesunder Haut beurteilt5). Diese Untersuchung ermög-licht unterschiedliche Erkenntnisse zu der vorliegenden Erkrankung. Zum einen wird die Lage der Blase im Verhältnis zu den verschie-denen Markern bestimmt, wodurch man Rück-schlüsse auf die EB-Form bzw. die möglichen Kandidatengene gewinnt. Zudem erlaubt auch die Intensität des gefärbten Markers im Ver-gleich mit einer Kontrolle eine erste Einschät-zung des Subtyps. So weist eine reduzierte Färbung auf eine reduzierte Präsenz des Proteins hin, wie sie z. B. bei moderaten For-men der rezessiven EB-Formen zu sehen ist. Eine komplette Abwesenheit des jeweiligen Ankerproteins deutet auf eine schwere EB- Unterform hin (z. B. der schwer generalisier-ten junktionalen oder dystrophen EB, Abb. 2).

Bei den dominanten Formen, sind die Marker meist unauffällig angefärbt, auch wenn ihre Funktion eingeschränkt ist. Hier ist aus-schliesslich die Lage der Blase beurteilbar. Liegt keine Blase im Präparat vor, ist bei die-sen Formen die Hautprobe nicht von der ge-sunden Kontrolle zu unterscheiden.

Die früher häufig durchgeführte Elektronen-mikroskopie ist im heutigen Alltag weitgehend unnötig geworden und wird vorwiegend noch im Rahmen von Forschungsprojekten einge-setzt.

Diagnostisches VorgehenBei Verdacht auf eine Epidermolysis bullosa sollte zeitnah eine Diagnostik gemacht werden. Dafür nimmt man eine Hautbiopsie mittels Stanze aus dem Rand einer frischen (< 24 h) Blase (Abb. 2), das Blasendach sollte erhalten bleiben6). Ist an der Haut keine frische Blase vorhanden, so kann man vorsichtig mit einem Gummihandschuh oder der Rückseite eines Kugelschreibers an einem kleinen Areal reiben, bevor die Stanze dort entnommen wird.

Die Proben (in einem Zellkulturmedium oder steriler Kochsalzlösung) können innerhalb der Schweiz nach Lausanne (Laboratoire de bio-logie cutanée, Service de Dermatologie, Lau-sanne) geschickt werden, andernfalls bietet aber auch das Labor des EB-Zentrums Frei-burg (D) einen sehr guten und schnellen Service an (www.netzwerk-eb.de).

Die Kostenübernahme für eine Mutationsanalyse muss beantragt werden. Sie kann an verschie-denen Schweizer Labors durchgeführt werden (u. a. Humangenetik Basel, Bern, Zürich). Bis zum Erhalt des Ergebnisses sollte man v. a. bei den Neugeborenen strenge Vorsichtsmassnah-men zur Vermeidung neuer Blasen einhalten. Bei Fragen nach dem Umgang mit den Kindern kann man sich an das EB-Zentrum Zürich oder Bern wenden (Kontakte siehe unten).

Abbildung 2: Das Immunfluoreszenzmapping (IFM). A: EBS; B: JEB; C: DEB mit/ohne Restsig-nal im IFM; D: Entnahmestelle der Hautbiopsie

EB-Sprechstunde BaselUniversitätsspital Basel, Dermatologie

EB-Zentrum Bern Inselspital, Dermatologie

EB-Kindersprechstunde Zürich(EB-KIZ)Universitäts-Kinderspital Zürich

Prof. P. Itin(Ärztlicher Direktor)

Dr. med. C. Gouveia(Ärztliche Leitung)[email protected]

Dr. med. A. Schwieger(Ärztliche Leitung)[email protected]

R. De Lorenzo(Wundexpertin SAfW)[email protected]

Dr. A.-B. Schlüer(Pflegeexpertin APN)[email protected]

Tel: 061 265 40 80Praxiskontakt: 061 261 26 33

Tel: 031 632 43 [email protected]

Tel: 044 266 82 [email protected]

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Epidermolysis bullosa simplex (EBS)Die EB simplex ist die häufigste aller EB-For-men. Sie ist durch die grösste Heterogenität bzw. Zahl der Gene und Unterformen charak-terisiert (Abb.1). Es wird primär die basale von der suprabasalen EBS unterschieden, je nach-dem ob die Spaltbildung in den basalen Kera-tinozyten oder in oberflächlicheren Schichten der Epidermis bis direkt unter dem Stratum corneum auftritt. Es wird im Weiteren zwi-schen lokalisierten und generalisierten For-men sowie Formen mit bestimmten klinischen Merkmalen unterschieden.

IFM und Genetik der EBSZum aktuellen Zeitpunkt sind 10 verschiedene Gene als Auslöser einer EBS bekannt2),3). Bei etwa 75% der Familien liegen Mutationen in KRT5 oder KRT14 mit einem autosomal domi-nanten Erbgang vor. Bei diesen Patienten ist im IFM das Signal der Strukturproteine nor-mal, so dass die Identifizierung des Spaltbil-dungsniveaus für das Stellen einer Diagnose notwendig ist. Es sind aber auch autosomal rezessiv vererbte Unterformen der EBS be-kannt (z. B. durch Mutationen in TGM5, KRT14, JUP, PKP1, DSP, EXPH5, DC151, DST, KLHL24), wo das Signal im IFM reduziert oder negativ sein kann.

Kutane und extrakutane Manifestatio-nen der EBSIn den meisten Fällen geht die EBS mit einem milden bis moderaten klinischen Bild und ei-

ner normalen Lebenserwartung einher2),7). Die Blasenbildung tritt vereinzelt bei Geburt, häufiger aber erst später bei beginnender mechanischer Belastung, z. B. durch Krabbeln oder Laufen, auf. Eine enorale Beteiligung ist selten. Die Blasen heilen ohne Narbenbildung ab, allerdings entwickeln viele Betroffene eine reaktive, störende (palmo)plantare Hyperke-ratose. Bei der klassischen lokalisierten basa-len EBS durch KRT5/14-Mutationen, entwi-ckeln viele Betroffene zudem eine Hyperhidrosis, wodurch im Sommer die Bla-senbildung verstärkt wird.

Eine gut bekannte und schwer verlaufende Unterform ist die schwere generalisierte basa-le EBS, früher Dowling Meara genannt. Bei dieser EBS, wo bestimmte Mutationen in KRT 5/14 gezeigt werden konnten, sind die Neu-geborenen lebensbedrohlich stark betroffen, es liegen initial ausgedehnte Erosionen, spä-ter eher herpetiform angeordnete Blasen vor. Im weiteren Verlauf stabilisiert sich der Haut-befund deutlich, es persistieren neben milder Hautfragilität palmo-plantare Hyperkeratosen und Nageldystrophien.

Eine verhältnismässig milde EBS-Variante ist das Akrale Peeling Skin Syndrom (APSS), ausgelöst durch autosomal rezessive Mutati-onen in TGM5.

In den letzten Jahren sind verschiedene neue und extrem seltene Formen der EBS beschrie-ben worden, deren klinische Symptomatik

z. T. dramatisch verläuft und wo diverse Or-ganmanifestationen wie eine progrediente Muskeldystrophie, Nieren- und Herzbeteili-gungen vorliegen können3).

Junktionale Epidermolysis bullosa (JEB)Die JEB bildet die kleinste Gruppe der verschie-denen EB-Formen. Hier findet sich die Spaltbil-dung direkt im Bereich der dermo-epidermalen Junktionszone, in der Lamina lucida zwischen Epidermis und Lamina densa. Die JEB wird zunächst in lokalisierte und generalisierte For-men, dann in verschiedene Unterformen mit unterschiedlich schwerem Verlauf oder beson-deren klinischen Merkmalen unterschieden. Die Lebenserwartung kann bei einer JEB stark eingeschränkt, aber auch normal sein.

IFM und Genetik der JEBZum aktuellen Zeitpunkt sind 8 verschiedene Gene als Auslöser einer JEB bekannt. Bei 80% der Fälle liegen autosomal rezessiv vererbte Mutationen ist einem der Gene der drei Ket-ten des in den Hemidesmosomen aktiven Proteins Laminin332 vor (LAMA3, LAMS3 oder LAMC2). Bei den übrigen Fällen findet sich vorwiegend eine Mutation in COL17A1 oder den Integrinen ITGA3, ITGA6, ITGB4. Die übri-gen Formen sind ausgesprochen selten2).

Das Signal der veränderten Strukturproteine im IFM ist bei den milderen Formen reduziert, bei den schweren Formen stark reduziert bis negativ.

Kutane und extrakutane Manifestatio-nen der JEBBei der moderaten und schweren generalisier-ten JEB mit Laminin-Mutation kommt es be-reits im Neugeborenenalter zu kleineren Bla-sen unterschiedlicher Ausdehnung, häufig liegt eine enorale Beteilung und z. T. bei Ge-burt eine Aplasia cutis vor. Die Blasen heilen zunächst ohne Narben ab, die Haut wird über die Jahre aber deutlich atroph. Im Verlauf kommt es neben der Hautfragilität zu einer Nageldystrophie und -verlust und z. T. Strik-turen der Harnwege. Auch die Atemwege können betroffen sein (Abb. 4).

JEB, generalisierte und lokalisierte FormenBei den weniger schweren Mutationen der Gene LAMA3, LAMB2, LAMC2 kommt es zu sehr unterschiedlich milden bis schweren Verläufen, es sind selten Todesfälle im Kin-des- und Jugendalter beschrieben.

Abbildung 3: Klinisches Bild der EBS - verschiedene Formen. A: APSS; B: EBS schwer genera-lisiert; C: Aplasia cutis bei EBS KLHL24; D palmoplantare Hyperkeratose; D: milde Blasen bei EBS; E: frische Blase bei EBS

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Die JEB durch Mutationen in COL17A1 haben meist einen moderaten Verlauf. Auffällig ist hier neben den Zahn- und Nagelveränderun-gen eine ausgeprägte Alopezie. Es kann zu extrakutanen Komplikationen kommen, die aber keine ausgeprägte Einschränkung der Lebenserwartung zur Folge haben.

Bei JEB mit Integrin-Mutationen sind verschie-dene Assoziationen wie z. B. Pylorusatresie und urologische Strikturen beschrieben, hier sind letale Verläufe im Neugeborenen- und Kindesalter bekannt.

JEB, schwer generalisiertBesondere Bedeutung kommt der schweren generalisierten JEB (früher JEB Herlitz) zu, da bei dieser Form mit einer Letalität innerhalb der ersten 6-24 Monate zu rechnen ist8). Diese Kinder zeichnen sich sehr früh durch periunguale Blasen sowie Blasen an Gesäss und Ellenbogen aus (Abb. 4), im weiteren Verlauf entwickeln sie periorale Erosionen mit vermehrtem Granulationsgewebe in Gesicht und intratracheal, was zu Heiserkeit bis hin zu Atemnot führen kann. Nach einigen Monaten zeigen die Kinder einen Gewichtsstillstand meist um die 6 kg und eine ausgeprägte Anä-mie. Die meisten Kinder versterben, ohne dass eine klare Todesursache benannt werden kann, vorwiegend scheinen die ausgeprägte Gedeihstörung, entzündliche Faktoren, die Anämie und Infektionen eine Rolle zu spielen, aber auch Atemwegsobstruktionen kommen vor. Bisher hat keine Therapie obiger Kompli-kationen den natürlichen Verlauf relevant verändern können.

Da die Haut bei Geburt meist noch relativ mild betroffen ist, ist die fatale Diagnose zunächst nicht immer leicht zu vermitteln. Eine schnel-le Diagnostik (IFM, Mutationsanalyse) ist von grösster Bedeutung. Zudem sollte man früh-zeitig die Begleitung eines Palliativteams bzw. einer psychologischen Betreuung anbieten.

Dystrophe Epidermolysis bullosa (DEB)Die DEB ist die zweitgrösste Gruppe der ver-schiedenen EB-Formen, sie stellen im klini-schen Alltag aber die grösste Zahl der Patien-ten. Bei der DEB findet sich eine subepidermale Spaltbildung, direkt unterhalb der dermo-epidermalen Junktionszone in der oberen papillären Dermis. Die DEB wird zu-nächst nach ihrem Vererbungsgang in eine dominante (DDEB) und rezessive DEB (RDEB) unterteilt sowie werden dann 14 verschiedene lokalisierte und generalisierte Unterformen mit unterschiedlich schwerem Verlauf oder besonderen klinischen Merkmalen unter-schieden4).

IFM und Genetik der DEBDie Ursache einer DEB ist immer eine Mutati-on in COL7A1, welches eine wichtige Kompo-nente der Verankerungsfibrillen, das Kollagen VII kodiert.

Obgleich die rezessiv vererbten Formen ver-einzelt auch sehr mild verlaufen können, so zeigt doch die Mehrheit dieser Patienten ei-nen schwereren Verlauf als die autosomal dominant vererbten Formen. Das Signal für Kollagen VII im IFM ist in der betroffenen Haut bei der DEB meist normal, hier muss eine

Blase für das Stellen der Diagnose vorliegen. Bei den milderen Formen der RDEB ist das Signal diskret bis deutlich sichtbar reduziert, bei den schweren Formen der RDEB stark reduziert bis negativ.

Kutane und extrakutane Manifestatio-nen der DEBDie Ausprägung der kutanen und extrakuta-nen Manifestationen unterscheidet sich zwi-schen den verschiedenen Unterformen der DEB sehr 9). Aufgrund des tieferen Spaltbil-dungsniveaus und einer v. a. bei der RDEB veränderten Entzündungslage, heilen die Bla-sen mit einer atrophen Vernarbung ab. Auch blutgefüllte Blasen und Milien werden häufig gesehen.

Die dominante DEB kann lokalisiert oder generalisiert auftreten. Diese Form hat in der Regel eine gute Prognose und normale Le-benserwartung. Die Blasenbildung ist meist auf Körperteile begrenzt, die vermehrtem Trauma ausgesetzt sind, wie z. B. Ellenbogen, Knie, Schienbeine, Hände und Füsse. Bei re-petitivem Trauma kommt es zu Vernarbungen, Milien und Nageldystrophien oder Nagelver-lusten (Abb. 5). Eine enorale Beteiligung ist selten, die Zähne und Haare sind normal. Vereinzelt kann der Befund so mild sein, dass die eigene Erkrankung erst bei stärkerer Aus-prägung der betroffenen Kinder auffällt.

Die rezessive DEB (RDEB) ist meist genera-lisiert und tritt bei einer guten Restfunktion des Kollagen VII als milde oder moderate bzw. bei weitgehendem Fehlen von funktionalem Kollagen VII als schwere Form, der «RDEB schwer generalisiert» in Erscheinung. V. a. bei der letzteren Form ist aufgrund der Schwere der Hauterkrankung und aufgrund multipler Sekundärkomplikationen von einer verkürzten Lebenserwartung auszugehen.

RDEB schwer generalisiertBei der RDEB schwer generalisiert liegt ab Geburt eine ausgeprägte Blasenbildung z. T. auch Aplasia cutis an den Extremitäten vor. Im Verlauf kommt es bei Trauma aber auch spontan zu Verletzungen der Haut, welche initial gut, im Laufe des Lebens manchmal aber auch nur langsam oder kaum heilen.

Die Pflege und das Verbinden der Haut sind schmerzhaft und zumeist sehr zeitaufwendig, so dass für betroffene Familien früh ein Kon-takt zu externen (Kinder-)Pflegediensten er-stellt werden sollte.

Abbildung 4: Klinisches Bild der JEB. A-D: JEB schwer generalisiert mit den typischen periora-len Erosionen und Granulationsgewebe, den Blasen an Gesäss und periungual; E,F: JEB mit Kollagen XVII-Mutation, Blasen an den Händen sowie Nageldystrophie und -verlust; Alopezie

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Die Hände sind v. a. im frühen Kindesalter stark mitbetroffen. Aufgrund der Vernarbun-gen und Entzündungen, kommt es an den Fingern neben den Wunden und einem frühen Nagelverlust langsam zu proximalen Pseudo-synechien und Beugekontrakturen, die die Greiffunktion zunächst nicht stark stören. Langfristig ist mit dem kompletten Verwach-sen der Finger bis hin zu sogenannten Mutila-tionen, i. S. einer Fauststellung, zu rechnen, welche die Eigenständigkeit der Betroffenen stark einschränkt (Abb. 5). Operative Lösun-gen der Finger sind sehr aufwendig und Rezi-dive häufig. Über den Gelenken, insbesondere den Knien, Ellenbogen und Hüftgelenken entwickeln sich bei reduzierter Mobilisierung vermehrt Kontrakturen, die bis zu einer Roll-stuhlpflichtigkeit führen können und denen daher frühzeitig mit physiotherapeutischer Unterstützung entgegengewirkt werden muss.

Es besteht im Rahmen der Heilung meist ein ausgeprägter Juckreiz, welcher auch mit mo-dernen Therapieregimes nur begrenzt beein-flussbar ist und durch den es bei Kratzen zu neuen Traumata und Wunden an der Haut kommt.

Die Patienten neigen zu der Entwicklung von Plattenepithelkarzinomen, die trotz einer his-tologischen guten Differenzierung sehr früh metastasieren und eine häufige Todesursache der Patienten darstellen10),11). Plattenepithel-karzinome sind bereits bei Kindern unter 10

Jahren festgestellt worden, meist treten sie aber erst nach der Pubertät auf. Sie äussern sich als chronische Wunden oder hyperkera-totische Plaques. Bei sehr früher Diagnose und Exzision ist die Prognose günstig, bei fortgeschrittenem Befund ist die Therapie hingegen schwierig12).

Auch die Augen können betroffen sein, so dass es zu repetitiven Verletzungen der Horn-haut und Verwachsungen der Augenlider mit Ektropion und Symblepharon und Einschrän-kung der Sehfähigkeit kommen kann. Ein Kontakt zu einem Ophthalmologen sollte frühzeitig hergestellt werden. Bei starker Au-genbeteiligung können spezielle Kontaktlin-sen angeboten werden.

RDEB, Mund und GastrointestinaltraktBereits bei den neugeborenen Kindern findet sich meist eine enorale Beteiligung mit Bla-senbildung an Lippen und Zunge, welche aufgrund des starken notwendigen Sogs das Stillen der Babys erschwert bis unmöglich macht. Im Verlauf der ersten Lebensjahre entwickelt sich im Rahmen der Vernarbung eine Mikrostomie mit deutlich reduzierter Mundöffnung. Hierdurch entwickelt sich ein Zahn-Engstand und die Zahnhygiene ist ein-geschränkt13). Bei zusätzlich reduzierter Spei-chelproduktion aufgrund von Vernarbungen der Speichelgänge und der häufigen Aufnah-me gesüsster hochkalorischer Nahrungsmit-tel, kommt es zu einer deutlich vermehrten Kariesbildung und frühem Zahnverlust.

Die Mitbeteiligung des Gastrointestinal-trakts führt zum einen zu einer ausgeprägten Obstipation, so dass bereits im frühen Kindes-alter Laxantien notwendig werden. Im Bereich der Speiseröhre kommt es zu Strikturen bis hin zu der Unfähigkeit der oralen Nahrungs-aufnahme (Abb. 5).

Die meisten Kinder entwickeln frühzeitig eine Gedeihstörung, welche später zu einer Puber-tas tarda und einem Kleinwuchs, resultierend aus der Kombination des erhöhten Energiever-brauchs im Rahmen der Wund- und Blasenbil-dung, der gastrointestinalen Beteiligung und einer erschwerten Nahrungsaufnahme, führt. Es bedarf der engen Zusammenarbeit mit Kollegen der Ernährungsberatung und Gastro-enterologie, um das Nahrungsangebot, häufig auch mittels Gastrostomiesonde, zu optimie-ren.

Andere OrganbeteiligungenIm Rahmen der chronischen Entzündung bei der RDEB schwer generalisiert kommt es zu einer Anämie der chronischen Entzündung, die auf orale Eisengaben nicht ausreichend anspricht. Zudem kann es im Verlauf der Zeit durch die Entzündungen zu IgA Nephritiden und bei Bildung von Amyloid zu renalen Amy-loidosen bis hin zur Dialysepflichtigkeit kom-men. Die Anämie und ein Mangel an Spuren-elementen wird für die Entwicklung einer dilatativen Kardiomyopathie verantwortlich gemacht. Die meisten Patienten zeigen eine Osteopenie und Osteoporose mit Knochen-schmerzen und Frakturneigung. Die genaue Genese ist nicht geklärt, aber es wird von ei-nem Zusammenhang eines Vitamin-D-Man-gels, der Gedeihstörung, Entzündung und eingeschränkter Mobilität ausgegangen.

Die Ausprägung und Komplexität der Erkran-kung sowie die chronischen Wunden, z. T. ausgeprägten Schmerzen und Juckreiz, ma-chen eine normale soziale, schulische und berufliche Entwicklung sehr schwierig. Auch diesen Aspekten der Erkrankung ist mit ent-sprechender Unterstützung von Psychologen, Palliativmedizinern und Sozialarbeitern Rech-nung zu tragen14).

Therapie der Epidermolysis bullosaDie Therapie der Epidermolysis bullosa ist bisher symptomatisch. Trotz intensiver For-schungen mit dem Ziel von Zell- und Protein-Therapien hat sich bisher noch keine Therapie als alltagstauglich und bezahlbar für ein öf-fentliches Gesundheitswesen erwiesen.

Abbildung 5: DEB. A/B Blasenbildung und Nageldystrophie bzw Verlust; C Blasen, Krusten, Milien. D/E Initiale Pseudosynechien und Langfingerkontrakturen bis zu nahezu kompletter Mutilation. F Blasen in Ösophagus mit Striktur im Röntgen-Breischluck

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Fortbildung

Große Hoffnungen liegen momentan auf neu-en Methoden der Genkorrektur und Therapien zur Kontrolle der Inflammation und Fibrose, mit der viele Komplikationen gelindert werden könnten15).

Als eine seltene, komplexe und aufwendige Erkrankung bedarf die Therapie der EB spezi-alisierter Zentren, wo verschiedene Diszipli-nen aus medizinischen, pflegerischen, chirur-gischen, physio-ergotherapeutischen und psycho-sozialen Bereichen zusammenarbei-ten und Informationen zu neuartigen Therapi-en und Zugang zu klinischen Studien vermit-telt werden können.

In der Schweiz haben sich solche Zentren in Basel, Bern und Zürich entwickelt. Während der Fokus in Zürich vorwiegend auf der Be-handlung von Säuglingen und Kleinkindern sowie Palliativsituationen im Kindesalter liegt, liegt der Schwerpunkt in Bern auf Behandlung älterer Kinder, Jugendlicher und jugendlicher Erwachsener. In Basel werden vor allem er-wachsene Patienten gesehen.

FazitDie Epidermolysis bullosa ist eine Gruppe von Erkrankungen, die durch Hautfragilität ge-kennzeichnet ist. Die Unterscheidung der verschiedenen Formen und Unterformen ist durch die Entdeckung mehrerer neuer Formen zunehmend komplex geworden. Trotz intensi-ver Forschungen in diesem Bereich, ist die Behandlung weiterhin vorwiegend symptoma-tisch. Für die Beratung, Begleitung und Thera-pie bedarf es spezialisierter Zentren.

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12) Mellerio JE, Robertson SJ, Bernardis C, Diem A, Fine JD, George R, Goldberg D, Halmos GB, Harries M, Jonkman MF, Lucky A, Martinez AE, Maubec E, Morris S, Murrell DF, Palisson F, Pillay EI, Robson A, Salas-Alanis JC, McGrath JA. Management of cutaneous squamous cell carcinoma in patients with epidermolysis bullosa: best clinical practice guidelines. Br J Dermatol. 2016 Jan;174(1):56-67.

13) Wright. Oral manifestations in the Epidermolysis Bullosa Spectrum. Dermatol Clin. 2010;28(1): 159-164).

14) Ott H, Eich C, Schriek K, Ludwikowski B. Epidermo-lysis bullosa hereditaria bei Schulkindern und Adoleszenten. Hautarzt 2016 · 67:279–286.

15) Uitto J, Bruckner-Tuderman L, McGrath JA, Riedl R, Robinson C. EB2017-Progress in Epidermolysis Bullosa Research toward Treatment and Cure. J Invest Dermatol. 2018 May;138(5):1010-1016.

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Vol. 29 Nr. 3 2018Hinweise

Bund und Parlament möchten, dass die För-derung von Velowegen in der Verfassung verankert wird. Darüber wird am 23. Septem-ber abgestimmt. Die Schweizerische Gesell-schaft für Pädiatrie unterstützt die Vorlage, weil bessere Veloinfrastrukturen gerade Ju-gendlichen zu mehr Bewegung verhelfen.

Das Velo ist für viele Kinder und Jugendliche das erste Verkehrsmittel, mit dem sie auf der Strasse selbständig unterwegs sind – oder besser gesagt: war. Denn die Velonutzung im Schulalter hat in den letzten 20 Jahren deut-lich abgenommen. Es fahren weniger Jugend-liche Velo und sie fahren seltener. Ein Grund dafür ist der attraktive öffentliche Verkehr, in dem sie während der Fahrt (virtuell) kommu-nizieren können. Ein anderer sind die unat-traktiven Bedingungen im Strassenverkehr. Studien in Zürich und Basel haben gezeigt, dass Junge an sich gerne Velofahren würden, sofern es angenehmer und sicherer wäre.

Ja zum Velo in der VerfassungChristoph Merkli, Pro Velo Schweiz, Bern

Was Hänschen nicht lernt…Velofahren ist nicht nur gesund, sondern för-dert auch die Entwicklung von Körper und Geist. Und ein bewegter Schulweg ist für die Leistungsfähigkeit von Kindern gar wirksamer als ein gesundes Frühstück. Es kommt hinzu, dass das Mobilitätsverhalten in der Jugendzeit dasjenige als erwachsene Person mitprägt. Wer also früh den Zugang zur Mobilität aus Muskelkraft findet, sitzt auch später öfter aufs Velo – und umgekehrt! Ganz abgesehen von den weiteren Vorteilen, die das lautlose, energiesparende und stadtgerechte Velo mit sich bringt, hat die Gesellschaft somit ein grosses Interesse daran, dass Junge Velo fahren.

Holland und das Wanderwegnetz als VorbilderLänder wie die Niederlande und Dänemark machen vor, wie es gelingt, Junge für das Velo zu begeistern. Es beginnt mit einer grosszügi-gen, gut sichtbaren und attraktiven Infrastruk-tur. Velos verkehren weitgehend auf eigenen Fahrbahnen und werden sicher und oft vor-trittsberechtigt durch die Städte und übers Land geführt. In der Schweiz gibt es zwar da und dort gute Ansätze, doch es fehlt ein ganz-heitliches und lückenloses Netz von Velover-bindungen.

Bund und Parlament schlagen nun vor, dass der Bund die Kantone bei der Planung und Umsetzung von Velowegnetzen unterstützen kann – wie er das bereits bei den Wanderwe-gen tut. Bei den Wanderwegen ist die Schweiz bekanntermassen bereits Weltspitze – und genau dies soll für das Velo ebenfalls erreicht werden.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Hinweise

Jugendliche und junge Menschen rauchen besonders häufig. In der Suchtmonitoring-Studie «Tabakkonsum bei 15- bis 25-Jährigen im 2016» haben 31,6 Prozent der Befragten angegeben, täglich oder gelegentlich zu rau-chen. Rund sechs Prozentpunkte mehr als in der Gesamtbevölkerung.

So beginnt die Mehrheit der Rauchenden be-reits als Minderjährige mit dem Konsum. Ärztinnen und Ärzte sind täglich mit den Fol-gen des Tabakkonsums konfrontiert: Lungen-, Herz-, Gefäss-, Tumor- und andere tabakbe-dingte Krankheiten führen in der Schweiz je-des Jahr zu rund 9500 Todesfällen.

Rauchende Kinder?Markus Koch, Bern

Prävention entscheidendAls Kinderärztinnen und Kinderärzte engagie-ren wir uns stark in der Prävention – dies muss auch gesetzlich unterstützt werden und dazu zählen wirksame Werbeeinschränkun-gen. Deshalb engagiert sich die Schweizeri-sche Gesellschaft für Pädiatrie für die Initiati-ve «Ja zum Schutz der Kinder und Jugendlichen vor Tabakwerbung». Ziel der Initiative ist es, Werbung für Tabakprodukte, die Kinder oder Jugendliche erreicht, einzudämmen.

Die Werbung ist entscheidend, denn durch den häufigen Kontakt mit Tabakwerbung be-ginnen Jugendliche eher mit dem Rauchen, wie wissenschaftliche Studien belegen. Es erstaunt daher nicht, dass die Tabakindustrie ihre Strategien besonders auf diese Zielgrup-pe ausrichtet. Werbeorte, Sprache und Ge-staltung zielen darauf ab, Jugendliche anzu-sprechen. Gerade in der Schweiz kommen sie sehr häufig mit Tabakwerbung in Kontakt,

denn im Gegensatz zu den meisten europäi-schen Ländern sind Werbung, Verkaufsförde-rung und Sponsoring omnipräsent.

Lasche Gesetze in der SchweizMit intensivem Lobbying verhindert die Tabak-industrie seit Jahren erfolgreich, dass griffige-re Massnahmen zur Tabakprävention und für den Jugendschutz im Gesetz verankert wer-den. Deshalb konnte die Schweiz, als bald einziges Land auf dem Kontinent, bis heute die Tabak-Rahmenkonvention aus dem Jahr 2003 nicht ratifizieren.

Es liegt an uns, hier Verantwortung zu überneh-men und uns für den Schutz der Kinder einzu-setzen. Unterstützen Sie deshalb die Volksini-tiative. Für eine erfolgreiche Initiative braucht es Ihr Engagement: Unterschreiben sie gleich selbst und sammeln Sie in Ihrem Umfeld. Infor-mationen zur Initiative sowie Materialien finden Sie auf www.kinderohnetabak.ch

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Vol. 29 Nr. 3 2018Hinweise

In Anbetracht der grossen Zahl an Kindern und Jugendlichen die weltweit vertrieben werden und unter extrem prekären Bedingun-gen ihre Gesundheit und Entwicklung aufs Spiel setzen, hat sich die International Socie-ty for Social Pediatrics and Child Health (ISSOP)1) 2017 durch die Budapester Deklara-tion2) verpflichtet, die Rechte dieser Kinder und Jugendlichen zu schützen und Kinderärz-te und Gesundheitsfachleute zu ermutigen, sich aktiv dafür einzusetzen, damit:

• ihre spezifischen Bedürfnisse geprüft und anerkannt werden

• sie in den Genuss angepasster, fachge-rechter und validierter Betreuung kom-men.

Die Schweizerische Gesellschaft für Pädiat-rie3) kümmert sich seit mehreren Jahren um die Gesundheit dieser Bevölkerungsgruppe, insbesondere durch die Schaffung der Refe-renzgruppe Migranten, durch Aktualisieren der Massnahmen zugunsten einer kinderge-rechten Betreuung4),5) und durch Stellungnah-men auf nationaler Ebene – der Weg ist je-doch noch lang und zahlreichen Bedürfnissen wird immer noch nicht Rechnung getragen.

Budapester Deklaration zu Rechten, Gesundheit und Wohlergehen von Kindern und Jugendlichen auf der Flucht

Für die Referenzgruppe Migranten der SGP

Yvon Heller, Nyon, Nicole Pellaud, GenfÜbersetzung: Rudolf Schlaepfer, La Chaux-de-Fonds

Um diese Bestrebungen zu stärken, hat sich die Schweizerische Gesellschaft für Pädiatrie der Budapester Deklaration angeschlossen.

Referenzen1) ISSOP Position Statement : BUDAPEST DECLARA-

TION ON THE RIGHTS, HEALTH AND WELL-BEING OF CHILDREN AND YOUTH ON THE MOVE:

https://www.issop.org/2017/11/10/budapest-declaration-rights-health-well-children-youth-move/.

2) The Budapest declaration for children and youth on the move, The Lancet Child & Adolescent Health: http://www.thelancet.com/pdfs/journals/lanchi/PIIS2352-4642(18)30030-0.pdf.

3) Paediatrica, Spezialnummer Migranten: http://www.swiss-paediatrics.org/sites/default/files/vol_27_spezialnummer_d.pdf.

4) Gehri M et al. Les enfants migrants au cabinet médical des pédiatres, Forum Med Suisse 2017;17(50):1124-1132: https://medicalforum.ch/fr/article/doi/fms.2017.03135/.

5) ISSOP Position Statements: https://www.issop.o r g /c a t e g o r y/c o n t e n t s/ i s s o p - p o s i t i o n - statements/.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Hinweise

Budapest Declaration On the Rights, Health and Well-being of Children and Youth on the Move

International Society for Social Pediatrics and Child Health (ISSOP) Budapest, October 2017

We, paediatricians and child health professionals gathered at the 2017 Annual Conference of the International Society of Social Pediatrics and Child Health (ISSOP), focused on Children and Youth on the Move, in Budapest, Hungary: Aware of the unprecedented global movement of children and youth within and outside of their countries—in response to armed conflicts, other forms of violence, poverty and natural disasters, Cognizant of the perverse effects of their displacement—including physical, psychological and sexual violence; trafficking; detention and separation from parents—on their health and well-being during childhood and through their life course, Realizing the vulnerabilities of newborns, children with disabilities, adolescents and young adults, unaccompanied minors and pregnant women on the move, Knowing the profound violations of their human rights, as articulated in the UN Convention on the Rights of the Child (CRC), and loss of dignity and respect that are occurring before and throughout their journeys, Committed to a Child Rights-based Approach (CRBA) that advances the principles of child rights, engages children and youth and addresses all protection, promotion and participatory rights, Mindful of the critical role paediatricians and child health providers must play with other disciplines in a transdisciplinary response to the full spectrum of rights violations, to ensure the fundamental rights of these children and youth to optimal survival and development and health and health care are fulfilled, Representing a global perspective, and having sought the input of colleagues and professional organizations, Conscious of the need to address these rights violations in clinical care, systems development and public policy, Acknowledging that the service delivery systems for these children and youth, even in countries with well-established health systems, is fragmented with many barriers to optimal care, Recognizing that: a) age is routinely used to determine eligibility for care and placement, b) no objective and culturally valid measures exist to definitively establish the age of youth, and c) that such decisions may have serious implications for the future development of these youth,

Embracing the WHO definition of health, as a “State of complete physical, mental, and social wellbeing, and not merely the absence of disease or infirmity," Assuming that signatory States of the CRC will exercise their legal mandate to ensure that children and youth on the move, and in-particular those who are unaccompanied, are afforded all their rights as articulated in the CRC, without discrimination, and

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Vol. 29 Nr. 3 2018Hinweise

Accepting the responsibility to monitor and document adherence to all elements of this Declaration; Resolve to participate and play a leadership role in advancing the rights, health and well-being of children and youth on the move, from birth through age 25, locally and globally, as follows: The CRC entitles all children without discrimination (Article 2) to optimal survival and development (Article 6), to a voice and the right to participate in decisions that affect them (Article 12) and to optimal health and health care (Article 24). As such:

• Children and youth on the move should be provided the same rights to and receive the same health care as those of the resident population, regardless of the child's legal status and without discrimination based on any distinguishing characteristics of the child.

• As the health of pregnant women is critically important to the health and well-being of their children throughout childhood and their life course, pediatricians should work with other responsible physical and mental health providers and systems to ensure optimal pregnancy and birth outcomes.

• Invoking the human rights principle of the interdependence and indivisibility of rights, all rights articulated in the CRC related to children’s rights for optimal survival and development and health and health care must be addressed by stakeholders in children’s physical and mental health and well-being.

• States parties should be held accountable for their actions to children and youth on the move within their boundaries to ensure the full implementation of the rights articulated in the CRC, and this accountability should be addressed in their periodic reports to the Committee on the Rights of the Child.

Children and youth on the move have particular physical and mental health risks and needs. As such:

• Paediatricians and other child health providers should be involved in planning and implementing reception, clinical and public health programs, policies and protocols.

• Physical, mental and social health care should respond to the varied risks and exposures in their respective countries of origin and routes of their journey.

• Upon entry into safe spaces, comprehensive physical and mental health assessments should be provided to all children and youth to identify their needs for preventive and curative care.

• Mental health assessments should include the identification of urgent problems and risk and protective factors for mental illness, including the mental health status of their caregivers, without stigmatizing the child and family.

• Children and youth should receive comprehensive primary care and be linked to referral systems, including locally available services, that ensure their physical and mental health needs are addressed.

• The developmental and behavioural status of youth should be used as the primary determination of the placement required to optimize their physical and mental health and well-being.

The care of children and youth on the move requires skills in cultural and linguistic competency and providing trauma informed care across cultural and language barriers. As such:

• Professionals working with children should be trained in cultural and linguistic competency, how to work with interpreters and trauma-informed care.

• Health assessments and continuity of care should: a) be performed in a manner that is sensitive to their linguistic, cultural and ethnic origins, b) take place with informed consent, c) include participation in physical and mental health care decision making, and d) incorporate a trauma-informed approach to care.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Hinweise

• Interpreters should be trained in medical interpretation and adhere to rigorous policies and protocols on confidentiality and professionalism.

Paediatricians, child health providers and organizations have a leadership role to play in fulfilling the rights of children and youth on the move to optimal health and health care. As such:

• Paediatricians and other child health professionals, supported by professional organizations, should be fully engaged in all aspects of the response to the needs of children and youth on the move—at local, national and international levels—with clearly delineated roles and responsibilities.

• Paediatricians and other child health professionals should establish a holistic Child Rights-Based Approach to the health and well-being of these children and youth.

• Paediatricians and child health organization should be acknowledged by and participate as key partners with the UN Children’s Fund (UNICEF), World Health Organization (WHO), UN High Commissioner for Refugees (UNHCR), International Organization for Migration (IOM) and other public and private sector regional, national and international organizations.

• The capacity should be prioritized by regional pediatric societies, the International Pediatric Association and relevant global agencies to mobilize paediatricians and other child health professionals and organizations, including those from the countries of origin of these children and youth, to participate in all aspects of the response to their displacement—even on short notice.

A comprehensive “Child Health Action Plan for Children and Youth on the Move,” that addresses the global work of paediatricians, other child health providers and professional organizations in clinical care, systems development and the generation of policy will be increasingly important in the future. As such:

• Clinical. Children and youth on the move need publicly funded, high quality physical and mental health care that includes targeted and mainstream services independent of their visa status and without discrimination.

• Systems. Systems of care should be established that serve the special physical, mental, public and social health needs of these children and youth, in a manner that addresses bias, prejudice and xenophobia—and consistently affirms their dignity and rights.

• Policy. Every nation state should advance Health in all Policies and Universal Health Care approaches and commitments to advance equity in the health and well-being of children and youth on the move.

Paediatricians and child health providers should employ evidence-based policies, protocols and practices for program development, implementation and evaluation. As such:

• Paediatricians and child health providers should work with colleagues in a transdisciplinary approach to ensure children live in nurturing rights-respecting environments; and within these settings, physical and mental health needs are identified and addressed whenever they occur.

• Trauma informed and integrated medical-behavioural policies and practices should be implemented in all aspects of programming.

• Ongoing formative and summative evaluations that contribute to continuous quality improvements in programs, systems and public policies should be implemented and integrate the metrics of child rights, social justice and health equity.

• Academic institutions should be engaged to support all aspects of regional, national and global initiatives, including professional education, research and evaluation, and dissemination of knowledge and experience.

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Vol. 29 Nr. 3 2018Hinweise

Weiterbildung zum Thema Kinder-schutz in der SchweizDie Aus- und Weiterbildung im Gebiet Kinds-misshandlung/Kinderschutz wird in der Schweiz nicht systematisch umgesetzt und die Vermittlung von Wissen und Können zu diesem Thema, das weit häufiger vorkommt, als «klassische» pädiatrische Krankheitsbil-der, z. B. aus der Onkologie, der Nephrologie oder den Stoffwechselkrankheiten, hängt weitgehend davon ab, wie an einer Medizini-schen Fakultät oder einer pädiatrischen Klinik die Verantwortlichen entsprechende Schwer-punkte setzen. Das soll nun anders werden.

Der Bundesrat empfiehlt Weiterbil-dung in Kinderschutz für alle GesundheitsberufeIn seiner Antwort vom 17. Januar 2018 auf das Postulat 12.3206 Feri Yvonne vom 15. März 2012 «Früherkennung innerfamiliärer Gewalt bei Kindern durch Gesundheitsfachpersonen» schreibt der Bundesrat u. a.:

«Die Analyse hat ergeben, dass der aktuelle empirische Wissensstand zu Massnahmen der Früherkennung von innerfamiliärer Gewalt bzw. Kindeswohlgefährdungen als nicht ausrei-chend zu betrachten ist.»

Und weiter:

«Eine Aufnahme des Themas der innerfamiliä-ren Gewalt in die eidgenössische Prüfung, die die universitäre Ausbildung abschliesst, …, würde der Bundesrat begrüssen. Er lädt die für die Durchführung der eidgenössischen Prüfung zuständige Kommission ein, dies zu prüfen.»

Lücken schliessenBis in der Schweiz entsprechende Aus- und Weiterbildungsmodule verfügbar sind, und das Thema in die eidgenössische Schlussprü-fung einfliesst, gibt es eine hervorragende Möglichkeit, bereits jetzt Wissen und Können im Bereich Kinderschutz zu erwerben:

Seit Juni 2015 läuft ein Online-Kurs zur The-matik des Umgangs mit Kindesmisshandlung,

Online-Weiterbildung in Kinderschutz – eine einmalige Chance!Ulrich Lips, Zürich

geplant und umgesetzt vom Uniklinikum Ulm, Klinik für Kinder und Jugendpsychiatrie/Psy-chotherapie unter der Leitung von Professor Jörg M. Fegert (https://grundkurs.elearning-kinderschutz.de/). Ziel des Projektes ist es, Fachkräfte aus den Gesundheitsberufen hin-sichtlich dieses Themenkomplexes effektiv und nachhaltig weiterzubilden. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Gesundheit der Bundesrepublik Deutschland gefördert. Zielgruppen des Online-Kurses sind alle Ge-sundheitsfachleute: ÄrztInnen, Pflegende, Hebammen, PsychotherapeutInnen, Kinder- und JugendpsychotherapeutInnen, Physio-, Ergo-, Arbeits-, Musik-, Kreativ-TherapeutIn-nen, LogopädInnen und weitere Gesundheits-fachpersonen.

30 Stunden innert einem Jahr – mit ZertifikatDer Kurs ist modular aufgebaut und enthält fünf Module mit insgesamt 18 Lerneinheiten. Neben der Vermittlung von Wissen durch Grundlagen- und Rechtstexte wird im Rahmen des Kurses besonderer Wert auf das fallba-sierte Lernen gelegt. Deswegen enthält der Kurs neben dem Theoriebereich einen eige-nen Praxisbereich. Dort werden zehn Fallbei-spiele mit unterschiedlichen medizinischen Schwerpunkten (ärztlich, psychotherapeu-tisch und pflegerisch) zur Bearbeitung ange-boten, die unterschiedliche Formen von Kindsmisshandlung abbilden und in Faktoren wie Alter des Kindes sowie familiäre Konstel-lation variieren, so dass eine grosse Spann-breite von real in der Praxis vorkommenden Fällen abgedeckt wird. Ausserdem werden Filmclips zur Gesprächsführung im Kinder-schutz und Übungen angeboten.

Das Lehrmaterial wird von einem wissen-schaftlichen Beirat, der aus renommierten Fachleuten aus den verschiedenen relevanten Bereichen gebildet wird, geprüft.

In der Begleitforschung wird das Kurspro-gramm regelmässig evaluiert, um die Lern-plattform und die Lerninhalte zielgruppenori-entiert zu verbessern. Ergänzend werden bei

den TeilnehmerInnen des Online-Kurses das erworbene Wissen und die Handlungskompe-tenzen überprüft.

Der Kurs ist mit einem Umfang von 30 Stun-den geplant. Die Kursbearbeitung kann über einen Zeitraum von einem Jahr frei eingeteilt werden.

Nutzen Sie die Chance!Die nächste Testkohorte startet Ende Juni 2018. Die Teilnahme am Kurs ist während der Projektphase kostenlos. Auch als Schweizer Ärztin oder Arzt können Sie sich einschreiben. Natürlich sind die juristischen Regelungen in Deutschland anders als in der Schweiz, dieser Aspekt macht aber nur einen kleinen Teil des ganzen Kurses aus.

Bei Interesse können Sie sich unter https://grundkurs.elearning-kinderschutz.de/local/interesteds/interesteds.php in eine Interes-sentInnenliste eintragen.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 Hinweise

Für 2019 suchen wir ein Titelbild mit dem Thema: Kind und/oder Familie.

Dieses darf in der grafischen Technik vari-ieren (Zeichnung, Gemälde, Skulptur, Fo-tografie usw.) Die Redaktion wird das Kunstwerk auswählen.

Die Preissumme beträgt CHF 500.–

Einsendeschluss: 30. Oktober 2018

Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge an:[email protected]

Gesucht: Titelbild für die PAEDIATRICA 2019!

Bulletin der Schweizerischen Gesellschaft für Pädiatrie

Vol. 30/1 II/2019

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Vol. 29 Nr. 3 2018FMH-Quiz

Fallbeschreibung

Ein 18 Monate alter Knabe mit rezidi-vierendem Wheezing und HustenDer Knabe war am Termin geboren, zeigte eine unauffällige Neugeborenenperiode und entwickelt sich entlang der 75. Perzentile für Gewicht und Länge. Er wurde in seinem ersten Winter zweimal wegen Ernährungsschwierig-keiten hospitalisiert und hatte immer Atem-probleme. Die Mutter beschreibt diese als rezidivierendes Wheezing und Husten. Der Knabe wurde zweimal mit oralen Antibiotika behandelt und inhalierte in den letzten acht Wochen regelmässig Salbutamol ohne Besse-rung. In der klinischen Untersuchung findet sich ein biphasischer Stridor ohne Variabilität bei Lageänderung. Keine Hautauffälligkeiten und keine Auffälligkeiten der Hirnnerven und der Fingernägel. Anamnestisch bestehen kei-ne Hinweise für eine Atopie.

Frage 1Nennen Sie sieben mögliche Ursachen eines Stridors (allgemein).

Frage 2Welches ist die klinische Diagnose und auf-grund welcher Elemente erklären Sie die Wahl?

Frage 3Welche Untersuchungen veranlassen Sie, um die klinische Diagnose zu bestätigen?

Frage 4Welche therapeutischen Massnahmen treffen Sie?

Antworten und KommentareCarmen Casaulta, Bern

Zu Frage 1Laryngomalazievirale LaryngotracheitisStimmbandpareseSubglottische StenoseFremdkörperMalformation der grossen Gefässe/aberrierendes GefässHämangiom

FMH Quiz 70

Zu Frage 2Mit der vorhandenen Anamnese ist die Diffe-rentialdiagnose breit. Erfahrungsgemäss fällt es Eltern häufig schwer, die Atemgeräusche eindeutig der In- oder Exspiration zuzuordnen. Mit «Stridor» werden daher verschiedene Atemgeräusche gemeint:

• Das Schnarchen, welches klar im Pha-rynxbereich entsteht und am besten vor der Nase zu auskultieren ist,

• das Karcheln, welches im Bereich der Tonsillen und des Larynx entsteht und eine «brodelnde» Qualität aufweist, häufig nach dem Essen stärker ist und nach einem Hustenstoss kurzzeitig verschwindet,

• der klassische Stridor, im Larynx oder unmittelbar subglottisch entstehend, hochfrequent und jauchzend,

• der Stertor, tieffrequent, rau und krat-zend, bei subglottischen und trachealen Pathologien zu hören und

• das wheezing, welches hochfrequent, gepresst gegen Ende der Exspiration er-tönt und tieftracheal bzw. bronchial ent-steht.

Aus der Fallbeschreibung bleibt unklar, ob die Mutter das Kind zum Arzt bringt, weil die Stridor - Symptomatik zugenommen hat oder erstmals beobachtet wurde. Das heisst, es ist unklar, ob es sich um ein akutes Auftreten des biphasischen Stridors oder um eine kongeni-tale, bisher als wheezing bezeichnete Symp-tomatik handelt.

Am ehesten handelt es sich um eine Patholo-gie im Bereich der Trachea wie eine Ge-fässmalformation, ein aberrierendes Ge-fäss oder eine Tracheomalazie.

In der Folge soll eine Differentialdiagnose der häufigeren Erkrankungen aufgearbeitet wer-den, welche sich mit einem (biphasischen) Stridor manifestieren. Die kursiv gedruckten Angaben nehmen Bezug zur Anamnese.

Akut auftretender StridorInfektiöse Ursachen: Virale – häufig durch Parainfluenza- oder Influenzaviren ausgelöste – oder bakterielle Laryngotracheitis. In den meisten Fällen sind diese Pathologien aber von Fieber begleitet. Andere infektiöse Ursa-

chen stellen para- oder retropharyngeale Abszesse dar, welche dann eine mehr kar-chelnde oder stertoröse Atmung und klossige Sprache verursachen. Fieber ist in der Fallbe-schreibung nicht erwähnt.

Nicht-infektiöse Ursachen: Laryngeale/ tra-cheale/oesophageale Fremdkörper. Jedes beobachtete Ereignis erfordert eine endosko-pische Evaluation durch ein erfahrenes Team. Bei fehlendem Fremdkörper im Larynx und in der Trachea fällt gelegentlich eine dorsale Impression im Bereich der Pars membranacea der Trachea auf, welche sich dann als Fremd-körper im Oesophagus entpuppt. Auch grös-sere oesophageale Fremdkörper können so-mit einen Stridor bewirken. Verletzungen des Larynx oder des oberen Oesophagus mit Farbstiften oder anderem lösen manchmal erst einige Stunden später beim Anschwellen des Gewebes eine stridoröse Atmung (häufi-ger auch als tieffrequentes Stertorgeräusch hörbar) aus. Laryngeale Fremdkörper sind häufig mit Speichelfluss verbunden. Stimm-bandparesen kommen ebenfalls vor, manifes-tieren sich jedoch eher früher durch eine raue Stimme und sind häufiger bei Kindern mit vorangegangener Operation im Bereich des Aortenbogens oder im Rahmen von syndro-malen Erkrankungen.Das Alter des Patienten würde zur Fremdköper-genese passen. In der Anamnese ist jedoch erwähnt, dass «immer Atemprobleme» bestan-den haben. Es wird kein akutes Aspirationser-eignis oder eine akzidentelle Verletzung be-schrieben.

Subakut/chronisch/kongenital auftretender StridorDie Laryngomalazie ist bei weitem die häu-figste Ursache eines Stridors. Er wird meist in den ersten Tagen nach der Geburt hörbar, steigert sich eventuell in den ersten 1-2 Mo-naten und nimmt dann mit unterschiedlicher Dynamik langsam bis zum sechsten Monat ab. Allerspätestens im Alter von einem Jahr sollte er verschwinden. Das typische Geräusch ist inspiratorisch, hochfrequent und jauchzend, wird bei Aufregung stärker und kann bei aus-geprägtem Befund auch biphasisch sein. Die Stimme ist aber klar und laut.Selbst wenn die Mutter das Geräusch fälschli-cherweise als wheezing interpretiert hätte, wäre dem behandelnden Pädiater die Diagnose Laryngomalazie sicherlich nicht schwergefal-len, auch wenn der Knabe dafür etwas alt ist. Dafür sprechen würde allerdings, dass die In-halation mit Beta-Mimetika nicht hilft.

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Vol. 29 Nr. 3 2018 FMH-Quiz

Hämangiome im Larynxbereich können im Verlauf wachsen, je nach Körperposition (Kopftieflage) unterschiedlich gefüllt sein und sich mit Stridor manifestieren.Möglicherweise erwähnt der Autor der Fallbe-schreibung deshalb den normalen Hautbefund (Hämangiome im HNO-Bereich werden häufig von cutanen Hämangiomen oberhalb der Mam-millarlinie begleitet).

Subglottische Stenose, Stimmbandparese: Eine Stenose im subglottischen Bereich muss mehr als 50% des Lumens einengen, bevor ein Stridor hörbar wird. Obwohl diese Stenose auch sehr selten kongenital bestehen kann, scheint diese Pathologie unwahrscheinlich, da sie vor allem bei ehemaligen Frühgeborenen oder intubierten Säuglingen vorkommt. Es handelt sich um einen termingeborenen Knaben ohne vorgängige Intubation.

Das Gleiche gilt für die Stimmbandparese. Der Knabe ist termingeboren, in der Anamnese wird keine raue Stimme beschrieben und expli-zit keine Auffälligkeiten der Hirnnerven.

Klassischerweise zu einem biphasischen Stri-dor führen die Trachea einengende Gefässe im Sinne eines doppelten Aortenbogens (Abbildung 1), einer rechts descendieren-den Aorta oder einer Arteria lusoria (meist der Truncus brachiocephalicus, welcher spät am Aortenbogen abgeht und die Trachea/den Oesophagus kreuzt). Das Kind hatte seit jeher Atemprobleme, wurde wegen Essproblemen hospitalisiert, welche aber offenbar nicht zu einer Gedeihstörung geführt haben (ev. eher Schluckprobleme), In-halationen mit Beta-Mimetika sind wirkungslos.

Die Tracheomalazie mit und ohne Gefässano-malie ist immer von einem röhrenden, see-hundartigen lauten Husten begleitet.Der Husten wird in der Anamnese nicht spezi-fiziert.

Zu Frage 3Die Fallbeschreibung gibt vorwiegend über das Vorliegen eines biphasischen Stridors Auskunft, der restliche Status wäre als Erstes zu ergänzen.

Untersuchungen: Die Wahl der Untersu-chungsmethode hängt von der Verdachtsdia-gnose und von der vorhandenen Infrastruktur ab. Gehen wir davon aus, dass es sich um eine tracheale Pathologie handelt. Im Folgenden soll kurz die Wertigkeit einiger Untersuchun-gen dargestellt werden.

Konventionelle Thorax-Röntgen pa/seitlich Vorteil: Mit dieser überall verfügbaren Unter-suchung können bei guter Qualität der Verlauf und eine eventuelle Kompression der Trachea, der Verlauf des Aortenbogens und auch das Lungenparenchym, Herzgrösse und das Vor-liegen einer Überblähung beurteilt werden. Um die Trachea gut abgrenzen zu können braucht es eine hohe Qualität.Nachteil: Der seitliche Strahlengang erfor-dert eine hohe Strahlendosis.

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Vol. 29 Nr. 3 2018FMH-Quiz

können die oft unspezifischen Schluckbe-schwerden der Säuglinge und Kleinkinder, welche sich auch als Vermeidung von fester Nahrung oder auch Hochwürgen von Nahrung manifestieren, besser als «Mühe zum Runter-schlucken» schildern und die Oesopha-guspassage dokumentiert anschliessend die Einengung des Oesophagus.

Die Gefässmalformationen liegen in mehreren Varianten vor und können, wenn endosko-pisch eine pulsierende Einengung auffällt, mittels MR-Angiographie oder Angio-CT iden-tifiziert werden. In der Regel werden diese Patienten mit den Kardiochirurgen und Inten-sivmedizinern besprochen und ein Procedere festgelegt. Mit wenigen Ausnahmen werden diese Anomalien durch die Kardiochirurgen korrigiert. Meist bleibt nach der Korrektur eine lokalisierte Tracheomalazie zurück. Die Symptome nehmen nach Dekompression aber fast immer ab oder verschwinden ganz.

Referenzen1) Cyriac J, Huxstep K. Whistles and wheezes: don’t

miss diseases. Arch Dis Child Educ Pract Ed 2015; 100: 132-143.

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Kombiniert mit einem Breischluck zur Darstellung des Oesophagus, kann eine Impression des Oesophagus ein kreuzendes Gefäss anzeigen.Vorteil: Gute Sensitivität für das Vorliegen von kreuzenden Gefässen; vor allem indiziert, wenn auch eine Schluckschwierigkeit besteht Nachteil: Strahlenbelastung

Eine Thorax-Computertomographie mit Kontrast (Abbildung 1) stellt alle Weichteil-strukturen und Gefässe, beginnend beim Hals bis zum Zwerchfell mit guter Auflösung dar.Vorteile: Gute Abbildung aller Strukturen, meist ohne Sedation durchführbar Nachteile: Strahlung, Dynamik nicht sichtbar (evt. durch virtuelle Bronchoskopie ergänzen)

MR-Angiographie: Gute Darstellung der Ge-fäss- und MediastinalstrukturenVorteile: Gute Abbildung, keine Strahlung Nachteile: Sedation, evt. Intubation erforder-lich, Dynamik nicht sichtbar

Die flexible Bronchoskopie ermöglicht die dynamische Beurteilung aller Atemwegsstruk-turen von der Nase bis zu den Bronchien in Spontanatmung. Kompressionen der Atemwe-ge, pulsierend oder nicht, wie auch anatomi-sche Fehlbildungen werden erfasst. Vorteile: Anatomische Strukturen und deren Dynamik während In- und Exspiration beur-teilbar (Malazie), Möglichkeit der Probenent-nahme Nachteil: Sedation erforderlich

Falls sich nach der Vertiefung der Anam-nese und des klinischen Status weiterhin die Tracheomalazie und/oder die Gefäss-anomalie als wahrscheinlichste Diagnose bestätigt, wäre eine Bronchoskopie im infektfreien Intervall eine mögliche erste Untersuchung, nach welcher die Weichen für weitere Diagnostik und Therapie ge-stellt werden könnten. Steht eine Broncho-skopie nicht zur Verfügung bietet sich eine Angio-CT-Untersuchung an.

Zu Frage 4Obwohl die Gefässanomalien bereits bei der Geburt vorhanden sind, werden diese nicht immer in der Neonatalzeit klinisch manifest, sondern erst später bemerkt. Selbst bei gleichzeitig bestehenden Schluckschwierig-keiten, bedingt durch eine Oesophaguskom-pression, wird die Diagnose häufig erst im Kleinkindes- oder Schulalter gestellt. Die Kinder fallen durch hartnäckige Infektionen und erschwertes Sekretclearing, ein lautes Atemgeräusch und/oder Leistungslimitierung beim Rennen bzw. Schulsport auf. Beide Symp tome verbessern sich naturgemäss nach Inhalation mit Beta-Mimetika nicht. Dies führt die grösseren Kinder zur pneumologischen Abklärung, bei welcher eine Abflachung der Fluss-Volumenkurve, eine sogenannte «deka-pitierte Fluss-Volumenkurve» entdeckt wird, ein starkes Indiz für das Vorliegen einer Ein-engung der Trachea. Bei einigen Kindern wird die Diagnose durch die Kollegen der Gastro-enterologie gestellt. Etwas grössere Kinder

Abbildung 1a: Aufnahme auf Höhe des Aortenbogens. Doppelter Aortenbogen ( ), dazwischen die Trachea ( ) mit kleinem Kaliber.

Abbildung 1b: Aufnahme auf Höhe der Thoraxapertur, zum Vergleich Kaliber der Trachea ( ) ohne Kompression.