Grußwort des Schirmherren Peter Frey

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„70 Jahre nach Auschwitz“ Internationale Begegnung für junge Journalistinnen und Journalisten Auschwitz, 22.-28.01.2015 Dachau, 30.04.-03.05.2015 Grußwort des Schirmherren an die Teilnehmerinnen und Teilnehmer Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Truppen die Insassen des KZ Auschwitz- Birkenau. Das Jahr 2015 wird geprägt sein vom 70. Jahrestag der Befreiung der Konzentrationslager und dem 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung von der NS- Diktatur, wie es der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 in seiner Rede im Bundestag wegweisend formuliert hatte. Wir befinden uns an einem Wendepunkt des Erinnerns. Immer weniger Opfer der nationalsozialistischen Terrorherrschaft leben noch und können aus erster Hand zum Beispiel vom Schicksal der Häftlinge in den Konzentrationslagern berichten. Bald werden auch diese Stimmen verstummen. Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach und lebendig zu halten. Denn die Auseinandersetzung mit der Schuld der Vergangenheit ist ein zentraler Faktor der deutschen Identität. Sie bestimmt den politischen Diskurs, die wissenschaftliche Debatte, den Stoff unserer Schulkinder und nicht zuletzt den öffentlichen Raum. Die Deutschen wollten diejenigen sein, die ihre Vergangenheit selbst und gründlich aufarbeiteten. Die Politik schaffte die Rahmenbedingungen für die Erinnerungskultur, setzte Gelder entsprechend ein, schaffte Grundlagen für wissenschaftliche Aufarbeitung, Geschichtsunterricht in Schulen und setzte Zeichen durch öffentliches Gedenken. Der Staat hat aber keineswegs das Monopol für die Erinnerung. Erinnerungskultur muss in der Gesellschaft wachsen, getragen werden durch viele kleinere und größere Initiativen bürgerlichen Engagements. Medien und Journalisten wirken hier

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IB 2015 "70 Jahre nach Auschwitz"

Transcript of Grußwort des Schirmherren Peter Frey

„70 Jahre nach Auschwitz“

Internationale Begegnung

für junge Journalistinnen und Journalisten

Auschwitz, 22.-28.01.2015

Dachau, 30.04.-03.05.2015

Grußwort des Schirmherren an die Teilnehmerinnen un d Teilnehmer

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Truppen die Insassen des KZ Auschwitz-

Birkenau. Das Jahr 2015 wird geprägt sein vom 70. Jahrestag der Befreiung der

Konzentrationslager und dem 8. Mai 1945, dem Tag der Befreiung von der NS-

Diktatur, wie es der ehemalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker 1985 in

seiner Rede im Bundestag wegweisend formuliert hatte.

Wir befinden uns an einem Wendepunkt des Erinnerns. Immer weniger Opfer der

nationalsozialistischen Terrorherrschaft leben noch und können aus erster Hand zum

Beispiel vom Schicksal der Häftlinge in den Konzentrationslagern berichten. Bald

werden auch diese Stimmen verstummen.

Umso wichtiger ist es, die Erinnerung wach und lebendig zu halten. Denn die

Auseinandersetzung mit der Schuld der Vergangenheit ist ein zentraler Faktor der

deutschen Identität. Sie bestimmt den politischen Diskurs, die wissenschaftliche

Debatte, den Stoff unserer Schulkinder und nicht zuletzt den öffentlichen Raum. Die

Deutschen wollten diejenigen sein, die ihre Vergangenheit selbst und gründlich

aufarbeiteten. Die Politik schaffte die Rahmenbedingungen für die Erinnerungskultur,

setzte Gelder entsprechend ein, schaffte Grundlagen für wissenschaftliche

Aufarbeitung, Geschichtsunterricht in Schulen und setzte Zeichen durch öffentliches

Gedenken.

Der Staat hat aber keineswegs das Monopol für die Erinnerung. Erinnerungskultur

muss in der Gesellschaft wachsen, getragen werden durch viele kleinere und

größere Initiativen bürgerlichen Engagements. Medien und Journalisten wirken hier

quasi als Verstärker. Sie bringen die Diskurse in die Breite, äußern aber auch Kritik

an herrschenden Interpretationen und stellen so einen wichtigen

Kontrollmechanismus dar. Vor allem die Massenmedien sind in der Pflicht, mit ihren

Programmen, die viele Millionen Menschen erreichen und so zum Entstehen von

Erinnerungskultur beitragen.

Deshalb hoffe ich, dass das Projekt des Maximilian-Kolbe-Werks Ihnen die

Gelegenheit gibt, über Ihr Verständnis von Erinnerungskultur zu reflektieren und

neue Ideen für das Erinnern zu entwickeln. Denn noch haben Sie die Möglichkeit, die

Stimmen der KZ- und Ghetto-Überlebenden zu hören. Wie können wir ihre

Erzählungen hinübernehmen in die Zukunft? Was bedeutet es für uns, wenn wir

historische Ereignisse nicht selbst erlebt haben, sondern sie nur aus Erzählungen

kennen? Wie können wir sicherstellen, dass wir ihre Geschichte und ihre Mahnungen

nicht vergessen?

In Deutschland hat sich in diesem Kontext im vergangenen Jahr eine durchaus

schwierige Situation ergeben. Für eine neue junge Generation ist die

Auseinandersetzung mit dem Holocaust und damit auch die besondere

Verantwortung gegenüber den Juden und auch dem Staat Israel keine

Selbstverständlichkeit mehr. Hinzu kommt, dass Deutschland als Einwanderungsland

auch von muslimischen Migranten geprägt ist, die gerade aktuelle politische

Ereignisse im Nahen Osten aus einem ganz anderen historischen Kontext heraus

beurteilen.

Dass in Deutschland bestimmte Lehren gezogen wurden, bedeutet nicht, dass sie für

immer als gültig erachtet werden. Erinnerung muss auch gepflegt werden und das

bedeutet auch, dass immer wieder neue, zeitgemäße Formen des Erinnerns

gefunden werden müssen. Es liegt in unserer Verantwortung, die Erinnerung zu

bewahren.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen für die Internationalen Begegnung junger

Journalistinnen und Journalisten eine interessante Zeit

Peter Frey