Heft 2 2011

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JESUITENMISSION 2011 Heft 2 MENSCHEN FÜR ANDERE Aufbruch ohne Ankunft

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Magazin der Jesuitenmission Österreich

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JESUITENMISSIONJESUITENMISSION20

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MENSCHEN FÜR ANDERE

Aufbruch ohne Ankunft

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Liebe Freundinnen und Freundeunserer Missionare und Partner weltweit!

Begeisterte Menschen sind überzeugend. Das beobachte ich immerwieder bei meinen Projektbesuchen. Professionelle Hilfe, solide Struk-turen, unermüdliches Engagement, darin sind wir Jesuiten gut.Was aberdie Menschen mitreißt und aufrichtet, sind begeisterte Menschen, dieHoffnung ausstrahlen. Deshalb zielt unsere Arbeit nicht auf große Insti-tutionen oder große Bauten ab.Wir fangen klein an und wachsen ge-meinsam mit den Leuten. So kann der Geist, der uns erfüllt und antreibt,überspringen auf die Menschen, denen wir helfen.

Die Flüchtlingshilfe der Jesuiten (JRS) tut genau das - Jesuiten begleiten, hel-fen und treten für die Rechte der Flüchtlinge ein: In Burundi und Rwanda,inThailand, in Kolumbien und in Europa. Die Begeisterung ist spürbar in dernüchternen Bereitschaft, sich mit den Flüchtlingen auf den Weg zu machenund Lösungen für ihre Probleme zu suchen.Von den Erfahrungen in dieserArbeit berichten wir im vorliegenden Heft. Es sind Menschen auf der Fluchtvor Gewalt, es sind gestrandete Asylwerber in Gefängnissen und viele andere:Für sie sind wir da.

Jesuit Refugee Service baut keine Flüchtlingslager auf.Wir kooperieren mitgroßen Hilfsorganisationen. Innerhalb der Lager in Afrika in Asien sind wirfür besonders gefährdete Gruppen da: Kinder, Frauen, Kranke, Behinderte.Immer geht es darum, in verfahrenen Situationen mögliche Hoffnungswegezu finden: Schulen, Ausbildungsmöglichkeiten, Betreuung der Kranken. Fastdie Hälfte der Flüchtlinge wohnt unsichtbar in Städten. Meist können sie kei-ner legalen Arbeit nachgehen und finden höchstens schlecht bezahlte Jobsund werden ausgebeutet. Flüchtlinge, die nach Jahren wieder heimkehrenkönnen, sind entwurzelt und fremd in der eigenen Heimat. Sie brauchen Hil-fe, um im zugewiesenen Stück Land Fuß fassen zu können.

Unsere Projektpartner im JRS sind Menschen die ihre Begeisterung seriös aufden Boden der Realität bringen. Danke für Ihre Hilfe dabei.

Hans Tschiggerl SJ, Missionsprokurator

EDITORIAL

ImpressumJESUITENMISSION MENSCHEN FÜR ANDERE, 2011 - Heft 2Medieninhaber und Herausgeber: Missionsprokur der Gesellschaft Jesu in Österreich, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, A-1010Wien, Tel +43 01 5125232 - 56, [email protected], www.jesuitenmission.atRedaktion und Gestaltung: P. Hans Tschiggerl SJ, Stefan Reichel SJ, Gottfried Getzinger SJ, Druck: LDD CommunicationBildnachweis: Jesuitenmission (S.2, 17f.,22f.), JRS (S.3f.12f.,14f.), Helmuth Angela (S.5), Lopez Angelica (S.10f.), MendesAngelika (S.1, 6f.), Mullen Molly (S.8f.), Pistrich Renate (S.20f.24), UN (S.4.)DVR 0029874 (234), P.b.b. Verlagsort 1010 Wien GZ 02Z032649M. ZVR Zahl 530615772 SO 1345 MENSCHEN FÜR ANDERE

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Die Ausbildungvon Frauen istin den Flücht-

lingslagern einesder dringenden

Anliegen

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Verschiedene Definitionen

Wer ein Flüchtling ist wurde im so-genannten Abkommen über dieRechtsstellung der Flüchtlinge von1951 (Genfer Flüchtlingskonventi-on) festgeschrieben. Demnach ist einFlüchtling “…eine Person, die sichaus der begründeten Furcht vor Ver-folgung wegen ihrer Rasse, Religion,Nationalität, Zugehörigkeit zu einerbestimmten sozialen Gruppe oderwegen ihrer politischen Überzeu-gung außerhalb des Landes befindet,dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt.Den Schutz dieses Landes kann sienicht in Anspruch nehmen oder we-gen ihrer Befürchtungen will sie ihn

nicht in Anspruch nehmen. Oder je-mand, der sich als staatenlos infolgesolcher Ereignisse außerhalb des Lan-des befindet, in welchem er seinengewöhnlichen Aufenthalt hatte, undnicht dorthin zurückkehren kannoder wegen der erwähnten Befürch-tungen nicht dorthin zurückkehrenwill.” Die Konvention schreibt au-ßerdem fest, dass Flüchtlinge Reli-gions- und Bewegungsfreiheit sowiewirtschaftliche und soziale Rechte,wie einen gesicherten Zugang zumArbeitsmarkt, zu medizinischer Ver-sorgung und zu Schulbildung ge-nießen. Das Prinzip des Non-refou-lement, d.h. dass niemand zwanghaftin sein Heimatland ausgewiesen wird,

Ausnahmezustand: Flüchtling

Durch die Veränderungen der politischen Situation im NordenAfrikas wurden wir wieder aufmerksam auf das Thema „Flücht-linge“. Die Problematik ist aber nicht nur eine aktuelle, sondernauch eine grundlegende Anfrage an unsere Mitmenschlichkeit.

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Ein neues,gerade erst füreritreaischeFlüchtlingeerrichtetes Lagerin der Nähe vonShire,Nordäthiopien

Das Zeichen derWelt-Flüchtlings-hilfe UNHCR:Schutz undFrieden

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THEMA

solange dort Gefahr droht, ist einweiteres durch die Konvention ga-rantiertes Recht. Die Genfer Flücht-lingskonvention ist das erste univer-sell geltende Abkommen, das sichausschließlich und umfassend Flücht-lingen widmet und deren grundle-gende Rechte festlegt. Unterzeich-net von 146 Ländern, ist es bis heutedie Grundlage der Flüchtlingsarbeitund der rechtliche Rahmen, auf demStaaten ihre Flüchtlingspolitik auf-bauen können.

Flüchtlinge in Zahlen

Mit 46 Millionen gewaltsam vertrie-benen Menschen weltweit, davon15,2 Millionen Flüchtlingen, sind dieZahlen so hoch wie seit Mitte der1990er Jahren nicht mehr. Das ist eintrauriger Rekord. Entgegen der weitverbreiteten Auffassungen, dass Euro-pa und die USA die meisten Flücht-linge aufnehmen, beherbergen inWirklichkeit Entwicklungsländer80% aller Flüchtlinge und Vertrie-benen. Pakistan führt mit 1,7 Milli-onenVertriebenen die Liste der Gast-

länder an, gefolgt vom Iran und vonSyrien. Jeder vierte Flüchtling welt-weit kommt aus Afghanistan, danachkommen Flüchtlinge aus dem Irak. InAfrika südlich der Sahara leben 60%aller Flüchtlinge in Lagern. Welt-weit jedoch lebt die Hälfte in Städ-ten und nur ein Drittel in Lagern.Etwa 50% aller Flüchtlinge und Ver-triebenen sind Frauen und Mädchenund 41% sind Kinder unter 18 Jahren.Im Jahr 2009 konnten etwa 251.000Flüchtlinge in ihre Heimatländer zu-rückkehren – die niedrigste Zahlseit 1992. Auf der anderen Seite sindmindestens 2,2 Millionen Binnenver-triebene nach Hause zurückgekehrt –das wiederum ist die höchste Anzahlinnerhalb des letzten Jahrzehnts. Hin-zu kommt, dass Flüchtlingsschicksaleheute nicht mehr vorübergehenderNatur sind. Man spricht zunehmendvon sich hinziehenden Notlagen. Diemeisten Konflikte und Bürgerkriegedauern bis zu 15 Jahre. Dementspre-chend verbringt die Mehrheit allerFlüchtlinge durchschnittlich 17 Jah-re im Exil. Manche der äthiopischenund sudanesischen Flüchtlinge lebenseit 18 Jahren in den großen Flücht-lingszonen. Andere, die im Lager ge-boren wurden, haben nie etwas an-deres gesehen.

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Der Schulun-terricht in Kajo

Keji, Südsudan,ist zwar einfach,aber dafür umso

engagierter

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FLÜCHTLINGE

Krise in den Gastländern

Flüchtlinge, die im Gastland ange-kommen sind, stehen vielfältigen He-rausforderungen gegenüber. Diskri-minierung und Fremdenfeindlichkeitgehören dazu wie auch der Mangelan sozialen Netzwerken und die Un-kenntnis der lokalen Sprache. Man-che Staaten verweigern Flüchtlin-gen Rechte, wie das Recht auf Arbeitoder das auf Bewegungsfreiheit. Vorallem in sich hinziehenden Krisensi-tuationen geraten Flüchtlinge in Ab-hängigkeit von Hilfsorganisationen.Jemand, der 15 Jahre lang freie Es-sensrationen, Schulbildung, medizi-nische Versorgung und psychosozialeHilfe in einem Flüchtlingslager erhältund dann in sein Land zurückkehrt,wo er auf einmal für alles selbst ver-antwortlich ist, hat damit verständli-cherweise Schwierigkeiten.

Dauerhafte Lösungen

Angesichts des Ausmaßes und derAnzahl der Flüchtlingskrisen welt-weit scheint es an befriedigendenLösungen zu mangeln. In der Flücht-lingspolitik spricht man jedoch in derRegel von drei dauerhaften Lösungenfür Flüchtlingssituationen. Die ersteund bevorzugte Lösung ist die freiwil-lige Rückkehr ins Heimatland, sobalddieses als sicher gilt und die nötigeLebensgrundlage für die Rückkehrerbietet. Die zweite Lösung ist die Ein-bürgerung ins Gastland. Dies setztzunächst die Zustimmung der jewei-ligen Regierung voraus und erforderteinen legalen Prozess, der Flüchtlin-gen mehr Rechte garantiert. Ebensomuss auch ein wirtschaftlicher, sozi-

aler und kultureller Integrationspro-zess stattfinden. Tansania schrieb imApril 2010 Geschichte, als die Regie-rung 162.000 Flüchtlingen, die 1972aufgrund des Bürgerkrieges aus Bu-rundi geflohen waren, die tansania-nische Staatsbürgerschaft gewährte.„Das ist die großzügigste Geste, die jegegenüber Flüchtlingen gezeigt wur-de,“ sagte damals der JRS Repräsen-tant in Tansania, Damas Missanga SJ.Die dritte Lösung ist die Neuansied-lung in einem Drittland. Für Men-schen, denen in dem Land, in demsie Schutz gesucht haben weiterhinVerfolgung droht oder die aus ande-ren Gründen nicht auf Dauer in ih-rem Asylland bleiben können, ist dasdie einzige mögliche Alternative.Vonallen 192 UN Mitgliedsstaaten le-gen 16 Länder jährlich Quoten fürdie Neuansiedlung von Flüchtlingenfest.Andere Staaten behalten sich dieEntscheidung auf der Basis einzelnerFälle vor. Im Jahr 2009 wurden etwa112.000 Flüchtlinge in 19 Ländernneu angesiedelt. Das Potential ist abernoch lange nicht ausgeschöpft!

JRS International

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Sr. Wang bringtWärme insAids-Zentrum

Eine der be-lebten Haupt-straßen desFlüchtlingslagersKakuma

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UNSERE PROJEKTE

Überwältigende Anstürme

Es gibt in Kenia fünf Flüchtlingslager.Vier befinden sich in Dadaab, naheder Grenze zu Somalia im Osten desLandes. Diese Lager waren ursprüng-lich für 90.000 Flüchtlinge konzipiert,haben aber mittlerweile 280.000 auf-genommen und gelten als größte An-sammlung von Flüchtlingen weltweitund als die fünftgrößte kenianischeStadt. Die Großzahl der Flüchtlingein Dadaab kommt aus Somalia.Wäh-rend die Regierung bisher enormeGroßzügigkeit bei der Aufnahme vonFlüchtlingen gezeigt hat, wird zu-nehmend deutlich, dass die Kapazi-täten längst überstrapaziert sind und

vor allem Somalis immer mehr als Si-cherheitsrisiko betrachtet werden.Ein weiteres Flüchtlingslager, Kaku-ma, befindet sich im Nordwesten Ke-nias, im Turkana Distrikt, inmitteneiner heißen und trockenen Savan-ne, 92 km südlich der sudanesischenGrenze. Dieses Lager beherbergtmehr als 80.000 Flüchtlinge. Es wur-de ursprünglich für vor dem Bürger-krieg fliehende Sudanesen gegründet.Mittlerweile suchen dort Angehörige13 verschiedener Nationalitäten Zu-flucht. Die größte Gruppe sind auchhier Somalis, gefolgt von Flücht-lingen aus dem Sudan, Äthiopien,Kongo, Burundi, Uganda, Rwan-da, Eritrea. Konflikte mit der loka-

Das östliche Afrika ist die größte der zehn JRS Regionen. Die Re-gion ist von kultureller Vielfalt geprägt und komplex hinsichtlichder Konfliktursachen. Kenia ist dabei mit über 400.000 Flüchtlin-gen das Land, das die meisten Asylsuchenden beherbergt.

Zum Nichtstun verurteilt

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Ein JRS DaycareCenter im

Kakuma Flücht-lingslager fürtaubstumme

Flüchtlinge

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KENIA

len Turkana Bevölkerung sind keineSeltenheit. Als Nomaden, die selbstums Überleben kämpfen und vonder Zentralregierung vernachlässigtwerden, erleben sie es als ungerecht,dass zehntausende Flüchtlinge vonder internationalen Gemeinschaft mitallem – wenn objektiv gesehen auchnicht ausreichend – versorgt werden.

Zur Abhängigkeit verdammt

„Es ist nicht der Ort, der schlimmist, nicht das Klima, sondern die Si-tuation, in der man ist, weil man einFlüchtling ist,“ sagt der ÄthiopierAbebe, der Wirtschaft und Soziologiestudiert hat und seit 1992 in Kaku-ma lebt. „Ich kann nicht einmal insnächste Dorf fahren, weil ich das La-ger nicht verlassen darf. Und warummüssen wir von Nahrungsmittelrati-onen abhängig sein, wenn wir docharbeiten könnten?“JRS begann bereits 1994 in Kaku-ma zu arbeiten und betreibt bis heu-te eines der größten und ungewöhn-lichsten Projekte, das auf vier Säulensteht: Zum einen werden durch JRSBerater („counsellors“) unter denFlüchtlingen ausgebildet, die mitden erworbenen Fähigkeiten Men-schen ihrer Nationalität helfen kön-nen, ihr Trauma zu überwinden. Mitdem selben Ziel werden im gleichenProgramm alternative Heilmetho-den wie Kopf-, Fuß- und Rücken-massagen angeboten. Eine weitereSäule ist die Arbeit mit körperlichund geistig behinderten Kindern. Indrei Tagesstätten werden Kinder be-treut und lernen schreiben oder an-dere Dinge wie grundsätzliche Hy-giene. Zugleich arbeitet JRS mit den

Familien und derGemeinschaft, umdie oft negativenAuffassungen imBezug auf Behin-derungen zu ver-ändern. Die dritteSäule ist ein Frau-enhaus, genannt„sicherer Hafen“,in dem Frauen, dieOpfer geschlechts-bedingter oderhäuslicher Gewaltgeworden sind, mitihren Kindern Zu-flucht finden, wäh-rend UNHCR versucht sie in einemDrittland anzusiedeln. Die vierteSäule schließlich, ist ein Stipendien-programm, das Schülern mit beson-deren Bedürfnissen Zugang zu Son-derschulen in ganz Kenia ermöglicht.

Angelika Mendes, JRS Africa

Unsere JRS - Projekte in Afrika:Wir ermöglichen jungenAsylsuchen-den eine grundlegende Ausbildung,zum Beispiel im landwirtschaftlichenBereich.Die Versorgung von Familien ist unsein großes Anliegen. Das sogenannte„Nahrungs-Sicherungs-Programm“ist dafür eines der erfolgreichstenProjekte: Durch das Erlernen vonwirksamen Methoden in Ackerbauund Viehzucht ist eine Selbstständig-keit für sie garantiert.Mit Ihrer Unterstützung geben SiediesenVertriebenen Hoffnung auf einLeben „nach dem Lager“!

Projektname: JRS Afrika

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Weil die Kinderder Einwande-rer in Thailnadnicht zur Schulegehen dürfen,bildet sie der JRSaus

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HAITI

sitzen. Sie suchen mutig, manchmalverzweifelt, nach Möglichkeiten fürden Tag, an dem sie nicht mehr imExil leben müssen.“

Langfristige Verpflichtung

Im Jahr 1981 berief P. Arrupe SJ einTreffen in Bangkok ein, um den JRSim asiatisch-pazifischen Raum zu er-richten. Er erkannte die Notwendig-keit der Flüchtlingsbetreuung in derRegion und ernannte einen loka-len Verantwortlichen der Jesuiten so-wie Mitarbeiter für die Projekte. Dievietnamesischen Boat People und dievielen Kambodschaner auf der Fluchtvor der Gewalt der „Roten Khmer“

Die Würde bleibt

„Grundlegend für uns Mitarbeiterdes JRS ist es - und das hat sich zumMarkenzeichen des JRS entwickelt -als wahre Freunde die Menschen zubegleiten, bei ihnen zu bleiben in ih-rer Not und Freude, Hoffnung undTrauer. Aufmerksam auf ihre unge-hörten Stimmen achtend, gehen wirden Weg gemeinsam mit denen, diedenVerlust ihrer Häuser,Grundstücke,Einkünfte, Familie und Freunde er-litten haben,“ betont Bernard Hya-cinth Arputhasamy SJ, Regional Di-rector des Asia-Pacific-JRS. „Trotzallem bleibt ihre menschliche Würdeunangetastet. Es ist alles, was sie be-

Vom Akut- zum Dauereinsatz

Betroffen von den tausenden Flüchtlingen aus Vietnam beschlossP. Arrupe SJ 1980, den JRS zu gründen. Inzwischen gehört dieserDienst zu den etabliertesten Hilfseinrichtungen für Flüchtlinge.Thailand ist eines seiner wichtigsten Einsatzgebiete in Asien.

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Ein Denkmal fürdie Opfer der

Landminen, ge-staltet von einem

Betroffenen inKambodscha

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waren die ersten Betroffenen, mit de-nen der JRS arbeitete.Von einer ersten Kriseninterventionerweiterte sich die Arbeit des JRS inRichtung eines längerfristigen En-gagements. Die weltweite Sympa-thie für Flüchtlinge, die früher zumBeispiel eine Umsiedlung erleichterthatte, nahm rasch ab.Von den Flücht-lingen wurde erwartet, länger in denLagern zu bleiben und immer größe-re Ablehnung zu ertragen. So muss-te man den langfristigen Bedürfnissender Flüchtlinge die volle Aufmerk-samkeit widmen: Bildung, Förderungder Kultur und Teilhabe an den Ent-scheidungen, die ihr Leben nebendem Bedarf an Nahrung, Medizinund Obdach betreffen.

Sie werden bleiben

„Viele NGOs engagierten sich hierfür ein oder zwei Monate, aber derJRS wird bleiben. Der JRS wird si-cher so lange hier sein, bis der letzteFlüchtling gegangen ist“, erklärt einAsylsuchender in Mae Hong Son La-ger an der thailändisch-burmesischenGrenze.Dreißig Jahre nach der Entstehungdes JRS im asiatisch-pazifischenRaum ist die Arbeit zur Unterstüt-zung von gewaltsam Vertriebenen inacht asiatischen Ländern herange-wachsen. Die Anzahl der Leute, diediese Mission des JRS in dieser Regi-on tragen, ist auf 137 Mitarbeiter undacht Freiwillige verschiedener Nati-onalitäten, Religionen und kulturel-ler Hintergründe gestiegen. Gemein-sam erreichen sie hunderttausendeFlüchtlinge, Vertriebene und Rück-kehrer.

THAILAND

Kampf gegen Minen

Seit der Gründung istBangkok das Zentrumdes JRS im asiatisch-pa-zifischen Raum. Der JRSführt hier seit 1990 auchKampagnen gegen Land-minen und ist eines derGründungsmitglieder derThailand Kampagne zumVerbot von Landminen undMitglied der Internatio-nalen Petition gegen ihrenEinsatz. Im Jahr 1997 ge-wann diese Kampagne denFriedensnobelpreis undTunChannareth, Leiter des JRSKambodscha und aktuellerBotschafter bei der Interna-tionalen Kampagne zum Verbot vonLandminen, nahm die Auszeichnungentgegen. Der JRS in Thailand kon-zentriert sich auch auf Bildung in denFlüchtlingslagern entlang der thailän-disch-burmesischen Grenze, Nothilfein den Gefängnissen und die Unter-stützung der städtischen Flüchtlingein Bangkok.

Molly Mullen, JRS Thailand

Unsere JRS - Projekte in Asien:Wir helfen den Flüchtlingen durchRechtsbeistand aus der Schubhaft zukommen. Für ihre Traumabehand-lung stellen wir psychologische Be-treuung zurVerfügung.Um Familien die Heimreise zu er-möglichen, unterstützen wir sie mitden nötigen finanziellen und struktu-rellen Mitteln.

Projektname: JRS Asien

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Binnenflüchtlinge

Über 3 Millionen Flüchtlinge im ei-genen Land haben Kolumbien inden letzten Jahren in eine humani-täre Krise gestürzt. Wegen der Aus-sichtslosigkeit der Kämpfe zwischenParamilitärs und Guerillas um Bo-denschätze haben sich die staatlichenSicherheitskräfte zurückgezogen.Vorallem Goldabbau und Kokapflanzensind für die Großgrundbesitzer, aberauch für kleinere Banden ein lukra-tives Geschäft. Der Drogenhandelblüht, es herrscht größte Armut un-ter der Bevölkerung und es kommtsogar zu Menschenhandel. Durch diehohe Korruptionsrate und die Ei-

gendynamik der Kriminalität scheintdie Lage in diesen ländlichen Regi-onen aussichtslos. Kein Wunder, dassviele Menschen geflüchtet sind. Undniemand hat sie mit offenen Armenempfangen. Die Familien finden sichin Slums wieder, ohne sozialen Zu-sammenhalt und ständig der Willkürbewaffneter Gruppierungen ausgelie-fert.

Gold gegen Gesundheit

Animas Altas ist eine kleine Stadtzu der weitere acht Dörfer gehören.Hier wird seit jeher von landwirt-schaftlichen Erträgen gelebt: Mais,Maniok und Palmöl können hier an-

Das ersteGebäude desBildungs-zentrums inAnimas Altas

Alternativen zur KriminalitätAnimas Altas im Norden Kolumbiens beherbergt über zweitau-send Menschen, von denen 80 % geflüchtete Familien aus demeigenen Land sind. Die einzige Lösung gegen die weitere Vertrei-bung durch bewaffnete Banden ist eine Reform von innen!

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gebaut werden. Seit kurzem gibt esauch ein Abbaugebiet für eine Gold-miene.Für viele scheint es die einzigeMöglichkeit, um der Arbeitslosigkeitzu entkommen. Das Herauslösen derGoldspuren geschieht durch Queck-silberteiche, in denen die Arbeiterhalbnackt arbeiten. Aber welche Al-ternativen gibt es? Ohne Förderungkönnen die jungen Menschen hiernicht zur Schule gehen, da sie mitden Eltern mitarbeiten oder sich umdie Geschwister kümmern müssen.Der Weg in die Kriminalität oder indie Drogenabhängigkeit ist oft na-heliegend. Der Kreislauf der Unge-rechtigkeit senkt so die Chance, diefehlende soziale und wirtschaftlicheInfrastruktur aufbauen zu können.

Das Pilotprojekt

Seit 2010 versucht der JRS für dieFlüchtlinge in den prekären Regi-onen auf mehreren Ebenen zu in-tervenieren. Begonnen wurde miteinem Ausbildungszentrum, zu demsieben Schulen und weitere Ausbil-dungseinrichtungen gehören. Mikro-kredite wurden an die Familien ver-geben, damit die Kinder frei wurdenvon der Arbeit und in die Schule ge-hen konnten. Dazu wurde den Ju-gendlichen Verpflegung angeboten,Praxis-Erfahrung und vor allem ethi-sche Grundprinzipien vermittelt. DieFamilien konnten sich über pädago-gische Methoden fortbilden und ihrpolitisches Engagement wurde geför-dert. Durch dieses sogenannte LIFE-Projekt sollte ein Abrutschen in dieKriminalität verhindert und die Ent-wicklung des sozialen Zusammen-halts angeregt werden.

Eine friedliche Kultur

Animas Altas ist die nächste Stadt, inder so ein Förderungszentrum ent-stehen soll. Über 400 Kinder und Ju-gendliche sollen in einer umfassendenWeise eine eigene Existenzgrundlagejenseits von Gewalt und Drogen auf-bauen können. Mithilfe engagierterLehrer und von konsequentem po-litischen Einsatz wird auch hier einefriedliche und produktive Kultur ent-stehen, die den jungen FlüchtlingenAutonomie und Sicherheit gebenkann. Die Reform von innen hat be-gonnen …

Angelica Lopez, JRS Columbia

Der Goldrauschzieht viele jungeMenschen von

ihrer Ausbil-dungsstelle weg

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KOLUMBIEN

Unsere JRS - Projekte in Kolumbien:Wir bauen für die vertriebenen Ju-gendlichen ein Ausbildungszentrumund fördern die pädagogische Kom-petenz der Lehrer.Für die Familien soll ein kulturellesBegegnungszentrum entstehen, indem Fortbildungen und moderier-te Hilfsgruppen sowie offener Aus-tausch ermöglicht wird.

Projektname: JRS Kolumbien

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„Einen Fremden darfst du weder

ausbeuten noch unterdrücken. Ihr

seid ja selbst Fremde im Land Ägyp-

ten gewesen.“ (2. Mose 22,20)

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In einer Kapellein derAbschiebehaft:Oft der einzigeOrt, um seinerNot Ausdurck zuverleihen

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Migration – ein vielschichtigesPhänomen

Die Menschheitsgeschichte ist ge-prägt von vielfältigen Wanderungsbe-wegungen: auf der Suche nach besse-ren Lebensbedingungen und sehr oftim Kampf um das Überleben. In derGegenwart kennzeichnet Migrati-on als globales Phänomen die gesell-schaftliche Auseinandersetzung vielerStaaten und Regionen.

Dabei ist zwischen unterschied-lichen Migrations- bzw. Fluchtmo-tiven zu unterscheiden: StrukturelleArmut und Arbeitslosigkeit, familiäreGründe, bewaffnete Konflikte und

Menschenrechtsverletzungen, inter-nationale Verkehrs- und Kommuni-kationsmöglichkeiten. Unterschied-lich ist auch die Asylpolitik je nachVorgeschichte und öffentlicher Stim-mungslage.

Migration biblisch:Gutes Leben – als Verheißung

Aufbruch und WanderungIm Zeugnis der Bibel wird das Le-ben vor Gott entscheidend im Lichtvon Aufbruch und Wanderung gese-hen und gedeutet: Abraham als Ty-pus des Glaubenden, der Exodus Is-raels aus der Knechtschaft in dasGelobte Land, das Leben im Exil fern

Die Suche nach gutem Leben

Eine differenzierte Auseinandersetzung über das Thema „Flücht-linge“ ist aufgrund emotionaler Betroffenheit oft nicht möglich.Seit jeher versucht die Kirche hier Aufklärung zu leisten. P. Riedls-perger SJ vom JRS-Austria über Kirche und Migration.

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REFLEXION

der Heimat.Vor diesem Hintergrundwird auch Jesu Weg und Sendung inVerbindung mit Flucht, Wanderungund Heimatlosigkeit gedeutet.

GastfreundschaftAus der Erfahrung der eigenen Su-che nach gutem Leben in einemGelobten Land erwächst Israel diePflicht zur Gastfreundschaft und zurAufnahme von Fremden und ihrergerechten Behandlung. Nach JesuBotschaft entscheidet sich das Lebenam Handeln gegenüber dem Gering-sten in Not, der Aufnahme des Frem-den.

Leben als PilgerschaftDas Leben des einzelnen wie derGlaubensgemeinschaft der Kirchewird verstanden als Pilgerschaft – un-terwegs zur ewigen Heimat.

Migration pastoral:Gutes Leben in der Glaubens-gemeinschaft

Begleitung auf dem WegFür die röm.-kath. Kirche liegt nachdem Schreiben „Exul Familia“ (1952)und „Gaudium et spes“ (1965) mitder Instructio „Erga migrantes Ca-ritas Christi“ (2004) des PäpstlichenRates für Seelsorge für Migrantenund Menschen unterwegs ein Basis-text für Migrantenpastoral vor, dereine umfassende Aufmerksamkeit fürMenschen in den verschiedenstenSituationen unterwegs wecken willund dieVerpflichtung der Kirche zurSonderseelsorge hervorhebt (CICcan. 568).

Aufnahme in die GemeinschaftEntscheidendes Anliegen in denOrtskirchen ist die Bildung von Ge-meinden für Menschen mit fremdenSprachen, in denen sie Aufnahme,Beheimatung und Hilfe in vielfäl-tigen Nöten finden. Sie sind auchOrte der Pflege der Kultur des Her-kunftslandes und stehen in der Span-nung von Ghettoisierung und Öff-nung zur umgebenden Gesellschaft.

Eintreten für ihre RechteEine entscheidende Aufgabe ist dasEintreten für die Rechte von Frem-den, der Rechtsbeistand und die Si-cherstellung eines menschenwür-digen Umgangs mit Migranten,Flüchtlingen und Asylwerbern. Un-terstützende Einrichtungen sind Ca-ritas und Diakonie oder auch der Je-suitenflüchtlingsdienst (JRS), wobeisich meist Hilfe in akuten Notlagenmit menschlichem Beistand und An-waltschaft verbinden. Eine besondereProblematik stellt dabei die Abschie-bung dar.

EhrenamtlicheHelfer sind eineentscheidendeStütze bei der

Migrations-betreuung

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Unterstützungbei den behörd-lichen Anträgen- Voraussetzungfür ein fairesVerfahren

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MIGRATION

Migration politisch: GutesLeben in der Gesellschaft

Migrations- undIntegrationspolitikJe nach Interessenlage gestaltet sichMigrations- und Integrationspolitiksehr unterschiedlich: z.B. Interesse anArbeitskräften aus dem Ausland oderSchutz der inländischen Arbeitneh-merInnen.

Flüchtlings- und AsylpolitikKonfrontiert mit der nötigen Auf-nahme von Flüchtlingen und Asyl-werbern sind meistens Fragen derSicherheit, der Kosten und des Ver-hältnisses zu deren Kultur bestim-mend. Ihre Rechte müssen hingegenimmer wieder eingefordert werden.

Bedingungen für ein gutesZusammenlebenUnter diesen meist restriktiven po-litischen Bedingungen bedarf es fürein gutes Zusammenleben zwischenEinheimischen und Fremden vielfäl-tiger Bemühungen:

• Bewusstseinsbildung für die Situa-tionen von Migration und Flucht• Unmittelbare Hilfe in akuten Not-situationen• Hilfreiche Regelungen für anste-hende Entscheidungen• Unterstützende Maßnahmen füreine Integration• Bemühungen um interkulturellenund interreligiösen Austausch• Entwicklung von gemeinsamenWohn- und Lebensformen• Verbesserung der Lebensbedingun-gen in den Herkunftsländern

Zusammenfassung:Gutes Leben für alle ist gutesLeben mit allen!

Migration als Suche nach gutemLeben ist somit nicht nur eine Fra-ge der MigrantInnen nach besserenLebensbedingungen, sondern eben-so eine Anfrage an die Menschen derAufnahmeländer: nach ihrem Bei-trag zu weltweiter Gerechtigkeit undFrieden, zur Schaffung von Voraus-setzungen für ein respektvolles in-terkulturelles und interreligiöses Zu-sammenleben.

Den Kirchen und Religionen kommtdabei eine besondere Mitverantwor-tung zu:Durch ihr Selbstverständnis als Mi-grationsgemeinschaften und durchihre Handlungsmöglichkeiten auf-grund von Verbindungen zu denHerkunfts- wie in den Aufnahmelän-dern werden sie zu Anwälten für dasgute Leben aller.

Alois Riedlsperger SJJRS - Austria

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Auf einemkleinen Acker

können dieBewohner des

SozialzentrumsSchwechat

eigenes Gemüseanbauen

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Im Sozialzentrum Zirkelweg lebenseit fast 30 Jahren Flüchtlinge aus un-terschiedlichen Ländern miteinander.Was bedeutet Integration in diesemHaus?

Bei uns am Zirkelweg wird Integra-tion gelebt. Das bedeutet, dass Men-schen in ganz unterschiedlichen Situ-ationen – nicht nur Asylwerber – hierzusammen leben. Da ist einerseits das„Kiwozi“, ein Wohnheim für Kinderaus schwierigen Verhältnissen, ande-rerseits eine WG der Caritas, in dervier Personen mit Behinderungen le-ben, eine vom Psychosozialen Dienstund schließlich leben hier Asylbewer-ber, Flüchtlinge und Migranten.

Wo unterscheidet sich diese gelebteErfahrung von der Politik, die ge-macht wird?

Grundsätzlich hat Österreich imJahr 2004 einen großen Sprung ineine positive Richtung gemacht:Die Grundversorgung wurde einge-führt. Jeder Asylwerber hat das Rechtauf eine Krankenversicherung, einenSchlafplatz und entwederVollpensionoder 5 Euro pro Tag als Essensgeld.Diese klare Regelung war ein rie-siger Fortschritt, um den die NGO-Szene jahrelang gekämpft hat.Daneben bin ich aber der Meinung,dass es den Politikern in Österrei-ch und auch EU-weit in den letzten

Das Parlament entscheidet über das neue Fremdenpaket, das dieSituation für Immigranten weiter verschärft. Ein Gespräch mitMag. Daniel Vychytil, Pastoralassistent und Flüchtlingsbeauftrag-ter des Sozialzentrums Zirkelweg in Schwechat.

Schottet sich Österreich ab?

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Daniel Vychytil(l.) und VeronikaKreyca (r.) mit ei-ner Immigrantin,die seit einigenJahren mit ihrerFamilie imSozialzentrumlebt

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Jahren immer mehr um eine Abschot-tung der Grenzen geht, also darum,möglichst wenige Menschen in unserLand zu lassen. Dazu wird Geld inve-stiert, dazu werden Konzepte erarbei-tet – weniger dazu,wie die Menschen,die in unser Land gekommen sind, gutintegriert werden könnten. Oder wiewir sie fördern könnten, damit sie zu-künftig einen möglichst sinnvollenBeitrag zur österreichischen Gesell-schaft leisten.Diese Tatsache zeigt sich zum Beispieldaran, dass Österreich immer nochabstreitet, ein Einwanderungsland zusein. De facto sind wir es natürlichund wir brauchen die Einwandererauch dringend, auf Grund der Bevöl-kerungsentwicklung und auf dem Ar-beitsmarkt. Unsere Politiker weigernsich aber, das zuzugeben. Dahintersteht sicherlich auch das relativ großePotenzial in der Wählerschaft, die aufRechtspopulismus anspricht.

Was halten Sie vom neuen Fremden-paket?

Ich sage nur:Wo gibt es in der Poli-tik einen Bereich, in dem ohne lan-ge Diskussionen so schnellVerschär-fungen in der Gesetzgebung möglichsind? Im Bereich Asyl- und Frem-denrecht passiert das ohne Problemein regelmäßig kurzen Abständen.Dasführt einerseits dazu, dass sich nie-mand mehr auskennt und viele miteiner aktiven Mitbestimmung über-fordert sind.Andererseits zeigt es auch, dass vieleÖsterreicherinnen und Österreicherhinter jeder nur möglichenVerschär-fung stehen.Argumentiert wird die-se Haltung damit, dass Asylwerberund Flüchtlinge mit Kriminellengleich gesetzt werden. Natürlichgibt es auch unter ihnen Kriminelle,aber wie kann ich einen Asylwerber– also jemanden, der Schutz sucht –automatisch mit einem Verbrechergleichsetzen?

WelcheVerschärfungen, die das neueFremdenpaket beinhaltet, sind be-sonders problematisch?

Die verpflichtenden Integrati-onsmaßnahmen, und zwar in die-ser Schärfe. Ein Beispiel: Jemand,der in Österreich ein unbefristetesVisum bekommen möchte, wirdDeutsch auf dem B1-Level beherr-schen müssen. Das ist Maturaniveau,das heißt: Er oder sie muss die Spra-che so gut sprechen, dass sie studie-ren könnte. Das ist aber eine absolutunnötige Anforderung, von der ichnur denken kann, dass sie eine be-wusste Schikane vom Gesetzgeberist. Wer nur eine befristete Aufent-haltsgenehmigung erhält, wird in ei-ner Ungewissheit gehalten und kann

INTERVIEW

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DasSozialzentrumSchwechat als

pfarrliches Vor-zeigemodell für

Integration

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ÖSTERREICH

niemals sicher sein, irgendwann nichtdoch das Land verlassen zu müssen.Froh bin ich, dass dank der Protesteder NGOs, die auch bei dieser Ge-setzesverschärfung wieder nicht aus-geblieben sind, einiges zurück ge-nommen wurde. So die geplanteSchubhaft bis zu 18 Monaten: Je-manden für eine derartige Zeitspan-ne einzusperren, der nichts verbro-chen hat, unter Bedingungen, dieimmer noch schlechter sind, als in ei-ner Strafanstalt – das ist jedenfalls ge-gen die Menschenrechte.

Inwieweit spüren Sie die Auswirkungder akutellen Gesetzgebung in derArbeit mit den Menschen hier?

Was wir in der Pfarre am meisten spü-ren, ist die Undurchschaubarkeit derProzesse. Wir hatten zwei Personenmit ungefähr den gleichen Vorraus-setzungen, einziger Unterschied war,dass einer von beiden 3 Wochen frü-her angekommen war. Einer hat dasBleiberecht bekommen, dasVerfahrendes Anderen wurde ohne Anhörungbeim Asylgerichtshof beendet.Dazu kommt, dass sich die Arbeit mitFlüchtlingen seit der Einführung derGrundversorgung im Jahr 2004 radi-kal verändert hat. Davor war es amwichtigsten, den Menschen eine Ma-tratze und Essen zur Verfügung zustellen. Darum kümmert sich heu-te der Staat.Was die Asylwerber jetztbrauchen ist jemand, der sich mit derkomplexen Gesetzeslage auskenntund ihnen hilft bei einem kompli-zierten Bleiberechtsverfahren. Das istauch der Grund, warum sich nichtmehr so viele Pfarren um die Arbeitmit Flüchtlingen bemühen können.

Was können wir Österreicher tun,um einen Beitrag zur Integration vonZuwanderern zu leisten?

Zunächst, sich für das Thema über-haupt zu interessieren. Ich vermute,nicht einmal die Hälfte der Matur-anten wissen, was die Genfer Flücht-lingskonvention ist. Über Menschen-rechte und Asyl Bescheid zu wissen,ist leider immer noch keine Selbst-verständlichkeit. Die Bewusstseins-bildung ist also zentral. Dann ist eswichtig,mitAsylwerbern und Flücht-lingen persönlich in Kontakt zu kom-men. Das geht z.B. über eine regel-mäßige Mitarbeit bei der Caritas zumBeispiel. Denn durch die Begegnungverändert sich die Wahrnehmung derSituation dieser Menschen wesent-lich. Schließlich habe ich für micheingesehen, dass den 1. Schritt beider Integration immer der Österrei-cher machen muss.Wer fremd ist, istimmer zurückhaltend und vorsichtig,das ist ganz natürlich. Österreich hatsie aufgenommen, also warum heißenwir sie nicht willkommen?

Das Gespräch führteVeronika Kreyca

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Nini, Renateund Peter

Dr. RenatePistrich bei einerEntbindung imProvinzkranken-haus vonChinhoyi

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Das Land ist flächenmäßig etwa4-mal so groß wie Österreich, beider letzten Volkszählung wurden 13Millionen Einwohner erhoben, aller-dings sind inzwischen viele ins Aus-land abgewandert (allein etwa 4 Mil-lionen nach Südafrika). Zimbabweist dabei, sich von einer schlimmenWirtschaftskrise zu erholen. Die Lä-den sind, im Gegensatz zu den mei-sten Geldbörsen, wieder gefüllt. Diepolitische Lage ist einigermaßen sta-bil, dieWunden, die in den vergange-nen Jahren geschlagen wurden,heilenallerdings nur langsam.

Meines Erachtens lähmt sich dasLand durch eine überbordende undlangsam arbeitende Bürokratie selbst.

So musste ich 8 Monate auf meineArbeitsbewilligung als Ärztin war-ten, obwohl kein einheimischer Arztin dieser abgelegenen Gegend arbei-ten möchte. Mit dieser Erfahrung binich nicht allein, beinahe jeder kannvon unmöglich langen und zermür-benden Behördenwegen erzählen.

Meinem Beruf entsprechend fälltmir vor allem die schwierige Lagedes Gesundheitswesens auf. Wer auseinem Land mit flächendeckendermedizinischer Versorgung und frei-em Zugang zu sämtlichen Leistungenkommt, kann sich nur schwer vor-stellen, in welche finanziellen Nöteeine Familie durch Krankheit hier-orts kommen kann. Bislang habe ich

Für eine bessere Zukunft

Seit über einem halben Jahr ist Renate Pistrich als Volunteer inZimbabwe. Sie arbeitet im Missionskrankenhaus St. Ruperts, vonwo aus sie über ihre wachsende Verantwortung berichtet.

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TanzendeJugendliche

voller Begeiste-rung bei einem

der örtlichenFeste

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Die Menschen habensich ihren Humorund ihre Fröhlichkeitbewahrt, auch wennin Erzählungen vonfrüheren Zeiten docheine gewisse Trau-rigkeit mitschwingt.Sie sind offen undfreundlich, und ichhabe sie meist unter-stützend und hilfsbe-reit erlebt. Die Fa-milie nimmt einenwichtigen Rang ein, die meistenmöchten viele Kinder haben. Ebensohat die Religion im Leben der mei-sten einen viel höheren Stellenwertals in Europa, auch wenn die Gren-ze hin zum Aberglauben nicht immereindeutig zu ziehen ist.

Zimbabwe war bekannt für seingutes Bildungssystem und profitiertbis heute davon, doch nun driftet esimmer mehr auseinander, zwischenguten privaten (und teuren) Schu-len, die weiterhin das englische Bil-dungsniveau halten und im Auslandanerkannt sind, und den öffentlichenSchulen, die so recht und schlechteine Ausbildung bieten, irgendwo da-zwischen bemühen sich die Missi-onsschulen um eine gute Erziehungder Jugend.

Trotz all der genannten Problemehabe ich die Hoffnung, dass sichdie Menschen in diesem landschaft-lich wunderschönen Land, mit sei-nen Bodenschätzen und Ackerböden,eine bessere Zukunft aufbauen wer-den.

Renate Pistrich

FREIWILLIGE

noch keinen Patienten getroffen, dereine Krankenversicherung hatte. Somuss jedes Medikament, jede Un-tersuchung, jeder Tag im Kranken-haus aus eigener Tasche bezahlt wer-den, was zur Folge hat, dass sich vieledas Krankenhaus überhaupt nicht lei-sten können oder erst dann kommen,wenn die Lage sehr ernst ist. So ist eseine wichtige Frage, ob sich jemanddie Untersuchung überhaupt leistenkann, und weniger, ob er damit ein-verstanden ist. Die Ausstattung derKrankenhäuser ist mit europäischenStandards nicht zu vergleichen, undwenn auch die Ausbildung der Mit-arbeiter gut ist, so leidet doch die Ar-beitsmotivation durch die krasse Un-terbezahlung im öffentlichen Bereichund die fehlende Ausrüstung.

Das überwältigende medizinischeProblem ist und bleibt die hohe Ratean HIV Infektionen, auch wenn sichdie Lage seit Einführung der antire-troviralen Kombinationstherapie be-deutend verbessert hat. In vielen Fäl-len besteht eine Koinfektion mitTuberkulose, im fortgeschrittenenStadium kommen weitere opportu-nistische Infektionen dazu.Die Menschen haben jedoch inden Jahren gelernt, in wirtschaftlichschwierigen Situationen zurechtzu-kommen, und zumindest den Maisfür die tägliche Ration an Sadza (einfester Brei, das Grundnahrungsmittelhier) bauen viele selbst an. Den Häu-sern und öffentlichen Gebäuden, denStraßen, Autos und Bussen ist es an-zusehen, dass in den letzten Jahrendas Geld für die Instandhaltung ge-fehlt hat, und doch funktioniert es ir-gendwie.

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Ein Leben inWürdebeginntleichter mitMusik

P. MarkusInama SJ mitseinenJugendlichenim „SvetiKonstantin“

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IN KÜRZE

MAGIS - MessenJeden ersten Freitag im Monat laden wir herzlich ein zu einer meditativgestalteten Messe mit anschließendem Come-Together. Beginn 18:30in unserer Kapelle, Dr. Ignaz Seipel Platz 1.

Lange Nacht der KirchenIn diesem Jahr werden wir im Rahmen der „Langen Nacht“ mit demVerein der Altkalksburger und der GCL einen bunten Abend zu bri-santen Themen veranstalten. Wir freuen uns auf Ihren Besuch. Infosunter: http://www.langenachtderkirchen.at/wien (Altkalksburger)

Benefizkonzert für Sonidos de la TierraMitte Juni werden wir die Gelegenheit haben, ein Benefizkonzert derbesonderen Art zu erleben: Das „Vienna Conservatory Orchestra“ un-ter der Leitung von Christian Birnbaum wird zugunsten der Straßen-kinder in Südamerika die Jesuitenkirche zum Klingen bringen.Freitag, 17. Juni 2011, 19.30 Uhr, Dr. Ignaz Seipel Platz 1, 1010 Wien

Ein ganz besonderer HaarschnittJugendliche des Jugend- und Sozialzentrums „Sveti Konstantin“ in Sofia rie-fen den CONCORDIA-Friseursalon „Violetka“ ins Leben. Im Juni 2010begannen die Jugendlichen mit einem Theorie- und Praxiskurs für Friseureund gemeinsam mit den Erziehern des „Sveti Konstantin“ wurde eine ehe-malige Garage gemietet und mit Hilfe von Fachleuten und Jugendlichen zueinem Frisiersalon umgebaut. Seit kurzem dürfen sich die Lehrlinge über ihrebestandene Abschlussprüfung freuen und arbeiten seither unter der Anleitungeiner Meisterin im Frisiersalon. „Violetka“ ist eines der vielen Projekte derJugend- und Sozialhilfe in Bulgarien unter der Leitung von P. Markus Inama.

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Grenzenlose Solidarität statt grenzenloses Leid

Das Schicksal der Flüchtlinge berührt uns besonders, wenn sie an unsere Türenklopfen. Ihr Leid ist grenzenlos. In diesem Heft haben wir Flüchtlingsprojekte inAfrika, Asien und Lateinamerika vorgestellt. Hinter den Beschreibungen stehenunsere Projektpartner und Flüchtlinge vor Ort. Mit Ihrer Unterstützung helfenSie, größeres Leid und weitere Fluchtbewegungen einzudämmen.

- 30 Euro garantieren die Teilnahme am Nahrungs-Sicherungs-Programm- 50 Euro geben Kindern im Flüchtlingslager die Chance zur Schule zu gehen- 100 Euro ermöglichen den Start in ein neues Leben in der Heimat

In Dankbarkeit, IhrHans Tschiggerl SJMissionsprokurator

SpendenkontoPSK 7086 326

BLZ:60000BIC: OPSKTWW

IBAN: AT52 60000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE-Jesuitenaktion

UNSERE BITTE: Flüchtlingen Zukunft geben

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JesuitenmissionDr. Ignaz Seipel Platz 1A-1010 WienTel. +43 01 5125232 - [email protected]

SpendenkontoPSK 7086 326BLZ: 60000BIC: OPSKATWWIBAN: AT52 6000 0000 0708 6326MENSCHEN FÜR ANDERE

Die Jesuitenmission ist Ihr Netzwerk• für Informationen über Schicksale und Anliegen der Armen• für Austausch, Begegnung und Freiwilligeneinsätze weltweit• für die Weitergabe von Spenden in unsere Hilfsprojekte

Damit die Welt menschlicher wird ...