IMPRESSUM JUGENDLICHE ADOPTIEREN STOLPERSTEINE … · DIE JUDEN IN FRIEDRICHSHAIN ROUTE 1 FRIEDA +...

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IMPRESSUM Die Deutsche Gesellschaft e. V. setzt sich in den Themenbereichen EU & Europa, Kultur & Gesellschaft sowie Politik & Geschichte für Aufarbei- tung, Vernetzung und Aufklärung ein. Mit über 500 Veranstaltungen im Jahr gehört sie zu den aktivsten Nicht-Regierungsorganisationen im Bereich der politischen und kulturellen Bildungsarbeit. Interessierten Bürgerinnen und Bürgern bietet die Deutsche Gesellschaft e. V. die Möglichkeit in Foren, Workshops, Konferenzen, auf Studienreisen oder bei Austauschprogrammen über aktuelle gesellschaftspolitische Fragen zu diskutieren. Außerdem schreibt sie regelmäßig Essay- und Ideen- wettbewerbe aus, die dazu aufrufen, sich mit gegenwartsnahen Themen näher zu befassen – sei es die Finanzkrise, der Wertewandel oder die Frage der Identität. Fotonachweise: Blindenwerkstatt: „Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt/Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ | Frauengefängnis Barnimstraße: BArch, Bild 102-12435/Foto: k.A. | Osram-Höfe, Warschauer Straße: BArch,Bild 183-1987-0911-501/CC-BY-SA | Frieden- straße (Kruschinski): LArch Berlin/Foto: k.A./F Rep. 290 (01) Nr. 0340143 | Landsber- ger Straße 57: LArch Berlin/Foto: k.A./F Rep.290(01) Nr.0201716 | Schlesischer Bahn- hof: LArch Berlin/Foto: k.A./F Rep.290(02)Nr.0280886 | Hildegard Jadamowitz: BArch, BildY 10-624/77 | Fotografien farbig: Schüler der Schule in der Charité Schule: Schule in der Charité, Berlin Friedrichshain Seminarleitung: Maria Hufenreuter, Deutsche Gesellschaft e.V. | Gestaltung: thorstenbieber.de | Karte: Bettina Kubanek, Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin, aus der Broschüre: Stolpersteine in Berlin. 12 Kiezspaziergänge Ein Projekt der: Deutsche Gesellschaft e. V. Voßstr. 22 10117 Berlin-Mitte www.deutsche-gesellschaft-ev.de Gefördert von: Partner: Deutsche Gesellschaft e.V. Die Deutsche Gesellschaft e. V. bietet Schülern und Schülerinnen seit 2007 ein Stolperstein-Projekt an. In diesem Jahr richtete sich „Jugend- liche adoptieren Stolpersteine“ an ausgewählte Kinder und Jugendliche der Schule in der Charité, die bisher noch wenig oder nichts über das Thema „Berliner Juden im Nationalsozialismus“ wussten. Die psychisch erkrankten Schülerinnen und Schüler sollten historisch sensibilisiert werden für das verschwundene jüdische Leben in Fried- richshain, für die systematische Entrechtung und Vernichtung der Juden, für jüdische Lebensorte mitten in der Friedrichshainer Nachbarschaft. Unter Anleitung erforschten sie Biografien von jüdischen Berliner Bürgern im Kiez und präsentierten sie bei einem Stolpersteinspazier- gang der Öffentlichkeit. Die Recherchearbeit und die Ergebnisse einer Schreibwerkstatt sind als historischer Spaziergang entlang der ausge- wählten Stolpersteine nun in diesem „Kiezführer“ veröffentlicht. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert. JUGENDLICHE ADOPTIEREN STOLPERSTEINE Ein Projekt zur Auseinandersetzung mit dem jüdischem Leben in Berlin. Juden wurden zuerst 1938 zur Zwangsarbeit verpflichtet und vor allem im Bauwesen oder der Stadtreinigung eingesetzt, ab 1939 in allen Zweigen der Rüstungsindustrie. Sie waren ihren Arbeitgebern wie Skla- ven ausgeliefert und mussten beinahe in jedem größeren Berliner Un- ternehmen arbeiten. Aber auch in etwas kleineren Geschäften beuteten sie die Ladenbesitzer aus. Ab 1940 wurden die jüdischen Zwangsarbei- ter auch noch in sogenannten „Judenwohnungen“ zusammengepfercht. Diese Zwangsarbeiterwohnungen gab es in beinah allen Stadtteilen Berlins. Ab 1941 begannen die Deportationen und das warf die Frage auf, wie mit den 20.000 jüdischen Berliner Zwangsarbeitern verfahren werden sollte. „Schließlich wurden sie noch in der Rüstungsindustrie gebraucht.“ Doch Hitler entschied, dass Berlin um jeden Preis rasch „judenrein“ werden sollte und so wurden auch auch die Zwangsarbeiter verschleppt und ermordet. Im Februar 1943 ließen die Nationalsozialisten mit der „Fabrik-Aktion’’ die letzten jüdischen Zwangsarbeiter in Sammellager und von dort in die Vernichtungslager bringen. Als „Ersatz“ für die Juden wurden noch mehr osteuropäische Zwangsarbeiter nach Berlin geholt. Text: Tolga, 16 JÜDISCHE ZWANGSARBEITER IN FRIEDRICHSHAIN HILDEGARD JADAMOWITZ DAS FRAUENGEFÄNGNIS BARNIMSTRASSE 3 ÜBER GESCHICHTE STOLPERN Jugendliche adoptieren Stolpersteine. Eine Auseinandersetzung mit dem jüdischen Leben in Berlin-Friedrichshain. Innenansicht (1931) Das Gefängnis war zwischen 1933 und 1945 eine Untersuchungshaftan- stalt der Gestapo und eine Zwischenstation auf dem Weg zur Hinrich- tungsstätte Plötzensee. In dieser Zeit starben knapp 3000 Frauen aus der Barnimstraße im Konzentrationslager oder in Plötzensee unter dem Fallbeil. So auch die jüdischen Frauen aus der „Widerstandsgruppe Baum“. Der Anteil der Jüdinnen im Gefängnis betrug etwa 5 Prozent. Sie wur- den von den Nazis kriminalisiert und verurteilt, weil sie sich Lebensmit- tel oder Kohlen besorgt hatten, die sie zum Überleben brauchten, weil sie sich weigerten, Zwangsarbeit zu verrichten, den „Stern“ zu tragen oder weil sie sich das „J“ nicht in den Ausweis stempeln ließen. Selbst im Gefängnis waren die Jüdinnen von den Nicht-Jüdinnen getrennt. Ihre Zellentüren wurden mit einem „M“ für „mosaisch“ gekennzeichnet. Das Gefängnis verfügte über eine Mutter Kind Abteilung, in der die Insassinnen auch gebären konnten. Zwischen 1868 und 1933 saßen vor allem Prostituierte dort ein. Politische Gefangene wie die Jüdin Rosa Luxemburg blieben einen Ausnahme. 1974 wurden die Gebäude in der Barnimstraße abgerissen. Auf dem Gelände wurde zunächst ein Schulgarten und in den 1990er-Jahren eine Verkehrsschule eingerichtet. Osram-Höfe, Warschauer Straße (1930) Hildegard Jadamowitz Hildegard Jadamowitz wurde am 12. Februar 1916 in Berlin Neukölln geboren. Als sie und ihre Schwester noch Kinder waren, starb ihre Mutter und sie wurden von ihrer jüdischen Großmutter erzogen. Hildegard war sehr begabt und wurde auf die fortschrittliche Rütli-Schule geschickt, wo ihre jüdische Herkunft keine Rolle spielte. Als erwachsene Frau engagierte sie sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten. 1936 musste sie wegen Hochverrats ins Gefängnis. Aus Mangel an Bewei- sen wurde sie jedoch wieder freigesprochen. Hilde wollte Röntgenassistentin werden und agierte gleichzeitig weiter im illegalen Widerstand. Sie half jüdischen Zwangsarbeitern bei Siemens, zu fliehen, besorgte Lebensmittel, Wohnungen, Kleidung und Medikamente für Leute in Not und sabotierte 1941 und 1942 Bahngleise, so dass mehre- re Tage keine Transporte erfolgen konnten. Sie schloss sich der jüdischen Widerstandsgruppe „Baum“ an, die am 18. Mai 1942 einen Brandanschlag auf eine Hetzausstellung der Nazis verübte. Am 22. Mai 1942 wurde sie mit 20 anderen Frauen und Männern verhaftet und zum Tode verurteilt. Hildegard wurde am 17. 08. 1942 vom Frauengefängnis Barnimstraße nach Plötzensee verlegt und starb am nächsten Tag unter dem Fallbeil (Guillotine). Text: Chanty, 14

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Die Deutsche Gesellschaft e. V. setzt sich in den Themenbereichen EU & Europa, Kultur & Gesellschaft sowie Politik & Geschichte für Aufarbei-tung, Vernetzung und Aufklärung ein. Mit über 500 Veranstaltungen im Jahr gehört sie zu den aktivsten Nicht-Regierungsorganisationen im Bereich der politischen und kulturellen Bildungsarbeit. Interessierten Bürgerinnen und Bürgern bietet die Deutsche Gesellschaft e. V. die Möglichkeit in Foren, Workshops, Konferenzen, auf Studienreisen oder bei Austauschprogrammen über aktuelle gesellschaftspolitische Fragen zu diskutieren. Außerdem schreibt sie regelmäßig Essay- und Ideen-wettbewerbe aus, die dazu aufrufen, sich mit gegenwartsnahen Themen näher zu befassen – sei es die Finanzkrise, der Wertewandel oder die Frage der Identität.

Fotonachweise: Blindenwerkstatt: „Museum Blindenwerkstatt Otto Weidt/Gedenkstätte Deutscher Widerstand“ | Frauengefängnis Barnimstraße: BArch, Bild 102-12435/Foto: k.A. | Osram-Höfe, Warschauer Straße: BArch,Bild 183-1987-0911-501/CC-BY-SA | Frieden- straße (Kruschinski): LArch Berlin/Foto: k.A./F Rep. 290 (01) Nr. 0340143 | Landsber-ger Straße 57: LArch Berlin/Foto: k.A./F Rep.290(01) Nr.0201716 | Schlesischer Bahn-hof: LArch Berlin/Foto: k.A./F Rep.290(02)Nr.0280886 | Hildegard Jadamowitz: BArch, BildY 10-624/77 | Fotografien farbig: Schüler der Schule in der Charité

Schule: Schule in der Charité, Berlin Friedrichshain Seminarleitung: Maria Hufenreuter, Deutsche Gesellschaft e.V. | Gestaltung: thorstenbieber.de | Karte: Bettina Kubanek, Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin, aus der Broschüre: Stolpersteine in Berlin. 12 Kiezspaziergänge

Ein Projekt der:

Deutsche Gesellschaft e. V.Voßstr. 2210117 Berlin-Mittewww.deutsche-gesellschaft-ev.de

Gefördert von: Partner:

Deutsche Gesellschaft e.V.

Die Deutsche Gesellschaft e. V. bietet Schülern und Schülerinnen seit 2007 ein Stolperstein-Projekt an. In diesem Jahr richtete sich „Jugend-liche adoptieren Stolpersteine“ an ausgewählte Kinder und Jugendliche der Schule in der Charité, die bisher noch wenig oder nichts über das Thema „Berliner Juden im Nationalsozialismus“ wussten.

Die psychisch erkrankten Schülerinnen und Schüler sollten historisch sensibilisiert werden für das verschwundene jüdische Leben in Fried-richshain, für die systematische Entrechtung und Vernichtung der Juden, für jüdische Lebensorte mitten in der Friedrichshainer Nachbarschaft. Unter Anleitung erforschten sie Biografien von jüdischen Berliner Bürgern im Kiez und präsentierten sie bei einem Stolpersteinspazier-gang der Öffentlichkeit. Die Recherchearbeit und die Ergebnisse einer Schreibwerkstatt sind als historischer Spaziergang entlang der ausge-wählten Stolpersteine nun in diesem „Kiezführer“ veröffentlicht. Das Projekt wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend gefördert.

JUGENDLICHE ADOPTIEREN STOLPERSTEINEEin Projekt zur Auseinandersetzung mit dem jüdischem Leben in Berlin.

Juden wurden zuerst 1938 zur Zwangsarbeit verpflichtet und vor allem im Bauwesen oder der Stadtreinigung eingesetzt, ab 1939 in allen Zweigen der Rüstungsindustrie. Sie waren ihren Arbeitgebern wie Skla-ven ausgeliefert und mussten beinahe in jedem größeren Berliner Un-ternehmen arbeiten. Aber auch in etwas kleineren Geschäften beuteten sie die Ladenbesitzer aus. Ab 1940 wurden die jüdischen Zwangsarbei-ter auch noch in sogenannten „Judenwohnungen“ zusammengepfercht. Diese Zwangsarbeiterwohnungen gab es in beinah allen Stadtteilen Berlins. Ab 1941 begannen die Deportationen und das warf die Frage auf, wie mit den 20.000 jüdischen Berliner Zwangsarbeitern verfahren werden sollte. „Schließlich wurden sie noch in der Rüstungsindustrie gebraucht.“ Doch Hitler entschied, dass Berlin um jeden Preis rasch „judenrein“ werden sollte und so wurden auch auch die Zwangsarbeiter verschleppt und ermordet.

Im Februar 1943 ließen die Nationalsozialisten mit der „Fabrik-Aktion’’ die letzten jüdischen Zwangsarbeiter in Sammellager und von dort in die Vernichtungslager bringen. Als „Ersatz“ für die Juden wurden noch mehr osteuropäische Zwangsarbeiter nach Berlin geholt.

Text: Tolga, 16

JÜDISCHE ZWANGSARBEITER IN FRIEDRICHSHAIN HILDEGARD JADAMOWITZDAS FRAUENGEFÄNGNIS BARNIMSTRASSE3

ÜBER GESCHICHTE STOLPERNJugendliche adoptieren Stolpersteine. Eine Auseinandersetzung mit dem jüdischen Leben in Berlin-Friedrichshain.

Innenansicht (1931)

Das Gefängnis war zwischen 1933 und 1945 eine Untersuchungshaftan-stalt der Gestapo und eine Zwischenstation auf dem Weg zur Hinrich-tungsstätte Plötzensee. In dieser Zeit starben knapp 3000 Frauen aus der Barnimstraße im Konzentrationslager oder in Plötzensee unter dem Fallbeil. So auch die jüdischen Frauen aus der „Widerstandsgruppe Baum“.

Der Anteil der Jüdinnen im Gefängnis betrug etwa 5 Prozent. Sie wur-den von den Nazis kriminalisiert und verurteilt, weil sie sich Lebensmit-tel oder Kohlen besorgt hatten, die sie zum Überleben brauchten, weil sie sich weigerten, Zwangsarbeit zu verrichten, den „Stern“ zu tragen oder weil sie sich das „J“ nicht in den Ausweis stempeln ließen. Selbst im Gefängnis waren die Jüdinnen von den Nicht-Jüdinnen getrennt. Ihre Zellentüren wurden mit einem „M“ für „mosaisch“ gekennzeichnet. Das Gefängnis verfügte über eine Mutter Kind Abteilung, in der die Insassinnen auch gebären konnten. Zwischen 1868 und 1933 saßen vor allem Prostituierte dort ein. Politische Gefangene wie die Jüdin Rosa Luxemburg blieben einen Ausnahme. 1974 wurden die Gebäude in der Barnimstraße abgerissen. Auf dem Gelände wurde zunächst ein Schulgarten und in den 1990er-Jahren eine Verkehrsschule eingerichtet.

Osram-Höfe, Warschauer Straße (1930) Hildegard Jadamowitz

Hildegard Jadamowitz wurde am 12. Februar 1916 in Berlin Neukölln geboren. Als sie und ihre Schwester noch Kinder waren, starb ihre Mutter und sie wurden von ihrer jüdischen Großmutter erzogen. Hildegard war sehr begabt und wurde auf die fortschrittliche Rütli-Schule geschickt, wo ihre jüdische Herkunft keine Rolle spielte. Als erwachsene Frau engagierte sie sich im Widerstand gegen die Nationalsozialisten.1936 musste sie wegen Hochverrats ins Gefängnis. Aus Mangel an Bewei-sen wurde sie jedoch wieder freigesprochen. Hilde wollte Röntgenassistentin werden und agierte gleichzeitig weiter im illegalen Widerstand. Sie half jüdischen Zwangsarbeitern bei Siemens, zu fliehen, besorgte Lebensmittel, Wohnungen, Kleidung und Medikamente für Leute in Not und sabotierte 1941 und 1942 Bahngleise, so dass mehre-re Tage keine Transporte erfolgen konnten. Sie schloss sich der jüdischen Widerstandsgruppe „Baum“ an, die am 18. Mai 1942 einen Brandanschlag auf eine Hetzausstellung der Nazis verübte. Am 22. Mai 1942 wurde sie mit 20 anderen Frauen und Männern verhaftet und zum Tode verurteilt.

Hildegard wurde am 17. 08. 1942 vom Frauengefängnis Barnimstraße nach Plötzensee verlegt und starb am nächsten Tag unter dem Fallbeil (Guillotine).

Text: Chanty, 14

Page 2: IMPRESSUM JUGENDLICHE ADOPTIEREN STOLPERSTEINE … · DIE JUDEN IN FRIEDRICHSHAIN ROUTE 1 FRIEDA + MAX TREU 2 KURT ABRAHAM DIE BLINDENWERKSTATT OTTO WEIDT 106 am Platz der Vereinten

FRIEDA + MAX TREUDIE JUDEN IN FRIEDRICHSHAIN ROUTE 1 KURT ABRAHAM2 DIE BLINDENWERKSTATT OTTO WEIDT

106 107a m P l at z d e r V e r e i n t e n n at i o n e n . J u g e n d l i c h e a d o P t i e r e n s t o l P e r s t e i n e

Startpunkt ist die Straßenbahnhaltestelle Platz der Vereinten Nationen (M5, M6, M8), Zielpunkt ist die Haltestelle Büschingstraße an derselben Straßenbahnlinie. Die Straßenbahnen fahren in Richtung Stadtmitte oder zum S- Bahnhof Landsberger Allee. strecke: ca. 2 Kilometer

Die Deutsche Gesellschaft e. V. bietet Schülerinnen und Schülern seit 2007 ein Stolperstein-Projekt an. 2013 rich-tete sich »Jugendliche adoptieren Stolpersteine« an ausge-wählte Kinder und Jugendliche der Schule in der Charité, die bisher nur wenig oder nichts über das Thema Juden im Nationalsozialismus wussten. Ziel ist, sie für das ver-schwundene jüdische Leben in Friedrichshain, für die sys-tematische Entrechtung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung und für jüdische Lebensorte mitten in der Friedrichshainer Nachbarschaft zu sensibilisieren.

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Friedenstraße 46

Frieda Treu kam am 14.September 1884 in Stettin (Pommern) zur Welt. In Berlin traf sie auf Max Treu, der Vater zweier Söhne war und sie heira-tete. Sie hatte keine eigenen Kinder, lebte aber mit Max Treu bei dessen Sohn in der Friedenstraße 27 (heute 46). Beide Söhne sorgten für den Unterhalt von Vater und Stiefmutter. Frieda Treu wurde am 29. Juni 1943 ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert und starb dort am 30. November 1943 an den fürchterlichen Bedingungen.

Max Treu wurde am 30. Oktober 1870 in Stolp/Slupsk geboren. Stolp war eine preußische Provinz in Pommern. Es ist unbekannt, wann Max Treu nach Berlin kam. Er war zweimal verheiratet und hatte zwei Söh-ne aus erster Ehe: Paul Max Willi Treu, geboren am 4. Juni 1895 und Fritz Karl Treu, geboren am 13. September 1897. Seine zweite Frau Frieda war eine Jüdin. Max Treu war evangelisch. Ein Elternteil von ihm war auch jüdischer Herkunft und deshalb fiel er in die Kategorie: „Geltungsjude, Mischling ersten Grades“. So war er der Verfolgungs-politik der Nationalsozialisten ausgeliefert. Max Treu wurde mit dem Alterstransport am 29. Juni 1943 zusammen mit seiner Frau nach Theresienstadt deportiert und starb dort am 20. Januar 1944 kurz nach dem Tod seiner Frau.

Text: Alexander, 16

Kurt Abraham wurde am 24.1. 1906 in Breslau (Schlesien) geboren. Er wohnte zuerst in der Landsberger Straße 154, anschließend in der Kop-penstraße 9 zur Untermiete. Zuletzt wohnte er in der Landsberger Straße 15, wo sich heute der Platz der Vereinten Nationen befindet. Abraham lebte allein. Bis zum 17. Oktober 1941 arbeitete er in der Blindenwerk-statt Otto Weidt. Diese Zwangsarbeit schützte ihn vor der Deportation. Abraham wurde dennoch am 18.10. 1941 mit etwa 1000 anderen Juden nach Litzmannstadt ins Ghetto deportiert. Nach sechs Monaten brachte man ihn ins Vernichtungslager Chelmno. Wann er dort ermordet wurde, ist unbekannt.

Otto Weidt musste den noch ausstehenden Lohn von 7,50 Reichsmark an das Finanzamt Moabit-West überweisen. Dieses Geld und Abrahams Ersparnisse von 1,43 Reichsmark erklärte die Oberfinanzkasse des Ober-finanzpräsidenten von Berlin-Brandenburg als „dem Reich verfallen“.

Text: Matteo, 14

Platz der Vereinten Nationen 26 Landsberger Straße (1929)

Otto Weidt lebte von 1883 bis 1947 und eröffnete 1936 in einer Kellerwohnung in Kreuzberg seine Werkstatt, wo Bürsten und Besen hergestellt wurden. Er selbst war erblindet.

Im Jahr 1940 zog Otto Weidt nach Berlin Mitte und ließ sich in der Rosenthaler Straße in einem Seitenflügel nieder. Dort hatte er 30 blinde und gehörlose jüdische Angestellte. Weil seine Bürsten für den Krieg gebraucht wurden, galt seine Werkstatt als „wehrwichtig“. Otto Weidts jüdische Angestellte blieben durch diese Arbeit vor der Deportation geschützt. Außerdem versuchte Otto Weidt zusammen mit Freunden, sie vor den Nationalsozialisten zu retten. Er bestach Gestapo Beamte, versteckte Juden in seiner Werkstatt und half anderen, „unterzutauchen“. Seine Freunde besorgten Lebensmittel und falsche Papiere und holten die jüdischen Angestellten sogar aus Sammellagern zurück.

Text: Alex, 15

Arbeiterinnen und Arbeiter der Blindenwerkstatt

Der Bezirk Friedrichshain entstand 1920 im sogenannten „Roten Osten“ Berlins. 1925 lebten dort 8000 Juden. Berlin hatte etwa 4 Millionen Einwohner. Insgesamt betrug der Anteil der jüdischen Bevölkerung mit 160.000 circa 5 Prozent. Die Juden kamen meist von Verfolgung und Elend getrieben aus dem Osten Europas (Rumänien, Polen, Ukraine, Slowakei, Russland und Ungarn) am Schlesischen Bahnhof (heute Ostbahnhof) an, auf der Durchreise nach Amerika. Sie hielten in Berlin, um das nötige Geld für die Überfahrt zu verdienen. Zuerst kamen die Männer, dann holten sie ihre Familien nach. Viele mussten bleiben, weil sie zu wenig Geld verdienten, weil der Erste Weltkrieg dazwischen kam und außerdem in den USA Immigrationsbeschränkungen galten. Rund um den Schlesischen Bahnhof entstand ein jüdisches Viertel. Die ärmeren Friedrichshainer Juden wohnten zwischen Stralauer Platz und Frankfurter Allee, die etwas wohlhabenderen um die Warschauer Straße herum. Dort befand sich auch das jüdische Unternehmen Osram.

1941 begannen die Massendeportationen, bei denen in zehn Wochen 372 jüdische Friedrichshainer nach Lodz, Minsk, Kowno oder Riga deportiert wurden.

Es ist schwierig, Informationen über Friedrichshainer Juden zu sammeln, weil viele Dokumente kurz vor Kriegsende von den Nazis vernichtet und bei den Bombardements zerstört wurden. Viele Juden kamen auch bei Fluchtversuchen und Massenerschießungen ums Leben oder starben an Hunger und in brennenden einstürzenden Häusern, da sie nicht in die Luftschutzkeller durften.

Text: David, 17 / Samer, 16

Schlesischer Bahnhof, heute Ostbahnhof (um 1930)

1 FRIEDA + MAX TREU2 KURT ABRAHAM3 FRAUENGEFÄNGNIS BARNIMSTRASSE

Friedenstraße, Restauration Emil Kruschinski (um 1920)