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Realismus, kritischer
Bereits zu Anfang des 20. Jahrhunderts traten unterschiedliche Philosophien unter dem Titel
eines ‚kritischen Realismus‘ auf. Sie trafen sich in der These, dass es zwar eine vom
menschlichen Denken unabhängige reale Welt gebe und diese sich auch aufgrund von
Sinnesdaten erkennen lasse, aber nicht als solche unmittelbar zugänglich sei, d.h. ohne eine
kritische Bearbeitung dieses unmittelbar Gegebenen nicht erkennbar sei. Diese Spielarten
eines ‚kritischen Realismus‘ mit psychologistischem oder auch neukantianischem
Hintergrund hatten nichts mit Marx oder dem Marxismus zu tun. Sie waren in Deutschland
insbesondere im Spannungsfeld der Trennung der Psychologie als Einzelwissenschaft von der
als Erkenntnistheorie aufgefassten Philosophie angesiedelt (insb., im Anschluss an Wilhelm
Wundt, Oswald Külpe 1910 u. 1912ff., vgl. Hammer 1994) und damit auf das Verhältnis von
Natur- und „Geisteswissenschaften“ bezogen. Bei den US-Amerikanischen “critical realists”
der Zwischenkriegszeit des 20. Jahrhunderts – etwa Roy Wood Sellars, George Santayana und
Arthur Lovejoy – und ihren britischen Entsprechungen – etwa H. A. Prichard, H. H. Price und
C. D. Broad – stand dagegen die Auflehnung gegen den „absoluten Idealismus‘ im
Vordergrund, wie er die angelsächsische akademische Philosophie zur Jahrhundertwende
beherrscht hatte.
Dagegen stellt der von Roy Bhaskar innerhalb der der englischen Philosophie initiierte
‚Critical Realism‘ (=CR) eine spezifische Variante der Versuche dar, den Marxismus in
philosophischer Hinsicht sowohl von der Philosophieverweigerung der kautskyanischen
Orthodoxie als auch wie von der dogmatischen Philosophie des von Stalin seit 1931 offiziell
verbindlich gemachten ‚Marxismus-Leninismus‘ (vgl. Labica 1984) zu befreien. Eine
derartige philosophische Ergänzung der marxistischen Traditionen wurde – nach der
historischen Abwehr einer neukantianischen ‚Einbettung‘ des Marxismus durch die
‚Orthodoxie‘ der II: Internationale (vgl. Preve 2010, ###) – schon in der Zwischenkriegszeit
immer wieder dadurch zu leisten versucht, dass der Marxismus durch eine Explikation der bei
Marx, Engels und anderen ‚Klassikern‘ in ihrer Vorgehensweise auszumachenden impliziten
Philosophie bzw. Philosophien (vgl. zu Marx etwa Balibar 1993, Lindner 2012) ergänzt
wurde: So hat sich etwa Georg Lukács zu diesem Zwecke zunächst auf einen aktivistisch-
fichteanisch gelesenen Hegel gestützt und in seiner Spätphilosophie mit Nicolai Hartmann
geflirtet, Max Horkheimer und Theodor W. Adorno haben die deutsche
Universitätsphilosophie des frühen 20. Jahrhunderts kritisch ‚gegen den Strich‘ gelesen und
Louis Althusser hat dann in dem deutschen Zwischenkriegszeit entsprechenden
Aufbruchsmoment der französischen Philosophie zu Beginn der 1960er Jahre auf die
historische Epistemologie Gaston Bachelards zurückgreifen können. Im Neuaufbruch der
1970er hat dann in Deutschland etwa Hans-Georg Backhaus (von Theodor W. Adorno
ausgehend) die Aktualisierung einer kantianischen Transzendentalproblematik versucht, ist
Andreas Arndt auf einen kritisch als Prozessdialektiker und offener Totalitätsdenker
gelesenen Hegel zurückgegangen oder hat W.F. Haug die kritische Wendung der
hermeneutischen Traditionen der jüngeren deutschen Philosophie und die solidarische
Auseinandersetzung mit dem ‚östlichen Marxismus‘betrieben. Im Unterschied dazu ging die
philosophische Initiative Bhaskars Anfang der 1970er Jahre von der herrschenden
Konstellation der akademischen Philosophie in England aus, die innerhalb der global
dominanten angelsächsischen Philosophie eine zentrale Rolle spielte. Dort fand er in der vom
späten Wittgenstein inspirierten Wendung zu einer „Theorie des Konkreten“ (insb. in Michael
Scrivens 1966 Theorie des Idiographischen und Michael Polanyis 1967 Herausarbeitung der
„tacit dimension“ des Wissens), in der philosophischen Wiederentdeckung des
‚transcendental turn‘ Kants in der späten analytischen Philosophie englischer Prägung (P. F.
Strawson 1966, vgl. Hahn 1998) sowie in dissidenten Linien der angelsächischen
Wissenschaftsphilosophie (Thomas Kuhn, Imre Lakatos und Paul Feyerabend, sowie etwa
Mario Bunge 1977 u. 1979, Mary Hesse 1963/66 und Rom Harré/E. M. Madden 1975)
Stützpunkte für eine „immanente Kritik“, die diese Konstellation revolutionieren sollte
(Bhaskar/Hartwig 2010, ###): Das unmittelbar Gegebene, wie es im Empirismus und
Positivismus verabsolutiert wird, fasst der CR selbst noch als ein Ergebnis des komplexen
Zusammenspiels der "Mechanismen" und "Tendenzen" gesellschaftlicher Strukturen und
Handlungen, also des Staates, der Geschlechterverhältnisse und der Produktionsverhältnisse,
sowie der in ihnen sich entfaltenden und wirksam werdenden Intentionen, Motivationen,
Dispositionen, Vorstellungen usf. von AkteurInnen, die allesamt als solche nicht direkt
beobachtbar sind (vgl. Pühretmayer 2005). Entsprechend dem starken herrschafts- und
szientismuskritischen Impuls, den Roy Bhaskar aus der Studentenbewegung aufgenommen
und im Anschluss an Marx, Antonio Gramsci, Frantz Fanon und die lateinamerikanische
Befreiungstheologie zu konkretisieren begonnen hatte, betonte er – in einer lockeanischen
Wendung der eingreifenden Philosophie Louis Althussers – die besondere Aufgabe der
Philosophie als ‚underlabourer‘ für die ‚historischen Sozialwissenschaften‘ (a.a.O., ### - vgl.
a. Wolf 2002, ###): Diese sollten durch eine philosophische Unterstützung dazu befähigt
werden, den Unterdrückten die in der realen Welt wirksamen Mechanismen ihrer
Unterdrückung durchschaubar zu machen, und damit einen Beitrag zu deren Überwindung
leisten (Bhaskar/Hartwich 2010, 107f.). Damit stellte er sich durchaus in Gegensatz zu dem
„traditionellen Ziel der Philosophie“, vorab immer schon einen ‚sicheren Grund‘ [foundation]
für alles Wissen finden zu wollen, wie es ihm etwa Wal Suchting (1992, 27) vorgeworfen hat.
In seiner ‚immanenten Kritik‘ der herrschenden Wissenschaftsphilosophie konzentrierte sich
Bhaskar (durchaus entsprechend der Debattenlage) von vorneherein auf die Problemebene
einer ‚Sozialwissenschaft im Allgemeinen‘ (Bhaskar/Hartwig 2010, 77, vgl. 84) und ließ sich
insbesondere nicht näher auf die spezifischen Probleme des Status der Marxschen Kritik der
politischen Ökonomie als Wissenschaft vom ökonomischen „Bewegungsgesetz“ der
modernen Gesellschaften ein – was ihm die Kritik Wal Suchtings (1992, 30) eingetragen hat,
dass sein gesamtes Unternehmen „of arriving at ‚the‘ methodology of ‚social science‘“ als „in
principle dogmatic and methodologically obscurantist“ angelegt ist. Selbst wenn dies nicht
geteilt wird, bleibt es doch ein ungelöstes Problem, wie im Ausgang von Bhaskars
philosophischen Konstruktionen der Übergang zu einer historischen Epistemologie der
arbeitsteiligen wissenschaftlichen Forschung auf dem Feld von Geschichte und Gesellschaft
vollzogen werden kann, die auf dem Niveau operiert, das von den wissenschaftlichen
Durchbrüchen von Marx eröffnet worden ist.
Von Anfang an (d.h. seit er 1971 einen Text über „Problems about Explanation in the Social
Sciences“ bzw. „Empiricism and the Metatheory of the Social Sciences“ verfasst hatte –
Bhaskar/Hartwig 2010, 33 u. 42f.) bezog sich die philosophische Initiative Roy Bhaskars auf
„drei Fronten: Philosophie der Wissenschaft, Philosophie der Sozialwissenschaft und
Ideologiekritik“ (a.a.O., 39). D.h. es geht im CR – als Verknüpfung eines „transcendental
realism“ mit einem „critical naturalism“ (Bhaskar 1979, ###) – um den von Bhaskar in
Anspruch genommenen inneren Zusammenhang zwischen „wissenschaftlichem Realismus“
als transzendentalphilosophischer Position mit einem „ontologischen Bezug“ (entsprechend
dem von Willard van Orman Quine (1960) vertretenen Sprachgebrauch) auf eine in sich
differenzierte und strukturierte „reale Welt“, einer „realistischen Wissenschaftstheorie“,
insbesondere der Sozialwissenschaften und einem „kritischen Naturalismus“ im Verständnis
von Geschichte und Gesellschaft sowie um eine Ideologiekritik der „positivistischen Illusion“
(vgl. a.a.O., 42f.). Die philosophische Artikulation dieses Zusammenhanges sollte insgesamt
eine Erneuerung der „Praxis der Sozialwissenschaft“ (ebd.) ermöglichen. Den
philosophischen Kern dieser Initiative bildete die These, dass in den herrschenden Konzepten
der Wissenschaftstheorie (also sowohl in der Popper-Linie, als auch in der Hempel-Linie) im
Anschluss an David Humes skeptische Dekonstruktion des Kausalitätsbegriffs (a.a.O., 35) der
Bezug auf die „reale Welt“ fallen gelassen worden war und deren tiefere Strukturen und deren
reale Möglichkeiten geleugnet würden, auf denen aber Unterdrückung und Herrschaft und
damit auch die Alternative der Befreiung beruht. Daher käme es für eine kritische Philosophie
gerade darauf an, „den epistemischen Fehlschluss [also die humeanische Ersetzung einer
Frage über die Struktur der realen Welt durch eine Frage über das in der Wissenschaft
verwirklichte Erkenntnisvermögen, fow], mit anderen Worten die Leugnung der Ontologie“
von Grund auf zu kritisieren (Bhaskar/Hartwig 2010, 32).
Die entsprechenden drei Kapitel in der unter dem Titel „Scientific Realism and Human
Emancipation“ publizierten Fassung dieses Werkes hat Roy Bhaskar dann noch in zwei
Büchern und mehreren Artikeln weiter ausgearbeitet:
„A Realist Theory of Science“ (1975, 47) bestimmt „the arduous task of science“ als „the
production of knowledge of those enduring and continually active mechanisms of nature that
produce the phenomena of our world“ und formuliert eine Kritik der empiristischen und
idealistischen Verständnisse von Wissenschaft, die der Frage nachgeht, welche „Gestalt oder
kategoriale Form“ die reale Welt haben muss, damit ihre wissenschaftliche Erkenntnis
möglich wird (Bhaskar/Hartwig 2010, 59). Wissenschaftliches Experimentieren kann – mit
Elizabeth Anscombe (1971) und Georg Henrik van Wright (1971) – als ein Eingreifen in die
Welt (vgl. Heidelberger 1997) begriffen werden (Bhaskar/Hartwig 2010, 56f.). Allein das
macht bereits die humesche Theorie der Kausalität als auf einer „konstanten Verbindung von
Ereignissen“ basierend unanwendbar (a.a.O., 56). Zugleich wird es dadurch möglich, auch
andere Formen des praktischen „Zugangs zur realen Welt“ als solche zu begreifen und doch
die spezifischen Leistungen der wissenschaftlichen Praxis als solche herauszuarbeiten
(‚a.a.O., ###). Im Gegensatz zu den „deskriptivistischen“ Wissenschaftstheorien etwa Mario
Bunges (1977 u. 1979) oder Alex Callinicos‘ (2006), denen es genügt, „to read off one’s
ontology from science“ (Bhaskar/Hartwig 2010, 58), insistiert Bhaskar auf der Notwendigkeit
einer „transzendentalen Argumentation“ (Tyfield 2007, vgl. Bhaskar/Hartwig 2010, 59): „The
philosophy of science has noted [...] that the objects of scientific thought are ‚ideal‘ or
‚abstract‘ with respect to [ordinary] things and events. But the transcendental realist sees such
objects as real. For him the world is composed of real things and generated by real
mechanisms. It is the world itself, not our thought of it, that is abstract and ideal.” (Bhaskar
1975, 37) In diesem Zusammenhang unterstreicht Bhaskar – vermutlich in implizitem
Rückgriff auf Althussers Unterscheidung von ‚Erkenntnisobjekt‘ und ‚Realobjekt‘ (vgl.
Suchting 1992, 26) - zunächst den epistemologischen Unterschied zwischen der “transitiven”,
d.h. von Menschen produzierten Dimension der Gegenstände der Wissenschaft, und ihrer
„intransitiven“ Dimension, der es etwa auch ermöglichen soll, die Differenz von Natur- und
Sozialwissenschaft genauer zu bestimmen (Bhaskar/Hartwig 2010, 61).
„The Possibility of Naturalism“ (1975) betont dann deutlicher, dass „wissenschaftliche
Praktiken“ zwar mit Recht für „paradigmatisch“ gehalten werden, aber deswegen keineswegs
„szientistisch“ für die einzige Form der Erkenntnis gehalten werden dürfen. In einer
transzendentalen Argumentation im Ausgang von der Tatsache einer transformativen
menschlichen Praxis (bzw. des intentionalen Handelns) werden die Antinomien der „social
theory“ von Bhaskar „immanent“ kritisiert, in dem die falschen Entgegensetzungen von
Naturalismus und Anti-Naturalismus, Verdinglichungsdenken und Voluntarismus, Holismus
und Individualismus, Körper und Geist, Ursachen und Gründen, Tatsachen und Werten
aufgelöst werden (Baskar/Hartwig 2010, 75). Auf diese Weise sollen die konkurrierenden
Philosophien der ‚social sciences‘ – Empirismus, Neukantianismus, Hermeneutik,
Sozialkonstruktivismus – als einseitige Einsichten kritisiert (a.a.o., 77f.), weil sie auf
unterschiedliche Weise nicht dazu in der Lage sind, die eigene Praxis zu reflektieren (a.a.O.,
79), und sie sollen in einer „critical realist embrace“ zu einem umfassenden „Bild des
Ganzen“ (a.a.O., 78) aufgehoben werden.
Die Arbeiten Bhaskars zur Ideologiekritik von Positivismus und Szientismus sind
vergleichsweise weniger ausgearbeitet worden (vgl. Bhaskar 1986, Kap. 3 u. Bhaskar 198#b
u. 198#c). Stattdessen hat Bhaskar die von ihm erarbeiteten Positionen, in deren Zentrum der
Anspruch steht, mit seiner Lehre von der ‚Explanatory Critique‘ eine „kopernikanische
Revolution“ in Wissenschaftsphilosophie und Ideologiekritik vollzogen zu haben
(Bhaskar/Hartwig 2010, ###), noch einmal zusammengefasst (Bhakar 198#)und von anderen
Positionen deutlicher abgegrenzt (Bhaskar 1989).
Auf dieser Grundlage hat er seit den späten 1980er Jahren erfolgreich die Organisierung einer
philosophisch-wissenschaftlichen Bewegung betrieben, in engem Kontakt mit der englischen
„Radical Philosophy Group“ (Radical Philosophy Group 1985; Payne/Barbera 2010) – mit
einer Serie von Konferenzen über Realism and the Human Sciences in den 1980er und 1990er
Jahren, an denen etwa auch Ted Benton und William Outhwaite teilgenommen haben, einem
Centre for Critical Realism (1996), einer International Association for Critical Realism (1997)
– die seit 1997 international Konferenzen organisiert und seit 1998 einen eigenen Newsletter
herausgibt, mehrere Buchreihen (v.a. Critical Realism: Interventions) bei Routledge und
einem Journal for Critical Realism (seit 2003), sowie einem speziellen Wörterbuch (Hartwig
2007).
Unter den vielfältigen Arbeiten, die sich auf den von Bhaskar initiierten CR berufen (vgl. die
Sammelbände von Archer u.a. (1998), Brown u.a. (2002), Danermark (2002), Steinmetz
(2005) und Frauley/Pearce (2007) sowie etwa die Arbeiten von Andrew Sayer (1992 u. 2000)
zum CR in den Sozialwissenschaften und in der politischen Ökonomie (1995), David
Graebers (2001) anarchistische Rekonstruktion einer anthropologischen Wertlehre, Heikki
Patomäkis (2001) ###, Peter Dickens‘ (1996) ökosozialistische Untersuchungen, Joseph
(2002), Groff (2004) oder Norrie (2009), kommt Margaret Archers Projekt einer
„morphogenetischen“ Gesellschaftstheorie (1982) eine herausgehobene Bedeutung zu: Darin
wird, alternativ zu Antony Giddens‘ () Theorie der ‚Strukturierung‘, das Verhältnis von
Struktur und Handlungsfähigkeit in gesellschaftlichen Prozessen grundsätzlich zu klären
unternommen: Vor allem begründet sie gegenüber systemtheoretischen und
strukturalistischen Leugnungen der gesellschaftlichen Handlungsfähigkeit von Menschen und
Menschengruppen, ohne dabei in Giddens‘ tendenziell liberale Leugnung struktureller
Zwänge zu verfallen. Etwa Robert Willmott (2002) hat auf dieser Grundlage eine Theorie der
Schulpolitik entwickelt.
Der CR hat vielfältige kontroverse Debatten und ausgelöst: Immanuel Wallerstein hat bei
Margaret Archer eine subjektivistische Aufweichung der wissenschaftlichen
Realitätsauffassung zu diagnostizieren versucht (Wallerstein 1996, Archer 1998 u.
Wallerstein 1998). Tobin Nellhaus (1998) sowie Norman Fairclaugh, Bob Jessop und Andrew
Sayer (2002) haben die von Bhaskar zugrundegelegten semiologischen Annahmen über die
Produktion von Zeichensinn kritisiert. Bob Jessop (2005) hat bemängelt, dass dem
„transformational model of social activity“ von Bhaskar (und Archer) eine flache Ontologie
der Zeit und eine Vernachlässigung des Raumes zugrunde liegen. Tony Lawsons () Vorstoß
auf das Gebiet einer feministischen Ökonomik ist von Drucilla Barker (), Fabienne Peter ()
und Sandra Harding () kritisch-ablehnend diskutiert worden, auch wenn etwa Sandra Harding
sich ihrerseits das ‚critical realist project‘ durchaus zu eigen gemacht hatte (vgl. a. die
Fortsetzung der Debatte durch Ingrid van Staveren - ###- und Andrew Sayer - ###).
Bhaskar selbst hat seine philosophische Initiative später in zwei Schritten über den hier
behandelten CR hinaus ausgeweitet: Zunächst hat er eine – um die Problematik einer ‚real
absence‘ organisierten, vgl. Bhaskar 1993 – „dialektische“ Erweiterung in Angriff genommen
und dann eine – die traditionellen orientalistischen Themen von „Ost“ und „West“
aufgreifende – „spiritualistischen Wende“ vollzogen (Bhaskar 200#, Bhaskar/Hartwig 2010,
97ff. u. 145ff.), von der ausgehend er damit begonnen hat, eine Philosophie der ‚Meta-
Realität (Bhaskar 200# u. 200#) auszuarbeiten. Beide Wendungen – deren zweite jedenfalls
auch innerhalb des CR-Kreises kaum verstanden worden ist - bleiben im Folgenden außer
Betracht. Andrew Collier (2001), Alex Callinicos (2006) und ### (2009) haben hierzu Ernst
zu nehmende Kritiken formuliert.
Nach ersten marxistisch argumentierenden Kritiken – an dem transzendentalphilosophischen
Ansatz von Bhaskar als solchem (Callinicos 1994 u. 2006, insb. 155-181 u. 182-189;
Bhaskar/Callinicos 2003), an seinem von vorneherein zum Scheitern verurteilten Versuch
einer philosophischen Klärung der Grundlagenprobleme der ‚social science‘ (Albury u.a.
1981) und an der überscharfen Trennung von Natur und Gesellschaft (Benton 1981) – hat nur
Wal Suchting (1992) eine gründlichere marxistische Auseinandersetzung mit dem CR in
Angriff genommen. Diese leidet allerdings ihrerseits unter der Einschränkung, gleich jegliche
Art von Philosophie auf dem Feld des Marxismus kritisieren zu wollen (vgl. Suchting1991).
In der Tat müsste eine derartige Auseinandersetzung – wie dies Étienne Balibar (197#) in
seiner selbstkritischen Erörterung des ‚historischen Materialismus‘ für eine allgemein gefasste
Geschichtstheorie gezeigt hat – mit den Problemen der historischen und geografischen
Spezifizierung beginnen, die auf der vom CR verfolgten Problemebene einer allgemeinen
‚social science‘ nicht wirksam zu thematisieren sind, und darüber hinaus der Frage
nachgehen, welche gegenstandsfeldlichen Differenzen einer sinnvollen wissenschaftlichen
Arbeitsteilung unter den Wissenschaften von Geschichte und Gesellschaft zugrunde zu legen
wären. Schließlich müsste auch noch geklärt werden, was die unterschiedlichen historischen
Linien der ‚social sciences‘; der ‚sciences humaines‘ und der ‚Staats- und
Geisteswissenschaften‘ in den Gesellschaftswissenschaften heute noch zu bedeuten haben.
Der Beitrag des CR zur Lösung dieser Aufgaben einer zeitgenössischen kritischen Theorie
besteht vor allem darin, die späte analytische Philosophie und die angelsächsische
Wissenschaftsphilosophie der Jahrhundertmitte als eine relevante „Ressource der Kritik“ (vgl.
Callinicos 2006) erschlossen zu haben – was angesichts von deren immer noch wirksamen
globalen Hegemonie durchaus nicht zu verachten ist und auch perspektivisch ein
unumgängliches Erfordernis bleiben wird. Ein philosophisch und wissenschaftlich tragfähiges
und dann auch tatsächlich wirksames ‚underlabouring‘ für künftige kritische
Gesellschaftswissenschaften wird aber nicht allein auf den CR zurückgreifen können.
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