Im Namen des Volkes Urteil - Brandenburg UF 226-07... · 2008-04-25 · Seit 1/2008 hat sich der...

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10 UF 226/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht 2 F 203/06 Amtsgericht Strausberg Brandenburgisches Oberlandesgericht Im Namen des Volkes Urteil In der Familiensache des Herrn R… B…, Antragstellers, Berufungsklägers und Berufungsbeklagten, - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt … g e g e n Frau A… B…, Antragsgegnerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte … Anlage zum Protokoll vom 22. April 2008 Verkündet am 22. April 2008 als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

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10 UF 226/07 Brandenburgisches Oberlandesgericht 2 F 203/06 Amtsgericht Strausberg

Brandenburgisches Oberlandesgericht

Im Namen des Volkes

Urtei l

In der Familiensache

des Herrn R… B…,

Antragstellers, Berufungsklägers und Berufungsbeklagten, - Prozessbevollmächtigter: Rechtsanwalt …

g e g e n Frau A… B…,

Antragsgegnerin, Berufungsbeklagte und Berufungsklägerin, - Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …

Anlage zum Protokoll vom 22. April 2008 Verkündet am 22. April 2008 … als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle

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hat der 2. Senat für Familiensachen des Brandenburgischen Oberlandesgerichts auf die mündliche Verhandlung vom 18. März 2008 durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Schael, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Liceni-Kierstein und den Richter am Oberlandesgericht Gutjahr

für R e c h t erkannt:

1. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des Amtsgerichts Straus-berg vom 13. November 2007 in seinem Ausspruch über den nachehelichen Unterhalt unter Zurückweisung ihrer weitergehenden Rechtsmittel teilweise abgeändert. Der Antragsteller wird verurteilt, an die Antragsgegnerin ab April 2008 nach-ehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 1.234 €, davon 261 € Altersvor-sorgeunterhalt und 973 € Elementarunterhalt, zu zahlen. Der rückständige Unterhalt ist sofort, der laufende Unterhalt ist monatlich im Voraus bis zum 3. Werktag eines jeden Monats zahlbar. Im Übrigen wird die Unterhaltsklage der Antragsgegnerin abgewiesen.

2. Es bleibt bei der erstinstanzlichen Kostenentscheidung. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Antragsteller zu 86 % und der Antragsgegnerin zu 14 % zur Last.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Antrags-gegnerin durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird hinsichtlich der Frage der Befristung und/oder der Herab-setzung des Unterhaltsanspruchs zugelassen.

5. Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt

für die Berufung des Antragstellers (12 x 1.237 € =) 14.844 € für die Berufung der Antragsgegnerin (12 x 202 € =) 2.424 € zusammen 17.268 €

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Gründe

A.

Die Parteien streiten über die Scheidungsfolgesache nachehelicher Ehegattenunterhalt.

Die in den Jahren 1954/1959 geborenen Parteien haben in 10/1987 die Ehe geschlossen. Aus

ihr sind zwei in den Jahren 1988 und 1990 geborene Töchter hervorgegangen. Ferner ist der

Antragsteller Vater eines im Jahr 2006 geborenen Sohnes.

Der Antragsteller arbeitet als Leiter der Krankenhausapotheke in den D… Kliniken B…. Die

Antragsgegnerin ist von Beruf Diätassistentin. Während des ehelichen Zusammenlebens hat

sie im Wesentlichen nicht gearbeitet. Sie hat die beiden gemeinsamen Töchter der Parteien

betreut und den Haushalt geführt. Seit 2004 geht die Antragsgegnerin einer selbständigen Tä-

tigkeit als Ernährungsberaterin nach. Daneben erzielt sie Einkünfte aus einem gewerblichen

Einzelunternehmen (R…).

Im Jahr 2005 erfolgte die Trennung der Parteien. In 12/2005 ist die Antragsgegnerin mit den

beiden Töchtern aus dem gemeinsamen Haus der Parteien in N… ausgezogen. Der Antragstel-

ler verblieb in der früheren Ehewohnung. Daneben bewohnt er eine Wohnung in B…, deren

Alleineigentümer er ist. Diese Eigentumswohnung nutzte der Antragsteller auch schon wäh-

rend des Zusammenlebens der Parteien.

Auf den in 5/2006 zugestellten Scheidungsantrag des Antragstellers hin hat das Amtsgericht

durch das angefochtene Verbundurteil die Ehe der Parteien geschieden. Der Versorgungsaus-

gleich wurde abgetrennt und ausgesetzt. Ferner hat das Amtsgericht der Unterhaltsklage der

Antragsgegnerin überwiegend stattgegeben. Es hat den Antragsteller auf der Grundlage der

von ihm festgestellten tatsächlichen Einkünfte beider Parteien zur Zahlung eines nacheheli-

chen Unterhalts in Höhe von monatlich 1.237 € (davon 1.000 € Elementarunterhalt und

237 € Altersvorsorgeunterhalt) verurteilt. Der Scheidungsausspruch ist seit Mitte 3/2008

rechtskräftig.

Gegen die Entscheidung zum Unterhalt richten sich die Berufungen beider Parteien.

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Der Antragsteller beruft sich insbesondere auf einen zu hohen Ansatz seiner eigenen Einkünf-

te und eine fiktive und bedarfsdeckende Einkommenszurechnung auf Seiten der Antragsgeg-

nerin. Im Übrigen begehrt er - wie schon in 1. Instanz - die Befristung bzw. Herabsetzung

eines etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin. Hierzu macht er gel-

tend, der Antragsgegnerin seien keine ehebedingten Nachteile entstanden.

Der Antragsteller beantragt,

unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Amtsgerichts Strausberg - Famili-

engericht - AZ 2 F 203/06 vom 18. September 2007, verkündet am 13. Novem-

ber 2007, den Antrag der Antragsgegnerin auf Zahlung von nachehelichem Ehegatten-

unterhalt zurückzuweisen.

Ferner beantragt er,

für den Fall, dass der erkennende Senat der Ansicht ist, dass der Antragsgegnerin ein

nachehelicher Ehegattenunterhalt zusteht, den Unterhaltsanspruch der Antragstellerin

nach § 1578 II S. 2 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf zu begrenzen und nach

§ 1573 V BGB zeitlich zu befristen.

Die Antragsgegnerin verlangt die Heraufsetzung des nach ihrer Auffassung unbegrenzt ge-

schuldeten Unterhalts. Zur Begründung beruft sie sich insbesondere darauf, dass sowohl eine

fiktive Einkommenszurechnung als auch eine zeitliche Befristung oder Herabsetzung ihres

Unterhaltsanspruchs ausscheide. Die mit der Kinderbetreuung und Haushaltsführung während

der Ehe verbundenen Nachteile rechtfertigten einen dauerhaften und ungekürzten Unterhalts-

anspruch nach den ehelichen Lebensverhältnissen. Im Übrigen sei das Amtsgericht von einem

zu niedrigen Einkommen des Antragstellers ausgegangen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

das Urteil des Amtsgerichts Strausberg vom 13. November 2007 (AZ: 2 F 203/06) da-

hingehend zu ändern, dass der Antragsgegner verurteilt wird, ab dem ersten des auf die

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Rechtskraft der Scheidung folgenden Monats an die Antragsgegnerin einen monatlich

jeweils im Voraus fälligen Unterhalt in Höhe von 1.154 € zuzüglich Altersvorsorge-

unterhalt von monatlich 285 € zu zahlen.

Im Übrigen beantragen beide Parteien die Zurückweisung der jeweils gegnerischen Berufung.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstands wird auf die Feststellungen des Amtsgerichts in

dem angefochtenen Urteil sowie die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genom-

men.

B.

Die zulässigen Berufungen beider Parteien führen nur zu einer geringfügigen Änderung der

angefochtenen Entscheidung. Die weitergehenden Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.

Der Antragsgegnerin steht gegen den Antragsteller ab April 2008 ein Anspruch auf nacheheli-

chen Unterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB in Höhe von monatlich 1.234 € (davon 261 € Al-

tersvorsorgeunterhalt und 973 € Elementarunterhalt) zu. Für eine Herabsetzung und/oder Be-

fristung dieses Unterhaltsanspruchs ist gegenwärtig kein Raum.

I.

Die Einkommensverhältnisse des Antragstellers im Unterhaltszeitraum stellen sich wie

folgt dar:

1.

Maßgeblich für die Höhe des vom Antragsteller geschuldeten nachehelichen Unterhalts ist

insbesondere sein Einkommen aus Arbeit.

a)

Ausweislich der vorgelegten Gehaltsabrechnung 12/2007 und der darin ausgewiesenen Jahres-

summen hat der Antragsteller im Kalenderjahr 2007 ein Gesamtbruttoeinkommen in Höhe

von rund 90.918 € erzielt. Demgegenüber hat er sein Einkommen auf der Grundlage eines

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Steuerbruttos von rund 91.963 € und nach Steuerklasse II/0,5 Kinderfreibetrag versteuert.

Seit 1/2008 versteuert der Antragsteller sein Einkommen nach Steuerklasse I/0,5 Kinderfrei-

betrag. Mit dem Steuerklassenwechsel ist eine erhöhte Steuerbelastung verbunden. Sie hat

eine Reduzierung des für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Einkommens des An-

tragstellers zur Folge. Auch wenn sich das nachteilig auf den Unterhaltsanspruch der Antrags-

gegnerin auswirkt, kann der vorgenommene Steuerklassenwechsel bei der Ermittlung des

unterhaltsrelevanten Einkommens des Antragstellers nicht unberücksichtigt bleiben.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist bei der Ermittlung der ehelichen Lebensverhält-

nisse gemäß § 1578 BGB grundsätzlich von den tatsächlich erzielten Einkünften auszuge-

hen. Im Regelfall ist deshalb die Steuerlast in ihrer jeweiligen realen Höhe maßgebend. Dies

gilt auch dann, wenn die Steuerbelastung seit der Trennung gestiegen ist. Ein gesetzlich vor-

geschriebener Wechsel der Steuerklasse muss grundsätzlich berücksichtigt werden (vgl. hier-

zu BGH, FamRZ 2007, 793/797). Berichtigungen können zwar in besonders liegenden Fällen

geboten sein. Derartige Besonderheiten sind im Streitfall jedoch weder vorgetragen noch er-

sichtlich. Für die Bemessung der in 4/2008 einsetzenden nachehelichen Unterhaltspflicht des

Antragstellers bedarf es daher einer fiktiven Berechnung seines Einkommens nach Steuerklas-

se I/0,5 Kinderfreibetrag.

Auszugehen ist von dem in der Lohnabrechnung 12/2007 ausgewiesenen Gesamtbrutto von

rund 90.918 €. Wie sich anhand aller vorgelegten Einzelabrechnungen ergibt, errechnet sich

das monatliche Nettoeinkommen des Antragstellers bzw. der monatliche Auszahlungsbetrag

auf der Grundlage des monatlichen Gesamtbruttos (und nicht des Steuerbruttos). Demgegen-

über ist für die steuerlichen Abzüge das für 2007 ausgewiesene Steuerbrutto in Höhe von rund

91.963 € maßgebend. Für das Kalenderjahr 2008 ist deshalb nach Steuerklasse I/0,5 Kinder-

freibetrag von einer fiktiven Steuerbelastung des Antragstellers in Höhe von insgesamt

(28.827 € Lohnsteuer + 1.518 € Solidaritätszuschlag =) 30.345 € auszugehen. Kirchensteuer

ist nicht in Abzug zu bringen. Sie wird seit 5/2007 vom Antragsteller nicht mehr gezahlt. Die

sozialversicherungsrechtlichen Beitragszahlungen sind mit dem in der Abrechnung 12/2007

ausgewiesenen Gesamtbetrag von rund 5.149 € in Ansatz zu bringen. Die vom Arbeitgeber

geleistete Sparzulage stellt kein unterhaltsrechtlich maßgebliches Einkommen des Antragstel-

lers dar. Sie ist daher mit ihrem Jahresnettobetrag von gerundet 47 € herauszurechnen.

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Von diesen Grundlagen ausgehend schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO das unterhaltsrechtli-

che Nettoeinkommen des Antragstellers im Kalenderjahr 2008 auf rund

[(90.918 € - 30.345 € - 5.149 € - 47 €) : 12 =] 4.615 € im Monatsdurchschnitt.

b)

Ausweislich des im Senatstermin überreichten Einkommensteuerbescheids aus 3/2008 (für

2006) ist zu Gunsten des Antragstellers eine Steuerrückzahlung in Höhe von 7.200,17 €

festgesetzt worden. Das unterhaltsrelevante Einkommen des Antragstellers erhöht sich damit

um einen monatsanteiligen Erstattungsbetrag von 600,01 €.

c)

Der Antragsteller betreibt eine private Altersvorsorge, die von seinem Einkommen in Ab-

zug zu bringen ist.

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts beläuft sich die monatliche

Beitragszahlung des Antragstellers zur B… Versorgungskammer … auf 1.023,75 €.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist die Zahlung des Antragstellers in eine Di-

rektversicherung ebenfalls als abzugsfähige Position anzuerkennen. Seit 2007 leistet er einen

in der Gehaltsabrechnung 12/2007 ausgewiesenen Jahresbetrag von 4.320 €. Das entspricht

360 € monatlich. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH kann beim Ehegattenunterhalt

eine zusätzliche Altersvorsorge bis zu einer Höhe von 4 % des Vorjahresbruttoeinkommens

einkommensmindernd berücksichtigt werden. Das gilt auch dann, wenn mit dieser zusätzli-

chen Vorsorge erst nach der Trennung begonnen wird (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007,

793/795). Entscheidend ist, dass solche Aufwendungen tatsächlich geleistet werden. Ein fikti-

ver Abzug scheidet aus (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 193/194; FamRZ 2007, 793/795).

Im Streitfall ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller nicht der gesetzlichen Versiche-

rungspflicht unterliegt. Er betreibt wie ein Selbständiger eine freiwillige Altersvorsorge. Ei-

nem Selbständigen ist zuzubilligen, bis zu etwa 20 % seiner Bruttoeinkünfte für die primäre

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Altersvorsorge aufzuwenden (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2003, 860/ 863). Daher könnte der

Antragsteller Aufwendungen von bis zu 24 % seines Bruttoeinkommens für seine primäre und

die zusätzliche Altersvorsorge einsetzen. Bei einem ausgewiesenen Jahresbruttoeinkommen in

2007 von 90.918 € wären unterhaltsrechtlich bis zu 1.818 € monatlich anzuerkennen. Diesen

Höchstbetrag erreichen die tatsächlichen Beitragszahlungen des Antragstellers nicht. Sie sind

daher als abzugsfähige Altersvorsorge zu betrachten.

Gegenzurechnen ist der monatliche Arbeitgeberzuschuss zur privaten Altersvorsorge des An-

tragstellers. Dieser ist in dem eingangs für 2008 errechneten Nettoeinkommen des Antragstel-

lers noch nicht enthalten. Seit 1/2008 hat sich der monatliche Zuschuss des Arbeitgebers zur

privaten Altersvorsorge des Antragstellers gegenüber 2007 auf 527,35 € erhöht.

Im Ergebnis vermindert sich durch die private Altersvorsorge des Antragstellers sein Ein-

kommen um (1.023,75 € + 360 € - 527,35 € =) 856,40 € monatlich.

d)

Zwischen den Parteien besteht Einigkeit, dass die zur Einkommenserzielung notwendigen

berufsbedingten Aufwendungen des Antragstellers pauschal mit 5 % in Abzug zu brin-

gen sind. Die Pauschale ist dabei nach dem um Steuern und alle Vorsorgeaufwendungen be-

reinigten Bruttoeinkommen zu bemessen (vgl. hierzu Wendl/Dose, Die Rechtsprechung zur

Höhe des Unterhalts, 6. Aufl., § 1, Rdnr. 93). Dementsprechend ist hier das festgestellte Net-

toeinkommen des Antragstellers vor der Berechnung der Pauschale um seine Aufwendungen

für die private Altersvorsorge zu bereinigen. Das führt zum Abzug einer berufsbedingten

Aufwendungspauschale in Höhe von [(4.615 € - 856,40 €) x 5 % =] 187,93 € monatlich.

Daneben erkennt die Antragsgegnerin den Abzug der monatlichen Beitragszahlungen des An-

tragstellers in Höhe von 12 € zur A…kammer B… an.

e)

Ferner billigt die Antragsgegnerin dem Antragsteller den Abzug seiner Aufwendungen für

eine Unfall- und Auslandskrankenversicherung in Höhe von monatlich

[(168 € + 51 €) : 12 =] 18,25 € zu.

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Einem einkommensmindernden Ansatz der Kosten für die Rechtsschutz- und Privathaft-

pflichtversicherung des Antragstellers hat die Antragsgegnerin dagegen in ihrer Berufungs-

erwiderung unter Bezugnahme auf das Vorbringen in ihrem erstinstanzlichen Schriftsatz vom

29.08.2007 ausdrücklich widersprochen. Die entsprechenden Versicherungsbeiträge des An-

tragstellers gehören unterhaltsrechtlich nicht zu den berücksichtigungssfähigen Positionen

(vgl. hier Eschenbruch/Mittendorf, Der Unterhaltsprozess, 4. Aufl., Rdnr. 6572). Ein Abzug

hat daher insoweit zu unterbleiben.

f)

Die vom Antragsteller geltend gemachten Kosten für die Besuche seines bei der Mutter in

K… lebenden Sohnes F… sind ebenfalls nicht absetzbar. Sie werden durch die Regelungen

des Familienleistungsausgleichs (steuerliche Entlastung durch Kinderfreibetrag oder Kinder-

geld - §§ 32 Abs. 6, 31 EStG) zum Teil abgegolten. Etwaige darüber hinausgehende Um-

gangskosten kann der Antragsteller angesichts seiner guten Einkommensverhältnisse aus den

ihm nach Abzug seiner Unterhaltsverpflichtungen verbleibenden Mitteln bestreiten. Sein an-

gemessener Selbstbehalt wird hierdurch nicht berührt (vgl. hierzu auch BGH, FamRZ 2007,

193/194; Eschenbruch/Wohlgemuth, a.a.O., Rdnr. 3098 a).

2.

Auf Seiten des Antragstellers sind zwei Wohnvorteile anzusetzen.

a)

Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien waren dadurch geprägt, dass sie zu je ½ Eigen-

tümer eines Hauses in N… waren, in dem sie mietfrei wohnten. Seit dem Auszug der An-

tragsgegnerin mit den Töchtern im Jahr 2005 bewohnt der Antragsteller das Haus alleine. Die-

ser Vorteil des mietfreien Wohnens ist grundsätzlich als Vermögensertrag unterhaltsrechtlich

zu berücksichtigen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 793/96). Der eheangemessene Bedarf

der Antragsgegnerin erhöht sich deshalb zunächst durch den vom Antragsteller im Zeitpunkt

der letzten mündlichen Verhandlung gezogenen Vorteil des mietfreien Wohnens im eigenen

Haus. Als weiterer Vermögensertrag ist im Einkommen des Antragstellers unstreitig ein e-

heprägender Wohnvorteil im Hinblick auf sein mietfreies Wohnen in einer in seinem Allein-

eigentum stehenden Immobilie in B… unterhaltsrechtlich zu berücksichtigen.

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Diese beiden Wohnvorteile sind im Rahmen des nachehelichen Unterhalts mit der bei einer

Fremdvermietung erzielbaren objektiven Marktmiete zu bemessen. Im Senatstermin vom

18.03.2008 haben die Parteien unstreitig gestellt, dass der Nutzungsvorteil des Antragstel-

lers betreffend das gemeinsame Haus der Parteien in N… mit 875 € monatlich zu veran-

schlagen ist. Den Vorteil des Antragstellers für das mietfreie Wohnen in seiner Eigentums-

wohnung in B… haben die Parteien übereinstimmend mit 450 € monatlich in Ansatz gebracht.

b)

Ausweislich der vorgelegten Bescheinigung leistet der Antragsteller für das auf dem Haus in

N… lastende Darlehen bei der …-Bank monatliche Annuitäten in Höhe von 696,64 €.

Wegen des gemeinsamen Eigentums der Parteien an dem Haus ist im Rahmen des nacheheli-

chen Ehegattenunterhalts auch der Tilgungsanteil dieser Kreditraten einkommensmindernd zu

berücksichtigen. Von der mit der Tilgung einhergehenden Vermögensbildung profitieren bei-

de Parteien in gleicher Weise (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1995, 869/870).

Die Eigentumswohnung des Antragstellers in B… ist nach seinen Angaben im Senatstermin

lastenfrei.

c)

Entgegen der Auffassung des Antragstellers sind die von ihm aufzuwendenden verbrauchs-

unabhängigen Hausnebenkosten - Grundsteuer sowie Beiträge zur Gebäudeversicherung -

nicht als abzugsfähige Positionen anzuerkennen.

In Abzug zu bringen sind nur die nicht nach § 27 Abs. 1 der 2. Berechnungsverordnung umla-

gefähigen Kosten, also solche Kosten, mit denen ein Mieter üblicherweise nicht belastet wird

(vgl. hierzu Wendl/Gerhardt, a.a.O., § 1, Rn. 337 sowie Ziffer 5 der Unterhaltsleitlinien des

Brandenburgischen OLG, Stand 01.01.2008). Insbesondere die Grundsteuern und die Beiträge

zur Gebäudeversicherung zählen zu den Betriebskosten, die üblicherweise auf den Mieter um-

gelegt werden. Beide Positionen verringern deshalb die festgestellten Wohnvorteile des An-

tragstellers nicht.

3.

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Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen errechnet sich das unterhaltsrelevan-

te Einkommen des Antragstellers wie folgt:

aus Arbeit

Monatsnetto 4.615,00 €

Steuererstattung + 600,01 €

zusammen 5.215,01 €

private Altersvorsorge - 856,40 €

berufsbedingte Aufwendungspauschale - 187,93 €

A…kammer - 12,00 €

Versicherungen - 18,25 €

dem Antragsteller verbleiben gerundet 4.140,00 €

aus Wohnvorteilen

Haus N… 875,00 €

Wohnung B… + 450,00 €

Hausannuitäten - 696,64 €

die Vorteile des mietfreien Wohnens betragen gerundet 628,00 €.

Das für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehende Gesamteinkommen des Antragstellers

beläuft sich somit auf rund 4.768 € monatlich.

II.

Die Einkommensverhältnisse der Antragsgegnerin sind unterhaltsrechtlich wie folgt zu

beurteilen.

1.

Das Amtsgericht hat die tatsächlichen Gesamteinkünfte der Antragsgegnerin auf der Grund-

lage eines Dreijahreszeitraums (von 2004 bis 2006) mit monatlich 503 € festgestellt. Diese

setzen sich zusammen aus

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− Einkünften aus der selbständigen Tätigkeit als Ernähungsberaterin

− Einkünften aus dem gewerblichen Einzelunternehmen „R…„

− Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.

Gegen diese Feststellungen haben beide Parteien keine Einwände erhoben. Nach Abzug von

Beiträgen für die private Krankenversicherung und Altersvorsorge (von 302,60 €) verbleibt

unstreitig ein tatsächliches Einkommen der Antragsgegnerin in Höhe von rund 200 € monat-

lich.

2.

Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann die Unterhaltsbemessung nicht auf der

Grundlage des tatsächlich erzielten Einkommens der Antragsgegnerin aus ihrer selbständigen

Tätigkeit erfolgen. Unter Berücksichtigung ihrer Erwerbsbiographie muss sich die Antrags-

gegnerin vielmehr ein fiktives monatliches Einkommen aus einer vollschichtigen Anstel-

lung in Höhe von bereinigt 1.000 € seit Beginn des Anspruchszeitraums zurechnen lassen.

Dieses könnte sie erzielen, wenn sie die ihr unterhaltsrechtlich obliegenden Bewerbungsbe-

mühungen entfaltet und rechtzeitig alle gebotenen Möglichkeiten genutzt hätte, um für die

Zeit nach der Scheidung eine angemessene vollschichtige Erwerbstätigkeit im Rahmen eines

Anstellungsverhältnisses zu finden.

a)

Ab der zweiten Jahreshälfte 2007 traf die Antragstellerin die Obliegenheit, sich um die

Aufnahme einer vollschichtigen sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit zu bemühen.

aa)

Bereits nach dem bis zum 31.12.2007 geltenden Unterhaltsrecht ging das Gesetz mit Blick auf

§ 1569 BGB a. F. für die Zeit nach der Scheidung grundsätzlich von der vorrangigen Eigen-

verantwortung jedes Ehegatten für seinen Unterhalt aus. Nach § 1574 BGB a. F. war von ihm

zu erwarten, seinen Unterhalt nach der Scheidung durch eigene Erwerbstätigkeit ganz oder

teilweise selbst zu verdienen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1981, 242/243; Wendl/Pauling,

a.a.O., § 4, Rdnr. 17 und 42 f.).

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Es kann dahinstehen, von welchem genauen Zeitpunkt an die Parteien getrennt gelebt haben,

worüber Streit zwischen ihnen besteht. Unstreitig ist die Trennung im Jahr 2005 erfolgt. Mitte

März 2006 hat der Antragsteller den Scheidungsantrag eingereicht. Bereits Ende März 2006

haben sich die Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin bestellt. Die Rechtshängig-

keit der Ehescheidung ist in 5/2006 eingetreten. Ab diesem Zeitpunkt musste sich die An-

tragsgegnerin auf ihre unterhaltsrechtliche Eigenverantwortung und eine wirtschaftlich

eigenständige Existenz einstellen. Die Trennung der Parteien hatte sich verfestigt und die

Scheidung war nur noch eine Frage der Zeit. Die Antragsgegnerin konnte sich auch nicht

mehr auf § 1570 BGB a. F. wegen einer Betreuung der beiden gemeinsamen Töchter berufen.

In 5/2006 hatte A… bereits die Volljährigkeit erreicht. S… war 15 ½ Jahre alt. Sie hatte damit

ein Alter erreicht, in dem auch schon nach bisherigem Unterhaltsrecht eine Obliegenheit des

betreuenden Elternteils zu einer vollschichtigen Erwerbstätigkeit regelmäßig bejaht worden

ist.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände muss die Erwerbsobliegenheit der Antragsgegnerin

ab 5/2006 auf der einen Seite unter dem Gesichtspunkt gesteigerter Eigenverantwortung beur-

teilt werden. Zwar war die Antragsgegnerin nicht nur arbeitsbereit, sondern sie hat nach ihren

unwidersprochenen Angaben im Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit vollschichtig gearbei-

tet. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Amtsgerichts erzielte die Antragsgegne-

rin jedoch in dem Dreijahreszeitraum von 2004 bis 2006 nur monatsdurchschnittliche Ge-

samteinkünfte in Höhe von 503 €. Nach Abzug der Beiträge zur privaten Krankenversiche-

rung und Altersvorsorge verblieben ihr noch rund 200 € zur Deckung des eigenen Lebensun-

terhalts. Die Antragsgegnerin musste sich daher schon Mitte 2006 im Klaren sein, dass sie es

auf Dauer mit derart geringen Einkünften nicht bewenden lassen konnte. Sie musste die Auf-

gabe ihrer Selbständigkeit und die Aufnahme einer angemessenen sozialversicherungspflich-

tigen Erwerbstätigkeit mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Selbständigkeit für die Zeit nach

der Scheidung in Betracht ziehen. Das gilt umso mehr, als die Antragsgegnerin in 2006 einen

deutlichen Rückgang ihrer Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit gegenüber den beiden Vor-

jahren zu verzeichnen hatte. Das beruhte nach Angaben der Antragsgegnerin auf dem Wegfall

eines ihrer Hauptauftraggeber, einer Zahntechnikerfirma. Diese hatte ihr zuvor regelmäßig

Aufträge in größerem Umfang erteilt.

bb)

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Auf der anderen Seite sind in diesem Zusammenhang die günstigen wirtschaftlichen Verhält-

nisse des Antragstellers in Rechnung zu stellen. Sie erlauben es, der Antragsgegnerin eine

längere Übergangszeit zuzubilligen. Es muss zu Gunsten der Antragsgegnerin jedoch vor al-

lem gebührend berücksichtigt werden, dass der Beginn der selbständigen Tätigkeit der An-

tragsgegnerin in die Zeit vor der Trennung der Parteien fällt. Unstreitig hat die Antragsgeg-

nerin im Jahr 2004 begonnen, sich eine selbständige Existenz aufzubauen. Seinerzeit lebten

die Parteien noch zusammen. Die selbständige Tätigkeit der Antragsgegnerin entsprach also

den ehelichen Lebensverhältnissen und den Vorstellungen beider Parteien. Angesichts dieser

Übereinstimmung kommt es für die Entscheidung nicht darauf an, ob der Antragsteller - wie

von ihm in der Berufungsbegründung vorgetragen - die Antragsgegnerin im Zusammenhang

mit einer früheren Trennung der Parteien im Jahr 2002 aufgefordert hat, Schritte zu unterneh-

men, um eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Das wird von der Antragsgegnerin bestritten.

Es kann auch dahinstehen, wann genau die Parteien sich endgültig getrennt haben. Jedenfalls

erfolgte die Trennung im Jahr 2005. Dass die Antragsgegnerin nach der Trennung ihrer mit

Blick auf das Alter der beiden Töchter bestehenden Obliegenheit zu einer Tätigkeit in voll-

schichtigem Umfang nicht nachgekommen wäre, behauptet der Antragsteller selbst nicht.

Daneben ist in Rechnung zu stellen, dass im Regelfall jede neu aufgenommene selbständige

Tätigkeit eine längere Anlaufphase benötigt. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass für die

Zeit nach der Trennung noch eine verstärkte personale Mitverantwortung beider Ehegatten

besteht. Während des Getrenntlebens befinden sich die Ehegatten in einem Stadium, in dem

die Ehe noch nicht endgültig aufgelöst und eine Wiederherstellung der ehelichen Lebensge-

meinschaft nicht gänzlich ausgeschlossen ist. Auch die Parteien haben sich nach ihrer ersten

Trennung im Jahr 2002 zunächst wieder versöhnt. Es war deshalb nach der zweiten Trennung

der Parteien im Jahr 2005 zunächst noch nicht klar, ob es letztlich zu einem Scheitern des

gemeinsamen Lebensplanes kommen und an dessen Stelle das Ziel der eigenen wirtschaftli-

chen Selbständigkeit der Antragsgegnerin treten würde. Angesichts dieses provisorischen

Charakters des Getrenntlebens ist es für den unterhaltspflichtigen Ehegatten regelmäßig zu-

mutbar, für den Ehepartner im stärkeren Maße aufzukommen als nach der Scheidung. Dieser

gesteigerten Verantwortung der Ehegatten füreinander während der noch bestehenden Ehe

entspricht es, dass die eheliche und die nacheheliche Unterhaltspflicht unterschiedlich stark

ausgestaltet ist (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1981, 242/243). Insbesondere im ersten Trennungs-

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jahr kann der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Blick auf den Gedanken der Schutzvorschrift

des § 1361 Abs. 2 BGB grundsätzlich nur unter engeren Voraussetzungen auf eine Verände-

rung seiner Erwerbstätigkeit oder sogar eine Berufsaufgabe verwiesen werden, als dies für die

Zeit nach der Scheidung der Fall ist (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1990, 283/285 f.).

cc)

Unter Berücksichtigung seiner über die Trennung im Jahr 2005 hinaus nachwirkenden Mit-

verantwortung und der üblicherweise für den Aufbau einer selbständigen Tätigkeit benötigten

mehrjährigen Anlaufphase kann der Antragsteller nicht - wie von ihm geltend gemacht - die

Antragsgegnerin schon nach Ablauf des ersten Trennungsjahres in 2006 auf eine berufliche

Umorientierung und auf einen Wechsel zu einer Angestelltentätigkeit verweisen. Entgegen

ihrer Auffassung ist der Antragsgegnerin zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit allerdings

auch nicht eine Anlaufphase bis in das Jahr 2009/2010 zuzubilligen. Ebenso wenig fällt der

Beginn ihrer Obliegenheit zur Arbeitssuche erst auf den Scheidungszeitpunkt. Die Trennung

der Parteien im Jahr 2005 und der in 3/2006 vom Antragsteller eingereichte Scheidungsantrag

haben zu einer neuen Situation geführt. Sie macht eine Interessenabwägung unter Einbezie-

hung aller Umstände erforderlich.

Einerseits musste die Antragsgegnerin während des ersten Trennungsjahres noch keine beruf-

liche Umorientierung ins Auge fassen, wenn sich die mit der Aufnahme einer selbständigen

Tätigkeit verbundene Risiken - sei es wegen fehlenden unternehmerischen Geschicks der

Antragsgegnerin, sei es wegen des allgemein bestehenden unternehmerischen Risikos – ver-

wirklichten. Hier ist von dem Antragsteller als „Mitveranlasser“ des beruflichen Wiederein-

stiegs der Antragsgegnerin gerade in Form einer regelmäßig eine längere Anlaufphase benö-

tigenden selbständigen Tätigkeit vielmehr auch eine erhöhte eheliche Solidarität gefordert.

Auf der anderen Seite aber musste die Antragsgegnerin ihre Erwerbsobliegenheit mit zuneh-

mender Verfestigung der Trennung und nach Einleitung des Scheidungsverfahrens verstärkt

unter dem Gesichtspunkt gesteigerter Eigenverantwortung beurteilen. Sie musste daher die

Geschäftsentwicklung kritisch im Auge behalten und berufliche Alternativen bei einem nega-

tiven Geschäftsverlauf für sich in Erwägung ziehen mit dem Ziel einer wirtschaftlichen Selb-

ständigkeit.

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Unstreitig hat die Antragsgegnerin im Jahr 2004 einen Geschäftsgewinn von insgesamt rund

5.318 € erzielt. 2005 erhöhte er sich leicht auf rund 6.568 €. In 2006 ging er auf 4.752 €

zurück. Die zur Akte gereichte Gewinnermittlung für das Geschäftsjahr 2006 datiert vom

15.06.2007. Der Antragsgegnerin lagen zu diesem Zeitpunkt auch schon Zahlen für das erste

Halbjahr 2007 vor. Diese ließen nicht die Prognose auf eine wesentliche Gewinnsteigerung im

Geschäftsjahr 2007 zu. Bei realistischer Betrachtung musste die Antragsgegnerin in der Ge-

samtschau erkennen, dass sie auch nach 3 ½ Jahren die Anfangsschwierigkeiten noch nicht

überwunden hatte und keine begründete Aussicht bestand, in absehbarer Zeit nennenswerte

Gewinne mit ihrer selbständigen Tätigkeit zu erzielen. Angesichts der schlechten Geschäfts-

ergebnisse und weil die Scheidung nur noch eine Frage der Zeit war, hatte die Antragsgegne-

rin deshalb ab der zweiten Jahreshälfte 2007 ihre berufliche Dispositionsbefugnis hinter

ihre anwachsende unterhaltsrechtliche Eigenverantwortung zurückzustellen. Sie musste den

Entschluss zu einer Aufgabe ihrer Selbständigkeit und Aufnahme einer vollschichtigen ab-

hängigen Erwerbstätigkeit fassen sowie mit seiner Umsetzung beginnen.

b)

Die Antragsgegnerin ist ihrer Obliegenheit, sich um eine neue Arbeitsstelle zu bemühen, nicht

hinreichend nachgekommen. Sie muss sich daher jedenfalls ab Anfang 2008 erzielbare Net-

toeinkünfte aus einer angemessenen Erwerbstätigkeit fiktiv zurechnen lassen. Der Senat

schätzt diese gemäß § 287 ZPO auf bereinigt 1.000 € monatlich.

aa)

Wer zur Aufnahme einer (anderen) Arbeit verpflichtet ist, muss sich ernsthaft und intensiv um

eine Arbeitsstelle bemühen. Für seine Bedürftigkeit trägt der Unterhaltsberechtigte die Darle-

gungs- und Beweislast (vgl. hierzu BGH, FamRZ 1993, 789/791; FamRZ 1986, 244/246). Um

dieser Darlegungslast zu genügen, hat er in nachvollziehbarer Weise vorzutragen, welche

Schritte er im Einzelnen unternommen hat, um einen Arbeitsplatz zu finden und alle sich bie-

tenden zumutbaren Erwerbsmöglichkeiten zu nutzen. Die Meldung beim Arbeitsamt und die

Wahrnehmung sämtlicher von dort angebotener Vermittlungen genügen nicht. Daneben be-

darf es vielmehr intensiver Eigeninitiativen in Form von eigenen Annoncen. Ferner sind re-

gelmäßige und kontinuierliche Schreiben auf Stellenangebote in Tages- und Wochenzeitungen

sowie sonstigen in Betracht kommenden Anzeigenblättern erforderlich. Gegebenenfalls sind

auch so genannte Blindbewerbungen bei Firmen und Behörden vorzunehmen, die als poten-

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tielle Arbeitgeber in Betracht komm. Die Stellensuche muss im Einzelnen in nachprüfbarer

Weise dokumentiert werden. Dazu gehört auch die Vorlage von Bewerbungs- und Antwort-

schreiben (vgl. zu den Einzelheiten beispielsweise Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Recht-

sprechung zur Höhe des Unterhalts, 10. Aufl., Rdnr. 501 und 711 ff.).

Das Vorbringen der Antragsgegnerin lässt nicht den Schluss zu, dass sie diesen Anforderun-

gen genügt hätte. Die Antragsgegnerin hat sich in 2/2007 beim Arbeitsamt St… als arbeitssu-

chend registrieren und ihr Bewerbungsprofil auf der Internetseite der Jobbörse der Arbeits-

agentur einstellen lassen. Im Übrigen hat sie sich nach ihrem Berufungsvorbringen auf 13 für

sie in Betracht kommende Arbeitsstellen, allerdings ohne Erfolg, beworben. Zu Gunsten der

Antragsgegnerin kann angenommen werden, dass alle 13 Bewerbungen in das zweite Halbjahr

2007 fallen.

Diese Erwerbsbemühungen der Antragsgegnerin stellen jedoch weder von der Anzahl noch

von ihrem Inhalt her hinreichende Bewerbungsbemühungen dar. Zwar kann zu Gunsten der

Antragsgegnerin eine Übergangszeit von mehreren Monaten angenommen werden, weil sie im

zweiten Halbjahr 2007 die Suche nach einer neuen abhängigen Beschäftigung parallel zur

Abwicklung ihrer selbständigen Tätigkeit vornehmen musste. Gleichwohl hätte sie sich in

diesem Zeitraum auf deutlich mehr als 13 offene Stellen bewerben müssen und zudem eine

stärkere Eigeninitiative - zum Beispiel in Form eigener Stellenanzeigen oder Bewerbungs-

schreiben an potentielle Arbeitgeber - entwickeln müssen. Solche weiteren intensiven und

konkreten Bemühungen, eine angemessene sozialversicherungspflichtige Erwerbstätigkeit zu

finden, sind nicht vorgetragen. Der fehlende Nachweis ausreichender Arbeitsbemühungen

geht zu Lasten der insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Antragsgegnerin (vgl. hierzu

Kalthoener/Büttner/ Niepmann, a.a.O., Rdnr. 506).

bb)

Wegen Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit muss sich die Antragsgegnerin jedenfalls ab

Anfang 2008 ein für sie erzielbares Einkommen in Höhe von bereinigt 1.000 € monatlich

zurechnen lassen. Sie kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, die fiktive Zurechnung eines

solchen Einkommens scheitere daran, dass für sie auf dem Arbeitsmarkt keine reale Beschäf-

tigungschance bestehe.

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Nach der seit dem 01.01.2008 geltenden Neufassung des § 1574 BGB ist von der Antragsgeg-

nerin zu erwarten, dass sie eine objektiv „angemessene„ Tätigkeit ausübt. Die Frage der An-

gemessenheit im Sinne von § 1574 Abs. 2 BGB ist nicht nur anhand der schon bisher gelten-

den Kriterien zu ermitteln. Vielmehr ist nach dem neu hinzugefügten Kriterium darauf abzu-

stellen, welche Erwerbstätigkeit früher ausgeübt worden ist. Eine frühere Erwerbstätigkeit ist

grundsätzlich als angemessen zu beurteilen, es sei denn, eine solche Tätigkeit wäre nach den

ehelichen Lebensverhältnissen unbillig. Hierauf muss sich jetzt der Unterhaltsgläubiger selbst

berufen. Er muss Tatsachen, aus denen sich ein unzumutbares Abweichen der Erwerbstätig-

keit von nachhaltig gestalteten ehelichen Lebensverhältnissen ergibt, konkret als Einwand

vorbringen und gegebenenfalls beweisen. Äußert er sich nicht, so wird eine Tätigkeit auch

dann als zumutbar angesehen, wenn sie objektiv unter dem ehelichen Niveau liegt. Eine Ga-

rantie dafür, dass es beim ehelichen Lebensstandard bleiben wird, wie das nach bisherigem

Recht häufig angenommen wurde, soll es grundsätzlich nicht mehr geben. Mit der Obliegen-

heit zur Ausübung einer angemessenen Erwerbstätigkeit soll gerade auch die wirtschaftliche

Eigenverantwortung (§ 1569 BGB) des unterhaltsberechtigten Ehegatten betont werden (vgl.

hierzu Dose, FamRZ 2007, 1289/1297; Kalthoener/Büttner/ Niepmann, a.a.O., Rdnr. 459).

Als angemessen im Sinne von § 1574 BGB n. F. ist nicht nur eine Erwerbstätigkeit anzuse-

hen, welche vor der Ehe ausgeübt worden ist. Vielmehr gilt dies gleichermaßen für Fortbil-

dungsmaßnahmen und sonstige Qualifikationen. Solche hat vorliegend auch die Antragsgeg-

nerin in der Ehezeit durchgeführt. Nach dem von ihr selbst für die Bundesagentur für Arbeit

erstellten Bewerbungsprofil hat sie Berufspraxis als Diätassistentin sowie als Köchin mit Tä-

tigkeitsschwerpunkt Catering und als Ernähungsberaterin. Zusätzlich besitzt sie Qualifikatio-

nen als so genannte Tri-Fit-Trainerin (Übergewichtprogramm), im Pflegehilfsdienst (Alten-

pflegehelferin) und in der Farb- und Stilberatung, die sie in der Ehezeit erworben hat.

Auch während ihrer mehrjährigen Selbständigkeit hat die Antragsgegnerin ein beruflich ver-

wertbares Können und sonstige Fertigkeiten dazu gewonnen. In ihrem Bewerbungsprofil hebt

die Antragsgegnerin selbst besonders hervor, gerade auch im Bereich des Kochens über ein

umfangreiches sowie gutes Können zu verfügen und seit 11/2002 praktische Erfahrungen mit

der Arbeit als Köchin gesammelt zu haben. Daneben verweist sie auf Kochkurse, die sie im

Rahmen ihrer selbständigen Tätigkeit gegeben hat. Ferner war die Antragsgegnerin nach ihren

Angaben im Senatstermin während ihrer Tätigkeit an der Uni-Kinderklinik T… unter anderem

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als Diätköchin tätig. Der von der Antragsgegnerin angebotene Catering-Service „R…„ ist e-

benfalls mit Kochen verbunden. Danach kann es der Antragsgegnerin insbesondere zugemutet

werden, als Köchin in einem Angestelltenverhältnis zu arbeiten. Dies stellt nach ihrer Er-

werbsbiographie eine angemessene Tätigkeit im Sinne von § 1574 Abs. 2 BGB dar. Ungeach-

tet ihrer fehlenden Berufsausbildung als Köchin besitzt die Antragsgegnerin hinreichende

praktische Qualifikationen und Erfahrungen. Soweit sich die Antragsgegnerin auf mangelnde

Berufserfahrungen als Großküchen- und Betriebsköchin beruft, könnte sie ihre Kenntnisse

und Fähigkeiten gegebenenfalls durch die Teilnahme an entsprechenden Fortbildungskursen

dahin erweitern, dass sie auch in Betriebskantinen oder Großküchen einsetzbar wäre. Die Be-

urteilung der Angemessenheit im Sinne von § 1574 Abs. 2 BGB hängt dabei nicht davon ab,

ob die Antragsgegnerin insoweit auch einen beruflichen Abschluss erreicht hat. Entscheidend

ist vielmehr, dass die Antragsgegnerin während der Ehe und über die Trennung hinaus tat-

sächlich in diesem Bereich gearbeitet hat und sie als Köchin tätig gewesen ist bzw. Kochkurse

gegeben hat.

Es besteht für die Antragsgegnerin auch die reale Chance, im Raum B…/Br… eine angemes-

sene Erwerbstätigkeit als Köchin zu finden. Ausweislich des im Internet abrufbaren „WSI-

Tarifarchivs„ der Hans-Böckler-Stiftung werden im Hotel- und Gaststättengewerbe nicht nur

Köchinnen mit einer abgeschlossenen Berufsausbildung gesucht. Die Suche potentieller Ar-

beitgeber erstreckt sich auch auf Personen, die nur über Berufserfahrungen im fachlich ent-

sprechenden Tätigkeitsbereich verfügen, also auf angelernte Kräfte. Unter Berücksichtigung

ihrer Erwerbsbiographie und ihres eigenen Bewerbungsprofils bestand für die Antragsgegne-

rin danach im zweiten Halbjahr 2007 die Obliegenheit, intensiv nach einer angemessenen An-

stellung als Köchin zu suchen. Ebenso hätte es für sie nahe gelegen, sich mit der gebotenen

Intensität um eine Stelle als angestellte Diätassistentin oder im Pflegedienstleistungsbereich

zu bewerben.

Bei dieser Sachlage vermag der Senat auf der einen Seite nicht festzustellen, dass für die An-

tragsgegnerin - wie von ihr pauschal behauptet - im Zeitpunkt der Scheidung keine reale

Chance mehr auf dem Arbeitsmarkt bestanden hätte. Es gibt keinen Erfahrungssatz, dass für

Arbeitssuchende wie die Antragsgegnerin wegen der schlechten Arbeitsmarktlage keine neue

Anstellung zu finden ist. Eine solche Feststellung ließe sich nur dann treffen, wenn die An-

tragsgegnerin alle gebotenen Anstrengungen unternommen hätte und die im Einzelnen darge-

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legten Bewerbungsbemühungen nicht zum Erfolg geführt hätten. Daran fehlt es hier. Die An-

tragsgegnerin muss sich daher wegen unzureichender Arbeitsbemühungen ein fiktives Ein-

kommen aus einer vollschichtigen sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit - zum Beispiel als

Köchin, Diätassistentin oder im Pflegedienstleistungsbereich - zurechnen lassen.

Bei der Frage der fiktiven Einkommenshöhe darf allerdings nicht unberücksichtigt bleiben,

dass die Antragsgegnerin viele Jahre keine berufliche Tätigkeit ausgeübt hat und ihre selb-

ständige Tätigkeit wirtschaftlich gesehen letztlich nicht zum Erfolg geführt hat. Unter diesen

Umständen sowie unter Berücksichtigung der Verhältnisse des heutigen Arbeitsmarktes und

angesichts des Umstands, dass die Antragsgegnerin im fortgeschrittenen Alter von fast

48 Jahren nach einer neuen Stelle suchen musste, bestand für sie nach den Erfahrungen des

Senats im Zeitpunkt der rechtskräftigen Ehescheidung und besteht auch derzeit nicht die

Chance, einen Bruttostundenlohn von über 9 € zu erzielen. Der im Internet abrufbare Lohn-

spiegel der Hans-Böckler-Stiftung spricht ebenfalls dagegen. Auf der Grundlage von

Lohnsteuerklasse II/1,0 Kinderfreibetrag und unter Abzug einer berufsbedingten Aufwen-

dungspauschale - wie auch dem Antragsteller zugebilligt - schätzt der Senat gemäß § 287 ZPO

das für die Antragsgegnerin ab Beginn des Anspruchszeitraums erzielbare und ihr fiktiv

zuzurechnende Nettoeinkommen auf bereinigt 1.000 € monatlich.

3.

Einkommenserhöhend zu berücksichtigen sind Einkünfte der Antragsgegnerin aus Vermie-

tung und Verpachtung.

Das Amtsgericht hat das tatsächliche Einkommen der Antragsgegnerin im Anschluss an ihren

erstinstanzlichen Sachvortrag mit monatsdurchschnittlich 503 € festgestellt. Wie bereits aus-

geführt, sind in dem Gesamtbetrag von 503 € Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung

enthalten, und zwar in der von der Antragsgegnerin in erster Instanz mit rund 42 € im Mo-

natsdurchschnitt angegebenen Höhe.

Das Berufungsvorbringen des Antragstellers enthält gegen die Feststellungen des Amtsge-

richts über die Höhe des tatsächlichen Gesamteinkommens der Antragsgegnerin keine Ein-

wände. Daher sind die Einkünfte der Antragsgegnerin aus Vermietung und Verpachtung mit

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dem in dem angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Betrag von 42 € monatlich in die Unter-

haltsberechnung einzustellen.

4.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ist auf Seiten der Antragsgegnerin

unterhaltsrechtlich folgendes monatliche Einkommen in Ansatz zu bringen:

aus vollschichtiger abhängiger Arbeit 1.000 €

aus Vermietung und Verpachtung + 42 €

insgesamt 1.042 €.

III.

Der Kindesunterhalt ist wie folgt in die Berechnung des Ehegattenunterhalts einzustellen:

1.

Der Antragsteller ist unstreitig drei Kindern zum Unterhalt verpflichtet, und zwar

− A…, geboren in 4/1988

− S…, geboren in 11/1990

− F…, geboren in 12/2006.

Die minderjährige Tochter S… geht noch zur Schule. Die bereits volljährige A… hat sich

nach dem Abitur um einen Studienplatz für das Studium der Psychologie beworben. Die

Wartezeit überbrückt sie mit einer Ausbildung als Ergotherapeutin. Sie bezieht keine Ausbil-

dungsvergütung. Die Parteien gehen übereinstimmend davon aus, dass der volljährigen Toch-

ter auch während ihrer Wartezeit der volle Unterhalt zusteht.

2.

Die Höhe des geschuldeten Kindesunterhalts ist sowohl für die beiden gemeinsamen Töchter

der Parteien als auch für den aus einer anderen Beziehung des Antragstellers hervorgegange-

nen Sohn nach materiellem Unterhaltsrecht und auf der Grundlage des für 2008 festge-

stellten unterhaltsrelevanten Einkommens des Antragstellers zu bemessen.

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a)

Der BGH hat die Einstufung in eine höhere oder niedrigere Einkommensgruppe (der Düssel-

dorfer Tabelle) je nach Anzahl der Unterhaltsberechtigten und die damit verbundene Verän-

derung des Unterhaltsanspruchs gebilligt. Er hat dies damit begründet, dass die Bestimmung

der Lebensstellung des Unterhaltsberechtigten im tatrichterlichen Ermessen liege (vgl. hierzu

BGH, FamRZ 1992, 539/541). Ferner hat der BGH den Bedarfskontrollbetrag in seiner Funk-

tion gebilligt, eine ausgewogene Verteilung des Einkommens zwischen dem Unterhaltspflich-

tigen und den unterhaltsberechtigten Kindern zu gewährleisten (vgl. hierzu BGH, FamRZ

2000, 1492/1493).

An diesen Grundsätzen ist unabhängig von der seit dem 01.01.2008 geltenden neuen Rang-

ordnung nach § 1609 BGB jedenfalls dann festzuhalten, wenn - wie hier - kein Mangelfall

vorliegt (vgl. hierzu Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, Rdnr. 276 f.; Klinkhammer,

FamRZ 2008, 193/197 f. sowie Ziffer 11.2 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen

OLG, Stand 01.01.2008).

b)

Das bereinigte Gesamteinkommen des Antragstellers in der vorstehend unter Ziffer I.3. fest-

gestellten Höhe von monatlich 4.768 € ist in die Einkommensgruppe 10 der Brandenburgi-

schen Unterhaltsleitlinien (Stand 01.01.2008) einzustufen. Auf der Grundlage einer Unter-

haltspflicht des Antragstellers gegenüber einem Ehegatten und drei Kindern und weil das Ein-

kommen des Antragstellers nur wenig über dem Grenzbetrag der Gruppe 10 liegt, erscheint

eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe angemessen. Der Tabellenunterhalt für die

Kinder ist daher der Gruppe 9 zu entnehmen.

aa)

Die 17-jährige S… ist der dritten Altersstufe zuzuordnen. Ihr Unterhaltsbedarf beläuft sich

danach auf monatlich 555 €. Hierauf ist gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 1 BGB das Kindergeld

zur Hälfte anzurechnen. Der Unterhaltsanspruch von S… beträgt daher gegenwärtig

(555 € - 77 € =) 478 € monatlich.

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bb)

Für den einjährigen F… errechnet sich dementsprechend ein monatlicher Unterhaltsanspruch

in Höhe von (425 € - 77 € =) 348 €.

cc)

Der Bedarf der im Haushalt der Antragsgegnerin lebenden volljährigen (nicht privilegierten)

A… bemisst sich an sich nach den zusammengerechneten Einkünften beider Eltern und der

vierten Altersstufe (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 542/543; FamRZ 2006, 99/100). Das zu-

sammengerechnete Elterneinkommen ist jedoch nur dann für den Bedarf des volljährigen

Kindes maßgebend, wenn beide Eltern leistungsfähig sind. Seit dem 01.01.2008 beträgt der

angemessene Selbstbehalt gegenüber volljährigen Kindern nach Ziffer 21.3.1 der neuen Un-

terhaltsleitlinien des Brandenburgischen OLG 1.100 € monatlich. Da der Antragsgegnerin nur

ein fiktives Einkommen in Höhe von 1.000 € zuzurechnen ist sowie ihre Einkünfte aus Ver-

mietung und Verpachtung bei monatlich 42 € liegen, muss der Antragsteller allein für den

Barunterhalt der volljährigen Tochter aufkommen.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Antragsteller der Antragsgegnerin Aufsto-

ckungsunterhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB schuldet. Wegen der guten wirtschaftlichen Ver-

hältnisse ist der Bedarf der Antragsgegnerin gemäß § 1578 Abs. 1 BGB erst nach Abzug des

Kindesunterhalts zu bestimmen. Das gilt hier nicht nur für die beiden minderjährigen Kinder

des Antragstellers, sondern auch für den Unterhalt der volljährigen A…. Dem steht die neue

Rangstufenregelung des § 1609 Nr. 4 BGB nicht entgegen, da unter den gegebenen guten Ein-

kommensverhältnissen der angemessene Lebensbedarf der Antragsgegnerin nicht gefährdet

wird (vgl. in diesem Zusammenhang auch Borth, a.a.O., Rdnr. 276). Ist der Kindesunterhalt

bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts vorweg abgezogen worden, so beteiligt sich der

unterhaltsberechtigte Ehegatte bereits auf diese Weise am Kindesunterhalt. Denn der Vorweg-

abzug des Kindesunterhalts vom anrechnungsfähigen Einkommen des Unterhaltspflichtigen

vermindert den Anspruch auf Ehegattenunterhalt. Müsste sich der unterhaltsberechtigte El-

ternteil unter Berücksichtigung seines Unterhaltsanspruchs als anrechenbares Einkommen am

Volljährigenunterhalt beteiligen, so liefe das auf eine unzulässige Doppelbeteiligung hinaus

(vgl. hierzu OLG Hamm, FamRZ 1996, 1234; Wendl/Scholz, a.a.O., § 2, Rdnr. 151).

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Der Unterhalt für A… ist daher nur nach dem Einkommen des Antragstellers zu bemessen. Ihr

monatlicher Bedarf beläuft sich nach Einkommensgruppe 9, Altersstufe 4 auf 621 €.

Bedarfsdeckend anzurechnen ist gemäß § 1612 b Abs. 1 Nr. 2 BGB das volle Kindergeld. Es

errechnet sich ein vom Antragsteller geschuldeter Volljährigenunterhalt in Höhe von

(621 € - 154 € =) 467 € monatlich.

dd)

Den Antragsteller trifft mithin folgende Unterhaltsverpflichtung gegenüber seinen drei

Kindern:

A… 467 €

S… + 478 €

F… + 348 €

insgesamt 1.293 €.

Nach neuem Recht ist der Ehegattenunterhalt unter Vorwegabzug dieses Zahlbetrags für

die Kinder (und nicht mehr des Tabellenbetrags) zu berechnen (vgl. hierzu Klinkhammer,

a.a.O., S. 199 sowie Ziffer 15.1 der Unterhaltsleitlinien des Brandenburgischen OLG, Stand

01.01.2008).

IV.

Unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ergeben sich für den nachehelichen

Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin folgende Berechnungen:

1.

Die Antragsgegnerin kann ihren Unterhaltsanspruch auf § 1573 Abs. 2 BGB stützen. Andere

Unterhaltstatbestände werden von ihr selbst nicht geltend gemacht.

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2.

Die Antragsgegnerin macht im Rahmen ihres Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt nach

§ 1573 Abs. 2 BGB Altersvorsorgeunterhalt geltend. Einen solchen hat das Amtsgericht ihr

(in Höhe von monatlich 237 €) zuerkannt, ohne jedoch die insoweit gebotene zweistufige

Berechnung vorzunehmen.

Gemäß § 1587 Abs. 3 BGB gehören die Kosten einer angemessenen Versicherung für den Fall

des Alters sowie der verminderten Erwerbsfähigkeit zum Lebensbedarf. Der Altersvorsorge-

unterhalt ist dabei nicht Gegenstand eines eigenständigen Anspruchs, sondern ein unselbstän-

diger Teil des einheitlichen, den gesamten Lebensbedarf umfassenden Unterhaltsanspruchs

(vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 117/118; FamRZ 2007, 193/196). Er wird jedoch zusätzlich

zum Elementarunterhalt geschuldet. Auch der Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach

§ 1573 Abs. 2 BGB zieht in der Regel einen Anspruch auf Altersvorsorgeunterhalt nach sich

(vgl. hierzu BGH, FamRZ 1988, 45/48; Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rdnr. 356). Es

verstößt jedoch gegen den Grundsatz der gleichen Aufteilung der vorhandenen Nettoeinkünfte

auf beide Ehegatten, wenn der Vorsorgeunterhalt zusätzlich zum vollen Elementarunterhalt

zugesprochen wird. Für dessen Bemessung ist regelmäßig an den (vorläufigen) Elementarun-

terhalt anzuknüpfen, wie er ohne Vorsorgeunterhalt zu leisten wäre. Erst danach ist der Ele-

mentarunterhalt nach Vorwegabzug des Vorsorgeunterhalts vom Einkommen nach der maß-

gebenden Quote endgültig zu berechnen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 193/196).

3.

Von diesen Grundsätzen ausgehend ist der nacheheliche Unterhaltsanspruch der Antragsgeg-

nerin wie folgt zu berechnen:

1. Stufe

bereinigtes Nettoeinkommen des Antragstellers 4.140 €

Kindesunterhalt - 1.293 €

bereinigtes Nettoeinkommen der Antragsgegnerin (mit Vorsorgewert) - 1.000 €

1.847 €

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Wohnvorteil Antragsteller 628 €

Einkünfte Antragsgegnerin aus Vermietung und Verpachtung - 42 €

586 €

vorläufiger Elementarunterhalt:

1.847 € x 3/7 = 791,57 €

586 € x ½ = + 293,00 €

1.084,57 €.

Dieser vorläufige Elementarunterhalt ist nach der aktuellen Bremer Tabelle (vgl. FamRZ

2008, 328) mit einem Zuschlag von 21 % auf ein fiktives Bruttoeinkommen von 1.312,33 €

hochzurechnen. Bei einem Beitragssatz von 19,9 % beläuft sich der Anspruch der Antrags-

gegnerin auf Altersvorsorgeunterhalt danach gerundet auf monatlich 261 €.

2. Stufe

Bei der Berechnung des endgültigen Elementarunterhalts ist zu berücksichtigen, dass die ei-

genen Vorsorgeaufwendungen des Unterhaltspflichtigen von seinen Einkünften aus Arbeit

(und nicht vom Wohnvorteil) in Abzug gebracht werden. Dementsprechend ist auch der vom

Antragsteller geschuldete Altersvorsorgeunterhalt nach seinem Zweck vom unterhaltspflichti-

gen Erwerbseinkommen abzusetzen, bevor der Elementarunterhalt endgültig errechnet wird

(vgl. hierzu Kalthoener/Büttner/Niepmann, a.a.O., Rdnr. 407; Wendl/Gutdeutsch, a.a.O., § 4,

Rdnr. 477).

Das führt zu folgender Berechnung des endgültigen Elementarunterhalts:

(4.140 € - 261 € - 1.293 € - 1.000 €) x 3/7 = rund 680 €

586 € x ½ = + 293 €

zusammen 973 €.

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27

4.

Der Antragsteller ist danach verpflichtet, an die Antragsgegnerin wie folgt nachehelichen Un-

terhalt gemäß § 1573 Abs. 2 BGB zu zahlen:

Altersvorsorgeunterhalt 261 €

Elementarunterhalt + 973 €

insgesamt 1.234 €.

Eine Überprüfung dieser Unterhaltsbemessung auf ihre Angemessenheit und Ausgewogen-

heit gibt keine Veranlassung zu einer Billigkeitskorrektur. Insbesondere zeigt eine Kontroll-

berechnung, dass unter Berücksichtigung aller Unterhaltsverpflichtungen des Antragstellers

der Bedarfskontrollbetrag der 9. Einkommensgruppe nicht unterschritten wird. Dies rechtfer-

tigt die Annahme, dass die sich nach den vorstehenden Ausführungen ergebende Einkom-

mensverteilung nicht in einem Missverhältnis zu dem wechselseitigen Lebensbedarf aller un-

terhaltsrechtlich Beteiligten steht.

Den vom Amtsgericht festgelegten Beginn des nachehelichen Unterhaltsanspruchs - ab Ap-

ril 2008 - hat die Antragsgegnerin mit ihrer Berufung nicht angegriffen.

V.

Für eine Beschränkung des sich rechnerisch ergebenden Unterhaltsanspruchs der Antragsgeg-

nerin in Höhe von monatlich insgesamt 1.234 € ist gegenwärtig kein Raum. Bei seiner Ent-

scheidung über die vom Antragsteller ausdrücklich beantragte Herabsetzung und/oder Be-

fristung dieses Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt gemäß 1578 b BGB hat sich der Senat

von folgenden Erwägungen leiten lassen:

1.

Nach der zum 01.01.2008 in Kraft getretenen Neuregelung des § 1578 b BGB ist der nachehe-

liche Unterhalt herabzusetzen oder zeitlich zu begrenzen, wenn ein unbegrenzter Unterhalt

auch unter Wahrung der Belange eines dem Unterhaltsberechtigten zur Pflege und Erziehung

anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Damit nimmt die Neuregelung dem

Gericht nach ihrem Wortlaut das Ermessen und verpflichtet es zur Begrenzung, wenn ein un-

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begrenzter Unterhalt unbillig wäre. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung stellt § 1578 b

BGB jetzt ausdrücklich auf fortdauernde ehebedingte Nachteile ab. Solche Nachteile können

sich vor allem aus der Dauer der Pflege und Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes, aus

der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe sowie aus der

Dauer der Ehe ergeben. Die Vorschrift des § 1578 b BGB stellt eine Kernbestimmung des

neuen Rechts dar. Mit ihr soll - beruhend auf dem Grundsatz der Eigenverantwortung gemäß

§ 1569 BGB - eine Begrenzung des Unterhalts in größerem Umfang als bisher möglich sein

(vgl. hierzu Bosch, FF 2007, 293/297).

Unter dem Stichwort „ehebedingte Nachteile„ hat der BGH bereits in seiner neueren Recht-

sprechung die Befristungsvoraussetzungen geprüft. Er hat den Begriff der ehebedingten

Nachteile in § 1573 Abs. 5 BGB a. F. „hineininterpretiert„. Die Maßstäbe für die Billigkeits-

abwägung in § 1573 Abs. 5 BGB a. F. sind in der Sache keine anderen als die in § 1578 b

BGB n. F. (vgl. hierzu Anmerkung Büttner, FamRZ 2007, 800/801). Es kann somit auch für

die Auslegung der Neuregelung des § 1578 b BGB auf die Rechtsprechung des BGH aus dem

Jahr 2007 zur Herabsetzung und/oder zeitlichen Befristung aus Billigkeitsgründen (vgl. etwa

FamRZ 2008, 134 ff.; FamRZ 2007, 2049 ff.; FamRZ 2007, 1232 ff.; FamRZ 2007, 793 ff.)

zurückgegriffen werden. Danach kommt es für die Entscheidung über eine Begrenzung des

nachehelichen Unterhalts ausschlaggebend auf die Fortdauer ehebedingter Nachteile und nicht

(mehr) vorrangig auf die Ehedauer an. Die weiter genannten Umstände, unter anderem die

Dauer der Kindererziehung und die Ehedauer, sind im Rahmen der gebotenen umfassenden

Billigkeitsabwägung und Gesamtwürdigung lediglich Indizien für fortdauernde ehebedingte

Nachteile. So gesehen wird der Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten zu einer Art

Schadensersatzanspruch: Schaden ist die als Folge der Ehe verschlechterte Einkommensmög-

lichkeit (vgl. hierzu Bosch, a.a.O., 297).

2.

Von diesen Grundsätzen ausgehend liegen die Voraussetzungen für eine Befristung des fest-

gestellten Anspruchs der Antragsgegnerin auf Aufstockungsunterhalt nicht vor. Es sind durch

die Ehe berufliche Nachteile eingetreten. Diese ehebedingten Nachteile dauerten im Zeit-

punkt der letzten mündlichen Verhandlung an. Es lässt sich für den Senat gegenwärtig nicht

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sicher absehen, ob die Nachteile, die der Antragsgegnerin ehebedingt in ihrer Erwerbsbiogra-

phie entstanden sind, überhaupt noch auszugleichen sind bzw. ab wann diese Nachteile entfal-

len sein könnten.

a)

Die langjährige Kindererziehung und Haushaltsführung haben für die Antragsgegnerin zu

nachhaltigen beruflichen Nachteilen in Form von Einkommenseinbußen geführt.

aa)

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 18.03.2008 die Frage, ob der Antragsgeg-

nerin ehebedingt berufliche Nachteile entstanden sind, mit den Parteien erörtert. Die Antrags-

gegnerin hat angegeben, sie gehe davon aus, ohne die Erziehung der gemeinsamen Kinder und

die Führung des ehelichen Haushalts hätte sie ihre bei Eheschließung und bis zum Beginn

ihrer Berufspause bestehende Anstellung als Leiterin für Ernährungsberatung in der Uni-

Kinderklinik T… nicht aufgegeben. Sie würde diese interessante und gehobene Leitungstätig-

keit ohne die im Jahr 1988 übernommene Kindererziehung und Haushaltsführung noch heute

ausüben. Dass eine solche realistische Aussicht bestanden hätte, zeige sich an ihrer früheren

Arbeitskollegin. Nach ihrem eigenen Ausscheiden Anfang 1988 sei diese Kollegin in ihre

leitende Stellung nachgerückt. Die Arbeitskollegin, die im Berufsleben verblieben sei, besetze

die Stelle bis heute. Im Zeitpunkt ihres Ausscheidens aus dem Berufsleben sei ihre Tätigkeit

als Leiterin für Ernährungsberatung in der Uni-Kinderklinik T… auf der Grundlage von BAT

V vergütet worden.

Dieser Erklärung der Antragsgegnerin ist der Antragsteller nicht entgegengetreten. Anderer-

seits hat die Antragsgegnerin im Termin sowie schriftsätzlich selbst nicht vorgetragen, dass

sie in ihrer beruflichen Weiterentwicklung und in ihrem beruflichen Fortkommen durch die

Ehe behindert worden sei. Insbesondere hat sie nicht behauptet, ihr seien durch die Übernah-

me von Haushaltsführung und Kindererziehung konkrete weitergehende Karriere- und Auf-

stiegsmöglichkeiten oder allgemein eine Verbesserung ihres ursprünglichen Status im Er-

werbsleben entgangen.

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30

bb)

Entgegen der Auffassung des Antragstellers erwächst der Antragsgegnerin aus ihrer langjähri-

gen Berufspause eine nachhaltige Beeinträchtigung für die ihr obliegende nacheheliche Be-

rufstätigkeit in einem Anstellungsverhältnis. Der Senat sieht den ehebedingten Nachteil darin,

dass für die Antragsgegnerin mit Blick auf ihr Alter bei Ehescheidung von 48 Jahren und im

Hinblick auf die Arbeitsmarktlage eine Wiederaufnahme einer gehobenen und leitenden Voll-

zeittätigkeit zu den bis Anfang 1988 gewohnten Bedingungen und unter Berücksichtigung der

seither eingetretenen Einkommensentwicklung nicht möglich ist. Diese beruflichen Nachteile

werden voraussichtlich dauerhafte Auswirkung haben.

Die in 12/1959 geborene Antragsgegnerin hat ihre Ausbildung als Diätassistentin in 8/1981

erfolgreich abgeschlossen. Von 9/1981 bis 12/1987 hat sie in diesem Beruf gearbeitet, zuletzt

in der Uni-Kinderklinik T… mit dem Tätigkeitsschwerpunkt: Leiterin für Ernährungsbera-

tung. In 10/1987 haben die Parteien geheiratet. In 4/1988 kam die erste Tochter zur Welt. Mit-

te 3/1988 begann für die Antragsgegnerin der Mutterschutz. Gleichzeitig gab sie ihre Berufs-

tätigkeit auf. Die Parteien haben in der ganz überwiegenden Zeit zwischen der Eheschließung

und ihrer Trennung im Jahr 2005 eine so genannte Alleinverdienerehe mit einer „klassischen

Rollenverteilung„ geführt. Der Antragsteller hat als angestellter Apotheker gearbeitet und den

Lebensunterhalt der Familie sichergestellt. Die Antragsgegnerin war wegen der alleinigen

Betreuung und Versorgung der beiden Töchter und ihrer Haushaltstätigkeit bis ins Jahr 2002

nicht erwerbstätig. Von 2002 bis 2004 (dem Beginn ihrer bisher ausgeübten selbständigen

Tätigkeit) hat sie eingeschränkt - im Geringverdienerbereich - gearbeitet.

Nach Ansicht des Senats kann kein Zweifel daran bestehen, dass die lange Kinderbetreuung

und Haushaltsführung und damit ehebedingte Umstände zu dauerhaften beruflichen Nachtei-

len für die Antragsgegnerin geführt haben. Insbesondere die 14-jährige vollständige Berufs-

pause von 1988 bis 2002 wirkt sich für die Antragsgegnerin nachteilig aus. Im Zeitpunkt der

Berufsaufgabe und bei Geburt der ersten Tochter war die Antragsgegnerin 27 Jahre alt. Bei

Einsetzen ihrer Obliegenheit zur Aufgabe ihrer Selbständigkeit und zur Suche nach einer ab-

hängigen Tätigkeit hatte sie ein Alter von fast 48 Jahren erreicht. Nach allgemeiner Lebenser-

fahrung wirkt sich eine Berufspause in den für das berufliche Fortkommen entscheidenden

Jahren - typischerweise zwischen dem 30. und dem 40. Lebensjahr - im Nachhinein regel-

mäßig negativ aus. Der Arbeitgeber bevorzugt im Allgemeinen die im Berufsleben Verbliebe-

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nen, insbesondere bei der Besetzung von Stellen, die höher qualifizierte bzw. Leitungstätig-

keiten einschließen. Gerade die in Vollzeit tätig gebliebenen Frauen haben vermehrt Berufser-

fahrungen sammeln können. Gegebenenfalls haben sie auch schon bei einem anderen Arbeit-

geber eine höhere Stelle besetzt. Allenfalls bei ganz einfachen oder ungelernten Tätigkeiten

wird eine Wiederaufnahme der Berufstätigkeit zu den gewohnten (ursprünglichen) Bedingun-

gen in Betracht kommen (vgl. in diesem Zusammenhang BGH, FamRZ 1981, 17/18). Aber

auch hier wird die/der Tüchtige angesichts der schlechten Arbeitsmarktlage die Berufspause

zu spüren bekommen (vgl. zum Ganzen Büttner, FamRZ 2007, 773/775).

Es ist daher schon und gerade wegen der höher qualifizierten Berufsausbildung der Antrags-

gegnerin als Diätassistentin und der von ihr bis 3/1988 besetzten Stelle mit Leitungsfunktion

davon auszugehen, dass (nicht die Dauer der Ehe für sich genommen aber) die konkrete

Gestaltung der Ehe der Parteien und die Hausfrauenrolle der Antragsgegnerin zu einem Nach-

teil für sie geführt hat. Mindestens 14, wenn nicht sogar 16 Jahre konnte sich die Antragsgeg-

nerin nicht bzw. nicht in Vollzeit um ihre berufliche Entwicklung kümmern. Sie war aus der

Arbeitswelt herausgelöst. Ihre vorhandenen Kenntnisse als Diätassistentin stagnierten. Auch

im Beruf der Diätassistentin sind - wie in allen anderen Berufen auch - Veränderungen und

Weiterentwicklungen eingetreten, nicht zuletzt durch den Einsatz von Computern. Während

des langen Zeitraums ihrer Berufspause konnte die Antragsgegnerin ihre Kenntnisse und Fä-

higkeiten dagegen nicht den fortschreitenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt anpassen.

Vor allem aber verfügt sie aufgrund ihrer langjährigen Berufspause über entsprechend gerin-

gere Berufserfahrungen. Das wiegt umso schwerer, als die Antragsgegnerin nach Abschluss

ihrer Berufsausbildung bis zur ehebedingten Übernahme der Kinderbetreuung und Haushalts-

führung ohnehin nur von 9/1981 bis 3/1988, also rund 6 ½ Jahre, Berufserfahrungen sammeln

konnte.

Entgegen der Ansicht des Antragstellers werden die negativen Auswirkungen der langen Be-

rufspause auch nicht durch die 3 von der Antragsgegnerin während der Ehe belegten Kurse

(Tri-Fit-Trainer/ Farb- und Stilberatung/Pflegehilfsdienst) kompensiert. Schon im Hinblick

auf die jeweils nur kurze Dauer dieser Kurse ist damit keine echte Weiterbildung verbunden,

die der Antragsgegnerin zu neuen, über ihren erlernten Beruf der Diätassistentin hinausgehen-

den Entwicklungsmöglichkeiten verhelfen könnte.

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Der Senat folgt auch nicht der Auffassung des Antragstellers, der Antragsgegnerin obliege mit

Blick auf das zum 01.01.2008 in Kraft getretene Unterhaltsrechtsänderungsgesetz eine erhöhte

Darlegungslast hinsichtlich des Billigkeitsgesichtspunkts der ehebedingten Nachteile. Im Ge-

genteil, unter den hier gegebenen Umständen einer gehobenen beruflichen Qualifikation und

einer bis 3/1988 ausgeübten Leitungsposition streitet für die Antragsgegnerin nach der Le-

benserfahrung bereits eine Vermutung dafür, dass sie durch die ehebedingte langjährige Un-

terbrechung ihrer Berufstätigkeit einen nachhaltigen Nachteil erlitten hat (vgl. hierzu Strohal/

Viefhus, Das neue Unterhaltsrecht, § 1578 b BGB, Rdnr. 30; OLG Hamm NJW-RR 2003,

1084/1086). Für diese Annahme spricht auch die Begründung zum Unterhaltsrechtsände-

rungsgesetz. Wie darin zum Ausdruck kommt, ist der Gesetzgeber bei der Neuregelung des

§ 1578 b BGB davon ausgegangen, dass sich für den Ehegatten, der sich ganz der Kinderer-

ziehung und/oder der Hausarbeit widmet, berufliche Nachteile entstehen und dass sich diese

mit zunehmender Dauer der Ehe erhöhen (vgl. hierzu BT-Drs. 16/1830, S. 19). Vor diesem

Hintergrund obliegt es dem Antragsteller Umstände aufzuzeigen, die für seine Darstellung

sprechen, die Antragsgegnerin habe trotz ihrer langjährigen Berufspause keine (nachhaltigen)

beruflichen Beeinträchtigungen erlitten (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2008, 134/136). Diese Be-

hauptung hat der Antragsteller jedoch nicht mit Tatsachen unterlegt.

Die Antragsgegnerin vertritt demgegenüber die Auffassung, ihr ehebedingter Nachteil sei dar-

in zu sehen, dass für sie im Hinblick auf die Arbeitsmarktlage und ihr Alter im Zeitpunkt der

Scheidung keine reale Chance mehr bestanden habe, eine angemessene Beschäftigung in ab-

hängiger Stellung zu finden. Dem ist ebenfalls nicht zu folgen. Eine solche Feststellung würde

hinreichende konkrete Bemühungen der Antragsgegnerin um eine angemessene vollschichtige

Arbeitsstelle erfordern. Wie bereits ausgeführt, fehlt es daran. Folglich liegen die Vorausset-

zungen für eine Einkommensfiktion vor. Diese setzt wiederum das vom Senat bejahte Beste-

hen einer realen Beschäftigungschance voraus.

Im Ergebnis geht der Senat davon aus, dass die Antragsgegnerin durch ihre Berufspause von

1988 bis 2002/2004 berufliche Nachteile erlitten hat, die sich nachhaltig auswirken. Es kann

unter den gegebenen Umständen und ungeachtet der fiktiven Einkommenszurechnung wegen

unzureichender Arbeitsbemühungen schon nicht angenommen werden, dass die Antragsgeg-

nerin überhaupt in der Lage ist, wieder eine leitende Stelle in ihrem erlernten Beruf oder eine

andere vergleichbar gehobene Tätigkeit zu finden. Erst recht erscheint es nicht realistisch,

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dass sie eine so hohe Vergütung beziehen kann, wie sie sie bei einer nicht unterbrochenen

Berufstätigkeit nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge im Zeitpunkt der Scheidungs-

rechtskraft erzielt hätte.

cc)

Für die Antragsgegnerin sind durch die Kindererziehung und Haushaltsführung und ihre damit

einhergehende lange Berufspause von 1988 bis 2002/2004 berufliche Nachteile eingetreten,

die sich über die Scheidung hinaus nachhaltig auswirken. Diese ehebedingten Nachteile

schlagen sich in der Höhe des Einkommens nieder, das für die Antragsgegnerin nach der von

ihr ab Anfang 2008 zu verlangenden Wiedereingliederung in das nicht selbständige Berufsle-

ben zu erzielen ist. Solche sich nachhaltig auswirkenden ehebedingten Einkommenseinbu-

ßen sprechen gegen eine zeitliche Befristung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin

(vgl. hierzu Borth, Unterhaltsrechtsänderungsgesetz, Rdnr. 151).

In diesem Zusammenhang ist an das fiktive Einkommen anzuknüpfen, das der Antragsgegne-

rin wegen Verletzung ihrer Erwerbsobliegenheit für die Zeit nach der Ehescheidung zuzu-

rechnen ist. Dieses hat der Senat vorstehend auf ein bereinigtes Nettogehalt von monatlich

1.000 € geschätzt. Das entspricht unter Zugrundelegung von Lohnsteuerklasse II/1,0 Kinder-

freibetrag sowie einer berufsbedingten Aufwendungspauschale einem monatsdurchschnittli-

chen Bruttoverdienst von rund 1.400 € und einem Jahresbruttogehalt von etwa 16.800 €.

Nach den unwidersprochenen Angaben der Antragsgegnerin im Senatstermin ist ihre Tätigkeit

in der Uni-Kinderklinik T… im Zeitpunkt der Aufgabe ihrer Berufstätigkeit Anfang 1988 auf

der Grundlage von BAT V vergütet worden. Aus der vom Amtsgericht zum Versorgungsaus-

gleich eingeholten Auskunft der DRV Bund ist zu entnehmen, dass die Antragsgegnerin im

Kalenderjahr 1987 ein Jahresbruttogehalt von 39.924 DM erzielte. Das entspricht umgerech-

net rund 20.413 €. Danach hat die Antragsgegnerin vor 20 Jahren bereits deutlich mehr

verdient, als sie heute auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt bei einem Neueinstieg in das nicht

selbständige Berufsleben zumindest als Anfangsgehalt realistisch erzielen kann. Dies macht

deutlich, dass der Antragsgegnerin aus ihrer langjährigen Kinderbetreuung und Haushaltsfüh-

rung ehebedingte Nachteile erwachsen sind. Sie führen für die Zeit nach der Scheidung zu

erheblichen Einkommenseinbußen gemessen an den Einkünften, die die Antragsgegnerin bei

einer nicht unterbrochenen Berufstätigkeit voraussichtlich erzielen könnte.

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34

b)

Nach der inzwischen ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. zuletzt BGH, FamRZ 2008,

134/135) scheidet eine Befristung des Aufstockungsunterhalts nicht schon wegen einer lan-

gen Ehedauer aus, selbst wenn die Ehe - wie hier - fast 19 Jahre gedauert hat.

c)

Sonstige Billigkeitsgesichtspunkte, die in die hier vorzunehmende individuelle Billigkeits-

abwägung einzubeziehen wären, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Unterhaltsverpflichtete auch nach dem neuen Unter-

haltsrecht die Darlegungs- und Beweislast für diejenigen Tatsachen trägt, die für eine An-

wendung von § 1578 b BGB sprechen, da es sich um eine unterhaltsbegrenzende Norm

mit Ausnahmecharakter handelt (vgl. hierzu BT-Drs. 16/1830, S. 20; Borth, a.a.O.,

Rdnr. 170). Es obliegt danach dem Antragsteller, Umstände substantiiert darzutun, die trotz

der aufgezeigten gewichtigen Tatsachen gegen die Fortdauer von ehebedingten Nachteilen

sprechen bzw. gegen ihre Wesentlichkeit. Dementsprechend ist es aufgrund seiner Darle-

gungs- und Beweislast auch Sache des Antragstellers, sonstige Billigkeitsgesichtspunkte vor-

zutragen, die für eine Unterhaltsbegrenzung sprechen (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2008,

134/136).

Trotz der ausdrücklichen Hinweise des Senats in seiner Ladungsverfügung ist das weder

schriftsätzlich noch im Verhandlungstermin geschehen. Insbesondere hat der Antragsteller

keine Umstände zu seinen Gunsten aufgezeigt, die eine dauerhafte Entschädigung der An-

tragsgegnerin für ihre ehebedingten Nachteile als unbillig erscheinen lassen und deshalb eine

zeitliche Begrenzung ihres Unterhaltsanspruchs nahe legen.

d)

Es ist allerdings grundsätzlich nicht auszuschließen, dass ehebedingte Nachteile wieder entfal-

len bzw. nach einer gewissen Zeit keinen nennenswerten Umfang mehr haben. Dies kann da-

durch geschehen, dass der Ehegatte im Rahmen seiner Obliegenheit, sich um eine angemesse-

ne Erwerbstätigkeit im Sinne von § 1574 BGB zu bemühen, eine Arbeit findet, mit der er (im

Wesentlichen) ein Einkommen erzielt, wie er es ohne die Ehe und die Kinderbetreuung erzie-

len würde (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 793/800). Ob dies im Streitfall überhaupt und

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gegebenenfalls wann gelingen könnte, lässt sich gegenwärtig nicht vorhersagen. Das gilt umso

mehr, als eine Erwerbsobliegenheitsverletzung der Antragsgegnerin und eine darauf beruhen-

de fiktive Einkommenszurechnung erst seit Anfang 2008 anzunehmen sind. Auch der Eintritt

der Rechtskraft des Scheidungsausspruchs liegt im Zeitpunkt dieser Entscheidung erst etwas

mehr als 1 Monat zurück.

Die zeitliche Begrenzung des Unterhaltsanspruchs setzt zwar nicht zwingend voraus, dass der

Zeitpunkt, ab dem der Unterhaltsanspruch entfällt, bereits erreicht ist. Wenn sämtliche rele-

vanten Umstände eingetreten oder zuverlässig voraussehbar sind, ist die Befristung vielmehr

schon im Ausgangsverfahren auszusprechen und nicht einem späteren Abänderungsverfahren

zu überlassen. Zuverlässig voraussehbar sind solche relevanten Umstände insbesondere dann,

wenn sie - wie etwa das Alter der Kinder der Parteien - vom bloßen Zeitablauf abhängen

(vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 793/799). Der Senat vermag gegenwärtig noch nicht zu be-

urteilen, ob auf mittlere oder auch längere Sicht gesehen das Einkommen der Antragsgegnerin

aus einer neu aufgenommenen Vollzeittätigkeit die festgestellten ehebedingten Nachteile voll-

ständig oder im Wesentlichen ausgleichen könnte. Die Umstände sprechen eher dagegen. Of-

fen ist ferner der genaue Zeitpunkt eines etwaigen Wegfalls ehebedingter Nachteile. Eine Be-

fristung des Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin kann auch nicht bis zum Eintritt der

Antragsgegnerin in das Rentenalter vorgenommen werden. Es lässt sich gegenwärtig noch

nicht sicher vorhersehen, ob gegebenenfalls ab Bezug der Altersrente die ehebedingten

Nachteile der Antragsgegnerin durch den mit Beschluss des Amtsgerichts aus 9/2007 ausge-

setzten und noch durchzuführenden Versorgungsausgleich zumindest größtenteils ausgegli-

chen werden können.

Die Voraussetzungen für eine zeitliche Begrenzung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs

der Antragsgegnerin gemäß § 1578 b Abs. 2 BGB sind nach all dem jedenfalls zum heuti-

gen Zeitpunkt nicht erfüllt.

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3.

Entsprechendes gilt für die vom Antragsteller beantragte Herabsetzung des Anspruchs auf

Aufstockungsunterhalt gemäß § 1578 b Abs. 1 BGB. Es lässt sich gegenwärtig (noch)

nicht die insoweit erforderliche Prognose treffen, dass und gegebenenfalls wann die zukünfti-

ge Entwicklung dazu führt, dass der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin der Höhe nach

zu begrenzen ist.

a)

Nach der Rechtsprechung des BGH richtet sich der nach § 1578 BGB zu bemessende Unter-

haltsbedarf eines Ehegatten, der seine Arbeitsfähigkeit während der Ehe ganz oder zum Teil in

den Dienst der Familie gestellt, den Haushalt geführt und nach Trennung oder Scheidung eine

Erwerbstätigkeit aufgenommen oder ausgeweitet hat, auch im Rahmen des Aufstockungsun-

terhalts nicht nur nach dem in der Ehe zur Verfügung stehenden Bareinkommen des Unter-

haltspflichtigen sowie seinem eigenen bereits erzielten bzw. ihm zuzurechnenden Einkom-

men. Vielmehr soll dieser Ehegatte auch nach der Scheidung an dem durch seine Familienar-

beit verbesserten ehelichen Lebensstandard teilhaben, weil seine in der Ehe durch Haushalts-

führung und Kindesbetreuung erbrachten Leistungen der Erwerbstätigkeit des anderen Ehegat-

ten grundsätzlich gleichwertig sind und die ehelichen Lebensverhältnisse mit geprägt haben

(vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 983/985). Gleichwohl besteht die Möglichkeit einer zeitli-

chen Begrenzung und Herabsetzung des Aufstockungsunterhalts. Sie beruht auf dem Gedan-

ken, dass eine lebenslange Beibehaltung des ehelichen Lebensstandards nur dann angemessen

ist, wenn etwa die Ehe lange gedauert hat, wenn aus ihr gemeinsame Kinder hervorgegangen

sind, die der Berechtigte betreut oder betreut hat, wenn er erhebliche berufliche Nachteile um

der Ehe willen auf sich genommen hat oder wenn sonstige Gründe - zum Beispiel Alter oder

Gesundheitszustand des Berechtigten - für eine dauerhafte Lebensstandardgarantie sprechen.

Liegen diese Voraussetzungen dagegen nicht vor, hat sich aber der Lebensstandard des Unter-

haltsberechtigten durch die Ehe verbessert, wird es sich oft als unbillig darstellen, wenn ihm

nicht nach einer Übergangszeit ein Lebensstandard abverlangt wird, der demjenigen ent-

spricht, den er vor der Ehe gehabt hat. Ein Aufstockungsunterhalt kommt dann nicht mehr bis

zum vollen eheangemessenen Unterhalt in Betracht (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2007, 200/

203).

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Auch im Streitfall kommt im Rahmen des einheitlichen Aufstockungsunterhaltsanspruchs der

Antragsgegnerin sowohl der Gesichtspunkt des Nachteilsausgleichs als auch derjenige der

Lebensstandardgarantie zum Tragen. Dem festgestellten unterhaltsrechtlichen Einkommen

des Antragstellers aus Arbeit in Höhe von bereinigt 4.140 € steht ein solches der Antrags-

gegnerin von (fiktiv) 1.000 € gegenüber. Die Differenz der beiderseitigen Einkünfte beruht

jedoch nur zu einem Teil auf den beruflichen Nachteilen, die sich für die Antragsgegnerin

aus der Aufgabenverteilung in der Ehe ergeben. Der Gedanke des Nachteilsausgleichs im Sin-

ne des § 1578 b Abs. 1 BGB greift nur im Umfang der Differenz zwischen dem der Antrags-

gegnerin fiktiv zugerechneten Betrag (von 1.000 €) und dem bei Fortführung der von ihr bis

3/1988 tatsächlich ausgeübten beruflichen Tätigkeit als Leiterin für Ernährungsberatung in

der Uni-Kinderklinik T… ein. Aus den vorstehend im Zusammenhang mit der Erörterung

einer Befristung nach § 1578 b BGB dargelegten Billigkeitsgesichtspunkten kann es auch im

Rahmen der Frage der Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs nicht als unbillig angesehen

werden, wenn die Antragsgegnerin auf Dauer vom Antragsteller für ihre ehebedingten

Nachteile entschädigt wird. In diesem (eingeschränkten) Umfang ist unter dem Gesichts-

punkt des Nachteilsausgleichs kein Raum für eine Herabsetzung des Anspruchs der Antrags-

gegnerin auf Aufstockungsunterhalt (vgl. in diesem Zusammenhang auch Borth, a.a.O.,

Rdnr. 163 f.).

Soweit der Aufstockungsunterhalt der Antragsgegnerin dagegen auf der Lebensstandardga-

rantie beruht, greift der Grundsatz der Eigenverantwortung nach § 1569 BGB ein. Die Vor-

schrift betont den Ausnahmecharakter des nachehelichen Unterhalts und verlangt positiv, dass

sich jeder Ehegatte grundsätzlich selbst zu unterhalten hat. Durch die Neufassung des § 1569

BGB soll klargestellt werden, dass Unterhalt in der Regel die wirtschaftliche Situation des

berechtigten Ehegatten nicht verbessern, sondern (jedenfalls auf Dauer) nur dazu dienen soll,

die Nachteile auszugleichen, die im Zusammenhang mit der Ehe - insbesondere wegen der

vereinbarten Aufgabenverteilung - eingetreten sind. Die Vorschrift des § 1569 Satz 1 BGB ist

danach als Programmsatz für die gesamte Neuregelung zu verstehen, die bei der Auslegung

jedes Unterhaltstatbestands und bei der Frage einer etwaigen Unterhaltsbegrenzung zu be-

rücksichtigen ist (vgl. hierzu Bosch, a.a.O., 293).

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b)

Der Senat geht mit dem Antragsteller im Grundsatz davon aus, dass es der Antragsgegnerin

nach einer Übergangszeit zumutbar sein wird, auf einen Lebensstandard nach den ehelichen

Lebensverhältnissen (§ 1578 Abs. 1 Satz 1 BGB) zu verzichten. Sie muss sich dann mit dem

Standard begnügen, den sie ohne die Ehe erreicht hätte. Der fortdauernde und - wie vorste-

hend ausgeführt - nicht zu befristende Anspruch der Antragsgegnerin auf Aufstockungsunter-

halt hat sich nach der Übergangszeit darauf zu beschränken, die Nachteile auszugleichen,

die als ehebedingt anzusehen sind. Allerdings lässt sich auch in diesem Zusammenhang zum

heutigen Zeitpunkt noch keine hinreichend zuverlässige Prognose für die Festlegung der zu-

zubilligenden Übergangszeit treffen. Die Entscheidung über eine Herabsetzung des errechne-

ten Unterhaltsanspruchs der Antragsgegnerin ist deshalb einer späteren Abänderung nach

§ 323 Abs. 2 ZPO vorzubehalten. Hierbei hat sich der Senat von folgenden Überlegungen

leiten lassen:

aa)

Wie sich aus den vom Amtsgericht für den Versorgungsausgleich eingeholten Auskünften

ergibt, ist die nacheheliche Einkommensdifferenz nicht nur auf ehebedingte Nachteile zurück-

zuführen. Sie beruht auch darauf, dass beide Parteien schon vor der Ehe infolge ihrer Be-

rufsausbildung einen unterschiedlichen Lebensstandard erreicht hatten. Im Jahr vor der Ehe-

schließung, also 1986, verfügte der Antragsteller als angestellter Apotheker über ein Jahres-

entgelt von rund 61.284 DM brutto. Demgegenüber erzielte die Antragsgegnerin seinerzeit

mit ihrer Anstellung als Diätassistentin Jahresbruttoeinkünfte von 37.812 DM. Es bestand

also im Zeitpunkt der Heirat ein ausbildungsbedingtes Einkommensgefälle. Abweichendes

wird auch von der Antragsgegnerin nicht vorgetragen. Vor dem Hintergrund, dass die Ge-

samtbruttoeinkünfte des Antragstellers im Kalenderjahr 2007 einen Betrag von rund 90.918 €

erreicht haben, kann angenommen werden, dass sich das ursprüngliche Einkommensgefälle

ohne die Berufspause der Antragsgegnerin fortgesetzt bzw. weiter vergrößert hätte. Das gilt

umso mehr angesichts des beruflichen Fortkommens des Antragstellers während der Ehe und

seiner in dieser Zeit erreichten leitenden Position.

bb)

Auf der anderen Seite ist in die Billigkeitsabwägung der Gesichtspunkt einzubeziehen, dass

die Antragsgegnerin aufgrund ihrer in der Ehe durch Haushaltsführung und Kinderbetreuung

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erbrachten Leistungen die berufliche Weiterentwicklung des Antragstellers seit der Eheschlie-

ßung mit möglich gemacht hat.

Der Antragsteller arbeitet seit mehreren Jahren als Leiter der Krankenhausapotheke in den

D… Kliniken B…. Eine solche Stellung hatte er im Zeitpunkt der Eheschließung nicht inne.

Einerseits war der Antragsteller während der Ehe unstreitig beruflich immer stark ein-

gebunden. Andererseits wünschte er sich ein Familienleben mit Kindern. Entsprechend den

gemeinsamen Vorstellungen der Eltern waren die beiden 1988 und 1990 geborenen Töchter

Mitglieder im Ballettverein, im Schwimmverein, im Kinderchor, im Sportverein und im Reit-

verein. An Wochenenden nahmen sie an Wettkämpfen und Auftritten teil. Nach der unwider-

sprochenen Darstellung der Antragsgegnerin konnte der Antragsteller aufgrund seiner berufli-

chen Belastung die damit verbundenen Leistungen nicht erbringen. Daher übernahm verabre-

dungsgemäß die Antragsgegnerin alle Aufgaben betreffend die gemeinsamen Kinder. Weiter

ist zu berücksichtigen, dass die Tätigkeit des Antragstellers nach seinen eigenen Angaben an

7 Terminen pro Monat Nachtdienste bzw. Rufbereitschaftsdienste im Krankenhaus mit sich

bringt. Mit Blick darauf wurde auch schon während der Ehe die Eigentumswohnung des An-

tragstellers in B… als Zweitwohnung zur Übernachtung für die Zeiten seiner Rufbereitschaft

und Nachtdienste unterhalten. Der Antragsteller konnte daher in B… bleiben. Bei einer stärke-

ren Einbindung in den Aufgabenkreis im Zusammenhang mit minderjährigen Kindern lassen

sich solche regelmäßigen und den Antragsteller entlastenden Übernachtungen außer Haus nur

schwer verwirklichen. Der berufliche Aufstieg des Antragstellers während der Ehe vom ange-

stellten Apotheker zum Leiter der Krankenhausapotheke ist daher nicht zuletzt dem Umstand

mit zu verdanken, dass die Antragsgegnerin ihm „den Rücken freigehalten„ hat. In die Bil-

ligkeitsabwägung einzubeziehen ist deshalb auch der Gesichtspunkt, dass sich der Antragstel-

ler über viele Jahre hinweg ohne Einschränkung durch Aufgaben im Zusammenhang mit den

gemeinsamen Kindern und dem gemeinsamen Haushalt um sein Vorwärtskommen im Beruf

kümmern konnte. Demgegenüber war die Antragsgegnerin 14 Jahre lang aus der Arbeitswelt

vollständig herausgelöst. Ihre eigene berufliche Entwicklung stagnierte. Diese Umstände

rechtfertigen im Rahmen der Billigkeitsabwägung eine längere Teilhabe der Antragsgegnerin

an dem vollen Einkommen des Antragstellers.

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cc)

Weiterhin zu berücksichtigen ist, dass die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien über den

Zeitpunkt der Scheidung hinaus weiter verflochten sind. Nach den Angaben der Parteien im

Senatstermin ist offen, ob das gemeinsame Haus in N… an Dritte verkauft wird, oder ob der

Antragsteller den Miteigentumsanteil der Antragsgegnerin übernimmt. Dementsprechend ist

offen, ob und wie lange der auf dem Haus lastende Kredit in Zukunft noch abgetragen werden

muss, oder ob bei einem Hausverkauf gegebenenfalls ein Überschuss erzielt werden kann.

Letzteres könnte dazu führen, dass die Antragsgegnerin neben ihren Eigeneinkünften und Un-

terhaltszahlungen über zusätzliche Rücklagen verfügt. Dies wäre ebenfalls ein für die Billig-

keitsentscheidung berücksichtigungsfähiger Gesichtspunkt (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2008,

134/136).

dd)

Nicht sicher zu beurteilen ist schließlich, wie sich die vom Antragsteller im Senatstermin an-

gesprochene Leukämieerkrankung entwickelt und ob sich daraus gegebenenfalls in die Billig-

keitsabwägung einzustellende gesundheitliche Einschränkungen ergeben.

ee)

In der Gesamtschau erscheint es unter Berücksichtigung der im Einzelnen aufgezeigten Um-

stände nicht unbillig, der Antragsgegnerin eine längere Übergangszeit einzuräumen, in der

sie die volle Unterhaltsleistung des Antragstellers zur Verfügung hat. Die Übergangszeit muss

sich nicht schematisch an der Ehedauer orientieren. Vielmehr findet die Übergangszeit ihren

Grund darin, dass der Unterhaltsberechtigte nach der Ehescheidung Zeit benötigt, um sich auf

die Kürzung des eheangemessenen Unterhalts einzustellen Hierbei kann auch die Dauer der

Ehe nicht unberücksichtigt bleiben (vgl. hierzu BGH, FamRZ 2008, 134/136). Angesichts der

gehobenen finanziellen Verhältnisse, in denen die Parteien gelebt haben, und der im Laufe der

Ehe größer gewordenen Differenz zwischen dem Einkommen des Antragstellers und den ohne

die Ehe für die Antragsgegnerin erzielbaren Einkünften sowie der langen Ehedauer von mehr

als 18 Jahren wird der Antragsgegnerin eine längere mehrjährige Übergangszeit zuzubilligen

sein. Aus heutiger Sicht - und ohne Präjudiz für ein zukünftiges Abänderungsverfahren -

hält der Senat eine Herabsetzung etwa 8 Jahre nach rechtskräftiger Ehescheidung nicht für

unbillig. Unter Einschluss der Zeit, für die Trennungsunterhalt begehrt wird (seit 4/2006),

könnte die Antragsgegnerin aus heutiger Sicht also für eine Übergangszeit von rund 10 Jahren

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den vollen Aufstockungsunterhalt nach den ehelichen Lebensverhältnissen gemäß § 1578

Abs. 1 Satz 1 BGB beanspruchen, bevor ihr Unterhaltsanspruch herabgesetzt wird. Gegen-

wärtig sind jedoch noch nicht sämtliche für eine Unterhaltsherabsetzung relevanten Umstände

eingetreten. Es ist auch nicht zuverlässig vorhersehbar, wie sich diese in der langen Über-

gangszeit bis voraussichtlich zum Jahr 2016 auf Seiten beider Parteien entwickeln werden.

Der Senat sieht deshalb davon ab, schon heute den genauen Zeitpunkt und den Umfang einer

Herabsetzung festzulegen. Hierfür spricht gerade auch, dass zum gegenwärtigen Zeitpunkt

noch nicht sicher voraussehbar ist, wie sich die künftige Erwerbsbiographie der Antragsgeg-

nerin gestaltet. Unvorhersehbar ist vor allem, welches Einkommen die Antragsgegnerin als

Leiterin für Ernährungsberatung der Uni-Kinderklinik T… im Jahr 2016 voraussichtlich erzie-

len könnte. Das aber gewinnt für die Höhe des gebotenen Nachteilsausgleichs Bedeutung. Die

für den Umfang der Herabsetzung maßgebenden Umstände können zu gegebener Zeit besser

und zuverlässiger beurteilt werden. Das gilt umso mehr, als im Rahmen einer späteren Abän-

derungsentscheidung zu berücksichtigen sein wird, dass der Anspruch auf Altersvorsorgeun-

terhalt auf den Zeitpunkt zu begrenzen ist, zu dem die Antragsgegnerin das allgemeine Ren-

teneintrittsalter erreicht (vgl. hierzu BGH, NJW 2000, 284/287). Das wiederum würde eine

neue Berechnung des dann (nur noch) geschuldeten und der Höhe nach (nur noch) auf einen

Nachteilsausgleich gerichteten fortdauernden Elementarunterhalts erforderlich machen. Bei-

den Parteien erwächst aus der Verweisung auf ein späteres Abänderungsverfahren kein Nach-

teil. Das gilt gerade auch deshalb, weil die Antragsgegnerin mit Blick auf diese Entscheidung

nicht von einer unbegrenzten Lebensstandardgarantie ausgehen darf. Sie muss sich bereits

jetzt darum bemühen, ihre persönlichen und finanziellen Verhältnisse im Laufe einer Über-

gangszeit auf die Einkünfte einzustellen, die ihrer vor der Ehe ausgeübten Position als Leiterin

für Ernährungsberatung der Uni-Kinderklinik T… entsprechen würde.

Da die Entscheidung über eine Unterhaltsherabsetzung einem etwaigen späteren Abände-

rungsverfahren zu überlassen ist, bedarf es im Rahmen dieser Entscheidung keiner Feststel-

lungen zu der genauen Höhe der ehebedingten Einkommenseinbußen, die sich für die An-

tragsgegnerin aus der langjährigen Kindererziehung und Haushaltsführung ergeben.

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Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 710 ZPO. Die Revision

wird gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO im Hinblick auf die Frage der Befristung und/oder Her-

absetzung des Unterhaltsanspruchs gemäß § 1578 b BGB zugelassen.

Prof. Schael Gutjahr Dr. Liceni-Kierstein