G. Blatter 2007 - ETH Z
Transcript of G. Blatter 2007 - ETH Z
Thermodynamik
G. Blatter
2007
ii
Achtung: Dieses Dokument basiert auf den Aufzeichnungen von Prof.Blatter, die in den Vorlesungen verteilt werden. Die Ubertragung in elektro-nische Form fuhrt zu einer Anhaufung von Druckfehlern. Wer sich an derFehlersuche beteiligen mochte, einen typographischen, grammatikalischen,stilistischen oder sonstwie gearteten Fehler als solchen identifiziert und Kor-rekturen an [email protected] meldet, vermeidet Mehraufwandund verdient sich die Achtung aller Leser.
Dank: Ich danke Herrn Pascal Steger fur seine geschatzte Mithilfe.
G. Blatter
$Id: TD.tex 1907 2007-03-19 13:25:21Z blatter $
Inhaltsverzeichnis
0 Literatur 1
1 Einfuhrung 3
1.1 Zustandsgrossen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
1.2 Differentiale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6
1.2.1 Integrabilitat . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.2.2 Beziehungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
1.3 Reversible und Irreversible Prozesse . . . . . . . . . . . . . . 8
1.4 Prozesstypen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
1.5 Warme und Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.6 Einheiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.6.1 Temperatur T . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10
1.6.2 Druck p . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.6.3 Warmemenge ÎŽQ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.6.4 Stoffmenge n . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.7 Materialkoeffizienten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11
1.8 Drei Hauptsatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12
2 Zum idealen Gas 15
3 Erster Hauptsatz der Thermodynamik 17
3.1 Versuch von Gay-Lussac . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
3.1.1 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18
3.2 Versuch von Joule-Kelvin . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.3 Adiabatisch-reversible Expansion . . . . . . . . . . . . . . . . 20
iii
iv INHALTSVERZEICHNIS
3.4 Warme und Entropie im idealen Gas . . . . . . . . . . . . . . 21
4 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik 23
4.1 Kreisprozess von Carnot . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24
4.1.1 Irreversible Prozesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28
4.2 Entropie S als Potential . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30
4.2.1 Kalorische und thermische Zustandsgleichung . . . . . 32
4.3 Gehemmte Gleichgewichte, Gleichgewicht und Stabilitat . . . 34
4.4 U als thermodynamischen Potential . . . . . . . . . . . . . . 37
4.5 Mehrkomponenten- und Mehrphasensysteme . . . . . . . . . 38
5 Thermodynamische Potentiale 41
5.1 Legendre Transformation . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41
5.2 Freie Energie F . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42
5.3 Enthalpie H . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43
5.4 Gibbs Potential G . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
5.5 Grosses Potential Ω . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44
5.6 Maxwell-Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45
5.7 Homogenitat und Gibbs-Duhem-Gleichung . . . . . . . . . . . 45
5.8 Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 46
5.9 Experimentelle Bestimmung der Potentiale . . . . . . . . . . 48
6 Dritter Hauptsatz der Thermodynamik 51
6.1 Ausdehnungs- und Spannungskoeffizienten . . . . . . . . . . . 51
6.2 Spezifische Warmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.3 Ideales Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52
6.4 Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes . . . . . . . . . . 52
6.5 Glaser . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53
7 Phasenubergange und Phasengleichgewichte 55
7.1 Gibbssche Phasenregel und Phasendiagramme . . . . . . . . . 56
7.2 Gibbs Flachen und 1-te Ordnung Ubergang . . . . . . . . . . 57
7.2.1 Kritischer Punkt, 2-te Ordnung Ubergang . . . . . . . 58
7.2.2 Clausius-Clapeyron . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59
INHALTSVERZEICHNIS v
7.2.3 Freie Energien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 60
7.2.4 Entropieflachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62
7.2.5 Fest-Flussig-Gas System . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
7.3 Van der Waals Gas . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 63
7.3.1 Universelles Gasgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64
7.3.2 Maxwell-Konstruktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65
7.3.3 Eigenschaften realer Gase . . . . . . . . . . . . . . . . 68
7.4 Das Eis-Wasser-Dampf System . . . . . . . . . . . . . . . . . 70
7.5 Nukleation in Phasenubergangen erster Ordnung . . . . . . . 73
8 Mischungen 79
8.1 Massenwirkungs Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
8.2 Osmotischer Druck . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
8.2.1 Dampfdruck Erniedrigung in der Losung . . . . . . . . 84
8.3 Gibbssches Paradoxon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
8.4 Ausklang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84
9 Transport 87
9.1 Warmeleitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
9.2 Entropiebilanz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88
9.3 Thermoelektrische Effekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89
9.4 Onsager Relationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91
10 Statistische Beschreibungen 93
11 Kinetische Gastheorie 99
11.1 Stossterme . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100
11.1.1 Verallgemeinerungen des Stosszahlansatzes* . . . . . . 102
11.1.2 Erhaltungssatze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104
11.2 H-Theorem, MB Verteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105
11.2.1 Verteilungsfunktion fur Fermionen und Bosonen* . . . 109
11.3 Alternative Herleitung von fMB* . . . . . . . . . . . . . . . . 110
11.4 Approximationen zur Boltzmanngleichung . . . . . . . . . . . 112
11.4.1 Linearisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 113
vi INHALTSVERZEICHNIS
11.4.2 Variationsprinzip* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117
11.4.3 Relaxationszeitapproximation . . . . . . . . . . . . . . 117
12 Hydrodynamik 123
12.1 Nullte Ordnung, Euler-Gleichung . . . . . . . . . . . . . . . . 125
12.2 Erste Ordnung, Navier-Stokes-Gleichung . . . . . . . . . . . . 127
12.3 Anwendungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 128
12.3.1 Hydrostatik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131
12.3.2 Bernoullis Gesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 133
12.3.3 Nichtrotierende Stromungen* . . . . . . . . . . . . . . 133
12.3.4 Inkompressible Fluida und Potentialstromung . . . . . 136
12.3.5 Schallwellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138
13 Klassische statistische Mechanik 141
13.1 Mikrokanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142
13.2 Kanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 148
13.3 Grosskanonisches Ensemble . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150
13.4 Fluktuationen* . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152
13.4.1 Energiefluktuationen im kanonischen Ensemble . . . . 152
13.4.2 Dichtefluktuationen im grosskanonischen Ensemble . . 155
Kapitel 0
Literatur
K. Huang, Statistical Mechanics, (John Wiley & Sons, New York, 1987),gute Ubersicht.
A. Sommerfeld, Thermodynamik und Statistik, (Vorlesungen uber theo-retische Physik. Band V, Harri Deutsch, 1977), gute Ubersicht.
L.E. Reichl, A Modern Course in Statistical Physics, (E.Arnold (Publis-hers), 1980, 1987), gute Ubersicht.
D. Chandler, Introduction to Modern Statistical Physics, (Oxford Univer-sity Press, New York, 1987), gute Ubersicht.
H. Smith, H. Jensen, Transport Phenomena, (Claredon Press, Oxford,1989), Transportphanomene.
N. Straumann, Thermodynamik, (Lecture Notes in Physics, Springer, Ber-lin, 1986), Thermodynamik.
S.K. Ma, Statistical Mechanics, (World Scientific, Singapore, 1985), Sta-tistische Mechanik.
R. P. Feynman, Statistical Mechanics, a set of lectures, (Frontiers in Phy-sics, Benjamin/Cummings, Reading, Massachusetts, 1982), Pfadinte-grale.
N. Goldenfeld, Lectures on Phase Transitions and the RenormalizationGroup, (Frontiers in Physics, Addison-Wesley, Reading, Massachu-setts, 1994), Phasenubergange, Renormierungsgruppe.
M. Plischke, B. Bergersen, Equilibrium Statistical Mechanics, (Prentice-Hall, 1989), Phasenubergange.
1
2 KAPITEL 0. LITERATUR
S.K. Ma, Modern Theory of Critical Phenomena, (Frontiers in Physics,Benjamin/Cummings, Reading, Massachusetts, 1976), Phasenubergange,Renormierungsgruppe.
P. Chaikin, T. Lubensky, Principles of Condensed Matter Physics, (Cam-bridge University Press, 1995), Phasenubergange.
P.W. Anderson, Basic Notions of Condensed Matter Physics, (Frontiersin Physics, Benjamin/Cummings, Reading, Massachusetts, 1984), Pha-senubergange, gebrochene Symmetrien.
N.G. van Kampen, Stochastic Processes in Physics and Chemistry, (North-Holland, Amsterdam, 1992), Stochastische Prozesse.
U. Weiss, Quantum Dissipative Systems, (World Scientific, Singapore, 1993),Dissipative Systeme.
Kapitel 1
Einfuhrung
Die Thermodynamik (TD) befasst sich mit den makroskopischen Eigenschaf-ten eines Vielteilchensystems (typischerweise â 1023 Teilchen) im thermody-namischen Gleichgewicht. Letzteres konnen wir operativ definieren, indemwir das interessierende System sich selbst uberlassen und (genugend lange)warten â das thermodynamische Gleichgewicht âstellt sich einâ. Die Auf-gabe der kinetischen Gastheorie, der statistischen Mechanik indexMecha-nik!statistische und der stochastischen Prozesse wird es sein, die Thermo-dynamik mikroskopisch zu begrunden und zu erweitern. Erweiterungen derThermodynamik betreffen Phanomene nahe am Gleichgewicht, insbesonde-re der Einbezug von Fluktuationen in der Nahe von Phaseubergangen wodiese wichtig werden, und der Transport in kleinen Kraftfeldern, also wieder-um nahe am Gleichgewicht. Werden die Krafte gross, so treten Nichtgleich-gewichtseffekte auf (z.B., Nichtlinearitaten im Transport) und wir verlassendas Gebiet der traditionellen Thermodynamik/statistischen Mechanik.
1.1 Zustandsgrossen
Werkzeuge der Thermodynamik sind die thermodynamischen Zustandsgrossen,z.B., einfache, direkt messbare Zustandsgrossen wie
â der Druck p und das Volumen V
â die Temperatur T
â das Magnetfeld H und die Magnetisierung M
â das chemisches Potential ” und die Teilchenzahl N
â ...
3
4 KAPITEL 1. EINFUHRUNG
Abgeleitete Zustandsgrossen folgen aus den thermischen und kalori-schen Zustandsgrossen, zum Beispiel
â die innere Energie U
â die Entropie S
â die freie Energie F
â die Gibbsâsche freie Energie G
â die Enthalpie H
â das thermodynamisches Potential Ω.
Die verschiedenen Zustandsgrossen sind nicht unabhangig: Betrach-ten wir zum Beispiel ein (ideales) Gas, so kann dessen thermodynamischerGleichgewichts-Zustand durch zwei der drei Grossen p, V , T vollstandigbeschrieben werden. Die restlichen Zustandsgrossen werden durch die ther-mische Zustandsgleichung (thZG)
f(p, V, T, . . .) = 0 (1.1)
und durch die kalorische Zustandsgleichung (kZG)
U = U(T, V, . . .) (1.2)
festgelegt. Naturlich konnen wir in der kalorischen Zustandsgleichung ein be-liebiges Paar von thermodynamischen Parametern/Variablen wahlen, z.B.,U(p, T ) oder U(p, V ). Bekannte Beispiele fur die thZG und die kZG sind dieentsprechenden Beziehungen fur das ideale Gas,
pV = nmolRGasT und U =32nmolRGasT,
wobei nmol und RGas die Molzahl und die Gaskonstante bezeichnen.
Wir unterscheiden zwischen intensiven Variablen wie p, T , ”, H, . . .und den dazu konjugierten extensiven Variablen wie V , S, N , M , . . ..Die extensiven Variablen skalieren mit der Systemgrosse und -menge. DasVerstandnis der intensiven Variablen ist weniger trivial: intensive Varia-blen sind Gleichgewichtsparameter, z.B. charakterisiert T ein bestimmtesGleichgewicht (GG) dahingehend, dass zwei isolierte Systeme je im Gleich-gewicht bei T1 und T2 nach thermischem Kontakt einem neuen GG bei T ,T1 < T < T2, zustreben, siehe Abb. 1.1. Ein Gradient ~âT 6= 0 in der Tempe-ratur T erzeugt Warmetransport, ein Gradient ~â” im chemischen Potential”, erzeugt Teilchentransport, ein Gradient ~âp im Druck p erzeugt mecha-nischen Transport. Umgekehrt wird das Gleichgewicht durch den Zustand
1.1. ZUSTANDSGROSSEN 5
WĂ€rmetransportTâ Tâ
Zeit
GG
T
1 2TT
1 2
GG
nGG,
Abb. 1.1: Die Temperatur T als Gleichgewichtsparameter: Bringt man zweiSysteme mit den Temperaturen T1 und T2 in thermischen Kontakt, so strebtdas Gesamtsystem einem neuen Gleichgewicht zu, welches durch eine zwi-schen T1 und T2 liegende Temperatur T charaterisiert wird, T1 < T < T2.
mit der minimalen Information (z.B., T = const, ” = const, p = const)beschrieben.
Vom mathematisch/technischem Standpukt her gesehen gibt sich dieThermodynamik mit mehreren Variablen und damit mit Funktionen mehre-rer Variabler ab. Betrachten wir zwei Zustande A und B im Zustandsraum,siehe Abb. 1.2, z.B., charakterisiert durch pA,B und TA,B. Eine Zustands-grosse Z besitzt die sie charakterisierende Eigenschaft, dass sie nur vomZustand (z.B., A oder B) abhangt, nicht aber von der Art und Weise, wiedieser Zustand erreicht wurde. Es gilt also
ZB = ZA +â«
Îł1
dZ = ZA +â«
Îł2
dZ;
entsprechend gilt fur die Schleife Îł = Îł1 â Îł2,â«loop Îł
dZ = 0 (1.3)
(offensichtlich ist V eine Zustandsgrosse). Wir konnen die scheinbar tri-viale Aussage machen, dass Z eine Zustandsgrosse ist, falls eine Funktionexistiert, so dass Z = Z(gewahlter Satz unabhangiger Variablen) ist. Inder Thermodynamik werden wir vielen Grossen begegnen, welche keine Zu-standsgrossen darstellen. Wir begegnen ihnen zumeist in differentieller Form,z.B., die am System geleistete Arbeit ÎŽW = âpdV oder die dem System zu-gefuhrte Warme ÎŽQ; beide Grossen sind keine (vollstandigen) Differentiale
6 KAPITEL 1. EINFUHRUNG
und es gibt demnach keine Zustandsgrosse, welche die dem System insgesamtzugefuhrte mechanische Arbeit oder Warme beschreibt.
( )f p,V,T =
BA
A
B
Îł1
Îł2
V
p
0
T
Abb. 1.2: Zustande A und B im Zustandsraum beschrieben durch die Va-riablen p, V und T . Thermodynamische Gleichgewichtszustande sind durchdie Zustandsgleichung f(p, V, T ) = 0 definiert; die durch die Bedingungf(p, V, T ) = 0 definierte Flache legt die erlaubten Gleichgewichtszustandefest. Beachte, dass sich der Zustand B via vielen moglichen Wegen Îł ausdem Zustand A erzeugen lasst. Eine Zustandsgrosse Z hat die sie charakte-risierende Eigenschaft, dass sich der Wert ZA in A aus dem Wert ZB in Bunabhangig vom Weg Îł ergibt.
1.2 Differentiale
Zentral fur die mathematische Entwicklung der Thermodynamik ist dasVerstandnis von Funktionen mehrerer Variablen und ihre Differentiale, wel-che wir nun etwas genauer betrachten wollen. Sei Z(x, y) eine Zustands-grosse, x und y die gewahlten unabhangigen Zustandsvariablen. Dann ist
dZ = Xdx + Y dy
X =âZ
âx
âŁâŁâŁâŁy
, Y =âZ
ây
âŁâŁâŁâŁx
âX
ây=
âY
âx(1.4)
1.2. DIFFERENTIALE 7
1.2.1 Integrabilitat
Die letztere Relation ist notwendig und hinreichend fur die Integrabilitat desvollstandigen Differentiales Xdx+Y dy.1 Zu (1.4) aquivalent ist die integraleBedingung âź
dZ = 0. (1.5)
Bei zwei unabhangigen Variablen x und y kann jedes Differential Xdx+Y dydurch Multiplikation mit einem integrierenden Faktor vollstandig gemachtwerden.
Der Sachverhalt kompliziert sich mit zunehmender Zahl der Variablen:Die Integrabilitat einer n-Form
ânk Xkdxk erfordert, dass die n(n â 1)/2
Bedingungen âXi/âxk = âXk/âxi erfullt sind. Kompakt lassen sich dieseBedingungen als das Verschwinden der n-dimensionalen Rotation des Vek-torfeldes ~Z(~x ) = ~X formulieren, ~âĂ ~Z = 0.
Fur n = 3 Variablen verlangt die Integrabilitat vonâ3
k=1 Xkdxk mit~âĂ ~Z 6= 0 via integrierendem Faktor, dass die Bedingung
~Z · ~âĂ ~Z = 0 (1.6)
erfullt ist, d.h., ~Z â„ ~âĂ ~Z. Das vollstandige Differentialân
k Xkdxk nenntman auch Pfaffsches Differential.
1.2.2 Beziehungen
Folgende Beziehungen zwischen Differentialquotienten werden sich als nutz-lich erweisen: Betrachte die Grossen x, y, z, welche die Bedingung f(x, y, z) =0 erfullen. Dann gilt fur x(y, z), dx = âyx|zdy + âzx|ydz und fur dx = 0,x = const findet man die Kettenregel
âx
ây
âŁâŁâŁâŁz
ây
âz
âŁâŁâŁâŁx
âz
âx
âŁâŁâŁâŁy
= â1. (1.7)
Dabei haben wir zusatzlich benutzt, dass die Inversion gilt,
âz
âx
âŁâŁâŁâŁy
=1
âx
âz
âŁâŁâŁy
, (1.8)
was aus z(x, y = const) via dz = âxz|ydx, 1 = âxz|yâzx|y folgt.
1Soll heissen, gegeben ein Differential Xdx+Y dy mit âyX = âxY , also ein vollstandigesDifferential, so existiert eine Stammfunktion Z(x, y), so dass dZ = Xdx + Y dy.
8 KAPITEL 1. EINFUHRUNG
Schliesslich betrachten wir noch zusatzlich die Funktion w(x, y). Wirkonnen dann die Funktionen x(y, w) und y(z, w) konstruieren mit den Dif-ferentialen
dx =âx
ây
âŁâŁâŁwdy +
âx
âw
âŁâŁâŁydw, dy =
ây
âz
âŁâŁâŁwdz +
ây
âw
âŁâŁâŁzdw.
Bei konstantem w erhalten wir durch Einsetzen dx = âyx|wâzy|wdz unddamit die Kettenregel fur w,
âx
ây
âŁâŁâŁâŁw
ây
âz
âŁâŁâŁâŁw
=âx
âz
âŁâŁâŁâŁw
. (1.9)
1.3 Reversible und Irreversible Prozesse
Zustandsanderungen sind ein wesentliches Element der Thermodynamik.Man unterscheidet zwischen reversiblen und irreversiblen Prozessen (Zu-standsanderungen). In einem reversiblen Prozess werden die Kontrollpara-meter langsam verandert, dergestalt, dass bei Umkehrung der Kontroll-parameter der Prozess ebenfalls umgekehrt wird. Wahrend dieses quasi-statischen Prozesses bleibt das System zu jeder Zeit im thermodynamischenGleichgewicht. Der Prozess ist dann durch die Angabe weniger Parameter zujedem Zeitpunkt vollstandig charakterisiert (gesteuerter Prozess). Naturli-cher sind die irreversiblen Prozesse â dabei verlasst das System die Mannig-faltigkeit der thermodynamischen Gleichgewichts-Zustande und erreicht denEndzustand via Relaxation aus einem Nichtgleichgewichts-Zustand. Ent-sprechend kann der Prozess nicht durch wenige Parameter beschrieben unddaher auch nicht umgedreht werden. Typische Beispiele fur derartige Prozes-se sind die reversible und freie isotherme Expansion eines Gases, vgl. Abb.1.3.
T0 VA VB
0 VA VBT
Abb. 1.3: Isotherme Expansion eines Gases: reversibel, durch gesteuerte Ver-schiebung des Kolbens (links) und frei (rechts) durch Uberstromen in einVolumen.
Im reversiblen Prozess wird die Expansion durch die Position des Kol-bens kontrolliert â die Umdrehung der Kolbenbewegung dreht den Pro-zessablauf um. Im irreversiblen Prozess stromt das Gas durch das Loch â
1.4. PROZESSTYPEN 9
eine Umdrehung des Prozesses erfordert Umdrehung von â 1023 Teilchen.Beide Prozesse fuhren fur t â â zum selben Endzustand. Wahrenddemsich ein reversibler Prozess innerhalb der Mannigfaltigkeit der thermodyna-mischen Gleichgewichtszustande abspielt, verlasst ein irreversibler Prozessdiese Mannigfaltigkeit, vgl. Abb. 1.4. Wollen wir berechnen, wie sich derZustand B vom Zustand A unterscheidet, so mussen wir die Evolution desSystems von A nach B durch einen reversiblen Prozess beschreiben (sonsthaben wir keine Chance).
BA
V
B
A 0( )f p,V,T =
irreversibel
reversibel
? ?T
p
Abb. 1.4: Ein irreversibler Prozess verlasst die Flache der thermody-namischen Gleichgewichtszustande definiert durch die Zustandsgleichungf(p, V, T ) = 0.
1.4 Prozesstypen
Weiter werden Prozesse oft unter Restriktionen wie T = const, p = const,V = const durchgefuhrt â man spricht von isothermen, isobaren und iso-choren Zustandsanderungen. Isoliert man das System bezuglich Warmeaus-tausch mit der Umgebung, so heisst der Prozess adiabatisch.
Will man einen Prozess isotherm oder isobar ablaufen lassen, so brauchtman Reservoire. Dabei vermag ein Warmereservoir der Temperatur T dembetrachteten System beliebig viel Warme abzugeben/zu entziehen, ohne dasssich deshalb die Temperatur des Warmereservoirs andern wurde. Der Kon-takt mit einem Warmereservoir erlaubt daher die Ausfuhrung eines isother-men Prozesses. Oft gebraucht wird das Teilchenreservoir. Der der Tempera-tur T entsprechende Gleichgewichtsparameter des Teilchensreservoirs ist das
10 KAPITEL 1. EINFUHRUNG
chemische Potential ”. Ebenso wird das Druckreservoir durch den Gleichge-wichtsparameter p =Druck charakterisiert.
1.5 Warme und Arbeit
Von besonderer Wichtigkeit in der Thermodynamik sind die Begriffe âWarmeâund âArbeitâ (tatsachlich ist die Thermodynamik die Theorie der Dampf-und Warmekraftmaschinen). Der Begriff der Arbeit ist aus der Mechanikbekannt, ÎŽW = Fdx. Mit pĂ Flache=Kraft erhalten wir daraus
ÎŽW = pFdx = pdV. (1.10)
Wir schreiben hier âÎŽâW um anzudeuten, dass pdV kein vollstandiges Diffe-rential darstellt; da dV vollstandig ist, konnen wir p als âdesintegrierendenâFaktor interpretieren. Der Warmebegriff ist schwieriger zu definieren. Wie-derum ist Warme keine Zustandsgrosse â es gibt keinen fur den jeweiligenZustand charakteristischen Warmeinhalt des Systems (Warme ist kein Stoffâ das Phlogiston existiert nicht). Man definiert daher die auf das Systemubertragene Warmemenge ÎŽQ indirekt via der resultierenden Temperatur-erhohung dT ,
ÎŽQ = cdT. (1.11)
Der Koeffizient c heisst spezifische Warme. Dabei soll keine Arbeit am Sys-tem geleistet werden, d.h. V = const. Als weiteres Charakteristikum be-merken wir, dass Arbeit in Warme umgewandelt werden kann (der inverseProzess ist nicht trivial). Das bringt uns auf das Thema Einheiten.
1.6 Einheiten
Wir messen die
1.6.1 Temperatur T
in oC (Grad Celsius) oder K (Kelvin),
âTâŁâŁSieden
Schmelzen(H2O) = 100 C oder = 100 K (1.12)
T0 = TâŁâŁSchmelzen
(H2O) = 273.15 K oder = 0 C;
den
1.7. MATERIALKOEFFIZIENTEN 11
1.6.2 Druck p
in Torr, atm, bar, Pa,
1 atm(Atmosphare) = 760 Torr (760 mm Hg) (1.13)1 at(techn. Atmosphare) = 9.81 · 104 N/m2 (â 10 m H2O) = 0.981 bar,
1 bar = 105 N/m2 = 105 Pa (Pascal);
die
1.6.3 Warmemenge ÎŽQ
in cal (Kalorien), kcal, J, erg, Ws,
1 kcal = ÎŽQ(âTâŁâŁ15.5 C
14.5 CH2Obei Normaldruck
)= 4187 J,
1 J = 1m2 kg
s2= 1 Ws = 107 erg; (1.14)
die
1.6.4 Stoffmenge n
in Mol, g,
1 mol Stoff ââ
Atome im Stoff
Atomgewichte · g, [Gramm-Mol]. (1.15)
Zum Beispiel ist ein Mol Wasser
1 Mol H2O â 2 · 1(H) + 1 · 16(O) = 18 g (1.16)1 Mol = 6.022 · 1023 Molekule/mol
wobei die Normierung via des Kohlenstoffs definiert ist,
1 Mol 12C = 6.022 · 1023 · 12 · 1.66044 · 10â24 g = 12 g, (1.17)
wo 1.66044 · 10â24 g einem Zwolftel eines 12C-Atoms entspricht.
1.7 Materialkoeffizienten
Schliesslich fuhren wir noch einige oft benutzte Verknupfungen zwischenDruck p, Temperatur T und Volumen V ein, welche der Charakterisierung
12 KAPITEL 1. EINFUHRUNG
von Medien dienen.
der Ausdehnungskoeffizient α =1V
âV
âT
âŁâŁâŁâŁp
,
der Spannungskoeffizient ÎČ =1p
âp
âT
âŁâŁâŁâŁV
,
die (isotherme) Kompressibilitat ÎșT = â 1V
âV
âp
âŁâŁâŁâŁT
,
die (adiabatische) Kompressibilitat ÎșS = â 1V
âV
âp
âŁâŁâŁâŁS
. (1.18)
Diese Quotienten sind experimentell einfach zuganglich und deshalb geeig-nete Parameter in der Darstellung vieler Resultate.
1.8 Thermodynamik als axiomatische Theorie:Drei Hauptsatze
Die Thermodynamik ist eine axiomatische Theorie. Sie beruht auf drei ein-fach zu formulierenden Hauptsatzen, welche von weitreichender Bedeutungsind.
1.HS: Jedes thermodynamische System besitzt eine fur dasselbe charak-teristische Zustandsgrosse, die Energie U . Sie wachst nach Massgabeder zugefuhrten Warme ÎŽQ und nimmt ab um die vom System nachaussen geleistete Arbeit ÎŽW . Fur ein abgeschlossenes System gilt derSatz von der Erhaltung der Energie.
2.HS: Jedes thermodynamische System besitzt eine sie charakterisieren-de Zustandsgrosse, die Entropie S. Man berechnet sie, indem mandas System aus einem willkurlich gewahlten Anfangszustand in denjeweiligen Zustand des Systems durch eine Folge von Gleichgewichts-zustanden uberfuhrt, die hierbei schrittweise zugefuhrte Warme ÎŽQbestimmt, letztere durch die erst bei dieser Gelegenheit zu definie-rende âabsolute Temperaturâ T dividiert, und samtliche Quotientensummiert.
Bei den wirklichen Vorgangen/Prozessen nimmt die Entropie einesnach aussen abgeschlossenen Systems zu.
3.HS: Beim absoluten Nullpunkt nahert sich die Entropie eines vom Druck,Aggregatszustand, usw. unabhangigen Wert S0. Ohne Beschrankungder Allgemeinheit ist S0 = 0.
Im folgenden werden wir die drei Hauptsatze diskutieren, begrunden, undihre Konsequenzen aufzeigen. Im Verlauf dieser Betrachtungen entwickeln
1.8. DREI HAUPTSATZE 13
wir die Thermodynamik als ein Beziehungsgewebe zwischen den Zustands-grossen. Zur historischen Entwicklung der Thermodynamik und der statis-tischen Mechanik sei auf die folgenden Tabellen verwiesen.
Galileo Galilei(1564-1642)
um 1600 Thermometer
Robert Boyle(1627-1691)Richard Townley(17. Jahrh.)Edme Mariotte(1620-1684)
1661-76 Gesetz von Boyle-Mariotte
Gabriel Daniel Fahrenheit(1686-1736) 1714/1715 Temperaturskala
Rene Antoine Reaumur(1683-1787) 1730 Temperaturskala
Anders Celsius(1701-1744) 1742 Temperaturskala
Daniel Bernoulli(1700-1782) 1738
âHydrodynamicaâ:Kinetische Gastheorie
Joseph Black(1728-1799)
17601762
Kalorimetrie,Entdeckung der latentenWarme
Benjamin Thomson(Graf von Rumford)(1753-1814)
1798 Kanonenrohrversuche
John Dalton(1766-1844)
18011808-1827
Partialdruckgesetzchemische Atomtheorie
Joseph Louis Gay-Lussac(1778-1850) 1802 Gesetz von Gay-Lussac
Pierre Louis Dulong(1785-1838)Alexis Therese Petit(1791-1820)
um 1819 Dulong-Petitâsches Gesetz
14 KAPITEL 1. EINFUHRUNG
Nicolas Leonard SadiCarnot (1796-1832)
1824 Warmekraftmaschine
Benoıt Pierre EmileClapeyron (1799-1864) 1834
WarmekraftmaschineVerdampfungswarme
Robert Brown(1773-1858) 1828 Brownsche Bewegung
Julius Robert Mayer(1814-1878)James Prescott Joule(1818-1889)Hermann von Helmholtz(1821-1894)
um 1850 Energiesatz
Rudolf Clausius(1822-1888)
um 18501865
2.HS, kinet. WarmelehreEntropiebegriff
William Thomson(Lord Kelvin of Largs)(1824-1907)
18501852
absolute TemperaturZweiter Hauptsatz
Walter Nernst(1864-1941) 1906 Dritter Hauptsatz
James Clerk Maxwell(1831-1879) 1860
MaxwellscheGeschwindigkeitsverteilung
Ludwig Boltzmann(1844-1906) 1877 S = k lnW
Joseph Stefan(1835-1893) 1879 Stefan-Boltzmann-Gesetz
Wilhelm Karl WernerWien (1864-1928)
1893/941896
Wiensches Versch.gesetzWiensches Strahlungsgesetz
Max Karl Ernst LudwigPlanck (1858-1947) 1900 Plancksches Strahlungsgesetz
Josiah Willard Gibbs(1839-1903)
18701902
Gibbssche PhasenregelâPrinciples in Stat. Mechanicsâ
Albert Einstein(1879-1955) 1905 Brownâsche Bewegung
Peter Josephus WilhelmusDebye (1884-1966) 1912 spez. Warme fester Korper
Kapitel 2
Zum idealen Gas
Ein reales Gas approximiert das ideale Gas umso besser, je tiefer sein Sie-depunkt ist. Bei 760 Torr findet man (wir messen die Siedetemperatur tS inGrad Celsius)
Gas He H2 N2 O2 CO2 H2OtS [ C] â269 â259 â210 â218 â78.5 100
Nach Boyle-Mariotte giltp VâŁâŁT
= const. (2.1)
und Gay-Lussac findetp V = const. T. (2.2)
Damit findet man sofort die Ausdehnungs-, Spannungs-, und Kompressibi-litats Koeffizienten aus (1.18) zu
α = ÎČ =1T
, Îș =1p. (2.3)
Die via (2.2) eingefuhrte Temperatur T ist die Gastemperatur. Passt mandie Skaleneinteilung von T der Centigradeinteilung an (siehe (1.12)), so ist
T = T0 + t (2.4)
mit T0 = 273.15C und t der Celsiustemperatur. Schliesslich findet Avoga-dro, dass alle Gase unter gleichen Bedingungen von Druck p und TemperaturT im gleichen Volumen V die gleiche Anzahl Molekule enthalten. Daraus fin-det man das Molvolumen
VMol
âŁâŁp=760 Torr, t=0 C
= 22.4 · 10â3 m3 = 22.4 dm3. (2.5)
Mit dieser Information ergibt sich die Gaskonstante R zu
p VMol = R T
R = 8.314J
Grad Mol(2.6)
15
16 KAPITEL 2. ZUM IDEALEN GAS
Mit der Anzahl Mole n erhalten wir die Zustandsgleichung des idalen Gases
p V = n R T (2.7)
Wir erwahnen noch die Gaskonstante pro Teilchen,
kB =R
L= 1.381 · 10â23 J/Grad, mit L = 6.022 · 1023/Mol. (2.8)
Kapitel 3
Erster Hauptsatz derThermodynamik
Sei ÎŽQ die dem System in einer beliebigen Zustandsanderung zugefugteWarme und ÎŽW die vom System geleistete Arbeit. Dann andert sich dieim System enthaltene innere Energie U um das vollstandige Differential
dU = ÎŽQâ ÎŽW, (3.1)
d.h. dU ist unabhangig vom Weg der Zustandsanderung und es gilt damitâźdU = 0 (3.2)
fur jeden Kreisprozess. Auf die Masseneinheit eines homogenen Fluids be-zogen, konnen wir mit den spezifischen Grossen u, q und v schreiben,
du = ÎŽq â pdv. (3.3)
3.1 Versuch von Gay-Lussac
Wir betrachten die experimentelle Versuchsanordnung in Abb. 3.1 (Gay-Lussac, Joule) Sei T1 die Anfangstemperatur (Gas in V1) und T2 die End-temperatur (Gas in V1 + V2). Man findet experimentell, dass sich die Tem-peratur nicht verandert, T1 â T2, fur ein ideales Gas erwartet man T1 = T2.Damit lasst sich schliessen, dass das Gas wahrend der Expansion der Um-gebung keine Warme entzogen hat, ÎŽQ = 0. Da weiter auch ÎŽW = 0 ist (eswurde keine Arbeit geleistet) schliessen wir, dass U unabhangig von V seinmuss, somit
Uideales Gas = U(T ), âV U = 0. (3.4)
17
18 KAPITEL 3. ERSTER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
V 1V1 2 T
Abb. 3.1: Versuch von Gay-Lussac bei dem ein Gas nach Offnen des Ventilsin einen zweiten Kolben uberstromt (irreversibler Prozess).
3.1.1 Anwendungen
Betrachte zwei Zustandsanderungen bei konstantem Volumen und bei kon-stantem Druck,
v = const : duv = ÎŽq = cvdT[cv = âT u|v
], (3.5)
p = const : dup = ÎŽq â ÎŽw = cpdT â pdv[cp = âT (u + pv)|p
](3.6)
Aus (3.4) und (3.5) erhalten wir sofort die kalorische Zustandsgleichung desidealen Gases,
u(T ) =â« T
0dT âČ cv(T âČ). (3.7)
Einsetzen von pdv = (R/”) dT in (3.6) ergibt (beachte, dass p = const., ” =Molgewicht)
dup =(cp âR/”
)dT = duv = cv dT, (3.8)
wobei die Temperaturveranderung dT in den Prozessen gleich ist. Wir findendamit die Beziehung
cp â cv = R/” > 0 (3.9)
zwischen den spezifischen Warmen bei konstantem Druck und Volumen.Die Relation cp > cv ist eine Konsequenz der Tatsache, dass bei p = const.zusatzliche Arbeit geleistet wird. Innerhalb der kinetischen Gastheorie /statistischen Mechanik (mikrokanonisches Ensemble) zeigt man, dass
cv =R
2”f
mit f der Anzahl Freiheitsgrade, f = 3 fur Edelgase (drei kinetische Frei-heitsgrade in Richtungen x, y, z), f = 5 fur diatomige Molekule H2, N2,O2 (drei kinetische Freiheitsgrade in Richtungen x, y, z; ein rotatorischerFreiheitsgrad, ein potentieller Freiheitsgrad in der Bindung). Damit erhaltman
u = fR
2”T, U =
f
2nR T. (3.10)
3.2. VERSUCH VON JOULE-KELVIN 19
3.2 Versuch von Joule-Kelvin
Der Gay-Lussac-Versuch lasst sich im Joule-Kelvin (Joule-Thomson) Pro-zess verfeinern. Der Versuch wird adiabatisch bei ÎŽQ = 0 durchgefuhrt; dasGas andert sein Volumen VAAâČ zum Volumen VBBâČ , wobei ein Wattebausch(eine Drossel) ein Druckgefalle (â ~âp 6= 0â irreversibler Prozess) aufrechterhalt, siehe Abb. 3.2.
p
x
Kpâp
A Aâ B
Wattepfropfen
Bâ
Kâ
Abb. 3.2: Joule-Kelvin-Prozess. Die Kolben K und Kâ werden derart ver-schoben, dass das Gas durch den Wattepfropfen gedruckt wird und dabeisein Volumen von VAAâČ in VBBâČ ubergeht. Der Wattepfropfen generiert einDruckgefalle ~âp 6= 0, mit p (pâČ) dem Druck in der linken (rechten) Kammer;der Prozess ist irreversibel.
Der Kolben K druckt das Gas mit konstanter Kraft (â p = const.)durch den Wattepfropfen, der Kolben K âČ weicht mit konstanter Kraft zuruck(â pâČ = const.). Im stationaren Prozess (stationar aber weg vom Gleichge-wicht) sind p(x) und T (x) stationar, aber nichttrivial. Als Energiebilanzergibt sich fur einen adiabatischen Prozess mit ÎŽQ = 0,
U â U âČ = âpV + pâČV âČ (3.11)
wobei V = VAAâČ und V âČ = VBBâČ die von den Kolben K und K âČ uberstriche-nen Volumina sind. Rearrangieren von Termen ergibt die Beziehung
H = U + pV = U âČ + pâČV âČ = H âČ, (3.12)
d.h., die Grosse H (Enthalpie) bleibt wahrend des Prozesses erhalten; derJoule-Kelvin-Prozess erhalt die Enthalpie beim Uberstromen des Gases. Die
20 KAPITEL 3. ERSTER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
Enthalpie beschreibt den durch den Zylinder stromenden Energiefluss undist eine wichtige Grosse in der Planung/Berechnung von Dampfmaschinen.Einsetzen der Zustandsgleichung (2.7) fur das ideale Gas in (3.11) liefert dieBeziehung
U â U âČ =M
”R(T â T âČ) (3.13)
wobei M die Masses des Gases im Volumen V bezeichnet. Wiederum ergibtsich experimentell, dass T â T âČ = 0 und damit Uid.Gas(T ) unabhangig vonV ist.
3.3 Adiabatisch-reversible Expansion
Nebst obigen adiabatisch-irreversiblen Prozessen (Gay-Lussac, Joule-Kelvin)konnen wir auch den adiabatisch-reversiblen Prozess der Gasexpansion/-kompression betrachten. Wir betrachten wieder ein von der Umgebung ther-misch isoliertes Zylinder-Kolben-System, vgl. Abb. 3.3.
p
Q = 0ÎŽ
V
T
K
Abb. 3.3: Geometrie derZylinder-Kolben Anordnungzur adiabatisch-reversiblenExpansion.
Der erste Hauptsatz ergibt, mit ÎŽQ = 0, ÎŽw = pdv, und der kalori-schen Gleichung 1.1 fur das ideale Gas, du = cv dT (alles pro Masseneinheitgerechnet),
cv dT = du = ÎŽq â ÎŽw = âpdv. (3.14)
Einsetzen der Zustandsgleichung (2.7), dT = (”/R)(pdv + vdp) (beachte,dass p 6= const. und v 6= const.) ergibt(
cv + R/”)p dv + cvv dp = 0 (3.15)
oder (benutze (3.9), cv + R/” = cp)
dp
p+
cp
cv
dv
v= 0,
ln p + ln vcp/cv = const,p vcp/cv = const. (3.16)
3.4. WARME UND ENTROPIE IM IDEALEN GAS 21
Umgeschrieben auf die Variablenpaare p, v; p, T ; v, T erhalten wir dieAdiabatengleichungen mit cp/cv = Îł, fur ein monoatomares Gas Îł = 5/3
p vÎł = const., p v5/3 = const., (3.17)
p1âÎł
Îł T = const., pâ2/3 T = const.,vÎłâ1 T = const.. v2/3 T = const.
Verglichen zur Isorthermen p v = const. fallt somit die Adiabate steiler ab,siehe Abb. 3.4. Dieser Sachverhalt wird im Carnotprozess genutzt, siehespater.
v
Adiabate
Isotherme
p Abb. 3.4: Lage und Form vonAdiabate und Isotherme.
Beachte, dass die adiabatische, reversible Expansion des Gases Arbeitliefert, wobei dem Gas via Abkuhlung die innere Energie cv dT entzogenwird. Diese innere Energie ist dem Gas als Warme oder als Arbeit irgend-wann zugefuhrt worden; in welcher Form dies geschehen ist, konnen wirnicht mehr sagen, da u eine Zustandsfunktion ist, deren Wert unabhangigvom Weg ist.
3.4 Warme und Entropie im idealen Gas
Schliesslich wollen wir noch unser Wissen uber das ideale Gas nutzen, umetwas uber das Konzept âWarmeâ zu erfahren. Betrachte die Definition
ÎŽq = du + pdv. (3.18)
Mit du = cv dT , p = (R/”)(T/v) erhalten wir
ÎŽq = cv dT +R
”
T
vdv. (3.19)
Offensichtlich ist ÎŽq kein vollstandiges Differential â aber ÎŽq/T ist eines,
ds =ÎŽq
T= cv(T )
dT
T+
R
”
dv
v, (3.20)
22 KAPITEL 3. ERSTER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
und fur cv = const. ergibt sich
s(T, v) =â« T,v
T0,v0
ds = cv lnT
T0+
R
”ln
v
v0. (3.21)
Der Faktor 1/T ist der integrierende Faktor des Differentials ÎŽq. Die Zu-standsgrosse S(T, V ) heisst Entropie, die Warme lasst sich damit schreibenals ÎŽq = Tds (vgl. ÎŽw = pdv) und wir finden den Energiesatz in der Form
du = T dsâ p dv. (3.22)
Weiter ist u = u(s, v), âsu|v = T , âu/âv|s = âp, und
â2u
âv âs=
â2u
âs âv. (3.23)
Uberprufe das.
Kapitel 4
Zweiter Hauptsatz derThermodynamik
Der zweite Hauptsatz bildet den Kern der Thermodynamik. Er spezifiziert,welche (energetisch erlaubten) Prozesse in der Natur vorkommen durfen(z.B., der Kaffee in der Tasse wird nie spontan heiss, indem er der Umge-bung Warme entzieht, auch wenn dies gemass 1. Hauptsatz erlaubt ware).Der zweite Hauptsatz beruht wiederum auf Erfahrung und wird nicht be-wiesen (ein Axiom der Thermodynamik) â die Zuruckfuhrung auf einfache,scheinbar selbstverstandliche Prinzipien muss genugen. Dies wird durch diePostulate von Clausius und Kelvin erreicht. Deren Kombination mit derMaschine von Carnot ergibt dann die Formulierung des 2. Hauptsatzes nachSeite 12.
Clausius: Warme kann nicht von selbst aus einem niederen zu einem hoher-en Temperaturniveau ubergehen.
Kelvin: Es ist unmoglich, fortlaufend Arbeit zu erzeugen durch blosse Ab-kuhlung eines einzelnen Korpers(sonst konnten wir diese Arbeit bei einer hoheren Temperatur zuruckin Warme verwandeln, was im Widerspruch zur Aussage von Clausiusware).
Gemass Kelvin lasst sich keine Warmemaschine mit nur einem Warmereser-voir bauen â eine Warmemaschine (Warme zu Arbeit Konverter) erzeugtimmer Abwarme. Diese Aussage wird mit der Maschine von Carnot prazi-siert und quantifiziert.
23
24 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
4.1 Kreisprozess von Carnot
Wir untersuchen eine zyklich arbeitende Maschine mit einem beliebigen ho-mogenen Arbeitsmedium dessen Zustand sich durch die mechanischen Va-riablen p und V beschreiben lasst. Die thermische Variable Ï folgt aus derZustandsgleichung des Mediums. Der Kreisprozess besteht aus den Isother-men I12, I34 und den Adiabaten A23, A41, vgl. Abb. 4.1. Entlang der Isother-men I12 (I34) wird den Warmereservoiren bei den Temperaturen Ï1 (Ï2) dieWarmemenge Q1 (Q2) entzogen, woraus sich die Warmezufuhr pro Zyklusâź
ÎŽQ = Q1 âQ2 (4.1)
ergibt. Ebenfalls pro Zyklus wird die ArbeitâźÎŽW =
âźdV p = W (4.2)
geleistet (die schraffierte Flache in Abb. 4.1).
2
1
34
1
2
V
p
W
Abb. 4.1: Kreisprozess 1 â2 â 3 â 4 â 1 im p, V -Diagramm des Arbeitsmedi-ums.
Gemass 1. HS istW = Q1 âQ2. (4.3)
Da die Warmemaschine (nach Kelvin) eine Abwarme erzeugen muss, ist derthermische Wirkungsgrad (die Fahigkeit Warme in Arbeit zu verwandeln)
η =W
Q1= 1â Q2
Q1(4.4)
immer kleiner als 1 (zeige, dass fur W > 0 die Abwarme Q2 > 0 seinmuss). Die Maschine kann auch als Kaltemaschine/Warmepumpe benutztwerden (umgekehrter Zyklus 1 â 4 â 3 â 2 â 1). Der Wirkungsgrad derWarmepumpe wird dann als
η =Q1
W=
11âQ2/Q1
(4.5)
4.1. KREISPROZESS VON CARNOT 25
W
Q
Q
1
2
1
2
Kraftmaschine WĂ€rmepumpe
Q
Q2
11
2
W
Abb. 4.2: Carnot Kreisprozesse: Die Kraftmaschine entzieht dem Mediumhoherer Temperatur die Warme Q1 und verwandelt diese in Arbeit W undAbwarme Q2, wobei Q1 âQ2 âW = 0 ist. Die Warmepumpe entzieht demReservoir bei der tiefen Temperatur die Warme Q2 und fuhrt die WarmeQ1 dem Reservoir hoherer Temperatur zu, wobei die Arbeit W zu leistenist, Q2 + W âQ1 = 0.
definiert. Man beachte das Vorzeichen der Energien Q1, Q2, W . Die Dia-gramme in Abb. 4.2 beschreiben/charakterisieren die Kreisprozesses fur dieKraftmaschine und die Warmepumpe.
In der Folge betrachten wir reversible Carnotmaschinen die, abgesehenvon der thermodynamischen Abwarme, keine inneren (Reibungs-)Verlusteaufweisen. Dann gilt:
Alle zwischen Ï1 und Ï2 operierenden (reversiblen) Carnotmaschinenbesitzen unabhangig vom Medium denselben Wirkungsgrad.
Denn: Betrachte zwei Carnot-Maschinen C und C âČ zwischen Ï1 = ÏâČ1und Ï2 = ÏâČ2 mit W = W âČ. Nimm an, dass ηâČ > η. Operiere dann C alsWarmepumpe und finde, dass âQ = Q1 â QâČ
1 > 0 von Ï2 nach Ï1 fliesst,was Clausius widerspricht. Ebenso fuhrt die Annahme η > ηâČ auf einenWiderspruch. Also ist η = ηâČ. Ahnlich wird bewiesen, dass die Aussage vonâKelvinâ die Aussage von âClausiusâ impliziert: Nimm an, wir konnen Q1 vonÏ2 nach Ï1 > Ï2 bringen. Die Carnot-Maschine verwandelt dann Warme inArbeit, was Kelvin widerspricht.
Damit kann der Wirkungsgrad der reversiblen Carnot-Maschine nurvon den Temperaturen Ï1 und Ï2 abhangen,
η = 1â Q2
Q1,
Q1
Q2= f(Ï1, Ï2). (4.6)
Indem wir zwischen Ï1 und Ï2 ein weiteres Reservoir der Temperatur Ï0
einfugen, vgl. Abb. 4.3, das die Abwarme aus dem Ï1, Ï0-Prozess als zu-
26 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
gefuhrte Warme fur den Ï0, Ï2-Prozess nutzt, erhalten wir die Beziehungen
Q1
Q0= f(Ï1, Ï0),
Q0
Q2= f(Ï0, Ï2), (4.7)
Q1
Q2= f(Ï1, Ï0)f(Ï0, Ï2) = f(Ï1, Ï2);
die zusammengesetzte Carnot Maschine hat dann einen von Ï0 unabhangi-gen Wirkungsgrad.
10
Q0
Q1
W
02
Q2
Q0
W
0
2
1
Abb. 4.3: Schema einer zusam-mengesetzten Carnot Maschi-ne mit hintereinandergehangtenKraftmaschinen, verbunden uberdas Reservoir bei der TemperaturÏ0.
Wahlen wir Ï1 = Ï2, so erhalten wir mit f(Ï1, Ï2) = 1 die Beziehungf(Ï0, Ï2) = 1/f(Ï2, Ï0) und konnen damit schreiben
f(Ï1, Ï2) =f(Ï1, Ï0)f(Ï2, Ï0)
=Ï(Ï1)Ï(Ï2)
, (4.8)
unabhangig von Ï0. Unsere willkurliche Temperaturskala Ï lasst sich nundurch die absolute Temperaturskala
T = Ï(Ï) (4.9)
ersetzen, und wir finden den Wirkungsgrad η der Carnot Maschine nurabhangig von den Temperaturen T1 und T2 der Reservoire,
Q1
Q2=
T1
T2, (4.10)
η = 1â T2
T1.
4.1. KREISPROZESS VON CARNOT 27
Berechnen wir den Wirkungsgrad einer Carnot-Maschine mit einem idealenGas als Medium, so finden wir
ηideales Gas = 1â TGas2
TGas1
, (4.11)
woraus wir schliessen, dass TGas â T = Ï(Ï). Die entsprechende Eichung(siehe (1.12)) ergibt die bekannte Kelvin Skala.
Das Resultat (4.10) reicht weit uber die Definition einer absolutenTemperaturskala hinaus. Durch Zerlegen eines beliebigen reversiblen Prozes-ses in eine Sequenz von (unendlich schmalen) Carnot-Prozessen, vgl. Abb.4.4, erhalten wir
ÎŽQ1
T1=
ÎŽQ2
T2(4.12)
und die Summation uber alle Segmente ergibt das Resultat
WÎŽ
p
V
Abb. 4.4: Zerlegungeines beliebigen re-versiblen Prozessesin eine Sequenz voninfinitesimalen Carnot-Prozessen.
âźÎŽQrev
T= 0. (4.13)
Die Grosse
dS =ÎŽQrev
T(4.14)
definiert damit ein vollstandiges Differential und wir konnen eine neue Zu-standsgrosse, die Entropie S, definieren als (vgl. Abb. 4.5)
SB = SA +â«
Îł
ÎŽQrev
T, (4.15)
wobei A einen beliebigen Referenzzustand definiert und Îł die Zustande Aund B reversibel verbindet (d.h. jeder Punkt P â Îł entspricht einem Gleich-gewichtszustand).
28 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
A
B
Îł
Abb. 4.5: Reversible Verbin-dung zwischen den ZustandenA und B.
Diese fur ein einkomponentiges System abgeleiteten Betrachtungenlassen sich auch auf ein mehrkomponentiges, mehrphasiges System ausdeh-nen. Dabei benutzt man in der Addition der Teilentropien
dS =â
i
dSi =â
i
ÎŽQrev,i
Ti, (4.16)
dass das Gesamtsystem im Gleichgewicht ist und daher alle Komponen-ten/Phasen dieselbe Temperatur Ti = T aufweisen, woraus folgt, dass
dS =1T
âi
ÎŽQrev,i =ÎŽQrev
T(4.17)
(naturlich sind wiederum alle inneren Reibungsverluste zu eliminieren âreversible Prozesse).
Benutzen wir schliesslich noch den 1. HS in der Form ÎŽQ = dU+pdV =ÎŽQrev (â garantierte Reversibilitat), so erhalten wir
dS =dU + p dV
T. (4.18)
Wie wir daraus mit Hilfe der thermischen und kalorischen Zustandsgleichungvia Integration die Entropie erhalten, haben wir im Fall des idealen Gases(auf Seite 21) gezeigt,
Sideales Gas = nCV lnT
T0+ nR ln
V
V0+ S0. (4.19)
Schliesslich bemerken wir noch, dass im mechanisch/thermischen abgeschlos-senen System mit der Energie auch die Entropie konstant ist, das Systemist im Gleichgewicht.
4.1.1 Irreversible Prozesse
In einem nachsten Schritt wollen wir die Folgen irreversibler Prozesse be-trachten. Dazu hangen wir wiederum zwei Maschinen C und C âČ zusammen,wobei C reversibel arbeite, nicht aber C âČ. Wir konnen dann zeigen, dass
4.1. KREISPROZESS VON CARNOT 29
ηâČ > η auf einen Widerspruch fuhrt, nicht aber η > ηâČ. Da auch η 6= ηâČ seinmuss (sonst ist C âČ reversibel), gilt
1â T2
T1= 1â Q2
Q1= η > ηâČ = 1â QâČ
2
QâČ1
(4.20)
â QâČ1
QâČ2
<T1
T2. (4.21)
Fur den Zyklus finden wir dannâźÎŽQâČ
T< 0. (4.22)
Zerlegen wir den Zyklus gemass Abb. 4.6 in einen reversiblen Anteil B â Aund einen irreversiblen Teil Aâ B, so finden wir
rev
ÎłB
A
irrev Abb. 4.6: Zerlegung des Zyklus ineinen reversiblen und einen irrever-siblen Anteil.
â« B
A
ÎŽQâČ
T+â«
Îł
ÎŽQâČrev
T=â« B
A
ÎŽQâČ
T+ SA â SB < 0 (4.23)
â SB > SA +â« B
A
ÎŽQâČ
T. (4.24)
Mit SB = SA +â« BA ÎŽQrev/T ergibt sich, dass der reversible Prozess am
meisten Warme aufnimmt. Isolieren wir das System thermisch, so ist ÎŽQ = 0und
SB > SA; (4.25)
im thermisch isolierten System kann die Entropie nur zunehmen. Die Un-gleichung (4.25) zeichnet eine Zeitrichtung aus. Beachte, dass ÎŽQ = 0 (Adia-batizitat) nicht gleichbedeutend mit Isentropie dS = 0 ist. Es gilt, dass einreversibler adiabatischer Prozess isentrop ist.
Aus den Beziehungen (4.15) und (4.24) lasst sich schliessen, dass wirzur Berechnung von S immer auf reversible Wege zuruckgreifen mussen;irreversible Wege liefern nur Schranken. So erhalten wir beispielsweise furdie Gay-Lussac- und Joule-Kelvin-Versuche (adiabatische Prozesse)â«
ÎŽQ
T= 0. (4.26)
30 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
Um die Entropiedifferenz im Gay-Lussac-Versuch mit zwei gleich grossenKolben zu berechnen (V â 2V ) mussen wir einen analogen reversiblen Pro-zess finden, der die beiden Zustande (T1 = T, V1 = V ) und (T2 = T, V2 =2V ) verbindet. Dies ist gerade der Prozess der reversiblen, isothermen Ex-pansion. Mit TdS = dU + pdV = pdV (wegen dU = cv dT |T=const) erhaltenwir
âS =ÎŽQrev
T= nR ln
V2
V1= nR ln 2. (4.27)
Wahrend der reversiblen Expansion wird dem Reservoir die Warme ÎŽQ =nRT ln 2 entzogen und in Arbeit ÎŽW = ÎŽQ umgewandelt. Nicht so bei derfreien Expansion. Dort stromt das Gas uber, ohne Arbeit zu leisten und dasSystem nimmt keine Warme auf (Versuche diesen Sachverhalt mikroskopischzu verstehen, studiere dabei die Experimente von Gay-Lussac, Joule-Kelvin,isotherme reversible Expansion, adiabatisch reversible Expansion).
2T, V
T,V ÎŽQ = 0
T Q revÎŽ
Abb. 4.7: Expansion eines Gases: links isotherme reversible Expansion mitÎŽW = ÎŽQrev = nRT log 2, rechts adiabatische irreversible Expansion oh-ne Arbeitsleistung, ÎŽW = 0. Fur die Entropieanderung gilt SB â SA =nR ln 2 >
â«ÎŽQ/T = 0. Im reversiblen Prozess wird Warme in Arbeit
verwandelt, im irreversiblen Prozess wird die Moglichkeit der Umwandlungnicht genutzt.
4.2 Bedeutung der Entropie als thermodynami-sches Potential
Wir gehen aus von (4.18) und verallgemeinern die am System geleisteteArbeit durch den Ausdruck ÎŽW =
âk akdAk,
dS =1T
dU â 1T
nâk
akdAk (4.28)
(ai, Ai = âp, V ;Ï = Oberflachenspannung, A = Flache; H = Magnetfeld,M = Magnetisierung; Ï = elektrisches Potential, Q = Ladung, ÏαÎČ = Span-nungstensor, ΔαÎČ = Deformationstensor, etc.). Dabei fassen wir S(U,A1, . . . ,
4.2. ENTROPIE S ALS POTENTIAL 31
An) als Funktion der extensiven Zustandsvariablen U,A1, . . . , An auf, diezudem einen vollstandigen Satz von Variablen bilden sollen. (4.28) heisstGibbsâsche Fundamentalgleichung ; aus ihr folgen durch Ausnutzung der In-tegrabilitat die kalorischen und thermischen Zustandsgleichungen. Man be-zeichnet deshalb S als thermodynamisches Potential in den Variablen U undA1, . . . , An (aber nicht in anderen Variablen).
Die Integrabilitat von (4.28) garantiert die Existenz einer Zustands-funktion
S(U,A1, . . . , An) (4.29)
in den extensiven Variablen U,A1, . . . , An. Der Vergleich von
dS =âS
âU
âŁâŁâŁâŁA1,...,An
dU +nâk
âS
âAk
âŁâŁâŁâŁU,A1,...,An ohne Ak
dAk (4.30)
mit (4.28) liefert die Beziehungen
1T
=âS
âU
âŁâŁâŁâŁA1,...,An
â T = T (U,A1, . . . , An)â U = U(T,A1, . . . , An),
ak = âTâS
âAk
âŁâŁâŁâŁU,A1,...,An ohne Ak
â ak = ak(T,A1, . . . , An);
diese sind gerade die kalorische und thermischen Zustandsgleichungen. Istdie Entropie eines Systems als Funktion der thermodynamischen VariablenU,A1, . . . , An einmal bekannt, konnen wir seine Thermodynamik vollstandigbeschreiben.
Durch die Umkehrung der Gleichung (4.28) konnen wir sofort ein wei-teres Potential gewinnen: mit
dU = T dS +nâk
ak dAk (4.31)
folgt, dass U(S, A1, . . . , An) ein thermodynamisches Potential in den Varia-blen S und A1, . . . , An ist. Die kalorische und thermischen Zustandsgleichun-gen haben die Form
T =âU
âS
âŁâŁâŁâŁA1,...,An
, ak =âU
âAk
âŁâŁâŁâŁS,A1,...,An ohne Ak
(4.32)
Allerdings ist U als Funktion von S fur praktische Anwendungen weniggeeignet. Wir werden spater noch weitere nutzlichere thermodynamischePotentiale herleiten.
32 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
4.2.1 Zusammenhang zwischen kalorischer und thermischerZustandsgleichung
Wir nutzen die Integrabilitatsbedingungen fur die Entropie S um eine Bezie-hung zwischen der kalorischen und thermischen Zustandsgleichung herleiten.Wir beschranken uns auf homogene Flussigkeiten mit
âak dAk â âp dV .
Ausgehend von
dS =1T
dU +p
TdV
dU =âU
âT
âŁâŁâŁV
dT +âU
âV
âŁâŁâŁTdV
erhalten wirTdS =
âU
âT
âŁâŁâŁV
dT +(âU
âV
âŁâŁâŁT
+ p)dV.
Der Vergleich mit
TdS = TâS
âT
âŁâŁâŁâŁV
dT + TâS
âV
âŁâŁâŁâŁT
dV
liefertâS
âT
âŁâŁâŁV
=1T
âU
âT
âŁâŁâŁV
,âS
âV
âŁâŁâŁT
=1T
(âU
âV
âŁâŁâŁT
+ p).
Gleichsetzen der zweiten Ableitungen
â2S
âTâV=
â2S
âV âT
ergibt
â
âV
[ 1T
âU
âT
âŁâŁâŁV
]=
â
âT
[ 1T
(âU
âV
âŁâŁâŁT
+ p)]
,
1T
â2U
âV âT= â 1
T 2
(âU
âV
âŁâŁâŁT
+ p)
+1T
â2U
âTâV+
1T
âp
âT
âŁâŁâŁV
,
und schliesslichâU
âV
âŁâŁâŁT
= Tâp
âT
âŁâŁâŁVâ p (4.33)
Diese Gleichung verbindet die kalorische (links) und thermische (rechts) Zu-standsgleichung.
Anwendungen
Eine hubsche Anwendung von (4.33) ergibt sich fur das ideale Gas: MitpV = nRT ist TâT p|V = p und wir finden
âU
âV
âŁâŁâŁT, id.Gas
= 0, (4.34)
Uid.Gas = U(T ). (4.35)
4.2. ENTROPIE S ALS POTENTIAL 33
Die Zustandsgleichung des idealen Gases gegeben ist impliziert via dem 2.Hauptsatz die Unabhangigkeit von U vom Gasvolumen V .
In einer zweiten Anwendung drucken wir das Entropiedifferential durchexperimentell messbare Grossen cp, cv, α, und Îș aus. Wir setzen (4.33) inden Ausdruck fur TdS ein und finden
TdS =âU
âT
âŁâŁâŁV
dT + Tâp
âT
âŁâŁâŁV
dV. (4.36)
Indem wir das Variablenpaar T, p benutzen, konnen wir eine korrespondie-rende Gleichung herleiten,
TdS =(âU
âT
âŁâŁâŁp+ p
âV
âT
âŁâŁâŁp
)dT â T
âV
âT
âŁâŁâŁpdp. (4.37)
Wir benutzen (3.5), (3.6) (die Definitionen von cv und cp) und formen âT p|Vum gemass (1.7) (Kettenregel)
âp
âT
âŁâŁâŁV
= â 1âTâV
âŁâŁâŁp
âVâp
âŁâŁâŁT
=
1V
âVâT
âŁâŁâŁp
â 1V
âVâp
âŁâŁâŁT
=α
ÎșT,
â TdS =
cv dT + (αT/ÎșT ) dV,
cp dT â αTV dp.(4.38)
Schliesslich lassen sich cp und cv auch auf die Grossen α, ÎșT und ÎșS
zuruckfuhren: Aus (4.38) folgt
cv dT + Tâp
âT
âŁâŁâŁV
dV = cp dT â TâV
âT
âŁâŁâŁpdp
und via Umschreibung auf p und V ,
dT =âT
âV
âŁâŁâŁpdV +
âT
âp
âŁâŁâŁV
dp,
finden wir[(cp â cv)
âT
âV
âŁâŁâŁpâ T
âp
âT
âŁâŁâŁV
]dV +
[(cp â cv)
âT
âp
âŁâŁâŁVâ T
âV
âT
âŁâŁâŁp
]dp = 0
Diese Beziehung gilt fur alle Differentiale dp und dV , weshalb beide Koeffizi-enten verschwinden. Der dV -Koeffizient liefert dann mit (1.18) die Beziehung
cp â cv =T âp
âT
âŁâŁâŁV
âTâV
âŁâŁâŁp
= âT(âV
âT
âŁâŁâŁp
)2 âp
âV
âŁâŁâŁT
=TV α2
ÎșT. (4.39)
34 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
Aus (4.36), (4.37) folgt mit dS = 0
cv = âTâp
âT
âŁâŁâŁV
âV
âT
âŁâŁâŁS, cp = T
âV
âT
âŁâŁâŁp
âp
âT
âŁâŁâŁS
und Division ergibt (unter Ausnutzung von (1.9) und (1.7))
cp
cv= â
âVâT
âŁâŁp
âpâT
âŁâŁS
âpâT
âŁâŁV
fracâV âTâŁâŁS
= ââVâT
âŁâŁp
âpâT
âŁâŁV
âp
âV
âŁâŁS
=âVâp
âŁâŁT
âVâp
âŁâŁS
=ÎșT
ÎșS
cv = TVα2ÎșS
(ÎșT â ÎșS)ÎșT,
cp = TVα2
ÎșT â ÎșS. (4.40)
Das Resultat (4.39) zeigt, dass fur stabile Systeme mit ÎșT > 0, cp > cv
gilt: Bei konstantem Druck wird bei Erwarmung auch Arbeit geleistet, daâV 6= 0 ist.
4.3 Gehemmte Gleichgewichte, Gleichgewicht undStabilitat
Interne Hemmungen sind Vorrichtungen, die an extensive Variablen koppeln,ohne deren totalen Wert zu verandern.
0
Kâ
V1 V2 ,,p 1 p 2
x
K
Abb. 4.8: Geometrie des Kolbensystems, als Beispiel fur eine interne Hem-mung im Volumen V = V1+V2. Der innere Kolben K âČ erlaubt, die VoluminaV1 und V2 zu verandern, wobei âV1 = ââV2 sein soll.
Ein beliebtes Beispiel ist das Kolbensystem K, K âČ im gasgefullten Zy-linder, vgl. Abb. 4.8. Dabei definiert K das Gasvolumen V = V1 + V2 desSystems, das festgehalten werden soll. Der innere Kolben K âČ erlaubt, dieVolumina V1 und V2 zu verandern, wobei âV1 = ââV2 sein muss. Naturlich
4.3. GEHEMMTE GLEICHGEWICHTE, GLEICHGEWICHT UND STABILITAT35
erfordert die Bewegung von K âČ im allgemeinen eine Arbeitsleistung, im Bei-spiel (p1 â p2)âV1. Allgemeiner berucksichtigen wir verschiedene Hemmun-gen im System via den Hemmparametern Yi`1. Die Gesamtentropie desSystems hangt dann zusatzlich von diesen Hemmparametern ab,
S = S(U, V, Y1, . . . , Y`)
TdS = dU + pdV +â
i
yidYi, (4.41)
yi = TâS
âYi
âŁâŁâŁU,V,Y1,...,Y` ohne Yi
.
Fur unser Beispiel ist
TdS = dU + p2dV + (p1 â p2)dV1 (4.42)
(im Gesamtausdruck lassen wir auch Variationen von V zu; dann ist ÎŽW =âp1dV1 â p2dV2 und dV2 = d(V â V1) â (4.42)). Das Prinzip maximalerEntropie besagt, dass bei festgehaltenen Parametern U und V das Systemgenau dann im Gleichgewicht ist, wenn S maximal ist. Dieses Prinzip folgtdirekt aus (4.25): Im (thermisch und mechanisch) abgeschlossenen System(U , V beide konstant) kann S nur zunehmen. Fur ein gehemmtes Systemgilt demnach
S(U, V ) > S(U, V,Hemmungen). (4.43)
Dieser Sachverhalt wird in folgender Uberlegung ausgenutzt: Betrachte einSystem im Gleichgewicht. Fuhre Hemmparameter ein, ohne das System zustoren. Erzeuge eine virtuelle Zustandsanderung ÎŽ bei fixen Parametern U ,V . Dann gilt (vgl. auch Abb. 4.9)
ÎŽS|U,V = 0, (Gleichgewicht)ÎŽ2S|U,V < 0. (Stabilitat) (4.44)
fixed
0 ÎŽ
S
U, V Abb. 4.9: Entropie unter demEinfluss einer virtuellen Zu-standsanderung ÎŽ weg vomGleichgewicht.
Als Anwendung betrachten wir unser Kolbensystem: Eine AuslenkungÎŽV1 ergibt mit (4.42)
ÎŽS|U,V =1T
(p1 â p2)ÎŽV1.
36 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
Im Gleichgewicht muss ÎŽS = 0 gelten und damit
p1 = p2 im Gleichgewicht. (4.45)
Ebenso konnen wir eine Hemmung in U einfuhren. Mit ÎŽU1 = âÎŽU2 erhaltenwir
ÎŽS|U,V =âS1
âU1
âŁâŁâŁU,V
ÎŽU1 +âS2
âU2
âŁâŁâŁU,V
ÎŽU2 =( 1
T1â 1
T2
)ÎŽU1 = 0 im GG
â T1 = T2 im Gleichgewicht. (4.46)
Wir konnen auch weiter gehen und ein gehemmtes System untersuchen.Dabei verfolgen wir die Evolution eines gehemmten Systems mit Yi 6= 0 nachFreigabe einer Hemmung. Gemass (4.43) muss die Entropie bei Lockerungder Hemmung zunehmen, also (vgl. Abb. 4.10)
ÎŽS|U,V > 0 (4.47)
(das System nahert sich unter Ablauf irreversibler Prozesse dem ungehemm-ten Gleichgewichtszustand). Fur das obige Beispiel (Hemmung in U) finden
S
0 ÎŽ
Abb. 4.10: Die Entropienimmt bei einer Freigabe derHemmung zu.
wirÎŽS =
( 1T1â 1
T2
)ÎŽU1 > 0.
Mit T1 > T2 muss ÎŽU1 < 0 und Warme fliesst vom heisseren zum kalterenTeil des Systems, um das Gleichgewicht zu erreichen.
Die Gleichung (4.44), ÎŽ2S|U,V < 0, garantiert die Stabilitat des Gleich-gewichtszustandes. Als Konsequenz findet man, dass die Koeffizienten cv undÎșT positive Werte annehmen mussen,
cv > 0, ÎșT > 0 (Stabilitat). (4.48)
Die Herleitung involviert die Entwicklung von S bis in zweiter Ordnung inden Deviationen ÎŽT und ÎŽV ,
ÎŽ2S =12[S(U + ÎŽU, V + ÎŽV ) + S(U â ÎŽU, V â ÎŽV )]â S(U, V )
=â2S
âU2(ÎŽU)2 + 2
â2S
âUâVÎŽUÎŽV +
â2S
âV 2(ÎŽV )2.
4.4. U ALS THERMODYNAMISCHEN POTENTIAL 37
Mit âS/âU = 1/T , âS/âV = p/T erhalten wir
ÎŽ( 1
T
)=
â2S
âU2ÎŽU +
â2S
âUâVÎŽV,
ÎŽ( p
T
)=
â2S
âUâVÎŽU +
â2S
âV 2ÎŽV.
â ÎŽ2S = ÎŽ( 1
T
)ÎŽU + ÎŽ
( p
T
)ÎŽV
= â 1T 2
(âU
âT
âŁâŁâŁV
ÎŽT +âU
âV
âŁâŁâŁTÎŽV)ÎŽT â 1
T 2p ÎŽV ÎŽT
+1T
( âp
âT
âŁâŁâŁV
ÎŽT +âp
âV
âŁâŁâŁTÎŽV)ÎŽV
= â cv
T 2(ÎŽT )2 â 1
T 2
[âU
âV
âŁâŁâŁT
+ pâ Tâp
âT
âŁâŁâŁV
]ÎŽV ÎŽT
â 1TV ÎșT
(ÎŽV )2 < 0â cv, ÎșT > 0.
Dabei verschwindet der zweite Term in der letzten Gleichung wegen (4.33).
4.4 Innere Energie U als thermodynamischen Po-tential
Die obige Diskussion 4.2 und 4.3 hat die Bedeutung von S als thermodynami-sches Potential illustriert. Ebenso wie S ist auch U ein thermodynamischesPotential, nun in den Variablen S und V (siehe (4.31)). Nebst der Her-leitung von kalorischen und thermischen Zustandsgleichungen aus U(S, V )liefert das Studium von U auch ein Extremalprinzip. Wir schreiben (4.24)in differentieller Form fur ein an ein Reservoir (mit index â0â bezeichnet)gekoppeltes System
dS + dS0 â„ÎŽQ
T= 0 (4.49)
Fur die erste Beziehung gilt Gleichheit falls der betrachtete Prozess im Ge-samtsystem reversibel ablauft; da System und Reservoir als Gesamtsystemabgeschlossen sind andert sich der Warmeinhalt im Gesamtsystem nicht,ÎŽQ = 0. Das Reservoir mit der Temperatur T erlaube den reversiblen Aus-tausch von Warme mit dem System, dS0 = ÎŽQ0rev/T . Gemass 1. HS istÎŽQ0rev = âÎŽQrev = âdU â p dV , und wir finden (wieder mit Gleichheit furreversible Prozesse im Gesamtsystem)
dS â„ 1T
(dU + p dV ) (4.50)
Die Beziehung (4.50) ersetzt die im abgeschlossenen System (U, V = const.)geltende Beziehung dS â„ 0 im wenn wir das System an ein Reservoir kop-peln, das den Austausch von Warme und Arbeit erlaubt (U, V 6= const., bei
38 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
konstanter Temperatur T , konstantem Druck p). Die Relation (4.50) ergibtfur S, V = const. ein Minimalprinzip fur U , vgl. Abb. 4.11
dU †0, U kann bei fixem S, V nur abnehmen,
ÎŽU |S,V = 0, Gleichgewicht,ÎŽ2U |S,V > 0, Stabilitat. (4.51)
fixed
0 ÎŽ
U
S, VAbb. 4.11: Innere Energie Uunter dem Einfluss einer vir-tuellen Zustandsanderung ÎŽ.
4.5 Mehrkomponenten- und Mehrphasensysteme
Bis anhin haben wir nur einkomponentige und einphasige Systeme betrach-tet. Oft sollen jedoch Systeme mit r Komponenten analysiert werden, diein Μ Phasen vorkommen konnen. Mogliche Phasen sind fest, flussig undgasformig; die Komponenten konnen sich dabei auf diese Phasen aufteilen.Es bezeichne n
(α)i die Anzahle Mole der Komponente i, die in der Phase α
vorliegt,
ni =Îœâ
α=1
nαi (4.52)
gibt die Stoffmenge der i-ten Komponente im System an. Ebenso verteiltsich die Gesamtenergie, die Gesamtentropie und das Gesamtvolumen aufdie einzelnen Phasen,
U =âα
U (α), S =âα
S(α), V =âα
V (α). (4.53)
Wir definieren das chemische Potential der Komponente i in Phase α, ”(α)i ,
als die Energieanderung bei einer reversiblen Anderung der Molzahl n(α)i ,
”(α)i =
âU
ân(α)i
âŁâŁâŁâŁS,V,n
(ÎČ)j ohne n
(α)i
(4.54)
Fur das Differential der inneren Energie erhalten wir dann
dU = TdS â pdV +râ
i=1
”i dni. (4.55)
4.5. MEHRKOMPONENTEN- UND MEHRPHASENSYSTEME 39
Dass im Gleichgewicht tatsachlich T (”) = T (Μ) = T , p(”) = p(Μ) = p, ”(”)i =
”(Μ)i = ”i gilt, ersehen wir leicht aus dem Minimumsprinzip fur U : Fur eine
virtuelle Verschiebung aus dem Gleichgewicht gilt
0 = ÎŽU |S,V,ni =Îœâ
α=1
[T (α)ÎŽS(α) â p(α)ÎŽV (α) +
râi=1
”(α)i Ύn
(α)i
](4.56)
mit âα
ÎŽS(α) = 0,âα
ÎŽV (α) = 0,âα
Ύn(α)i = 0.
Fur ein Zwei-Phasensystem ist demnach ÎŽS(1) = âÎŽS(2), ÎŽV (1) = âÎŽV (2),ÎŽn
(1)i = âÎŽn
(2)i ,
0 = ÎŽU |S,V,ni = [T (1) â T (2)]ÎŽS(1) â [ p(1) â p(2)]ÎŽV (1)
+râ
i=1
[”(1)i â ”
(2)i ]ÎŽn(1)
i , â ÎŽS(1), ÎŽV (1), ÎŽn(1)i ,
â T (1) = T (2) = T, p(1) = p(2) = p, ”(1)i = ”
(2)i = ”i. (4.57)
Die Verallgemeinerung auf α Phasen ist trivial.
Zum besseren Verstandnis des chemischen Potentials betrachte mandas einkomponentige Zwei-Phasensystem mit ”(1) > ”(2). Entfernen derHemmung vermindert die innere Energie,
0 > ΎU =”(1)
TÎŽn(1) +
”(2)
TÎŽn(2) =
1T
(”(1) â ”(2))ÎŽn(1), (4.58)
und mit ÎŽn(1) < 0 fliesst Masse vom hoheren zum niedrigeren chemischenPotential durch Umwandlung von der (1)-Phase in die (2)-Phase. Schliesslichverlangt die Stabilitat des Gleichgewichtes verlangt, dass die Eigenwerte derMatrix
â”i
ânk
âŁâŁâŁT,p
(4.59)
positiv sind.
40 KAPITEL 4. ZWEITER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
Kapitel 5
ThermodynamischePotentiale
Im vorigen Kapitel haben wir zwei thermodynamische Potentiale gefunden:die Entropie S(U, V ) als Funktion der extensiven Variablen âinnere Ener-gie U â und âVolumen V â und U(S, V ). Dabei ist die Wahl der Variablenfixiert, zu S gehoren U und V , zu U gehoren S und V . Insbesondere gel-ten die Extremalprinzipien fur S bei festem U , V und fur U bei festem S,V . Experimentell sind aber oft T und V , noch ofter p und T vorgegeben;entsprechend wunschen wir uns zugehorige Potentiale fur diese Falle.
5.1 Legendre Transformation
Um diese Potentiale zu finden, mussen wir die in S und U enthaltene In-formation behalten, ein einfaches Ersetzen der Variablen in S oder U kannnicht funktionieren. Wir konnen aber ausnutzen, dass S in U und V konkavist, d.h.,
S(tX1 + (1â t)X2) â„ tS(X1) + (1â t)S(X2) (5.1)X = U, V,
respektive, U ist in S und V konvex. Wir konnen dann benutzen, dass dieLegendre-Transformierte einer konvexen Funktion f(x),
Lf(y) = supx
[xy â f(x)] (5.2)
wiederum konvex ist und im strikte konvexen und differenzierbaren Fallinvolutiv ist,
L(Lf) = f ; (5.3)
es geht also keine Information verloren.
41
42 KAPITEL 5. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
( )
y
yx
x
f
yfL
x
( )
Abb. 5.1: Legendre-Trans-formation Lf (y) der Funkti-on f(x).
Die graphische Darstellung der Legendre Transformation ist in Abb.5.1 gezeigt. Ist die Funktion f nicht strikte konvex mit geraden Stucken,so gehen âGeraden in f â in âKnicke in Lâ uber, vgl. Abb. 5.2. Dies ist beiPhasenubergangen relevant.
x
A BC
f
B
AB
BC
fL
y
Abb. 5.2: Legendre-Transformation einer nicht streng konvexen Funktion f .Dabei werden âGeradenstuckeâ in âKnickeâ uberfuhrt und umgekehrt.
Aus der Mechanik ist bekannt, dass die Legendre-Transformation mitder konjugierten Variablen gerade die Rolle der beiden Variablen vertauscht.Entsprechend erzeugen wir uns im folgenden neue thermodynamische Po-tentiale via Legendre-Transformation. Ausgangspunkt ist die innere EnergieU(S, V ).
5.2 Freie Energie F
Die Freie Energie wird mit F (T, V, n) bezeichnet, n die Molzahl. Wir wollendie Variable S in U durch ihre konjugierte Variable âSU |V,n = T ersetzenund definieren F als die Legendre-Transformation von U in S,
F (T, V, n) =[U â âU
âS
âŁâŁâŁV,n
S](T, V, n) = [U â TS](T, V, n). (5.4)
5.3. ENTHALPIE H 43
Tatsachlich tauchen im Differential von F die Variablen T , V und n als dienaturlichen Variablen auf,
dF = dU â TdS â SdT = TdS â pdV + ”dnâ TdS â SdT
â dF = âpdV â SdT + ”dn. (5.5)
Die Differentiale ergeben
âF
âV
âŁâŁâŁT,n
= âp,âF
âT
âŁâŁâŁV,n
= âS,âF
ân
âŁâŁâŁT,V
= ”, (5.6)
und die Bedingung der Integrabilitat fuhrt (unter anderem) auf
âp
âT
âŁâŁâŁV
=âS
âV
âŁâŁâŁT. (5.7)
(5.7) ist eine der beruhmten Maxwell-Relationen. Ersetzen wir in (5.7) dS =ÎŽQrev/T , so ergibt sich mit (1.18) die Beziehung
pÎČ =âp
âT
âŁâŁâŁâŁV
=1T
ÎŽQ
dV
âŁâŁâŁâŁT
, (5.8)
die sich im Fall von Phasenubergangen als Clapeyronâsche Gleichung wie-derfindet (ÎŽQ/dV |T ist die isotherme Ausdehnungswarme).
Nach Konstruktion ist F konvex in den extensiven Variablen V und nund konkav in der intensiven Variable T . Es gilt ein Minimumsprinip in Vund n,
dF †0, (F kann bei fixen T, V nur abnehmen)ΎF |T,V,n = 0, (Gleichgewicht)
ÎŽ2F |T,V,n > 0. (Stabilitat) (5.9)
Die erste Gleichung folgt aus (4.50),
TdS â„ dU + pdV â âpdV â„ dU â TdS|T,V
dF = d(U â TS)|T,V = dU â TdS â 0 â„ dF.
5.3 Enthalpie H
Die Enthalpie wird mit H(S, p, n) bezeichnet. Ausgehend von U(S, V, n)ersetzen wir V durch âV U |S,n = âp,
H(S, p, n) = [U + pV ](S, p, n). (5.10)
44 KAPITEL 5. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
H ist konkav in p und konvex in S und n; H ist im Gleichgewichtszustandminimal bezuglich Hemmungen in S und n. Das Differential hat die Form
dH = TdS + V dp + ”dn,
âH
âS
âŁâŁâŁp,V
= T,âH
âp
âŁâŁâŁS,n
= V,âH
ân
âŁâŁâŁS,p
= ”. (5.11)
5.4 Gibbs Potential G
Das Gibbs Potential wird mit G(T, p, n) (freie Enthalpie) bezeichnet. Aus-gehend von U(S, V, n) ersetzen wir S durch âSU |V,n = T und V durchâV U |S,n = âp,
G(T, p, n) = [U â TS + pV ](T, p, n) = [H â TS](T, p, n) (5.12)= [F + pV ](T, p, n).
G ist konkav in T und p und proportional zu n; das Maximumsprinzipfur G ist fur das Einkomponentensystem trivial, vgl. (5.19) und (7.6). DasDifferential hat die Form
dG = âSdT + V dp + ”dn,
âG
âT
âŁâŁâŁp,n
= âS,âG
âp
âŁâŁâŁT,n
= V,âG
ân
âŁâŁâŁT,p
= ”. (5.13)
5.5 Grosses Potential Ω
Die Bezeichnung fur das grosse Potential ist Ω(T, V, ”). Ausgehend vonU(S, V, n) ersetzen wir S durch âU
âS
âŁâŁâŁV,n
= T und n durch âUân
âŁâŁâŁS,V
= ”,
Ω(T, V, ”) = [U â TS â ”n](T, V, n). (5.14)
Ω ist konkav in T und ” und proportional zu V (siehe spater). Das Diffe-rential hat die Form
dΩ = âSdT â pdV â nd”,
âΩâT
âŁâŁâŁV,”
= âS,âΩâV
âŁâŁâŁT,”
= âp,âΩâ”
âŁâŁâŁT,V
= ân. (5.15)
5.6. MAXWELL-RELATIONEN 45
5.6 Maxwell-Relationen
Sei X ein Potential in den Variablen y1, . . . , yn. Die Integrabilitatsbedingun-gen
â2X
âyiâyk=
â2X
âykâyi(5.16)
liefern die Maxwell-Relationen. Die Beziehungen (4.33) bis (4.40) sind Kon-sequenzen der Maxwell-Relation
â2S
âUâV=
â2S
âV âU.
5.7 Homogenitat und Gibbs-Duhem-Gleichung
Eine Funktion f(x1, . . . , xn) heisst homogen der Ordnung k, falls
f(λx1, . . . , λxn) = λkf(x1, . . . , xn). (5.17)
Sei k = 1, dann ist f homogen erster Ordnung. Dann gilt das EulerscheTheorem (Beweis durch Ableitung von (5.17) nach λ),
f(x1, . . . , xn) =nâ
i=1
xiâf
âxi
âŁâŁâŁxj 6=xi
(5.18)
Die Funktion U(S, V, n) ist homogen erster Ordnung. Es folgt, dass
U = TS â pV + ”n,
F = âpV + ”n,
H = TS + ”n, (5.19)G = ”n,
Ω = âpV.
Das totale Differential der ersten Gleichung aus (5.19) liefert
dU = TdS + SdT â pdV + V dp + ”dn + nd”
Nutzt man die Abhangigkeit der Variablen und wahlt die extensiven GrossenS, V , und n, so ist gemass (4.55)
dU = TdS â pdV + ”dn. (5.20)
Die Subtraktion der beiden Gleichungen ergibt die Beziehung von Gibbs-Duhem,
0 = SdT â V dp + nd”; (5.21)
46 KAPITEL 5. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
dies bedeutet, dass die intensiven Variablen nicht unabhangig sind. Tatsachlichist die Funktion p(S, V, nk) homogen nullter Ordnung. Es gilt demnach, dass
p(S, V, n1, . . . , nr) = p(λS, λV, λn1, . . . , λnr). (5.22)
Mit λ = 1/(n1 + n2 + . . . + nr) = 1/n, n = totale Stoffmenge in Mol, findenwir mit
xi =ni
n,
râ1
xi = 1
das Ergebnis
p = p(S/n, V/n, x1, . . . , xr)= p(S/n, V/n, x1, . . . , xrâ1, 1â x1 â x2 â . . .â xrâ1). (5.23)
Es folgt, dass die extensiven Variablen eines r-komponentigen Systems imGleichgewicht durch 2 + r extensive Variablen festgelegt sind, wahrend be-reits 1 + r intensive Variablen die anderen intensiven Variablen bestimmen(intensive Variablen sind von der Systemgrosse unabhangig). Entsprechendzeigt (5.21), dass die intensiven Variablen eines Systems nicht unabhangigsind.
Eine alternative Herleitung von (5.21) erhalt man durch wiederholteLegendre Transformation,
U â TS = F
F + pV = G
Gâ ”n = 0â 0 = SdT â V dp + nd”
mit T, p, ” als Variablen.
5.8 Zusammenfassung
Es gibt eine Vielzahl von graphischen Hilfsmitteln, um die Resultate diesesKapitels zu memorisieren. Die Abb. 5.3 zeigt ein hubsches Beispiel.
Die zum Potential benachbarten Variablen sind die naturlichen, zumPotential gehorenden Variablen. Konjugierte Variablen liegen einander ge-genuber.
Differentiale:
Die Differentiale ergeben sich aus der Summe der Produkte der konjugiertenVariablen, wobei ein zusatzliches Vorzeichen auftritt, wenn der Pfeil in derDiagonal zum Differential hin zeigt.
5.8. ZUSAMMENFASSUNG 47
G
S V
Tâp
H F
U
Abb. 5.3: Schema zur Memorisie-rung der Zusammenhange zwischenPotentialen und Variablen.
Beispiele: Fur H(S, p) zeigt der Pfeil zum Differential (âdp) hin undweg von dS, also ist in V (âdp) ein zusatzliches Vorzeichen zu berucksichti-gen,
dH = TdS â V (âdp)
In U(S, V ) zeigen beide Pfeile weg von den Differentialen dS und dV , alsoist
dU = TdS + (âp)dV.
In F (V, T ) zeigt der Pfeil zum Differential dT ,
dF = âSdT + (âp)dV,
und in G(p, T ) zeigen beide Pfeile auf die Differentale,
dG = âSdT â (âdp)V.
Legendre Transformation:
Ausgehend von einem Potential findet man das Nachbarpotential durch Ad-dition des Produktes der konjugierten Variablen, wobei ein zusatzliches Vor-zeichen auftritt wenn der Pfeil zur neuen Variablen hinzeigt.
Beispiel F (V, T ) aus U(S, V ). Die neue Variable ist T . Der Pfeil zeigtauf T also tritt ein Vorzeichen zusatzlich auf,
F = U â ST.
Beispiel F (V, T ) aus G(p, T ). Die neue Variable ist V . Der Pfeil zeigt wegvon V also tritt kein Vorzeichen zusatzlich auf,
F = G + (âp)V.
48 KAPITEL 5. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
Maxwell Relationen:
Betrachte zwei aufeinanderfolgende Trippel von Ecken, vgl. Abb. 5.4. Dielinke Seite der MR wird durch das eine, die rechte Seite durch das andereTrippel definiert. Vorzeichen treten auf bei Linksschrauben und Bewegungenentgegen der Pfeilrichtung, vgl. Beispiele.
S
Start âpT
Start V
T
V
Abb. 5.4: Trippel zur Maxwellrelation ââV S|T = âT (âp)|V .
â âS
âV
âŁâŁâŁT
= +â(âp)
âT
âŁâŁâŁV
âp
V StartSStart
Tâp T
Abb. 5.5: Trippel zur Maxwellrelation ââ(âp)S|T = ââT (V )|p.
â âS
â(âp)
âŁâŁâŁT
= ââV
âT
âŁâŁâŁp
5.9 Experimentelle Bestimmung der Potentiale
Es sei die thermische, p = p(V, T ), und die kalorische, U = U(V, T ), Zu-standsgleichung eines Systems bekannt. Mit V und T als Variablen ist F ein
5.9. EXPERIMENTELLE BESTIMMUNG DER POTENTIALE 49
gutes Potential. Wir finden die Entropie S(T, V ) aus
TdS = dU + pdV
TdS = TâS
âT
âŁâŁâŁV
dT + TâS
âV
âŁâŁâŁTdV =
âU
âT
âŁâŁâŁV
dT +(p +
âU
âV
âŁâŁâŁT
)dV
â âS
âT
âŁâŁâŁV
=1T
âU
âT
âŁâŁâŁV
=cv(V, T )
T, (5.24)
â âS
âV
âŁâŁâŁT
=1T
(âU
âV
âŁâŁâŁT
+ p),
(5.25)oder via Maxwell-Beziehung
=âp
âT
âŁâŁâŁV
.
Damit wird S(V, T ) via Integration aus cv und âT p|V oder âV U |T berechnet.Damit ist F (V, T ) durch U(V, T ) und p(V, T ) bis auf einen Term TS0 (S0 eineIntegrationskonstante) bestimmt. Die Integrationskonstante S0 wird durchden 3. Hauptsatz festgelegt.
50 KAPITEL 5. THERMODYNAMISCHE POTENTIALE
Kapitel 6
Dritter Hauptsatz derThermodynamik
Der dritte Hauptsatz fuhrt keine neue Zustandsgrossen ein, macht aber dieZustandsgrossen S, F , G, . . . nummerisch bestimmt und damit praktischbrauchbar. Die Plancksche Formulierung des Nernstschen Warmetheorems(=3. Hauptsatz) besagt, dass sich die Entropie beim absoluten Nullpunkteinem vom Druck, Aggregatszustand, usw. unabhangigen Wert S0 nahert;ohne Beschrankung der Allgemeinheit kann S0 = 0 gewahlt werden. Damitwird es moglich, Entropien verschiedener Phasen (verschiedener Zustands-flachen) und Systeme zu vergleichen. Der 3. HS wird im Rahmen der Quan-tenstatistik einfach verstandlich (bei T = 0 ist (fast) jedes System im quan-tenmechanische Grundzustand). Der 3. Hauptsatz hat einige interessanteKonsequenzen.
6.1 Ausdehnungs- und Spannungskoeffizienten
Die Maxwell-Relation fur G besagt, dass
α =1V
âV
âT
âŁâŁâŁT
= â 1V
âS
âp
âŁâŁâŁTâ 0 fur T â 0 (6.1)
(S wird druckunabhangig fur T â 0), diejenige fur F fuhrt auf
ÎČ =1p
âp
âT
âŁâŁâŁV
=1p
âS
âV
âŁâŁâŁTâ 0 fur T â 0. (6.2)
51
52 KAPITEL 6. DRITTER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
6.2 Spezifische Warmen
Die spezifischen Warmen
cv = Tâs
âT
âŁâŁâŁV
, cp = Tâs
âT
âŁâŁâŁp
(6.3)
verschwinden fur T â 0, denn
s(v, T ) =â« T
0dT âČ cv(v, T âČ)
T âČ + sv(v), (6.4)
s(p, T ) =â« T
0dT âČ cp(p, T âČ)
T âČ + sp(p), (6.5)
und sv(v) = sv0, sp(p) = sp0, da s(T â 0) unabhangig von v und p wird(oBdA sv0 = 0, sp0 = 0). Damit die Integrale fur T â 0 nicht divergieren,mussen cp, cv(T â 0) â 0. Fur elastische Korper ist cv â T 3, fur einElektronengas cv â T .
6.3 Ideales Gas
Mit s = s0 + cv lnT/T0 + (R/”) ln(V/V0) widerspricht das ideale Gas dem3. Hauptsatz. Die Auflosung des Problems ergibt sic aus der Quantensta-tistik: Bei tiefen Temperaturen versagt die Approximation des idealen Ga-ses. Quanteneffekte sind relevant und die Statistik der Teilchen, Fermio-nen oder Bosonen, muss einbezogen werden. Das Verhalten der Quanten-gase weicht dramatisch vom idealen Gas ab: Fermionen gehen in einenentarteten Zustand uber (gefullter Fermisee), beim Bose Gas tritt Bose-Einstein-Kondensation in einen makroskopisch besetzten Zustand auf. Inbeiden Fallen wird der 3. Hauptsatz befolgt.
6.4 Unerreichbarkeit des absoluten Nullpunktes
Mit (6.1), (6.5) erhalten wir
V α = ââS
âp
âŁâŁâŁT
= â â
âp
â« T
0dT âČ cp(p, T âČ)
T âČ = ââ« T
0
âcp
âp
âŁâŁâŁT âČ
dT âČ
T âČ .
Fur cp schreiben wir cp = a(p)T x + . . .,
V α = ââ« T
0dT
âa
âpT xâ1 = âT x âpa
xâ cp
6.5. GLASER 53
â V α
cpâ const. 6= 0 fur T â 0. (6.6)
Mit (4.37) in der Form
TdS = cp dT â TV α dp
finden wir, dass die adiabatische Expansion mit Druckabfall dp fur T â 0immer kleinere Temperaturschritte dT < 0 erzeugt,
dT =(V α
cp
)Tdp. (6.7)
S = 0 H = 0
A
0 TT1T2
X
H
Abb. 6.1: Adiabatische Entmagnetisierung: Die obere Kurve beschreibt dieAbnahme der Entropie mit fallender Temparatur wenn der Spin durch dasMagnetfeld H nicht ausgerichtet wird. Ein endliches H Feld richtet die Spinsaus (also wird die Entropie reduziert), weshalb die Entropiekurve fur H > 0unterhalb derer bei H = 0 zu liegen kommt. Die gestrichelte Kurve S(H =0) = X widerspricht dem 3. HS.
Auch andere Abkuhlmethoden erlauben es nicht den absoluten Null-punkt zu erreichen. Im Prozess der adiabatische Entmagnetisierung bringtuns die Adiabate A (mit S = const.) beim Abschalten des Feldes von T1
nach T2 < T1, aber nicht nach 0, vgl. Abb. 6.1. Ware S(H = 0) = X, sowurden wir T = 0 erreichen, aber die Abhangigkeit X widerspricht dem 3.Hauptsatz.
6.5 Glaser
Ein typischer Glasformer ist SiOx (Siliziumoxyd). Das Material kann furT â 0 in kristlliner Form auftreten (Quarz), es kann aber bei raschem
54 KAPITEL 6. DRITTER HAUPTSATZ DER THERMODYNAMIK
Abkuhlen in einer nichtkristallinen ungeordneten Form gefangen werden;man spricht von einem Glaszustand, mit Atomen eingefroren in fixen Posi-tionen die aber keine Ordnung zeigen. Die Unordnung im System schlagt sichin der Verletzung des 3. Hauptsatz nieder â die Entropie geht nicht auf Null(die Entropie verschwindet fur eine spezifische Kategorie von Freiheitsgra-den, die sich im Gleichgewicht befinden (Schwingungsfreiheitsgrade)). DieTheorie der Glaser ist (relativ) neu, schwierig, und nicht vollstandig ent-wickelt. Eine der grundlegenden Ideen ist, dass fur T â 0 unendlich vielegleichwertige ungeordnete Zustande existieren, welche durch unendlich ho-he Barrieren voneinander getrennt sind â das System wird in einem die-ser Zustande gefangen. Verschiedene Typen von Glasern werden diskutiert,z.B., Spin-Glaser, Orientierungsglaser, Eichglaser, Vortex-Glaser, und Fens-terglaser (wahrscheinlich metastabil). Am weitesten entwickelt ist die Theo-rie der Spin-Glaser, wo eine exakte Losung des Problems mit langreichwei-tiger Wechselwirkung zwischen den Spins existiert (Sherrington-KirkpatrickModell, Molekularfeld Theorie, Losung von Parisi/Talagrand, gebrocheneReplica Symmetrie). Echte Spin-glaser mit kurzreichweitiger Wechselwir-kung (Edwards-Anderson Modell) scheinen sich wesentlich von dieser Losungzu unterscheiden.
Kapitel 7
Phasenubergange undPhasengleichgewichte
Betrachte als einfachstes System ein einkomponentiges Gas. Im Idealfallnicht-wechselwirkender Atome (ideales Gas) mussen wir erwarten, dass ein-zig die Gasphase auftritt. Existiert aber eine Wechselwirkung zwischen denAtomen, so konnen wir ein interessantes Phasendiagramm erwarten. Be-trachte zum Beispiel das Potential wie in der Figur mit kurzreichweitiger
r
V0â
V
r0
Abb. 7.1: Skizze des Vander Waals-Potentials zwischenneutralen Atomen, attraktivbezw. repulsiv bei grossen be-zw. kleinen Distanzen.
Repulsion und langreichweitiger Attraktion (z.B., das Van der Waals Poten-tial zwischen neutralen Atomen, V â ârâ6,ârâ7 bei mittleren und grossenDistanzen, Coulomb/Pauli-Repulsion bei kurzen Distanzen). Das Potential-minimum bei r0 fuhrt neue Energie- und Langenskalen ins System ein. FurT < V0 konnen die Atome dieses Energieminimum nutzen und eine neuePhase mit hoher Dichte Ï0 ⌠râ3
0 bilden, die in Konkurrenz mit der Gas-phase Ïg râ3
0 steht. Die neue Hochdichtephase kann eine Flussigkeit (keineOrientierung, keine Fernordnung, kein Schermodul, diffusive Dynamik derTeilchen) oder einen Festkorper bilden (langreichweitige Orientierungs- undPositionsordnung, endlicher Schermodul, harmonische Dynamik der Teilchen(Debye-Waller Faktor)). Tatsachlich sind zumeist alle diese Phasen bei pas-
55
56KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
senden Umstanden realisiert. In der Theorie der Phasenubergange wird stu-diert, welche thermodynamischen Phasen in einem System auftreten konnen,wie und wann sie ineinander transformieren, und welche Eigenschaften siecharakterisieren. Das Thema ist auch heute aktuell und wird ublicherweisein zwei grossen Blocken behandelt, einmal hier in der Thermodynamik undspater noch einmal in der statistischen Mechanik Vorlesung.
7.1 Gibbssche Phasenregel und Phasendiagramme
Wir wollen zuerst untersuchen, welche Strukturen ein Phasendiagramm aus-zeichnen. Experimentell werden zumeist die intensiven Parameter T , p unddie Stoffmengen ni vorgegeben; deren Verteilung n
(α)i auf die Μ Phasen (vgl.
Abschnitt 4.5) wollen wir hier untersuchen. Die relevanten Gleichgewichtspa-rameter sind die chemischen Potentiale
”(α)i
(p, T, x
(α)1 , . . . , x
(α)râ1
)(7.1)
der r Komponenten; x(α)i = n
(α)i /n(α),
âri=1 x
(α)i = 1, sind die relativen
Molzahlen der i-ten Komponente in der α-Phase. Im Gleichgewicht gilt, dassdie chemischen Potentiale gleich sind und wir erhalten r(Îœâ 1) Gleichungen
”(α)i
(p, T, x
(α)1 , . . . , x
(α)râ1
)= ”
(ÎČ)i
(p, T, x
(ÎČ)1 , . . . , x
(ÎČ)râ1
)(7.2)
fur die 2 + Îœr â Îœ = 2 + Îœ(r â 1) intensiven Variablen (2 aus p, T , Îœr aus r
Komponenten in Îœ Phasen, Îœ Gleichungenâ
i x(α)i = 1). Dabei verbleiben
uns f = 2 + Îœ(r â 1)â r(Îœ â 1) Freiheitsgrade im System,
Gibbssche Phasenregel f = 2 + r â Îœ. (7.3)
Zum Beispiel gilt fur ein r = 1-Komponentensystem, dass eine reine Phase(Îœ = 1) bei âallenâ Werten von p und T realisiert werden kann. Bei zweikoexistierenden Phasen (Îœ = 2) bleibt nur ein Freiheitsgrad ubrig, d.h., derPhasenubergang mit zwei simultan existierenden Phasen definiert eine Linieim p, T -Diagramm,
”(α)(p, T ) = ”(ÎČ)(p, T )â pαÎČ(T ). (7.4)
Schliesslich konnen drei Phasen α, ÎČ, Îł in einem Punkt des p, T -Phasendia-gramms koexistieren,
”(α)(p, T ) = ”(ÎČ)(p, T )â pαÎČ(T ),
”(ÎČ)(p, T ) = ”(Îł)(p, T )â pÎČÎł(T ),
”(Îł)(p, T ) = ”(α)(p, T )â pγα(T ), (7.5)
Diese drei Linien schneiden sich in einem Punkt, dem Tripelpunkt pαÎČÎł , TαÎČÎł .
7.2. GIBBS FLACHEN UND 1-TE ORDNUNG UBERGANG 57
Die Koexistenz von vier Phasen kann in einem Einkomponentensystemnicht auftreten. Ein typisches Phasendiagramm hat dann die Form wie inAbb. 7.2 skizziert. Den kritischen Endpunkt der α-ÎČ-Phasenlinie konnen wirverstehen, wenn wir die Phasenbedingung (7.4) genauer betrachten.
Trippelpunkt
α ÎłÎČ
T
kritischer PunktpAbb. 7.2: Typisches Pha-sendiagramm mit mehrerenPhasen und Phasenlini-en/Ubergangen.
7.2 Gibbssche Flachen und erste Ordnung Pha-senubergang
Jede Phase α definiert eine Flache ”(α)(p, T ) (Gibbssche Flache), vgl. Abb.7.3.
α
ÎČ
p ( )T
T
”
p
αÎČ
Abb. 7.3: Gibbssche Flachen fur zwei Phasen α und ÎČ. Die Phase mini-maler Energie wird realisiert. Auf der Schnittlinie wandelt sich eine Phasein die andere um. Die plotzliche Anderung der Steigung der Flache impli-ziert Sprunge in den konjugierten Variabeln Volumen V und Entropie S.Die Sprunge werden durch die Clapeyronsche Gleichung verknupft.
58KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
Im Gleichgewicht ist
G(p, T ) = n(α)”(α)(p, T ) + n(ÎČ)”(ÎČ)(p, T ) (7.6)
minimal, d.h. fur p > pαÎČ ist n(α) = 0 und fur p < pαÎČ ist n(ÎČ) = 0. Imallgemeinen schneiden sich die Gibbsschen Flachen unter einem endlichenWinkel und beide extensiven Variablen V (konjugiert zu p) und S (konjugiertzu T ) springen am Phasenubergang,
âv(T ) = v(α)(pαÎČ(T ), T
)â v(ÎČ)
(pαÎČ(T ), T
)=
â”(α)
âp
âŁâŁâŁTâ â”(ÎČ)
âp
âŁâŁâŁT6= 0, (7.7)
âs(T ) = s(α)(pαÎČ(T ), T
)â s(ÎČ)
(pαÎČ(T ), T
)= ââ”(α)
âT
âŁâŁâŁpαÎČ
+â”(ÎČ)
âT
âŁâŁâŁpαÎČ
6= 0.
Diese Sprunge sind wiederum thermodynamisch (geometrisch, vgl. Abb. 7.3)verknupft: Mit (7.4) und (7.7) sowie d” = âsdT + vdp gilt die Gleichungvon Clausius-Clapeyron (vgl. (5.8))
â s(α)dT + v(α)dp = âs(ÎČ)dT + v(ÎČ)dp
âdpαÎČ
dT=
âs(T )âv(T )
. (7.8)
Ein Phasenubergang mit Sprungen in den ersten Ableitungen des Gibbs-Potentials (Sprungen in den intensiven Variablen) heisst Phasenubergangerster Ordnung. Man spricht von einem Phasenubergang n-ter Ordnung,wenn Sprunge erstmalig in den n-ten Ableitungen des Potentials auftreten1.Einen Phasenubergang zweiter Ordnung erhalten wir, wenn die Schnittlinieder Gibbsâschen Flachen terminiert, vgl. Abb. 7.4.
7.2.1 Kritischer Punkt, 2-te Ordnung Ubergang
Der Punkt C heisst kritischer Punkt ; die Phasenlinie erster Ordnung pαÎČ
endet in einem Phasenubergang zweiter Ordnung.
Am Phasenubergang transformiert sich bei konstantem p und T eineniedrig-entropische2, kleinvolumige3 Phase in eine hoch-entropische, grossvo-lumige Phase. Wahrend des Umwandlungsprozesses muss die latente Warme
âh = â” + TâS + sâT = Tâs = ` (7.9)1Heute unterscheidet man allerdings zumeist nur zwischen Phasenubergangen erster
und zweiter Ordnung.2Wir betrachten T zunehmend.3bei Wasser-Eis grossvolumige, siehe spater
7.2. GIBBS FLACHEN UND 1-TE ORDNUNG UBERGANG 59
2.
C
1.α
ÎČ
p ( )T
T
”
p
αÎČ
Abb. 7.4: Gibbssche Flachen fur das Auftreten eines Phasenubergang zwei-ter Ordnung. Die Linie des erste-Ordnung Phasenuberganges terminiert ineinem kritischen Punkt C, einem Phasenubergang zweiter Ordnung.
zugefuhrt werden. Diese latente Warme andert gemass TdS = dU + pdVsowohl die innere Energie als auch das Volumen des Systems (TdS geht nichtallein in dU ein, da sich das System ausdehnt und damit Arbeit leistet).
7.2.2 Clausius-Clapeyron
Die CC (Clausius-Clapeyron)-Gleichung lautet dann
Tdp
dT=
`
âv; (7.10)
eine Messung von ` und âv bei festem p und T fur verschiedene p erlaubtuns, die Ubergangslinie pαÎČ durch eine triviale Integration zu finden.
Statt des p, T -Diagramms konnen wir auch die T, v- und p, v Diagram-me studieren; entsprechend unserer Diskussion erwarten wir einen Sprungin v am Phasenubergang, vgl. Abb. 7.5.
Die drei Diagramme sind nichts weiter als die Projektionen der p, v, T -Zustandsflache des Einkomponenten-Systems mit zwei erlaubten Phasen;ein typisches Beispiel zeigt die Abb. 7.6. Die Regelflache K beschreibt dieKoexistenz der beiden Phasen α und ÎČ; ihre Projektion in die p, T -Ebenedefiniert die Phasenlinie pαÎČ(T ). Oberhalb des kritischen Punktes C sinddie Phasen α und ÎČ nicht mehr voneinander unterscheidbar.
Zur Projektion v, T gehort das Potential f(v, T ) und das Potential inden âextensivenâ Variablen u und v ist die Entropieflache s(u, v). Wie sehendiese Potentiale beim Phasenubergang aus?
60KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
T
pαÎČ
( )T
α ÎČ
p
( )v v( )
T
v
p
αÎČ
p
vv v( ) ( )ÎČα
Abb. 7.5: Sprung in v bei einem erste-Ordnung Phasenubergang, dargestelltim p-v-Diagramm (links) und im T -v-Diagramm (rechts).
p
ÎČ
T
v
α
K
Abb. 7.6: Typische p â v âT -Zustandsflachefur ein zwei-Phasen System. Die Phasen αund ÎČ koexistieren auf der Re-gelflache K.
7.2.3 Freie Energien
Wir betrachten zuerst f(v, T ). Die Phasen α und ÎČ definieren die freienEnergien f (α) und f (ÎČ). Die Isotherme f(v, T = const.) muss die Form inAbb. 7.7 haben.
= const.( )
ÎČâ
( )
f
v ( )α v ÎČ
α âA
t
B
αf
f ( )ÎČ
v
TAbb. 7.7: Form der Isother-men f(v, T ) = const.
Dass die Tangenten t(α) = t(ÎČ) = t in v(α) und in v(ÎČ) gerade eindeutig
7.2. GIBBS FLACHEN UND 1-TE ORDNUNG UBERGANG 61
die Punkte A und B verbinden, folgt aus der Beziehung
p = ââf
âv
âŁâŁâŁT
(7.11)
und der Gleichgewichtsbedingung
pαÎČ(T ) = p(α)(T, v(α)
)= p(ÎČ)
(T, v(ÎČ)
). (7.12)
Die Maxwell-Konstruktion fur die gemeinsame Tangente gibt dann
f (α)(T, v(α)
)â f (ÎČ)
(T, v(ÎČ)
)v(α) â v(ÎČ)
= âpαÎČ (7.13)
â ”(α) = (f + pv)(α) = (f + pv)(ÎČ) = ”(ÎČ).
Auf der Tangente t erhalten wir fur die freie Energie den Ausdruck
f (t)(T, v) = f (α)(T, v(α)(t)
) v(ÎČ)(T )â v
v(ÎČ)(T )â v(α)(T )(7.14)
+f (ÎČ)(T, v(ÎČ)(T )
) v â v(α)(T )v(ÎČ)(T )â v(α)(T )
,
der das zwei-Phasengemisch α, ÎČ beschreibt. Die Aste αâČ und ÎČâČ beschreibenmetastabile Zustande der Phasen α und ÎČ, vgl. 7.8 (sie gehoren zu denhoheren Gibbsschen Flachen in Abb. 7.3). Im gas-flussig System sind diesunterkuhlte Gase und uberhitzte Flussigkeiten.
= const.
( )
f
v ( )α v ÎČ
A
B
v
α
ÎČ& ÎČα ÎČâ
B
αâ Aâ
â
instabil
T
Abb. 7.8: Lage der meta-stabilen Zustande αâČ und ÎČâČ
und des instabilen Bereiches(inst.) mit negativer Kom-pressibilitat.
In AâČ und BâČ andert die Krummung
â2f
âv2
âŁâŁâŁT
= ââp
âv
âŁâŁâŁT
= â 1ÎșT v
, (7.15)
Die Kompressibilitat wird negativ und die metastabilen Phasen werden in-stabil. Die Punkt AâČ und BâČ definieren die sogenannten Spinodalen im p, v-Diagramm, vgl. Abb. 7.9.
62KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
metastabile
Spinodale v
p T
T
αÎČ
C
ÎČα +
αâ ÎČâ
âPhaseÎČ Abb. 7.9: Lage der Spinoda-len im p-v-Diagramm; sie be-grenzen den Bereich der (me-ta)stabilen Phasen.
Auf der Tangente t ist
â2f
âv2
âŁâŁâŁT
= 0 â ÎșT =â;
das Gemisch ist unendlich kompressibel, indem wir die dunne Phase un-ter virtuellen Druck (d.h., bei p â const.) in die dichte Phase uberfuhren(hineindrucken) konnen.
7.2.4 Entropieflachen
Das Entropiepotential s(u, v) ist schliesslich eine Funktion rein extensiverVariablen, die am Phasenubergang erster Ordnung alle springen. Die kon-kave Funktion s(u, v) setzt sich demnach aus Extremalpunkten (fur reinePhasen) und Simplizes (fur Phasengemische) zusammen. Die Zweiphasen-gemische α, ÎČ definieren eine Regelflache, die sich aus Geradenstucken α-ÎČergibt. Ein Dreiphasengemisch α, ÎČ, Îł definiert einen Dreiecks-Simplex α-ÎČ-Îłin der Entropieflache, vgl. Abb. 7.10.
Diese Simplices transformieren unter der Legendretransformation
sâ uâ f â ”
(beim Ubergang u â f via S â T und bei f â ” via V â p) in diePhasenlinien pαÎČ , pÎČÎł , pγα und den Tripelpunkt pαÎČÎł , TαÎČÎł , vgl. Abb. 7.11.Beachte, dass wir im Ubergang s â ” zwar Information uber den Zustandim Gebiet der Phasenumwandlung verlieren4, aber wir verlieren keine ther-modynamische Information.
4Das Mischverhaltnis α : ÎČ folgt aus der Position des betrachteten Punktes im Sim-plex; alle Punkte eines Simplex gehen auf einen Punkt pαÎČ(T ), T oder pαÎČÎł , TαÎČÎł ; dieInformation uber die Mischverhaltnisse geht beim Ubergang s â ” verloren.
7.3. VAN DER WAALS GAS 63
s
g
C
C
s
v
u T
T
f
sg
f
Abb. 7.10: Entropieflaches(u, v) mit Regelflachen α-ÎČund Dreiecks-Simplex α-ÎČ-Îł beikoexistierenden Phasen. Die in-tensiven Variablen ergeben sichaus âvs|u = p/T , âus|v = 1/T .
”
C
C
pfsg
T
T
s
g
f
T
Abb. 7.11: Gibbs Energie Flache”(p, T ), zweifach Legendretrans-formiert bezgl. s(u, v). Die Sim-plizes transformieren dabei in Li-nien entlang derer die Flache”(p, T ) abrut die Steigung andert(Knicke). Die extensiven Varia-blen ergeben sich aus den Ablei-tungen âT ”|p = âs, âp”|T = v;diese Ableitungen springen ent-lang der Phasengrenzen.
7.2.5 Fest-Flussig-Gas System
Schliesslich nehmen wir noch zusatzlich die feste Phase in Betracht undskizzieren die entprechenden drei-Phasen Diagramme, vgl. Abb. 7.12.
7.3 Van der Waals Gas
In seiner Dissertation uber âDie Kontinuitat des Gasformigen und FlussigenZustandesâ (Leiden, 1873) ist es van der Waals gelungen, eine Zustandsglei-chung fur reale Gase aufzustellen, die einen Gas-Flussig-Ubergang zu be-schreiben vermag5. Der Ansatz ist denn auch genial: Van der Waals beruck-sichtigt die starke kurzreichweitige Abstossung zwischen den Atomen, in-dem er dem Gas nur das reduzierte Volumen vb zur Verfugung stellt6. Dielangreichweitige Attraktion berucksichtigt er durch eine Verringerung desausseren Druckes um einen Term âa/v2. Die Idee ist, dass sich Teilchen imInnern gegenseitig anziehen. Dabei machen die Teilchen â n = Dichte amRande mit, die mit einer Kraft â n nach innen gezogen werden. Es ergibt
5Boltzmann nannte Van der Waals den Newton der realen Gase.6b ist das ausgeschlossene Volumen.
64KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
g gs
s s
ff
C
Tg
CC
v
pp T
v T
S
3âPhasen Koexistenz
g
f C
v
T
p
f
Abb. 7.12: Diagramme des drei-Phasen-, ein-Komponenten-Systems. s: solid(fest), f : flussig, g: gasformig, C: kritischer Punkt, T : Tripelpunkt. Auf denschraffierten (Regel-) Flachen im oberen Diagramm (und auf den entspre-chenden Linien/den entsprechenden Bereichen in den Projektionen) liegengemischte Phasen vor.
sich damit ein zusatzlicher Druck a/v2 iund wir mssen ersetzen pâ p+a/v2.Beachte, dass der Korrekturterm â 1/v2 â 1/r6 â attraktives Potential ist.Die van der Waals Zustandsgleichung lautet dann
(v â b)(p +
a
v2
)= RT (7.16)
mit den Parametern a, b. Das p, v-Diagramm zeigt Isothermen wie in Abb.7.13 skizziert.
7.3.1 Universelles Gasgesetz
Fur T > Tc ist p(v) monoton, unterhalb von Tc ergibt die kubische Gleichungbei fixem p < pc und T < Tc drei Losungen fur v. Die kritischen WerteTc, pc, vc folgen aus den Gleichungen
p = pVdW(v, T ) â RT
v â b= p +
a
v2,
âp
âv= 0 â RT
(v â b)2=
2a
v3,
â2p
âv2= 0 â RT
(v â b)3=
3a
v4, (7.17)
7.3. VAN DER WAALS GAS 65
v
T
Tc
pc
p
vc
Abb. 7.13: Isothermendes Van der Waals-Gases.Bei der kritischen Tempe-ratur Tc verschwinden dieMinima/Maxima der Kurve.
und wir finden
pc =127
a
b2, vc = 3b, Tc =
827
a
bR. (7.18)
Indem wir zu normierten Variablen Ï = p/pc, Îœ = v/vc und t = T/Tc
ubergehen, erhalten wir das Van der Waals Gesetz der korrespondierendenZustande7, (
Ï +3Îœ2
)(3Îœ â 1) = 8t (7.19)
Aus (7.18) erhalt manRTc
pcvc=
83. (7.20)
7.3.2 Maxwell-Konstruktion
Fur T < Tc weisen die Isothermen steigende Stucke mit âV |T > 0 auf, wasdie Stabilitatsbedingung ÎșT > 0 verletzt. Entsprechend ist die freie Energiemit âV f |T = âp nicht konvex in v, vgl. Abb. 7.8. Wir erwarten demnacheinen Phasenubergang im Gebiet T < Tc und entsprechend mussen wir dieVdW-Isothermen korrigieren. Dazu betrachten wir eine Isotherme T < Tc
und schneiden sie mit einer Isobaren p < pc, vgl. Abb. 7.14.
Wir suchen p so, dass ”A(p, T ) = ”B(p, T ) ist, mit einen Phasenuber-gang erster Ordnung Aâ B. Mit ” = uâTs+pv mussen wir die Gleichung
uB â uA â T (sB â sA) + p(vB â vA) = 0 (7.21)
erfullen. Wir brauchen die Ausdrucke fur u und s: Betrachte
ds =1T
(du + pdv) =1T
( âu
âT
âŁâŁâŁV
dT +âu
âv
âŁâŁâŁTdv)
+ pdv. (7.22)
7Wurde heute wohl das universelle Gasgesetz heissen.
66KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
c< T
vA
AB
vBv
p T Abb. 7.14: Zur Korrektur derVan der Waals-Isothermen:gesucht ist die thermodyna-misch korrekt definierte Isoba-re p < pc, so dass ”A(p, T ) =”B(p, T ).
Ausâ2s
âvâT=
â2s
âTâv
ergibt sich mit (7.16)
1T
â2u
âvâT=
â
âT
[ 1T
âu
âv+
R
v â bâ a
v2T
]=
â
âT
[(â 1
T 2
âu
âv+
1T
â2u
âTâv)
+ 0â a
v2T 2
]oder benutze direkt (4.33),
âvu|T = TâT p|v â pâ âu
âv
âŁâŁâŁT
=a
v2.
Die innere Energie u eines realen Gases ist abhangig vom Volumen v u, eineFolge der Attraktion zwischen den Atomen (potentielle Energie). Fur dieDifferenz uB â uA erhalten wir dann
uB â uA =â« B
Adu =
â« B
A
[ a
v2dv + cv(T )dT
]TA=TB= â a
vB+
a
vA. (7.23)
Fur die Entropie finden wir mit (7.22), (7.23) und (7.16)
ds =cv
TdT +
R
v â bdv
â s = s0 + cv lnT
T0+ R ln
v â b
v0 â b. (7.24)
Entsprechend finden wir
sB â sATA=TB= R ln
vB â b
vA â b(7.25)
7.3. VAN DER WAALS GAS 67
und die Bedingung (7.21) reduziert sich auf
0 = â a
vBâRT ln(vB â b) +
a
vA+ RT ln(vA â b) + p(vA â vB). (7.26)
oder
p(vA â vB) =a
vB+ RT ln(vB â b)â a
vAâRT ln(vA â b). (7.27)
Berechnen wir andererseits die Flacheâ« B
Adv p = RT
â« B
A
dv
v â bââ« B
A
dv
v2
= RT ln(v â b)âŁâŁâŁBA
+a
v
âŁâŁâŁBA
(7.28)
so finden wir Ubereinstimmung mit (7.27), so dassâ« B
Adv p = p(vB â vA), (7.29)
d.h. die Gleichgewichtsbedingung ”A = ”B reduziert sich auf die Gleichheitder schraffierten Flachen in Abb. 7.14; dies ist die Maxwell-Konstruktionzur Korrektur der VdW-Isothermen zu thermodynamisch konsistenten (sta-bilen) Isothermen. Man zeigt leicht, dass obige Konstruktion der Maxwell-Konstruktion fur die freie Energie (7.13) entspricht und ein konvexes Poten-tial erzeugt.
p
AB
v
T < Tc
â
Aâ
Bâ
âα
ÎČ
Abb. 7.15: Korrigierte Van derWaals-Isothermen zum 1-te Ord-nung Phasenubergang Gas (A)âFlussig (B). Die Punkte AâČ und BâČ
definieren die Spinodalen, die End-punkte der (meta)stabilen Phasen.Die Segmente αâČ und ÎČâČ beschrei-ben eine uberhitzte Flussigkeit (Sie-deverzug) und ein unterkuhltes Gas(Ubersattigung).
Zusammenfassend zeigt Abb. 7.15 die korrigierte Isotherme beim 1.teOrdnung Phasenubergang Gas (A)âFlussig (B). Die Punkte AâČ und BâČ de-finieren die Spinodalen, die Endpunkte der (meta)stabilen Phasen. Die Seg-mente αâČ und ÎČâČ beschreiben eine uberhitzte Flussigkeit (Siedeverzug) undein unterkuhltes Gas (Ubersattigung). Fuhren wir die Maxwellkonstrukti-on fur jeden Druck p < pc durch, so erhalten wir das Koexistenzgebiet furdie gas- und flussige Phase, vgl. dazu die Abb. 7.6, 7.9 und 7.16. An der
68KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
Nebelgrenze (vgl. Abb. 7.16) treten zum ersten Mal Flussigkeitstropfchenim Gas auf. An der Siedegrenze beobachtet man die ersten Dampfblasenin der Flussigkeit. Gehen wir entlang Îł um den kritischen Punkt herum,konnen wir stetig von der Gasphase in die flussige Phase ubergehen. Diesist auch der Hintergrund zum Titel der Van der Waalsschen Dissertation.Beachte, dass eine Verflussigung des Gases durch Druckerhohung fur T > Tc
unmoglich ist; Gas und Flussigkeit sind ober halb von Tc ununterscheidbarePhasen.
c
Siedegrenze
g
C
v v
p Îł
f
Nebelgrenze
c
pc
TK
Abb. 7.16: Nebel- und Siede-grenzen im p-v-Diagramm.
7.3.3 Eigenschaften realer Gase
Abschliessend betrachten wir noch einige physikalische Eigenschaften realerGase. So finden wir zum Beispiel, dass der Ausdehnungskoeffizient
α =1v
âv
âT
âŁâŁâŁp
=v â b
vT â 2aR
(vâbv
)2 (7.30)
(zumeist) grosser ist als der Wert αig = 1/T fur das ideale Gas,
뱉 1T
=2aRT
(vâbv
)2 â b
vT â 2aR
(vâbv
)2 zumeist > 0; (7.31)
nur Wasserstoff und die Edelgase machen eine Ausnahme (im Bereich ubli-cher Temperaturen).
Gasverflussigung
Weiter findet man, dass die gedrosselte Expansion realer Gase ublicherweisezu deren Abkuhlung fuhrt. Im Joule-Kelvin-Prozess ist die Enthalpie erhal-
7.3. VAN DER WAALS GAS 69
ten und wir finden mit8
âh = Tâs + vâp =âs
âT
âŁâŁâŁpâT +
âs
âp
âŁâŁâŁTâp + vâp
= cpâT â vαâp + vâp
= cpâT + v(1â Tα)âp (7.32)
fur den isoenthalpischen Prozess âh = 0 die Charakteristik
âT
âp=
vT
cp
(뱉 1
T
). (7.33)
Fur α > 1/T tritt demnach mit der Entspannung auch eine Abkuhlung ein.Darauf beruht die Gasverflussigung durch Expansion. Man beachte dabeidie Relevanz der Inversionskurve pI(T ) definiert durch
α(pI , T ) =1T
â pI(T ). (7.34)
Fur das Van der Waals Gas findet man (vgl. Abb. 7.17)
pI(T ) = pc(24â
3T/Tc â 12T/Tc â 27); (7.35)
Abkuhlung tritt bei Expansion nur dann auf, wenn p < pI(T ) ist. Die ma-ximale Inversionstemperatur ist fur Luft ⌠600 K, fur H2 aber nur ⌠202K. Tritt H2 aus einer Druckleitung aus, so besteht bei Zimmertemperaturhochste Explosionsgefahr, da sich der Wasserstoff via Erhitzung von selbstentzunden kann.
Inversionskurve
Ippc
3
9
AbkĂŒhlung
ErwÀrmung
TI Tc0
Abb. 7.17: Inversionskurvefur das Van der Waals Gas.
Gastemperatur
Auch interessant ist, wie man aus der real gemessenen Gastemperatur Ï(reales Gas) die absolute Temperatur T finden kann. Mit den gemessenenGrossen
cp =âq
âÏ
âŁâŁâŁp, α =
1v
âv
âÏ
âŁâŁâŁT
8Wir benutzen die Maxwell relation âps|T = ââT v|p = âvα.
70KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
findet man aus (7.33)9
T = T0 exp(â« Ï
Ï0
dÏvα
v + cpâÏ/âp
), (7.36)
wobei sich T0, Ï0 aus der Eichung
Ï = 0, T = T0,
Ï = 100, T = T0 + 100,
bestimmen lassen, mit Ï0 = 0,
ln(1 +
100T0
)=â« 100
0dÏ
vα
v + cpâÏ/âp. (7.37)
Die Charakteristika α, cp, âÏ/âp, v des Gases mussen dabei empirischbestimmt werden.
7.4 Das Eis-Wasser-Dampf System
Ein bekanntes Beispiel eines fest-flussig-gas Systems sind die Aggregats-zustande des Wassers. Allerdings ist das Eis-Wasser(-Dampf) System etwasatypisch. Wir betrachten zuerst die Phasenlinie Wasser-Wasserdampf undbenutzen die Clapeyronsche Gleichung
TâT p = `/âv;
wir approximieren
âv = vgas â vflussig â vgas =RT
p, ` â const.
und erhalten fur die Dampfdruckkurve das Resultat
pgf (T ) â p0eâ`gf /RT . (7.38)
Das Resultat stimmt recht gut mit experimentellen Daten uberein10. Es ist`gf â 603cal/g und man findet die in der Abb. 7.18 gezeigte Dampfdruck-kurve fur Wasser.
9Wir schreiben die Gleichung
cpâT
âÏ= vTαâ v
um zu
cpâÏ
âp= vT α
âÏ
âTâ v
und integrieren.10Dies ist nicht immer der Fall, insbesondere nicht fur He.
7.4. DAS EIS-WASSER-DAMPF SYSTEM 71
t
1
2
3
4
0 100 200
[atm]gf
Wasser
Dampf
[°C]
p
Abb. 7.18: Dampfdruckkurvevon Wasser.
Als Nachstes betrachten wir die Eis-Wasser Grenze. Hier aussert sichdie Besonderheit des Wassers: Ublicherweise ist der fest-flussig Ubergangmit einer Expansion (s fur solid, fest)
âvfs = vflussig â vfest > 0
verbunden, und damit ist
âpfs
âT=
`fs
Tâvfs> 0.
Im Eis-Wasser System sind die Verhaltnisse umgekehrt: Beim Ubergang indie feste Phase nimmt das (Eis)Volumen zu und âvfs â â0.091 cm3/g. Mit`fs â 80 cal/g findet man
âpfs
âTâ â138at/grad; (7.39)
wir finden eine steil ansteigende, ruckwarts geneigte (retrogradierte) Pha-senlinie pfs(T ), vgl. Abb. 7.19
Interessant ist die Umgebung des Tripelpunktes, vgl. Abb. 7.20: Esgilt
`sf + `fg + `gs = [80 + 603 + (â683)] cal/g = 0
undâvsf + âvfg + âvgs = 0. (7.40)
Etwas uberraschend verhalt sich die spezifische Warme cÏ des Wasser-dampfes entlang der Dampfdruckkurve Ï(p, T ) = ”f (p, T ) â ”g(p, T ) = 0:Sie ist negativ, cÏ(t = 100 oC) = â1.08 cal/gradg.11 Gesattigter Wasser-dampf gibt demnach Warme ab, wenn wir entlang der Dampfdruckkurve
11Zum besseren Verstandnis berechnen wir cÏ: Mit dem ersten Hauptsatz
ÎŽq
dT=
du
dT+ p
dv
dT
72KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
0
Eis
Wasser
p
g
fs
Dampf
T
p
T
vfs < 0â âvfs >
Abb. 7.19: Phasenlinien pfs fur normale Medien (links) und fur das Eis-Wasser System (rechts). Wasser ist dichter als Eis, Eis schwimmt an derWasseroberflache.
p
Sublimieren
[°C]0.01 t
Dampf
Wasser
Eis
TVerdampfen
0.01
0.0061
Schmelzen[atm]
Abb. 7.20: Tripelpunkt im Eis-Wasser-Dampf System.
erhalten wir
cÏ =ÎŽqÏ
dT=
dug
dT+ p
dvg
dT(Wasserdampf),
cf =ÎŽqfl
dT=
dufl
dT+ p
dvfl
dT(Wasser mit cfl = cp â cv).
cÏ â cfl =dâu
dT+
dâv
dT. (7.41)
Entlang der Dampfdruckkurve gilt mit ` = âh = âu + pâv:
d`
dT=
dâu
dT+ p
dâv
dT+
dp
dT
ËÏâv
mitdp
dT
ËÏ
=`
Tâv
cÏ = cfl +d`
dTâ `
T. (7.42)
Mit cfl â 1 cal/gradg, ` = 539 cal/g bei T = 373 K und d`/dT = â0.64 cal/gradg findet
7.5. NUKLEATION IN PHASENUBERGANGEN ERSTER ORDNUNG73
die Temperatur erhohen. Wird der Dampf adiabatisch entspannt, tritt er indie flussige Phasenregion ein und bildet Kondensationstropfchen (vgl. Abb.7.21, beachte den Nebel beim Offnen einer Mineralwasserflasche).
T
f
g
s
p
0
Abb. 7.21: Unter adiabatischerExpansion von Wasserdampf bil-den sich Tropfchen: der fallen-de Druck fuhrt auf eine Tempe-raturerniedrigung und es mussteWarme zugefuhrt werden um aufder Dampfkurve zu bleiben. Diefehlende Warme fuhrt zur Kon-densation von Nebel.
7.5 Nukleation in Phasenubergangen erster Ord-nung
Wir betrachten ein System am Phasenubergang, typischerweise ein flussig-gas System. Die beiden Phasen unterscheiden sich in ihrer Dichte 1/v = Ï,v = V/N = Volumen pro Teilchen. Aus (7.11) folgt fur die freie Energie dieForm in Abb. 7.22.
f
fl
T
v vgas v0
Abb. 7.22: Freie Energie bei fi-xer Temperatur T : Am Uberganggilt âvf = âpfg(T ).
Fur die Gibbs freie Energie ” = f + pv erhalten wir dann die Form inAbb. 7.23, mit den Variablen p und T und Ï als Hemmparameter, ” = ”(p, T ;Hemmparameter Ï). Aus
âf
âv= âpfg(T )
man sofort cÏ = â1.08 cal/gradg < 0.
74KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
fg
Phase
0 â1
p
Ï = vflĂŒssigÏâ1 â1ÏgasstabileGasphase
metastabile flĂŒssigePhase
”
PhasenĂŒbergang1. Ordnungbei p = pfg
stabileflĂŒssige
metastabileGasphase p > p
p = p
< p
HemmparameterfĂŒr ”
fg
fg( )T
Abb. 7.23: Chemisches Potential in Abhangigkeit des Hemmparameters Ïâ1.Bei fixer Temperatur T verandern wir den Druck p uber den Phasenuberganghinweg.
am Ubergang ergibt sich tatsachlich
â”
âÏ
âŁâŁâŁp
=â”
âv
âv
âÏ=
âv
âÏ
(âf
âv+ p)
= 0
bei p = pfg, d.h. die beiden Minima ”gas und ”fl sind gerade gleich wennp = pfg(T ) ist, also am Phasenubergang.
Wie sieht der Zeitablauf des Ubergangs aus? Wir starten in der Gas-phase bei unterkritischem Druck p < pfg(T ) und erhohen p. Wenn p & pfg
wird zwar das Minimum bei Ïfl gunstiger, aber das System ist durch eineBarriere bei Ïgas gefangen (ubersattigter Dampf). Das System geht dannvon Ïgas via eines Nukleationsprozesses in die neue stabile Phase uber. Un-sere Aufgabe ist es, den energetisch gunstigsten Weg (die kleinste Barrie-re) fur den Prozess zu finden. In einem isotropen homogenen System istder beste Prozess durch die Nukleation eines âTropfchens der neuen Pha-seâ gegeben (droplet model). Kondensiert bei p > pfg(T ) die GasmengeÎŽngas in einen Flussigkeitstropfen mit Radius r, so gewinnen wir die EnergieÎŽngas(”fl â ”gas) mit (L ist die Avogadrozahl)
ÎŽngas = ÎŽnfl = (4Ï/3L)r3Ïfl.
Andererseits mussen wir eine Gas-Flussigkeits Grenzflache bilden, welchepro Flachenelement da eine Energie Ïfg (= Oberflachenspannung) kostet(in der Grenzflache ist Ïgas < ÏGrenzfl < Ïfl und ”Grenzfl ist im Bereich desUbergangs grosser als ”gas â ”fl). Die Ausdehnung des Tropfens involviertalso nebst dem ublichen Volumenterm p dv zusatzlich einen OberflachentermÏ da; dann hatt die vom Tropfen geleistete Arbeit die Form
ÎŽW = pdv â Ïda. (7.43)
7.5. NUKLEATION IN PHASENUBERGANGEN ERSTER ORDNUNG75
Fur einen Tropfen mit Radius r bezahlen wir insgesamt die Gibbs-Energie
G(r) =4Ï
3Lr3Ïfl(”fl â ”gas) + 4Ïr2Ïfg (7.44)
mit der Avogadro-Zahl L, Ï = N/V , ” = Energie/Mol, Ï = Energie/Flache.
Fur verschiedene Kombinationen p, T hat G(r) die in Abb. 7.24 skiz-zierte Form mit einem Maximum in G(r) fur p > pfg.
fgp > p
rc
G
0 r
p < p fg
p = p fg
Abb. 7.24: Gibbs-Energie inAbhangigkeit der Tropfchen-grosse r. Der kubische Termâ r3 andert sein Vorzeichenbei p = pfg; entsprechend er-gibt sich fur p > pfg ein Maxi-mum in G(r).
Der Radius des kritischen Nukleus ergibt sich aus der Bedingung ÎŽG =0,12
ÎŽG = ÎŽ(nfl ”fl â ngas ”gas + 4Ïr2Ïfg)
= ÎŽnfl
(”fl â ”gas +
2Ïfg
r
L
Ïfl
)= 0 (7.45)
und wir erhalten den kritischen Radius (fur ”fl < ”gas)
rc =2ÏfgL
Ïfl
1”gas â ”fl
. (7.46)
Um den kritischen Radius als Funktion des Druckes p > pfg(T ) zu finden,leiten wir die Beziehung
”gas â ”fl =2ÏfgL
Ïfl rc
nach p ab und benutzen âp” = L/Ï = vmol; damit folgt
1Ïgasâ 1
Ïfl= 2Ïfg
(â 1
Ïfl r2c
ârc
âpâ 1
rc Ï2fl
âÏfl
âp
).
12Wir benutzen die Zusammenhange
ÎŽngas = ÎŽnfl, nfl =4Ï
3r3 Ïfl
Lâ ânfl
âr= 4Ïr2 Ïfl
L.
76KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
Mit
vfl vgas =kBT
p,
âÏfl
âpâ 0
erhalten wir die Differentialgleichung
ârc
âp= âkBTÏfl
2Ï
r2c
p,
â1rc
=kBTÏfl
2Ïâ ln p,
p = p0 exp(2Ï vfl
kB
). (7.47)
Aus der Randbedingung p(r =â) = pfg folgt das Schlussresultat (vgl. Abb.7.25)
p = pfg exp(2Ï vfl
kBT
1rc
),
rc(p, T ) =2Ï vfl
kBT ln(p/pfg). (7.48)
( ) p
rc
pfg
T
Abb. 7.25: Kritische Tropf-chengrosse als Funktion desUmgebungsdruckes p.
Um beim Druck p > pfg den Phasenubergang zu triggern, muss einethermische Fluktuation einen Nukleus (ein Tropfchen) mit Radius r > rc
erzeugen â gemass 7.24 ist ârG|r>rc < 0 und der Tropfen wachst (r ââ),bis alles Gas kondensiert ist. Bei gegebenem p, T wird diese Fluktuation miteiner Rate
Î â Ïmikro eâG(rc)/kBT (7.49)
auftreten. Die mikroskopische Versuchsrate Ïmikro ist schwierig abzuschatzen;eine grobe Abschatzung ist Ï âŒ 1/Kollisionszeit.
7.5. NUKLEATION IN PHASENUBERGANGEN ERSTER ORDNUNG77
Die obige Diskussion kann auf viele Systeme verallgemeinert werden,z.B. der Bewegung einer elastischen Membran im periodischen oder im un-geordneten Potential (siehe Ubungen). Ebenso kann bei einem T = 0 Quan-tenphasenubergang obiges Nukleationsszenario relevant sein, wobei an dieStelle der Gibbs-Energie G die (euklidsche) Wirkung S tritt und die Fluk-tuation eine quantenmechanische ist, G â SEuklid, T â ~. Ein Beispiel istdie Nukleation der Helium B-Phase in der A-Phase (Lifshitz, Kagan).
â
He Bâ3
AHe3 Abb. 7.26: Nukleation eines3He-B Tropfens in 3He-A.
78KAPITEL 7. PHASENUBERGANGE UND PHASENGLEICHGEWICHTE
Kapitel 8
Mischungen
Wir betrachten ein Gemisch (mit Molzahlen ni) von (idealen) Gasen imVolumen V . Dann addieren ich die Partialdrucke pi der i-ten Gase zumGesamtdruck (Dalton)
p =â
i
pi. (8.1)
Mit den Zustandsgleichungen piV = niRT des i-ten Gases folgt durch Sum-mation
pV = nRT, n =â
i
ni. (8.2)
Fur die Energie findet man (vgl. Abb. 8.1)
V
Vi
Abb. 8.1: Komprimiere das i-te Gasisotherm auf das Volumen Vi = V pi/pund ziehe die Trennwande hinaus; dadie innere Energie ui des i-ten Gasesunabhangig vom Volumen Vi ist wirddurch die Expansion keine Arbeit ge-leistet, also ist U =
âi niui.
U =â
i
niui, ui = cviT. (8.3)
Die Berechnung der Entropie einer Mischung ist nicht trivial. Wir entmi-schen ein Zweikomponentensystem reversibel, um dann daraus die Entropiezu berechnen. Dazu benutzen wir zwei Zylinder mit je einer halbdurchlassi-gen Wand und entmischen die beiden Gase, indem wir die Zylinder trennen(halte 1 fest, bewege 2, vgl. Abb. 8.2).
79
80 KAPITEL 8. MISCHUNGEN
2
1
l
r
p 21p
1pp2
Abb. 8.2: Entmischung zweier Ga-se: Der Zylinder 1 ist fixiert und haltGas 1, der Zylinder 2 wird bewegtund halt das Gas 2. Die inneren Zy-linder Wande sind entsprechend se-lektiv durchlassig.
Auf die selektiv durchlassigen Wande wirkt nur der Partialdruck p1
(Zylinder 1) resp. p2 (Zylinder 2). Bei der Entmischung wird keine Arbeitgeleistet (A = Querschnittsflache),
ÎŽW = ÎŽW` + ÎŽWr = âA p2 dx2 + A p2d x2,
und es wird keine Warme zugefuhrt, ÎŽQ = 0. Die reversible Entmischungerfordert demnach keine Warme oder Arbeit und die Entropie S bleibt kon-stant (ÎŽQ = ÎŽQrev = 0),
S(T, V ) = S1(T, V ) + S2(T, V ). (8.4)
Umgeschrieben auf die Variablen T und Druck p erhalten wir die Beziehung
S(T, p) = S1(T, p1) + S2(T, p2), (8.5)
oder auf mehrere Komponenten verallgemeinert
S(T, p, n1, . . . , nr) =â
i
nisi(T, pi). (8.6)
Beachte, dass wir in unserem Prozess das Gesamtvolumen verdoppelt haben;die Gesamtentropie beim Gesamtdruck p ergibt sich aus der Summe derEntropien bei den Partialdrucken pi.
Umgekehrt betrachten wir jetzt den Prozess der Mischung. Wir kom-partimentieren die Gase auf die partiellen Volumina Vi = V pi/p. Die Ge-samtentropie dieses Ausgangszustandes ist
S0 =â
i
nisi(T, p)
Im zweiten Schritt entfernen wir die Trennwande und erhalten die Gesam-tentropie der Mischung
S =â
i
nisi(T, pi).
8.1. MASSENWIRKUNGS GESETZ 81
Die Entropieanderung aufgrund der Interdiffusion der Gase ist
S â S0 =â
i
ni[si(T, pi)â si(T, p)],
mit (3.21)) ist [. . .] = R ln p/pi = R ln v/vi = R lnn/ni
= Râ
i
ni ln(n/ni) = R[n lnnââ
i
ni lnni] (8.7)
und wir finden einen Mischterm > 0, die Diffusion ist irreversibel. Die Entro-pie des Gasgemisches ist somit nicht einfach additiv,
S(T, p) =â
i
nisi(T, p) + Râ
i
ni ln(n/ni). (8.8)
8.1 Massenwirkungs Gesetz
Aus den Resultaten (8.1), (8.3) und (8.8) folgt sofort das Massenwirkungsge-setz fur chemische Reaktionen. Sei der Druck p und die Temperatur T fixiert,dann reagieren verschiedene Komponenten eines chemisch aktiven Systemsbis ein chemisches Gleichgewicht bei minimaler Gibbs Energie G(p, T ) er-reicht ist. Betrachte zum Beispiel die Knallgas-Reaktion
2H2Oâ 2H2 + O2, (8.9)
mit den Umwandlungsverhaltnissen
Ύn1 : Ύn2 : Ύn3 = Μ1 : Μ2 : Μ3 (8.10)
fur
H2 : n1 mit Μ1 = 2,
O2 : n2 mit Μ2 = 1,
H2O : n3 mit Îœ3 = â2.
Mit
U =â
i
niui,
H =â
i
(niui + piV ) =â
i
ni(ui + RT ) =â
i
nihi,
S =â
i
nisi + Râ
i
ni ln(n/ni),
82 KAPITEL 8. MISCHUNGEN
finden wir die Gibbs freie Energie
G =â
i
ni[hi(T )â Tsi(T, p)âRT ln(n/ni)] (8.11)
=â
i
ni[gi(T, p)âRT ln(n/ni)].
Die Variation von G bezuglich der Molzahlen unter Berucksichtigung derUmwandlungsverhaltnisse (8.10) und n =
âi ni (und ÎŽn 6= 0) ergibt1
0 = ÎŽG =â
i
ÎŽni[gi(T, p)âRT ln(n/ni)]
=ÎŽn1
Μ1
âi
Îœi[gi(T, p)âRT ln(n/ni)]
ââ
i
(ni
n
)Îœi
= exp[ââ
i
Îœigi(T, p)/RT]⥠K(T, p; Îœi), (8.12)
das Massenwirkungsgesetz. Gehen wir zu den Konzentrationen ci = ni/nuber und berucksichtigen wir die Zusatzbedingung
âni = n,
âi ci = 1,
#HâAtome/#OâAtome = (2c1+2c3)/(2c2+c3) = RH/O (dieses Verhalt-nis wird durch die Praparation vorgegeben, entsprechend stehen immergenugend viele Gleichungen zur Verfugung um alle Konzentrationen zu be-rechnen), so konnen wir die Gleichgewichtskonzentrationen eindeutig be-stimmen,
c21c2
c23
= K(T, p; Îœi),
c1 + c2 + c3 = 1, (8.13)2c1 + 2c3
2c2 + c3= RH/O.
8.2 Osmotischer Druck
Als weitere Anwendung von (8.8) betrachten wir den osmotischen Druck. Inder Zelle (vgl. die Skizze in Abb. 8.3) verschieben wir die Membran nachrechts und gewinnen dabei die Arbeit
ÎŽW = pâČ dV = pâČv0 dn0,
wobei v0 das Molvolumen des Wassers bezeichnet und dn0 ist die Anderungder in der Menge des Losungsmittels bei der Verschiebung der Membran.
1Mit ÎŽ =P
ÎŽnk(â/ânk) istP
i ni ÎŽ ln(P
j nj/ni) = 0.
8.2. OSMOTISCHER DRUCK 83
p+
+ n1 nâ0
pâpâ
n
p
semiparableMembran Abb. 8.3: Wasser/Zuckerwasser
getrennt durch eine semipermea-ble Membran. n0 und nâČ bezeich-nen die Molzahlen fur das Wasserin den beiden Kompartimenten,n1 ist die Molzahl fur den Zucker.
Mit T = const. entspricht diese Arbeitsleistung gerade der Anderungder freien Energie des Systems, dF = âpâČdV = âÎŽW . Fur die freie Energieschreiben wir gemass (8.1), (8.2), (8.3), (8.8)
F = (n0 + nâČ0)f0 + n1f1 + RT [n0 ln(n0/n) + n1 ln(n1/n)],
wobei der letzte Term der Mischentropie entspricht, die fur n ⌠n0 alsRTn1 ln(n1/n0) geschrieben werden kann. Eine Anderung dn0 = âdnâČ0 er-zeugt via Mischentropie die Energieanderung
dF = âRTn1
n0dn0 = âRTn1
n0v0dV = âpâČdV
und wir erhalten den osmotischen Druck
pâČ = n1RT
V; (8.14)
dies ist gerade der Gasdruck des im Losungsmittel (Volumen V , TemperaturT ) gelosten Salzes. Bekannt ist das Bild der Zuckerlosungssaule, wo pâČ = Ïgh,Ï =Massendichte der Losung, direkt gemessen wird.
h
Membran
Zuckerlösung
Wasser
Abb. 8.4: Typisches Experi-ment zum osmotischen Druck,mit der Zuckerlosungssaule auf-ragend uber das Niveau des Was-sers.
84 KAPITEL 8. MISCHUNGEN
8.2.1 Dampfdruck Erniedrigung in der Losung
Ebenso wohlbekannt ist die Erniedrigung des Dampfdruckes einer Losunggegenuber des Losungsmittels, vgl. Abb. 8.5
âpDampf =ÏDampf
ÏLosung
n1
n0
RT
v0
oder via Clausius-Clapeyron
âT = âpDampf
( dp
dT=
`
Tâv
)â1â n1
n0
RT
`T
die Erhohung der Siedetemperatur. Wieviel Salz wird gebraucht, um auf demEverest ein Ei kochen zu konnen?
Dampf
Membran
hLösung
Abb. 8.5: Der UnterschiedâpDampf im Dampfdruck er-gibt sich aus der Uberhohungder Losungssaule, âpDampf =ÏDampf gh, wobei sich die Hohe hder Saule aus dem osmotischenDruck pâČ = ÏLosung gh ergibt.
8.3 Gibbssches Paradoxon
Betrachte die Mischungsentropie (8.7) und gehe zum Grenzfall identischerAtome uber. Die Mischentropie SâS0 bleibt unverandert, obwohl wir erwar-ten wurden, dass im Grenzfall identischer Atome keine Mischentropie mehrauftritt, S â S0 = 0. Entsprechend existiert kein kleiner Parameter, derdie Unterscheidbarkeit der Atome quantifiziert: Der Atomismus der Materieverbietet den Grenzubergang. Beachte, dass ein 3He-4He Isotopengemischeine Mischentropie aufweist , obwohl die Elektronenhullen gleich sind (Ent-mischung bei T â 0, 3. HS).
8.4 Ausklang
Es gibt eine Vielzahl von thermodynamischen Modellsystemen, die wir ausZeitgrunden nicht behandeln konnen. Einige Beispiele werden wir in denUbungen untersuchen, andere tauchen spater in der Vorlesungen uber âSta-tistische Mechanikâ und âPhasenubergangeâ auf. Besonders bekannt sind die
8.4. AUSKLANG 85
Hohlraumstrahlung: Plancks Interpolation der Entropie um die Wien-schen und Rayleigh-Jeans-Gesetze gleichermassen zu befriedigen, Planck-sches Strahlungsgesetz.
Supraleitung
Phasenseparation (Entmischung)
Magnetismus
Galvanische Elemente
Elastische Festkorper
86 KAPITEL 8. MISCHUNGEN
Kapitel 9
Thermodynamik irreversiblerProzesse / Transportâ
Als letztes Thema der Thermodynamik betrachten wir Transportphanome-ne, was unter dem Titel âThermodynamik irreversibler Prozesse/Transportâzusammengefasst wird. Wir bemerken, dass die beiden Gebiete der Pha-senumwandlungen und des Transportes zu den aktiven Forschungsgebietenzahlen (speziell Transport in kleinen Strukturen wo sich Quanteneffekte be-merkbar machen, Verhalten von Zustanden (weit) weg vom Gleichgewicht).
9.1 Warmeleitung
Wir beginnen mit der Warmeleitung im homogenen, isotropen Festkorper(wir vernachlassigen thermische Expansionseffekte). Weg vom Gleichgewichtwerden die Zustandsgrossen ortsabhangig: Dabei entfernen wir uns nur we-nig vom Gleichgewicht, so dass wir das System immer noch als lokal imGleichgewicht betrachten konnen. Das System lasst sich dann durch loka-le Gleichgewichtsparameter wie die lokale Temperatur T (~r, t), der lokaleDruck p(~r, t), oder das lokale chemische Potential ”(~r, t), und lokale Zu-standsgrossen wie innere Energie u(~r, t), und Entropie s(~r, t), . . . beschrei-ben. Beachte dabei, dass eine ortsabhangige Temperatur T (~r, t) auch eineOrtsabhangigkeit der inneren Energie u(~r, t) (pro Masseneinheit) impliziert.Weiter induziert der Temperaturgradient ~âT einen Warmefluss,
~w(~r, t) = âÎș~âT (9.1)
(Fourierscher Ansatz). In (9.1) nehmen wir an, dass ~âT genugend klein ist(mit dem System nahe am Gleichgewicht), so dass die âAntwort ~w â aufdie âKraft ~âT â linear ist. Die Warmeleitfahigkeit Îș mussen wir durch eine
87
88 KAPITEL 9. TRANSPORT
mikroskopische Betrachtung finden1.
Die Erhaltung der Energie verlangt die Kontinuitatsgleichung (Ï =Massendichte)
Ïâu
ât+ ~â · ~w = 0, (9.2)
mit den Einheiten [u] = Energie/g, [Ï] = g/Volumen. Mit der zweiten kon-stitutiven Gleichung
Ïdu = cvdT â âu
ât=
cv
Ï
âT
ât, (9.3)
[cv] = Energie/Volumen grad, erhalten wir die Warmeleitungsgleichung
âT
ât=
Îș
cvâT = DâT, (9.4)
mit der Diffusionskonstanten D = v2Ï/3.
9.2 Entropiebilanz
Wir wissen, dass die Diffusion (von Teilchen in Mischungen) ein irreversiblerProzess ist und interessieren uns deshalb fur die Entropiebilanz. Mit du =T ds und (9.2) finden wir
Ïâs
ât= â 1
T~â · ~w = â~â · ~w
Tâ 1
T 2~w · ~âT.
Indem wir ~w/T ⥠~js als Entropiefluss auffassen, finden wir mit der Entro-
piequelle Ï = â[~w · ~âT ]/T 2 (9.1)= (Îș/T 2)(~âT )2 > 0 die Kontinuitatsgleichung
fur die Entropie,
Ïâs
ât+ ~â ·~js = Ï. (9.5)
Im abgeschlossenen System ergibt (9.4) fur t â â, T = const., ~âT = 0,Entropiequelleâ 0, Entropieflussâ 0 und âts = 0, eine konstante Entropies = const. Mit Ï > 0 kann die lokale Entropieerzeugung nie negativ sein,in Ubereinstimmung mit dem 2. HS (beachte auch, dass gemass (9.1) mitÎș > 0 Warme immer vom heisseren zum kalteren Ort fliesst.)
1Z.B. uber die Streulange ` andert sich der Warmeinhalt um cv`~âT mit ` der mittlerenfeien Weglange. Diese Warme wird mit der Geschwindigkeit v der Teilchen transportiert,also ist der Warmestrom w ⌠cv`v~âT = cvÏv2~âT , mit der Streuzeit Ï = `/v. DieMittelung uber v2 ergibt noch einen Faktor 1/3, also ist Îș â (1/3)v2Ïcv.
9.3. THERMOELEKTRISCHE EFFEKTE 89
9.3 Thermoelektrische Effekte
Als nachstes wollen wir thermoelektrische Effekte etwas genauer untersu-chen: Die Teilchen, welche die Warme transportieren, seien jetzt zusatzlichauch noch geladen, z.B., Elektronen mit Ladung âe (e > 0). Bei der For-mulierung der Energieerhaltung mussen wir jetzt zusatzlich die potentielleEnergie
Ίâq
ât= âΊ~â ·~j
(mit der Ladungsdichte q = ÏnL(âe) = und der Stromdichte ~j =) und diedissipierte Energie ~j · ~E, ~E = â~âΊ = elektrisches Feld, berucksichtigen,
Ïâu
ât= â~â · ~w +~j · ~E â Ί~â ·~j. (9.6)
Als konstitutive Gleichungen haben wir ~w = âÎș~âT und ~j = Ï ~E = âÏ~âΊ;das elektrische Potential Ί spielt im Ladungstransport die gleiche Rolle wiedas Temperaturfeld T im Warmetransport. Die Leitfahigkeit Ï erhalten wiraus der Uberlegung, dass anstelle von Warme Ladung transportiert werdensoll (n = N/V ):
Îș ⌠v2cvÏ âŒ v2nkBÏ âŒ mv2nkBÏ/m ⌠(nÏ/m)k2BT â (nÏ/m)e2.
Dies ergibt die Drude Leitfahigkeit
Ï = e2nÏ/m.
Das Verhaltnis Îș/ÏT = (3/2)(kB/e)2 (Wiedemann und Franz) hangt nurvon Naturkonstanten ab.
Die Kontinuitatsgleichung fur die Entropie erhalten wir aus (9.6) und
Tds = duâ (”â LeΊ)dn, (9.7)
mit dem elektrochemischen Potential zusammengesetzt aus chemischem undelektrischem Potential. Wir leiten nach der Zeit ab und benutzen die La-dungserhaltung
ââq
ât= ÏLe
ân
ât= ~â ·~j.
um zu finden, dass
TÏâs
ât= Ï
âu
âtâ Ï(”â LeΊ)
ân
ât
= Ïâu
ât+(Ίâ ”
Le
)~â ·~j. (9.8)
90 KAPITEL 9. TRANSPORT
Einsetzen von (9.6) und Einfuhrung des chemischen Potentials pro TeilchenΟ = ”/L ergibt dann die Kontinuitatsgleichung fur die spezifische Entropies,
Ïâs
ât+ ~â · ~w + Ο~j/e
Tïžž ïž·ïž· ïžž~js
= â ~wT
~âT
T+
~j
T
(~E + ~âΟ
e
)ïžž ïž·ïž· ïžž
Ï
(9.9)
mit der Entropistromdichte ~js ⥠~w/T = (~w + Ο~j/e)/T und dem elektroche-mischen Kraftfeld ~Δ = ~E + ~âΟ/e. Die Entropiequelle Ï fassen wir wiederumals Produkt des verallgemeinerten Stromes (~w,~j ) und der verallgemeinertenKrafte (â(~âT )/T, ~Δ ) auf. Fur den Warme- und Ladungstransport stellenwir den folgenden linearen Ansatz auf,
~w = âα~âT
T+ ÎČ~Δ,
~j = âÎł~âT
T+ Ύ~Δ. (9.10)
Auflosen nach ~w und ~Δ ergibt die Standardform
~w = ~w +Ο
e~j = âÎș~âT âÎ ~j,
~Δ = ~E + ~âΟ
e=
1Ï~j â Δ~âT, (9.11)
mit
α = ÎșT + ÏΠΔT,
ÎČ = âÏÎ ,
Îł = âΔÏT,
ÎŽ =sigma, (9.12)
Îș = Warmeleitungskoeffizient,Ï = Leitfahigkeit,Î = Peltierkoeffizient,Δ = Thermokraft. (9.13)
Aus der Onsager-Relation Îł = ÎČ (siehe spater) folgt Δ = Î /T . Der Peltier-koeffizient ist nicht einfach abzuschatzen.
Aus der ersten Gleichung von (9.11) folgt fur ~j = 0 die Warmelei-tungsgleichung. In diesem Fall muss gemass der zweiten Gleichung von (9.11)der Temperaturgradient ~âT durch ein elektrisches Feld ~E kompensiert wer-den, ~E = âΔ~âT (â~âΟ/e), woraus sich die Bezeichnung âThermokraftâ furden Koeffizienten Δ in naturlicher Weise ergibt. Fur T, Ο homogen folgt das
9.4. ONSAGER RELATIONEN 91
Ohmâsche Gesetz ~j = Ï ~E. Allgemeiner gilt ~j = Ï( ~E + ~Ee ) mit der einge-pragten elektrischen Feldstarke ~Ee = Δ~âT (+~âΟ/e). Beachte, dass fur ~j 6= 0auch bei ~âT = 0 ein Warmetransport stattfindet, ~w = âÎ ~j. Der Term~âΟ/e kommt in Metallkontakten zum Tragen: Betrachte zwei verschiedene,kontaktierende Metalle im Gleichgewicht. Mit ~j = ~w = ~âT = 0 gilt
~E = â~âΟ
eâ âΊ =
âΟ
e= Kontaktspannung. (9.14)
Unter den thermoelektrischen EffektenindexEffekt!thermoelektrischer erwahnen wir den Thomson-Effekt : Fur einenstationaren Transport mit ~j 6= 0, ~âT 6= 0, ~â ·~j = 0 findet man durch Ein-setzen von (9.11) in (9.6) und ~âÎ = (âÎ /âT )~âT
Ï âtu = ~â · (Îș~âT ) +(âÎ
âTâ Δ)
~j · ~âT +1Ï2
~j ·~j, (9.15)
wobei der erste und letzte Term auf der rechten Seite durch Warmeleitungund Joulesche Warme entstehen; der mittlere Term beschreibt die Thomson-Warme. Der Peltier-Effekt ist das Phanomens des Warmestaus âÎ j an derKontaktstelle zweier verschiedener Metalle. Schliesslich erwahnen wir dieElektromotorische Kraft in einem Stromkreis mit verschiedenen Metallen bei~âT 6= 0,
VEMK = âΔ (T2 â T1), (9.16)
mit den verschiedenen Temperaturen Ti der beiden Lotstellen und âΔ =ΔII â ΔI , vgl. Abb. 9.1
1
Δ
Δ
II
I
TT2
Abb. 9.1: Zur elektromotorischenKraft in einem Stromkreis mit verschie-denen Metallen und getrieben durch ei-ne Temperaturdifferenz zwischen denbeiden Lotstellen.
9.4 Onsager Relationen
Eine wichtige Gesetzmassigkeit in all diesen Transportphanomenen sinddie Onsager-Casimir-Reziprozitatsbeziehungen fur die Transportkoeffizien-ten. Hier geben wir nur deren Formulierung; ihre Herleitung erfordert einemikroskopische Betrachtung. Wir gehen aus von der Kontinuitatsgleichungfur die Entropie,
Ïds
dt+ ~â ·~js = Ï (9.17)
92 KAPITEL 9. TRANSPORT
(ohne Korrekturen, d.h. (9.17) gilt im mitstromenden System). Die lokaleEntropieerzeugung Ï lasst sich immer als Summe von Produkten von FlussenXi und thermodynamischen Kraften Ki schreiben,
Ï =1T
âi
XiKi. (9.18)
Nahe beim Gleichgewicht ergeben sich die Flusse aus den Kraften durch denlinearen Zusammenhang
Xi =nâ
j=1
aijKj . (9.19)
Dann erfullen die Transportkoeffizienten aij die folgenden Onsager-Casimir-Reziprozitatsbeziehungen:
aij = ΔiΔjaji, (9.20)
Δi =
1, falls Ki(t) = Ki(ât)â1, falls Ki(t) = âKi(ât).
Die Richtigkeit dieser Beziehungen basiert auf der mikroskopischen Zeitumkehr-Invarianz.
Betrachte als Beispiel die Warmeleitung im anisotropen Medium. Esgilt
wi = ââ
j
ÎșijâT
âxj, (9.21)
Îșij = Îșji.
Im Magnetfeld verallgemeinert sich der zweite Teil von (9.21) zu
Îșij( ~B) = Îșji(â ~B)
(fur Elektronen im Magnetfeld gilt m~v = âe(~v Ă ~B )/c; diese Dynamik istunter gleichzeitiger Umkehr t, ~B â ât,â ~B).
Kapitel 10
Statistische Beschreibungen
Wir beginnen nun damit, die Resultate der Thermodynamik mikroskopischherzuleiten und in verschiedene Richtungen zu erweitern. Entsprechend wol-len wir ein Vielteilchensystem betrachten, das wir durch einen Satz von Ko-ordinaten beschreiben konnen, die gegeben sind durch
(p, q) ⥠p1, . . . , p3N , q1, . . . , q3N â Î (10.1)
mit dem Zustand (p, q) und dem Zustandsraum Î, dim Î = 6N , und Ndie Teilchenzahl. Mit der Hamiltonfunktion H(p, q) wird die Dynamik desSystems festgelegt,
qi =âHâpi
,
pi = ââHâqi
. (10.2)
Im Experiment wird das System untersucht, indem eine MessgrosseM(p, q)uber einen Zeitraum T betrachtet wird â man ist am Wert des Zeitmittelsinteressiert,
MT = limTââ
1T
â« T
0dtM[p(t), q(t)] (10.3)
wobei [p(t), q(t)] eine Trajektorie in Î beschreiben. Fur ein System im ther-modynamischen Gleichgewicht ergibt (10.3) ein endliches Resultat. Fur denTheoretiker ist der Zeitmittelwert MT praktisch nicht zuganglich. Mit mo-dernen Computern konnen ⌠109 Teilchen uber einige Millionen Zeitschrittein molekulardynamischen Simulationen beschrieben werden; mit typischenStosszeiten im Bereich 10â12 s entspricht dies einem Zeitintervall von 10â6 sâ nicht nur sind derartige Rechnungen weit weg von den 1023 Teilchen, dieuber Zeitraume von Millisekunden bis Tage oder langer experimentell unter-sucht werden; auch sind wir meist an der resultierenden riesigen Datenmenge
93
94 KAPITEL 10. STATISTISCHE BESCHREIBUNGEN
wenig interessiert und extrahieren daraus nur spezifische Kenngrossen desSystems. Im statistisch mechanischen Zugang wird der Zeitmittelwert (10.3)als Zielgrosse durch den Ensemble-Mittelwert
ăMă =â«
d3Np d3NqM(p, q) Ï(p, q)â«d3Np d3Nq Ï(p, q)
(10.4)
ersetzt. Dabei besagt die Dichtefunktion
Ï(p, q)d3Np d3Nq (10.5)
mit welcher Wahrscheinlichkeit das System im Volumen d3Np d3Nq um denPunkt (p, q) des Phasenraumes Î anzutreffen ist. Im allgemeinen ist Ï(p, q, t)zeitabhangig: Die Dichteanderung âÏ/ât im Volumen Ï â Î kann nur durchAbfluss/Zufluss von Dichte durch den Rand âÏ erfolgen,â«
ÏâÎdÏ
âÏ
ât=
â«âÏ
d~Ï Â· (p, q)Ï
Gauss= ââ«
ÏdÏ (âp,âq)[(p, q)Ï], âÏ
â âÏ
ât= â(âp,âq)[(p, q)Ï]
=3Nâi=1
ââ(piÏ)âpi
â â(qiÏ)âqi
=3Nâi=1
âÏ
âpi
âHâqiâ âÏ
âqi
âHâpi
(10.6)
wobei wir benutzt haben, dass
âpi
âpi+
âqi
âqi= 0,
âHâqi
= âpi,âHâpi
= qi.
Offensichtlich verschwindet die massive Ableitung von Ï,
[ât + (p, q)(âp,âq)]Ï =dÏ
dt= 0, (10.7)
das Liouvillesche Theorem, aber die partielle Ableitung âtÏ 6= 0 verschwindetim allgemeinen nicht1.
In der statistischen Mechanik interessiert uns aber nicht ein allgemei-ner Zustand des System, sondern spezifisch der thermodynamische Gleich-gewichtszustand. Fur ein isoliertes System (Volumen V , Teilchenzahl N ,
1Man interpretiert die Zustandsdichte Ï dann als die Dichte einer inkompressiblenFlussigkeit im Î-Raum.
95
Energie E) wird die Dichtefunktion Ï(p, q) durch das Postulat gleicher apriori Wahrscheinlichkeit
Ï(p, q) =
const, E < H(p, q) < E + â,
0, sonst(10.8)
fur jeden mit den Nebenbedingungen vertraglichen Zustand (p, q) festge-legt. Da Ï(p, q) = Ï(H(p, q)), gilt mit (10.6) sofort âtÏ = 0, d.h., Ï ist imthermodynamischen Gleichgewichtszustand zeitunabhangig.
Man nennt einen Satz von Systemen prapariert unter identischen ma-kroskopischen Bedingungen (z.B. V , N , E fixiert) ein Ensemble. Zum (Gleich-gewichts-) Ensemble gehort die Dichtefunktion Ï(p, q); das Ensemble charak-terisiert durch V , N , E und Ï(p, q) gemass (10.8) heisst mikrokanonisch.
Die Grundidee der statistischen Mechanik ist dann, dass Zeitmittelund Ensemblemittel ubereinstimmen,
MT = ăMă, (10.9)Zeitmittel = Ensemblemittel.
Man uberzeugt sich leicht, dass (10.9) richtig ist, falls das im Labor prapa-rierte individuelle System im Zeitraum T der Messung alle mit den Neben-bedingungen N , V , E vertraglichen Zustande in Î gleich oft besucht, d.h.die Trajektorie [p(t), q(t)] uberstreicht ÎN,V,E homogen. Diese Ergodenhypo-these ist nichttrivial. Welche dynamischen Systeme sie (nicht) erfullen, istGegenstand aktueller Forschung. Die Ergodenhypothese wird im Rahmender Physik der Glaser relevant verletzt2.
Im Zusammenhang mit (10.9) steht auch die Idee der Selbstmittelung :Wir konnten (10.9) glaubhaft realisieren, indem wir statt eines Systems einegrosse Anzahl derselben ausmessen,
ăMă =â
viele Systeme
MT
Anzahl Systeme. (10.10)
Die Idee der Selbstmittelung besagt dann, dass wir ein System von 1023
Teilchen in V als eine Menge von statistisch unabhangigen Systemen inden Teilvolumina ÎŽVi, V =
âi ÎŽVi auffassen konnen. Ebenso konnen wir
das Zeitintervall T in Subintervalle ÎŽTi, T =â
i ÎŽTi teilen und derart zueiner Menge von statistisch unabhangigen Experimente gelangen. Wichtigist dabei, dass die Volumina ÎŽV und Intervalle ÎŽT grosser sind als die im
2Wenn das System in den Glaszustand einfriert, entstehen fur Temperaturen T â 0unendlich hohe Barrieren, die den Phasenraum Î in Subraume unterteilen, aus denendas System nur in hierarchisch langeren unendlichen Zeitraumen entfliehen kann; d.h. dasSystem wird in engen Teilgebieten von Î eingefangen.
96 KAPITEL 10. STATISTISCHE BESCHREIBUNGEN
System auftauchenden Korrelationen in Ort und Zeit, ÎŽV Ο3, ÎŽT Ï ,Ο = Korrelationslange, Ï = Korrelationszeit.
Ausgehend von obigen Konzepten lasst sich die statistische Physik inverschiedene Richtungen entwickeln:
1. Wir entwickeln die Thermodynamik aus dem a priori Ansatz fur Ïmikro
im mikrokanonischen Ensemble und gehen anschliessend via Ankopp-lung des Systems an Reservoire (T -Reservoir, E fluktuiert; ”-Reservoir,N fluktuiert) zu neuen Ensembles. Die neuen Ensembles sind das ka-nonische mit Ïkan ⌠exp[âH(p, q)/T ], und das grosskanonische mitÏgkan ⌠exp[â(Hâ”N)/T ] uber. Die naturlichen, zu den drei Ensem-bles gehorigen thermodynamischen Potentiale sind entsprechend der fi-xierten Variablen gerade S(U = E, V, N) (mikrokanonisch), F (T, V,N)(kanonisch), und Ω(T, V, z(”)) (grosskanonisch).
2. Wir verallgemeinern diese klassischen Ideen auf quantenmechanischeSysteme,
Ï(p, q)â Dichteoperator Ï =â
i
wi|ΚiăăΚi| (10.11)
mit wi der Wahrscheinlichkeit das System im Zustand |Κiă zu finden.
3. Wir vereinfachen die statistische Beschreibung und analysieren diePhysik weg von aber in der Nahe des Gleichgewichtes. Dies bringtuns zur Physik der Transportphanomene und der Relaxation.
4. Wir verallgemeinern die Nichtgleichgewichtsphysik/Transport auf Quan-tensysteme.
5. Wir studieren die Theorie stochastischer Prozesse, insbesondere dieLangevin Dynamik dissipativer Systeme.
In dieser Vorlesung werden wir Aspekte von 3 und 1 (in dieser Reihen-folge) diskutieren. Eine tiefere Behandlung von 1 und 2 ist das Thema derVorlesung âStatistische Physikâ; die Themen 4 und 5 sind sehr interessantaber mehr spezieller Natur.
Als Einstieg zur Transport/Nichtgleichgewichts Physik vereinfachenwir die statistische Beschreibung. Im Rahmen der klassischen kinetischenTheorie wird anstelle der ad hoc Annahme (10.8) das Konzept des moleku-laren Chaos eingefuhrt. Hierbei geht man durch Integration uber die Ko-ordinaten (~p2, . . . , ~pN ; ~q2, . . . , ~qN ) zu einer Einteilchen-Verteilungsfunktionf(~p, ~q, t) uber,
f(~p, ~q, t) = N
â«d3p2 . . . d3pN d3q2 . . . d3qN Ï(~p, ~p2, . . . ; ~q, ~q2, . . . , ~qN ),
(10.12)
97
wobei der Faktor N aus der Normierungâ«Î
dÏ Ï = 1 (10.13)
und der Symmetrie von Ï in den Argumenten (~pi, ~qi ) folgt (kann jedes der NTeilchen als Reprasentant wahlen). Eine Beschreibung des Systems via derEinteilchenverteilungsfunktion f macht nur Sinn, wenn die Korrelationenim System klein sind, was typischerweise in einem Gas der Fall ist. Mit
f2(~p1, ~q1; ~p2, ~q2; t) =N(N â 1)
2
â«d3p3 . . . d3qN Ï(~p1, ~p2, ~p3, . . . ~q1, ~q2, . . . ~qN )
(10.14)entspricht dies der Forderung
f2(~p1, ~q1; ~p2, ~q2; t) â f(~p1, ~q1, t)f(~p2, ~q2, t), (10.15)
der Forderung des molekularen Chaos. Ublicherweise verlangt man (10.15)bei ~q1 = ~q2 = ~q. Fur die Einteilchenverteilungsfunktion f(~p, ~q, t) konnen wirdann eine kinetische Gleichung, die Boltzmann-Transport-Gleichung, aufstel-len und zu losen versuchen.
98 KAPITEL 10. STATISTISCHE BESCHREIBUNGEN
Kapitel 11
Kinetische Gastheorie
Wir betrachten ein Gas1 von Teilchen und beschreiben seine statistischenEigenschaften durch die Einteilchenverteilungsfunktion
f(~p, ~q, t) d3p d3q = Anzahl Teilchen zur Zeit t (11.1)im Volumen d3p d3q um den Punkt(~p, ~q ) â ”
des Einteilchenphasenraumes ”.
Es gilt die Normierung â«d3p d3q f(~p, ~q, t) = N. (11.2)
Die Homogenitat in ~q ergibt (sofern diese vorliegt)â«d3p f(~p, ~q, t) =
N
V= n, (11.3)
mit der Teilchendichte n = N/V . Die Kontinuitatsgleichung im ”-Raumbesagt, dass keine Teilchen verschwinden,
âtf + âx”(v”f) = 0, x” = (~p, ~q ), v” = x”,
oder, in mehr konventioneller Notation,
âtf + ~q · ~â~qf + ~p · ~â~pf = 0. (11.4)
Die Hamiltongleichungen ~p = ââ~qH = ~F und ~q = â~pH ergeben die auf dieTeilchen wirkende Kraft und die Geschwindigkeit in Abhangigkeit von derPosition (~p, ~q) im Phasenraum.
1schwach wechselwirkend, nur Stosse sind relevant
99
100 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Die Gleichung (11.4) gilt im reinen Stromungsfall. Die zwischen denTeilchen auftretenden Stosse mussen via eines Stossterms, vgl. Abb. 11.1,
âf
ât
âŁâŁâŁStosse
berucksichtigt werden und wir erhalten die Boltzmann Transportgleichung,
âtf + ~q · ~â~qf + ~p · ~â~pf = âtf |Stosse. (11.5)
p
q
( , )
Streuung in
Streuung aus
p q( , )
p q
Abb. 11.1: Beitrage zurVeranderung von f(~p, ~q, t) amOrt ~q aufgrund von Streupro-zessen in das Volumen um ~phinein und um das Volumenum ~p hinaus.
Beachte, dass ~p in (11.5) der kanonische Impuls ist; eventuell ergibtsich die Notwendigkeit zur Transformation auf den kinetischen Impuls. Furein Gas im Kraftfeld ~F ist ~q = ~p/m, ~p = ~F .
11.1 Stossterme
Der Stossterm in der Boltzmann Transportgleichung ist ublicherweise sehrkomplex und hangt vom System ab. Als einfachstes Beispiel konnen wirden Fall betrachten, wo die Gasteilchen an lokalen Defektpotentialen, Ver-unreinigungen stossen (vgl. Diagramme in Abb. 11.2, z.B., das dunne, sichklassisch verhaltende Elektronen in einem dotierten Halbleiter. Die Streura-te2
w~p âČ,~p â2Ï
~Nimp|ă~p âČ|Vimp|~p ă|2ÎŽ(ΔpâČ â Δp)Ï(pâČ) = w~p,~p âČ (11.6)
wird als mikroskopischer Prozess im Rahmen der Quantenmechanik berech-net. Die Deltafunktion mit den Energien Δp, ΔpâČ ist eine Folge der Energieer-haltung im Streuprozess (das Defektpotenial ist statisch); bei der Teilchen-Defekt Streuung ist der Impuls des Teilchens nicht erhalten.
Fur das Stossintegral erhalten wir den Ausdruck
âtf |Stosse = ââ«
d3pâČ w~p âČ,~p [f(~p )â f(~p âČ)]. (11.7)
2Man vergewissere ich, dass dieser Ausdruck dimensionell korrekt ist.
11.1. STOSSTERME 101
pâ
p p
pâ
Abb. 11.2: Diagramme zurTeilchen-Defekt Streuung, mitProzessen die das Gewicht imKanal um den Impuls ~p ver-ringern (oben) beziehungswei-se erhohen (unten).
Sind Streuprozesse zwischen den Teilchen zu berucksichtigen3 so trittanstelle von (11.7) der Ausdruck
âtf |Stosse = ââ«
d3pâČ d3p1 d3pâČ1[w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
f(~p )f(~p1 ) (11.8)
âw~p,~p1;~p âČ,~p1âČf(~p âČ)f(~p1
âČ)].
Graphisch lassen sich diese Streuprozesse durch die in Abb. 11.3 skizziertenDiagramme darstellen.
p
pâ pâ1
p1
pâ
p p1
pâ1
Abb. 11.3: Diagramme zur Teilchen-Teilchen Streuung, mit Prozessen dieaus dem Volumen d3p um ~p hinaus (links) und hinein (rechts) fuhren.
Die Matrixelemente (Streuraten) folgen wiederum aus quantenmecha-nischen Betrachtungen und weisen folgende Symmetrieeigenschaften auf,
w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
= wR~p âČ,R~p1âČ;R~p,R~p1
Rotation R,
w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
= wâ~p,â~p1;â~p âČ,â~p1âČ Zeitumkehr T,
w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
= wâ~p âČ,â~p1âČ;â~p,â~p1
Paritat P, (11.9)TP â w~p âČ,~p1
âČ;~p,~p1= w~p,~p1;~p âČ,~p1
âČ mikroskopisches Glgw.
3Im Gas ist dies der einzige Streuprozess, der das Gleichgewicht herstellen kann.
102 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Aus der Kombination von (11.8) und den Symmetrien (11.9) erhalten wir
âtf |Stosse = ââ«
d3pâČ d3p1 d3pâČ1 w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
[f(~p )f(~p1 )â f(~p âČ)f(~p1âČ)]. (11.10)
Fur die Teilchen-Teilchen Streuung gilt die Erhaltung von Energie und Im-puls, weshalb die Streuraten folgende ÎŽ-Funktionen involvieren,
w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
â ÎŽ3(~p + ~p1 â ~p âČ â ~p1âČ)ÎŽ(Δp + Δp1 â ΔpâČ â ΔpâČ1
). (11.11)
Das Resultat (11.10) ist zentral fur die Betrachtungen in diesem Ka-pitel. Versteckt haben wir die Annahme des molekularen Chaos gebraucht:In (11.10) sollten wir anstelle der Produkte jeweils die Zweiteilchen Ver-
teilungsfunktion f2(~p, ~q; ~p1, ~q; t) und f2(~p âČ, ~q; ~p1âČ, ~q; t) benutzen. Dann muss-
ten wir eine kinetische Gleichung fur f2 aufstellen, die dann via Teilchen-Teilchen-Streuung an f3 koppelt, usf. Es resultiert die Bogoliubov-Born-Green-Kirkenwood-Yvon Hierarchie fur die n-Teilchen Verteilungsfunktio-nen fn. Indem wir die BBGKY-Hierarchie mit dem Ansatz f2(~p, ~q; ~p1, ~q; t) âf(~p, ~q, t) f(~p1, ~q, t) des molekularen Chaos abbrechen, vernachlassigen wirVielteilchen-Korrelationen im Gas.
11.1.1 Verallgemeinerungen des Stosszahlansatzes*
Der Vollstandigkeit halber erwahnen wir noch einige weitere Punkte im Zu-sammenhang mit dem Stosszahlansatz âtf |Stosse; diese Diskussion soll unsdie vielseitige Anwendbarkeit der Boltzmann-Transportgleichung aufzeigen.
Statistik
Beim Ubergang zur quantenmechanischen Beschreibung der Streuprozesseist die Statistik der Teilchen zu berucksichtigen. Insbesondere konnen Fer-mionen nicht in einen bereits besetzten Zustand hineingetreut werden unddie Verteilungsfunktion f nimmt Werte im Intervall [0, 1] an. Ein erfolg-reicher Ansatz der diese Pauliblockade in der Teilchen-Defekt Streuung im(entarteten) Elektronengas berucksichtigt hat die Form
(11.7) : w[ ] â w~p âČ,~pf(~p )(1â f(~p âČ))â w~p.~p âČf(~p âČ)(1â f(~p ))= w~p âČ,~p[f(~p )â f(~p âČ)], (11.12)
wobei wir die Symmetrie w~p,~p âČ = w~p âČ,~p genutzt haben. Offensichtlich hat diePauliblockade keinen Einfluss auf die Form der Teilchen-Defekt Streuung.Fur die Teilchen-Teilchen Streuung ergibt sich die Verallgemeinerung
(11.10) : [ ] â f(~p )f(~p1 )(1â f(~p âČ))(1â f(~p1âČ))
âf(~p âČ)f(~p1âČ)(1â f(~p ))(1â f(~p1 )). (11.13)
11.1. STOSSTERME 103
Gehen wir vom entarteten Fermigas (im Metall) zum nicht nichtentartetenGas (in einem Halbleiter) uber, so nimmt f immer kleine Werte an und wirkonnen die Korrekturfaktoren 1 â f â 1 vernachlassigen. Fur Bosonen mitder Verteilungsfunktion N â [0,â] sind ebenfalls Korrekturen N â N + 1zu berucksichtigen.
Beachte, dass diese âquantenmechanischeâ Beschreibung nur als Ap-proximation betrachtet werden kann, da eine Verteilungsfunktion f(~p, ~q, t)mit scharfen Werten von ~p und ~q dem Heisenberg Unscharfe Prinzip wi-derspricht. Eine vollstaendig quantenmechanische Beschreibung einer kine-tischen Gleichung ist enorm kompliziert und bringt (in der Praxis, zumeist)nur kleine Korrekturen hervor.
Teilchen-Moden Streuung
Oft stossen die Teilchen mit anderen quantisierten Anregungen des Systemswelche Teilchencharakter aufweisen. Ein typisches Beispiel ist die Elektron-Phonon Wechselwirkung im Festkorper, die durch Elektron-Phonon Streu-prozesse im Stosszahlansatz beschrieben wird (vgl. Abb. 11.4),
âtf |Stosse = ââ«
d3pâČw(+)~p,â~q [f(~p )(1â f(~p + ~q ))(1 + Nâ~q)
âf(~p + ~q )(1â f(~p ))Nâ~q ] (11.14)
+w(â)~p,~q [f(~p )(1â f(~p + ~q ))N~q
âf(~p + ~q )(1â f(~p ))(1 + N~q )],
wo N~q die bosonische Verteilungsfunktion der Phononen bezeichnet, N~q =1/[1 + exp(Δ~q/kBT )] im Gleichgewicht.
Die Erhaltung der Gesamtenergie im Streuprozess erzeugt die entspre-chenden ÎŽ-Funktionen in den Streuraten,
w(+)~p,â~q â ÎŽ(Δ~p+~q â Δ~p + ~Ïâ~q)
w(â)~p,~q â ÎŽ(Δ~p+~q â Δ~p â ~Ï~q); (11.15)
entsprechend ist in der Teilchen-Moden Streuung weder die Energie nochder Impuls der Teilchen erhalten (nur die Gesamtenergie von Teilchen undModen ist erhalten).
Weiter sehen wir, dass wir in (11.14) das Pauli-Prinzip und die sponta-ne Emission von Phononen berucksichtigt haben, indem wir die Besetzungs-faktoren [1â f(~p )] und [N~q + 1] inkorporiert haben.
Schliesslich mussen wir noch beachten, dass die Losung von (11.14)im allgemeinen simultan mit der Losung einer BTG fur die Phononen er-folgen muss. Der Stossterm fur das Phononengas enthalt dann bosonische
104 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
â qâ
qp+
p
p
qp+
TP
Emission Absorption
q
+
p qp+
p
qqTP
EmissionAbsorption
qp
Abb. 11.4: Teilchen-Moden Streuprozesse; oben die vom ersten Term in(11.14) beschriebenen Prozesse mit Moden Emission (links) und Moden Ab-sorption. Die unten skizzierten Prozesse werden im zweiten Term beruck-sichtigt.
Besetzungszahlfaktoren
N~qN~q1(1 + N~q âČ)(1 + N~q1
âČ)âN~q âČN~q1âČ(1 + N~q)(1 + N~q1
). (11.16)
11.1.2 Erhaltungssatze
Von besonderer Wichtigkeit sind die im Stosszahlansatz ÎŽtf |Stosse auftreten-den Erhaltungssatze: Gemass (11.6), (11.11) und (11.15) finden wir fur dieTeilchen-Defekt (T-D), die Teilchen-Teilchen (T-T) und die Teilchen-Moden(T-M) Streuung die Erhaltungssatze in der Tabelle 11.1.2.
ProzessErhalten T-D T-T T-MTeilchenzahl + + +Energie + + âImpuls â + â
Wir sehen, dass die T-M Streuung erlaubt, Energie und Impuls ausdem Teilchensystem zu entfernen. Im Gas mit T-T Streuung allein bleibenEnergie und Impuls dagegen immer erhalten.
Im allgemeinen stellt die Losung der BTG ein schwieriges Problem dar:Zu losen ist eine nichtlineare, partielle Integrodifferentialgleichung. Uberlas-sen wir aber das System sich selber, so stellt sich nach einiger Zeit das ther-modynamische Gleichgewicht ein. Als Nachstes wollen wir die entsprechendeGleichgewichts-Verteilungsfunktion f0 finden.
11.2. H-THEOREM, MB VERTEILUNG 105
11.2 H-Theorem und Maxwell-Boltzmann Vertei-lung
Wir betrachten ein Gas, beschrieben durch die Verteilungsfunktion f(~p, ~q, t),welche die Losung der BTG sein muss,
âtf +~p
m· ~â~qf + ~F · ~â~pf = âtf |Stosse, (11.17)
âtf |Stosse = ââ«
d3pâČ d3p1 d3pâČ1 (11.18)
Ăw~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
[f(~p )f(~p1 )â f(~p âČ)f(~p1âČ)].
Im ungetriebenen Fall (~F = 0) stellt sich mit der Zeit Homogenitat (~â~qf =0) und Zeitunabhangigkeit (âtf = 0) ein. Entsprechend muss âtf |Stosse imthermodynamischen Gleichgewicht verschwinden und wir suchen die Gleichgewichts-Losung f0 von (11.17) mit âtf0|Stosse = 0. Unsere Leitidee ist, dass sich furtââ alles andert, ausser den durch âtf |Stosse erhaltenen Grossen. Betrach-te dann irgend eine Grosse
Ί[~p, f(~p, ~q, t)]
und ihre assoziierte Dichte
ÏΊ(~q, t) =â«
d3p Ί[~p, f ]f(~p, ~q, t). (11.19)
Unter Stossen andert sich ÏΊ gemass
âtÏΊ|Stosse =â«
d3p âf (Ί f) âtf |Stosse (11.20)
=â«
d3p d3pâČ d3p1 d3pâČ1 [Ί + fâfΊ]w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
(f âČf âČ1 â ff1).
Wir vertauschen die Variablen ~p, ~p âČ, ~p1, ~p1âČ und nutzen dabei die Symmetrien
in w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
:
w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
= w~p1âČ,~p âČ;~p1,~p
PTâ = w~p1,~p;~p1âČ,~p âČ
= w~p,~p1;~p âČ,~p1âČ . (11.21)
Indem wir diese Vertauschungen in (11.20) ausfuhren, erhalten wir die vierVersionen (wir schreiben Ί = Ί + fâfΊ)
âtÏΊ|Stosse =â«
d3p d3pâČ d3p1 d3pâČ1 w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
Ί(~p )(f âČf âČ1 â ff1)Ί(~p1 )(f âČ1f
âČ â f1f)Ί(~p1
âČ)(f1f â f âČ1fâČ)
Ί(~p âČ)(ff1 â f âČf âČ1)
. (11.22)
106 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Wir rekonstruieren (11.20), indem wir je einen Viertel der vier Variantenvon (11.22) nehmen und addieren,
âtÏΊ|Stosse = ââ«
d3p d3pâČ d3p1 d3pâČ1 w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
(ff1 â f âČf âČ1)
Ă14[Ί + Ί1 â ΊâČ â ΊâČ
1]. (11.23)
Das Resultat (11.23) ist ausserst zweckmassig. Indem wir Ί = ln f setzen,erhalten wir das Boltzmannâsche H-Theorem4
Ί = ln f
Ïln f =â«
d3p f ln f ⥠H(t)
â âtH|Stosse = â14
â«d3p d3pâČ d3p1 d3pâČ1 w~p âČ,~p1
âČ;~p,~p1(11.24)
(ff1 â f âČf âČ1) lnff1
f âČf âČ1ïžž ïž·ïž· ïžž(xâ y) ln(x/y) â„ 0
.
Die durch Stosse erzeugte H-Produktion ist immer negativ,
âtH|Stosse †0. (11.25)
Mit der Definition der Entropiedichte (kB die Boltzmann-Konstante)
s(~q, t) = âkB
â«d3p f ln f
findet man entsprechend, dass Stosse zu einer Zunahme der Entropie(dichte)fuhren (siehe auch (11.40), (11.41)),
âts|Stosse â„ 0. (11.26)
Im Gleichgewicht muss âtH|Stosse = 0 sein (â âts|Stosse = 0 und s maximal).Aus (11.24) folgt, dass
âtH|Stosse = 0 â f0(~p )f0(~p1 ) = f0(~p âČ)f0(~p1âČ) (11.27)
gelten muss, im Gleichgewicht ist log f0 unter Stossen erhalten,
log f0(~p ) + log f0(~p ) = log f0(~p âČ) + log f0(~p1âČ). (11.28)
Andererseits wissen wir, dass fur die Teilchen-Teilchen Streuung die GrossenΊ = 1, ~p, p2 (Teilchenzahl, Impuls und Energie) erhalten sind. Entspre-chend folgt aus (11.23), dass âtÏ1|Stosse = 0, âtÏ~p|Stosse = 0, âtÏp2 |Stosse = 0.
4Mit ~F = 0 nehmen wir ublicherweise Homogenitat an.
11.2. H-THEOREM, MB VERTEILUNG 107
Wir ziehen den Schluss, dass log f0 eine Linearkombination der erhaltenenGrossen 1, ~p, p2 = 2mΔ ist,
log f0 = A 1 + ~B · ~pâ C Δ (11.29)
= log aâ C
2m(~pâ ~p0 )2, ~B =
C
m~p0.
f0 = a exp[â(C/2m)(~pâ ~p0 )2]. (11.30)
Der Faktor a ergibt sich aus der Normierung
n = a
â«d3p eâ
C2m
(~pâ~p0 )2 = a
â«d3p eâ
C2m
p2= a
(2Ïm
C
)3/2
â a = n
(C
2Ïm
)3/2
. (11.31)
Der Vektor ~p0 beschreibt gerade die konvektive Stromung des Gases (Galilei-Invarianz)
ă~p ă =â«
d3p ~pf0â«d3p f0
= ~p0. (11.32)
Schliesslich erhalten wir die Konstante C aus der Berechnung des Druckesp auf eine Wand bei x = const,
p =â«
vx>0d3p 2pxvxf0 =
a
m
â«d3p p2
xeâC2m
p2
=n
m
( C
2Ïm
)3/2 4Ï
3
â« â
0dp p4 eâ
C2m
p2=
n
C, (11.33)
mit 2px dem Impulsubertrag auf die Wand und der einfallenden Stromdichtevxf0 (F , A die Kraft auf und die Flache der Wand)5,
âpx
ât=
Fx
A= p.
Durch Vergleich mit der Zustandsfunktion des Gases pV = NkBT , p =nkBT , folgt
C =1
kBT. (11.34)
Fur die Einteilchen-Verteilungsfunktion im thermodynamischen Gleichge-wicht erhalten wir damit den Ausdruck (Maxwell-Boltzmann)
f0 = fMB(~p ) = n( 1
2ÏkBTm
)3/2
  (λ/h)3
eâ(~pâ ~p0 )2
2mkBT , (11.35)
5Wir integrieren gemassZ â
0
dp p4eâC2m
p2= â2
α1
2
rÏ
α
Ëα=C/2m
=3
8
rÏ
α
1
α2
Ëα=C/2m
.
108 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
wobei sich die Lange λ aus der Beziehung
λ2 =2Ï~2
mkBT
ergibt. Dabei ist ~ = h/2Ï die Plancksche Konstante und λ entspricht der deBroglie Wellenlange eines Teilchens mit Energie kBT . Der Vorfaktor zu fMB
hat dann die elegante Form nλ3/h3, wobei nλ3 der dimensionslose Gaspara-meter ist und h3 die Wirkung h die korrekte Einheit der Verteilungsfunkt-ion garantiert. Der tiefere physikalische Sinn dieser Schreibweise ergibt sichnaturlich beim Ubergang zu Quantengasen; hier erhalten wir eine praktischeForm.
Die mittlere Energie ăΔă ergibt sich zu (~p0 = 0)
ăΔă =
â«d3p p2
2mf0â«d3p f0
=32kBT (11.36)
und die wahrscheinlichste (âp(4Ïp2f0(p))|p = 0) und mittlere Geschwindig-keit sind (wieder fur ~p0 = 0) gegeben durch
v =
â2kBT
m,
ăv2ă1/2 =
â3kBT
m> v. (11.37)
Typische Geschwindigkeiten in Gasen bei Zimmertemperatur sind v ⌠105 cm/s(O2). Bei einem Wirkungsquerschnitt von Ï âŒ Ïr2 ⌠3 · 10â15 cm2 ergibtsich die freie Weglange ` ⌠1/nÏ âŒ 1000 A, wobei man n = L/Vmol '2.7 · 1019 cmâ3 aus der Loschmidtâschen Zahl und dem Molvolumen beiZimmertemperatur und Normaldruck findet. Daraus resultiert eine typischeStosszeit Ï âŒ 10â10 s. Beachte, dass der mittlere Abstand a = 1/n1/3 âŒ30 A ` ⌠1000 A ist; im Gas ist die Wechselwirkung zwischen den Ato-men/Molekulen klein und Stosse sind selten.
vv 2 1/2_v
4Ï p2 f0
Abb. 11.5: Maxwell-BoltzmannVerteilung im klassischen Gas.Typische Werte bei Druck p â760 Torr und Temperatur T â300 K sind a ⌠30 A (Abstandzwischen Atomen), mittlere freieWeglange ` ⌠1000 A, Streu-zeit Ï âŒ 10â10 s, Geschwindigkei-ten v ⌠105 cm/s, Dichten n âŒ3 · 109 cmâ3.
11.2. H-THEOREM, MB VERTEILUNG 109
Um die Thermodynamik des idealen Gases vollstandig zu bestimmen,berechnen wir noch die innere Energie aus (11.36).
U = NΔ =32NkBT =
32nmolRT, (11.38)
â Cv =32NkB, (11.39)
sowie die Boltzmann H-Funktion im Gleichgewicht,
H0 =â«
d3p f0 log f0 = n logn
(2ÏmkBT )3/2â 3
2n.
Aus H0 erhalten wir durch Multiplikation mit âkBV die Entropie
S = NkB logT 3/2V
N+ const. (11.40)
Der Vergleich mit (3.21),
S = nmol(cv lnT + R lnV )= NkB lnT 3/2V (11.41)
erbringt die Verbesserung V â V/N , wodurch S jetzt wirklich extensiv ist.Solange wir uns nur um Entropieanderungen im abgeschlossenen System mitN = const beschaftigen, ist diese Korrektur irrelevant. Wir werden spaterdarauf zuruckkommen.
11.2.1 Verteilungsfunktion fur Fermionen und Bosonen*
Wir haben bereits erwahnt, dass wir beim Ubergang von klassischen Teilchenzu Fermionen den quantenstatistischen Aspekt dieser Quantengase in dieBTG inkorporieren konnen, indem wir im Stosszahlansatz den Faktor ff1âf âČf âČ1 durch die entsprechenden Ausdrucke ersetzen, vgl. (11.13) und auch(11.16). Die Kombination von (11.13), (11.16) mit (11.28), (11.29) ergibtsofort die Gleichgewichtsverteilungen in den Quantengasen (~p0 = 0),
Fermionen: Aus (11.13) folgt
f0(~p )1â f0(~p )
f0(~p1 )1â f0(~p1 )
=f0(~p âČ)
1â f0(~p âČ)f0(~p1
âČ)1â f0(~p1
âČ)(11.42)
(11.29)â logf0
1â f0=
”
kBTâ
Δ~p
kBT
â f0 = fFD =1
exp[(Δ~p â ”)/kBT ] + 1.
110 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Bosonen: Aus (11.16) folgt
N0(~q )1 + N0(~q )
N0(~q1 )1 + N0(~q1 )
=N0(~q âČ)
1 + N0(~q âČ)N0(~q1
âČ)1 + N0(~q1
âČ)(11.43)
(11.29)â logN0(~q )
1 + N0(~q )=
”
kBTâ
Δ~q
kBT
â N0 = NBE =1
exp[(Δ~q â ”)/kBT ]â 1.
Fur ~p0 6= 0 geht Δ~p uber in Δ~p â ~p · ~p0 (Galilei-Transformation).
11.3 Alternative Herleitung von fMB*
Eine bemerkenswerte Eigenschaft der Maxwell-Boltzman Verteilung ist ihreUnabhangigkeit von jeglichen Details des Stossprozesses. Diese Universa-litat von fMB lasst vermuten, dass sich fMB auch ohne Ruckfuhrung auf einekinetische Gleichung finden lasst. Tatsachlich lasst sich fMB aus einem sta-tistischen Konzept herleiten.
Wir unterteilen den Ein-Teilchen-Phasenraum ” in K Boxen mit Vo-lumen Ï = â3pâ3q um die Positionen (~pi, ~qi ) â ”. Die diskrete Einteilchen-verteilungsfunktion fi ergibt sich aus der Angabe der Teilchenzahl Ni in deri-ten Box,
fi =Ni
Ï. (11.44)
Indem wir (11.44) uber das mikrokanonische Ensemble (10.8) mitteln, er-halten wir die Verteilungsfunktion im Gleichgewicht (vgl. (10.12))
f0i =ăNiăÏ
, (11.45)
wobei die Nebenbedingungen
Kâi=1
Ni = N,
Kâi=1
Nip2
i
2m= E (11.46)
zu erfullen sind. Es ist klar, dass viele Punkte (p, q) â ÎE,V,N dieselbe Ver-teilungsfunktion fi definieren. Wir suchen diejenige Verteilung von NiK1 ,die das grosste Volumen in ÎE,V,N einnimmt, indem wir annehmen, dass diewahrscheinlichste Verteilung gerade die Verteilung des Gleichgewichtes ist.Sei ΩNi das zu NiK1 gehorige Volumen in ÎE,V,N . Mit N !/N1!N2! . . . Nk!Anzahl Moglichkeiten N ununterscheidbare Teilchen auf K Boxen zu ver-teilen mit Ni Teilchen in der i-ten Box und Ïmikro = const. ist
ΩNi âN !
N1!N2! . . . Nk!gN11 . . . gNK
K ; (11.47)
11.3. ALTERNATIVE HERLEITUNG VON FMB* 111
dabei sind die Zahlparameter am Schluss auf 1 zu setzten, gi = 1. Wirberechnen den Logarithmus des Volumen unter Verwendung der Formel vonStirling, log N ! â N log N âN ,
log ΩNi = log N !âKâ
i=1
log Ni! +Kâ
i=1
Ni log gi + C (11.48)
â N log N âKâ
i=1
Ni log Ni +Kâ
i=1
Ni log gi + C
Wir finden das Maximum von log Ω unter Berucksichtigung der Nebenbe-dingungen (11.46) durch Variation nach Ni des Ausdruckes (α und ÎČ sinddie zu den Nebenbedingungen gehorigen Lagrange Parameter),
ÎŽ[log Ωâ α
âNi â ÎČ
âNiΔi
]= 0
â â(1 + log N0i) + log gi â αâ ÎČΔi = 0â N0i = gi exp[âαâ ÎČΔi â 1]â f0i = C exp[âÎČp2
i /2m]. (11.49)
Mit den ublichen Bedingungen (â«
f = n, p = nkBT ) ergibt sich aus (11.49)die Maxwell-Boltzmann Verteilung als die wahrscheinlichste aller Verteilun-gen, die mit den Nebenbedingungen (11.46) vertraglich ist.
Wir konnen uns noch fragen, wie wahrscheinlich diese wahrscheinlichs-te Verteilung ist. Dazu betrachten wir die Varianz
ăN2k ă â ăNkă2 =
âNi N2
k ΩNiâNi ΩNi
â
(âNi Nk ΩNiâNi ΩNi
)2
= gkâ
âgkăNkă
(11.49)= N0k (11.50)
[âš(Nk
N
)2â©ââšNk
N
â©2]1/2=
1âN
(N0k
N
)1/2. (11.51)
Die Verteilung P(Nk) ist also eng um den Maxweel-Boltzmann Wert N0k
herum verteilt. Fur ein grosses System ist die Verteilungsfunktion fi prak-tisch immer beliebig nahe an der MB-Verteilung, fi â f0i, fast immer. Wirnennen Verteilungsfunktionen im Peak von P(Nk) âessentiell MBâ.
Einige Bemerkungen zum H-Theorem, molekularem Chaos, Maxwell-Boltzmann Verteilung und Boltzmann Transport Gleichung. Das H-Theorembesagt, dass, falls das Gas im Zustand molekularen Chaos ist, dann gilt
dH
dt
âŁâŁâŁ0+†0 und
dH
dt
âŁâŁâŁ0+
= 0â f = fMB. (11.52)
112 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
N
k( )P
Nâ1/2
N0 k N Nk
N
Abb. 11.6: Verteilungsfunkti-on P(Nk) zentriert um N0k/Nund Breite â 1/
âN welche
im thermodynamischen LimesN, V ââ verschwindet.
Aus der mikroskopischen Zeitumkehrinvarianz folgt, dass dann auch
dH
dt
âŁâŁâŁ0ââ„ 0. (11.53)
Eine Trajektorie der Funktion H hat damit auf einer mikroskopischen Skaladas in Abbildung 11.7 skizzierte Aussehen. Beachte, dass das H-Theorem
H PrÀparationweg vom GG essentiell
MB verteilt
molekulares Chaos(lokaler Peak)
t
BTG
Abb. 11.7: Zeitliche Trajektorie von der Funktion H fur ein System welchessich dem Gleichgewicht annahert und dann durch eine essentiell Maxwell-Boltzmann Verteilung beschrieben wird. In den durch einen Punkt bezeich-neten lokalen Spitzen gilt molekulares Chaos.
nur in ausgewahlten Zustanden des molekularen Chaos gilt. Entsprechendist H keine mikroskopisch stetige Funktion. Ursache der Unstetigkeiten sinddie Stosse.
11.4 Approximationen zur Boltzmanngleichung
Ausser in Spezialfallen ist die Losung der Boltzmann Transportgleichung il-lusorisch. In diesem Kapitel betrachten wir Approximationen zur BoltzmannTransportgleichung, die eine systematische Losung erzeugen. Dabei wollen
11.4. APPROXIMATIONEN ZUR BOLTZMANNGLEICHUNG 113
wir Situationen betrachten in denen wir uns nicht zu weit vom Gleichge-wicht entfernen. Ein wichtiges Konzept in diesem Zusammenhang ist dieEinfuhrung des lokalen Gleichgewichtes beschrieben durch die lokale Maxwell-Boltzmann Verteilungsfunktion f` 0,
f` 0 =n(~r )
(2ÏkBT (~r )m)3/2exp[â(~pâ ~p0(~r ))2/2mkBT (~r )]. (11.54)
wobei n(~r ), ~p0(~r ) und T (~r ) lokale Gleichgewichtsparameter der Dichte (âchemisches Potential ”(~r )), der Konvektion, und der Temperatur bezeich-nen (entsprechend den Invarianten 1 â n, ”; ~p â ~p0; ~p 2 â T ). Im Fallezeitabhangiger Phanomene tritt eine zusatzliche Zeitabhangigkeit in diesenParametern auf. Die Verteilung f` 0 ist keine Losung der Boltzmann Trans-portgleichung, denn
Df` 0 âĄ[ât + ~v · ~â~r +
~F
m· ~â~p
]f` 0 6= 0, aber
âtf` 0|Stosse = 0. (11.55)
Um eine Losung zu finden, mussen wir eine Korrektur g berucksichtigen,f = f` 0+g. Bleiben wir in der Nahe des (lokalen) Gleichgewichtes so konnenwir g als klein annehmen und linearisieren. Dabei konzentrieren wir undtypischerweise auf Losungen zu Problemen vom Typ
i) Relaxation: Gegeben f(~p, ~r, t = 0); wie relaxiert f gegen f0 (keine Trei-ber) oder gegen fs (zeitunabhangige Treiber, fs beschreibt die stati-onare Losung).
ii) Stationarer Transport: Gegeben ein Satz zeitunabhangiger Treiber,z.B., ~F 6= 0, ~âT 6= 0, ~â” 6= 0 oder ~ân 6= 0: wie sieht die stationareLosung fs aus?
11.4.1 Linearisierung
Linearisiert wird zumeist an zwei Orten in der Boltzmann Transportglei-chung, im im Flussterm Df und im Stossterm âtf |Stosse. Wir konzentrierenuns zunachst auf den Stossterm (11.10) und machen den Ansatz
f = f` 0(1 + Κ). (11.56)
mit Κ 1 eine kleine Storung. Konkret heisst die fur das Relaxations-problem i), dass f(t = 0) nahe an fs ist; im Transportproblem ii) soll derTreiber ~F klein sein, wobei ~F = ~F , ~âT , â”, . . .6. Mit âtf` 0|Stosse = 0 finden
6Beachte auch, dass der Stossansatz (11.7) fur die Teilchen-Defekt Streuung bereitslinear ist.
114 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
wir ausgehend von (11.10) sofort
âtf |Stosse = âf` 0(~p )â«
d3pâČ d3p1 d3pâČ1 w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
f` 0(~p1 )
Ă[Κ(~p ) + Κ(~p1 )âΚ(~p âČ)âΚ(~p1âČ)]
⥠f` 0(~p )LΚ, (11.57)
mit L einem linearen Operator. Als nachstes wenden wir uns dem FlusstermDf zu. Mit (11.56) finden wir
Df = Df` 0(1 + Κ) + f` 0DΚ. (11.58)
Betrachte zuerst die Aufgabe i), Relaxation: der Einfachheit halber sei~F = 0, ~â~r = 0 (Homogenitat). Dann ist f` 0 = f0, Df0 = 0, und zu losenbleibt das lineare Problem
âtΚ = LΚ. (11.59)
Im Transportproblem ii) ist ât = 0 (Stationaritat) und mit F klein konnenwir Df linearisieren,
Df â Df` 0 â ~F ,
Κ â ~F . (11.60)
Das zu losende zweifach (in ~F und in Κ) linearisierte Problem lautet dann
Df` 0 = f` 0LΚ. (11.61)
Relaxation*
Wir wenden uns erst der Losung des Relaxationsproblems i) zu. Mit demSeparationsansatz
Κ = α(t)g(~p ) (11.62)
erhalten wir das Eigenwertproblem
Lgλ(~p ) = âλgλ(~p ), (11.63)
wobei der Eigenwert λ den Zerfall der Komponente Κλ(~p, t) = eâλtgλ(~p )beschreibt. Dass die Losungen Κλ wirklich zerfallen (d.h. λ > 0), folgt ausder Negativitat des Operators L bezuglich des Skalarproduktes
(g1, g2) âĄâ«
d3p f0(~p )g1(~p )g2(~p ),
(g, Lg) †0. (11.64)
Die Negativitat (11.64) folgt aus w > 0 und den Symmetrieeigenschaften(11.21). Beachte auch, dass L bezuglich (11.64) hermitesch ist, (g1, Lg2) =
11.4. APPROXIMATIONEN ZUR BOLTZMANNGLEICHUNG 115
(g2, Lg1). Eine Ausnahme bilden die Erhaltungsgrossen g10 ⌠1, (gpx
0 , gpy
0 , gpz0 ) âŒ
~p, gp2
0 ⌠p2, die alle zum Eigenwert λ = 0 gehoren und daher nicht zerfal-len. Mit der vollstandigen Basis gλ(~p ) konnen wir die Losung zu (11.59)entwickeln,
Κ =âλ6=0
Aλgλ(p)eâλt, (11.65)
wobei die Gewichte Aλ durch die Anfangsbedingung Κ(0) gegeben sind,
Aλ =â«
d3p f0(~p )gλ(~p )Κ(~p, t = 0)
= (gλ,Κ(t = 0)). (11.66)
Obwohl substantiell vereinfacht, stellt die Losung des Eigenwert-Problems(11.63) immer noch ein aufwandiges Problem dar, das nur in Ausnahmefalleneinfach losbar ist. Ein bekanntes Beispiel sind die Maxwell-Molekule mitVrep(r) â râ4, siehe Ubungen.
Transport
Das generische Beispiel fur Transport im klassischen Gas ist der Warme-transport im Temperaturgradienten ~âT . Mit
f` 0 = exp[â(Δp â ”(~r ))/kBT (~r )] (11.67)
finden wir
Df` 0 = ~v · ~â~rf` 0 = ââf` 0
âΔp~v ·[Δp â ”
T~âT + ~â”
].
Wir schreiben ~â” um auf ~âT : Im stromungsfreien Fall mit ~p0 = 0 ist derDruck p = const. und mit ” = ”(T ) erhalten wir
~â” =â”
âT
âŁâŁâŁp
~âT.
Mit ” = G/N , âG/âT = âS und der Enthalpie H = G + TS ist
”â Tâ”
âT=
1N
(G + TS) =H
N= h (11.68)
und wir findenDf` 0 = ââf` 0
âΔp(~v · ~âT )
Δp â h
T. (11.69)
Fur ein klassisches Gas ist âΔpf` 0 = âf` 0/kBT und das Transportproblem(11.61) reduziert sich mit (11.69) zu
Df` 0/f` 0 =Δp â h
kBT 2~v · ~âT = LΚ. (11.70)
116 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Bezeichnen wir den Treiber mit
X = âΔp â h
kBT 2~v · ~âT (11.71)
so gilt es, die Losung Κ = âLâ1X â ~âT zu finden. Die Warmestromdichtew ist definiert als
w =â«
d3p f~vΔp (11.72)
und gehorcht dem Fourierschen Gesetz,
w = âÎș ~âT. (11.73)
Formaler Ausdruck fur Îș*
Setzen wir die formale Losung Κ = âLâ1X â ~âT in die Definition (11.72)ein, so finden wir einen kompakten Ausdruck fur den Warmeleitungskoeffi-zienten Îș 7,
~w =â«
d3p f~vΔp =â«
d3p f` 0(1 + Κ)~vΔp
= (~vΔp, 1)  =0
+(~vΔp,Κ)â (~vh,Κ)ïžž ïž·ïž· ïžž=h(~v,Κ)=0
= (~v(Δp â h),Κ)
= â[kB
T 2
(~âT )2(X, Κ)
]~âT, (11.74)
â Îș = âkB
( T
~âT
)2(X, Κ).
Mit Κ =â
λ6=0 Aλgλ und
(X, g”) = â(Lâλ6=0
Aλgλ, g”) = λ”A” â A” = (X, g”)/λ”
erhalten wir das elegante Resultat
Îș = kB
( T
~âT
)2âλ6=0
(X, gλ)2
λ. (11.75)
Das obige Schema lasst sich in gleicher Weise zur Bestimmung andererTransportkoeffizienten nutzen. Methoden zur âLosungâ der inhomogenen In-tegralgleichung (11.70) besprechen wir in den nachsten beiden Abschnitten.
7Der Ausdruck h(~v, Κ) verschwindet, da Κ ℠EigHλ=0, vgl. nachster Abschnitt, sonst
ware ~w 6= 0 nach Abschalten von ~âT .
11.4. APPROXIMATIONEN ZUR BOLTZMANNGLEICHUNG 117
11.4.2 Variationsprinzip*
Mit der DefinitionH = âL (11.76)
lautet unsere Aufgabe, eine Losung des inhomogenen Problems
HΚ = X (11.77)
zu finden, wobei X der bekannte Treiber und L der linearisierte Stossope-rator in (11.57) ist. Dabei muss die Funktion X orthogonal zu den Erhal-tungsgrossen sein, X â„ EigH
λ=0 = g10, ~g0, g
p2
0 (damit die Gleichung (11.77)losbar ist) und Κ ℠EigH
λ=0, damit sich fur tââ, ~F â 0 das Gleichgewichteinstellt. Gemass der Definition (11.76) und der Eigenschaft (11.64) ist Hpositiv (semi-)definit.
Unser Ziel ist die Bestimmung von Transportkoeffizienten vom Typ(siehe (11.74))
(X, Κ). (11.78)
Dabei erweist sich das folgende Variationsprinzip al nutzlich: Sei U(~p ) einebeliebige Funktion von ~p. Dann ist
(X, Κ) ℠(X, U)2
(U,HU)
und wir erhalten eine untere Schranke fur den entsprechenden Transportko-effizienten. Oft ergibt U = X eine gute erste Abschatzung8.
11.4.3 Relaxationszeitapproximation
Mit der linearisierten Transportgleichung (11.61), den expliziten Ausdrucken(11.69) (Liouville Term) und (11.70) (Treiber), und (11.76) besteht unsereAufgabe in der Losung der Differentialgleichung
Df` 0 = âf` 0X = âf` 0HΚ, (11.79)
wobei f` 0 lokal Maxwell-Boltzmannsch ist und X als bekannt betrachtetwird, z.B., fur einen Temperaturgradienten als Treiber im Problem derWarmeleitung ist
X = âΔp â h
kBT 2~v · ~âT.
Die Invertierung Κ = Hâ1X ist im allgemeinen schwierig. Eine drastischeVereinfachung bringt die Relaxationszeitapproximation. Dabei geht man von
8Zum Beweis minimiert man den Ausdruck ((Κ â λU), H(Κ â λU)) â„ 0 bezgl. λ:λ = (U, HΚ)/(U, HU). Einsetzen ergibt die Schwarzâsche Ungleichung (Κ, HΚ)(U, HU) â„(U, HΚ)2.
118 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
der Annahme aus, dass Stosse die Verteilungsfunktion f innerhalb einer cha-rakteristischen Stosszeit Ïr zu fr relaxieren. Der Stossterm f` 0HΚ reduziertsich dann zu
f` 0HΚâ f â fr
Ïr. (11.80)
Es ergibt sich die wichtige Frage: Was sind physikalisch vernunftige Ansatzefur fr und Ïr? Wir werden spater genauer darauf eingehen und konzentrie-ren uns vorerst auf die Konsequenzen der Approximation (11.80). Dabeibetrachten wir Ïr als Stosszeit Parameter und brauchen fur fr den Ansatzfr ⌠f` 0. Damit reduziert sich (11.80) zu
HΚâ ΚÏ
. (11.81)
Mit dem Ansatz (11.81) ersetzen wir das Spektrum des linearen OperatorsH â„ 0 durch einen einzigen Wert 1/Ï . Mit (11.79) finden wir sofort dieLosung
Κ = ÏX = â Ï
kBT 2(Δp â h)~v · ~âT (11.82)
fur die Warmeleitung9. Die Definition der Warmestromdichte und der Fou-rieransatz
~w =â«
d3p f` 0~v ΔpΚ = âÎș ~âT [= âÎș(âxT, 0, 0)]
ergeben fur den Warmeleitungskoeffizienten den Ausdruck (wir benutzen dieIsotropie v2
x = v2/3 = 2Δp/3m)
Îș =Ï
kBT 2
â«d3p f` 0 v2
x Δp(Δp â h)
=2Ïn
3mkBT 2ăΔ2
p(Δp â h)ă,
wobei wir den Erwartungswert
ăAă =â«
d3p f` 0Aâ«d3p f` 0
(11.83)
definieren. Fur ein ideales Gas ist h = cpT = 5kBT/2 und die Momente ăΔnp ă
ergeben sich zu10
ăΔnp ă = (kBT )n Î(n + 3/2)
Î(3/2); (11.84)
damit erhalten wir das Schlussresultat
Îș = ncpÏkBT
m. (11.85)
9Zeige, dass (11.82) tatsachlich (~v, Κ) = 0 erfullt.10Î(x + 1) = xÎ(x)
11.4. APPROXIMATIONEN ZUR BOLTZMANNGLEICHUNG 119
Spektrum von H
Im nachsten Schritt wollen wir die Natur der Relaxationszeit Ïr besser ver-stehen. Dazu betrachten wir die TeilchenâDefekt-Streuung als einfachstesBeispiel. Das TeilchenâDefekt Eigenwertproblem ist exakt losbar und gibtuns Einblick in die Funktionsweise der Relaxationszeitapproximation. Aus-gehend von der Streurate (11.6) mit der Zustandsdichte Ï(pâČ) = 1/(2Ï~)3,Vol = 1 und dem Ansatz
Nimp|ă~p âČ|Vimp|~p ă|2 =â
`
W`P`(cos Ï), cos Ï = pâČ Â· p, (11.86)
schreiben wir das Stossintegral um auf die Form
âtf |Stosse = â2Ï
~
â«dΩpâČ
dpâČpâČ 2
(2Ï~)3â
`
W`P`(cos Ï)ÎŽ(Δp â ΔpâČ)[f(~p )â f(~p âČ)].
(11.87)Wir zerlegen f(~p ) in seine Winkelanteile
f(~p ) =â`âČ,mâČ
f`âČ,mâČ(Δp)Y`âČ,mâČ(Ξ, Ï) (11.88)
und benutzen das Additionstheorem
P`(cos Ï) =4Ï
2` + 1
âm=â`
Y`m(Ξ, Ï)Y â`m(ΞâČ, ÏâČ), (11.89)
âtf |Stosse = â2Ï
~
â«dΩpâČ
dpâČpâČ2
(2Ï~)3â
`,m,`âČ,mâČ
4Ï
2` + 1W` f`âČmâČ ÎŽ(Δp â ΔpâČ)
ĂY`m(Ξ, Ï)Y`m(ΞâČ, ÏâČ) [Y`âČmâČ(Ξ, Ï)â Y`âČmâČ(ΞâČ, ÏâČ)]
= ââ`,m
Y`m(Ξ, Ï)2Ï
~
â«dΔpâČ
â2mΔpâČm
(2Ï~)3ÎŽ(Δp â ΔpâČ)
Ă[W0 â
W`
2` + 1
]f`m(ΔpâČ);
die Integrale uber den Raumwinkel ΩpâČ ergeben fur den Term Y`âČmâČ(Ξ, Ï) dasResultat ÎŽ` 0ÎŽm0Y`âČmâČ(Ξ, Ï) und fur Y`âČmâČ(ΞâČ, ÏâČ) den Ausdruck ÎŽ``âČÎŽmmâČY`m(Ξ, Ï).Offensichtlich sind die Funktionen f`m(Δp) gerade Eigenfunktionen zum Ope-rator âtf |Stosse,
âtf`m(Δp)|Stosse = â 1Ï`(Δp)
f`m(Δp), (11.90)
1Ï`(Δp)
=2Ï
~mâ
2mΔp
(2Ï~)3[W0(Δp)â
W`(Δp)2` + 1
].
120 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Fur Fermionen spielt sich der Transport an der Fermiflache ab und wirkonnen Δp = ΔF setzen. Das Resultat (11.90) zeigt uns, dass jede Deforma-tion f`m der Verteilungsfunktion mit ihrer eigenen Zeitskala Ï`(Δp) zerfallt.Beachte, dass alles Gewicht beim jeweiligen Δp bleibt, eine Folge der Ener-gieerhaltung ÎŽ(ΔpâΔpâČ) im Streuprozess. Auch beinhalten die Komponentenf`>0,m keine netto Teilchenzahl da
â«dΩ Y`â„0,m = 0. Entsprechend ist der Ei-
genwert Ïâ10 â [W0âW`/(2`+1)|`=0] = 0, die Teilchenzahl ist eine Invarian-
te. Besonders relevant ist die Relaxationszeit Ï1der âDipolâ-Komponente f1,m
von f(~p ): Die meisten Treiber erzeugen eine Dipolquelle Df` 0 â ~v · ~F â Y1m
und die entsprechende Relaxationszeit lasst sich schreiben als
1Ï1
=â«
d3pâČ w~p âČ,~p (1â p âČ Â· p) ⥠1ÏTransport
. (11.91)
Wir sehen, dass die Vorwartsstreuung mit p âČ Â·p = 1 den Dipol nicht relaxiert,wahrend die Umkehrstreuung mit p âČ Â· p = â1 doppelt effizient ist.
Aus unserem Beispiel lernen wir zwei wichtige Dinge:
1. In der Relaxationszeit Approximation â(f â fr)/Ïr soll die Relaxa-tionszeit der Symmetrie der Quelle X angepasst werden. Fur einenDipoltreiber X ist Ïr = ÏTransport eine gute Wahl. Beachte, dass dieStreuzeit ÏStreu =
â«d3pâČ w~p âČ,~p 6= Ïtr keine Gewichtung im Winkel auf-
weist.
2. Die Verteilung fr, zu der f relaxiert, soll den Erhaltungssatzen an-gepasst werden. Im Beispiel der TeilchenâDefekt Streuung haben wirgesehen, dass jede Inhomogenitat f`>0 in der Winkelstreuung relaxiertund nur f`=0 = ăfăΩ
ăfăΩ =â«
dΩ4Ï
f(Δp,Ω)
uberlebt. Ein guter Ansatz fur fr im Problem der TeilchenâDefektStreuung ist deshalb fr = ăfăΩ.
Aus 1. und 2. ergibt sich fur die Relaxationszeit Approximation beider TeilchenâDefekt Streuung der Ansatz
âf
ât
âŁâŁâŁâŁTââD
â âf â ăfăΩÏTransport
. (11.92)
Entsprechend findet man gute Relaxationszeit Approximationen fur die Pro-bleme der TeilchenâTeilchen und der TeilchenâModen Streuung:
TâT Streuung: Die TeilchenâTeilchen Streuung vermag den Dipol nichtzu relaxieren (~p ist erhalten). Das erste relaxierte Moment ist der Qua-drupol und entsprechend ist die Streuzeit Ïr = Ï2 relevant. Trotzdem
11.4. APPROXIMATIONEN ZUR BOLTZMANNGLEICHUNG 121
benutzt man oft Ïr = ÏStreu als einfachsten Ansatz,
ÏStreu(p) =â«
d3pâČ d3p1 d3pâČ1 w~p âČ,~p1âČ;~p,~p1
.
Fur die relaxierte Verteilung fr wahlt man die lokale Maxwell-BoltzmannVerteilung f` 0, wobei die Erhaltungssatze berucksichtigt werden, in-dem n, T , ~p0 fur f und f` 0 die gleichen Erwartungswerte liefern. Dielokalen Werte von n, T , ~p0 ergeben sich aus der Hydrodynamik, sieheKapitel 12. Zusammenfassend hat die Relaxationszeit Approximatio-nen fur die TeilchenâTeilchen die Form
âf
ât
âŁâŁâŁâŁTââT
â âf â f` 0
ÏStreu. (11.93)
TâM Streuung: Die TeilchenâModen Streuung relaxiert die Verteilungzum Gleichgewicht f0, wobei T durch die Temperatur des Modenbades(z.B. Phononentemperatur = Temperatur des Kristalles) gegeben ist.Fur Ïr benutzt man meist die TeilchenâModen Streuzeit ÏTââM,
âf
ât
âŁâŁâŁâŁTââM
â â f â f0
ÏTââM. (11.94)
Ein beliebter Ansatz, der die Invarianten sauber berucksichtigt, ist die Sub-stitution (vgl. (11.81))
HΚâ 1Ï
[Κâ
âi
(g(i)0 ,Κ)g(i)
0
](11.95)
mit Hg(i)0 = 0, den Invarianten von H. Der Ansatz (11.95) ersetzt das Spek-
trum von H durch die zwei Eigenwerte 0 und 1/Ï . Fur die TeilchenâTeilchenStreuung sind die gemass (11.64) normierten Funktionen gegeben durch
g10 =
1ân
,
gpi0 =
pi
m
ânkBT
m, i = x, y, z,
gp2
0 =
â23n
[ p2
2mkBTâ 3
2
]. (11.96)
122 KAPITEL 11. KINETISCHE GASTHEORIE
Kapitel 12
Hydrodynamik
Die Grundidee der Hydrodynamik ist die Reduktion der kinetischen Glei-chung (11.17) fur ein Gas/Fluidum auf ein System von Transportgleichungenfur die ersten drei Momente der Verteilungsfunktion f . Entsprechend wirdangenommen, dass f durch diese Momente charakterisiert wird und manbetrachtet den Ansatz
f = f`0 + g (12.1)
mit der lokalen Maxwell-Boltzmann Verteilung
f`0 = n(~r, t)( m
2ÏkBT (~r, t)
)3/2exp[âm(~v â ~u(~r, t))2
2kBT (~r, t)
]. (12.2)
Der Ansatz (12.2) beinhaltet die funf (hydrodynamischen) Parameter
n(~r, t) Dichte,~u(~r, t) konvektive Stromung,
T (~r, t) Temperatur. (12.3)
Die Bedingung, dass (12.1) die Boltzmann Transport Gleichung erfullen soll,
Df =âf
ât
âŁâŁâŁStosse
,
erlaubt es, die Korrektur g durch f`0 auszudrucken: in erster Ordnung findenwir unter Nutzung der Relaxationszeit Approximation
Df`0 + Dgïžžïž·ïž·ïžž=0
= âf â f`0
Ï= âg
Ï. (12.4)
In nullter Ordnung vernachlassigen wir g und verlangen, dass
Df`0 = 0 (12.5)
123
124 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
sei. Die nullte Ordnung Betrachtung wird uns auf die Euler-Gleichungenfuhren. In erster Ordnung losen wir die Boltzmann Transportgleichung inRelaxationszeitapproximation und bestimmen g aus f`0,
g = âÏDf`0, (12.6)
um daraus die Navier-Stokes-Gleichungen zu erhalten. Die Momente vonf`0 erhalten wir aus den funf Erhaltungssatzen der BTG:Sei Ï = 1, ~p, p2 eine Erhaltungsgrosse, dann giltâ«
d3pDf Ï =â«
d3pâf
ât
âŁâŁâŁStosse
Ï = 0.
â[â
ât
â«d3p f Ï + ~âr
â«d3p~vfÏâ ~F
â«d3p (~â~p Ï)f
](12.7)
Den letzten Term erhalt man nach partieller Integration und f â 0 furpââ. Die resultierenden Gleichungen haben die Form
Ï = 1 : âtn + âiji = 0,
Ï = ~p : âtjk +1m
âiÎ ik =n
mFk,
Ï = p2 : âte + âiΔi = jiFi. (12.8)
Dabei haben wir die Grossen
Dichte: n =â«
d3p f,
Stromdichte: jk =â«
d3p vkf,
Energie: e =â«
d3pp2
2mf,
Geschw.stromdichte: Î ik =â«
d3p vivkf,
Energiestromdichte: Δk =â«
d3pp2
2mvkf, (12.9)
eingefuhrt. Beachte, dass gemass Definition die Momente n, jk, e bezgl.f und f`0 identisch sind (Erhaltungssatze). Andererseits sind Πik und Δk
fur f und f`0 verschieden. Entsprechend differieren diese Grossen in nullter(f â f`0) und erster Ordnung (f â f`0 â ÏDf`0). Indem wir fur f in (12.9)einsetzen, konnen wir alle Grossen in (12.8) durch n, ~u und T ausdrucken underhalten einen Satz von funf Transportgleichungen fur die funf Unbekanntenn, ~u und T .
Die Hydrodynamik beschreibt erfolgreich die Transportphanomene inGasen und in Flussigkeiten, die sich durch lokales Gleichgewicht beschreiben
12.1. NULLTE ORDNUNG, EULER-GLEICHUNG 125
lassen (f nahe am Gleichgewicht). Die Zeitskalen (ât ⌠Ï) und Langenskalen(~â ⌠~k), auf denen sich n, ~u und T andern, mussen dabei gross gegenuberden mikroskopischen Skalen Ï = Streuzeit und ` = vÏ = freie Weglange sein,das heisst es gilten fur X = n, ~u, .T , dass
|âtX|X
1Ï,
|~âX|X 1
`,
ÏÏ 1, k` 1. (12.10)
Typische Anwendungsgebiete der hydrodynamischen Idee sind die Fluiddy-namik, Verbrennung, Aerodynamik, Atmospharenphysik, Warme- und La-dungstransport in Festkorpern/Flussigkeiten/Gasen, Akustik, etc.
Im Folgenden skizzieren und diskutieren wir die Herleitung und dieStruktur/Eigenschaften der Eulergleichungen und der Navier-Stokes-Gleichung.Wir verzichten auf detaillierte Rechnungen, die aufwendig, aber trivial sind.In 12.3 diskutieren wir einige Anwendungen.
12.1 Nullte Ordnung, Euler-Gleichung
Wir separieren die Ausdrucke in (12.9) in konvektive Anteile (~u) und ther-mische Anteile (~Μ),
~v = ~u + ~Îœ, (12.11)â«d3p~vf = n~u,
â«d3p~Îœf = 0.
Fur die Grossen ~j, e, Πik, und Δk erhalten wir konvektive und thermischeAnteile,
jk = nuk, (12.12)
e =mn
2u2 + q, q =
m
2
â«d3p Îœ2f,
Î ik = mnuiuk + pik, pik = m
â«d3p ÎœiÎœkf,
Δk =mn
2u2uk + quk + uipik + wk, wk =
m
2
â«d3p Îœ2Îœkf.
In nullter Ordnung ist f = f`0 und wir finden
q = (3/2)nkBT (= U/V, U = innere Energie),pik = ÎŽikp, p = nkBT (= isotroper Druck),wk = 0 (keine Warmestromdichte). (12.13)
126 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
Einsetzen in (12.8) ergibt die Eulergleichungen (zweite Zeile)
âtn + âi(nui) = 0, (Kontinuitatsgleichung),mât(nuk) + âi(mnuiuk + ÎŽiknkBT ) = nFk, (12.14)
ât
(mn
2u2 +
32nkBT
)+ âi
[(mn
2u2 +
52nkBT
)ui
]= nFiui.
Eine elegantere Form findet man mit Hilfe der substantiellen Ableitung
Dt ⥠ât + uiâi. (12.15)
Sei X(~r, t) = X(~r âČ + ~ut, t) die interessierende Grosse. Dann ist
r
u
r â
mitfliessendes
System
Laborsystem
Abb. 12.1: Zur Definitionder substantiellen Ableitung. DieTransformation ins mitfliessendeSystem involviert die Ersetzung~r = ~r âČ + ~ut und entsprechendlast sich das Feld X schreiben alsX(~r, t) = X(~r âČ + ~ut, t).
dX
dt= âtX + ~u · ~âX = DtX.
X enthalt damit zwei Zeitabhangigkeiten, eine âechteâ (ât) und eine triviale,von der Konvektion herruhrende (~u · ~â). Die Gleichungen (12.14) vereinfa-chen sich dann zu
Dtn + n~â · ~u = 0,
mnDt~u + ~â(nkBT ) = n~F ,
32DtT + T ~â · ~u = 0. (12.16)
Diese 0. Ordnung Gleichungen sind speziell: Es tritt keine Dissipation auf;die durch die Kraft ~F ins System hineingepumpte Energie geht in konvekti-ven Fluss uber (idealer Leiter). Warme wird nur via Konvektion transpor-tiert. Entlang einer Stromlinie herrscht Adiabatizitat:
Dtn = ân~â · ~u,
â32
n
TDtT = n~â · ~u,â
â Dtnâ32
n
TDtT = Dt(nTâ3/2) = 0, (12.17)
12.2. ERSTE ORDNUNG, NAVIER-STOKES-GLEICHUNG 127
und mit nTâ3/2 â (nâ5/3p)â3/2 = const. entlang einer Stromlinie finden wirdie Adiabatengleichung (3.17),
pv5/3 = const. (12.18)
entlang der Stromlinie.
12.2 Erste Ordnung, Navier-Stokes-Gleichung
Wir evaluieren die Ausdrucke (12.12) mit (siehe (12.6))
f â f`0 â ÏDf`0 (12.19)
und benutzen die 0. Ordnung Gleichung (12.16) um den Ausdruck fur Df`0
zu vereinfachen (Df`0 ist bereits die Korrektur 1. Ordnung). Man findetnach einigen Rechnungen
1f`0Df`0 =
m
kBTNikUik +
( m
2kBTÎœ2 â 5
2
)Îœi
âiT
T, (12.20)
mit Nik = ÎœiÎœk â ÎŽikÎœ2/3, Uik = [âiuk + âkui]/2.
Einsetzen von (12.19) und (12.20) in (12.12) ergibt die neuen Ausdrucke furpik und wk,
pik =(nkBT +
23η~â · ~u
)ÎŽik â η(âiuk + âkui),
wk = âÎșâkT. (12.21)
Dabei findet man den Viskositatskoeffizienten
η = nkBTÏ = pÏ
und den Warmeleitungskoeffizienten (vgl. (11.85))
Îș =1m
cpkBTÏ, cp =52nkB. (12.22)
Beachte, dass die BeziehungÎș =
cp
nm
den Warmetransport Îș und den Impulstransport η via einer Konversion vonWarmedichte (cp) zu Massendichte (nm) ineinander uberfuhrt. Einsetzendieser Resultate in (12.8) ergibt die Navier-Stokes-Gleichung fur den Trans-port des Impulses: Mit
p = pik = âη(âiuk + âkui) +23η (~â · ~u ) ÎŽik
128 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
finden wir die Kontinuitatsgleichung, Navier-Stokes-Gleichung und Entropie-Gleichung in erster Ordnung,
Dtn + n~â · ~u = 0,
mnDt~u + ~â(nkBT ) = n~F â ~â · p, (12.23)
nkB
[32DtT + T ~â · ~u
]= ~â · (Îș~âT )â (p · ~â ) · ~u,
Beachte, dass Îș und η von n und T abhangen.
Die Gleichungen (12.23) beschreiben die Dynamik eines realen Flui-dums und berucksichtigen dissipative Prozesse wie viskosen Fluss und Warme-leitung. Beachte aber, dass wiederum alle ins System via ~F eingespieseneEnergie im System verbleibt. Allerdings kann jetzt konvektive Stromungs-energie in Warme transformiert werden, was zu einer Erhohung der Tempe-ratur T fuhrt. Oft vernachlassigt man die Terme â u2 auf der rechten Seiteder Entropie-Gleichung. Fur ~u = 0 findet man die Diffusionsgleichung furdie Temperatur T (vgl.(9.4)),
âtT =Îș
cvâ2T, cv =
32nkB. (12.24)
Die letzte Gleichung von (12.23) wird oft als Energie1- oder als Entropie2-Transportgleichung geschrieben,
ât
(mn
2u2+q
)+ ~â·
[(mn
2u2+h
)~u]
= n~F · ~uâ ~â · (p · ~u + ~w ),
T [âts + ~â · (s~u )] = â~â · ~w â (p · ~â )·~u. (12.25)
Beachte, dass dU = TdS â pdV , U = uV , S = sV , dV/V = âdn/n, g =u â Ts + p; zusammen ergibt dies du = Tds + g(dn/n), wobei wir hier udurch q ersetzt haben, um Verwechslungen mit der Konvektion vorzubeugen.Im Vergleich von (12.25) mit (9.5) beachte man, dass wir im Kapitel 9 dasVolumen und damit die Dichte n fixiert haben. Auch ist mit Îș â T dieDivergenz des Warmestromes gegeben durch
â~â · ~w
T= Îș
( ~âT
T
)2+ Îșâ2T
T.
12.3 Anwendungen
Hier beschranken wir uns auf ideale Fluida. Die hydrodynamischen Glei-chungen konnen in verschiedene Formen gebracht werden.
1q = (3/2)nkBT = hâ p2Tds = dq â g(dn/n)
12.3. ANWENDUNGEN 129
Zur Eulergleichung
Wir starten mit der Eulergleichung in der Form
mn[ât~u + (~u · ~â )~u ] = n~F â ~âp.
Aus der Entropiegleichung (12.25), âts+ ~â(s~u ) = 0 (Îș = 0, η = 0 im idealenFluidum) folgt sofort Dt(s/n) = 0, d.h., die Entropie pro Teilchen entlangder Stromungslinien ist konstant; man nennt diese Stromung adiabatisch(vgl. (12.18)). Ist s/n = const. im Fluidum zur Zeit t = 0, so gilt s/n =const. zu jedem spateren Zeitpunkt. Mit der thermodynamischen Beziehung
d(h
n
)= Td
( s
n
)+
dp
n=
dp
n
finden wir fur die adiabatische Stromung den Zusammenhang
~â(h
n
)=
~âp
n
und damit lasst sich die Eulergleichung in die Form
m[ât~u + (~u · ~â )~u ] = ~F â ~â(h
n
)(12.26)
bringen. Beachte, dass d(s/n) = 0 nicht ds = 0 fordert; die Entropie proTeilchen, nicht pro Volumen, ist erhalten. Mit der Vektoridentitat
~â(~a ·~b ) = (~a · ~â )~b + (~b · ~â )~a + ~a ⧠(~ââ§~b ) +~b ⧠(~â⧠~a )
findet man sofort
12
~âu2 = (~u · ~â )~u + ~u ⧠(~â⧠~u ),
und es gibt sich die weitere Form
m[ât~uâ ~u ⧠(~â⧠~u )] = ~F â ~â(mu2
2+
h
n
); (12.27)
deren Rotation ergibt (die rechte Seite ist potential/longitudinal, ~â ⧠~F =â~â⧠~âΊ = 0)
ât(~â⧠~u ) = ~â⧠(~u ⧠(~â⧠~u )). (12.28)
Die Formen (12.26), (12.27) und (12.28) der Eulergleichung sind sehr nutz-lich. Zusammenfassend gilt fur ideale Fluida (Kontinuitatsgleichung, drei
130 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
Formen der Eulergleichung, zwei Adiabatengleichungen):
Dtn + n~â · ~u = âtn + ~â · (n~u ) = 0,
mDt~u = ~F â~âp
n= ~F â
(h
n
),
m[ât~uâ ~u ⧠(~â⧠~u )] = ~F(mu2
2+
h
n
),
ât(~â⧠~u ) = ~â⧠[~u ⧠(~â⧠~u )],
nDt
( s
n
)= âts + ~â · (s~u ) = 0,
ât
(mn
2u2 + q
)+ ~â ·
[(mn
2u2 + h
)· ~u]
= n~F · ~u. (12.29)
Stromungslinien
Wir haben mehrmals den Begriff der âStromungslinienâ benutzt. Diese sinddefiniert als Losung der Differentialgleichungen
dx
ux=
dy
uy=
dz
uz(d~r â ~u ). (12.30)
Fur eine stationare Stromung geben die Stromungslinien gerade die Teilchen-trajektorien; im zeitabhangigen Fall geben die Tangenten der Stromungslini-en die momentane Stromungsrichtung an. Beachte, dass die Stromingslinienbeliebig parametrisierbar sind (Tangente 6= Geschwindigkeit im allgemei-nen). Oft wird vom auf 1 normierten Tangentialfeld ~t Gebrauch gemacht,|~t | = 1, ~t · u = ~u, ~t · (~âX) = âX/â` = Ableitung entlang der Stromungs-richtung (= Ableitung entlang der Stromung fur ât = 0.)
Typen von Stromungen, Flussigkeiten
Schliesslich fuhren wir noch einige Begriffe ein: Eine Stromung heisst
adiabatisch, falls Dt(s/n) = 0,
stationar, falls ât~u = 0,
rotierend, falls ~â⧠~u 6= 0, (12.31)nicht-rotierend, falls ~â⧠~u = 0,
potential ~u = ~âΊ.
Eine Flussigkeit heisst
inkompressibel, falls n = const., kont.Gl.â ~â · ~u = 0,
ideal, falls Îș = 0, η = 0. (12.32)
12.3. ANWENDUNGEN 131
12.3.1 Hydrostatik
In der Hydrostatik ist ât = 0, ~u = 0 â ~âp = n~F .
Inkompressibles Fluidum
Fur ein inkompressibles Fluidum der Massendichte Ï = mn im Gravitati-onsfeld gilt dann
0
p
z
0 z
Abb. 12.2: Inkomressibles Fluidumim Gravitationsfeld.
~F = âmGz,
p(z) = p0 + ÏG(z0 â z). (12.33)
Kompressibles Gas
Fur ein Gas im thermodynamischen Gleichgewicht (T = const.) folgt ausd(g/n) = â(s/n)dT + dp/n
~âp
n= ~â
(g
h
)und im Gravitationsfeld ~F = â~âΊ, Ί = Gz, findet man mit Hilfe derEulergleichung
~â(g/n + Gz) = 0 â g/n + Gz = const. (12.34)
Die Relation (12.34) ist die thermodynamische Gleichgewichtsbedingung imGravitationsfeld. Mit dem Potential g(p, T ) in der Form
g(p, T )n
= g0(T ) + kBT lnp
p0
erhalten wir die barometrische Hohenformel
p(z) = p(0)eâGz/kBT . (12.35)
132 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
Stabiler Stern
Fur einen gravitationel stabilen Stern ist
~F = âm~âΊ, mit âΊ = 4ÏG0Ï,
~âp = âÏ~âΊ,
~â · (~âp/Ï) = â4ÏG0Ï. (12.36)
Mit der Zustandsgleichung p(Ï, T ) erhalten wir aus (12.36) die Massenver-teilung des Sterns. Im allgemeinen ist T 6= const. und man muss auch eineGleichung fur das Temperaturprofil T losen; mit T 6= const. ergibt sich dannauch Konvektion, also kommt noch eine Gleichung fur ~u dazu. Entsprechendist (12.36) stark idealisiert.
Konvektion*
In diesem Zusammenhang ist es interessant, die Stabilitat des Systems ge-genuber konvektiver Stromung zu untersuchen3. Betrachte ein Massenele-ment des Fluidums auf der Hohe z, mit Volumen vm, Entropie sm und beiDruck p; wir wahlen sm, p als Variablen, vm = vm(p, sm). Wir lassen dasFluidum um dz nach oben (zâČ = z + dz) driften, das Volumen andert sichzu vm(pâČ, sm) aufgrund des neuen Druckes pâČ bei zâČ. Im Gleichgewicht mussdieser Prozess eine rucktreibende Kraft erfahren: diese entspricht dem Mas-senunterschied zwischen dem neuen Volumen vm(pâČ, sm) und dem verdrang-ten Volumen vm(pâČ, sâČm), welches durch die Entropie sâČm bei zâČ determiniertwird,
~Fruck â (vm(pâČ, sâČm)â vm(pâČ, sm)) ⌠âvm
âsm
âŁâŁâŁp
âsm
âz> 0.
Gemass (4.37) ist der Faktor âsmvm|p = (T/cp)âT V |p > 0 und deshalb gilt
âsm
âz> 0. (12.37)
Mit derZustandsgleichung
ds =cp
TdT â âV
âTdp
und (12.33), âzp = âGÏ, findet man als Stabilitatskriterium
âdT
dz< GÎČ
T
cp. (12.38)
Fur ein ideales Gas ist ÎČ = 1/T , cp = 5kB/2m,
dT
dz> â2
5Gm
kB
. (12.39)
3Ein solches System ist thermisch nicht im Gleichgewicht.
12.3. ANWENDUNGEN 133
Ist das Fluidum/Gas in der Hohe zu kalt, so fallt es runter und es entstehteine konvektive Stromung4.
12.3.2 Bernoullis Gesetz
Wir betrachten eine stationare Stromung mit
ât~u = 0. (12.40)
Dann folgt aus (12.29) die Eulergleichung in der Form
~u ⧠(~â⧠~u ) = ~â(1
2u2 +
h
Ï+
Ίm
). (12.41)
Die Multiplikation mit dem Stromungsvektor ~t ergibt mit ~u ⧠(~â ⧠~u ) â„ ~tdas Gesetz von Bernoulli:
â
â`
(12u2 +
h
Ï+
Ίm
)= 0, (12.42)
12u2 +
h
Ï+
Ίm
= const.
entlang der Stromung. Fur ein Gas ist h = (5/2)nkBT = (5/2)p und wirfinden fur ~F = 0
12Ïu2 +
52p = const. (12.43)
Fur ein inkompressibles Fluidum ist ~â(h/Ï) = ~â(p/Ï) und damit
12Ïu2 + p = const; (12.44)
der Druck ist dort am grossten, wo die Stromungsgeschwindigkeit am kleins-ten ist.
12.3.3 Nichtrotierende Stromungen*
Wir definieren die Rotation des Geschwindigkeitsfeldes entlang der SchleifeÎł als
Î =âź
γd~ · ~u. (12.45)
Man zeigt leicht, dassdÎdt
= DtÎ = 0 : (12.46)
im idealen Fluidum ist die Rotation erhalten (Helmholtz-Kelvin-Theorem).Im Beweis ist zu beachten, dass sich nicht nur das Geschwindigkeitsfeld ~u,sondern auch die Position der Schleife Îł verandert. Mit d~ = ÎŽ~r ist
4Beachte, dass (12.39) ein System weg vom thermodynamischen Gleichgewicht charak-terisiert.
134 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
dl
r
Abb. 12.3: Das Differential d~ = ÎŽ~rentlang der Schleife.
DtÎ =âź
Dt~u · ÎŽ~r +âź
~u ·DtΎ~r
Der erste Term ist Potential und verschwindet,âźDt~u · ÎŽ~r = â
âź~â(h
Ï+
Ίm
)· Ύ~r = 0
Im zweiten Term schreiben wir DtÎŽ~r = âtÎŽ~r + ~u · ~âÎŽ~r = ÎŽ~u; das Schleifen-integral uber ~uÎŽ~u = ÎŽu2/2 verschwindet, also ist DtÎ = 0. Beachte, dass(12.46) nur fur isentrope Stromungen gilt.
(b)
Î = 0
Î = 0
Î = 0
ĂŒberall?
(a)
Î= 0
Î = 0
USF
USF
Abb. 12.4: (a) Wird die im Eingangskanal nicht rotierende Stromung(Î = 0) hinter dem Hindernis weiterhin rotationsfrei fliessen? (b) Hinterdem umflossenen Objekt bilden sich Unstetigkeitsflachen (USF) innerhalbderen die Stromung turbulent (also auch rotierend) wird.
Aus (12.46) folgt fur eine stationare Stromung, dass die Rotation ent-lang einer Stromungslinie erhalten ist5. Man mochte schliessen, vgl. Abb.
5Fur ât~u 6= 0 gilt die Erhaltung der Rotation entlang der Teilchentrajektorien.
12.3. ANWENDUNGEN 135
12.4(a), dass fur eine stationare Stromung um einen Korper herum dieStromung nicht rotiert, wenn sie asymptotisch im Eingangskanal nicht ro-tiert.
Dieser Schluss ist falsch. Der Grund liegt darin, dass Stromungslini-en, die dem Korper folgen, von diesem separieren konnen, es entsteht eineUnstetigkeitsflache mit einem Sprung in der Stromungsgeschwindigkeit, vgl.Abb. 12.4(b). Die hydrodynamischen Gleichungen lassen eine Vielzahl vonLosungen mit Unstetigkeitsflachen zu. Die zugehorigen tangentialen Uns-tetigkeiten sind instabil, die Stromung wird turbulent. In diesem Bereichbricht die Approximation eines idealen Fluidums zusammen und die endli-che Viskositat der Flussigkeit muss berucksichtigt werden.
Trotzdem gibt es Beispiele, wo die Annahme einer nichtrotierendenStromung um einen Korper Sinn macht:
1. Ein stromlinienformiger Korper erzeugt Turbulenz nur in einem engenSchattenkanal, vgl. Abb. 12.5.
Abb. 12.5: Schattenkanal mit Turbulenz hinter einem stromlinienformigenKorper.
2. Ein oszillierender Korper erzeugt bei genugend kleiner Amplitude a` = Dimension des Korpers keine Wirbel. Dazu schatzen wir die Grosseder verschiedenen Terme in (12.29) ab,
ât~u + ~u (~â · ~u ) = â~â(h
Ï+
Ίm
).
Mit v = Ïa der Geschwindigkeit des Korpers ist
~u (~â · ~u ) ⌠v2/`,
ât~u ⌠Ïv ⌠v2/a v2/`, â ât~u â â~â(h
Ï+
Ίm
)ât(~â⧠~u ) â 0, ~â⧠~u â 0. (12.47)
Wir nennen eine nichtrotierende Stromung auch eine Potentialstromungund schreiben
~u = ~âÏ. (12.48)
Mit der Eulergleichung (12.29) folgt sofort
âÏ
ât+
12u2 +
h
Ï+
Ίm
= f(t). (12.49)
136 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
OBdA konnen wir f = 0 setzen (Umeichung von Ί durch f(t)). Ist dieStromung stationar, so folgt das Gesetz von Bernoulli,
12u2 +
h
Ï+
Ίm
= const. (12.50)
in verstarkter Form: In (12.42) hangt die Konstante von der Stromungslinieab, in (12.50) ist die Konstante dieselbe im ganzen Fluidum.
12.3.4 Inkompressible Fluida und Potentialstromung
Aus der Kontinuitatsgleichung folgt
~â · ~u = 0 (12.51)
und mit (12.29) gilt
ât(~â⧠~u ) = ~â⧠(~u ⧠(~â⧠~u )). (12.52)
Gemass (12.44) lautet die Bernoulli-Gleichung
12Ïu2 + p +
ÏΊm
= const. (12.53)
Ist die Stromung potential, so ist const. universell im Fluidum und mit~â⧠~u = 0, ~u = â~âΊ gilt
âΊ = 0. (12.54)
Besonders elegant lassen sich rotationssymmetrische Stromungen um einenentsprechenden Korper herum losen, vgl. Abb. 12.6. Das 2D-Problem kann
Achse
x
y
Abb. 12.6: Rotationssym-metrische Stromung umeinen rotationssymmetrischenKorper.
mit Hilfe der Methoden der Funktionentheorie gelost werden. Aus ~â · ~u = 0folgt
ux = âyΚ, uy = ââxΚ, (12.55)
und ~â⧠~u = 0 ergibt
ux = âxΊ, uy = âyΊ, (12.56)
â ux = âxΊ = âyΚ, uy = âyΊ = ââxΚ. (12.57)
12.3. ANWENDUNGEN 137
Dies sind gerade die Cauchy-Riemann Bedingungen fur die in z = x + iyanalytische Funktion w = Ί + iΚ. Fur w gilt dann (mit âz = (âx â iây)/2und âz = (âx + iây)/2)
dw
dz= ux â iuy,
dw
dz= 0. (12.58)
Die Randbedingung ~u~n = 0 (~n = Oberflachennormale, Korper in Ruhe)bedeutet, dass das Korperprofil eine Stromungslinie ist. Die Aufgabe bestehtdann im Auffinden der Funktion w â A mit w reell auf dem Korperprofil.
Ein beliebtes Beispiel ist der Potentialfluss um die Kugel
âÏ = 0,
~u = ~âÏrâââ ~u0, ~un = 0. (12.59)
Transformieren auf das Fluidsystem ergibt die Stromung um die bewegteKugel,
Ru
0
r Abb. 12.7: Zur Geometrie derStromung um die bewegte Ku-gel.
âÏ = 0,
âÏ
âr
âŁâŁâŁr=R
= u0 cos Ï, Ïrâââ 0.
Man findet leicht die Losung in der Form eines Dipolfeldes
Ï(~r ) = âu0
2R3 cos Ï
r2, r > R,
~u(~r ) = âu0
2R3~âcos Ï
r2, r > R. (12.60)
Mit m0 der Masse der Kugel findet man die effektive Masse im Fluidumund die kinetische Energie
meff = m0 +12
4Ï
3R3Ï = m0 + mâČ,
E =12(m0 + mâČ)u2
0. (12.61)
138 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
Abb. 12.8: Dipolfeld der be-wegten Kugel; beachte denRuckfluss (backflow) in derStromung.
12.3.5 Schallwellen
Wir starten mit den Gleichungen (12.29) in der Form
âtÏ + ~â · (Ï~u ) = 0,
ât~u + ~u ~â · ~u = â~âp
Ï, (12.62)
und suchen eine Losung der Form Ï, p, T, ~u ⌠const. + Aei(~q·~râÏt). Die Am-plituden A ⌠ÏâČ, pâČ, T âČ, ~u sollen klein sein, so dass wir (12.62) entwickelnkonnen. Dann ist in erster Ordnung
âtÏâČ + Ï0
~â · ~u = 0,
ât~u +1Ï0
~âpâČ = 0. (12.63)
In (12.63) eliminieren wir ÏâČ zugunsten von pâČ und benutzen dabei die Adia-batizitat Dt(s/n) = 0,
pâČ =âp0
âÏ0
âŁâŁâŁâŁs/n
ÏâČ. (12.64)
Einsetzen in (12.63) ergibt in erster Ordnung6
âtpâČ + Ï0(âÏ0p0)s/n
~â · ~u = 0,
ât~u +1Ï0
~âpâČ = 0. (12.65)
Wir zwei zwei klassische Losungswege vor:6Wir nutzen, dass
âtÏâČ = ât
hâp0
âÏ0
iÏâČ + âtÏ
âČ Â· âp0
âÏ0und ât
hâp0
âÏ0
i= 1. Ordnung.
12.3. ANWENDUNGEN 139
1. via Fouriertransformation:
â iÏpâČ + iÏ0(âÏ0p0)s/n~q · ~u = 0,
~q · | â iÏ~u +i
Ï0~qpâČ = 0,
â âiÏ~q · ~u + iq2
Ï0pâČ = 0. (12.66)
In Matrixschreibweise finden wir sofort die Sakulargleichung(âÏ Ï0(âÏ0p0)s/n
q2/Ï0 âÏ
)(pâČ
~q · ~u
)= 0,
â Ï2 â(âp0
âÏ0
)q2 = 0,
und daraus die Dispersion
Ï =
ââp0
âÏ0
âŁâŁâŁs/n
= cq. (12.67)
Beachte: Der Schall ist eine kollektive Mode. Sie beruht auf der Kom-pressibilitat
âp0
âÏ0=
1mn0Îșs
und involviert Oszillationen in Dichte versus Druck. Der Schall im Gasist longitudinal, fur ~q·~u = 0 (transversaler Schall) ergibt sich keine pro-pagierende Losung. Der Grund ist, dass eine Dichteschwankung an denDruck koppelt, was eine rucktreibende Kraft erzeugt. Fur eine trans-versale Mode ist ~â · ~u = 0 und es ergibt sich keine Dichteschwankungund somit auch keine rucktreibende Kraft.
2. Wir setzen ~u = ~âÏ, pâČ = âÏ0âtÏ (aus (12.65.b)) und finden die Wel-lengleichung aus (12.65.a)
â2t Ïâ c2âÏ = 0, c =
ââp0
âÏ0
âŁâŁâŁâŁs/n
. (12.68)
Die Losung von (12.68) hat die Form (wir betrachten die Propagationentlang der x-Achse)
Ï = f(xâ ct) â u = âxf = f âČ.
Der Vergleich mitpâČ = âÏ0âtf = Ï0cf
âČ
140 KAPITEL 12. HYDRODYNAMIK
ergibt
u =1
Ï0cpâČ.
Ersetzen wir mit (12.64) pâČ = c2ÏâČ so finden wir
u =c
Ï0ÏâČ.
Mit T âČ = âpT |s/n pâČ = (T/cp)âT V |p pâČ vgl. (4.37), finden wir die Tempera-turschwankungen
T âČ =cÎČT
cpu. (12.69)
Fur ein ideales Gas ist ÎșT = 1/p, Îșs = (cv/cp)ÎșT = (3/5)ÎșT , c2 = (5/3)kBT/m,unabhangig vom Druck. Fur die Amplituden gilt
T âČ
T=
23
ÏâČ
Ï=
25
pâČ
p=â
4m
15kBTu,
c2 â 104 T
#Nukleonenm2
s2. (12.70)
Kapitel 13
Klassische statistischeMechanik
Wir kommen auf unsere Diskussion statistischer Beschreibungen im Ka-pitel 10 zuruck und entwickeln die Thermodynamik (allgemein und spe-zifischer Systeme) aus den verschiedenen Ensembles. Wir erinnern an dasKonzept des 6N -dimensionalen Phasenraumes Î, dessen Punkte (p, q) =(p1, . . . , p3N , q1, . . . , q3N ) den (momentanen) Zustand eines Systems beschrei-ben. Ebenso erinnern wir an die auf Î definierte Dichtefunktion Ï(p, q), mitderen Hilfe wir die Ensemblemittelwerte
ăMă =â«
d3Np d3NqM(p, q)Ï(p, q)â«d3Np d3Nq Ï(p, q)
(13.1)
definieren, die unter der Annahme von Ergodizitat gleich den gemessenenZeitmittelwertenMT sind. Der Wert der Dichtefunktion Ï auf Î hangt vomEnsemble ab. In der Folge diskutieren wir die drei relevanten Ensembles derstatistischen Mechanik (es ist E die Energie, V das Volumen und N dieTeilchenzahl des Systems):
E, V, N fest, abgeschlossenes System, mikrokanonisches Ensemble
V,N fest, System im Kontakt mit einem Warmereservoir der TemperaturT , kanonisches Ensemble.
V fest, System im Kontakt mit einem Warme- und Teilchenreservoir derTemperatur T und mit chemischem Potential ”, grosskanonisches En-semble.
141
142 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
13.1 Mikrokanonisches Ensemble
Wir basieren die statistische Mechanik auf dem Postulat gleicher a prioriWahrscheinlichkeit Ï(p, q) fur jeden mit den Bedingungen E, V, N vertragli-chen Zustand in Î,
Ï(p, q) =
1/h3NN !, E < H(p, q) < E + â,
0, sonst.(13.2)
Die Konstante h hat die Dimension einer Wirkung und fallt in (13.1) raus.Der Faktor N ! beruht auf einem Ansatz von Gibbs und lost das Gibbs-sche Paradoxon: Das Mischen gleicher Atome wird unter Berucksichtigungdieses Faktors keine Mischentropie erzeugen. Mit diesem Faktor zahlen wiralle permutierten Zustande (pÏ(1), . . . , pÏ(3N), qÏ(1), . . . , qÏ(3N)), Ï â S3N ,nur einmal â âkorrektes Boltzmann-Zahlenâ. Dass die Atome wirklich un-unterscheidbar sind, ist ein Postulat aus der Quantenstatistik und geht (imPrinzip) uber die klassische Beschreibung hinaus.
Wir definieren das durch das mikrokanonische Ensemble besetzte (di-mensionslose) Volumen
Î(E) âĄâ«
d3Np d3Nq Ï(p, q)
=â«
E<H(p,q)<E+â
d3Np d3Nq
N !h3N(13.3)
im Zustandsraum Î. Mit den Definitionen
ÎŁ(E) âĄâ«H(p,q)<E
d3Np d3Nq
h3N N !
Ï(E) ⥠dÎŁ(E)dE
(Zustandsdichte) (13.4)
konnen wir Î schreiben als
Î(E) = ÎŁ(E + â)â ÎŁ(E) â Ï(E)â. (13.5)
Mit (13.3) definieren wir die Grosse S(E, V, N),
S(E, V, N) = kB ln Î(E), (13.6)
mit kB = 1.380 · 10â16 erg/K = (1/11605) eV/K und 1 eV = 1.602 · 10â19 J.Die Grosse S ist (Beweis siehe unten)
â extensiv in E,N, V
â maximal im abgeschlossenen System, d.h. (13.7)S(E, V, N) > S(E, V, N ; Hemmungen).
13.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE 143
Aufgrund der Aussagen (13.7) identifizieren wir S(E, V, N) mit der Entropiedes Systems. Wir erkennen damit auch die mikroskopische Bedeutung derEntropie: Sie zahlt die zur Verfugung stehenden Zustande im Î-Raum undsteuert das System in Richtung maximaler molekularer Unordnung.
S ist extensiv: Wir unterteilen das System E, V, N in zwei Teilsyste-me E1, V1, N1 und E2, V2, N2 (die Wechselwirkung zwischen den Systemenskaliert mit V 2/3 und wir vernachlassigen diesen Beitrag in den folgendenBetrachtungen). Die isolierten Systeme 1 und 2 mit Energien in (E1, E1+â)und (E2, E2 + â) haben die Entropien
S1(E1, V1, N1) = kB ln Î1(E1),S2(E2, V2, N2) = kB ln Î2(E2), (13.8)
wo Î1,2 die von den Systemen 1, 2 besetzten Volumina in Î sind, siehe Abb.13.1. Fur die Energen E, E1, E2 gelten die Relationen
1
E < â
E1+â
E1
E2
+â
E2E
q2
p2
0
p1
0
E
q
<
Abb. 13.1: Aufteilung des Volumen Î im Phasenraum.
E < E1 + E2 < E + 2â. (13.9)
Zum (gehemmten) System mit den partiellen Energie E1 und E2 gehort dasPhasenraumvolumen
Î1(E1)Î2(E2). (13.10)
Die Energie E des ursprunglichen Systems lasst sich beliebig auf die Sub-systeme verteilen, so dass
Î(E) =E/ââ
i
Î1(Ei)Î2(E â Ei) und
S(E, V, N) = kB logE/ââ
i
Î1(Ei)Î2(E â Ei) (13.11)
144 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
(hier haben wir nur die Hemmung in E aufgehoben). Betrachte jetzt dengrossten Summanden in (13.11),
Î1(E1)Î2(E2) mit E1 + E2 = E.
Dann istÎ1(E1)Î2(E2) †Î(E) †E
âÎ1(E1)Î2(E2). (13.12)
Da aber log Îi â Ni, log E/â ⌠log N ist, finden wir sofort das Resultat
S(E, V, N) = S1(E1, V1, N1) + S2(E2, V2, N2) +O(log N) (13.13)
und S ist extensiv. Da E1 und E2 den Hauptbeitrag zur Entropie gebenverschwindet die Variation
ÎŽ[Î1(E1)Î2(E2)]âŁâŁâŁE1,E2
= 0 (13.14)
und wir finden einen Gleichgewichtsparameter,
ÎŽÎ1
Î1= âÎŽÎ2
Î2, und mit ÎŽE1 = âÎŽE2
â
âE1log Î1 =
â
âE2log Î2
â 1T1⥠âS1
âE1
âŁâŁâŁâŁE1
=âS2
âE2
âŁâŁâŁâŁE2
⥠1T2
; (13.15)
die Ableitung von S nach E definiert einen Gleichgewichtsparameter, denwir mit der (inversen) Temperatur T identifizieren,
1T
=âS
âE
âŁâŁâŁâŁV,N
. (13.16)
S ist maximal: Die Konvektivitat von S folgt unmittelbar aus (13.11).
Diese Argumente lassen sich fur Hemmungen in V und N wieder-holen, woraus sich die weiteren Gleichgewichtsparameter p (Druck) und ”(chemisches Potential) ergeben,
p = TâS
âV
âŁâŁâŁâŁE,N
, ” = TâS
âN
âŁâŁâŁâŁE,V
. (13.17)
Mit der offensichtlichen Identifizierung U ⥠E haben wir mit (13.6) geradedie Entropie S als Funktion der extensiven Variablen E, V, N als thermody-namisches Potential gefunden,
S(U ⥠E, V, N) = kB log Î(E). (13.18)
13.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE 145
Die Auflosung nach U(S, V,N) gibt uns die innere Energie als Funktion derVariablen S, V , N und die thermischen (p = . . . , ” = . . . ) und die kalorische(eliminiere S in U(S, V,N) mit Hilfe von T = . . . ) Zustandsgleichungen,
T =âU
âS
âŁâŁâŁâŁV,N
, (13.19)
p = ââU
âV
âŁâŁâŁâŁS,N
,
” =âU
âN
âŁâŁâŁâŁS,V
.
Mit der Berechnung von Î(E) (oder ÎŁ(E), Ï(E)) und (13.18) erhalten wirdie gesamte Thermodynamik des abgeschlossenen Systems charakterisiertdurch die extensiven Variablen E, V, N . Beachte, dass log Π⌠log ÎŁ ⌠log Ï.Durch Legendretransformation konnen wir mit F = U âTS, G = U âTS +pV zu offenen Systemen ubergehen.
Beispiel: Ideales Gas
Mit dem Hamiltonian der freien Gasteilchen
H =1
2m
Nâi=1
p2i = E, N, V = const. (13.20)
ist das Integral
ÎŁ(E) =1
h3N N !
â«d3q1 . . . d3qNïžž ïž·ïž· ïžž
V N
â«H<E
d3p1 . . . d3pN (13.21)
zu berechnen. Die Integration uber die 3N -dimensionale Kugel mit Radiusââi p
2i =â
2mE ⥠R ergibt das Volumen1
S3N (R) =Ïn/2
Î(n/2 + 1)Rn
âŁâŁâŁâŁn=3N
(13.22)
1Es ist
Î(1/2) =â
Ï, Î(z + 1) = zÎ(z)z=n= n!
S1 =
âÏâ
Ï/2R = 2R, S2 =
Ï
1R2,
S3 =
âÏÏ
(3/4)â
ÏR3 =
4Ï
3R3.
146 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
und wir erhalten das Resultat
ÎŁ(E) =1
N !V N
h3N
Ï3N/2
Î(3N/2 + 1)(2mE)3N/2. (13.23)
Mit der Stirlingâschen Formel
Î(1 + z) = zzezâ
2Ïz(1 + r(z)), 0 < r(z) < 1/12z + . . . (13.24)
finden wir die Entropie des idealen Gases (Sackur-Tetrode),
S(E, V, N) = kB log ÎŁ
= NkB
[log
V
N+ log
(4ÏmE
3Nh2
)3/2+
52
]. (13.25)
Dabei ist der Vorfaktor â N extensiv und die beiden Summanden in derKlammer sind intensiv, â N/V (von N !) und â E/N (von Î(3N/2 + 1)).Fur die innere Energie ergibt sich der Ausdruck
U(S, V,N) =3h2
4Ïm
(N
V
)2/3N exp
[23
S
NkB
â 53
], (13.26)
woraus sich leicht die Temperatur und kalorische Zustandsgleichung
T =âU
âS
âŁâŁâŁâŁV
=23
U
NkB
, U =32NkBT = E (13.27)
finden lassen. Mit der spezifischen Warme
CV =âU
âT=
32NkB (13.28)
erhalten wir den vertrauten Ausdruck fur S(V, T ) zuruck,
S = NkB logV
N+ CV log T + const. (13.29)
Die thermische Zustandsfunktion folgt aus
p = ââU
âV
âŁâŁâŁâŁS
=23
U
V=
NkBT
V. (13.30)
Damit haben wir die Zustandsfunktionen des idealen Gases mikroskopischhergeleitet.
13.1. MIKROKANONISCHES ENSEMBLE 147
Aquipartitionsprinzip
Als zweite Anwendung der statistischen Mechanik formuliert im mikroka-nonischen Ensemble leiten wir das Aquipartitionsprinzip her; dieses besagt,dass der Erwartungswert der Produkte xiâH/âxj gegeben ist durchâš
xiâHâxj
â©= ÎŽijkBT. (13.31)
Fur das ideale Gas mit H =â
p2i /2m ergibt sich mit xi = pi, xj = pi,âš p2i
2m
â©=
kBT
2, (13.32)
d.h., im Gleichgewicht tragt jeder Freiheitsgrad der Bewegung die EnergiekBT/2; entsprechend ergibt sich fur die Gesamtenergie des idealen Gases
ăHă = U =32NkBT, CV =
32kB, (13.33)
in Ubereinstimmung mit (13.27) und (13.28).
Fur ein System von harmonischen Oszillatoren, H =â
i aip2i + biq
2i
erhalten wir âšpi
âHâpi
+ qiâHâqi
â©= ă2Hă ai,bi 6=0
=â
i
2 kBT. (13.34)
Damit tragt jeder kinetische und jeder potentielle Freiheitsgrad die EnergiekBT/2.
Beweis:
Unter Zuhilfenahme der Umformungâ«H<E
dp dq xiâHâxj
=â«
dp dq xiâ(Hâ E)
âxj
=â«H<E
dp dqâ
âxj(xi(Hâ E))ïžž ïž·ïž· ïžž
Gaussâ0, da HâE=0 auf dem Rand
âÎŽij
â«H<E
dp dq (Hâ E)
finden wirâšxi
âHâxj
â©=
1Î
â«E<H<E+â
dp dq xiâHâxj
=âÎ
â
âE
â«H<E
dp dq xiâHâxj
=ÎŽij
Ï
â
âE
â«H<E
dp dq (E âH) =ÎŽij
Ï
â«H<E
dp dq =ÎŽij
ÏÎŁ
= ÎŽij1
âE log ÎŁ= ÎŽij
kB
âES= ÎŽijkBT.
148 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
Mit pi = ââqiH erhalt man sofort das Virialtheorem,
â3Nâi=1
âšqi
âHâqi
â©=
âš 3Nâi=1
qipi
â©ïžž ïž·ïž· ïžž
Virial d. kl. Mechanik
= â3NkBT. (13.35)
Ein paar warnende Worte zum Aquipartitionsprinzip: Man ist versucht zuargumentieren, dass cV fur harmonische Systeme immer trivial sei, cV =(f/2)kB, mit f der Anzahl Freiheitsgrade pro Teilchen, sowohl kinetische alsauch potentielle. Dies gilt nur fur ein klassisches System, wo jeder Freiheits-grad durch beliebig kleine Energien angeregt wird. In der Quantenmechanikmuss oft eine endliche Energie Eg erbracht werden, um eine Mode/ein Frei-heitsgrad anzuregen (z.B., Eg = ~Ï im harmonischen Oszillator). Erst wennT > Eg ist, nimmt der Freiheitsgrad mit vollem Gewicht kBT/2 an der spezi-
fischen Warme teil. Die Gewichtsfunktion ist gerade ~Ï coth(~Ï/2T ) Tâ0â 0,T>~Ïâ 2T .
13.2 Kanonisches Ensemble
Wir betrachten ein System (E1, V1, N1) im Kontakt mit einem grossen Sys-tem (E2, V2, N2) (E1, V1, N1), das wir als Energiereservoir interpretie-ren. Wir betrachten das Gesamtsystem als abgeschlossen mit der EnergieE < (E1 + E2) < E + 2â. Es bezeichne Î2(E2) das zum Reservoir gehorigeVolumen des Phasenraumes, dann ist die Wahrscheinlichkeit, Ï(p1, q1) dasSystem 1 im Zustand (p1, q1) zu finden, gegeben durch
Ï(p1, q1) â Î2(E â E1). (13.36)
Aus der vorhergegangenen Diskussion zur Extensivitat von S, siehe (13.13),folgt, dass nur ein Energiewert E1 = E1 E relevant ist, so dass wirÎ2(E â E1) entwickeln konnen,
Î2(E â E1) = elog Î2 = eS2(EâE1)/kB
â eS2(E)/kBeâ(E1kB) âE2
S2
âŁâŁE
= const. eâE1/kBT2 , (13.37)
wo T2 gerade die Temperatur des Reservoirs ist. Mit E1 = H(p1, q1) konnenwir die Wahrscheinlichkeitsdichte des kanonischen Ensembles definieren als
Ï(p, q) =1
h3N N !eâH(p,q)/kBT . (13.38)
13.2. KANONISCHES ENSEMBLE 149
Wir definieren die kanonische Zustandssumme ZN als
ZN (V, T ) =â«
d3Np d3Nq Ï(p, q)
=â«
d3Np d3Nq
h3N N !exp[âH(p, q)
kBT
], (13.39)
und definieren die Grosse2
F (V, T,N) = âkBT log ZN (V, T ) (13.40)
Die Grosse F ist extensiv3 und erfullt die Beziehung (Beweis folgt)
F = U â TS. (13.41)
Entsprechend interpretieren wir den Ausdruck F = âkBT log ZN als diefreie Energie des Systems. Das Resultat (13.41) folgt aus der Normierung(wir definieren ÎČ = 1/kBT )
1 =1
ZN
â«d3Np d3Nq
h3N N !eâH/kBT
ZN = eâÎČF =â«
d3Np d3Nq
h3N N !eâÎČH
und Ableitung nach ÎČ,
1ZN
â«d3Np d3Nq
h3N N !eâÎČH[F âH+ ÎČâÎČF
]= 0
â ăHă = F + ÎČâF
âÎČ
â U = F â TâF
âT. (13.42)
Die Differentialgleichung (13.42) ist gerade die aus der Legendretransforma-tion folgende Differentialgleichung fur die freie Energie F .
Fur ein kanonisches Ensemble ergibt sich demnach die Thermodyna-mik aus der Berechnung der Zustandssumme
ZN (T, V ) =â«
d3Np d3NqeâÎČH(p,q)
h3N N !
2Beachte, dass wir die Einschrankung E1 < E in (13.39) haben fallen lassen, da grosseEnergien H(p, q) einen verschwindenden Beitrag zu ZN liefern.
3ZN1+N2(V1 + V2; T ) â ZN1(V1, T ) ZN2(V2, T )
150 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
und der daraus folgenden freien Energie
F (T, V,N) = âkBT lnZN (T, V ), (13.43)
S = ââF
âT
âŁâŁâŁâŁV,N
,
U = F + TS, kalorische Zustandsgleichung,
p = ââF
âV
âŁâŁâŁâŁT,N
, thermische Zustandsgleichung,
” =âF
âN
âŁâŁâŁâŁT,V
, thermische Zustandsgleichung.
13.3 Grosskanonisches Ensemble
Wir betrachten ein System (V1, N1) angekoppelt an ein Teilchenreservoir(V2, N2) (V1, N1) (und das Gesamtsystem angekoppelt an ein Warmere-servoir T ). Die Zustandssumme
ZN (V, T ) =â«
d3Np d3Nq
h3NN !eâÎČH(p,q,N) (13.44)
lasst sich als Produkt des partitionierten Systems schreiben wo jeweils N1 =N âN2 Teilchen im betrachteten Volumen V1 (unser System) verweilen,
ZN =1
h3N N !
â«dp1 dp2
NâN1=0
N !N1!N2!
â«dq1 eâÎČH(p1,q1,N1)
â«dq2 eâÎČH(p2,q2,N2)
=Nâ
N1=0
â«dp1 dq1
h3N1N1!eâÎČH(p1,q1,N1)
â«dp2 dq2
h3N2N2!eâÎČH(p2,q2,N2)
âĄNâ
N1=0
â«dp1 dq1 Ï(p1, q1, N1)ZN , (13.45)
mit der Zustandsdichte
Ï(p1, q1, N1) =1
ZN (T, V )eâÎČH(p1,q1,N1)
h3N1N1!
â«dp2 dq2
h3N2N2!eâÎČH(p2,q2,N2)ïžž ïž·ïž· ïžž
ZN2(T,V2)
=ZN2(T, V2)ZN (T, V )
eâÎČH(p1,q1,N1)
h3N1N1!(13.46)
13.3. GROSSKANONISCHES ENSEMBLE 151
und der Normierung
NâN1=0
â«dp1 dq1 Ï(p1, q1, N1) = 1.
Aus (13.43) folgt (wir nutzen die Zustandsgleichungen âV F = âp = Druck,âNF = ” = chemisches Potential im Reservoir T, V2, N2.
ZN2(T, V2)ZN (T, V )
= eâÎČ[F (T,VâV1,NâN1)âF (T,V,N)]
â eâÎČ[pV1â”N1]. (13.47)
Indem wir die Fugazitatz = eÎČ” (13.48)
einfuhren, erhalten wir fur die Dichtefunktion des grosskanonischen Ensem-bles den Ausdruck
Ï(p, q,N) =zN
h3N N !eâÎČpVâÎČH(p,q)
=eâÎČ [Hâ”N+pV ]
h3N N !. (13.49)
Das Reservoir ist durch die intensiven Parameter p, T und ” charakterisiert.Indem wir V ââ streben lassen, sind alle Werte 0 †N <â zulassig. Wirdefinieren die grosskanonische Zustandssumme
Z(T, V, z) =ââ
N=0
zNZN (T, V ) (13.50)
=ââ
N=0
â«d3Np d3Nq
h3N N !eâÎČ [H(p,q)â”N ]
und finden mit Hilfe der Normierung (13.46) und der Dichtefunktion (13.49)das Grosse Potential 4
âΩ = pV = kBT logZ(T, V, z). (13.51)
Die grosskanonische Zustandssumme liefert uns direkt die thermische Zu-standsgleichung p = p(T, V, ”). Die kalorische Zustandsgleichung finden wir
4Es ist
1 =XN
Zdp dq Ï = eâpV/kBT
XN
zN
Zd3Np d3Nq
h3N N !eâÎČH = eâpV/kBTZ.
152 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
durch Berechnung der mittleren Energie
U = ăHă =âN
â«d3Np d3NqH(p, q)Ï(p, q,N)
= eâÎČpVïžž ïž·ïž· ïžž1/Z
âN
zN
â«d3Np d3Nq
h3N N !H(p, q)eâÎČH(p,q)ïžž ïž·ïž· ïžž
ââÎČZN (T,V )
,
U = â â
âÎČlogZ(ÎČ, V, z)
âŁâŁâŁV,z
. (13.52)
Ebenso findet man fur die Teilchenzahl
N = ăNă =â
N NzNZNâN zNZN
= zâ
âzlogZ(ÎČ, V, z)
âŁâŁâŁÎČ,V
. (13.53)
Die Ableitung nach V gibt trivial die thermische Zustandsgleichung
p = kBTâ
âVlogZ(ÎČ, V, z)
âŁâŁâŁÎČ,z
. (13.54)
Aus (13.52-13.54) lassen sich alle Potentiale konstruieren, z.B.,
F = U â TS aus U gemass (13.52)
und S =â« T
0dT
cV
T, cV =
âU
âT
âŁâŁâŁV
.
13.4 Fluktuationen*
Wir untersuchen die Fluktuationen in der Energie E im kanonischen En-semble und die Fluktuationen in der Teilchenzahl N im grosskanonischenEnsemble. Wir zeigen, dass die Fluktuationen in den extensiven Grossen Eund N klein sind, von der Ordnung
âN ,
ăH2ă â ăHă2 = kBT 2CV , ăHă ⌠N, CV ⌠N,
ăN2ă â ăNă2 = kBTN2
VÎșT , ÎșT = â 1
V
âV
âp
âŁâŁâŁâŁT
. (13.55)
13.4.1 Energiefluktuationen im kanonischen Ensemble
Aus
U = ăHă =1
ZN
â«d3Np d3Nq
h3N N !HeâÎČH
folgt mit ZN = eâÎČFâ«d3Np d3Nq
h3N N ![U âH]eâÎČ(HâF ) = 0
13.4. FLUKTUATIONEN* 153
und die Ableitung nach ÎČ ergibt
âU
âÎČ+â«
d3Np d3Nq
h3N N ![U âH]
[F + ÎČâÎČFïžž ïž·ïž· ïžž
=ăHă=U
âH]eâÎČ(HâF ) = 0,
woraus wir die gewunschte Fluktuationsgrosse bekommen,
ă(U âH)2ă = ââU
âÎČ. (13.56)
Die Umformung
âU
âÎČ= âkBT 2 âU
âT= âkBT 2CV
ergibt sofort das Resultat (13.55a). Mit ăHă ⌠N , CV ⌠N verschwindendie relativen Fluktuationen wie 1/
âN fur grosse Teilchenzahlen N ,
âHH⥠(ăH2ă â ăHă2)1/2
ăHă⌠1â
N
Nâââ 0. (13.57)
Wir geben noch eine alternative Herleitung dieses Resultates: Wir fas-sen alle Zustande mit Energie E zusammen, wobei diese mit dem Gewichtder mikrokanonischen Zustandsdichte Ï(E) zur kanonischen Zustandssum-me ZN beitragen; entsprechend schreiben wir die Zustandssumme ZN in derForm
ZN =â«
d3Np d3Nq
h3N N !eâÎČH =
â« â
0dE Ï(E)eâÎČE
=â« â
0dE eâÎČE+log Ï(E)
=â« â
0dE exp
[ÎČ(
âF(E)ïž· ïžžïžž ïž·TS(E)â E)
], (13.58)
wobei H = E in der Schale mit Energie E ist. Ausgedruckt durch die freienEnergien F und F(E) erhalten wir
eâÎČF =â« â
0dE eâÎČF(E).
Das Integral in (13.58) ist dominiert durch das Maximum des Exponenten
154 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
F(E) = TS â E. Wir entwickeln dann um das Maximum,
F(E) ' F(E) +12
â2f
âE2
âŁâŁâŁE(E â E)2,
âFâE
âŁâŁâŁE
= TâS
âE
âŁâŁâŁEâ 1 = 0 â âES|E=E =
1T
,
wir schreiben âES = T (E)â1, T (E) = T,
â2FâE2
âŁâŁâŁE
= Tâ2S
âE2
âŁâŁâŁE
(13.59)
= Tâ
âE
âS
âE= â 1
T
âT
âE= â 1
TCV.
â F(E)E=U' [TS(U)â U ]â 1
2TCV(E â U)2. (13.60)
Die Zustandsfunktion ZN ist somit gegeben durch ein Gaussâsches Integral
ZN â exp[âÎČ(U â TS(U)ïžž ïž·ïž· ïžž
F
)] â« â
0dE exp
[â (E â U)2
2kBT 2CV
]ïžž ïž·ïž· ïžžâ
2ÏkBT 2CV (âŒâH)
(13.61)
ââ
2ÏkBT 2CV eâÎČ(UâTS) = eâÎČF ;
entsprechend ist die Verteilung der inneren Energie U im kanonischen En-semble gegeben durch eine gausssche Verteilungsfunktion der Breite âH =â
2ÏkBT 2CV , vgl. Abb. 13.2. Im Vergleich der Entropien im kanonischen
E
âÎČ f
U
e
Abb. 13.2: Fluktuationen âUder Energie E um U . DieBreite der Verteilung misstâ
2ÏkBT 2CV .
und im mikrokanonischen Ensemble finden wir Ubereinstimmung bis aufeine (irrelevante) logarithmische Korrektur,
F = U â TSmikrok â12kBT log CV ,
â Skan = Smikrok +12
log CVïžž ïž·ïž· ïžžO(log N)
. (13.62)
Entsprechend erzeugen die beiden Ensembles die gleiche Thermodynamik.Auch illustriert diese Rechnung die Aussage, dass von allen Energien E1 =
13.4. FLUKTUATIONEN* 155
E â EReservoir nur ein bestimmter Wert E1 = U = ăHă relevant sei â(13.57) und (13.61) zeigen, dass die Fluktuationen um diese Energie herumklein sind. Verantwortlich dafur ist die Tatsache, dass der Integrand in ZN
ein Produkt der Zustandsdichte
elog Ï(E) ⌠eαE
mit dem BoltzmannfaktoreâÎČH ⌠eâÎČE
ist; mit E â N â â ergibt sich eine scharf zentrierte Funktion, vgl. Abb.13.61.
0
âÎČ HEÏ ( )
EU
eAbb. 13.3: Scharf lokalisierterIntegrand in (13.61).
13.4.2 Dichtefluktuationen im grosskanonischen Ensemble
Die Teilchenzahlfluktuationen âN ergeben sich aus (13.50) (siehe auch (13.53))zu
ăN2ă â ăNă2 = zâ
âzz
â
âzlogZ(T, V, z)ïžž ïž·ïž· ïžž
pV/kT
ââz
= 1ÎČz
ââ”=
V
kBT
1ÎČ2
â2p
â”2= V kBT
â2p
â”2. (13.63)
Wir formen â2”p um, indem wir die Homogenitatseigenschaften von F be-
nutzen,F (T, V,N) = Nf(T, v = V/N). (13.64)
Mit
p = ââF
âV= ââf
âv,
” =âF
âN= f â v
âf
âv
156 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
finden wir fur die zweite Ableitung â2”p den Ausdruck5
â2p
â”2=
â
â”
âp
â”
= â 1v2
âv
â”=
1v3
1â2
vf= â 1
v3âvp=
ÎșT
v2
und wir erhalten das Resultat (13.55b)
(âN)2 = ăN2ă â ăNă2 = kBTN2
VÎșT . (13.65)
Beachte, dass beide Fluktuationsgrossen âE und âN durch ihre jeweiligenlinearen Antwortkoeffizienten6 CV und ÎșT gegeben sind; dieser Sachverhaltsteht im Zusammenhang mit dem Fluktuations â Dissipationstheorem, vgl.Landau-Lifshitz.
Wiederum konnen wir aufgrund der kleinen Fluktuationen in N denTerm mit N = ăNă = N in (13.50) als den dominanten Term identifizierenund erhalten
Z â zNZN = eÎČ(Fâ”N) (13.66)
mit der kanonischen freien Energie F (T, V, N) im Exponenten. Das Resultat(13.66) gibt uns einen nutzlichen Zusammenhang zwischen der grosskanoni-schen Zustandssumme Z und der freien Energie,
F (T, V, N) = kBT [N log z â logZ(T, V, z)] (13.67)
wobei z aus N = zâz logZ(T, V, z) zu berechnen ist. Beachte auch, dasswir N analog zur Diskussion zu den Energiefluktuationen im kanonischenEnsemble finden konnen,
kanonisch
ZN =â« â
0dE eÎČ[TS(E)âE] =
â« â
0dE eÎČf(E)
â E = U aus max f(E)â âf
âE
âŁâŁâŁE
= 0.
grosskanonisch
ZN =âN
zNZN =âN
eÎČ[”NâF (T,V,N)]
â N aus max[”N â F ]â ”â âF
âN
âŁâŁâŁN
= 0. (13.68)
5Wir nutzen die Relationen
âvp = ââ2vf, â”v = âvf â âvf â vâ2
vf)â1 = â1/vâ2vf,
â”p = âvpâ”v = 1/v.
6lineare Antwort: ÎŽU = CV ÎŽT , ÎŽN = â(V/v2)ÎŽv = NÎșT ÎŽp = (N2/V )ÎșT Ύ”.
13.4. FLUKTUATIONEN* 157
Die Rolle des chemischen Potentials im grosskanonischen Ensemble ist dieeines Lagrange Multiplikators, der die Erhaltung der Teilchenzahl beruck-sichtigt. Konnen in einem System Teilchen spontan entstehen, so ist ublicher-weise die Differenz von Teilchen- und Antiteilchenzahl erhalten, NTâNAT =const. Entsprechend tritt anstelle von ”N der Ausdruck ”(NT â NAT ) inder Formel fur die grosskanonische Zustandssumme,
Z =â
NT ,NAT
ZNTZNAT
eÎČ”(NTâNAT ). (13.69)
Die Definition (13.69) ist relevant im Kontext der Baryon-A-Baryon- (QCD),Elektron-Positron- (QED), Elektron-Loch- (Halbleiter), Vortex-Antivortex-(Supraleiter, XY -Spinsystem in 2D), etc. Erzeugung durch thermische Fluk-tuationen (siehe Ubungen).
Schliesslich bemerken wir noch, dass gemass (13.55) die Fluktuationin Energie und Dichte gross werden, wenn CV , ÎșT â â. Insbesondere istâvp = 0, ÎșT = â am 1. Ordnung Phasenubergang des Gas-Flussigkeit-Systems, siehe Kapitel 7. Die Divergenz in ÎșT zeigt grosse Dichtefluktuatio-nen im Gas-Flussigkeit-Phasenubergang an. Man kann zeigen, dass in dergrosskanonischen Zustandssumme Z ein ganzer Bereich von Teilchenzah-len relevant wird: Mit vg = Vgas/N , vfl = Vfl/N findet man fur die TermeW (N) = zNZN in Z ein Verhalten wie in Abb. 13.4 gezeigt.
gas
..flussig
..
/
ÎșT
= 8
V/ gv V vfl
ÎșT
< 8
N
& gasW
flussig
Abb. 13.4: Relevante Bereiche der Teilchenzahl N in der grosskanonischenZustandssumme am flussigâgas Ubergang.
Zum Verstandnis von Abb. 13.4 definieren wir die freie Energiedichtef(v),
F (T, V,N) = âkBT log ZN
⥠âkBTV f(v = V/N)
und die âgrosse Potentialdichteâ
Ï(v, z) =1v
log z + f(v),
158 KAPITEL 13. KLASSISCHE STATISTISCHE MECHANIK
so dass
Z(V, T, z) =ââ
N=0
eV ((1/v) log zâF/V kBT ) =ââ
N=0
eV Ï(v,z).
Die freie Energiedichte f hangt gemass
p = ââF
âV=
1ÎČ
(f + v
âf
âv
)mit dem Druck zusammen. Via Integration findet man
f(v) =ÎČ
v
â« v
v0
dvâČ p(vâČ) (13.70)
und daraus die Funktion W (N),
W (N) = eV Ï(v,z) mit vÏ(v, z) = log z + ÎČ
â« v
v0
dvâČ p(vâČ). (13.71)
Die Funktion Ï(v) ist konkav in 1/v, â2Ï/â(1/v)2 †0, in denjenigen Gebie-ten, die nicht instabil sind, d.h. âp/âv †0 (Gleichheit am Phasenubergang).Das Maximum in Ï ergibt die Teilchenzahl N = V/v, âvÏ|v=v = 0. Fur eingegebenes pâ v Diagramm lasst sich Ï und damit W bestimmen.
Index
Ableitungsubstantielle, 126
Abwarme, 23, 24Additionstheorem, 119Adiabate, 21, 24Adiabatengleichung, 21, 127Adiabatizitat, 126Analytizitat, 136Antiteilchen, 157Anwendungen
Hydrodynamik, 125Approximation
Relaxationszeit, 118, 123Aquipartitionsprinzip, 147Arbeit, 10, 17Ausdehnungskoeffizient, 12, 15, 51
reales Gas, 68Avogadro, 15
Barion, 157barometrische Formel, 131Bernoulli Gesetz, 133, 136Boltzmann
H-Theorem, 106Boltzmanngleichung, 100, 105Bosonen, 109Boyle-Mariotte, 15
Carnot, 23Carnotmaschine
Medium, 27reversible, 25
Cauchy-Riemann, 137Chaos
molekulares, 96, 102, 111chemische Reaktion, 81
chemisches Potential, 157Clausius-Clapeyron, 43, 58, 84
Dalton, 79Dampf, 70Dampfdruck
Erniedrigung, 84Dampfdruckkurve, 70Dampfmaschinen, 20de Broglie
Wellenlange, 108Dichte
grosskanonisch, 150, 151kanonisch, 148mikrokanonisch, 142
Dichtefunktionim Phasenraum, 94
Dichteoperator, 96Differential, 6
Pfaffsches, 7vollstandiges, 6
Diffusion, 81Konstante, 88
Diffusionsgleichung, 128Dipol, 137dissipative Systeme, 96Drossel, 19Druck, 3
osmotischer, 82Partial-, 80
DynamikLangevin, 96
Edwards-Anderson, 54Effekt
Peltier, 90, 91
159
160 INDEX
thermoelektrischer, 89Eigenwertproblem, 114Einheiten
Druck, 11Mol, 11Stoffmenge, 11Temperatur, 10, 27Warme, 11
Einteilchenphasenraum, 99Eis, 70Eis-Wasser-Dampf, 70Endpunkt
kritischer, 57Energie
freie, 4, 42, 149innere, 4, 17
minimale, 38Energieerhaltung, 100Ensemble
grosskanonisch, 96kanonisch, 96, 148mikrokanonisch, 95, 96, 142Mittelwert, 94
Enthalpie, 4, 19, 115Entmagnetisierung, 53Entropie, 4, 109
Bilanz, 88Definition, 27einer Mischung, 79flachen, 62ideales Gas, 22Kontinuitatsgleichung, 90maximale, 35mikrokanonisch, 142mikroskopische, 106Quelle, 88Sackur-Tetrode, 146
Entwicklunghistorische, 13
Ergodenhypothese, 95Ergodizitat, 141Erhohung
Siedetemperatur, 84erhaltene Dichte, 105
Erhaltungsgrosse, 115Energie, 100, 104Impuls, 104Teilchenzahl, 104
Erhaltungsgrossen, 124Erhaltungssatze, 104Erniedrigung
Dampfdruck, 84Eulergleichung, 124, 126, 130Eulersches Theorem, 45Expansion, 20
freie, 30isotherme, 30reversibel, 8, 30
Explosionsgefahr, 69
Faktorâdesintegrierendâ, 10integrierend, 7
Fermionen, 109Fernordnung, 55Festkorper, 55Flache
Gibbssche, 57Flussigkeit, 55
uberhitzt, 61Fluidum
inkompressibel, 131, 133reales, 128
Fluktuationen, 3, 76Dichte, 155Energie, 152Teilchenzahl, 152, 155
Fluktuations â Dissipationstheorem,156
Formelbarometrische, 131Sackur-Tetrode, 146Stirling, 111, 146
Fourieransatz, 87, 118Fouriersches Gesetz, 116freie Energie, 149Freiheitsgrad, 147
kinetischer, 18
INDEX 161
potentieller, 18Fugazitat, 151Funktion
homogen, erste Ordnung, 45homogen, nullte Ordnung, 46
Galilei-Invarianz, 107Gas
Bosonen, 52Fermionen, 52ideales, 52kompressibles, 131Quanten-, 109reales, 63, 128unterkuhlt, 61
Gasgesetzuniverselles, 64
Gaskonstante, 4, 15Gasparameter, 108Gastemperatur, 69Gastheorie
kinetische, 3Gasverflussigung, 69Gay-Lussac, 15, 17Gemisch, 79Geschichte, 13Geschwindigkeit
im Gas, 108Gesetz
Bernoulli, 133, 136Fourier, 87, 116Massenwirkungs-, 81Ohm, 91
Gibbs-Duhem, 45Gibbssche Flache, 57Gibbssche Phasenregel, 56Gibbssches Paradoxon, 84, 142Glas, 53, 95Gleichgewicht
lokales, 113, 125Nicht-, 3Parameter, 4thermodynamisches, 3
Gleichgewichtsparameter, 144
chemisches Potential, 56lokale, 87
GleichungAdiabaten-, 127Boltzmann, 97, 100, 105Diffusions-, 128Euler, 124, 126, 130kalorische, 109kinetische, 97Kontinuitats-, 99Navier-Stokes, 124, 128Transport, 97, 100, 105Wellen-, 139
Grossenkonvektive, 125thermische, 125
Gravitation, 131
Hauptsatzder Thermodynamik, 12dritter, 49, 51erster, 17zweiter, 23
Helmholtz-Kelvin Theorem, 133Hemmparameter, 73Hemmung, 34, 143Herleitung
mikroskopische, 93Hierarchie
BBGKY, 102Historik, 13Hydrodynamik
Anwendungen, 125Hydrostatik, 131
Information, 41Integrabilitat, 7, 31, 43Invarianten, 121Invarianz
Zeitumkehr-, 112Inversion, 7Inversionskurve, 69involutiv, 41Isotherme, 24
162 INDEX
van der Waals, 64
Joule-Kelvin, 19Joule-Thomson, 19
Kuhlung, 53kalorische Zustandsgleichung, 146, 152Kettenregel, 7, 8kinetische Theorie, 96Knallgas, 81Knick, 42Koeffizient
Viskositat, 127Warmeleitung, 116, 127
Koexistenzgebiet, 67Kollisionszeit, 76Komponenten, 38Kompressibilitat, 61
adiabatische, 12thermische, 12, 15
Kompression, 20konkav, 43Konstruktion Maxwell, 61Kontinuitatsgleichung, 88, 99Konvektion, 132konvex, 41, 43Korrelationen, 97
Vielteilchen, 102Korrelationslange, 96Korrelationszeit, 96korrespondierende Zustande, 65Kraft
thermodynamische, 92Kraftmaschine, 25Kreisprozess, 17
Carnot, 24kritischer Endpunkt, 57kritischer Punkt, 58
Ladungserhaltung, 89Lagrangeparameter, 111Langevin Dynamik, 96latente Warme, 58Legendre Transformation, 41Leitfahigkeit
Drude, 89Linearisierung
in der BTG, 113Liouville Theorem, 94lokales Gleichgewicht, 113
Magnetfeld, 3, 92Magnetisierung, 3Maschine
Carnot, 23Massenwirkungs Gesetz, 81maximale Entropie, 35Maxwell
Konstruktion, 65Maxwell Konstruktion, 61Maxwell Relation, 43, 45Maxwell-Boltzmann
essentiell, 111Maxwell-Boltzmann Verteilung, 107Maxwell-Molekule, 115Membran
elastische, 77semipermeable, 82
Messgrosse, 93mikroskopische Herleitung, 93minimale innere Energie, 38Mischentropie, 83
Gibbssches Paradoxon, 84in Helium, 84
Mischungen, 79Mittelwert
Ensemble-, 94, 141Selbst-, 95Zeit-, 93
Mol, 11, 38volumen, 15
MolekuleMaxwell, 115
molekularen Chaos, 96molekulares Chaos, 102, 111
Navier-Stokes Gleichung, 124, 128Nebelgrenze, 68Nebenbedingung, 111
INDEX 163
Nichtgleichgewichtsphysik, 96Normierung, 107
grosskanonische Dichte, 151Nukleation, 74Nukleus
kritischer, 75Nullpunkt
absoluter, 52
Oberflachenspannung, 74Ohmsches Gesetz, 91Onsager-Casimir, 91Ordnung
langreichweitige, 55osmotischer Druck, 82
ParadoxonGibbssches, 84, 142
ParameterGas-, 108hydrodynamische, 123Lagrange, 111Stosszeit-, 118
Partialdruck, 80Pauliblockade, 102Peltiereffekt, 91Phasen, 38Phasenubergang, 55
gas-flussig, 157n-ter Ordnung, 58
Phasendiagramm, 57, 59Phasengleichgewicht, 55Phasenkoexistenz, 56Phasenlinie, 59
retrogradierte, 71Phasenraum, 141
Einteilchen, 99Phasenregel
Gibbssche, 56Postulat
Clausius, 23Kelvin, 23
Potentialchemisches, 3, 39, 157
Enthalpie, 43Entropie, 30freie Energie, 42Gibbs, 44Graphik, 46grosses, 44innere Energie, 31, 37konvex, 67thermodynamisches, 4, 30
PrinzipAquipartition, 147maximaler Entropie, 35minimaler innerer Energie, 38
Prozessadiabatisch, 9, 19Carnot, 24irreversibel, 8, 28, 87
Diffusion, 81Gay-Lussac, 17Joule-Kelvin, 19
isentrop, 29isobar, 9isochor, 9isoenthalpisch, 69isotherm, 9Joule-Kelvin, 19, 69reversibel, 8, 25stationar, 19stochastischer, 3, 96
Punktkritischer, 58
Quantengas, 109Quantenmechanik, 96
Reaktionchemische, 81
Regelflachen, 63Reibung
innere, 25Relation
Maxwell, 43, 45Relaxation, 114Relaxationszeit, 120
164 INDEX
Relaxationszeitapproximation, 118, 123Replica Theorie, 54Reservoir, 9, 96Reziprozitatsbeziehungen
Onsager-Casimir, 91
Salz, 83Schall, 139Schermodul, 55Selbstmittelung, 95Separationsansatz, 114Sherrington-Kirkpatrick, 54Siedegrenze, 68Siedetemperatur
Erhohung, 84Siedeverzug, 67Simplex, 62Skalarprodukt, 114Spannungskoeffizient, 12, 15, 51Spektrum, 118spezifische Warme, 146Spinglas, 54Spinodale, 61Stabilitat, 36, 39Stammfunktion, 7Stern, 132Stirlingformel, 111, 146Stossintegral
Erhaltungssatze, 104fur Fermionen, 102Teilchen-Defekt, 100Teilchen-Moden, 103Teilchen-Teilchen, 101
Stossterm, 100Stosszeit, 118
im Gas, 108Stromung
isentropische, 134nicht rotierende, 133Potential-, 135, 136Typen, 130Unstetigkeit, 135
Stromungslinie, 130Streurate, 100
Symmetrien, 101Stromlinie, 126substantielle Ableitung, 126Symmetrien
der Streurate, 101
Teilchenzahl, 3Temperatur, 3
absolute, 26Gas-, 15Grad Celsius, 15
TheoremAdditions-, 119Boltzmann H-Theorem, 106Euler, 45Fluktuations â Dissipations-, 156Helmholtz-Kelvin, 133Liouville, 94Nernst, 51Virial-, 148
Theoriekinetische, 96
thermische Zustandsgleichung, 152Thermokraft, 90Thomson-Effekt, 91Tropfchenbildung, 74Trajektorie
im Phasenraum, 93von H, 112
TransformationLegendre, 41
Transport, 3, 4, 87, 96, 114Koeffizienten, 92Warme-, 115
Transportgleichung, 100, 105Transportzeit, 120Trippelpunkt, 56, 63, 71
Ubersattigung, 67Umwandlung
chemische, 81Unstetigkeitsflache, 135
van der WaalsGas, 63
INDEX 165
Potential, 55Variable
extensive, 4, 31intensive, 4konjugierte, 42naturliche, 43
Varianz, 111Variationsprinzip, 117Verteilung
lokale Maxwell-Boltzmann, 123Verteilungsfunktion
Einteilchen-, 96, 99lokal Maxwell-Boltzmann, 113Maxwell-Boltzmann, 107Normierung, 99Zweiteilchen, 102
Virialtheorem, 148Viskositatskoeffizient, 127Volumen, 3Vortex, 157
Warme, 10, 17Fluss, 87latente, 58Leitfahigkeit, 88Leitung, 87spezifische, 10, 52, 146
konstanter Druck, 18konstantes Volumen, 18
Strom, 88Thomson, 91
Warmeleitunganisotrope Medien, 92
Warmeleitungskoeffizient, 116, 127ideales Gas, 118
Warmemaschine, 24Warmepumpe, 24Warmetransport, 115Wahrscheinlichkeit, 94
a priori, 95Wasser, 70Weglange
freie, 88Wellengleichung, 139
Wellenlangede Broglie, 108
Wirkungsgrad, 24
Zeitmittel, 93Zeitrichtung, 29Zeitumkehrinvarianz, 92, 112Zuckerlosung, 83Zusammenhang
spezifische Warmen, 33thermisch-kalorisch, 32
Zustandekorrespondierende, 65
Zustandsgleichungideales Gas, 16kalorische, 4, 18, 31, 146, 152thermische, 4, 31, 146, 152van der Waals, 64
Zustandsgrosse, 3â5Zustandsraum, 5, 93, 142Zustandssumme
grosskanonische, 152kanonische, 149
Zustandsvariablen, 6Zyklus
der Carnotmaschine, 24