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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr Grundstücksmärkte und Immobilienbewertung 1 Grundstücksmärkte und Immobilienbewertung SS 2009 Leiter und Autor: A.Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr Fachbereich Stadt- und Regionalforschung Technische Universität Wien

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A. Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr Grundstücksmärkte und Immobilienbewertung

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Grundstücksmärkte und Immobilienbewertung

SS 2009

Leiter und Autor: A.Prof. Dr. Wolfgang Feilmayr

Fachbereich Stadt- und Regionalforschung

Technische Universität Wien

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I N H A L T E

1. Der Immobilienmarkt

Das Gut Immobilie Generelle Eigenschaften von Immobilien Eigenschaften von unbebauten Immobilien (Grundstücken) Eigenschaften von bebauten Immobilien Anbieter und Nachfrager auf dem Immobilienmarkt Besonderheiten des Immobilienmarktes

2. Immobilienbewertung

Wertbegriffe Methoden der Immobilienbewertung Praxis der Immobilienbewertung Das Zinshaus

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GRUNDSTÜCKSMÄRKTE UND IMMOBILIENBEWERTUNG

1. Der Immobilienmarkt

1.1. Das Gut Immobilie (Liegenschaft) Grundsätzlich ist zwischen bebauten und unbebauten Liegenschaften (Immobilien) zu unterscheiden. Bei bebauten Liegenschaften wird üblicherweise zwischen Wohngebäuden, Büro- und Geschäftsgebäuden, zwischen Gewerbe- und Industriegebäuden sowie land- oder forstwirtschaftlich genutzten Gebäuden unterschieden. 1.2 Generelle Eigenschaften von Immobilien (1) Heterogenität (hoher Komplexitätsgrad)

Unter heterogenen Gütern sind solche zu verstehen, die in ihren Eigenschaften nicht gleichartig sind, aber dennoch miteinander konkurrieren, da sie in gewissem Grade substituierbar sind. Diese Aussage gilt zum Beispiel für unterschiedliche Automarken, die Differenzierungen hinsichtlich ihrer Qualität aufweisen, ebenso wie beispielsweise für die Wechselbeziehungen zwischen Auto- und Motorradmärkten, auf denen dasselbe Bedürfnis (räumliche Fortbewegung) auf verschiedene Art befriedigt werden kann. Auch das auf Fremdenverkehrsmärkten produzierte und konsumierte Gut „Urlaubsofferte“ ist ein in hohem Maße heterogenes Gut Der Komplexitätsgrad einer Immobilie ist höher als der anderer Konsumgüter. Der vom Konsum ableitbare Nutzen einer Immobilie hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, so z. B. von der Größe, der Beschaffenheit und der Lage der Immobilie.

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Aus der Sicht der Nachfrage kommen zur Gesamtbeurteilung Faktoren wie Nähe zum Arbeitsplatz und Sozialprestige der Gegend hinzu. Die Gesamtheit der hier angesprochenen objektiven wie subjektiven Kategorien zur Beurteilung des einzelnen Gutes macht deutlich, dass eine Identität zwischen zwei angebotenen Immobilien nicht zu erreichen sein wird, im strengen Sinne also jede Immobilie als gesondertes Gut betrachtet werden muss. Aus der Heterogenität ergibt sich die Notwendigkeit einer sektoralen Strukturierung der Immobilienmärkte. (2) Standortgebundenheit (Immobilität) Die Immobilie ist bodengebunden. Schon in der Bezeichnung „Immobilie“ ist ihre Immobilität enthalten. Die Standortgebundenheit der Immobilie bedingt, dass der Nutzen, der von dem Gut ausgeht, u. a. von externen Faktoren determiniert wird. Solche externen Faktoren sind:

• die Entfernung zu Arbeitsstandorten, Einkaufsmöglichkeiten oder anderen infrastrukturellen Einrichtungen.

• die Qualität des Umfeldes, die wiederum durch das Sozialklima zwischen den Nachbarn, die Bebauungsdichte, Immissions-belastungen u. ä. geprägt wird.

Diese Faktoren können nur zum Teil durch die Standortentscheidung des Investors beeinflusst werden, denn einige dieser Faktoren hängen allein von Entscheidungen der Kommunen ab - hier ist vor allem die Infrastruktur angesprochen - oder von Entscheidungen der Investoren umliegender Bausubstanz im gewerb1ichen Bereich oder im Wohnungsbereich, wodurch die Qualität des Umfeldes weitgehend determiniert wird. Im Speziellen können folgende Lageeigenschaften unterschieden werden: Entscheidend ist, welche wirtschaftliche Bedeutung die Region einnimmt, in der die Immobilie liegt. Immobilien, die in Städten und in infrastrukturell voll aufgeschlossenen Regionen situiert sind, erzielen höhere Preise als Liegenschaften in ländlichen und weniger erschlossenen Gebieten.

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Äußere Verkehrslage Die Lage zum Verkehrsnetz, zu Orten mit Arbeits- und Einkaufsmöglichkeiten sowie weiterführenden Schulen spielt eine besondere Rolle. Positiv auf den Preis wirken sich Lagen mit geringer Entfernung zu einer Bundesstraße, einer Autobahnauffahrt, einem Bahnhof und öffentlichen Verkehrsmitteln, die möglichst regelmäßig und in dichter Folge verkehren, aus. Innere Verkehrslage Ein Grundstück ist dann als voll aufgeschlossen zu bezeichnen, wenn es an einer befestigten und auch mit schweren Fahrzeugen zu jeder Jahreszeit befahrbaren Straße liegt. Wenn es an einer Sackgasse gelegen ist, so muss zumindest ein ausreichender Umkehrplatz vorhanden sein. Weitere Wert bestimmende Merkmale bilden die Entfernung zur Ortsmitte, die Lage zur nächsten Haltestelle eines öffentlichen Verkehrsmittels und zu den örtlichen Einkaufszentren zur Deckung des täglichen Bedarfs sowie die Fußwegentfernung zu Grundschulen und die Fahrentfernung zu höheren Schulen. Bei gewerblichen Liegenschaften spielen die Anschlussmöglichkeiten an Straße und Schiene, die Lage zu Material- und Rohstoffversorgungs-gebieten, zum Arbeitsmarkt und zu den Absatzgebieten eine wesentliche Rolle. Wohnlage Als günstig anzusehen sind verkehrsarme, aber leicht erreichbare Gebiete, landschaftlich reizvolle Lagen, exklusive Wohnlagen in Städten, geringer Ausländeranteil; Nähe zu Erholungsgebieten und Seen, Lagen mit Fernblick und dgl.. Wert mindernd zu beurteilen sind die Nähe zu Industriegebieten (Immissionsbeeinträchtigungen), sanierungsbedürftigen Baugebieten usw. Geschäftslage Für den Liegenschaftswert ist der mögliche Ertrag aus der Bewirtschaftung des Grundstücks maßgeblich. Zwischen dem Zentrum eines Orts (Einkaufsstraße, Fußgängerzone) und den nahe gelegenen Zonen (Nebenstraßen) ist ein deutliches Wertgefälle festzustellen. Ecklagen wirken sich fast immer Wert erhöhend aus. In Fremdenverkehrsgebieten ist entscheidend, ob eine ein- oder zweisaisonale Nutzung möglich ist.

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Klimalage Sonnenbestrahlte und windgeschützte Grundstücke werden für Wohnbauten, Gastgewerbebetriebe und Freizeiteinrichtungen bevorzugt. Nordhanglagen, Nebelgebiete und stark exponierte Lagen (Wind) beeinflussen den Wert ungünstig. Lage an Seen Stark Wert erhöhend ist die Lage unmittelbar am Ufer eines Sees. Grundstücke, die in der Seeuferschutzzone (meist 500 m Breite, gemessen vom Seeufer) liegen, dürfen nicht verbaut werden. Für die Verbauung von Seeufern muss die Naturschutzbewilligung der Naturschutzbehörde (Bezirkshauptmannschaft) eingeholt werden, die aber nur mehr selten erteilt wird. Lage in Gefahrenzonen Als Gefahrenzonen werden Gebiete bezeichnet, die durch Hochwasser, Wildwasser, Lawinen, Vermurungen, Steinschlag und dgl. gefährdet sind. In jeder Gemeinde liegt ein Gefahrenzonenplan auf. Die roten Zonen dürfen nicht bebaut werden. In den gelben Zonen sind eventuelle Wert mindernde Beeinträchtigungen bei der Bewertung zu berücksichtigen. Insbesondere wirken sich bauliche Anordnungen zum Schutz vor der Gefahr Kosten erhöhend aus. (3) Verkauf und Vermietung Die Immobilie ist ein Hartgut, das gekauft oder gemietet werden kann. Daraus ergibt sich die Aufsplittung in einen Markt für Eigentum und einen für Mieten bzw. Pacht.

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1.3 Eigenschaften von unbebauten Immobilien (Grundstücken)

(1) Nicht-Vermehrbarkeit Wenn man von einigen Sonderfällen (Landgewinnung durch Aufschüttung bzw. Abdeichung in den Niederlanden oder in den Arabischen Emiraten) absieht, ist Land nicht physisch vermehrbar. Sehr wohl ist aber die Herstellung (Produktion) von bebaubarem Land mit den Instrumenten der Raumplanung eine wesentliche hoheitliche (in Österreich: gemeindliche) Aufgabe. Im Flächenwidmungsplan sind die Widmungsarten nach den Grundsätzen des Raumordnungsgesetzes und des Gemeinwohls erfasst und dargestellt. Grundsätzlich sind drei Widmungskategorien von besonderer Bedeutung:

• Bauland • Grünland • Verkehrsflächen und sonstige Widmungen

Bauland Feststellung des Entwicklungszustands Der Ermittlung dieses Werts kommt besondere Bedeutung zu, da das Bauland jene Kategorie ist, mit der die höchsten Werte erzielt werden. Ob ein Grundstück Baulandqualität besitzt, hängt von seiner Nutzbarkeit, Lage und Beschaffenheit ab. Zum Bewertungsstichtag muss festgestellt werden, auf welcher Entwicklungsstufe sich das zu bewertende Grundstück befindet. Man unterscheidet im Allgemeinen drei Entwicklungsstufen:

• Die Entwicklung des Grünlands zum Bauerwartungsland. • Die Entwicklung des Bauerwartungslandes zum Bauaufschließungs-

gebiet. • Die Entwicklung des Bauaufschließungsgebiets zum baureifen Land.

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Bauerwartungsland Dieses befindet sich immer im Grünland. Es steht nicht fest, was und wann gebaut werden kann. Die Bebauung wird unter Berücksichtigung einer geordneten städtebaulichen Entwicklung des Gemeindegebiets in absehbarer Zeit erwartet oder erhofft (z.B. wenn ein Grundstück innerhalb des verbauten Gebiets liegt, und keine Umstände gegen eine Bebauung sprechen, so kann mit einer Umwidmung gerechnet werden). Die Höhe des Werts für Bauerwartungsland hängt davon ab, wie groß die Chancen für eine Bebauung beurteilt werden. Im Allgemeinen werden aufgrund der Zinsverluste ca. 25 bis 50 % der Preise für baureifes Land gezahlt. Sollte die Hoffnung auf eine Umwidmung nur sehr vage sein, so ist der übliche Grünlandpreis für diese Zone anzusetzen. Bauaufschließungsgebiet Das Bauaufschließungsgebiet - oder Bauerweiterungsgebiet - ist bereits als Bauland gewidmet, die volle Aufschließung ist jedoch noch nicht durchgeführt. In der Regel ist das Bauaufschließungsgebiet nicht in die einzelnen Grundstücke geteilt. Bei der später erfolgenden Teilung sind unter Umstanden größere Liegenschaftsteile (bis zu 25 %) für die Erschließungs-anlagen an das öffentliche Gut abzutreten. Für die Bewertung sind die Aufschließungskosten vom ortsüblichen Preis abzuziehen, jedoch unter Berücksichtigung des Zinsverlustes, der bis zur Baureifwerdung zu einem späteren Zeitpunkt eintritt. Es werden im Allgemeinen ca. 50 bis 75 % der Preise für baureifes Land gezahlt.

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Baureifes Land Als baureifes Land können jene Flächen angesehen werden, die bereits voll aufgeschlossen sind. Voll aufgeschlossen ist ein Grundstück mit folgenden Voraussetzungen:

• Zufahrt auf befestigter Straße ist möglich. • Eventuell vorgeschriebener Gehsteig ist fertig gestellt. • Wasser-, Strom-, eventuell Gas- und Fernheizungsversorgung sind

gesichert. • Abwasserbeseitigung (Kanalanschluss) ist vorhanden. • Anliegerbeitrag ist zur Ganze entrichtet.

Bei Bedarf sind Kommunikationsleitungen wie Telefon, Kabelfernsehen usw. vorhanden. Das baureife Land liegt bei Gemeinden mit einem Flächenwidmungsplan in jenen Zonen, die als Bauland ausgewiesen sind. In Gemeinden ohne Flächenwidmungsplan ist dieses innerhalb des zusammen-hängend verbauten Ortsgebiets situiert. Im Allgemeinen ist das baureife Land bereits in die einzelnen Baugrundstücke geteilt. Eine Teilung lässt allerdings nicht zwingend auf baureifes Land schließen, da auch Bauaufschließungsgebiete unterteilt sein können. Bei der Wertermittlung von noch unverbauten Baugrundstücken ist auf folgende Möglichkeiten zu achten:

• Eine Baulandqualifikation ist nachgewiesen bei Vorliegen einer Bauplatzbewilligung (z.B. in Oberösterreich Voraussetzung für eine Baubewilligung)

• Baubewilligung oder • Erklärung als Baugebiet im Flächenwidmungsplan.

Die zuvor genannten Bewilligungen werden auf eine bestimmte Zeit befristet und sind vor Ablauf dieser Frist aufgrund neu entstandener öffentlicher Interessen widerrufbar, sofern noch nicht mit einem Bau begonnen wurde bzw. in einigen Bundesländern der Bau noch nicht vollendet ist. Die Gültigkeit der Flächenwidmungspläne erstreckt sich zwar über einen

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gewissen Zeitraum, trotzdem sind Umwidmungen mit Widerruf der Bau- und Bauplatzgenehmigung möglich, wenn mit dem Bau noch nicht begonnen wurde. Wie Erfahrungen zeigen, ist ein Widerruf oder die Verweigerung einer neuerlichen Baugenehmigung bei unverbauten Baugrundstücken, die abseits des eigentlichen Baugebiets liegen, durchaus möglich. Der Liegenschafts-eigentümer kann nur für zwischenzeitlich tatsächlich getätigte Ausgaben, welche im Hinblick auf die erteilte Baubewilligung erfolgten, Abgeltungsansprüche geltend machen. Eine Wertminderung oder ein entgehender Gewinn im Verkaufsfalle sind davon ausgeschlossen. Für den Gutachter ist es daher wichtig zu wissen, ob mit dem Beginn des Bauvorhabens in nächster Zeit gerechnet werden kann, oder ob die Liegenschaft trotz vorhandener Baubewilligung noch längere Zeit unverbaut bleibt. Neben dieser allgemeinen Eigenschaft der Nichtvermehrbarkeit gibt es noch eine Reihe von individuellen Merkmalen. (2) Art der baulichen Nutzung(smöglichkeit) Der Wert eines Grundstücks wird sehr stark von der baulichen Nutzungsmöglichkeit beeinflusst. Das Bauland wird aufgrund der Raumordnung z.B. in Oberösterreich in folgende Widmungskategorien eingeteilt: Wohngebiete Wohngebiete sind nur für Wohngebäude mit Nebenanlagen (Garagen, Gartenhauschen und dgl.) vorgesehen: andere Bauten und sonstige Anlagen dürfen nur dann errichtet werden, wenn sie wirtschaftlichen, sozialen oder kulturellen Bedürfnissen dienen und keine Gefahren oder unzumutbare Belästigungen für die Bewohner mit sich bringen. Unter diesen Voraussetzungen dürfen auch Fremdenverkehrsgebäude und -anlagen errichtet werden. Reine Wohngebiete

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In diesen dürfen nur Wohnbauten mit Nebenanlagen und sonstige Bauten, die der Deckung des Bedarfs der Bewohner dienen, errichtet werden. Dorfgebiete Für land- und forstwirtschaftliche Gebäude sowie Gärtnereibetriebe vorgesehen. Darüber hinaus dürfen nur solche Gebäude und Anlagen errichtet werden, die auch im Wohngebiet zulässig sind. Kur- und Fremdenverkehrsgebiete Für Kuranstalten und Beherbergungsbetriebe vorgesehen. Kerngebiete Für öffentliche Bauten, Verwaltungsgebäude, Gebäude für Dienstleistungsbetriebe sowie für Versammlungs- und Vergnügungsstatten vorgesehen. Die Bewohner in einem solchen Gebiet dürfen allerdings keiner erheblichen Belästigung durch die Errichtung eines solchen Gebäudes ausgesetzt werden. Gemischte Baugebiete Für Gebäude, die in Wohngebieten oder in Kerngebieten errichtet werden dürfen, sowie Betriebe, die die Umgebung nicht wesentlich stören. Betriebsbaugebiete In diesen dürfen Betriebe, dazugehörige Verwaltungs- und Betriebswohngebäude sowie Lagerplätze errichtet werden, die die Umgebung nicht erheblich stören und nicht gefährden. Industriegebiete Für Betriebe mit übermäßiger Beeinträchtigung der Umgebung (ausgenommen hohe Explosions- und Strahlungsgefahr), Betriebe mit besonderer räumlicher Ausdehnung und Betriebswohngebäude. Geschäftsbautengebiete In diesen können Großgeschäfte, Warenhäuser und Einkaufszentren errichtet werden. Zweitwohnungsgebiete Für Appartementhäuser, Feriendörfer, Wochenendsiedlungen mit Nebenanlagen sowie zweckentsprechende Betriebe (z.B. Hallenbäder).

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(3) Maß der baulichen Nutzung(s-möglichkeit) Die Bebauungspläne enthalten im Allgemeinen Festlegungen über das Maß der zulässigen baulichen Nutzung sowie über die Bauweise (geschlossene, offene, gekuppelte oder Gruppenbauweise) für das einzelne Grundstück. Das Maß der baulichen Nutzung wird im Bebauungsplan durch folgende Festlegungen bestimmt: Grundflächenzahl (GRZ) Die Grundflächenzahl zeigt die bebaubare Fläche im Verhältnis zur gesamten Grundstücksgröße. Beispiel: Grundstücksgröße 1.000 m2 Bebaubare Fläche 500 m2 Verhältnis bebaubare Fläche zu Grundstucksgröße 500: 1.000 daher GRZ 0,5 Geschossflächenzahl (GFZ) Die Geschossflächenzahl stellt das Verhältnis der Summe der Bruttogrundrissflächen aller Geschosse zur Grundstücksfläche dar. Das Kellergeschoss bleibt dabei allerdings unberücksichtigt. Beispiel: Grundstücksgröße 1000 m2 Grundflächenzahl 0,3 (d.h. es können 300 m2 verbaut werden) zulässige Geschosszahl 3 Geschossfläche 300 m2 X 3 = 900 m2 Geschossflächenzahl = 0,9 Baumassenzahl (BMZ) Die Baumassenzahl stellt das Verhältnis des über Niveau zu errichtenden Bruttorauminhalts zur Fläche des Baugrundstücks dar. Bauklasse Die Bauklasse regelt die mögliche Gebäudehöhe (z.B. in Wien, NÖ).

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Für das Bundesland Wien sind in der Bauordnung festgelegt: Bauklasse I mindestens 2,5 m, höchstens 9 m Bauklasse II mindestens 4,5 m, höchstens 12 m Bauklasse III mindestens 10,0 m, höchstens 16 m Bauklasse IV mehr als l6,0 m, höchstens 21 m Bauklasse V mehr als 21,0 m, höchstens 26 m Bauklasse VI mehr als 26,0 m Für die Beurteilung des Bodenwerts muss daher ein überschlägiges Behauungsprojekt entworfen werden, um hieraus die Ausnutzbarkeit des Bauplatzes zu erkennen. Der Einfluss des Maßes der baulichen Nutzung auf den Bodenwert wird in ländlichen Gebieten, in denen kein Baulandmangel herrscht, weniger stark ausgeprägt sein als in städtischen oder stadtnahen Bereichen. in denen das Bauland knapp ist. (4) Anliegerleistungen Durch die Schaffung eines Bauplatzes erwachsen der Allgemeinheit Verpflichtungen und Lasten, wie z.B. die Straßen- und Gehsteigherstellung, Aufschließungskosten usw., die aber in erster Linie dem Bauwerber zugute kommen. Alle Bauordnungen enthalten daher einen mehr oder weniger umfangreichen Katalog von Anliegerleistungen, die anlässlich der Erteilung der Bauplatzbewilligung bzw. Baubewilligung zu entrichten sind. In Oberösterreich gibt es z.B. vier Arten von Anliegerleistungen: Grundabtretung Bis zur Mitte der vorgesehenen Aufschließungsstraße ist der dafür erforderliche Grund his zu einer Höchstbreite von 8 m kostenlos an die Gemeinde abzutreten. Beitrag zu den Kosten des Grunderwerbs Wurde von einer Gemeinde der Grund für eine Aufschließungsstraße bereits gekauft, so muss der Bauplatzwerber einen Kostenersatz leisten, und zwar für eine Straßenbreite, für die er sonst den Grund kostenlos hätte abtreten müssen. Beitrag zu den Kosten der Fahrbahn

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Dieser Beitrag ist für die Staubfreimachung der Aufschließungsstraße, wobei für Einfamilienwohnhäuser in der Bauordnung eine Ermäßigung vorgesehen ist. Beitrag zu den Kosten des Gehsteigs Wenn im Zuge der Aufschließungsstraße auch ein Gehsteig vorgesehen ist, so wird ein Beitrag zu den Herstellungskosten des Gehsteigs vorgeschrieben. Die Vorschreibung der Anliegerleistungen setzt einen rechtswirksamen Bebauungsplan voraus und wird durch die Gemeinde vorgenommen. Da die Anliegerleistungen nicht unbeträchtlich sein können, muss bei der Ermittlung des Bodenwerts stets darauf geachtet werden, oh diese bereits entrichtet sind. (5) Größe des Grundstücks Die Größe eines Grundstücks muss der baulichen Nutzungsmöglichkeit aufgrund des Bebauungsplans entsprechen. Zu kleine oder zu große Flächen können zu einer Wertminderung führen. Für Grundstücke, die für Ein- und Zweifamilienwohnhäuser in offener Bauweise vorgesehen sind, betragt die wirtschaftliche Größe 600 bis 1.000 m2. In den Gemeinden werden je nach Struktur und Preisniveau Mindestgrößen für Baugrundstücke festgelegt. Für die noch einigermaßen zweckmäßige Nutzung eines Baugrundstücks müssen 400 m2 als Mindest-größe angesehen werden. Bei Grundstücken, die für die gewerbliche Nutzung vorgesehen sind, muss darauf geachtet werden, dass die Fläche auch für erforderliche Verkehrswege oder Lagerplätze ausreicht. Zu kleine Grundstücke können meist nur gemeinsam mit dem Nachbargrundstück widmungsgemäß genutzt werden. Bei zu großen Grundstücken ist zu prüfen, oh eine vernünftige Teilung unter Berücksichtigung von allfälligen Aufschließungskosten möglich ist. Im Allgemeinen erzielen kleinere Grundstücke höhere Preise je m2 als große Flächen; eine Ausnahme bilden Grundstücke in exklusiven Wohnlagen. In den anderen Fällen kann es notwendig sein, die Fläche in Teilflächen zu zerlegen und unterschiedliche Werte anzusetzen.

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(6) Form des Grundstücks Neben der Größe hat die Form des Grundstücks einen beträchtlichen Einfluss auf die Bebauungsmöglichkeiten. Die ideale Form ist ein Rechteck, bei dem das Verhältnis der Breite zur Länge in etwa 1:2 beträgt. Unregelmäßige Grundstücksformen, Vielecke, Dreiecke mit spitzen Winkeln sowie schmale und tief geschnittene Grundstücke führen oft zu einem geringeren Wert. Einen stark eingeschränkten Käuferkreis haben unselbständige Grundstücksflächen, das sind kleine und ungünstig geschnittene Grundstücke, welche für sich allein nicht bebaubar sind und für welche sich eine sinnvolle Nutzung nur bei Zusammenlegung mit benachbarten Grundstücken ergibt. Bei besonders tief geschnittenen Grundstücken sollte eine Zonenbewertung durchgeführt werden. Dabei wird die Grundstucksfläche nach ihrer Tiefe in Wertzonen eingeteilt, die sich wie folgt abgrenzen: Vorderland: bis 40 m Tiefe Hinterland I: 40 bis 80 m Tiefe Hinterland II: über 80 m Tiefe, soweit noch baulich nutzbar In eng verbauten Stadtzentren: Vorderland: bis 25 m Hinterland I: 25 bis 50 m Hinterland II: über 50 m Die Wertansätze für das Hinterland betragen: Hinterland I: Etwa die Hälfte des Vorderlandpreises. Hinterland II: Etwa ein Viertel (oder weniger) des Vorderlandpreises. (7) Niveau des Grundstücks, Boden und Untergrund Bevorzugt werden Grundstücke mit ebener Lage. Leichte Hanglagen his zu 10 % Neigung sind ebenen Grundstücken gleichzusetzen. Darüber hinausgehende Hanglagen fuhren zu höheren Baukosten, da besondere bauliche Maßnahmen, wie die Herstellung eines Planums für die Umgebung

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des Hauses, der Bau von Stützmauern, Treppen und Grundstücksauffahrten, erforderlich werden. Stärkere Hanglagen senken somit in der Regel den Liegenschaftswert, eventuell vorhandene Vorteile, wie eine besonders schöne Aussicht, können sich allerdings ausgleichend auswirken. Südhange sind attraktiver als Nordhänge. Die Beschaffenheit des Untergrunds hat einen wesentlichen Einfluss auf die bauliche Nutzungsmöglichkeit des Grundstücks. Ungünstige Boden-verhältnisse führen zu höheren Baukosten. Höhere Fundierungskosten verursachen aufgeschütteter Boden, steiles Hanggelände, schwerer Stichboden (weicher, sandiger Lehm oder Ton) und Hackboden (fester Lehm, Ton oder Mergel). Felsboden verteuert die Baukosten besonders, da Sprengarbeiten notwendig sind. Hochstehendes Grundwasser erfordert aufwendige Abdichtungen am Kellergeschoss oder sogar den Bau einer Betonwanne. Eventuell muss auf einen Keller verzichtet werden. (8) Ver- und Entsorgung, Technische Infrastruktur Trink- und Nutzwasserversorgung Ein Grundstück ist in dieser Hinsicht dann als voll aufgeschlossen zu bezeichnen, wenn in unmittelbarer Nähe der Anschluss an eine öffentliche oder genossenschaftliche Wasserversorgungsanlage möglich ist. Bei der Eigenversorgung aus einer Quelle oder einem Brunnen ist auf eine einwandfreie Trinkwasserqualität und die Ergiebigkeit auch in Trockenzeiten zu achten. Ist der Anschluss an das öffentliche Wasserversorgungsnetz nur über eine weitere Entfernung möglich, so wirken sich die entstehenden Mehrkosten auf das Grundstück Wert mindernd aus. Abwasserbeseitigung In der Regel werden die Abwässer durch den Anschluss an ein öffentliches Kanalnetz entsorgt. Ist ein öffentlicher Kanal vorhanden, oder wird er nachträglich errichtet, so wird ein Anschluss meistens zwingend vorgeschrieben, wobei relativ hohe Anschlusskosten entstehen. Sollte für ein Grundstuck keine Anschlussmöglichkeit bestehen, so ist zu prüfen, ob die Entsorgung auf der eigenen Liegenschaft möglich ist. Dabei werden die Abwässer durch die Klärung in einer eigenen Kläranlage und

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Ableitung der geklärten Abwässer in einen Vorfluter und Versickerung oder durch die Sammlung in dichten Senkgruben und Abfuhr der Fäkalien beseitigt. Die eigene Kläranlage stellt allerdings die teuerste Abwasserbeseitigung dar. Energieversorgung Ein Stromanschluss ist fast für jede bauliche Anlage notwendig. Ist eine gewerbliche oder industrielle Nutzung vorgesehen, so ist auf die Möglichkeit eines Kraftstromanschlusses zu achten. Auch bei der Nutzung für Wohnzwecke muss zumindest ein Kraftstromanschluss, z.B. für Elektroherd, Sauna usw., vorgesehen sein. Erhebliche Kosten können dadurch verursacht werden, wenn eine lange Zuleitung oder ein Fall einer Neubebauung die Errichtung eines Transformators erforderlich sind. Eine immer größere Rolle spielt die Energieversorgung mit Fernwärme und Ferngas. Da diese Energien eine günstige Alternative zum Strom darstellen, wirkt sich die zusätzliche Versorgung damit werterhöhend aus. (9) Rechte und Lasten Grunddienstbarkeiten Bei Grunddienstbarkeiten stehen sich ein dienendes und ein herrschendes Grundstück gegenüber. Die Grunddienstbarkeit ist für das dienende Grundstück eine Belastung und für das herrschende Grundstück ein Bestandteil. Grunddienstbarkeiten sind unteilbar und belasten immer das ganze Grundstück. Wird ein Grundstück geteilt, so bleibt jeder Teil mit der Dienstbarkeit belastet. Grunddienstbarkeiten sind z.B. Hausservitute, Feldservitute (Wegerechte, Notwegerechte), Wasserrechte (Wasserschöpfrecht, Viehtränke, Wasser - Zu - und Ableitung), Weiderechte, Waldrechte (z.B. Holzbezugsrecht) und Leitungsrechte (einem Elektrizitätsversorgungsunternehmen kann das Recht, eine elektrische Leitung über fremden Grund zu fuhren, zu betreiben und zu erhalten, zwangsweise eingeräumt werden). Nicht jede Grunddienstbarkeit wirkt sich Wert- erhöhend oder -mindernd aus, sondern es hängt von der Bedeutung und der Größe des Vor- bzw. Nachteils ab.

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Persönliche Dienstbarkeiten Die persönliche Dienstbarkeit ist an die Person des Berechtigten gebunden, nicht übertragbar und nicht vererblich, und erlischt mit dessen Tod. Persönliche Dienstbarkeiten sind z.B. Dienstbarkeit der Wohnung, Fruchtgenussrecht. Reallasten Die Reallast verpflichtet den Eigentümer eines Grundstücks, an den Berechtigten wiederkehrende Leistungen zu erbringen. Der Eigentümer, der die Reallast begründet hat, haftet für diese Leistungen nicht nur mit dem Grundstück, sondern auch mit seinem gesamten Vermögen (z.B. das Recht auf lebenslangen Unterhalt beim Ausgedinge). Vorkaufs- und Wiederkaufsrechte Die dinglichen Vorkaufs- und Wiederkaufsrechte haben keinen oder wenig Einfluss auf den Wert des Grundstücks, da der Vorkaufsberechtigte den gleichen Kaufpreis zahlt wie ein anderer Interessent. Ein Nachteil für das belastete Grundstück liegt nur dann vor, wenn das Wiederkaufsrecht mit einem festen Grundstückspreis verbunden ist, der unter dem Marktwert liegt.

1.4 Eigenschaften von bebauten Immobilien Stellvertretend wird hier das Gut Wohnung betrachtet; die meisten der gemachten Aussagen treffen in ähnlicher Form auch auf Häuser und Gewerbeimmobilien (Büros, Geschäfte oder Produktionsstätten) zu. (1) Unteilbarkeit der Wohnung Wohnungen sind nicht oder nur bedingt teilbar. In den meisten Füllen ist es nicht möglich, einen zusätzlichen Raum zu mieten oder einen Raum abzugeben, es sei denn bei Untervermietung Die Unteilbarkeit der Wohnungsnachfrage hat somit zur Folge, dass der nachfragende Haushalt auf Preisveränderungen, die eine gewisse, von dem Haushalt individuell festgesetzte Obergrenze übersteigen nur reagieren kann, indem er zwischen 2 Wohnungstypen springt, Das impliziert, dass die konventionellen

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Konzepte der Preis- und Einkommenselastizität der Nachfrage auf den Wohnungsmarkt kaum anwendbar sind. (2) Dauerhaftigkeit – Länge des Lebenszyklus Die Wohnung ist das langlebigste aller lebensnotwendigen Konsumgüter und wird von mehreren Haushalten hintereinander genutzt. Entsprechend der technischen Qualität des erstellten Baukörpers wird eine bis zu l00-jährige Nutzungsdauer unterstellt, die oft noch überschritten wird (und bei entsprechender Instandhaltung des Gebäudes auch gesteigert werden kann), andererseits aber oft deshalb nicht zu erreichen ist, weil sich für das Nutzungsangebot keine Nachfrage mehr findet. Drei Aspekte verdienen in diesem Zusammenhang Beachtung:

• Infolge seiner Dauerhaftigkeit bleibt das Gut lange potentiell marktwirksam. So kann es während seiner Lebensdauer mehrmals am Markt angeboten werden (Besitzer- oder Mieterwechsel); neben dem Markt für Neubauten ergibt sich somit auch ein Gebrauchtwohnungsmarkt. Grundsätzlich ist dies kein Spezifikum des Wohnungsmarktes. Auch andere Märkte, insbesondere der Automobilmarkt, kennen derartige Prozesse. Doch während sich an diesen Märkten die potentielle Marktwirksamkeit auf kurz- bis mittelfristige Zeiträume erstreckt, ist - bedingt durch die Lebensdauer des Gutes - am Wohnungsmarkt ein langfristiger Marktbezug gegeben.

• Die lange physische und ökonomische Lebensdauer von Wohnungen führt dazu, dass die Zu- und Abgänge im Gesamtbestand relativ gering sind. Daher kann sich der Gesamtbestand auch langfristig nur recht zögernd an Nachfrageveränderungen anpassen, wodurch die Gebrauchtwohnungsmärkte gegenüber den Neubaumärkten eine größere Bedeutung erlangen.

• Aus der langfristigen Nutzungsmöglichkeit resultiert in Verbindung mit den hohen Produktionskosten das Problem eines geringen Kapitalumschlags. Ist dann in Relation zu den Baukosten das im Mietwohnungsbau zu erzielende Nutzungsentgelt niedrig, ergibt sich eine Erhöhung des Investitionsrisikos, denn es ist bei der langen Lebensdauer des Gutes „Wohnung“ fast unmöglich, das Volumen und die zeitliche Verteilung der in Zukunft zu erwartenden Einnahmen und Ausgaben zu projektieren und damit den Kapitalwert einer

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solchen Investition zu berechnen. Die Unmöglichkeit, eine Vorausschätzung der den Wohnungsmarkt beeinflussenden Faktoren über den gesamten Nutzungszeitraum einer Wohnung zu leisten, kompliziert die Investitionsentscheidung. Ist aber erst einmal das Wohnobjekt errichtet, ist es auch bei hohen auf ihm ruhenden finanziellen Belastungen wirtschaftlich nicht sinnvoll, das Gut Wohnung aus dem Markt zu nehmen, sollte die Miete alle Kosten nicht mehr decken. Die Langfristigkeit der Vermarktung macht somit eine ausschließlich auf Mieteinnahmen ausgerichtete Investitionsmotivation risikoreich, dem Investor bleibt als alleiniges Datum eine Garantie der Unsicherheit.

• Soll ein Wohnungsangebot langfristig marktwirksam bleiben, wird der Investor auf Änderungen der Wohngewohnheiten und Wohnansprüche reagieren müssen, wenn er sein Angebot auf bestimmte Nachfragerkreise ausrichten will. Ebenso wird er auch ohne derartige Änderungen der Nachfragerichtung für den technischen Erhalt seines Besitzes durch Maßnahmen der Instandhaltung und Instandsetzung Sorge tragen müssen. Ständige Reinvestitionserfordernisse ergeben sich somit als dritte Konsequenz der langen Lebensdauer des Marktgutes.

(3) Lange Produktionsdauer Der Herstellungsprozess von Wohnungen ist als langwierig zu charakterisieren: zwischen Investitionsentscheidung und Fertigstellung des Objektes vergehen in der Regel zwei Jahre. Witterungsabhängigkeit des Bauprozesses und die lohnintensive Produktionsweise setzen einem Bemühen zur Reduzierung dieser Frist durch Rationalisierung enge Grenzen. Damit wird aber die Anpassung an unterschiedliche Marktlagen erschwert, denn zwischen dem Erkennen etwa einer Unterversorgung, der Reaktion hierauf und dem Wirksamwerden dieser Reaktion liegt ein Time-lag in der oben beschriebenen Größenordnung. Der Einfluss auf die Struktur der Wohnverhältnisse kann aus demselben Grunde nicht zeitlich unmittelbar gelingen: Denn gemessen am gesamten Wohnungsbestand macht der jährliche Neuzugang etwa 2 bis 3 v. H. aus. Lange Produktionsdauer und Kapazität der Bauwirtschaft begrenzen damit den unmittelbaren Einfluss der Neuproduktion auf das Marktgeschehen.

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(4) Hohe Produktionskosten

Aus den hohen Produktionskosten bei der Erstellung von Wohnraum resultieren Einflüsse, die Unterschiede zwischen wohnlicher Versorgung und Versorgung mit anderen Gütern bedingen. In der Regel ist der Bauherr nicht in der Lage, das Gut aus vorhandenen Barmitteln zu kaufen; so beträgt der Preis einer Neubauwohnung gegenwärtig das Acht- bis zehn Fache des Jahreseinkommens eines Durchschnittsverdieners. Anmerkung: Durchschnittlicher m2-Preis einer Neubaueigentumswohnung in Österreich: € 2.000.-; in Wien: € 2.800.-: ergibt bei einer 80m2-Wohnung zwischen € 160.000.- und € 225.000.- Als erste Folge ergibt sich daraus für viele Haushalte die Unmöglichkeit, eine Wohnung als eigenen Besitz zu erwerben. Darum ist auf dem Wohnungsmarkt wie in sonst keinem Bereich des privaten Konsums das Phänomen der Miete verbreitet. Des Weiteren ergibt sich für die Bauherren die Notwendigkeit, die Herstellungskosten mit langfristig ausgeliehnen Mitteln kreditieren zu lassen. Die Wohnversorgung gerät hierdurch in eine starke Abhängigkeit von den Verhältnissen am Kapitalmarkt. Durch die Verzinsung und Tilgung derartiger Kredite entsteht ein hoher, periodisch anfallender Kostenblock, der in der Miete bzw. in der Belastung (bei Wohneigentum) seinen Niederschlag findet und diese in ihrer absoluten Höhe weitgehend bestimmt. Analog zur Unüblichkeit, wegen ihrer Höhe die Kosten eines neu erworbenen Wohnobjekts auf einmal aus Barmitteln zu begleichen, ergibt sich für einen Vermieter die Unmöglichkeit, das in ein Objekt investierte Kapital relativ schnell herauszulösen, da Mietzahlungen in einer derartigen Höhe nicht zu erwirtschaften sein werden. Damit ergibt sich parallel zur langen Nutzungsdauer des Gutes eine langfristige Kapitalbindung im Objekt. Im Mietwohnungsbau stehen den hohen Anfangsinvestitionen Einkünfte gegenüber, die erst über eine lange Zeitperiode hinweg erwachsen. Außerdem herrscht beim Anbieter über die Höhe der zu erwartenden Einkünfte große Unsicherheit, da er nicht in der Lage ist, die langfristige Entwicklung der Nachfrage nach Wohnungen und damit verbundene Entwicklung der Mietpreise vorherzusehen. Diese Tatsache beeinflusst auch sein Investitionsverhalten.

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(7) Hohe Transaktionskosten Beim Kauf/Verkauf einer Immobilie fallen hohe Suchkosten (Maklerkosten), Verhandlungskosten, Vertragsabschlußkosten und andere Transaktionskosten (Grunderwerbssteuer, etc. ) an (8) Begrenzte Substitutierbarkeit

Wohnen zählt zu den „basic needs“, den Vitalbedürfnissen des Menschen, deren Befriedigung zur Sicherung einer biologischen wie auch geistigen Existenz unerlässlich ist. Hieraus resultiert die Sonderstellung, die die Nachfrage nach Wohnraum innerhalb der Bedürfnisstruktur eines Haushaltes besitzt. Die Nachfrager haben praktisch keine Möglichkeit der Substitution. Es lassen sich zwar graduelle Unterschiede in Bezug auf Zeitpunkt und Qualität der Bedürfnisbefriedigung feststellen, doch existieren weder Ersatzgüter, noch ist auf Dauer eine zeitliche Aussetzung des Bedarfs denkbar. Die Wohnung gehört - zumindest traditionell - zu der Kategorie des starren Bedarfs eines Haushalts. Dies gilt jedoch nur für den Grundbedarf Es ist nämlich sinnvoll, den Wohnbedarf und die sich daraus ergebende Wohnungsnachfrage in 2 Komponenten zu zerlegen: a) den Grundbedarf, der nur auf die lebensnotwendige Versorgung mit Wohnraum abgestellt ist; b) den darüber hinausgehenden Bedarf, der durch andere Faktoren, wie z. B. Geltungsbedarf, Prestigestreben Vermögensanlage etc. ausgelöst wird. Diesem Sachverhalt entspricht auch die Trennung zwischen normativem und subjektivem Bedarf. Der normative Bedarf kann als eine politische Definition des Grundbedarfs gesehen werden. Indem man als normativen Bedarf z. B. eine bestimmte m2-Wohnfläche pro Person festsetzt, operationalisiert man den Begriff des Grundbedarfs. Die Aufteilung der Nachfrage in zwei Komponenten ist jedoch kein spezifisches Charakteristikum des Gutes Wohnen, sondern sie gilt für alle langlebigen Konsumgüter So kann beispielsweise der Grundbedarf an individueller motorisierter Fortbewegung durch den Erwerb eines Mopeds gedeckt werden. Zunehmende qualitative Anspruche, z. B. nach Witterungsschutz, schnellerer und sichererer Fortbewegung, aber auch Aspekte demonstrativen

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Konsums führen bei vorhandener Kaufkraft zur Nachfrage an anderen Teilmärkten (Motorrad, Kleinwagen, größeres Automobil). Bei langlebigen Konsumgütern folgt der Deckung des Grundbedarfs in Abhängigkeit von individueller Kaufkraft und Marktsituation eine qualitative Differenzierung der Nachfragerichtung. (9) Mangelnde Marktransparenz

In der Regel ist der Haushalt, der nur selten am Wohnungsmarkt in der Rolle des Nachfragers aktiv wird, nur unzureichend über das vorhandene Angebot informiert. Gründe dafür sind der geringe Standardisierungsgrad von Wohnungen, die räumliche Dispersion des Marktes und nicht zuletzt die Schwierigkeiten und Kosten, die bei der Erlangung von Marktinformationen entstehen. Die Folge ist, dass der Nachfrager bei Markteintritt unrealistische Vorstellungen vom vorhandenen Wohnungsangebot und den herrschenden Preisen hat, So müssen diese Vorstellungen des Nachfragers in der Folgezeit einen sukzessiven Anpassungsprozess durchleben, dessen Resultat eine durch die Angebotsgegebenheiten beschränkte Nachfrage ist. Andererseits sind auch private Anbieter / Vermieter oft nur unzureichend über Marktpreise informiert. Neben diesen allgemeinen Eigenschaften einer Wohnung sind (ähnlich wie beim unbebauten Grundstück) noch folgende individuelle Merkmale zu nennen: (1) Größe der Wohnung Während bei Wohnungen die Nutzfläche in der Regel einfach zu eruieren ist, stellt sich diese Aufgaben bei anderen Immobilien oft schwierig dar: Bruttogeschoßfläche versus Nettogeschoßfläche, inwieweit sind Gänge, Stiegenhäuser zu berücksichtigen, wie sind Wohnkeller zu bewerten, etc. Wertaussagen zur Größe einer Wohnung sind vor dem Hintergrund bestimmter Moden und Trends zu relativieren. Galten Kleinwohnungen (30 – 40 m2) noch vor wenigen Jahren als besonders attraktiv, so sollten derzeit sogenannte „Singlewohnungen“ zumindest 50 m2 aufweisen. Es gilt aber nach wie vor, dass größere Wohnungen bezogen auf den m2-Preis billiger sind.

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(2) Baualter und Zustand Während das Baualter bzw. auch die Zeitpunkte von Sanierungen in der Regel einfach zu erheben sind, wird beim Zustand meistens eine subjektive Einschätzung abgegeben. (3) Höhe der Räume und Grundriss Ähnlich wie das Baualter kann auch die Raumhöhe objektiv gemessen werden, werden die Einschätzung eines „guten“ bzw. „schlechten“ Grundrisses nicht so einfach ist. (4) Orientierung und Stockwerkslage Die Orientierung nach Himmelsrichtungen sollte sich auf die Hauptwohnräume beziehen. Neben der Himmelsrichtung sind aber auch Eigenschaften wie Hoflage oder Aussicht auf stark befahrene Straßen zu vermerken. Die Stockwerkslage ist mit dem Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein eines Liftes zu relativieren. Generell wird die Stockwerkslage gerne als Indikator für „Aussicht“ herangezogen. (5) Ausstattung Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien hier genannt: Keller(abteil), Zahl der Bäder, WCs, Heizungsart, Balkon, Terrasse, Garten, Loggia (Größe), Anschlüsse für Gas, Telefon, Internet, Kabel-TV. (6) Möblierung Häufig werden hier die drei Kategorien „voll“, „teilweise“ (Küche) und „nicht“ möbliert herangezogen. Ohne den genauen Zustand der Möbel zu kennen, sind aber Werturteile generell nicht möglich.

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1.5 Anbieter und Nachfrager auf dem Immobilienmarkt

1.5.1 Anbieter am Immobilienmarkt Immobilienmärkte zeichnen sich auch dadurch aus, dass sehr unterschiedliche Personen und Personengruppen als Anbieter auftreten. An erster Stelle sind physische Personen zu nennen, die als private Akteure auf den verschiedenen Segmenten des Immobilienmarktes agieren. So zum Beispiel, wenn Baugrundstücke, Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen privat verkauft oder vermietet (verpachtet) werden. Dies kann unmittelbar oder unter Beiziehung von Vermittlern (Maklern) geschehen. Die zweite wichtige Gruppe sind gemeinnützige Wohnungsunternehmungen, die einer sozialen Verpflichtung zur Wohnungsversorgung unterliegen und vor allem als Anbieter von Wohnungen auftreten. Bei freien Wohnungsunternehmen steht hingegen das Gewinnmotiv an erster Stelle. Bedeutend sind auch Gebietskörperschaften. Am Bodenmarkt können Länder sog. Baurechtsgründe (langfristige Verpachtung von Gründen zur Errichtung von Einfamilienhäusern im Eigentum) oder Gemeinden unmittelbar Baugründe anbieten. In Österreich und hier besonders in Wien spielt auch der Sektor der Gemeindewohnungen eine herausragende Rolle. 1.5.2. Nachfrager am Immobilienmarkt Hier ist zu unterscheiden zwischen jener Nachfragergruppe, die auf dem Immobilienmarkt als „Endverbraucher“ (Endnutzer) auftritt und jener Gruppe, die (vor allem) Baugrundstücke zur weiteren Verwertung nachfragt. Zu Ersteren sind private Haushalte zu zählen, die vor allem Wohnungen bzw. Familienhäuser nachfragen. Definitionskriterium für Haushalte ist das gemeinsame Wirtschaften. Ein Haushalt kann auch aus einer Einzelperson bestehen. Ebenso Endverbraucher sind Betriebe, die unterschiedliche Gewerbeimmobilien (Büros, Produktionsstätten, etc.) nachfragen.

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Auf der anderen Seite sind es vor allem Wohnbaugesellschaften und Genossenschaften (sowohl gemeinnützig als auch gewinnorientiert) als auch Gebietskörperschaften die für ihre Projekte auf dem Grundstücksmarkt tätig werden. 1.6 Besonderheiten des Immobilienmarktes Der Begriff Markt wird in der Literatur allgemein umschrieben als das Zusammentreffen von Angebot und Nachfrage. Diese leerformelhafte Umschreibung des Marktvorganges erfährt durch v. Stackelberg eine Konkretisierung dahingehend, dass unter Markt die gedankliche Zusammenfassung aller Kauf- und Verkaufsakte eines bestimmten Gutes innerhalb eines bestimmten Gebietes und Zeitraumes verstanden wird. Konstitutiv für das Vorhandensein eines Marktes ist demnach das Handeln von Akteuren in Bezug auf ein bestimmtes Wirtschaftsgut, wobei der Marktvorgang als Austausch von Leistungen zu charakterisieren ist. Die räumliche und zeitliche Eingrenzung, die v. Stackelberg in seiner Definition vornimmt, deutet bereits an, dass in der Realität für ein Wirtschaftsgut verschiedene (räumliche und sachliche) Märkte existieren können. Aus dieser Spezifizierung und den diskutierten Eigenschaften ist unmittelbar ersichtlich, dass es sich bei Immobilien um sehr heterogene Güter handelt, die sich in ihren Eigenschaften wesentlich voneinander unterscheiden. Es scheint deshalb auch nicht sinnvoll, "ein typisches Gut Immobilie" zu definieren, sondern für verschiedene Analysezwecke jeweils bestimmte Merkmale herauszugreifen, diese in Einzelmodellen zu analysieren und später eine Verallgemeinerung oder Synthese anzustreben". Bevor auf den Boden- und den Wohnungsmarkt speziell eingegangen wird, seien einige generelle Besonderheiten angeführt: Neben der Unterscheidung objektspezifischer Märkte (Kleingärtenmarkt, Markt der Dachgeschosswohnungen, etc.) wird bei Immobilienmärkten häufig auch eine regionale Abgrenzung vorgenommen. Dies ergibt sich u.a. aus der Lebenssituation der nachfragenden Haushalte, die auf Grund von

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Arbeitsplatz, Schule oder Ähnlichem nur in einem bestimmten, räumlich eng abgegrenzten Segment agieren. Die Mehrzahl der Immobilienmärkte ist durch eine große Zahl von Nach-fragern gekennzeichnet, die jedoch nur einen verschwindend kleinen Teil an der Gesamtnachfrage ausmachen. Man spricht von einer atomistischen oder polypolistischen Nachfragestruktur. Die Nachfrager haben unterschiedliche Präferenzen, die sich aus ihren individuellen Motiven ableiten lassen und sie sind über die Preise und die Struktur der angebotenen Immobilien nur unvollständig informiert. Demnach besitzen die Anbieter quasi ein Monopol für ihre Offerten, jedoch sind diese Güter so ähnlich, dass die Anbieter in enger Substitutionskonkurrenz zueinander stehen. Für den Fall, dass auf diesen Märkten zugleich auch viele Anbieter auftreten, was für Immobilienmärkte sicherlich zutrifft, haben Chamberlain (1933), Gutenberg (1965) u.a. das Marktmodell der "Monopolistischen Angebotskonkurrenz" entwickelt. Charakteristisch für diese Marktform ist etwa im Gegensatz zum Modell der "Vollkommenen Konkurrenz", dass der Anbieter nicht die gesamte Nachfrage verliert, wenn er den Preis für sein Gut anhebt und nicht unbe-grenzt Nachfrager hinzugewinnt, wenn er den Preis geringfügig senkt. Sein Spielraum bei der Preisgestaltung wird umso größer sein, je exklusiver er das Bild oder Image seines Anbots gestalten kann. Diese Art von "Non-Price-Competition" spielt auch beim "heterogenen Oligopol" eine wichtige Rolle. Oligopolistische Angebotskonkurrenz ist gekennzeichnet durch einige wenige Anbieter, denen eine große Zahl von Nachfragern gegenübersteht und diese Marktform trifft besonders auf den Wohnungsmarkt mit den gemeinnützigen und gewinnorientierten Wohnbaugesellschaften zu. Typisch für die Strategien der einzelnen Anbieter ist, dass sie bei der Vermarktung ihres Produktes die erwarteten Reaktionen der anderen Oligopolisten miteinbeziehen. Darüber hinaus können am Immobilienmarkt auch noch Beispiele für andere Marktformen identifiziert werden: Angebotsmonopol: Dies trifft beispielsweise auf die Wohnungen der Gemeinde Wien zu.

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Exkurs: Preisbildung am Bodenmarkt Die Bildung und Entwicklung der Preise für Grund und Boden hat seit Begründung der Nationalökonomie immer wieder das (oft emotionale) Interesse einer breiten Öffentlichkeit gefunden und ist immer stärker zu einem Kernproblem der Wohnungs- und Städtebaupolitik sowie der Raumordnungspolitik geworden: Das Faktum, dass mit der Verfügung über Grund und Boden Einkommen zu erzielen ist und umso eher, je mehr mit Änderung gesamtwirtschaftlicher Daten Bodenwertsteigerungen einher-gehen, blieb immer Objekt reformerischer und vielfach radikaler Erörterungen. Da die Begriffe „Bodennutzung“ und „Grundrente“ bei der Diskussion um Fragen des Bodenwertes und -preises von zentraler Bedeutung sind, sollen sie zunächst erläutert werden: Als Bodennutzung wird die zukünftig realisierbare Verwendung des Bodens bezeichnet. Hierzu gehört die land- und forstwirtschaftliche Nutzung des Bodens ebenso wie dessen Verwendung als Standort für Wohn- und Geschäftsgebäude, Gewerbe-, Dienstleistungs- und Industriebetriebe. Verwaltungsgebäude, Infrastruktureinrichtungen oder für sonstige Zwecke. Jedes Grundstück der insgesamt nicht vermehrbaren Bodenmenge einer Volkswirtschaft ist zu einem gegebenen Zeitpunkt einer bestimmten Bodennutzung gewidmet. Zwischen Bodennutzung und Bodenpreis besteht eine enge Verbindung. Sie ergibt sich über die Grundrente. Die Grundrente ist nach heutiger wirtschaftstheoretischer Auffassung der Preis für die Bodennutzung bzw. das Einkommen, das aus dem produktiven Einsatz von Bodennutzung für den Bodeneigentümer entsteht. Die Grundrente hat wie Lohn und Zins einen doppelten Aspekt: einerseits ist sie ein Preis- und Kostenfaktor für die Wirtschaftseinheit, welche Boden-nutzungen produktiv verwerten, andererseits ist sie eine Einkommens-kategorie für die Landbesitzer. Zudem ist die Rente in mikroökonischer Sicht als Regulativ auf dem Grundstücksmarkt anzusehen. Zur Erklärung der Grundrente sind in der Nationalökonomie verschiedene Theorien entwickelt worden. Die ersten Erklärungsansatze, die sich auf den

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landwirtschaftlichen Bereich beziehen und heute noch als Fundament für die Erklärung der Bodenpreisbildung gelten, stammen von Ricardo und von von Thünen. Ausgangspunkt bei Ricardo ist die These, dass für die Agrarproduktion zunächst die qualitativ besten Böden genutzt werden. Wenn die Nachfrage nach fruchtbarem Boden jedoch größer ist als das Angebot an Boden mit optimaler Qualität, werden auch die weniger fruchtbaren Böden zur Agrarproduktion herangezogen. Die auf den Böden verschiedener Güte geernteten Produkte erzielen am Markt zwar den gleichen Preis, bei gleichem Einsatz der Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital ist aber die quantitative Ausbeute auf den fruchtbareren Böden größer, wodurch letztlich ein höherer Ertrag bzw. im Vergleich zu den schlechteren Böden eine Differenzialrente erwirtschaftet wird. Von Thünen dagegen unterstellt in seiner Theorie vom isolierten Staat das Vorhandensein einer großen Fläche von Boden mit gleich guter Qualität. Inmitten dieser Fläche liegt die einzige vorhandene Stadt, in der die erzeugten Agrarprodukte verkauft werden können. Nach von Thünens Auffassung bestimmt die Höhe des Preises, den das Produkt am Markt erzielt, zusammen mit den Produktions- und den Transportkosten die Grundrente. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Transportkosten, erstens, mit der Distanz zwischen Produktionsort und Markt proportional ansteigen und, zweitens, je nach Art des Produktes differieren. Entsprechend der Idee der Gewinnmaximierung wird der Landwirt auf seinem Boden jeweils das Produkt anbauen, bei dem die Differenz zwischen dem erreichbaren Marktpreis und der Summe aus Produktions- und Transportkosten am größten ist. Aufbauend auf dem Modell von v. Thünen hat Alonso 1964 eine Theorie der Bodenpreisbildung entwickelt, wobei er auch Wohnbauland und Gewerbebauland mit einbezieht. Er unterstellt eine Menge vereinfachender und z. T. unrealistischer Prämissen, wie etwa eine atomistische Konkurrenz und vollkommene Markttransparenz, die eine empirische Überprüfung des Modells kaum zulassen. Auf der Basis seiner Prämissen entwickelt er auf der Grundlage der klassischen Theorie des Haushalts und der Unternehmung Gebotspreiskurven für die drei möglichen Arten der Bodennutzung Gewerbe/Büro, Wohnen und Landwirtschaft, wobei das Preisgebot von der Entfernung des Bodens vom Stadtzentrum abhängt. Je nach Bodennutzung ist diese Entfernung für die Grundrente von unterschiedlicher Bedeutung. Die Art der Bodennutzung wird in diesem Modell über den Bodenmarkt

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bestimmt, d.h. sie ist davon abhängig, bei welcher Nutzungsart ein Anbieter für ein gegebenes Grundstück den höchsten Preis erzielen kann. Bei den empirischen Untersuchungen über die Bodenpreisbildung wird von der Hypothese ausgegangen dass die Lage des Bodens für den erzielbaren Preis von entscheidender Bedeutung ist, wobei eine Stadt als räumlicher Bezugspunkt genommen wird. Brigham versuchte, von dieser Hypothese ausgehend, die Abhängigkeit der Bodenpreise von der Erreichbarkeit der Arbeitsplätze für die Region Los Angeles zu zeigen. Mills überprüfte anhand historischen Datenmaterials die Abhängigkeit der Bodenwerte von der Entfernung zum Zentrum für Chicago. Eine ähnliche Untersuchung führte Seyfried für die Stadt Seattle durch. Der Grundrente kommt jedoch nicht nur eine preistheoretische Funktion zu. Sie ist aufgrund ihres funktionellen Charakters innerhalb der Einkommensverteilung auch eine soziale Kategorie. Ein Teil des Grundrenteneinkommens wird von unterschiedlichen Standpunkten aus gesehen als unverdient erachtet, da mit seiner Erzielung keine produktive Leistung verbunden ist. Die Ausschaltung spekulativer Momente im Prozess der Bodenpreisbildung und die Sicherung einer Entscheidungsbefugnis der Allgemeinheit in der Frage der Bodennutzung haben schon früh zu einer Diskussion um Erfassung und Besteuerung von Bodenwertsteigerungen sowie zur radikaleren Forderung nach einer Sozialisierung des Bodens geführt. Im Folgenden sollen die wesentlichen Argumente pro und contra Erfassung und Besteuerung von Bodenwertsteigerungen sowie die rechtlichen Möglichkeiten zu ihrer Realisierung erörtert werden. Exkurs: Zu Fragen der Erfassung von Bodenwertsteigerungen und Bodenpolitik Die Idee einer Abschöpfung des Bodenwertzuwachsens beruht auf der ethischen Vorstellung, dass das gesamte Einkommen durch persönliche Anstrengungen oder Opfer gerechtfertigt sein müsse. Vor allem seit Ricardos Grundrententheorie gewann der Gedanke an Bedeutung, die Gemeinschaft habe ein bevorzugtes oder ausschließliches Recht auf die Grundrente, da die Grundrente Einkommensquelle ohne Arbeit sei und von der Gemeinschaft geschaffen sei, die wiederum das Entstehen von Nutzungsansprüchen und Lagevorteilen bedinge. Dieser Gedanke hatte schon früh zu Vorschlagen geführt, die von der speziellen und bevorzugten

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Besteuerung der Grundrente bzw. Bodenwerte bis zur vollständigen Sicherung der Grundrente für die Gemeinschaft durch eine Bodensozialisierung reichten. Stewart Mill, der Ricardos Grundrententheorie aufnahm, führte den Begriff des “unearned increment“ ein, weil bei wachsender Bevölkerung und zunehmender Nachfrage nach Boden das Einkommen der Grundeigentümer ohne jegliche Anstrengung steige. Hinsichtlich der intendierten Form der Überführung der Grundrente an die Allgemeinheit lassen sich drei Ansätze unterscheiden: 1. Im Interesse einer Steigerung der volkswirtschaftlichen Produktivität wird eine Bodenübertragung an den Staat verlangt. Eine Wertsteigerungserfassung wird für ungerecht gehalten, da die Grundrente ohne Zutun des Eigentümers steigen könne. Es gibt nicht einmal eine Rechtfertigung dafür, sie durch eine Besteuerung nur zu schmälern. 2. Weiterhin wird die Auffassung vertreten, jede Bodenwertsteigerung bzw. das damit verbundene Einkommen sei unverdient, weil sie dem Bodeneigentümer sittlich nicht gebühre. Wenn er sie beziehe, sei das ethisch nicht einwandfrei, da alle Nichtbodenbesitzer nur durch Arbeit und/oder Kapitaleinsatz Einkommen beziehen könnten. Darüber hinaus komme sie nur privilegierten Schichten zugute, da die Mehrzahl der Menschen eben keinen Boden besitzt. Diese Auffassung wird auch heute noch im Kern von denjenigen vertreten, die zum Wertsteigerungsproblem Stellung genommen haben oder selbst Vorschläge zur Besteuerung entwickelt haben. Dabei wird bei der Besteuerung der Rente auf das arbeitslose Einkommen abgezielt, das nicht seiner Entstehung nach arbeitslos, sondern arbeitslos bezogen wird. 3. Ein weiterer, aktuell wohl am häufigsten vertretener Standpunkt ist der, dass sich die Wertsteigerungen des Bodens auf Leistungen oder Aufwendungen der Allgemeinheit zurückführen lassen. Weil die Gemeinschaft sozusagen Urheberin der Wertsteigerung sei, habe sie auch einen Anspruch darauf. Der Steuerung der Bodenpreise kommt in diesen Konzepten auch eine Steuerungsfunktion für die Bodennutzung zu: Landschaft, Industrie und Wohnsiedlungen sowie der Verkehr sollen in einem wohl koordinierten Beziehungszusammenhang stehen. Diese Aufgabe kann aber innerhalb einer marktwirtschaftlichen Ordnung nicht durch den Markt gelöst werden. Den handelnden Wirtschaftssubjekten fehlt es dazu am

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nötigen Überblick, ebenso wie wirtschaftliches Interesse im Einzelfall nicht notwendigerweise dem allgemeinen Interesse entspricht. Mit den Forderungen nach Besteuerung von Bodenwertsteigerungen und Sozialisierung des Bodens werden Art. 14 und 15 des Grundgesetzes direkt angesprochen. In Art. 14 Abs. 1 wird das Privateigentum zur verfassungsrechtlichen Norm und damit zum Kern unserer Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung überhaupt erhoben. Demgegenüber betont Abs. 2 desselben Artikels die Sozialpflichtigkeit des Eigentums. Art. 14 Abs. 3 und Art, 15 ermöglichen in Einzelfällen sogar Enteignungen und Vergesellschaftung, allerdings nur unter Zahlung einer angemessenen Entschädigung. Durch dieses Dilemma, das bei der Rechtsauslegung zwangsläufig entsteht, wird der Eigentumsbegriff mit einer erheblichen Unsicherheit belastet. Abgesehen von der verfassungsrechtlichen Problematik, müssen bodenpolitische Maßnahmen immer zwei Ziele im Auge haben: 1) Sie müssen die Mobilität des Baubodens erhöhen und dampfend auf die Preiserwartungen einwirken und 2) sie dürfen die private Investitionsbereitschaft nicht beschränken. Denn die gewaltigen städtebaulichen Aufgaben der Zukunft lassen sich ohne die Investitionsbereitschaft privaten Kapitals nicht lösen. Im Folgenden soll untersucht werden, in weicher Weise die Abschöpfung unverdienter Wertzuwächse die Erreichung dieser Ziele beeinflusst. Dabei sollen zwei Formen der Abschöpfung diskutiert werden: der Planungswertausgleich (Planungswertabgabe) und die Bodenwertzu-wachssteuer. Der Planungswertausgleich findet in Deutschland seine konkrete Realisierung in der Ausgleichsabgabe nach § 41 StBauFG. Damit wird der Forderung nach der Sozialpflichtigkeit des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) entsprochen. Man geht dabei von dem Grundgedanken aus, dass ein Eigentümer für Wertsteigerungen seines Bodens, die sich aus neuen Planungsfestsetzungen ergeben, einen Ausgleichsbetrag an die öffentliche Hand entrichten muss, da ihr - und damit letztlich der Allgemeinheit - durch den Ausbau der Infrastruktur enorme Kosten entstanden sind.

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Allgemein lassen sich sieben Hauptargumente gegen ein Abschöpfungssystem in Form einer Bodenwertzuwachssteuer anführen:

1. Die Höhe des unverdienten Einkommens aus Bodenbesitz kann nicht genau berechnet werden.

2. Bodenwertveränderungen sind weder quantitativ, zeitlich noch räumlich auf einzelne Ursachen zurückführbar.

3. Wenn der Allgemeinheit das Recht zugestanden wird, Bodenwertsteigerungen abzuschöpfen, dann muss sie gerechterweise bei Bodenwertminderungen auch zum Ausgleich herangezogen werden können.

4. Da die Abgabe elastisch gehandhabt werden muss, kann eine Stabilisierung der Bodenpreise nicht erwartet werden.

5. Wie das Beispiel der Baulandsteuer gezeigt hat, führt eine Bodenwertzuwachssteuer nicht zu einer erhöhten Bodenabgabe-willigkeit, sondern wirkt eher in umgekehrter Richtung. Da eine derartige Abschöpfung das Verhältnis von Angebot und Nachfrage auf den Baumärkten nicht tangiert, kann sie keine Kosten senkende Wirkung haben.

6. Auch eine Steigerung des Sozialprodukts kann von der Einführung einer solchen Steuer nicht erwartet werden.

Will man die Bildung und Entwicklung der Bodenpreise unter Wahrung der privaten Verfügungsmacht so beeinflussen, dass Auswüchse in Form von übertriebenen Preissteigerungen möglichst gering gehalten werden, so sind Rahmenbedingungen zu schaffen, die das Geschehen auf dem Bodenmarkt mit marktwirtschaftlichen Mitteln beeinflussen. Dabei ist zu beachten, dass es „natürlich ... immer schwer sein (wird), die Waage zwischen Sozialpflichtigkeit und Privateigentum in Einklang zu halten“; ob durch Eingriffe der öffentlichen Hände mit vorsichtiger Tendenz der Kommunalisierung auch wirklich etwas Besseres geschaffen wird, ist jedoch zu bezweifeln. Die Auswahl der zur Beeinflussung des Bodenmarktes geeigneten Maßnahmen und Mittel erfordert die Kenntnis der auf diesem Markt agierenden Parteien, ihrer Verhaltensweisen und die Berücksichtigung aller die Bodenpreisbildung bestimmenden Faktoren.

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2. Immobilienbewertung

2.1 Wertbegriffe

Vor Ermittlung von Immobilienwerten ist die Frage zu stellen, welcher Wert ermittelt werden soll. Werten ist teleologisch und bedarf eines Wertesystems. Im Lexikon der Philosophie wird der Wert als Beziehung zwischen einem Gegenstand und einem Maßstab durch einen wertenden Menschen definiert. Wesentlich sind dabei die Entscheidungsmöglichkeiten, die dem wertenden Menschen in der jeweiligen Situation zur Verfügung stehen. Bewerten heißt vergleichen, d.h. ein Bewertungsobjekt wird einem Vergleichsobjekt gegenübergestellt und vom bekannten auf den unbekannten Preis geschlossen. Nachstehend werden verschiedene in Österreich gebräuchliche Wertdefinitionen, wie sie in Gesetzen verankert sind, beschrieben. Im Vergleich dazu werden der international übliche Verkehrswert und die Definition des fairen Wertes der internationalen Buchführungsstandards dargestellt.

2.1.1 Verkehrswert Der Verkehrswert ist in § 2 Abs. 2 und 3 des Liegenschaftsbewertungs-gesetzes (LBG), wie folgt definiert: Der Verkehrswert ist der Preis, der bei Veräußerung der Sache üblicherweise im redlichen Geschäftsverkehr für sie erzielt werden kann. Die besondere Vorliebe und andere ideelle Wertzumessungen einzelner Personen haben bei der Ermittlung des Verkehrswertes außer Betracht zu bleiben. Der Verkehrswert ist der zentrale Wertbegriff im Rahmen der österreichischen Wertermittlung. In der ÖNORM B 1802 existiert keine Definition des Verkehrswertes. Das Ziel der Grundstücksbewertung ist – von Ausnahmen abgesehen – die Ermittlung des Verkehrswertes.

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Es ist daher unter dem Verkehrswert begrifflich jener Wert zu verstehen, der im allgemeinen Grundstücksverkehr am wahrscheinlichsten zu erzielen ist. 2.1.2 Einheitswert Der Einheitswert wird auf Basis des Bewertungsgesetzes vom zuständigen Finanzamt ermittelt. Der Einheitswert dient als Bemessungsgrundlage für verschiedene Steuern, wie z.B. der Grundsteuer, der Erbschaftssteuer, etc. und liegt in der Regel deutlich unter dem Verkehrswert. Eine Relation zwischen Verkehrswert und Einheitswert kann generell nicht festgelegt werden. 2.1.3 Marktwert Marktwert ist der in Europa und international harmonisierte Wertbegriff für den aktuellen Wert (Bewertungsstichtag), den eine Immobilie repräsentiert. Er ist in unterschiedlichen Quellen definiert, wobei jedoch sachlich keine Unterschiede gegeben sind. Der Marktwert wird für vielfältige Bewertungszwecke ermittelt, wobei der Begriff in Österreich vorwiegend im Bankenwesen sowie im Bilanzierungsbereich verwendet wird. Das internationale Komitee für Bewertungsstandards (IVCS) hat gemeinsam mit dem Europäischen Dachverband der Immobilienbewerter (TEGoVA) nachfolgende Definition des Marktwertes festgelegt: Der Marktwert ist der geschätzte Betrag, zu dem eine Immobilie in einem funktionierenden Immobilienmarkt zum Bewertungsstichtag zwischen einem verkaufsbereiten Verkäufer und einem kaufbereiten Erwerber nach angemessenem Vermarktungszeitraum in einer Transaktion im gewöhnlichen Geschäftsverkehr verkauft werden könnte, wobei jede Partei mit Sachkenntnis, Umsicht und ohne Zwang handelt. Beim Marktwert dürfen Steuern und Nebenkosten nicht berücksichtigt werden. Es sei hier angeführt, dass es auch sog. „Non-Market-Values“ gibt

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2.1.5 Beleihungswert Der Beleihungswert ist ein eigenständig ermittelter Wert und nicht mit dem stichtagsbezogenen Marktwert oder Verkehrswert ident. Neben den angeführten Wertbegriffen existieren noch weitere national übliche Wertbegriffe, wie z.B. jener des Versicherungswertes, etc. Auch international existieren diverse Wertbegriffe die auch im Konnex mit den regionalen Marktbedingungen des jeweiligen Immobilienmarktes zu bewerten sind. 2.1.6 Market Value als „Existing Use Value”

Der „Existing Use Value“ ist der beste Preis, zu dem eine Liegenschafts-transaktion bedingungslos gegen Geldzahlung am Bewertungsstichtag stattfinden würde unter den Annahmen:

• eines gewillten Verkäufers, • eines angemessenen Zeitraums vor dem Tag der Bewertung für

Vermarktung, für Übereinkunft über Preis und Bedingungen und für den Verkaufsabschluss unter Berücksichtigung der Eigenschaften des Objektes sowie der Marktsituation,

• dass die Marktsituation, die Marktwerte und andere Umstände zu jedem früheren angenommenen Tag zwischen dem Bewertungsstichtag und dem Tag der angenommenen notariellen Beurkundung der Transaktion dieselben waren,

• dass weitergehende Offerten durch Kaufinteressenten mit besonderem Interesse an dem Objekt nicht berücksichtigt werden und

• dass jede der Parteien nach ordnungsmäßiger Vermarktung unabhängig, wohlwissend und ohne Zwang gehandelt hat,

• dass das Objekt in absehbarer Zukunft lediglich für die bestehende Nutzung geeignet ist und

• dass das Objekt zum Verkaufszeitpunkt völlig leer steht und als Einheit verkauft wird.

2.1.7 Market Value als „Alternative Use Value“

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Der „Alternative Use Value“ ist der Wert bei Unterstellter bzw. theoretisch möglicher Umnutzung des Objektes in der Zukunft. 2.2 Methoden der Immobilienbewertung Die Immobilienbewertungsverfahren in Österreich lassen sich in gesetzlich festgelegte und nicht kodifizierte Verfahren unterteilen. 2.2.1 Liegenschaftsbewertungsgesetz Angesichts der wirtschaftlichen Bedeutung und des großen Anteils am Volksvermögen, das in Österreich in Immobilien gebunden ist, erfährt die Wertermittlung eher eine stiefmütterliche Behandlung im österreichischen Recht. Das Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG), BGBl. Nr. 150/1992 ist ein maßgeblicher Schritt dazu, in Österreich eine eigenständige rechtliche Grundlage auf dem Gebiet der Liegenschaftsbewertung zu schaffen. Davor existierten als rechtliche Grundlagen die Liegenschaftsbewertungsrichtlinien aus dem Jahr 1977 und 1982 und die Realschätzordnung aus dem Jahr 1897. Zur Realschätzordnung ist anzuführen, dass diese nur für das Exekutionsverfahren anzuwenden war, was vielfach verkannt wurde. Gemäß Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes, durfte die Realschätzordnung bei der Feststellung des Verkehrswertes bei unentgeltlich erworbenen Liegenschaften nicht herangezogen werden, da vom Herstellungswert und nicht vom Anschaffungswert ausgegangen wurde. Ziel des Liegenschaftsbewertungsgesetzes ist es, einen rechtlichen Rahmen als Orientierungs- und Entscheidungshilfe, ohne allzu enge Grenzen für die Tätigkeit des Sachverständigen zu schaffen. Zwingend anzuwenden ist das Liegenschaftsbewertungsgesetz nur im gerichtlichen Verfahren und im Verwaltungsverfahren mit sukzessiver gerichtlicher Kompetenz (Enteignung). Für den Bereich der privaten Wertermittlungen ist das LBG nicht anzuwenden, daher wurde die ÖNORM B 1802 geschaffen.

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ÖNORM B 1802 Im Zuge der Neubearbeitung der Normenserie B 1801 mussten die verkehrswertrelevanten Regelungen außer betracht bleiben, daher wurde im Jahr 1998 eine eigene ÖNORM B 1802 „Grundlagen der Liegenschaftsbewertung“ geschaffen. Die ÖNORM B 1802 ist in neun Abschnitte wie folgt gegliedert:

1 Anwendungsbereich 2 Begriffsbestimmungen 3 Allgemeine Grundsätze 4 Einflussgrößen der Wertermittlung 5 Wertermittlungsverfahren 6 Wahl des Wertermittlungsverfahrens 7 Flächen und Rauminhalte 8 Bezugsnormen und notwendige Rechtsvorschriften 9 Stichwortverzeichnis

Der Anwendungsbereich der ÖNORM B 1802 betrifft die Ermittlung der Grundlagen des Verkehrswertes von bebauten und unbebauten Grundstücken und Liegenschaftsteilen, einschließlich der Bestandteile, wie z.B. Gebäude, Außenanlagen, Superädifikate und Baurechte. Die Inhalte betreffen die Nachvollziehbarkeit des Verfahrens, des Befundes und der Schlussfolgerung.

Superädifikate oder Überbauten sind selbständige Bauwerke, die auf fremden Grund in der Absicht aufgeführt werden, dass sie nicht stets darauf bleiben sollen (§ 435 ABGB). Das Fehlen der Absicht, das Bauwerk stets auf fremden Grund zu belassen, muss nach außen erkennbar in Erscheinung treten, und zwar entweder durch die Bauweise des Gebäudes (Markt- und Praterhütten, Schrebergartenhäuschen) oder dadurch, dass das Gebäude auf Grund eines zeitlich begrenzten Benutzungsrechtes errichtet wird. Superädifikate sind selbst bei fester Bauweise als beweglich anzusehen. Im Gegensatz zum Baurecht handelt es sich beim Superädifikat um keinen selbstständigen Bestandteil einer Grundbuchseinlage.

Das Baurecht ist das dingliche, veräußerliche und vererbliche Recht, auf oder unter der Bodenfläche eines fremden Grundstücks ein Bauwerk zu haben. Es besteht unabhängig vom Eigentumsrecht am Grundstück.

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Sinn und Zweck des Baurechts ist es, dem Eigentümer seine Rechte an der Liegenschaft zu erhalten und künftigen Verwendungen nicht endgültig vorzugreifen. Es wird dadurch auch vermieden, dass dringend benötigte Bauflächen ungenutzt bleiben. Zudem erspart sich der Bauberechtigte den Kaufpreis für den Grund.

Das Bauwerk gehört dem Eigentümer des Bauwerks, der Grund dem Grundeigentümer. Diese Personen müssen nicht ident sein. Das Baurecht entsteht durch bücherliche Eintragung im C-Blatt der belasteten Liegenschaft. Es muss sich auf den ganzen Grundbuchskörper beziehen. Im Anschluss an die belastete Einlage wird eine eigene Baurechtseinlage eröffnet, die wie ein selbständiger Grundbuchskörper zu behandeln ist. Alle Eintragungen gegen den Bauberechtigten (z.B. Veräußerung oder Belastung des Baurechts) sind in dieser Einlage zu vollziehen. Dem Baurechtsinhaber stehen am Bauwerk die Rechte eines Eigentümers und am Grundstück die Rechte eines Nutznießers zu. Das Baurecht gilt als unbewegliche Sache, ein errichtetes Bauwerk ist Teil des Baurechtes und somit ebenfalls unbeweglich.

Das Baurecht kann nicht auf weniger als 10 und nicht auf mehr als 100 Jahre bestellt werden. Innerhalb des festgelegten Zeitraumes ist seine Beendigung durch Vereinbarung möglich. Bei Erlöschen des Baurechts fällt das Bauwerk an den Grundeigentümer, der den Baurechtsinhaber mangels anderer Vereinbarung für ein Viertel des vorhandenen Bauwertes entschädigen muss.

2.2.2 Kodifizierte Wertermittlungsverfahren Gemäß Liegenschaftsbewertungsgesetz (LBG) sind Wertermittlungs-verfahren anzuwenden, die dem jeweiligen Stand der Wissenschaft entsprechen. Als solche Verfahren kommen insbesondere das Vergleichs-wertverfahren gemäß § 4 LBG, das Ertragswertverfahren gemäß § 5 LBG und das Sachwertverfahren gemäß § 6 LBG in Frage. Aber auch andere gesetzliche Regelungen, wie z.B. das Handelsgesetzbuch (HGB), das

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Aktiengesetz (AktG), das Bewertungsgesetz und das Wohnungseigen-tumsgesetz (WEG) enthalten diesbezügliche Vorgaben. Die im LBG angeführten Wertermittlungsverfahren können entsprechend dem zeitlichen Ansatz, wie folgt gegliedert werden:

Nachstehend werden die drei im Liegenschaftsbewertungsgesetz angeführten Wertermittlungsverfahren überblicksartig vorgestellt. 2.2.2.1 Vergleichswertverfahren Im Vergleichswertverfahren wird der Verkehrswert der Liegenschaft durch den zeitnahen Vergleich mit bereits realisierten und unter Marktbedingungen zustande gekommenen Kaufpreisen vergleichbarer Liegenschaften abgeleitet. Das Vergleichswertverfahren gilt als das theoretisch geeignetste Verfahren zur Verkehrswertermittlung. Die Vergleichbarkeit der Rahmenbedingungen entsprechend der Struktur des nachstehenden Bildes ist zu prüfen, wobei unterstellt wird, dass auch alle weichen Faktoren monetär bewertet werden:

Verkehrswert ermittelt aus

Vergleichswert, Ertragswert,

Sachwert

Sachwertverfahren Vergleichswertverfahren Ertragswertverfahren

Vergleichspreise Möglichst

Herstellungswert Aus Vergangenheit

Nutzen Künftig erwartbar

Vergangenheit Zukunft

Wertermittlungsstichtag

Zeitachse

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Voraussetzung für die Anwendung des Vergleichswertverfahrens ist die Verfügbarkeit von zeitnahen Preisen für Vergleichsliegenschaften. Die Beurteilung der Vergleichbarkeit ist nur gegeben, wenn Eigenschaften bzw. Faktoren der Wohnimmobilie sowohl für die zu bewertende als auch die Vergleichsliegenschaft verfügbar sind und eine weitgehende Übereinstimmung festgestellt wird. Übereinstimmung wird hinsichtlich sachlicher und rechtlicher Faktoren aber auch hinsichtlich des Bewertungsstichtages in bestimmten Umfang gefordert. Neben den objektiven Zahlen (Größe, Baujahr, etc.) werden auch subjektive Qualitätsbeurteilungen getroffen, um zu marktgerechten Vergleichswert-ergebnissen zu kommen. Auch ist ein Vergleichsobjekt nicht ausreichend, sondern es werden mehrere gefordert. Zusätzlich zur Vergleichbarkeit der Grundstücke ist zu prüfen, ob der jeweilige Marktpreis nicht durch ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse bestimmt ist. Die Heterogenität der Wohnimmobilien bewirkt, dass diese Voraussetzungen kaum gegeben sind und das Verfahren daher fast nur bei unbebauten Grundstücken, Reihenhäusern und Eigentumswohnungen zur Anwendung kommt. Da in Österreich im Gegensatz zu Deutschland, keine zentralen Kaufpreissammlungen (Bodenrichtwertkarten) existieren, ist auch kaum eine größere Anzahl von Kaufpreisen verfügbar, die für verfeinerte statistische Verfahren erforderlich wäre. Da für die Vergleichsliegenschaften am Markt verhandelte Kaufpreise vorliegen, während für die zu bewertende Liegenschaft ein Wert ermittelt werden soll, können Abweichungen von ± 15 % auch für gleichartige Liegenschaften gegeben sein. Im Rahmen des Vergleichswertverfahrens kann der Wert durch den unmittelbaren Vergleich mit hinreichend übereinstimmenden Vergleichs-liegenschaften und mittelbaren Vergleich, z.B. mit Bodenrichtwerten ermittelt werden.

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2.2.2.2 Sachwertverfahren Der Sachwert ist die technische Wertkomponente und besteht aus dem Bodenwert samt Erschließungskosten, dem Bauwert samt Baunebenkosten und den Kosten der Außenanlagen. Nachstehend wird das Ablaufschema über die Ermittlung des Verkehrswertes im Sachwertverfahren abgebildet:

Abbildung Schema Sachwertverfahren

Da beim Sachwertverfahren marktferne Werte ermittelt werden, ist der Anpassungsbedarf, insbesondere in Relation zum Vergleichswertverfahren verfahrensbedingt ungleich höher. Daher ist das Sachwertverfahren auch für Ertragsliegenschaften nur bedingt geeignet. Nachstehend werden wesentliche Komponenten des Sachwertverfahrens, das sich als substanzorientiertes Verfahren an den Ersatzbeschaffungskosten

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orientiert, erörtert. Der Bodenwert ist abhängig von der Flächenwidmung (Wohnbaugebiet, Grünland, etc.), der Lage und der infrastrukturellen Erschließung, der Baureifmachung (Wasser-, Gas-, Kanal- und Stromanschluss), der Größe des Grundstückes und der Grundstücksform sowie der Bodenbeschaffenheit (Bodenklasse, Grundwasserverhältnisse, Bodenrelief, Bodenbelastung) und einer ev. Bebauung oder Bestockung (Baumbestand). Der Boden ist ein unbeschränkt nutzbares Gut, sodass keine Restnutzungsdauer zu berücksichtigen ist. Unter dem Herstellungswert werden die durchschnittlichen Herstellungskosten, die aufgewendet hätten werden müssten, wenn das Gebäude am Bewertungsstichtag errichtet würde. Zu den Herstellungskosten zählen neben den eigentlichen Baukosten auch die Nebenkosten, wie z.B. die Planung und Bauvorbereitung und Finanzierung des Projektes. Herstellungskosten entstehen sowohl für Gebäude als auch für Außenanlagen. Von Wertminderung wegen Baumängeln und Schäden spricht man, wenn die Wohnimmobilie nicht dem Stand der Technik entspricht. Die Ursachen können einerseits durch Bauschäden die in der Folge zu Folgemängeln führen oder durch extreme externe Einflüsse bzw. die Nichtdurchführung der laufenden Instandsetzung. Unter der Wertminderung infolge Alterung und Abnutzung versteht man den Wertverlust des Gebäudes der durch den üblichen Verschleiß durch laufende Nutzung entsteht. Hinsichtlich des Alters der Wohnimmobilie wird zwischen technischer und wirtschaftlicher Restnutzungsdauer differenziert. Abhängig von der Art der Nutzung und der Gebäudeart und Ausstattung wurden verschiedene Wertminderungskurven entwickelt. Auch durch überdurchschnittlich hohe Nutzungskosten und besondere Umstände (verlorener Bauaufwand, schlechte Flächenökonomie) kann eine Wertminderung auftreten. Auch sonstige Umstände, wie z.B. Denkmalschutz oder ungeeignete Baustoffe (Asbestzement, etc.) kann eine Wertminderung bewirkt werden. Außenanlagen werden analog Gebäuden durch die Herstellungskosten und entsprechende Wertminderungen bewertet. Durch die Summierung von Liegenschaftswert, Gebäudewert und Wert der Außenanlagen wird der Sachwert der Liegenschaft ermittelt.

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Bei der Ableitung des Verkehrswertes aus dem Sachwert der Liegenschaft sind die generelle Marktlage, die Marktbesonderheiten der bewerteten Immobilie, z.B. Häuser mit Übergröße, der Grad der Zweckgebundenheit, die Besonderheiten des Standortes für die Nutzung, der Denkmalschutz und sonstige marktrelevante Rahmenbedingungen (Leibrenten, Nutzungsrechte, etc.) zu berücksichtigen. 2.2.2.3 Ertragswertverfahren Ausgangsüberlegung für die Anwendung des Ertragswertverfahrens zur Ermittlung des Verkehrswertes ist die Feststellung, dass der Wert eines Renditeobjektes von den Erträgen der Wohnimmobilie dominiert ist. Nachstehend wird das Ablaufschema über die Ermittlung des Verkehrswertes im Ertragswertverfahren abgebildet:

Abbildung Schema Ertragswertverfahren

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Das Verfahren ist zweigliedrig, da der Barwert aus den Gebäudeerträgen für die Restnutzungsdauer der Wohnimmobilie ermittelt wird, während beim Ertrag aus dem Grundstück von einem ewigen Bestand ausgegangen wird. Das Ertragswertverfahren, das den Wert aus den Erträgen der Wohnimmobilie ableitet, wird im Wesentlichen durch die Komponenten Bodenwert, Reinertrag, Bewirtschaftungskosten, Liegenschaftszins und Restnutzungsdauer determiniert. Der Bodenwert wird im Regelfall anhand des Vergleichswertverfahren ermittelt, unabhängig davon, ob es sich um bebaute oder unbebaute Grundstücke handelt. Die Vertreter der These vom „gedämpften Bodenwert“ gehen von einem Abschlag für bebaute Liegenschaften aus, da die Dispositionsfreiheit eingeschränkt ist. Insbesondere gilt dies, wenn das Ausmaß der tatsächlichen Bebauung hinter der rechtlich zulässigen Bebauung zurückbleibt. Bei der Ermittlung des Gebäudewertes wird vom Rohertrag auf den Reinertrag der Wohnimmobilie geschlossen. Der Jahresrohertrag umfasst alle bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung und zulässiger Nutzung nachhaltig erzielbaren Einnahmen aus dem Grundstück, wie insbesondere Mieten und Pachten in einem Jahr. Die Höhe der Erträge ist maßgeblich davon abhängig, ob die Wohnimmobilie unter das Mietrechtsgesetz fällt oder nach den bestandsrechtlichen Bestimmungen des Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuches behandelt wird. Die tatsächlichen Erträge des Wohnobjektes dürfen nicht ungeprüft in die Bewertung übernommen werden, sondern nur wenn die Nachhaltigkeit überprüft und festgestellt wurde. Werden die Bewirtschaftungskosten, die je nach Rechtsgrundlage unterschiedlich gegliedert werden, vom Jahresrohertrag abgezogen ergibt sich der Jahresreinertrag. Beispielsweise werden die Nutzungskosten nach ÖNORM B 1801-2, wie folgt gegliedert:

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• KAPITALKOSTEN

• Fremdmittel • Eigenleistungen

• ABSCHREIBUNGEN • Ordentliche Abschreibungen • Außerordentliche Abschreibungen

• STEUERN UND ABGABEN • Steuern • Abgaben

• VERWALTUNGSKOSTEN • Eigenleistungen • Fremdleistungen

• BETRIEBSKOSTEN • Ver- und Entsorgung • Aufsichtsdienste • Technische Dienstleistungen • Objektreinigung • Sonstige Dienstleistungen

• ERHALTUNGSKOSTEN • Instandhaltungskosten • Instandsetzungskosten • Restaurierungskosten

• SONSTIGE KOSTEN Vom Jahresreinertrag werden auch das Mietausfallwagnis und die Verzinsung des Bodenwertes abgezogen. Dadurch wird der Reinertrag der baulichen Anlage ermittelt. Die Bodenwertverzinsung wird abgezogen, da diese bei den Einnahmen des Jahresrohertrages bereits berücksichtigt ist. Dieser Reinertrag der baulichen Anlage wird mit dem Vervielfältiger multipliziert. Der Vervielfältiger richtet sich nach dem Liegenschaftszinssatz und der Restnutzungsdauer. Im verwendeten Zinssatz sollten die allgemeinen Risiken, wie z.B. durch Konjunkturschwankungen, branchenbedingte Probleme, Umweltprobleme und das spezielle Risiko durch die besondere Lage und Situation der bewerteten Liegenschaft und die geringe Mobilität bzw. Verwendungsänderung berücksichtigt werden. Die Bedeutung der Einflussfaktoren zeigt sich durch die Bandbreite beim

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empfohlenen Liegenschaftszinssatz, zwischen 2,0 und 5,5% für Wohnliegenschaften. Durch die Multiplikation von Reinertrag der baulichen Anlage mit dem Vervielfältiger ergibt sich der Gebäudeertrag. Wird die Wertminderung durch Schäden und Mängel abgezogen, ergibt sich der Bauwert der Gebäude. Durch die Addition von Bodenwert mit dem Bauwert der Gebäude und dem Bauwert der Außenanlagen ergibt sich der Ertragswert der Liegenschaft.

2.2.2.4 Kritik und Verbesserungsansätze

Die Verfahren der konventionellen Wertermittlung sind aufgrund des dynamischen Wandels der Nachfrage, höheren Risiken, zunehmendem Wettbewerb und komplexen Interdependenzen zwischen den Wohnungsmarktakteuren zunehmend problematisch. Das Vergleichswertverfahren scheint aufgrund des Marktbezuges zur Ermittlung des Verkehrswertes auf den ersten Blick gut geeignet, als Mangel in der zugrunde liegenden Theorie ist anzuführen, dass die auf dem Markt erzielten Verkaufspreise mit einem Wert verglichen werden. Dies ist unbedenklich, solange der Preis nicht durch besondere Umstände beeinflusst wurde, die der Definition des Verkehrswertes widersprechen. Operativ wären für die Anwendung des Vergleichswertverfahren eine entsprechende Anzahl von Vergleichspreisen, qualitative Informationen zu diesen Vergleichspreisen und Umrechnungskoeffizienten erforderlich, sodass deren Affinität zur bewertenden Wohnimmobilie überprüft werden kann. Aufgrund fehlender diesbezüglich zugänglicher Datenbanken in Österreich, der Heterogenität von Wohnimmobilien und des dynamischen Wandels im Zeitablauf sind diese Anforderungen nur selten im erforderlichen Umfang gegeben. Die theoretische Eignung des Vergleichswertverfahren erscheint unstrittig, die praktische Umsetzung scheitert jedoch in Österreich vielfach an der Operationalisierung mangels entsprechender Vergleichspreise sowie Informationen zur Qualität der Vergleichsimmobilien, wobei insbesondere die Umrechnungen und Anpassungen durch Vergleichsrechnungen zwischen

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Wertermittlungsgrundstück und Vergleichsgrundstücken teilweise problematisch sind. Das Sachwertverfahren basiert auf substanzorientierten Ansätzen, die auf den Kosten für das Grundstück und das Gebäude aufbauen. Der Substanzwert wird nach mathematisch mehr oder weniger exakten Verfahren errechnet, die daher zusätzlich erforderliche Marktanpassung stellt einen Verfahrensbruch und den größten Schwachpunkt des Verfahrens dar. Die Marktanpassung ist systematisch schwer nachvollziehbar darzustellen, außer der Verkehrswert wäre bekannt. Es wird daher eine mangelnde Marktnähe des Sachwertverfahrens konstatiert. Ein weiterer Schwachpunkt des Sachwertverfahrens liegt in der Vergangen-heitsorientierung, da historische Herstellungskosten und problematisch zu belegende Wertminderungsansätze zum Sachwert führen. Das Entwertungsproblem kann durch die Gleichstellung vom Alter der Wohnimmobilie und Entwertung nicht abschließend gelöst werden, da der Wert primär mit dem Nutzen und nicht mit dem Alter der Wohnimmobilie korreliert. Die nutzerseitigen Anforderungen unterliegen einem Wandel, der durch die Wohnung im Zeitablauf besser oder schlechter erfüllt wird, andererseits werden Verbesserungen bzw. immobilienseitige Anpassungen (Renovierung) nicht laufend sondern periodisch umgesetzt. Das Sachwertverfahren berücksichtigt primär die Sichtweise des Anbieters einer Immobilie, die Sicht des Nachfragers und somit des Nutzens bleibt weitgehend - außer dem Aspekt der Marktanpassung - unbeleuchtet. Auch wenn davon ausgegangen wird, dass der Sachwert korrekt und nachvollzieh-bar ermittelt wird, stellt sich die Frage, inwieweit die auf den Bewertungsstichtag ab geminderten Herstellungskosten dem Verkehrswert entsprechen. Dies hat dazu geführt, dass einzelne Autoren den Sachwert aus der Bewertung verbannen, andere den Substanzwert als Synonym für künftiges Leistungspotential (um)definieren. Zusammenfassend sind die mangelnde Marktorientierung und die unzureichende Berücksichtigung der Nachfrageaspekte zentrale Mängel des Sachwertverfahrens. Das Ertragswertverfahren basiert auf der Annahme, dass der Wert einer unter Renditeaspekte erworbenen Wohnimmobilie von den Erträgen, die

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sich aufgrund der zukünftigen Nutzenpotentiale erzielen lassen, determiniert wird. Der nachhaltige Jahresreinertrag und Zinssatz sind die dominanten Faktoren für die Wertermittlung nach dem Ertragswertverfahren, wobei relativ geringfügige Änderungen dieser Indikatoren, erhebliche ergebnisrelevante Auswirkungen haben. Als zentrale Nachteile des Ertragswertverfahren sind die impliziten Ansätze zu nennen, beispielsweise sollen durch den Zinssatz verschiedenste Aspekte, wie z.B. die Nachfrageentwicklung, die sich ändernden Marktrahmenbedingungen, etc. abgedeckt werden, wobei in Österreich keine Gutachterausschüsse existieren, die Zinssätze festlegen. Auch die häufig getroffene Annahme, dass der Bewirtschaftungsaufwand einem Prozentsatz des Mietertrages entspricht, ist abzulehnen, da diese Kosten mit den Herstellungskosten korrelieren und nicht mit den Mietkosten. Ein weiterer Nachteil des Ertragswertverfahrens liegt in der einseitigen Fokussierung auf die Ziele des Wohnungsmarktanbieters. Im Hinblick auf die Lebenszyklusbetrachtung von Wohnimmobilien ist den Nutzenaspekten, d.h. der Erfüllung der sich ändernden Nutzenanforderungen und der Höhe der investorunabhängigen Nutzenkosten (zweite Miete) eine hohe Bedeutung für den Wert beizumessen. Generell werden gegenüber dem Kapitalwertkonzept nachstehende Vorbehalte angeführt: • Die in Zukunft anfallenden und abzuzinsenden Finanzströme

(nachhaltiger Reinertrag) sind nicht bekannt und nur grob vorhersehbar • Der Zeithorizont (wirtschaftliche Restnutzungsdauer), bis zu dem

Vorausschätzungen erfolgen sollen, ist unbestimmt • Der Zinssatz, mit dem die Abzinsung erfolgen soll, kann insbesondere

im Hinblick auf die zu berücksichtigende Risikoprämie nur vage geschätzt werden

• Die Verwendung konstanter Wachstumsraten ist fragwürdig und geht am Problem der sich dynamisch entwickelnden Ökonomie vorbei

Auch tragen die vielfältigen Interdependenzen und Synergien zwischen den einzelnen Stakeholdern und die Unvollkommenheit des Marktes zur Komplexitätssteigerung bei.

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Als Nachteil aller drei konventionellen Wertermittlungsverfahren ist deren mangelnde theoretische Fundierung, die vergangenheitsbezogene Betrachtung, die implizitern Ansätze und die fehlende ganzheitliche Ausrichtung und die unzureichende Berücksichtigung der zukünftigen Einflussnahme durch die verschiedenen Wohnungsmarktakteure auf den Verkehrswert anzuführen. Insbesondere wird die Bedeutung der Vergangenheitsdaten von Ökonomen für den Marktwert gering eingeschätzt. Die vorstehenden Ausführungen zeigen auch die Bedeutung der Zweckbezogenheit von Gutachten, z.B. ist für renditeorientierte Sichtweisen das Ertragswertverfahren, für substanzorientierte Sichtweisen, wie z.B. die Wiederherstellungskosten im Versicherungsfall das Sachwertverfahren die eher geeignete Methode. Der Grundstücksmarkt wird nicht von Juristen, Ingenieuren und Betriebswirten, sondern überwiegend normalen Verkäufern und Käufern gestaltet, es ist daher notwenig, den Markt für Wohnimmobilien laufend zu beobachten. Es ist ein Übergewicht juristischer und formaler Bezüge gegenüber marktwirtschaftlichen Denkweisen festzustellen. Faktisch überwiegt die Orientierung an formalen Verfahrenabläufen (Sachwertverfahren, Ertragswertverfahren, etc.) gegenüber ökonomischen Marktbetrachtungen durch die Sachverständigen. Dies scheint eher durch den Usus und die Ausbildung der Gutachter bedingt, als durch die legistischen Grundlagen in Österreich, da das LBG die Anwendung von Wertermittlungsverfahren vorschreibt, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen und nur demonstrativ die drei Verfahren anführt. Ausgehend von den gutspezifischen Besonderheiten, den psychologischen und soziologischen Aspekten, dem Stakeholderkonzept und den Problemen der konventionellen Wertermittlungsverfahren, wird daher im nächsten Kapitel ein ganzheitlich ausgerichtetes, zukunftsorientiertes Immobilienwertmodell entwickelt, dass die Einflussmöglichkeiten der Wohnungsmarktakteure auf die Wertentwicklung von Wohnimmobilien explizit berücksichtigt. Ziel ist die Darstellung der wesentlichen Faktoren und Eingangsparameter für die Wertentwicklung von Wohnimmobilien.

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2.2.2 Nicht kodifzierte Verfahren 2.2.2.1 Discounted Cashflow (DCF) (nach Ross-Brachmann) Die so genannte DCF-Methode ist ein international weit verbreitetes Verfahren, das insbesondere in den angelsächsischen Ländern eine hohe Verbreitung genießt. Es handelt sich um ein so genanntes „Barwertverfahren“: Aus dem Eigentum an einer Immobilie resultieren jährliche Einnahmen und Ausgaben, deren Saldo als Cash-Flow bezeichnet wird. Über einen frei gewählten Beobachtungszeitraum (in der Regel zwischen 8 und 15 Jahren wird der jährliche Cash-Flow aus der zu bewertenden Immobilie ermittelt, auf den Bewertungsstichtag abdiskontiert und die Summe der einzelnen Barwerte ermittelt. Zum Ablauf des Betrachtungszeitraums wird der Restwert der Immobilie geschätzt und der Verkaufserlös (Bruttoverkaufserlös abzüglich Verkaufsnebenkosten) ebenfalls auf den Bewertungsstichtag diskontiert. Zur Schätzung des Bruttoverkaufserlöses wird regelmäßig auf den Rohertragsvervielfältiger zurückgegriffen; da dieser allerdings für einen Schätzhorizont von 8 bis 15 Jahren kaum gesichert abgeleitet werden kann, wird er in der Regel in Orientierung an den Vervielfältiger in Ansatz gebracht, der zum Bewertungszeitpunkt als angemessen und marktkonform angesehen wird, d.h. er wird in gleicher Höhe oder geringfügig (bis zu einer Jahresrohmiete) niedriger gewählt. Anwendungsbereiche des DCF-Verfahrens Das DCF-Verfahren wird in der Praxis nicht nur als Bewertungsverfahren sondern auch zur Analyse von Investitionsentscheidungen eingesetzt: Während zu Bewertungszwecken lediglich objektive Größen Eingang finden dürfen, können zur Beurteilung und Analyse von Investitionsentscheidungen spezifische Besonderheiten des betreffenden Investments/Investors berücksichtigt werden; dies sind u. a. Finanzierungskonditionen, steuerliche Effekte und subjektive Präferenzen des Investors. Diese unterschiedliche Ausrichtung des Verfahrens findet auch im anzuwendenden Zinssatz ihren Niederschlag:

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• Bei Einsatz des Verfahrens zu Bewertungszwecken ist der interne

Zinssatz zu ermitteln; es handelt sich wie beim klassischen Ertragswertverfahren um den Zinssatz, der bei der Anwendung zum Verkehrswert führt; er ist dementsprechend aus dem Marktgeschehen abzuleiten; man spricht vom I.R.R.-Verfahren (Internal rate of Return).

• Bei der Verwendung des Verfahrens zur Beurteilung und Analyse von

Investitionsentscheidungen kommt ein investitionsorientierter Zinssatz zur Anwendung (Net Present Value Methode); er leitet sich – je nach Ausgangslage – aus der Verzinsung der Alternativinvestition, der Finanzierung der geplanten Investition oder anderen subjektiven Kriterien ab.

Zum Einsatz zu Bewertungszwecken eignet sich jedoch nur das auf Basis objektiver Größen durchgeführte DCF-Verfahren. DCF-Verfahren versus Ertragswertverfahren Der Vergleich zwischen DCF-Verfahren und Ertragswertverfahren hat sich in den letzten Jahren zu einem „Methodenstreit“ entwickelt: Insbesondere die nicht sachgerechte Behauptung, dass die Ertragswertermittlung nur Vergangenheitsgrößen berücksichtigt und damit als „veraltet“ beurteilt wird, wohingegen in die DCF-Methode durchaus auch Zukunftserwartungen und Prognosen einfließen können und ihm das Image des dynamischen zukunftsorientierten Prognoseverfahren zugesprochen wird, ist dieser Diskussion sicherlich nicht förderlich. Bei sachlicher Betrachtung muss letztendlich festgestellt werden, dass das Ergebnis jedes der beiden Verfahren weniger von seiner Methode, als vielmehr von den jeweiligen Eingangsgrößen und der Bewertungskompetenz seines Anwenders abhängig ist. Auch die sachgerechte Anwendung des Ertragswertverfahren stellt ausschließlich auf die zukünftigen Erträge ab und sieht zudem die Möglichkeit vor, Besonderheiten hinsichtlich der Zahlungsströme zu berücksichtigen; allerdings müssen diese auf dem Weg von Sonderrechnungen in das Verfahren eingeführt werden. Dies gilt auf der

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Einnahmenseite für Ausgangssituationen wie die Vermietung ober- bzw. unterhalb des Marktniveaus, Staffelmietvereinbarungen, Leerstände und mietfreie Zeiten sowie auf der Ausgabenseite für die differenzierte Behandlung von fixen und inflationsabhängigen Kosten sowie für die zeitgerechte Berücksichtigung von größeren Instandhaltungsmaßnahmen. Das auf Grund seiner Berechnungsmethodik primär dynamisch ausgelegte DCF-Verfahren hat allerdings ohne Zweifel folgende Vorteile: Es ermöglicht eine differenzierte Darstellung der Entwicklung von einzelnen Einnahme- und Ausgabeströmen, d.h. besondere vertragliche Vereinbarungen und die Konsequenzen unterschiedlicher Mietverhältnisse können besser dargestellt werden. Auf Grund der periodenweisen Aufführung der Einnahmen und Ausgaben ist insgesamt eine transparentere Darstellung möglich; aperiodisch auftretende Kosten können besser in die Berechnungen eingeführt werden; z.B. Revitalisierungs- und Modernisierungskosten. Dem stehen jedoch auch Risiken und Nachteile gegenüber: Die differenzierten Darstellungsmöglichkeiten verleiten zu Scheingenauig-keiten; nicht in allen Bewertungsfällen ist es erforderlich – die Möglichkeiten der Methode auszureizen oder überzustrapazieren; es handelt sich letztendlich um eine Schätzung. Grundsätzlich gilt, dass das Ergebnis jeder Berechnung nur so gut ist wie seine Eingangsgrößen. Die Wahl des angemessenen/sachgerechten Zinssatzes ist das zentrale Problem des DCF-Verfahrens; hierzu sind Informationen über den Cash-Flow von Vergleichsobjekten sowie interne Zinssätze bei Veräußerungen erforderlich. Die differenzierte Rechenmethodik des DCF-Verfahrens, die die Besonderheiten des Einzelobjektes herausstellt, wird bei Rückrechnung kaum zu einer ausreichenden Anzahl von Vergleichsobjekten für eine gesicherte Ableitung des internen Zinssatzes führen. Für den Liegenschaftszins beim Ertragswertverfahren stehen demgegenüber – zumindest derzeit noch – deutlich mehr Kaufpreisauswertungen zur Verfügung.

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Die Methodik der pauschalen Schätzung des Verkaufserlöses der Immobilie nach Ablauf der Betrachtungszeit (8 – 15 Jahre) wird der Bedeutung dieser Wertkomponente innerhalb der Gesamtrechnung nicht gerecht: Bei einem Bürogebäude mit einer Gesamtnutzungsdauer von 60 Jahren ist der Beobachtungszeitraum der ersten 10 Jahre nur in einer Größenordnung zwischen 40 und 50 % für den gesamtwert der Immobilie Wert bildend; der verbleibende Teil von über 50 % wird durch den diskontierten Verkaufserlös gebildet. Ausblick In der Praxis findet das DCF-Verfahren derzeit noch überwiegend zur Vorbereitung und Analyse von Investitionsentscheidungen Anwendung. Zu seiner Anwendung als alleinigem Bewertungsverfahren fehlt es sowohl an einer qualifizierten Auswertung von aus dem Marktgeschehen abgeleitetem methodengerechten Zinssätzen (Internal Rate of Return) sowie dem einzelnen Sachverständigen am „Gefühl für eben diesen Zinssatz“, der keinen Bezug zum bekannten Liegenschaftszinssatz hat. Die finanzmathematische Methodik hingegen ist – insbesondere mit Hilfe entsprechender EDV-Programme – leicht erlern- und beherrschbar. Für das DCF-Verfahren sprechen nicht nur die oben aufgezeigten Vorteile bei der Darstellung und Berechnung komplexer Zahlungsströme, sondern auch die Harmonisierungsbestrebungen im Europäischen Raum hinsichtlich der Bewertungsverfahren. Dabei steht zu erwarten, dass die weit verbreiteten angelsächsischen Bewertungsverfahren zunehmend Bedeutung erlangen und mittelfristig zumindest gleichwertig neben den österreichischen und deutschen Verfahren Akzeptanz und Anwendung finden. 2.2.2.2 Residualwertverfahren (nach Ross-Brachmann) Diese Verfahren kann zur Bewertung von Grundstücken herangezogen werden und zwar für den Bodenwert bebauter Grundstücke mit untergeordneter bzw. minderwertiger Bebauung bzw. für unbebaute Grundstücke, die auf Grund ihrer planungsrechtlichen Prämissen und der Rahmenbedingungen des Marktes zu einer kurzfristigen Bebauung geeignet sind.

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Das Verfahren unterstellt eine fiktive, wirtschaftlich sinnvolle Bebauung des bereffenden Grundstücks, ermittelt dessen möglichen Veräußerungserlös nach Fertigstellung und bringt hiervon alle im Zusammenhang mit der Bebauung, Vermarktung und Finanzierung anfallenden Kosten inkl. Eines angemessenen Unternehmergewinns in Abzug; zudem werden die Erwerbsneben- und Vorhaltekosten des Grundstücks berücksichtigt. Als Ergebnis von Erlös und Kosten ergibt sich der aus der Sicht eines Investors für das unbebaute Grundstück maximal zahlbare Kaufpreis. Schwächen des Verfahrens Die Eingangsgrößen sind schwierig zu ermitteln. Die Ermittlung des Verkaufserlöses nach Fertigstellung der geplanten Baumaßnahme basiert auf Prognosen der nachhaltigen Mieten zum Zeitpunkt der Fertigstellung; aus diesem langen Prognosehorizont resultieren erhebliche Risiken, z.B. die Gefahr sich verändernder Marktbedingungen. Auch die Überschreitung von kalkulierten Baukosten gehört zu den regelmäßig auftretenden „Phänomenen“ bei der Realisierung von Immobilienprojekten. Die Methode ist sehr fehleranfällig, d.h. geringe Abweichungen bei den Eingangsgrößen führen zu großen Veränderungen beim Ergebnis. Da insbesondere die beiden Parameter „Verkaufserlös“ und „Herstellkosten“ jeweils regelmäßig eine hohe absolute Wertgröße haben, wirken sich bereits geringe Veränderungen/Fehler bei deren Kalkulation überproportional stark auf das vergleichsweise kleine Residuum (Bodenwert) aus.

2.2.2.2 Modell der Hedonischen Preise

Die Beobachtung lehrt, dass auf dem städtischen Bodenmarkt bestimmte Grundstücke mit sehr unterschiedlicher Ausprägung ihrer Eigenschaften gleiche Preise, hingegen bestimmte Grundstücke, in denen einzelne Eigenschaften gleich ausgeprägt sind, sehr verschiedene Preise erzielen können. Diese Beobachtung deutet darauf, dass städtische Grundstücke nicht nur in der Dimension Menge oder Größe (nach Flächeneinheiten) zu bewerten sind, sondern dass ihr Wert vieldimensional gemessen werden muss.

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Unter diesem Aspekt gilt für Grundstücke im Besonderen die Feststellung von K. LANCASTER, wonach nicht Güter an sich, sondern die Ausprägung ihrer Eigenschaften den Bezug zum individuellen Nutzen, zu den Präferenzen und konsumtechnologischen Bedingungen ihrer Nutzer herstellen. Danach stellt sich die methodische Frage, wie die Preisbildung auf dem Grundstücksmarkt mit Hilfe des konsumtechnologischen Ansatzes von K. LANCASTER modelliert werden kann. Jedenfalls kommen die Grundstückspreise nicht wie auf Märkten für homogene Güter zustande, indem sich die nachgefragte Menge beim sogenannten Gleichgewichtspreis mit der Angebotsmenge deckt. Vielmehr gilt für städtische Grundstücke (im Sinne von W. ALONSO), dass einerseits dem Nachfrager und Nutzer bei derselben Zahlungsbereitschaft Grundstücke mit sehr unterschiedlichem Eigenschaftenprofil zur Wahl stehen können, dass andererseits jedoch auch für den Anbieter eines Grundstücks Nachfrager bzw. Nutzer mit sehr verschiedenen Präferenzen und nutzungstechnologischen Vorstellungen gleichwertige Vertragspartner für eine Transaktion sein können. Nimmt man an, dass sich auf dem städtischen Bodenmarkt jedes Grundstück von jedem anderen in seinem Eigenschaftenprofil unterscheidet, dann entspricht jedem Grundstück eine eigene Nachfragermenge, während sich zugleich jeder Nachfrager ein eigenes Sortiment verschiedener ihn interessierenden Grund-stücke schafft. Dabei bezieht sich die Preisforderung des Grundstücksanbieters auf Nachfrager bzw. Nutzer mit verschiedenen Konsum- bzw. Produktionstechnologien und Präferenzen; die Bereitschaft der Nachfrager, das betreffende Grundstück zu einem bestimmten Preis zu erwerben, beruht hingegen auf dem Vergleich verschiedener Grundstücke, die in gleicher Weise für beabsichtige Nutzungstechnologien geeignet sind bzw. den besonderen Präferenzen dieses potentiellen Nutzers entsprechen. Den städtischen Grundstücksmarkt kennzeichnet es danach, dass die Nachfrager und Nutzer nicht die gewünschten Eigenschaften der sie interessierenden Grundstücke getrennt kaufen und nach ihren Präferenzen und nutzungstechnologischen Erfordernissen beliebig bündeln können, sondern dass sie das aktuell immer sehr beschränkte Angebot von Grundstücken darauf überprüfen müssen, in welchem der grundstücksspezifischen Eigenschaftenbündel sie ihre nutzungs-technologischen Vorstellungen und Präferenzen am besten verwirklichen können. Bei ihrer Kaufentscheidung müssen dann die Nachfrager in der Regel notwendigerweise in Kauf nehmen, dass in dem Eigenschaftsprofil des erworbenen Grundstücks ein Teil ihrer nutzungstechnologisch begründet

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gewünschten Eigenschaftsausprägungen nicht, hingegen andere unter Umständen nutzungstechnologisch schädliche Eigenschaftsausprägungen unerwünscht enthalten sind. Unter diesem Aspekt können die Eigenschaften von städtischen Grundstücken als nachgeordnete Güter (und Übel), die einzelnen Eigenschaftsausprägungen als Gut- und Übelmengen, angesehen werden. Innerhalb jedes einzelnen Grundstücks (als "Güterbündel") sind Güter und Übel gekoppelt. Mit solcherart begrifflichen Vorverständnis hat S. ROSEN (aufbauend auf A. COURT, K. LANCASTER und W. ALONSO) für analoge Anwendungen das "Modell der Hedonischen Preise" für die marktliche "implizit-Bewertung" der Eigenschaften von Gütern entwickelt. Mit der Methode der hedonischen("Liebhaber"-)Preise ergibt sich der Grundstücks-preis als Summe aus den implizit-bewerteten Einzelpreisen für die im Grundstück gekoppelten Güter und Übel (=Eigenschaften in ihren Ausprägungen). Auf die Frage, wie hedonische Preise aus den Ausprägungen der zugeordneten Grundstückseigenschaften abgeleitet werden können, gibt die umfangreiche Literatur (vgl. u.a. J. ROTHENBERG, G.C. GALSTER, R.V. BUTLER und J. PITKIN) keine eindeutige Auskunft. Im allgemeinen wird die These vertreten, dass der hedonische Preis für eine Guteigenschaft nicht linear mit deren Ausprägungsmenge zunimmt (Bei negativen Eigenschaften sollte der hedonische Preis in entsprechender Weise mit deren Ausprägungsmengen abnehmen). In der empirischen Analyse können Preisfunktionen für die im einzelnen Gut "Grundstück" gebündelten Eigenschaften (nach üblichen statistischen Verfahren) nur mit den durchschnittlichen Ausprägungsmengen der Eigenschaften zu einzelnen Grundstücken - und nicht marginal (wie auf homogenen Märkten für das von verschiedenen Anbietern zuletzt produzierte Gut) ermittelt werden. Aus diesem methodischen Problem folgt, dass entweder die Funktion der hedonischen Preise für die Ausprägungen der einzelnen Grundstücks-eigenschaften oder die Funktion, mit der aus den einzelnen hedonischen Preisen der Gesamtpreis für Grundstücke gebildet wird, nicht-linear sind.

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Im Sinne des Modells von S. ROSEN werden im Folgenden die hedonischen Preise für die Eigenschaften eines Grundstücks formalisiert: Es wird davon ausgegangen, dass ein Haushalt aus seinem Einkommen E für ein Grundstück einen bestimmten Geldbetrag zu zahlen bereit ist. Dafür stehen ihm unterschiedliche Grundstücke G mit den Eigenschaften g1, g2, g3, ...., gn zur Wahl.

G = (g1, g2 ... gn)

Aus jeder der Grundstückseigenschaften gi zieht der Haushalt seinen Nutzen oder Schaden. Die Bereitschaft ϕ, für ein bestimmtes Grundstück G einen Preis zu zahlen, ergibt sich aus dem Haushaltseinkommen y und aus den Präferenzen für die einzelnen Grundstückseigenschaften.

ϕ = ϕ(g1, g2 ... gn; y; α)

wobei α den Vektor der eigenschaftenspezifischen Präferenzen kennzeichnet. Man kann (im Sinne von S. ROSEN u.a.) unterstellen, dass die Ausprägungen der einzelnen Grundstückseigenschaften analog wie die Mengen einzelner Güter behandelt werden können und damit die entsprechenden Nutzenfunktionen konkav sind. Dann wird die Zahlungsbereitschaft für das Grundstück (als "Bündel von Eigenschaften") mit der Ausprägung jeder einzelnen positiven Eigenschaft zu-, jeder einzelnen negativen Eigenschaft abnehmen; die Veränderung ist allerdings degressiv. Die partielle Ableitung der Zahlungsbereitschaft für ein Grundstück i nach der Ausprägung einer bestimmten Grundstücks-eigenschaft δϕ/δgi offenbart die Zahlungsbereitschaft des Haushalts für die Eigenschaft gi. S. ROSEN nimmt an, dass die marginale Zahlungs-bereitschaft der Nachfrager für eine Eigenschaft mit deren zunehmender Ausprägungsmenge, wenn positiv, abnimmt. Symmetrisch zur Zahlungsbereitschaft der Nachfrage der Haushalte kann im Prinzip die Preiserwartung der Anbieter von Grundstücken beschrieben werden. Dabei ist ϕ der Preis, den ein Besitzer beim Verkauf seines Grundstücks erwartet. Indem die Besitzer in der Regel ihr Grundstück entweder selbst nutzen oder von Fremden nutzen lassen, ziehen sie aus der aktuellen Nutzung ihren Ertrag x und bewerten diesen nutzungstechno-

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logisch mit eigenen Präferenzen ß. An diesen Werten orientieren die Anbieter von Grundstücken ihre Minimalforderung an Verkaufspreisen.

ψ = ψ (g1,g2 ... gm, x, ß), wobei ß den Vektor der eigenschaftenspezifischen Präferenzen des Besitzers bzw. des Vornutzers des Grundstücks ausdrückt. Man kann im Sinne von S. ROSEN u.a. unterstellen, dass die Nutzen- bzw. Ertragsfunktion der Anbieter von Grundstücken konvex ist, so dass auch die Preiserwartung ψ der Grundstücksanbieter mit der Ausprägungsmenge einer jeden positiven Grundstückseigenschaft zunimmt. Der Marktpreis für das Grundstück i ergibt sich dann nach den klassischen Kriterien, wenn die Zahlungs-bereitschaft seines Nachfragers und die Preisforderung seines Anbieters identisch sind.

(ψi = ψi) Das hier beschriebene Modell für die marktliche implizit-Bewertung von Gütern liefert in dieser Forschungsarbeit die Erklärung dafür, dass virtuelle Preise für Grundstücke geschätzt werden können, deren Eigenschaften zwar unmittelbar bekannt, deren hedonische Preise hingegen aus Funktionen übernommen werden, die aus zuvor bekannten Grundstückspreisen geschätzt worden sind.

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Die Modelle GPSIM und ÖGRUSIM

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

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MethodenLogarithmische Regressionsanalyse

Ln (P) = C + α1E1 + α2E2 + … + αnEn

P = EXP (C + α1E1 + α2E2 + … + αnEn)

P … Preis des GutesEi … Eigenschaftenαi … zu schätzende Parameter (Preise der Eigenschaften)C … Modellkonstante

Preis des Gutes:Produkt der Preise der Eigenschaften(Auf- bzw. Abschläge)

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Beispiel

P = EXP (9,869 + 0.13 * BAD + 0.954 * LNM2 + 0.0076 * SOZ)

Was bedeuten die Parameter:

0.13 (BAD): EXP (0.13) = 1.1388: eine Wohnung mit Bad ist um ca. 14 % teurer als eine Wohnung ohne Bad

0.0076 (SOZ): EXP (0.0076 *10) = 1.079: Ein um 10% höherer Akademikeranteil in der Umgebung erhöht den Preis um ca. 8 %

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Bewertung von Immobilieneigenschaften Bewertung von Immobilieneigenschaften mitmit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Simulation

P = EXP (9,869 + 0.13 * BAD + 0.954 * LNM2 + 0.0076 * SOZ)

(1) 80 m2, Badezimmer, 40 % Akademikeranteil in Umgebung)P (geschätzt): EXP(9,869 + 0.13 + 4.382 * 0.954 + 0.304) =EXP(14.4834) = 1.950.117 ATS = € 141.720

(2) 40 m2, kein Badezimmer, 5% AkademikeranteilP (geschätzt): EXP (9,869 + 3.6889 * 0.954 + 0.038) =EXP (13.4262) = 677.531 ATS = € 49.238

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

GPSIM – Analyse und Simulation Wiener Immobilien(räumliche Bezugseinheit: Baublock)

Arten von Immobilien

• Eigentumswohnungen (neu und gebraucht)

• Mietwohnungen (vermietete Eigentumswohnungen): freie Mieten und Richtwertmieten

• Mietbüros

• Ein- und Zweifamilienhäuser (Preise und Mieten)

• Baugründe (nach Bauklassen bzw. erzielbarer Nutzfläche)

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Bewertung von Immobilieneigenschaften Bewertung von Immobilieneigenschaften mitmitHedonischenHedonischen PreisenPreisen

Datenbasis

• Geschäftsfälle der Austria Immobilienbörse (A!B), vormals W!B

• Kaufpreissammlung der MA 69

• Zahl der Beobachtungen: ca. 50.000.-

• Zeitperiode: 1986 – 2006

• Ca. 1 Drittel effektive Transaktionen, ca. 2 Drittel Angebotspreise

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Erklärende Variable

• Ausstattungsvariable

• Adresse/Baublockcode• Zeitpunkt des Anbots bzw. der Transaktion• Preis/Miete• Betriebskosten / Mehrwertsteuer• Nutzfläche / Grundstücksfläche• Zustand• Baujahr• Stockwerkslage• Verfügbarkeit von Strom, Gas, Wasser, Kanal, Telefon, Kabel-TV• Zahl und Größe der Räume, Badezimmer, Balkone, Terrassen, Garagen• Heizungsart• Möblierung

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Erklärende Variable

(2) Lagevariable

• Naturraum: Höhenlage, Hangneigung, Nähe zu Parkanlagen, Wasserflächen, Weingärten, Wiesen und Wäldern

• Infrastruktur: Erreichbarkeit des Stadtzentrums im öffentlichen und im Individualverkehr, Nähe zu Haltestellen des öffentlichen Verkehrs, Nahversorgungsqualität

• Soziales Milieu: Anteil der Akademiker, der Pensionisten oder von Gastarbeitern in der Nachbarschaft

• Ökologie: Belastungen durch Lärm oder Staub, Parkplatzsituation, Verbauungsdichte

• Stadtgestalt: Lage in Schutzzonen, Nähe zu Denkmälern und Monumenten

1313

Univ. Prof.Univ. Prof.Dr. Wolfgang FeilmayrDr. Wolfgang FeilmayrTU WienTU Wien Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischen

PreisenPreisenModellergebnisse

Baualter und Zustand der WohnungHier ist angeführt, um wieviel Prozent sich eine sonst gleichgelegene und gleichausgestattetegebrauchte Eigentumswohnung von einer Referenzkategorie = 100% (hier: sehr gut ausgestattete Wohnung; Baujahr vor 1919) unterscheidet.

BJ: vor 1919; Zustand: gut: 76%BJ: vor 1919; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 69%BJ: 1919-1940; Zustand: sehr gut: 92%BJ: 1919-1940; Zustand: gut: 81%BJ: 1919-1940; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 71%BJ: 1946-1960; Zustand: sehr gut: 95%BJ: 1946-1960; Zustand: gut: 81%BJ: 1946-1960; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 76%BJ: 1961-1970; Zustand: sehr gut: 91%BJ: 1961-1970; Zustand: gut: 82%BJ: 1961-1970; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 77%BJ: 1971-1975; Zustand: sehr gut: 94%BJ: 1971-1975; Zustand: gut: 88%BJ: 1971-1975; Zustand: durchschnittlich/mäßig: 79%BJ: 1976-1980: (Zustand: sehr gut): 96%BJ: 1981-1985: (Zustand: sehr gut): 102%BJ: 1986-1990: (Zustand: sehr gut): 107%BJ: 1991 und später: (Zustand: sehr gut): 117%

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Vorhandensein von Garage und Balkon

Balkon vorhanden: 103%Garage/Autoabstellplatz vorhanden (nicht die Kosten): 104%Badezimmer vorhanden: 114%

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Lage der Wohnung im Haus / Vorhandensein von Lift und/oder Terrasse

Hier ist angeführt, um wieviel Prozent sich eine sonst gleichgelegene und gleichausgestattetegebrauchte Eigentumswohnung von einer Referenzkategorie=100% (hier: Erdgeschoßwohnung ohne Terrasse) unterscheidet.

Erdgeschoß / Terrasse /Eigengarten: 115%1/2 Stock / keine Terrasse: 101%1/2 Stock / Terrasse: 103%3/4 Stock / kein Lift / keine Terrasse: 90%3/4 Stock / kein Lift / Terrasse: 93%3/4 Stock / Lift / keine Terrasse: 105%3/4 Stock / Lift / Terrasse: 117%5/6 Stock / kein Lift / keine Terrasse: 71%5/6 Stock / kein Lift / Terrasse: 95%5/6 Stock / Lift / keine Terrasse: 108%5/6 Stock / Lift / Terrasse: 121%höher / kein Lift / keine Terrasse: 58%höher / kein Lift / Terrasse: 99%höher / Lift / keine Terrasse: 108%höher / Lift / Terrasse: 124%

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Lagefaktoren

Geben an, um wie viel Prozent eine gebrauchte Eigentumswohnung, bei der ein Lagefaktor seine maximale Ausprägung hat, teurer ist als eine sonst gleiche Wohnung, bei der dieser Lagefaktor seine minimale Ausprägung hat

Beispiel:Lagefaktor: Soziales Milieu (Anteil der Akademiker und Maturanten in der Nachbarschaft): 56 %.Bedeutet, dass eine Wohnung um 56 % teurer ist, wenn in ihrer Nachbarschaft 60% (=Maximum) Akademiker und Maturanten wohnen, als eine sonst gleiche Wohnung, wo in der Umgebung nur 0,6 % (=Minimum) Akademiker und Maturanten wohnen.

Soziales Milieu (Akademikeranteil) 56 %Industrie und Gewerbe in der Nachbarschaft: -4 %Verkehrslärm -7,5 %Aufwand bei der Suche von Parkplätzen -6 %Erreichbarkeit des Stadtzentrums (mix aus IV und ÖV) 13 %Höhenlage und Hangneigung (Fernsicht/Aussicht) 10 %Dichte Verbauung in der Nachbarschaft -17 %

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Lagefaktoren

Nähe zu Parks 6 %Nähe zu Weingärten, Wälder und Wiesen 20 %Nähe zu Wasserflächen 2 %Nähe zu Kleingärten, Friedhöfen und sonstigen Grünflächen 12 %Nähe zu Schutzzonen und denkmalgeschützten Gebäuden 14 %Nähe zu kulturellen Einrichtungen 2 %

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Bewertung von Immobilieneigenschaften mit Bewertung von Immobilieneigenschaften mit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Ein konkretes Beispiel

Eigentumswohnung: 1230 Maurer Lange GasseBaujahr: 2000Zustand: sehr gutGröße: 87,67 m2 davon 7,43 m2 LoggiaBadezimmer, Kellerabteil, kein Garagen/Autoabstellplatzim 2. Stock gelegen

Ergebnis:

Baulicher Wert pro m2 : € 1.382.-Grundanteil pro m2: € 544.-Gesamtwert pro m2 Nutzfläche: € 1.926.-

Gesamtwert des Objektes: € 168.852.-

2424

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Bewertung von Immobilieneigenschaften Bewertung von Immobilieneigenschaften mitmit HedonischenHedonischenPreisenPreisen

Anwendungen

Immobilienindizes

Aus dem Modell können unmittelbar Indizes abgeleitet werden, die die zeitliche Entwicklung einzelner Immobilienkategorien widerspiegeln. Inzwischen liegen für die meisten Immobilienkategorien quartalsweiseIndizes vor, die getrennt für Wien und das restliche Österreich berechnet werden. Die Ermittlung wird von der Österreichischen Nationalbank mitfinanziert.

http://www.srf.tuwien.ac.at/feil/immo.htm

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2.3 Praxis der Immobilienbewertung

2.3.1 Verkehrswertermittlung unbebauter Grundstücke

Für die Ermittlung des Verkehrswerts eines unbebauten Grundstücks eignet sich am besten das Vergleichswertverfahren. Folgende Punkte sollten besonders beachtet werden:

• Es muss eine ausreichende Zahl geeigneter Vergleichsgrundstücke vorhanden sein.

• Nicht jeder Kaufpreis ist für einen Preisvergleich geeignet, z.B. Liebhaberpreise, Gefälligkeitspreise unter Verwandten und Freunden, Kaufpreise in Zwangsversteigerungs- oder Konkursverfahren.

• Die Vergleichsgründstucke müssen bei den maßgeblichen Wertfaktoren, wie Lage, Bodenbeschaffenheit, Größe, Gestaltung, Erschließungsgrad, Art und Maß der zulässigen Nutzung, vergleichbar sein.

• Unterschiede in den maßgeblichen Wertfaktoren zwischen den Vergleichsgrundstücken und dem zu bewertenden Grundstück müssen durch Zu- oder Abschläge angemessen ausgeglichen werden.

• Die Kaufpreise der Vergleichsgrundstücke sollten um den Bewertungsstichtag zustande gekommen, aber zumindest nicht älter als 4 Jahre sein. Preisänderungen, die bis zum Bewertungsstichtag eingetreten sind, müssen durch angemessene Zu- und Abschläge berücksichtigt werden.

Vergleichspreise können mit Hilfe der Urkundensammlung des Grundbuchs, Auskünften von allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen und Realitätenbüros sowie Hinweisen von zuständigen Gemeindeämtern erhoben werden. Mit den bereits erhobenen Grundpreisen sollte eine eigene Grund-/Kaufpreissammlung angelegt werden, auf die man immer wieder zurückgreifen kann.

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Grünland Für die Verkehrswertermittlung sind vor allem die land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen von Bedeutung. Als grobe Richtwerte können gelten: für Wiesenflächen: 2 – 3 € für Ackerflächen: 3 – 5 € für Waldflächen (je nach Entwicklung): 2 – 5 € für Weingärten: 6 – 10 € im städtischen Bereich werden (unbebaubare) Gartenflächen ca. ein Drittel des Baulandpreises bezahlt. 2.3.2 Ermittlung des Bodenwertes bebauter

Grundstücke Die Ermittlung des Bodenwerts bebauter Grundstucke stellt sich schwieriger dar als bei unbebauten, da verlässliche und marktkonforme Wertermittlungs-methoden nur bedingt zur Verfügung stehen. Vor allem die vorhandene Bebauung wirft besondere Bewertungsprobleme auf. In der Frage, ob die vorhandene Bebauung den Bodenwert beeinflusst oder nicht, stehen zwei Meinungen gegenüber. Einige Experten vertreten die Auffassung, dass der Umstand der Bebauung bei der Bewertung des Grund und Bodens außer Acht zu lassen und der Bodenwert eines bebauten Grundstucks so zu behandeln sei, als ob dieses unbebaut wäre. Dem steht die Meinung gegenüber, dass eine vom Maß der zulässigen baulichen Nutzung abweichende tatsächliche Bebauung unter bestimmten Voraussetzungen den Bodenwert des Grundstücks durchaus beeinflussen kann. Allerdings führt nicht jede Minderausnutzung gegenüber der

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zulässigen Bebauung zu einer Wertminderung des Grund und Bodens. Eine Minderausnutzung wirkt sich dann nicht auf den Bodenwert aus, wenn das Maß der zulässigen baulichen Nutzung durch Aufstockung oder Anbau ausgeschöpft werden kann. In diesen Fällen ist der volle Bodenwert vergleichbarer unbebauter Grundstücke anzusetzen. Wenn das Maß der zulässigen baulichen Nutzung nicht ausgeschöpft werden kann, z.B. bei nichtaufstockbaren Gebäuden, ist der Bodenwert durch die tatsächliche Bebauung gemindert. Die Wertminderung richtet sich nach dem Minderertrag und der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Erfahrungsgemäß nehmen die erzielbaren Erträge in den oberen Geschossen eines Gebäudes ab, vor allem dann, wenn die unteren Geschosse gewerblich genutzt werden. Die Dauer der Minderausnutzung richtet sich im Allgemeinen nach der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Bei einer langen Restnutzungsdauer wird der Bodenwert stärker gemindert als bei einer geringeren Nutzungsdauer. Mit zunehmendem Alter des Gebäudes steigt der reduzierte Bodenwert his zur Höhe eines vergleichbaren unbebauten Grundstücks. Es kann davon ausgegangen werden, dass Gebäude mit einer Restnutzungsdauer von weniger als 20 Jahren keine Bodenwertminderung verursachen. Eine Rolle spielt auch die Objektgröße, da eingeschossige Gebäude meistens mit einem geringeren Kostenaufwand abgebrochen werden können als mehrgeschossige Objekte. Das Ausmaß der Wertkorrektur bei einer Minderausnutzung gegenüber der zulässigen baulichen Nutzung ergibt sich nach folgender Formel:

(Ertragsminderung x Restnutzungsdauer) / 100 Beispiel: Aufgrund des Bebauungsplans sind drei Geschosse zulässig. Das Grundstück ist allerdings nur mit einem zweigeschossigen Gebäude verbaut, welches aus bautechnischen Gründen nicht aufgestockt werden kann. Der Minderertrag gegenüber der zulässigen Bebauung beträgt daher 33%. Restnutzungsdauer des Gebäudes 50 Jahre Berechnung:

(33 x 50) /100 = 16,5

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Der Bodenwert ist somit um den Abschlag wegen Minderausnutzung in Höhe von 16,5 % zu reduzieren. 2.3.3 Ermittlung des Verkehrswerts bebauter

Liegenschaften im Sachwertverfahren Der Liegenschaftswert setzt sich im Sachwertverfahren aus folgenden drei Komponenten zusammen:

• Bodenwert • Bauwert des/der Gebäude(s) • Bauwert der Außenanlagen

Bodenwert Der Bodenwert wird im Vergleichswertverfahren ermittelt. Eventuell muss ein Abschlag wegen Minderausnutzung berücksichtigt werden. Bauwert des Gebäudes Der Bauwert des Gebäudes wird nach dem bereits dargestellten Schema ermittelt Herstellungswert Der Herstellungswert oder Neubauwert ist auf Preisbasis zum Bewertungsstichtag zu ermitteln Es sind dabei nicht jene anzusetzen, die für die Errichtung der baulichen Anlagen seinerzeit aufgewendet wurden, sondern ein fiktiver Kostenbetrag der für die Neuerrichtung der baulichen Anlagen zum Bewertungsstichtag aufgewendet werden musste (Normalher-stellungswert). Eine gewählte Berechnungseinheit wird mit den Richtwerten für die jeweilige Berechnungsfläche vervielfacht.

Die Berechnungseinheiten sind vorzugsweise für:

Wohn-, Geschäfts-, Büro- u. gewerblich genutzte Bauten: m3 Bruttorauminhalt Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser: m2 Wohnnutzfläche Industriegebäude, Hallen: m2 Bruttogrundrissfläche

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Bruttogrundrissfläche

Die Bruttogrundrissfläche ist die Summe aller Grundrissflächen in einer Grundrissebene (z.B. Kellergeschoss, Erdgeschoss, Obergeschoss, Dachgeschoss) und wird in m2 angegeben. Zu unterscheiden sind Grundrissflächen

• allseitig umschlossener (umbauter) Räume • die nicht allseitig in voller Hohe umschlossen, jedoch überdeckt sind,

z.B. Flächen von Loggien, vorkragenden Bauteilen und aufgelösten Geschossen

• die weder allseitig umschlossen noch überdeckt sind, z.B. Flächen von Balkonen oder Dachterrassen

• von ausgebauten und nichtausgebauten Dachgeschossen Die Bruttogrundrissfläche ist nach den äußeren Begrenzungen (inklusive Wandaußenverputz oder Wandaußenverkleidung) des Geschosses zu berechnen. Die Maße können dem Grundriss der amtlich bewilligten Baupläne entnommen werden (die Grundrisse der Pläne stellen den Schnitt in 1 m Höhe dar). Nicht zur Bruttogrundrissfläche zählen die nichtnutzbaren Grundrissflächen von Hohlräumen zwischen der Geländeoberfläche und der Unterkonstruktion baulicher Anlagen, die nichtnutzbaren Zwischenräume bei Kaltdächern oder Dachräumen sowie nichtnutzbare Flachdächer. Die Bruttogrundrissfläche wird vor allem für die Bewertung von Hallenbauten verwendet. Bei mehrgeschossigen Objekten mit gleichem Grundriss der einzelnen Geschosse kann die Bruttogrundrissfläche des Erdgeschosses mit der Geschossanzahl multipliziert werden. Sind die Ausmaße der einzelnen Geschosse unterschiedlich, müssen die Bruttogrund-rissflächen der einzelnen Geschosse ermittelt und zusammengezählt werden. Bruttorauminhalt Der Bruttorauminhalt ist in m3 anzugeben. Der Bruttorauminhalt eines Gebäudes wird umschlossen:

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Seitlich: Von den Außenflächen (Oberflächen des Wandaußenverputzes oder der Wandaußenverkleidung) der Umfassungsmauern Unten: Unterkante der Trag- und Fußbodenkonstruktion des untersten Geschosses Oben: Bei nichtausgebautem Dachgeschoss von der Oberfläche des Dachgeschoßfußbodens, bei ausgebautem Dachgeschoss von den Außenflächen der umschließenden Wände und Decken. Nicht zum Bruttorauminhalt eines Gebäudes zählen: Dachaufbauten und -vorsprünge, Balkone und Terrassen, Vordächer, Vorlegestufen und Freitreppen, Licht- und Luftschächte, freistehende oder angebaute Rauch- und Abgasfänge, Rauchkanäle (Füchse), Fundamente aller Art (ausgenommen Fundamentplatten), Vorkehrungen gegen drückendes Wasser sowie mit einem Gebäude baulich nicht verbundene unterirdische Bauten (z.B. außerhalb des Gebäudes befindliche Tiefgaragen, Schutzräume, Fußgängertunnel). Zur Ermittlung des Bruttorauminhalts werden die Bruttogrundrissflächen mit den aus den Bauplänen zu entnehmenden zugehörigen Geschosshöhen multipliziert. Die Geschosshöhe ist der Abstand zwischen der Oberfläche des Fußbodens und der Oberfläche des darüber liegenden Fußbodens. Bei Flachdächern ohne Dachraum wird die Höhe his zur Außenfläche des Daches genommen. Beim untersten Geschoss ist zur vorne definierten Höhe die Dicke der gesamten Trag- und Fußbodenkonstruktion (aber ohne Fundamente, ausgenommen Fundamentplatten) hinzuzurechnen. Wenn kein Bauplan vorliegt und die Geschosshöhe geschätzt werden muss, so sind bei Gebäuden jüngeren Baujahrs eine Höhe von 2,8 his 3 m, und bei Altbauten 4 m anzusetzen. Man kann auch die lichte Höhe der Räume ausmessen und für Massivdecken 30 cm und für Tramdecken 40 cm dazurechnen. Für die Bewertung müssen die Bruttorauminhalte von Gebäudeteilen, die

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sich in Konstruktion und Ausstattung wesentlich von den übrigen Bauwerksteilen unterscheiden getrennt ermittelt werden. Nettogrundrissfläche Die Nettogrundrissfläche ist die Summe aller nutzbaren Grundrissflächen zwischen den Oberflächen der Wände in einer Grundrissebene. Die Nettogrundrissfläche wird aus den lichten Fertigmaßen errechnet. Zu den Nettogrundrissflachen zählen auch die Grundrissflächen:

• von Aufzugschachten, begehbaren Schächten, betriebstechnischen Anlagen oder betrieblichen Einbauten

• von mobilen Wandelementen und Einbaukästen • freistehender Rohre, Leitungen und dgl. • von Wandöffnungen, sofern deren lichte Höhe mindestens 2 m beträgt

(aber nicht die Grundrissflächen von Türöffnungen). Nicht zu den Nettogrundrissflächen zählen die Grundrissflächen von Zähler-, Fenster- und Parapetnischen sowie anderen Wandnischen, sofern deren Höhe 2 m unterschreitet. Die Nettogrundrissflache wird eingeteilt in:

• Nutzfläche: Jener Teil der Fläche, der aufgrund der Zweckbestimmung des Gebäudes genutzt wird (z.B. Wohnnutzfläche, betrieblich genutzte Fläche)

• Ver- und Entsorgungsfläche: Diese Fläche ist für die Unterbringung der allgemein benötigten haustechnischen Einrichtungen bestimmt. Dazu gehören Anlagen für Wasser- und Energieversorgung, Heizung, Lüftung, Klimatisierung, Beleuchtung, Abwasserbeseitigung, Abfallbeseitigung, Aufzugs- und Fördertechnik sowie sonstige Betriebstechnik.

• Verkehrsfläche: Teil der Nettogrundrissfläche, der allgemein zugänglich ist und welcher der Benützung baulicher Anlagen dient (z.B. Eingangshalle, Gänge, Stiegenlaufe, Aufzugsschächte, Fahrtreppen usw.)

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Wohnnutzfläche Unter Wohnnutzflache versteht man die anrechenbare Nettogrundrissfläche der Räume von Wohnungen. Zur Wohnnutzfläche gehören nicht die Nettogrundrissflächen von:

• Geschäftsräumen und gewerblich genutzten Räumen • Wirtschaftsräumen wie Futterküchen, Vorratsräume, Backstuben,

Räucherkammern, Ställe, Scheunen, Abstellraume und ähnliche Räume

• Zubehörräumen wie Keller, Waschküche, Abstellräume außerhalb der Wohnung, Dachböden, Trockenräume, Schuppen, Garagen usw.

• Die Nettogrundrissfläche von Balkonen, (Dach)-Terrassen und gedeckten Freisitzen sollte bei der Bewertung mit einem Richtpreis von rund einem Drittel bis einem Viertel des Preises für die Wohnnutzfläche angesetzt werden.

Die Berechnung dieser Flächenart ist für die Bewertung von Eigentumswohnungen und für die Ertragswertermittlung bei Mehrparteienwohnhäusern, in welchen Räume entweder freistehen oder durch die Liegenschaftseigentümer genutzt werden, während der Rest vermietet ist, von Bedeutung. Die Wohnnutzfläche kann mit Hilfe der Grundrisspläne ermittelt werden und zwar werden die Wohnnutzflächen der einzelnen Räume zusammen gezählt. Wenn Kaufverträge von Eigentumswohnungen oder Mietverträge zur Verfügung stehen, so kann die Wohnnutzfläche meistens aus diesen entnommen werden. Ermittlung der Richtpreise Die Richtpreistabellen enthalten durchschnittliche Erfahrungswerte von Herstellungskosten für Objekte mit einer bestimmten Nutzung (Einfamilienwohnhaus, Eigentumswohnung, gewerblich und industriell genutzte Gebäude usw.), Bauweise (Reihen-, Gruppenbauweise, Einzelgebäude, ein- oder mehrgeschossige Bauweise), Bauart (Konstruktion und verwendete Baustoffe) sowie Ausstattung (einfache, gute, luxuriöse). Entscheidend für die Richtwerte ist auch die Region, in der sich die

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Liegenschaft befindet. In Gebieten, wo die Gebäude mit erheblichen Eigenleistungen gebaut werden (z.B. in ländlichen Gemeinden), fallen die Richtpreise niedriger aus. Zu beachten ist, dass bei gewerblich und industriell genutzten Objekten die Umsatzsteuer nicht zu berücksichtigen ist, bei privat genutzten Liegenschaften muss sie jedoch in den ermittelten Wert einbezogen werden. Die Richtwerte werden in Euro pro m3 Bruttorauminhalt bzw. pro m2 Wohn-/Sonstige Nutzfläche oder Bruttogrundrissfläche angegeben. Sind Gebäudeteile oder Geschosse sehr unterschiedlich ausgestattet, so sind die Herstellungskosten dafür getrennt unter Ansatz der zutreffenden Preise zu ermitteln.

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Wertminderung wegen Alters

Technische Lebensdauer

Die technische Lebensdauer wird von der Qualität des Baumaterials bestimmt. Die Obergrenze der Gesamtlebensdauer hängt von der Haltbarkeitsgrenze der tragenden Bauteile ab. Ein Gebäude besteht aus Teilen, die nur einmal hergestellt werden (z.B. Außenwände, Decken, Treppen) und solchen, deren technische Lebensdauer geringer ist und die daher periodisch erneuert werden müssen (z.B. Dachrinnen, Rohrleitungen, Heizungsanlagen). Neben der Qualität des Baumaterials sind auch die durchgeführten Instandhaltungsarbeiten entscheidend, da bei deren Unterlassen die tragenden Teile ungehindert Witterungseinflüssen ausgesetzt sein können und daher erheblich schneller altern (z.B. schadhaftes Dach).

Wirtschaftliche Nutzungsdauer

Unter der wirtschaftlichen Nutzungsdauer versteht man die Zeitspanne, in der ein Gebäude zu den jeweils herrschenden wirtschaftlichen Bedingungen entsprechend seiner Zweckbestimmung allgemein wirtschaftlich nutzbar ist.

Gründe für eine Verkürzung der wirtschaftlichen Nutzungsdauer sind vor allem:

• Modernen Bedürfnissen nicht entsprechender, unwirtschaftlicher Aufbau (z.B. Grundriss, Geschosshöhe, Raumtiefe, Konstruktion usw.).

• Zeitbedingte oder persönliche Baugestaltung, die modernen Anforderungen nicht entspricht.

• Zurückbleiben hinter den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse.

• Technische und wirtschaftliche Entwicklung von Branchen (z.B. Tankstellen, Kinos).

Die wirtschaftliche Nutzungsdauer ist in der Regel kürzer als die technische Lebensdauer.

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Gewöhnliche Lebensdauer

Diese hängt im Wesentlichen von der Bauart (Konstruktion und verwendete Baustoffe), der Bauweise (Massivbau, Fertigteilbau) und Nutzung ab. Die gewöhnliche Lebensdauer berücksichtigt damit in angemessener Weise sowohl die technische Lebensdauer als auch die wirtschaftliche Nutzungsdauer.

Der Berechnung der Alterswertminderungsquote können folgende Erfahrungswerte über die gewöhnliche Gebäudelebensdauer zugrunde gelegt werden:

Gebäudeart Gewöhnliche

Lebensdauer in Jahren

Einfamilienhäuser und Wohngebäude in normaler Bauausführung

80

Einfamilienhäuser und Wohngebäude in einfacher Bauausführung

60-80

Fertighäuser auf Holzbasis 40-60 Büro- und Verwaltungsgebäude 40-80 Geschäfts- Kaufhäuser 40-60 Supermärkte 20-40 Hallen, Fabriksgebäude 30-50 Betriebsgebäude (Industrie) 10-30 Schuppen 20-30

Verkürzung oder Verlängerung der gewöhnlichen Lebensdauer

Zu einer Verkürzung der Lebensdauer führen nicht behebbare Baumängel (z.B. Fundierungsmängel) und - Schäden sowie Schäden, die nur mit unverhältnismäßig hohen Kosten behoben werden können.

Eine Verlängerung der Restlebensdauer tritt dann ein, wenn das Gebäude in seinen wichtigsten Bauteilen wie Mauern Decken, Treppen, Dach erneuert oder verbessert worden ist. Bauliche Maßnahmen an nicht tragenden Teilen (z.B. Neugestaltung der Fassade) oder normaler Instandhaltungsaufwand führen zu keiner Verlängerung der Lebensdauer.

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Die wirtschaftliche und technische Entwicklung kann dazu führen, dass sich ein Gebäude wirtschaftlich schneller abnutzt. als man aufgrund seines Alters annehmen würde. Die wirtschaftliche Überalterung tritt besonders bei alten Einfamilienwohnhäusern älteren Hotelgebäuden und Warenhäusern sowie Gewerbe- und Industrieobjekten, die den heutigen betriebswirtschaftlichen und technischen Anforderungen nicht mehr genügen, auf.

Wichtig ist, dass sich die Verwendung des Gebäudes gegenüber der gewöhnlichen Lebensdauer für jeden Eigentümer verkürzt, d.h. dass auch bei einer anderweitigen Nutzung die volle wirtschaftliche Verwertbarkeit verloren geht.

Bei den oben genannten Fällen ist es zweckmäßig die voraussichtlich noch verbleibende Restlebensdauer zu schätzen, sodass man zusammen mit den seit dem Baujahr vergangenen Jahren die gewöhnliche Gebäudelebensdauer erhält.

Beispiel: Gewöhnliche Lebensdauer: 80 Jahre Alter des Gebäudes: 40 Jahre Wirtschaftliche Nutzbarkeit: nur noch 10 Jahre Die tatsächliche gewöhnliche Lebensdauer beträgt somit: Alter: 40 Jahre + Restlebensdauer 10 Jahre Somit 50 Jahre Alterswertminderung von Ein-, Um- und Aufbauten Grundsätzlich muss die Alterswertminderung für jedes Gebäude getrennt berechnet werden. Ein-, Um- und Aufbauten teilen allerdings das Schicksal des Hauptgebäudes. Für die Berechnung der Wertminderung wird das Alter jenes Teils (Altbau oder Neubau) zugrunde gelegt, der überwiegt. Nur wenn ein Erweiterungsbau nach Größe und Bauart eigenständig genutzt werden kann, wird die Wertminderung wegen Alters getrennt ermittelt.

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Vertragliche Nutzungsdauer Bei Baurechten und Superädifikaten richtet sich die gewöhnliche Gebäudelebensdauer nach der Vertragslaufzeit. Berechnung der Alterswertminderung Die Wertminderung wegen Alters wird vom eventuell um die Wertminderung wegen Baumängel und Bauschäden gekürzten Herstellungswert berechnet. Damit soll die Wertminderung erfasst werden, die sich dadurch ergibt, dass das Gebäude altert und abgenutzt wird. Zur Ermittlung werden das derzeitige Alter des Gebäudes und die zu erwartende gewöhnliche Lebensdauer benötigt. Für die Alterswertminderung sind verschiedene Formen entwickelt worden, und zwar: Lineare Wertminderung wegen Alters Diese Alterswertminderungsform kommt im Allgemeinen in Betracht bei Gebäuden mit aufwendiger Innenausstattung (z.B. Einfamilienwohnhäuser), bei Fabrik- und Werkstättengebäuden, die einem verstärkten Verschleiß unterliegen und bei Gebäuden, die nachlässig oder gar nicht baulich instand gehalten werden. Die Formel zur Berechnung der Wertminderung in % lautet: (Gebäudelebensalter / gewöhnliche Lebensdauer) x 100 Progressive Wertminderung wegen Alters (nach Ross) Im Gegensatz zur linearen Abschreibung weist diese Form eine leichte Progression auf. Sie kann bei Wohn- und Geschäftshäusern (Büro-, Verwaltungsgebäuden, Ladengeschäften, Warenhäusern usw.) mit einfacher bis normaler Ausstattung und guter baulicher Instandhaltung angewendet werden.

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Die Formel zur Berechnung der Wertminderung in % lautet:

10021

2

2

xereLebensdaugewöhnlich

ensalterGebäudelebxereLebensdaugewöhnlich

ensalterGebäudeleb⎥⎥⎥

⎢⎢⎢

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

⎛+

Parabolische Wertminderung wegen Alters Diese weist eine bedeutend stärkere Progression auf. Sie eignet sich für Gebäude mit geringwertiger Innenausstattung und mittlerer Beanspruchung (Lagergebäude, nicht stark beanspruchte Gebäude der Industrie, landwirtschaftliche Gebäude), die sich, gemessen an ihrem Alter in einem guten baulichen Zustand befinden Die Formel zur Berechnung der Wertminderung in % lautet:

1002

2

xereLebensdaugewöhnlich

ensalterGebäudeleb⎥⎥⎥

⎢⎢⎢

⎟⎟⎟

⎜⎜⎜

Kurven der verschiedenen Wertminderungstabellen A Lineare Wertminderung wegen Alters B Progressive Wertminderung wegen Alters (nach Ross) C Parabolische Wertminderung wegen Alters

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I

Für die Berechnung der Alterswertminderung werden vor allem die lineare und die progressive Wertminderung herangezogen.

Begrenzung der Alterswertminderung Bei älteren Gebäuden, die ihrem Alter entsprechend genutzt werden und weder baufällig noch abbruchreif sind, werden in der Regel noch mindestens 30 % des Herstellungswerts bei einem Verkauf erzielbar sein. Abschläge wegen besonderer wertbeeinflussender Umstände Der Gebäudesachwert ist eventuell um besondere wertbeeinflussende Umstände zu korrigieren. Ungünstige Lageverhältnisse Die Lage eines Grundstücks wirkt sich zwar in erster Linie auf den Bodenwert aus, kann aber auch den Wert des Gebäudes beeinflussen; z.B. Einfamilienwohnhaus in unmittelbarer Nähe einer Fabrik. Beeinträchtigung durch Immissionen Besonders negativ können sich Verkehrs- und Industrieimmissionen wie Lärm, Rauch, Staub, Gerüche, Erschütterungen usw., auswirken. Beeinträchtigungen durch Lärm ergeben sich vor allem durch die Nähe zu Hauptverkehrsstraßen, Flugplätzen, größeren Bahnhöfen usw. Industriebetriebe führen des öfteren zu Belästigungen durch Rauch, Staub und Geruch. Belästigungen durch Erschütterungen treten in der Nähe von Presswerken und Steinbrüchen auf. Unorganischer Aufbau der Gebäude Dies kommt vor allem bei Fabriksliegenschaften vor.

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Der unorganische Aufbau entsteht z.B. wenn ein Unternehmen expandiert und die notwendigen Erweiterungsbauten ohne gründliche Planung durchgeführt werden. Mit Hilfe des Lageplans kann geprüft werden, welche Wege die Werkstoffe bei ihrer Verarbeitung zurücklegen. Zur Bemessung des Abschlags kann der Prozentsatz herangezogen werden, um den die tatsächlichen Produktionskosten von den Produktionskosten eines Normalbetriebs abweichen. Verlorener Bauaufwand Diesem Abschlag liegt die Überlegung zugrunde, dass bei einem eventuellen Verkauf ein Teil der tatsächlichen Baukosten dadurch verloren geht, dass dem Käufer eines Gebäudes dieses nach seinem Sinn etwas anders gebaut hätte und somit das vom Verkäufer errichtete Hans den geschmacklichen und bautechnischen Vorstellungen des nachfolgenden Käufers nicht zur Gänze entspricht. Auch besonders luxuriöse und extrem moderne Bauausführungen werden von den Kaufern nicht voll honoriert. Der Abschlag wird vorn Gebäudesachwert, berichtigt um die Abschläge wegen besonderer Wert beeinflussender Umstände, berechnet. In vielen Fallen können etwa 10 % angesetzt werden. Bauwert der Außenanlagen Zu den Außenanlagen zählen Einfriedungen, Gartentore, Platzbefestigungen, Stützmauern, Schwimmbecken, Tennisplätze usw. Daneben gehören auch außerhalb des Gebäudes gelegene Versorgungs- und Abwasseranlagen dazu. Bei der Bewertung geht man vom Herstellungswert aus und berichtigt diesen um

• die Wertminderung wegen baulicher Mängel und Schäden, • die Wertminderung wegen Alters • und Minderungen wegen besonderer Umstände.

Bei kleineren Außenanlagen empfiehlt sich der Ansatz eines Pauschalbetrags.

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Durchschnittlich betragen die Außenanlagen in Prozent der Gebäudeherstellungskosten bei

• einfachen Anlagen 2 - 4 % • durchschnittlichen Anlagen 5 - 7 % • aufwändigen Anlagen 8 - 12 %

Bei aufwändigen Anlagen ist zu prüfen, ob diese überhaupt werterhöhend sind und von einem Käufer honoriert werden. Der Sachwert einer bebauten Liegenschaft stimmt nicht in jedem Fall mit dem Verkehrswert überein. Für die Kaufpreise sind vor allem Angebot und Nachfrage am Realitätenmarkt entscheidend. Außerdem hängt der Verkehrswert von der Art und Größe sowie der Marktgängigkeit der Liegenschaft ab. Abschläge zur Anpassung an den Verkehrswert Berücksichtigung der Marktlage Bei Ein- und Zweifamilienwohnhäusern mit einem Sachwert von derzeit bis zu € 230.000.- entsprechen die Sachwerte etwa denen der Kaufpreise. Liegt der Sachwert einer solchen Liegenschaft darüber, so empfiehlt sich ein Abschlag in Höhe von 10 bis 20 %. Dabei spielt eine Rolle, dass Liegen-schaftskäufe in der Regel fremdfinanziert werden und die Finanzierung den jeweiligen Einkommensverhältnissen des Käufers angepasst werden muss. Bei Verkäufen von teuren Liegenschaften nimmt die Zahl der Kaufinteressenten stark ab, da der Kreis, der bereit ist, hohe Mittel für das Wohnen einzusetzen, eher dahin tendiert, sich ein Haus nach eigenen und individuellen Vorstellungen neu zu bauen. Auch bei gewerblich und industriell genutzten Liegenschaften ist der Interessentenkreis oft eingeschränkt. Ungünstige Objektgröße Große Ein- und Zweifamilienwohnhäuser eventuell mit einem Schwimmbad

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im Gebäude, verursachen hohe Betriebs- und Instandhaltungskosten, die einen Interessenten vom möglichen Kauf abhalten können. Große, unbebaute Baugrundstücke, die nicht teilbar sind, erreichen nicht immer den ortsüblichen m2-Preis. Industrieliegenschaften, deren Gebäude im Verhältnis zu der Grundstücksfläche überdimensioniert sind und keine Anbaumöglichkeit bieten, sowie betrieblich genutzte Grundstücke, die zu klein oder übergroß sind, werden in der Regel unter dem Sachwert gehandelt. Starke Zweckgebundenheit Dieser Abschlag kommt in der Regel nur bei gewerblich und industriell genutzten Liegenschaften vor. Besonders problematisch sind Industriebauten, die für einen bestimmten Zweck errichtet wurden und eine andere Verwendungsmöglichkeit ohne Vornahme größerer Umbauten ausschließen. Ungünstiger Standort Bei Wohnhäusern wirkt sich die Nähe zu stark befahrenen Straßen usw. sowie größere Entfernungen zu Versorgungseinrichtungen wertmindernd aus (z.B. Luxusvilla in einer abgelegenen ländlichen Gemeinde). Bei Industrieliegenschaften wirken sich vor allem eine fehlende Infrastruktur oder eventuelle Beschrankungen hinsichtlich Geruchs- und Lärmbelästigungen durch die Nähe zu Wohngebieten negativ auf den Verkehrswert aus. Denkmalschutz Steht ein Gebäude unter Denkmalschutz, so darf dieses nicht abgerissen werden. Darüber hinaus dürfen keine baulichen Veränderungen vorgenommen werden, die den denkmalgeschützten Charakter beeinträchtigen würden. Der Eigentümer ist also gehindert, den Grund und Boden anderweitig auszunutzen, sodass allenfalls ein Abschlag bis zu 15 % gerechtfertigt erscheint.

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2.3.5 Ermittlung des Verkehrswerts bebauter Liegenschaften im Ertragswertverfahren

Der Liegenschaftswert setzt sich im Ertragswertverfahren aus folgenden drei Teilen zusammen:

• Bodenwert • Wert des/der Gebäude(s) (Gebäudeertragswert) • Wert der Außenanlagen (meistens im Gebäudeertragswert

berücksichtigt) Bodenwert Der Bodenwert wird üblicherweise mit Hilfe des Vergleichswertverfahrens ermittelt. Eventuell ist der Abschlag für Minderausnutzung zu berücksichtigen. Wert des Gebäudes Der Algorithmus zur Ermittlung des Gebäudewertes folgt dem eingangs beschriebenen Ablaufschema Rohertrag Der Rohertrag kann aus Mietaufstellungen und Mietzinsabrechnungen entnommen werden. Neben der eigentlichen Miete oder Pacht sind im Rohertrag auch sonstige Kosten, wie Verwaltungskosten, Betriebskosten, Instandhaltungsbeiträge, enthalten, die für den Vermieter nur Durchlaufcharakter haben und vom Mieter zu tragen sind. Es ist jedoch zu prüfen, ob diese Kosten auch wirklich im Rohertrag enthalten sind, oder ob diese direkt vom Mieter oder Pächter getragen werden. In einem solchen Fall dürfen diese Kosten beim Abzug der Bewirtschaftungskosten nicht mehr berücksichtigt werden. Es ist darauf zu achten, dass die eigentlichen Miet- oder Pachterträge auf Dauer nachhaltig erzielt werden können, d.h. die Mieten müssen dem ortsüblichen Niveau entsprechen. Anhaltspunkte können dabei Mietenspiegel geben. Auskünfte kann man auch bei Realitätenmaklern und -büros einholen.

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Für leer stehende und eigen genutzte Räume ist ebenfalls eine Miete anzusetzen. Werden für Räumlichkeiten keine oder nur geringe Mieten (z.B. bei Verwandten, Arbeitnehmern) verrechnet, so sind diese zu korrigieren. Bei überhöhten Mieten (z.B. Gastarbeiterwohnstätten) darf nur das ortsübliche Niveau berücksichtigt werden. Bewirtschaftungskosten Zu den Bewirtschaftungskosten zählen:

• Abschreibung der baulichen Anlagen • Verwaltungskosten • Betriebskosten • Instandhaltungskosten • Mietausfallwagnis

Abschreibung der baulichen Anlagen Die Abschreibung entfällt beim Ertragswertverfahren als Unkostenfaktor, da sie im Vervielfältiger berücksichtigt wird (als Erneuerungsrucklage). Verwaltungskosten In den Verwaltungskosten sind die Kosten für Personal und Einrichtungen enthalten, die zur ordnungsgemäßen Verwaltung und Bewirtschaftung der Liegenschaft notwendig sind. Diese Kosten können auch in den Betriebskosten enthalten sein. Zu den bei der Verwaltung anfallenden Leistungen zählen:

• Vermietung • Mietbuchhaltung, Überwachung des Mieteingangs, Mahnwesen • Abrechnung von Nebenkosten, Betriebskosten, Steuern und Abgaben • Mietanpassung und - Änderung • Planung, Beauftragung Überwachung und Abrechnung von

Instandhaltungs-, Wartungs- und Pflegearbeiten

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• Rechnungsprüfung and Zahlungsverkehr • Erstellung des Jahresabschlusses • Bearbeitung von Versicherungsfällen • Organisation und Personalangelegenheiten

Die Verwaltungskosten betragen durchschnittlich 3 - 8 % des Rohertrags; bei nur einem oder wenigen gewerblichen Großmietern kann dieser Satz auf 1 - 2 % des Rohertrags sinken. Betriebskosten Die Betriebskosten sind jene Kosten, die durch den laufenden Gebrauch der Liegenschaft entstehen and vom Benutzer zu tragen sind. Hierzu zählen die Kosten für:

• Wasserversorgung • Abwasserbeseitigung • Rauchfangkehrung • Müllabfuhr • Allgemeinbeleuchtung (Stiegenhaus) • Versicherung gegen Brandschaden, Haftpflicht usw. • Hausbesorger • Hausreinigung • Aufzug und technische Einrichtungen • Beheizung, Belüftung, Klimatisierung • Pflege der Außenanlagen • Warmwasserversorgung • Schädlingsbekämpfung

Es ist darauf zu achten, dass nur jene Betriebskosten angesetzt werden, die aus dem Rohertrag gedeckt werden. Betriebskosten die direkt vom Mieter oder Pächter getragen werden, sind nicht zu berücksichtigen. Instandhaltungskosten Die Instandhaltungskosten sind Kosten, die durch Hintanhaltung oder Beseitigung von baulichen Schäden aus Abnutzung, Alterung und

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Witterungseinflüssen entstehen. Sie dienen somit zur Aufrechterhaltung des bestimmungsmäßigen Gebrauchs der Gebäude während der Nutzungsdauer. Die Instandhaltungskosten werden üblicherweise vom Eigentümer getragen. Zu beachten ist, dass nicht die tatsächlichen Kosten des maßgebenden Jahres berücksichtigt werden, da besonders hohe oder niedrige Kosten den Wert in einem ungerechtfertigten Ausmaß beeinflussen würden. Auch ein Kostendurchschnitt der letzten Jahre ist in der Regel nicht brauchbar. Die jährlichen Instandhaltungskosten werden daher in % der Herstellungskosten am Bewertungsstichtag berechnet. Je nach Art der Bauausführung und des -zustands betragen die Instandhaltungssätze: Wohnhäuser: 0,5 bis 1,5 % der Herstellungskosten Geschäftshäuser: 0,5 bis 2 % der Herstellungskosten sehr alte, vielfach bereits unter Denkmalschutz stehende Objekte: durchschnittlich 4 % der Herstellungskosten Mietausfallwagnis Das Mietausfallwagnis ist das Wagnis einer Ertragsminderung, die durch uneinbringliche Miet- und Pachtruckstände oder Leerstehen zwischen zwei Mietverträgen entsteht. Es dient auch zur Deckung der Kosten einer Rechtsverfolgung auf Zahlung, Kündigung eines Mietverhältnisses oder Räumung. Bei gewerblich genutzten Räumen ist das Risiko größer, da diese oft schwieriger zu vermieten sind. Das Mietausfallwagnis wird mit einem Prozentsatz des Rohertrags berechnet. Die Sätze betragen bei: Wohnobjekten: 2 % Büros und Praxen: 2,5 % gewerblich genutzten Objekten: 2,5 bis 4 %

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Verzinsung des Bodenwerts Berechnung Der Grundstücksreinertrag (Jahresrohertrag minus Bewirtschaftungskosten) ist in einen Verzinsungsbetrag des Bodenwerts und in einen Gebäudeertragsanteil zu teilen. Der Grund und Boden ist zeitlich unbegrenzt, d.h. ewig nutzbar, sodass sich der Verzinsungsbetrag als Jahreswert einer ewigen Rente errechnet. Die Formel lautet: Verzinsung des Bodenwerts = ( Bodenwert x Kapitalisierungszinssatz) / 100 Der Verzinsungsbetrag des Bodenwerts hat für die Berechnung des Bodenwerts selbst keine Bedeutung und dient lediglich der Ermittlung des auf die baulichen Anlagen entfallenden Reinertragsanteils. Maßgebender Zinssatz Es wird grundsatz1ich derselbe Zinssatz herangezogen, wie bei der Kapitalisierung des Gebäudeertragsanteils, da die Kapitalverzinsung des Grund und Bodens ebenso wie die des Gebäudes von der Nutzung des Grundstücks abhängt. Der Grund und Boden teilt das Schicksal des Gebäudes, solange dieses steht. Übergroße Grundstücksflächen Wenn eine Liegenschaft Grundstücksflächen aufweist, die zur wirtschaftlichen Nutzung der baulichen Anlagen nicht unbedingt erforderlich sind und selbständig verwertet werden könnten, so sind diese Flächen für die Verzinsung des Bodenwerts nicht heranzuziehen Solche Flächen sind z.B. Grundstücksreserven für die Erweiterung von Gewerbe- und Industrieliegenschaften. Es ist allerdings darauf zu achten, dass für die Ermittlung des Bodenwerts im Rahmen des stets die gesamte Liegenschaftsfläche (inklusive

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Grundstücksreserven) anzusetzen ist, auch wenn für die Verzinsung des Bodenwerts nur eine Teilfläche berücksichtigt wird. Vervielfältiger Ermittlung des Vervielfältigers Der Reinertrag der baulichen Anlagen stellt einen Jahresbetrag einer Zeitrente dar. Der Gebäudeertragswert wird als Barwert einer jährlich nachschüssig zu zahlenden Rente errechnet. Dabei wird unterstellt, dass der auf die baulichen Anlagen entfallende Reinertrag während der Restnutzungsdauer unverändert bleibt. Mieten werden im Aligemeinen monatlich im Voraus bezahlt, sodass man annehmen könnte, dass für die Ermittlung des Gebäudeertragswerts der Barwert einer monatlich vorschüssig zahlbaren Zeitrente heranzuziehen wäre. Dabei ist aber zu bedenken, dass nicht der monatlich vereinnahmte Rohertrag identisch mit einer Rentenrate ist, sondern der sich ergebende Reinertrag einer Jahresabschlussrechnung. Somit ist es durchaus sachgerecht, den jährlichen Reinertrag mit der Rate einer jährlich nachschüssig zu zahlenden Zeitrente gleichzusetzen. Im Reinertrag der baulichen Anlagen sollen sowohl der jährliche Abschreibungsbetrag ( = Erneuerungsrücklage) für den Gebäudezeitwert als auch die Verzinsung des Gebäudezeitwerts Deckung finden. Die verzinst anzulegende Erneuerungsrücklage ist so zu bemessen, dass zu jedem Bewertungsstichtag der jeweilige Bauwert des Gebäudes bis zum Ende der Nutzungsdauer angespart werden kann. Zu Beginn der Restnutzungsdauer ist der Betrag für die Erneuerungsrücklage noch gering, da aufgrund des noch großen Gebäudezeitwerts der Reinertrag noch fast in voller Höhe für die Verzinsung benötigt wird. Mit fortschreitendem Alter des Gebäudes wird durch die Abnutzung der Zeitwert und damit auch der Verzinsungsbetrag geringer. Die jährlichen Rücklagenbeträge werden dagegen mit abnehmender Restnutzungsdauer des Gebäudes größer. Der Reinertrag der baulichen Anlagen verlagert sich somit allmählich von den Verzinsungsbeträgen des Gebäudekapitals auf die Rücklagenbeträge für den anzusammelnden Gebäudezeitwert.

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Der zu verwendende Vervielfältiger richtet sich nach

• dem Kapitalisierungszinssatz und • der Restnutzungsdauer des Gebäudes

Es ist zu beachten, dass nur die Restnutzungsdauer und nicht die Gesamtnutzungsdauer den Vervielfältiger beeinflusst. Die Formel für den Vervielfältiger lautet:

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qq

n

n

Kapitalisierungszinssatz Allgemeines Die Höhe des Kapitalisierungszinssatzes ist für die Berechnung des Gebäudeertragswerts von besonderer Bedeutung. Nach den Regeln der Rentenrechnung ergibt sich, je niedriger die Verzinsung desto höher der Vervielfältiger und damit der Wert des Gebäudes und je höher die Verzinsung, desto niedriger der Vervielfältiger und damit der Wert des Gebäudes. Mit abnehmender Restnutzungsdauer nimmt allerdings die Auswirkung der Höhe des Zinssatzes ab. Ein Kriterium für die Wahl des Kapitalisierungszinssatzes ist das Risiko, welchem der Ertrag aus dem Realbesitz unterworfen ist. Einfamilienwohnhäuser sowie land- und forstwirtschaftliche Liegenschaften unterliegen einem geringeren Risiko als gewerbliche oder industriell genutzte Objekte. Wie im Bankgeschäft gilt der Grundsatz: Geringes Risiko: kleine Verzinsung Großes Risiko: hohe Verzinsung Im Allgemeinen wird man mit folgenden Zinssätzen zu zutreffenden Liegenschaftswerten kommen:

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Einfamilienwohnhäuser: 2,5 – 3,5 % Zweifamilienwohnhäuser: 3,5 – 4 % Mietwohnhäuser: 2,5 – 4 % Wohn – und Geschäftshäuser: 5 – 5,5 % Büro – und Geschäftshäuser: 5,5 – 6 % Kaufhäuser, Einkaufszentren, SB-Märkte 6 – 6,5 % Industriegrundstücke 6 – 7 % Touristische Liegenschaften 8 – 12 % Land- und forstwirtschaftliche Liegenschaften 2,5 – 3,5 % Die angegebenen Werte differieren noch wesentlich nach ihrer Lage, wobei es bei sehr guten Lagen (Wiener Innenstadt) zu Reduktionen und bei sehr schlechten Lagen (Peripherie) zu Aufschlägen kommt. So empfiehlt der Hauptverband der Sachverständigen: Liegenschaftsart Lage:

hochwertig Lage: sehr gut

Lage: gut Lage: mäßig

Wohnhäuser 2,5 – 4 % 2,5 – 4,5 % 3,0 – 5,0 % 3,5 – 5,5 % Bürohäuser 3,5 – 5,5 % 4,0 – 6,0 % 4,5 – 6,5 % 5,0 – 7,0 % Geschäftshäuser 4,0 – 6,0 % 4,5 – 6,5 % 5,0 – 7,0 % 5,5 – 7,5 % EKZ, Supermarkt

4,5 – 7,5 % 5,0 – 8,0 % 5,5 – 8,5 % 6,0 – 9,0 %

Gewerbe 5,5 – 8,5 % 6,0 – 9,0 % 6,5 – 9,5 % 7,0 – 10,0 % Industrie 5,5 – 9,5 % 6,0 – 10,0 % 6,5 – 10,5 % 7,0 – 11,0 % Land- und Forstwirtschft

2,5 – 3,5 % 2,5 – 3,5 % 2,5 – 3,5 % 2,5 – 3,5 %

http://www.meingrundstueck.at/

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L I T E R A T U R

Kranewitter, Heimo (2002); Liegenschaftsbewertung, 4.Auflage; Wien Heuer, Jürgen (1985); Lehrbuch der Wohnungswirtschaft; 2. Auflage; Frankfurt am Main Holzner, Peter und Renner, Ulrich; (2005); Ross-Brachmann: Ermittlung des Verkehrswertes von Grundstücken und des Wertes baulicher Anlagen; 29. Auflage; Isernhagen Bienert, Sven und Funk, Margret (Hrsg.) (2007); Immobilienbewertung Österreich; Edition ÖVI Immobilienakademie, Wien