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1 Geschäftsprozesse mit GEVER erfolgreich unterstützen - Erfahrungsbericht Geschäftsprozesse mit GEVER erfolgreich unterstützen – Ein Erfahrungsbericht Marc Schaffroth, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB (EFD) Die Geschäftsverwaltung GEVER bietet weit mehr als „nur“ eine gesetzeskonforme Aktenverwaltung. Viele Organisationen tun sich allerdings schwer mit dem Einsatz der GEVER-Workflow-Komponente. Dies obschon – oder vielleicht gerade deshalb – GEVER im Unterschied zu herkömmlichen Workflow- Systemen eine grosse Flexibilität bei der operativen Geschäftsabwicklung bietet: Operative Abläufe können ad hoc den situativen Erfordernissen angepasst werden. Diese Flexibilität kommt gerade den vielen multilateralen Aushandlungsprozessen in der Verwaltung zugute, deren Ausgang oftmals nicht im Voraus feststeht. Der nachfolgende Erfahrungsbericht zeigt anhand eines konkreten Umsetzungsbeispiels auf, welche konzeptionellen und methodische Überlegungen notwendig sind, um Geschäftspro- zesse mit der GEVER erfolgreich einzuführen; wie in der Prozessdokumentation ein Fachprozess zusammen mit der GEVER-Workflow-Imple- mentierung einheitlich und integriert dargestellt werden kann; wie bei der Prozessausführung mittels der GEVER die hohen Ansprüche bezüglich rechtskon- former Aktenführung, Geschäftskontrolle sowie operative Ablaufsteuerung tatsächlich einge- löst werden können; wie der vom Geschäft geforderten Flexibilität von Prozessabläufen Rechnung getragen wer- den kann, ohne dadurch die Anwender mit komplexer GEVER-Funktionalität zu überfordern. Gerne diskutieren wir unsere Erfahrungen resp. beantworten Fragen im Diskussionsforum der eCH- Prozessplattform. Das Prozessmodell zu dem hier behandelten Kernprozess des ISB ist auf der eCH-Prozessplattform pu- bliziert (Prozess „Anforderung prüfen“). Inhalt 1. Auftrag / Ziele .................................................................................................................................. 2 2. Ausgangslage .................................................................................................................................. 2 3. Vorgehen ......................................................................................................................................... 2 3.1 Problemstellungen ................................................................................................................... 3 3.2 Fachliche Definition, Dokumentation und Freigabe des Anforderungsprozesses ................... 3 3.3 Operationalisierung des Anforderungsprozesses: Die Geschäftsverwaltung (GEVER)............ 5 3.4 Einführung ............................................................................................................................... 7 4. Und so läuft es in der Praxis ............................................................................................................ 8 4.1 Die Geschäftsträger erheben ihre Anforderungen und geben diese beim ISB ein................... 8 4.2 Ein Geschäftsfall wird in der GEVER des ISB eröffnet .............................................................. 9 4.3 ISB-interne Prüfung, Beantragung und Beschlussfassung....................................................... 9 4.4 Einfache und effiziente Geschäftskontrolle ........................................................................... 10 5. Schlussfolgerungen ........................................................................................................................ 12

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1 Geschäftsprozesse mit GEVER erfolgreich unterstützen - Erfahrungsbericht

Geschäftsprozesse mit GEVER erfolgreich unterstützen – Ein Erfahrungsbericht

Marc Schaffroth, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB (EFD) Die Geschäftsverwaltung GEVER bietet weit mehr als „nur“ eine gesetzeskonforme Aktenverwaltung. Viele Organisationen tun sich allerdings schwer mit dem Einsatz der GEVER-Workflow-Komponente. Dies obschon – oder vielleicht gerade deshalb – GEVER im Unterschied zu herkömmlichen Workflow-Systemen eine grosse Flexibilität bei der operativen Geschäftsabwicklung bietet: Operative Abläufe können ad hoc den situativen Erfordernissen angepasst werden. Diese Flexibilität kommt gerade den vielen multilateralen Aushandlungsprozessen in der Verwaltung zugute, deren Ausgang oftmals nicht im Voraus feststeht.

Der nachfolgende Erfahrungsbericht zeigt anhand eines konkreten Umsetzungsbeispiels auf,

welche konzeptionellen und methodische Überlegungen notwendig sind, um Geschäftspro-zesse mit der GEVER erfolgreich einzuführen;

wie in der Prozessdokumentation ein Fachprozess zusammen mit der GEVER-Workflow-Imple-mentierung einheitlich und integriert dargestellt werden kann;

wie bei der Prozessausführung mittels der GEVER die hohen Ansprüche bezüglich rechtskon-former Aktenführung, Geschäftskontrolle sowie operative Ablaufsteuerung tatsächlich einge-löst werden können;

wie der vom Geschäft geforderten Flexibilität von Prozessabläufen Rechnung getragen wer-den kann, ohne dadurch die Anwender mit komplexer GEVER-Funktionalität zu überfordern.

Gerne diskutieren wir unsere Erfahrungen resp. beantworten Fragen im Diskussionsforum der eCH-Prozessplattform.

Das Prozessmodell zu dem hier behandelten Kernprozess des ISB ist auf der eCH-Prozessplattform pu-bliziert (Prozess „Anforderung prüfen“).

Inhalt

1. Auftrag / Ziele .................................................................................................................................. 2

2. Ausgangslage .................................................................................................................................. 2

3. Vorgehen ......................................................................................................................................... 2

3.1 Problemstellungen ................................................................................................................... 3

3.2 Fachliche Definition, Dokumentation und Freigabe des Anforderungsprozesses ................... 3

3.3 Operationalisierung des Anforderungsprozesses: Die Geschäftsverwaltung (GEVER) ............ 5

3.4 Einführung ............................................................................................................................... 7

4. Und so läuft es in der Praxis ............................................................................................................ 8

4.1 Die Geschäftsträger erheben ihre Anforderungen und geben diese beim ISB ein ................... 8

4.2 Ein Geschäftsfall wird in der GEVER des ISB eröffnet .............................................................. 9

4.3 ISB-interne Prüfung, Beantragung und Beschlussfassung ....................................................... 9

4.4 Einfache und effiziente Geschäftskontrolle ........................................................................... 10

5. Schlussfolgerungen ........................................................................................................................ 12

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1. Auftrag / Ziele

Im Rahmen eines internen Projekts sollten drei fachlich zusammenhängende Kernprozesse des Infor-matiksteuerungsorgan Bund ISB (EFD) definiert und operativ umgesetzt werden.

Die Anforderungen und Zielsetzungen waren vorgegeben:

Deutliche Verbesserung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit (keine Doppelspurig-keiten, koordinierte Auftragsabwicklung)

Mehr Effizienz z. B. Einhaltung der kommunizierten Bearbeitungsfristen (zwei Wochen pro Geschäftsfall)

Einfachheit der Prozessumsetzung unter Nutzung bereits vorhandener Werkzeuge (u. a. GE-VER, Prozessdokumentation)

Einbindung und Information von externen Prozesspartnern (Stakeholder, Geschäftsträger) über Zuständigkeiten, Bearbeitungsstände sowie Ergebnisse

Transparenz und Nachvollziehbarkeit mittels Geschäftskontrolle und Aktenführung

Vorauszuschicken ist, dass das ISB im internen Prozessmanagement einen verteilten Ansatz verfolgt: D. h. die Abteilungen dokumentieren ihre Prozesse in eigener Zuständigkeit auf der Prozessdokumen-tationsplattform des ISB gemäss den im Amt geltenden eCH-Standards.

2. Ausgangslage

Das ISB nimmt im „Supportprozess Informatik“ diverse Steuerungs- und Führungsaufgaben wahr – es agiert dabei in der Rolle des „Leistungsbezügers Bund“:

Prüfen und beschliessen von Anforderungen an die „Informatik Bund“

Als Folge der Anforderungsprüfung kann das ISB o die Erstellung oder Änderung von „IKT-Vorgaben Bund“ inkl. deren Freigabe (IKT-

Beschluss) und/oder o die Weiterentwicklung von bundesweiten „IKT-Grundleistungen“ (z. B. für GEVER,

die Büroautomation etc.) beauftragen.

Das ISB übt bei den drei Kernprozessen – „Anforderung an die Informatik Bund prüfen“, „IKT-Vorga-ben bearbeiten“ und „IKT-Vorgaben beschliessen“ – sowohl die Entscheid- als auch die Prozessver-antwortung aus (vgl. dazu die Prozessvorgabe P035 IKT-Anforderungs- und IKT-Vorgabenmanage-ment).

3. Vorgehen

Von der Geschäftsleitung ISB wurde entschieden, zuerst den Anforderungsprozess zu definieren und vollständig operativ einzuführen – dies aufgrund der strategischen Eckpunkte dieses Prozesses:

Prozess mit externen Stakeholdern/Geschäftsträgern (Departemente) und kommunizierten Bearbeitungsfristen

Planungsrelevanz der Inhalte und Mengen der eingehenden Anforderungen (100 bis 150 Geschäftsfälle pro Jahr)

Erfordernis der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit im ISB

Da eine frühere interne Diskussion zur fachlichen Einordnung des Anforderungsprozesses von vielen Meinungsverschiedenheiten geprägt gewesen war („Bei uns ist alles anders!“), entschloss sich der Prozesseigner zu einer pragmatischen Vorgehensweise: Er stellte ein kleines Projektteam bestehend aus ihm selbst als Auftraggeber (10%), dem internen Projektleiter (40%, Prozessmanager) sowie ex-ternen Dienstleistern (25%) zusammen. Angesichts der knappen zeitlichen Verfügbarkeit aller Betei-ligten – das Projekt musste neben dem „courant normal“ Platz haben – wurde mit der GL eine Lauf-zeit von maximal einem halben Jahr bis zur Einführung vereinbart.

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Das Projekt wurde in folgende Phasen unterteilt:

Fachliche Definition, Dokumentation und Freigabe des Anforderungsprozesses

Operationalisierung (Umsetzung) mit GEVER inkl. Bereitstellung weiterer Instrumente

Ausbildung, Kommunikation und Einführung

3.1 Problemstellungen

Die Eingabe von (Geschäfts-)Anforderungen an die „Informatik Bund“ beim ISB erfolgte bisher über verschiedene Kanäle. Die Zugangswege waren nicht einheitlich geregelt. Dies führte einerseits zu Doppelspurigkeiten, andererseits gingen bei der Entscheidvorbereitung oftmals relevante Gesichts-punkte vergessen. Entscheide mussten deshalb zuweilen revidiert werden, z. B. weil Sicherheitsvor-gaben nicht ausreichend berücksichtigt waren. Eine zentrale Ablage der Antrags- und Beschlussdoku-mente fehlte. Einzelne Anforderungen / Entscheide gingen deshalb verloren, blieben liegen oder wa-ren unauffindbar. Zudem erfolgte die Information der Antragsteller weder einheitlich noch umfas-send.

3.2 Fachliche Definition, Dokumentation und Freigabe des Anforderungsprozesses

Ein erster Entwurf der fachlichen Definition des Anforderungsprozesses wurde im kleinen Kreis des Projektteams ausgearbeitet. Dabei wurden die am Prozess beteiligten internen und externen Rollen identifiziert sowie Ablauf und Inhalt der rollenbezogen auszuführenden Aktivitäten bestimmt.

Ein wichtiger Design-Entscheid bestand darin, die operative Prozesssteuerung einer spezifischen Rolle zuzuweisen (generische Rolle des operativen „Prozessverantwortlichen“; hier in der „lokalen“ Ausprägung des „Anforderungsadministrators“). Dadurch sollten die Rollen mit Entscheid- resp. In-haltsverantwortung (Erstellen, Prüfen und Entscheiden von Anforderungen) von administrativen Pro-zessfunktionen entlastet werden.

Die fachliche Modellierung des Anforderungsprozesses erfolgte mit dem Dokumentationstool des Amtes (Cloud-Lösung) gemäss den einschlägigen eCH-Standards, u. a. mit dem grafischen Notations-standard BPMN (eCH-0140 gibt BPMN als schweizweiten Modellierungsstandard für die öffentliche Verwaltung vor) sowie gemäss den BPMN-Modellierungskonventionen (eCH-0158), welche bereits im verwendeten Dokumentationstool inklusive automatischer Syntaxprüfung implementiert sind (vgl. Abb. 1).

Abbildung 1. ISB-Kernprozess „Anforderung prüfen“ (fachliches Prozessmodell), vgl. Prozessmodell auf eCH-BPM

Der Prozessentwurf wurde anschliessend ISB-intern reviewt. Die betroffenen Mitarbeitenden konn-ten – sichtbar für alle am Review beteiligten Personen – ihre Kommentare im Portal des Dokumenta-tionstools direkt beim Prozessmodell anbringen und diskutieren (vgl. Abb. 2).

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Abbildung 2. Kollaboratives Prozessdesign - Die Mitarbeitenden können Ihre Kommentare oder Ände-rungsvorschläge direkt beim Prozessmodell auf dem Portal des ISB-Dokumentationstools eingeben. Das schafft Transparenz und vereinfacht die Nachbereitung.

Entsprechend effizient gestaltete sich die abschliessende Konsolidierung des Prozessmodells durch das Projektteam.

Bei der fachlichen Dokumentation des Anforderungsprozesses bestens bewährt haben sich

die Fokussierung auf den „Normalfall“ (happy path). Ausufernde und zeitraubende Diskussio-nen über zumeist hypothetische „Spezialfälle“ konnten vermieden werden. Die Behandlung von Sonderfällen resp. Prozessvarianten wurde bewusst auf die Zeit nach der Einführung des Standardprozesses verlegt. Nicht ganz überraschend zeigte sich im Nachhinein, dass die Defi-nition von Prozessvarianten oder Sonderfällen nach der Einführung des Standardprozesses keinem fachlichen Bedarf mehr entsprach.

ein bewusster Umgang mit dem Detaillierungsgrad bei der Prozessmodellierung. Die Fachmo-delle sollten für die Prozessakteure stets übersichtlich und verständlich bleiben. Es zeigte sich, dass bei der Beachtung dieser Regel die BPMN-Syntax auch für ungeübte Mitarbeitende „intuitiv“ lesbar ist. Weitergehende Informationen wurden als Prozessattribute in Textform dokumentiert.

Das Prozessteam verfolgte zudem einen iterativen praxisbezogenen Ansatz, wonach sich grössere oder kleinere Änderungen in den fachlichen Prozessmodellen ohnehin aufgrund der praktischen Umsetzungserfahrungen ergeben werden.

Als Voraussetzung der operativen Umsetzung wurde der fachlich konsolidierte Anforderungsprozess der Geschäftsleitung des ISB zur Freigabe vorgelegt. Weiter wurde beantragt, dass die Implementie-rung mit den bereits im ISB vorhandenen Werkzeugen (u. a. GEVER) erfolgen soll. Gemäss dem von eCH übernommenen BPM-Rollenkonzept (vgl. eCH-0143 Organisationshandbuch Prozessmanage-ment) beschloss die Geschäftsleitung in der Rolle des „Prozessausschusses ISB“ die Prozessfreigabe.

Damit war im ISB ein gemeinsames handlungswirksames Verständnis zu einer wichtigen Kernaufgabe des Amtes erzielt.

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3.3 Operationalisierung des Anforderungsprozesses: Die Geschäftsverwaltung (GEVER)

Bei der operativen Umsetzung des Anforderungsprozesses rückten zwei Knackpunkte des GEVER-Ein-satzes in den Vordergrund:

Auf der konzeptionellen Ebene stellte sich dem Projektteam die Frage nach der operativen Umsetzung des fachlich modellierten Anforderungsprozesses mit den Workflow-Komponen-ten der Geschäftsverwaltung. Konkret mussten die Wechselbeziehungen zwischen dem Fachmodell und dem Workflow-Modell geklärt werden. Sind diese Modelle identisch? Falls nicht: Weshalb weichen sie voneinander ab und wie sind diese Differenzen zu modellieren?

Ein ernstzunehmender Risikofaktor für das Projekt bestand in der geringen Akzeptanz des GEVER-Werkzeugs im Amt. Die GEVER gilt seit der Einführung im ISB bei vielen Mitarbeiten-den als zu kompliziert und wird daher eher sporadisch genutzt. Wie sollte das Projektteam mit dieser Situation umgehen?

3.3.1 Vom fachlichen Prozessmodell zur operativen (Workflow-)Umsetzung

Das Projektteam befasst sich zunächst mit der Frage, warum viele GEVER-Projekte (auch im ISB) pro-zessseitig nicht in die Gänge kommen.

In seiner Analyse gelangte das Team zu folgenden neuartigen Erkenntnissen über das Zusammenspiel von fachlichen Prozessmodellen und deren Workflow-Implementierung:

1. Die Workflow-Komponente der GEVER stellt eine kleine Anzahl operativer Prozessbausteine („Ak-tivitäten“) zur Verfügung. Deren Qualität und Zweck besteht darin, dass sie von einer Vielzahl fachlich sehr unterschiedlicher Verwaltungsprozesse, d. h. prozessübergreifend („generisch“) ge-nutzt werden können. Die zu den verschiedenen Fachprozessen modellierten Aktivitäten haben – unabhängig von der ihnen eigenen spezifisch fachlichen-inhaltlichen Ausprägung – gemeinsame pragmatische und handlungsbezogene Eigenschaften: Informationen (Dokumente) werden in Fachprozessen wiederkehrend bearbeitet, visiert, zur Stellungnahme vorgelegt, genehmigt etc. Die generischen Prozessbausteine der GEVER-Workflow-Komponente bilden tatsächlich diesen pragmatischen Kern der in einem Prozessmodell konzeptionell (fachlich) beschriebenen Aktivitä-ten ab und machen diese dadurch in der Praxis überhaupt ausführbar.

Abbildung 3. Mapping der GEVER-Standardprozessbausteine mit den Aktivitäten des Fachmodells am Prozessbeispiel „IKT-Anforderung prüfen“

2. Die Analyse brachte weiter zum Vorschein, dass die Fachprozesse des ISB, welche bereits mit GE-VER unterstützt sind, mit einer beschränkten Anzahl von lediglich vier bis max. acht generischen Prozessbausteinen vollständig abgewickelt werden (vgl. Kasten).

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Vom ISB hauptsächlich verwendete GEVER-Prozessbausteine („Aktivitäten“)

Zur Bearbeitung (z. B. wird einem Sachbearbeiter die Erstellung des Entwurfs zu einer neuen IKT-Vorgabe übertragen)

Zum Visieren (z. B. wird ein Beschlussdispositiv, bevor es an ein externes Gremium weiter-geleitet wird, von einer vorgesetzten Stelle formal und inhaltlich qualitätsgesichert)

Zur Stellungnahme (z. B. ist zu einem Antrag die Stellungnahme einer weiteren Abteilung einzuholen)

Zur Genehmigung (z. B. ist ein beantragtes Dokument von der vorgesetzten Stelle zu ge-nehmigen)

Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse erstellte und implementierte das Projektteam die Prozess-vorlage für den Anforderungsprozess. Hierzu ordnete es den Aktivitäten des Fachmodells die benö-tigten GEVER-Prozessbausteine zu (vgl. Kapitel 3.3.2). Der GEVER-Workflow wurde anschliessend an-hand verschiedener Beispielfälle durchgespielt und überprüft.

3.3.2 Den GEVER-Workflow am BPMN-Prozessmodell dokumentieren

Das Projektteam zog diese Schlussfolgerungen für die Prozessmodellierung:

Ausgangspunkt und Grundlage der Prozessmodellierung ist das Fachmodell: Das Modell be-schreibt den Soll-Prozess aus fachlicher Sicht und übernimmt eine normative handlungsanlei-tende Funktion.

Im Fachmodell werden die für einen Prozess relevanten fachlichen Aktivitäten erfasst – auf eine ausufernde Beschreibung aller operativen Tätigkeiten wird bewusst verzichtet.

Im fachlichen Prozessmodell werden zu den einzelnen Fachaktivitäten (sofern erforderlich – nicht jede fachliche Aktivität ist zwingend über eine GEVER-Aktivität abgewickelt!) die generi-schen Prozessbausteine der GEVER zugeordnet. Diese Darstellung erfolgt mittels dem BPMN-Symbol „Textanmerkung“. Der so dokumentierte operative Ablauf stellt die Grundlage für die Bereitstellung der Prozessvorlage (d. h. des vordefinierten Workflows) in der GEVER dar.

Abbildung 4. Darstellung der operativen Ausführungsebene (GEVER) im fachlichen Prozessmodell. Aus Gründen der Benutzerfreundlichkeit werden für die beiden in diesem GEVER-Workflow teils mehrfach verwendeten Prozessbausteine [Zur Bearbeitung] und [Auftrag abschliessen] (vgl. Abb. 3) „spre-chende“ Bezeichnungen verwendet.

3.3.3 Ein Lösungsansatz für das GEVER-Akzeptanzproblem

Die Einführung der GEVER ist im Kern ein Organisationsprojekt. Leadership, Kultur und Change Ma-nagement sind entscheidende Faktoren für den erfolgreichen und nachhaltigen Einsatz der GEVER. Im ISB ist die GEVER seit mehr als zehn Jahren eingeführt – allerdings mit durchwachsenen Ergebnis-

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sen. Nur wenige geschäftskritische Prozesse werden (dies aber konsequent) in und mit GEVER abge-wickelt und dokumentiert (z. B. Bundesratsgeschäfte, Vertragsvorbereitung). Auch bei der Ablage der Geschäftsunterlagen in GEVER besteht noch Optimierungspotential.

Als Hauptgründe für die mangelnde Akzeptanz der GEVER geben viele Mitarbeitende die Überforde-rung mit den vielen komplizierten Funktionen sowie den überladenen Bildschirm-Fenstern an. Aus Sicht der geübten GEVER-Nutzer unterscheidet sich die GEVER-Anwendung bezüglich der Benutzer-freundlichkeit kaum von den im Amt eingesetzten Office-Produkten: Entscheidend ist die erworbe-nen Routine im Umgang mit den Anwendungen.

Der Vorschlag des Projektteams, die GEVER für die Abwicklung des Anforderungsprozesses einzuset-zen, barg somit ein ernst zu nehmendes Risiko. Knapp zwei Jahre nach der Einführung und der Ab-wicklung von über 250 Geschäftsfällen kann jedoch erfreulicherweise berichtet werden, dass der Pro-zess gerade dank der GEVER heute bestens eingeführt ist und GEVER als Instrument der Geschäfts-kontrolle und Prozessabwicklung mittlerweile eine sehr gute Akzeptanz geniesst.

Was waren die Gründe für den bemerkenswerten Gesinnungswandel?

Entscheidend war die vom Projektteam bei der fachlichen Prozessdefinition eingeführte Rollentren-nung zwischen inhaltlicher Ergebnisverantwortung und operativer Prozesssteuerung. Dadurch konn-ten in der GEVER die Entscheider und Sachbearbeiter von administrativen Funktionen und Tätigkei-ten entlastet werden und sie sich vielmehr auf die Abwicklung der inhaltlichen Arbeit konzentrieren.

Die operativen („administrativen“) Steuerungsfunktionen werden in der GEVER mehrheitlich in der Rolle des „Anforderungsadministrators“ ausgeführt:

Geschäft eröffnen,

Zu den definierten Prozessrollen eines Workflows die zuständigen Personen eintragen,

Externe Kommunikation mit den Stakeholdern betreuen,

Abläufe managen und Geschäfte ordentlich abschliessen etc.

3.4 Einführung

Nach der Bereitstellung und erfolgreichen Überprüfung des GEVER-Workflows sowie weiterer benö-tigter Hilfsmittel (Vorlagendokumente, Web-Zugang für Anforderungssteller) durch das Projektteam gab die Geschäftsleitung grünes Licht für die Einführung des „IKT-Anforderungsprozesses Bund“.

Externe und interne Kommunikation zur Prozesseinführung: Die Anforderungssteller (Ge-schäftsträger) wurden über die Neuerungen bzw. Abläufe und Instrumente teils schriftlich (Departemente) und teils mündlich (Gremien) informiert. ISB-intern informierte das Projekt-team die massgeblich betroffenen Abteilungen sowie an einer ISB-Plenumssitzung. Folgende Informationen wurden zur Verfügung gestellt: Prozessmodell und -handbuch auf dem ISB-Prozessportal, Präsentation zum neuen IKT-Anforderungsprozess, rollenbezogene GEVER-An-leitungen.

Interne Schulung: Für die Schulung der betroffenen ISB-Mitarbeitenden war ein 45-minütiges individuelles „on the job“-Training vorgesehen. Der Anforderungsprozess sowie das benö-tigte GEVER-Know How (Umgang mit Arbeitsvorrat, Aktivitäten und Unterlagen) wurden so-mit in einer realen Bearbeitungssituation rollenbezogen geschult und vermittelt.

Die Einführung ging sehr schlank und reibungslos von sich. Insbesondere das „on the job“-Schulungs-konzept bewährte sich und trug einiges dazu bei, die anfängliche Skepsis gegenüber GEVER rasch ab-zubauen. Auch konnten durch den persönliche Kontakt zwischen des Projektverantwortlichen (An-sprechpartner) mit den Mitarbeitenden bestehende Schwachstellen etc. im Ablauf rasch identifiziert und nachgebessert werden.

Die Implementierung einer einfachen, übersichtlichen Geschäftskontrolle (offene / abgeschlossene Geschäfte, Bearbeitungsstand und Zuständigkeiten) machte den Nutzen der GEVER sofort deutlich (vgl. Kapitel 4.4).

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4. Und so läuft es in der Praxis

Nachfolgend werden verschiedene praktische Umsetzungsaspekte des ISB-Kernprozesses „Anforde-rung prüfen“ erörtert.

4.1 Die Geschäftsträger erheben ihre Anforderungen und geben diese beim ISB ein

Gemäss der Bundesinformatikverordnung BinfV (und der entsprechenden Weisung) erheben die De-partemente ihre Anforderungen an die „IKT Stufe Bund“ und melden diese dem ISB.

Bedarfserhebung und Meldung beim ISB sind wie folgt geregelt:

Die Departemente konsolidieren die Anforderungen ihrer Ämter zur IKT Bund auf der Stufe Generalsekretariat. Die Meldung von Anforderungen erfolgt durch die konsolidierende Stelle über eine zentrale Mail-Adresse an das ISB.

Die Anforderungen werden auf einem vom ISB-bereitgestellten offiziellen Anforderungsfor-mular (Dokumentvorlage) vom Bedarfsträger erfasst und beschrieben.

Die Anforderungssteller werden vom ISB umgehend über den Eingang der Anforderung sowie über die dafür zuständige prüfende Stelle im ISB und Bearbeitungsfristen schriftlich infor-miert.

Das ISB publiziert wöchentlich die aktualisierte Übersichtsliste aller eingegangenen IKT-An-forderungen Bund

Die Anforderungssteller finden sämtliche Information zur Erhebung und Meldung von Anforderungen auf einer vom ISB publizierten Webseite (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5. ISB-Seite (Intranet der Bundesverwaltung) enthält alle für die Anforderungssteller (De-partemente) relevanten Informationen zum Anforderungsprozess.

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4.2 Ein Geschäftsfall wird in der GEVER des ISB eröffnet

Der „Anforderungsadministrator“ (operativer Prozessverantwortlicher) sichtet täglich das Postfach für eingegangene IKT-Anforderungen (Office-Postfach). Neueingänge werden geprüft und anschlies-send auf der GEVER gemäss den definierten Ablagestrukturen und Namenskonventionen abgelegt (das Email und das ausgefüllte Anforderungsformular werden als Einheit behandelt). Vom Anforde-rungsformular wird anschliessend eine Kopie abgelegt. Dieses Dokument (internes „Antrags- und Be-schlussdokument“) wird im Workflow dann von den verschiedenen Rollenträgern bearbeitet. Es ent-hält dann zusätzlich zur Anforderungsbeschreibung des Anforderungsstellers das ISB-interne Prüfer-gebnis samt internem Antrag, ob die Anforderung umzusetzen ist oder nicht, sowie den Beschluss des ISB zur IKT-Anforderung. Der „Anforderungsadministrator“ ergänzt im Dokument die erforderli-chen Metadaten (u. a. ID Geschäft, Titel, Eingangstermin, Entscheider ISB, Bearbeiter ISB).

Anschliessend wird die Workflow-Vorlage für den Anforderungs-Prüfprozess geöffnet und bearbeitet: Darin werden zu den rollenbezogenen Aktivitäten die entsprechenden Mitarbeiter des ISB eingetra-gen (Entscheider, Sachbearbeiter) sowie Bearbeitungstermine festgelegt (vgl. Abb. 6). Mit dem Work-flow verbunden ist das „Auftragsdossier“, welches beim Anforderungsprozess das Eingabedokument des Anforderungsstellers sowie das IBS-interne Auftrags- / Beschluss-Dokument enthält (vgl. Abb. 6).

Abbildung 6. Übersicht auf die Unterlagen und den Workflow eines Geschäfts (bzw. „Auftrags“)

Gleichzeitig mit dem Start des Workflows wird ISB-intern orientiert, welche Abteilung bzw. welche Mitarbeiter den Lead bei der Bearbeitung und Beschlussfassung haben (Versand E-Mail mit Link auf das entsprechende GEVER-Dossier). So können sich bei Bedarf weitere Abteilungen in das Geschäft einschalten.

4.3 ISB-interne Prüfung, Beantragung und Beschlussfassung

Die rollenbezogene Abwicklung der Anforderungsprüfung samt Beschluss erfolgt workflowbasiert über GEVER. Die betroffenen Mitarbeiter erhalten gemäss dem vordefinierten Ablauf entsprechen-den Ausführungsaktivitäten samt Dossier in ihren „Arbeitsvorrat“ (vgl. Abb. 7). Bei der Bearbeitung sowie Freigabe von Unterlagen werden diese im Auftragsdossier automatisch versioniert.

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Abbildung 7. Die Bearbeitung in GEVER aus der Sicht eines Mitarbeiters: Arbeitsvorrat mit offenen Ak-tivitäten

Die Bearbeitung eines Geschäftsfalls in der GEVER erfolgt somit durch die Abarbeitung von zugewie-senen „Aktivitäten“ in den „Arbeitsvorräten“ der am Ablauf (Workflow) beteiligten Rollen (Mitarbei-tenden). Zu den einzelnen „GEVER-Aktivitäten“ bestehen standardisierte Arbeitsschritte, die teils op-tional, teils zwingend auszuführen sind (letzteres z. B. beim Visieren, Genehmigen von Prozessergeb-nissen sowie für den Abschluss einer zugewiesenen Aktivität). Bei einer zugewiesenen „GEVER-Aktivi-tät“ können Dokumente angezeigt, erstellt, bearbeitet, geprüft oder freigegeben werden.

Nach Vorliegen des Beschlusses wird der Anforderungssteller direkt über das Ergebnis informiert. Ebenso wird die Übersichtsliste zur den IKT-Anforderungen aktualisiert. Gegebenenfalls werden Fol-gemassnahmen zur Umsetzung der Anforderung ausgelöst, d. h. entsprechende Prozesse angestos-sen. Nach der Bereinigung des Auftragsdossiers wird der GEVER-Prozess samt Dossier vom Prozess-verantwortlichen abgeschlossen. Änderungen können nachträglich nur noch durch bestimmte Rollen ausgeführt werden, wobei sämtliche Änderungen protokolliert werden.

4.4 Einfache und effiziente Geschäftskontrolle

Für alle in der GEVER bearbeiteten IKT-Anforderungen können diese Informationen auf einen Blick angezeigt werden:

Geschäftsfall („IKT-Anforderung Bund“)

Status des Geschäftsfalls: gestartet (in Bearbeitung), abgeschlossen

Auftragsfrist (SOLL)

Zuständig: federführende Person und Abteilung („Entscheider“)

Aktueller Bearbeitungsstatus: Aktivität und Bearbeiter

Im Dossier enthaltene Unterlagen (Bearbeiter, Versionierung und Freigabestatus)

Entscheider und Sachbearbeiter können sich somit im operativen Ablauf des Anforderungsprozesses jederzeit schnell und zuverlässig einen Überblick verschaffen und bei Bedarf auch externe Stellen rasch über den aktuellen Bearbeitungsstand eines Geschäfts informieren (vgl. Abb. 8).

Das nachfolgende Beispiel zeigt alle zu einem bestimmten Zeitpunkt offenen Geschäfte, d. h. Anfor-derungen, zu denen noch kein Beschluss des ISB vorliegt:

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Abbildung 8. Geschäftskontrolle (GEVER): Übersicht aller offenen Geschäftsfälle

Weiter kann zu jedem Geschäft in der GEVER angezeigt werden (z. B. in einer Übersichtsliste), wo es gerade steckt, d. h. welche Aktivität zu einer IKT-Anforderung zum aktuellen Zeitpunkt von wem be-arbeitet wird (vgl. Abb. 9):

Abbildung 9. Geschäftskontrolle (GEVER): Übersicht aller Bearbeitungsstände zu offenen Geschäftsfäl-

len.

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5. Schlussfolgerungen

Aus Sicht der Autoren haben die Erkenntnis und konsequente Anwendung folgender konzeptioneller sowie methodischer Grundsätze massgeblich zur erfolgreichen Prozesseinführung mit der GEVER bei-getragen:

1. Die konzeptionelle Unterscheidung zwischen Fachmodell und Workflow-Modell. Ein Fallstrick bis-heriger GEVER-Umsetzungen haben wir auf der konzeptionellen Ebene identifiziert: Hier fehlte es bislang an der notwendigen Unterscheidung zwischen dem normativ benötigten (fachlichen) Pro-zessmodell und dem davon abgeleiteten auf der Ausführungsebene (GEVER) einsatzfähigen Workflow-Modell. Die Flexibilität und Wirtschaftlichkeit von GEVER-Systemen ergibt sich gerade aus der generischen (prozessübergreifenden) Verwendbarkeit der Prozessbausteine, die somit bei einer Vielzahl dokumentengestützter Verwaltungsprozessen eingesetzt werden kann. Wie mit dieser Erkenntnis auf der Modellierungsebene von Geschäftsprozessen umgegangen werden kann, haben wir in Kapitel 3.3.2 beschrieben und beispielhaft im BPMN-Modell zum Prozess „An-forderung prüfen“ umgesetzt.

2. Die rollenmässige Unterscheidung zwischen inhaltlicher Ergebnisverantwortung und operativer Prozesssteuerung (vgl. Kapitel 3.2): Durch diese Entkoppelung wird die fachliche Bearbeitung von Geschäftsfällen von operativen Funktionen und Tätigkeiten entlastet, mit welchen für eine kon-forme Abwicklung eines Geschäfts gesorgt wird. In der Rolle des operativen Prozessverantwortli-chen werden die Geschäfte zu einem Kernprozess eröffnet und ordentlich abgeschlossen, der Be-arbeitung zugewiesen, der operative Ablauf gesteuert und bei Bedarf angepasst und gemanagt (Workflow Management), Ergebnisse publiziert und ggf. extern kommuniziert etc. Bearbeitungs-vorgänge und Unterlagen zu einem Geschäft werden über dessen gesamten Life Cycle gepflegt (prozessorientiertes Informationsmanagement).

Durch die konzeptionelle Entkoppelung der inhaltlichen Ergebnisverantwortung von der operati-ven Prozesssteuerung konnte auf der Durchführungsebene das Akzeptanzproblem mit der GE-VER-Anwendung auf einen Schlag gelöst werden. Die Abwicklung von Geschäften in der GEVER konnte nun auch von wenig geübten Benutzern einfach und zuverlässig ausgeführt werden. Die zahlreichen Routinefunktionen zum Workflow- und Informationsmanagement in der GEVER wur-den von einer spezialisierten Rolle betreut.

3. Die Flexibilität bei der Ablaufgestaltung erweist sich als bisher kaum genutztes Potential der GE-VER: Die operative Ausführung eines Prozesses mittels wiederkehrender generischer GEVER-Pro-zessbausteine ermöglicht den Prozessbeteiligten eine situative und kontextbezogene Anpassung des operativen Ablaufs - stets konform zum fachlich definierten Prozess. So können z. B. weitere Stellen in den Workflow eingebunden oder falsch zugewiesene Aktivitäten an die richtige Stelle abgetreten werden etc. Die GEVER unterscheidet sich gerade durch diese Flexibilität auf der Durchführungsebene von den starren Mustern der Prozessautomatisierung, die das Verständnis von „Geschäftsprozessmanagement“ bis heute einseitig prägen (vgl. zu dieser Thematik: „Wel-ches Geschäftsprozessmanagement braucht die öffentliche Verwaltung?“, Anhang I in eCH-0126 Vernetzte Verwaltung Schweiz).

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Der Fokus dieses Erfahrungsberichts liegt auf der Implementierung der GEVER-Workflowkomponente zu einem ISB-Kernprozess mit einer einfachen Schnittstelle zu externen Geschäftsträgern (Departe-mente, Ämter). Das „Front End“ des Anforderungsprüfprozesses ist hier in der Form einer Intranet-Seite realisiert. Der ISB-interne Prozess wird erst nach dem Eingang des E-Mails an eine Standarda-dresse (Office-Umgebung) manuell mittels der GEVER ausgelöst. Die Kommunikation mit den Anfor-derungssteller erfolgt ebenfalls über E-Mail. Da in der Bundesverwaltung in den nächsten Jahren die

Page 13: Geschäftsprozesse mit GEVER erfolgreich unterstützen Ein ...€¦ · ein bewusster Umgang mit dem Detaillierungsgrad bei der Prozessmodellierung. Die Fachmo-delle sollten für die

13 Geschäftsprozesse mit GEVER erfolgreich unterstützen - Erfahrungsbericht

Einführung einer einheitlichen GEVER-Anwendung bevorsteht, liessen sich zukünftig für den amtsin-ternen Verkehr zwischen Departementen und Ämtern auch Zusammenarbeitsmodelle auf der Pro-zessebene realisieren, die vollständig in der GEVER abgewickelte werden könnten.

Eher am Rande behandelt haben wir in diesem Bericht die vielfältigen Synergien zwischen Prozess-management und Informationsmanagement, die sich mit der GEVER hochgradig erzielen lassen (Ka-pitel 4.4). Die Prozessabwicklung ist bei jedem Geschäft fliegend mit der Informationsbearbeitung und -verwaltung integriert. Dadurch ist die Geschäftskontrolle übersichtlich und einfach realisierbar – nebenbei werden auch die gesetzlichen Anforderungen an die Aktenführung erfüllt (Nachvollziehbar-keit und Transparenz). Kontakt: Marc Schaffroth, Unternehmensarchitekt, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB (EFD), IKT-Planung und -Steuerung, [email protected] Ich danke folgenden Personen für die aktive Mitwirkung bei der Lösungserarbeitung im ISB sowie für den Review dieses Berichts:

Stephan Aebischer, Strategisches Management - Rexult AG, Leiter Geschäftsfeld Records Ma-nagement, [email protected]

Matthias Dyer, Managing Consultant bei Detecon (Schweiz) AG, [email protected]

Gisela Kipfer, Kommunikationsverantwortliche, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB (EFD), Stv. Leiterin Ressourcen, [email protected]

Willy Müller, Unternehmensarchitekt, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB (EFD), IKT-Pla-nung und -Steuerung, [email protected]

Josef Schmid, Unternehmensarchitekt, Informatiksteuerungsorgan des Bundes ISB (EFD), IKT-Pla-nung und -Steuerung, [email protected]

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