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Liebe Leserin, lieber Leser Ausbeutung ist bei der Herstellung von Compu- tern und Elektronikartikeln noch immer die Regel. Handel und Konsum sind nicht immer zum Vorteil der Menschen. Dies zeigt sich auch bei der Nah- rungsmittelspekulation. Lamentieren alleine verändert nichts. Es gilt Prob- leme wahrzunehmen, zu analysieren und nach Lösungen zu suchen. Diese Aufgaben nimmt Fastenopfer gerne wahr. Doch: Sehen ist der erste Schritt, handeln der zweite! Wir berichten in diesem Info wiederum von Menschen, die sich mit unserer Unterstützung aufmachen, ihre eigene Situation zu verbessern. Besonders das InfoPlus zu Senegal gibt Anlass zur Hoffnung. Fastenopfer lädt Sie ein, Ihren Beitrag hier in der Schweiz zu leisten: Kaufen Sie Produkte aus Ihrer Region oder aus dem fairen Handel. Oder fragen Sie beim nächsten Kauf eines Computers oder Handys, ob die Arbeiterinnen und Arbeiter einen anständigen Lohn erhielten. Es braucht uns kritische Konsumentinnen und Konsumenten. Nur so wer- den die Herstellerfirmen allmählich den Forderungen nach gerechtem Handel nachkommen. Auch das ist Entwicklungszusammenarbeit! Einen weiteren Beitrag leisten Sie mit einer Spende. Die Arbeit des Fastenopfers ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich. Herzlichen Dank! Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer Nr. 3 | 2013 Wie viel Blut steckt in unseren Computern? Rohstoffe für Elektronikgeräte stammen oft aus Kri- sengebieten. Wann gibt es ein faires Handy? Seite 2 Keine Spekulation mit Nahrung Eine Onlineaktion soll Banken dazu bringen, keine Spekulation mit Nahrungsmitteln zu betreiben. Seite 7 Drei Fragen an Bischof Felix Gmür Der neue Präsident des Fastenopfer-Stiftungsrats über seine Ziele und sein «gutes Gefühl». Seite 7 ZEICHEN DER HOFFNUNG

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Regelmässige Informationen für die Spenderinnen und Spender über die Arbeit von Fastenopfer.

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Liebe Leserin, lieber Leser

Ausbeutung ist bei der Herstellung von Compu-tern und Elektronikartikeln noch immer die Regel. Handel und Konsum sind nicht immer zum Vorteil der Menschen. Dies zeigt sich auch bei der Nah-rungsmittelspekulation.Lamentieren alleine verändert nichts. Es gilt Prob-leme wahrzunehmen, zu analysieren und nach

Lösungen zu suchen. Diese Aufgaben nimmt Fastenopfer gerne wahr. Doch: Sehen ist der erste Schritt, handeln der zweite!Wir berichten in diesem Info wiederum von Menschen, die sich mit unserer Unterstützung aufmachen, ihre eigene Situation zu verbessern. Besonders das InfoPlus zu Senegal gibt Anlass zur Hoffnung.Fastenopfer lädt Sie ein, Ihren Beitrag hier in der Schweiz zu leisten: Kaufen Sie Produkte aus Ihrer Region oder aus dem fairen Handel. Oder fragen Sie beim nächsten Kauf eines Computers oder Handys, ob die Arbeiterinnen und Arbeiter einen anständigen Lohn erhielten. Es braucht uns kritische Konsumentinnen und Konsumenten. Nur so wer-den die Herstellerfirmen allmählich den Forderungen nach gerechtem Handel nachkommen. Auch das ist Entwicklungszusammenarbeit!Einen weiteren Beitrag leisten Sie mit einer Spende. Die Arbeit des Fastenopfers ist nur mit Ihrer Unterstützung möglich. Herzlichen Dank!

Antonio Hautle, Direktor Fastenopfer

Nr. 3 | 2013

Wie viel Blut steckt in unseren Computern?

Rohstoffe für Elektronikgeräte stammen oft aus Kri-sengebieten. Wann gibt es ein faires Handy? Seite 2

Keine Spekulation mit Nahrung

Eine Onlineaktion soll Banken dazu bringen, keine Spekulation mit Nahrungsmitteln zu betreiben. Seite 7

Drei Fragen an Bischof Felix Gmür

Der neue Präsident des Fastenopfer-Stiftungsrats über seine Ziele und sein «gutes Gefühl». Seite 7

ZEICHEN DER HOFFNUNG

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Die Nachfrage nach Laptops, Smartphones und Flachbildschirmen steigt weltweit. Dazu braucht es Rohstoffe, die oft

in Krisengebieten gewonnen wer-den. Dort herrschen Gewalt, Tod und Menschenrechtsverletzungen. Zu oft bringt die Gewinnung von Rohstof-fen Vertreibung von Menschen, Um-weltverschmutzung und ausbeuteri-sche Arbeitsbedingungen mit sich. Verantwortung muss auch die Elekt-robranche übernehmen: Sie muss si-cherstellen, dass an den verwende-ten Mineralien kein Blut klebt.

Ermutigende Initiativen

Gemäss den Leitprinzipien für Wirt-schaft und Menschenrechte des Uno-Menschenrechtsrats müssen Unternehmen, unabhängig von ih-rer Grösse und Herkunft, die Rechte der lokalen Bevölkerung weltweit respektieren. Und dies gilt nicht nur für das Unternehmen, sondern auch deren Tochtergesellschaften, Zwi-schenhändler und Lieferanten.Einige Elektronikunternehmen be-mühen sich, die Transparenz und die Achtung der Menschenrechte in ih-rer Lieferkette zu erhöhen. Sie haben konkrete Initiativen umgesetzt. Durch die Global e-Sustainability Initiative zum Beispiel haben einige Marken an der Entwicklung eines Zertifizierungsprogramms zusam-mengearbeitet, die vom Schmelz-

Südsicht

Die Bodenschätze im Osten der Demokratischen Republik Kongo (DRK) wecken Begehrlichkeiten bewaffneter Gruppen, die mit ih-nen ihre Aktivitäten finanzieren. Es gab mehrere Anläufe, um den Abbau von Rohstoffen aus Kon-fliktregionen zu bekämpfen, wie der Dodd-Frank Act in den USA. Dieses Gesetz hat die Aufmerk-samkeit von Regierungen auf die Sorgfaltspflicht multinationaler Konzerne gelenkt, keine illegalen Rohstoffe zu verwenden. Dies bedeutet, dass diese Informatio-nen über die Respektierung der Menschenrechte für die gesamte Herstellungskette benötigen.Die Anwendung dieses Gesetzes aber verhängte ein De-facto-Embargo über Kongos Osten mit verheerenden sozioökonomi-schen Auswirkungen für Tausen-de von Menschen, die in dieser Region vom Bergbau leben.Einige Initiativen in der DRK set-zen auf die Rückverfolgbarkeit. In Nyabibwe kennzeichnet ein Projekt das gewonnene Material von der Grube weg: Die Minen-betreiber können so die Produk-tion kontrollieren und die erfor-derlichen Abgaben einfordern; Händler erhalten eine garantier-te Rückverfolgbarkeit und kön-nen die Mineralien guten Gewis-sens exportieren.Dieses Beispiel muss Schule ma-chen. Dafür braucht es den poli-tischen Willen und den Einsatz der Unternehmen. Der Bergbau kann eine wichtige Rolle bei der Armutsbekämpfung spielen.

Gabriel Kamundala, Centre d’Expertise en Gestion Minière,

Bukavu, DR Kongo

BLUT IN UNSEREN COMPUTERN?Wie viel Blut steckt in unseren Computern? Seit Jahren prangert Fasten-

opfer die Missstände bei der Produktion von Computern an. Nun setzt

das Hilfswerk mit einer Konferenz das Augenmerk auf den Bereich der

Rohstoffgewinnung.

ofen für die gesamte Lieferkette gilt. Andere sind Partnerschaften mit Bergarbeitergenossenschaften in der DR Kongo eingegangen, um einen sauberen Exportkanal zu schaffen. Noch mehr solcher Initia-tiven wünscht sich Gabriel Ka-mundala, einer der Redner an der von Fastenopfer mitorganisierten Konferenz.

Für eine saubere Lieferkette!

Auch wenn diese Initiativen kleine Schritte sind, so gehen sie in die rich-tige Richtung. Sie zeigen auch, dass der Druck der Konsumentinnen und Konsumenten sowie verbindliche Gesetze Veränderungen bewirken.

Mit der Kampagne «High Tech – No Rights?» setzen sich Fastenopfer und Brot für alle für Elektronik-geräte ein, die unter gerechten Be-dingungen und ohne Menschen-rechtsverletzungen hergestellt wer-den. Doch wie können die Elektronikunternehmen dazu ge-bracht werden, mehr Verantwortung zu übernehmen? Welche Vorausset-zungen müssen erfüllt sein, damit Computer und Handys aus fairer Produktion Realität werden? Was können wir als Verbraucherinnen und Verbraucher tun? Diese und an-dere Fragen werden Fachleute an einer von Fastenopfer und Brot für alle organisierten Konferenz am 24. Oktober in Bern diskutieren.

Johanna Monney, Kommunikation

Programm und Anmeldung:

fastenopfer.ch/computer

Die Zahl:

6 000 000 000Über sechs Milliarden Handys gibt es gemäss Schätzung der Internationalen Fernmeldeunion auf der Welt. Viele von ihnen ent-halten Coltan aus dem Krisen-gebiet im Osten der DR Kongo.

fastenopfer info 3|2013

Rohstoffe für Computer werden oft unter Verletzung von Menschen-

rechten gewonnen. Dies muss nicht sein, wie eine Konferenz zeigt.

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SENEGALDer ungebremste Fischfang durch ausländische Fischflotten und die Folgen des Klima-

wandels bedrohen die Lebensgrundlagen der Bewohnerinnen und Bewohner des senega-

lesischen Dorfs Niodior. Auf der Suche nach einem besseren Leben emigrieren junge Men-

schen, und viele Familien sind gezwungen, Schulden zu machen, um trotz knapper

werdender Nahrungsmittel noch ausreichend zu essen zu haben. Dank Fenagie, einer Part-

nerorganisation des Fastenopfers, schöpfen die Fischerfamilien wieder Hoffnung: Mit

Solidaritätskürbissen bauen sie das Fundament für eine bessere Zukunft.

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Februar 2011. Der Campus der Universität Cheikh-Anta-Diop in Dakar ist von hektischem Treiben erfüllt: In diesen Tagen beherbergt er das Weltsozialforum. Das Treffen sozialer Bewegun-gen aus der ganzen Welt bringt Zehntausende Menschen in Senegals Hauptstadt: Die Mehrheit von ihnen Frauen, junge Menschen und Men-schen aus Afrika. Gemeinsam wollen sie an einer anderen Welt bauen.Im Dorf Niodior hingegen dominiert die Realität der Gegenwart: Männer und Frauen warten mit Würde auf die Rückführung der Leiche eines Ju-gendlichen aus ihrem Dorf. Er war beim Versuch, nach Barcelona zu gelangen, ums Leben gekom-

UNTERWEGS ZUR ERFÜLLUNG DES TRAUMS VOM BESSEREN LEBEN

men. Seine sterblichen Überreste kommen auf einem bunten Einbaum an, ähnlich jenem, auf dem er seine Reise begann, um sich seinen Traum von einem besseren Leben zu erfüllen. Die ganze Gemeinde wartet. Vor allem seine Mutter. Sie un-terscheidet sich von den anderen Frauen durch den schwarzen Schleier, der ihren Kopf und Ober-körper bedeckt.Niodior liegt in der breiten Mündung des Saloum, etwa 100 Kilometer südlich der Hauptstadt, ne-ben der Insel Sangomar. Sangomar besteht aus einer schmalen Sandbank von rund zwanzig Kilo-metern Länge. Sie erstreckt sich über den gesam-ten Horizont und bändigt Wind und Wellen.

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Das Meer war schon immer die wichtigste Le-bensgrundlage der Menschen vom Volk der Nio-minka in der Saloum-Mündung. «Niominka zu sein, bedeutet auf dem Meer zu arbeiten. Die Männer gehen fischen und die Frauen sammeln Muscheln», singen denn auch die Frauen, wenn sie bei Ebbe zur Lagune gehen. Bevor sie sich auf den Weg machen, ziehen sie sich alte Kleider an. Ihre schönen Kleider sind in einem Paket gewi-ckelt, das sie auf ihren Schultern tragen. Die nächsten Stunden verbringen sie bis zur Hüfte im Wasser stehend auf der Suche nach Austern zwischen den Mangroven oder nach Muscheln am Boden der Lagune. Gebückt tasten sie von Hand den Sand ab oder suchen mit Stöcken den Boden des Wassers ab. Mit Sieben, die sie selber aus alten Kanistern hergestellt haben, entfernen sie den Sand und schütten dann die Schalen-früchte in Plastikwannen, die sie an Schnüren hinter sich durchs Wasser ziehen.Am selben Abend werden die geernteten Meeres-früchte verarbeitet: Durch die Hitze des Feuers öffnen sich die Muscheln, die Weichtiere können herausgenommen und unter freiem Himmel ge-trocknet werden. Danach können diese über Mo-nate aufbewahrt werden. Die Meeresfrüchte sind sehr begehrt und werden ins Landesinnere, nach Dakar und sogar nach Gambia transportiert. Sie dienen der Zubereitung von schmackhaften Saucen als Beilage zum Couscous verwendet.

Ein Meer, das nicht mehr nährt

In den letzten Jahren füllen sich die Netze der Fi-scher von Niodior nicht mehr: Der Ozean wurde durch internationale Hochseeschiffe geplündert. Der frühere Präsident Wade hatte 29 russischen Fischkuttern die Erlaubnis erteilt, kleine Fische zu fangen: illegal und nicht regulierbar.Auch die beiden weiteren Lebensgrundlagen für die Region sind bedroht: das fruchtbare Land und Frischwasser, das einst den Familien erlaubte, Reis anzubauen. 1987 aber bildete sich am Küs-tenvorsprung eine Lücke und verwandelte Sango-

mar in eine Insel. Seither schiebt die Flut ständig mehr Salzwasser aus dem Ozean den Fluss hoch und tiefer ins Land hinein. Zudem führt der Fluss Saloum immer weniger Wasser, bis er Niodior erreicht. Auch die saisona-len Regenfälle sind inzwischen noch spärlicher geworden. Die Folge: Der Reis wächst kaum noch und auch die Hirseernten werden kleiner. Wenn der Getreidevorrat der Bauernfamilien zur Neige geht, beginnt die Soudure: die Zeit des Jahres, in denen die Vorräte aufgebraucht sind, die neue Ernte noch nicht eingebracht ist und die Men-schen kaum noch etwas zu essen haben. Um in diesen Wochen und Monaten weiterhin denn tra-ditionellen Couscous essen zu können, müssen die Familien die Hirse auf dem Getreidemarkt kaufen. Die einzigen, die in dieser Zeit glücklich sind, sind die Geldverleiher, die Kredite an die Kleinbauernfamilien erteilen. Sie verlangen Wu-cherzinsen und führen viele Familien in den Teu-felskreis der Verschuldung.

Gemeinsam an der Zukunft bauen

In Niodior ist es nicht möglich, eine Arbeit zu ha-ben, die ein sicheres Leben ermöglicht. Das weiss auch Moustapha Bakhoum. Moustapha ist jung. Er beherrscht die lokale Sprache Serer, Arabisch und ein wenig Englisch, jedoch hat er in der Schu-le kaum Französisch gelernt. Er will nichts wie weg von hier: Er will zu seinem Bruder, der in ei-ner Autowerkstatt in Marseille arbeitet. Moustaphas Mutter aber denkt nicht daran, weg-zuziehen. Sie wird sich einsetzen, bis hier in Nio-dior eine Zukunft möglich ist. Sie hat das Präsidi-um der Frauengruppe, die seit ein paar Monaten von Fenagie (Nationaler Zusammenschluss wirt-schaftlicher Interessengruppen auf dem Gebiet der Fischerei), einer Partnerorganisation des Fas-tenopfers in Senegal, unterstützt wird. Soeben haben sie gemeinsam eine Situationsanalyse der wiederkehrenden Soudure und der Verschuldung von 40 Familien in Niodior abgeschlossen. Die Frauen haben sich auf einer Matte im Schatten eines imposanten Mangobaums niedergelassen.

Keine Arbeit, die ein sicheres Leben ermöglicht: Eine Gruppe Frauen sucht den Meeresboden mit Stöcken nach Muscheln ab (linke Seite).

Die Netze füllen sich nicht mehr: Fischer mit ihren Einbäumen vor Niodior (oben links).

Sehr begehrt und sogar bis nach Gambia transportiert: Die Meeresfrüchte werden für die Weiterverarbeitung vorbereitet (oben rechts).

Jede Frau leistet einen ihren Möglichkei-ten entsprechenden Beitrag: Einlage in die Kürbisschale der Spargruppe (nächste Seite links).

Medikament, Hirse oder Schuluniform: Die Mitglieder einer Spargruppe diskutieren über die Vergabe eines Kredits (nächste Seite rechts).

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Die Gruppe kommt auf die aktuelle Situation im Dorf zu sprechen: Zwar gibt es jeden Tag etwas zu essen, aber fast alle Familien sind verschuldet. Einige sehr ernsthaft. Die Fische machen sich in den Netzen zunehmend rarer und auch die Mbis-sa ist nicht mehr so ertragreich wie früher.Awa Djigal, die Koordinatorin von Fenagie, be-spricht die nächsten Massnahmen, welche die Familien zusammen angehen werden, um eine Rückkehr zu den Wucherern zu vermeiden. Die Frauen sollen eine solidarische Sparkasse grün-den und gemeinsam verwalten. Dies ist ein wich-tiger erster Schritt, andere werden folgen müs-sen. Die Frauen von Niodior wissen jetzt, dass es kein unabwendbares Schicksal ist, Reis und Hirse auf Kredit zu kaufen.

Die Geschichte geht weiter

Sommer 2013: In Niodior keimen die Samen der Ideen, welche die Menschen zusammen mit Fe-nagie gepflanzt haben. Die Solidaritätskasse ist eine gelebte Realität. Mit Hilfe der Fastenopfer-Partnerorganisation haben sich 20 Familien in einer Gruppe zusammengeschlossen und gelernt, Einlagen zu machen und sich gegenseitig Kredit zu erteilen. Die Frauen spielen dabei eine entscheidende Rol-le. Jede Woche treffen sie sich im Schatten eines Mangobaums: Jede Frau legt bei ihrer Ankunft ihren Wochenbeitrag in eine Kürbisschale, bevor sie sich im Kreis zu den anderen hinsetzt. Ein Stofftuch über der Kürbisschale stellt die nötige Diskretion sicher: Jede Frau leistet einen ihren Möglichkeiten entsprechenden Beitrag in die ge-meinsame Kasse. Sobald die Gruppe vollzählig ist, schauen die Frauen nach, was die Sammlung eingebracht hat. Die Kassiererin hält in ihrem Notizheft den Betrag fest. Dann lädt die Vorsitzende jedes Mitglied ein, seine Bedürfnisse vorzubringen, sei es der Kauf eines Medikaments, von Hirse oder einer Schul-uniform für das Kind. Gemeinsam entscheiden die Mitglieder über die Vergabe der zinslosen Kredite und definieren die Bedingungen der

Rückzahlung. Die Entscheidungen werden sorg-sam im Heft notiert.Awa Djigal ist immer präsent, aktiver denn je. Mal besucht sie die Gruppen in Niodior und den an-deren Dörfern; dann wieder ist sie im Umweltmi-nisterium anzutreffen, das sie zur Beraterin für Fischerei ernannt hat. Auch dort setzt sie sich für die Interessen der Menschen ein, die vom Fisch-fang an der Küste leben. Persönlichkeiten wie Awa Djigal, die sich überall wie «ein Fisch im Wasser» fühlen, sind sehr wert-voll. In Senegal ist die Fischerei ein bedeutender Sektor: Sie schafft Arbeitsplätze für 600 000 Menschen, viele von ihnen Frauen, die Witwen sind oder Mütter, die zum Familienoberhaupt wurden, nachdem ihre Männer nach Europa aus-gewandert sind. Die Zusammenarbeit von Djigal und Niodior kann einen bedeutenden Erfolg vor-weisen: «Durch die Lobbyarbeit von Fenagie und anderen Organisationen hat die neu gewählte Regierung Senegals der organisierten Plünderung des Meeres ein Ende gesetzt: Die illegale Erlaub-nis wurde im März 2012 aufgelöst», freut sich Djigal.

Die Hoffnung breitet sich aus

Erste Ergebnisse dieser beiden Jahre des Projekts: Die Mitglieder der Solidaritätskasse vermochten alle Schulden bei den Wucherern zu begleichen. Am wichtigsten aber ist, dass sie in dieser Zeit keine neuen Kredite aufnehmen mussten. Fena-gie war auch in der Lage, den Aktionsradius zu erweitern: «Ursprünglich wollten wir vier Solida-ritätskassen gründen helfen. Aber die Bedürfnisse der Menschen und ihre Begeisterung sind derart gross, dass wir spontan sieben weitere eingerich-tet haben», erklärt Awa Djigal. Sie und ihr Team von Fenagie haben noch einiges vor: 30 Solidari-tätskassen sollen bis Ende 2014 entstehen. Moustaphas Mutter hatte zu Recht die Hoffnung bewahrt: Ihr Sohn ist bei ihr geblieben. Er bemüht sich nun, eine Zukunft in Niodior aufzubauen.

Daria Lepori und Johanna Risse

Alpenquai 4, Postfach 2856, 6002 LuzernTelefon 041 227 59 59, Fax 041 227 59 [email protected] 60-19191-7

Stichwort: SenegalObschon arm an Bodenschätzen ist Senegal die drittgrösste Volkswirtschaft in West-Afrika (nach Nigeria und Elfenbeinküste): Die strate-gische Lage und die politische Stabilität haben dem Land erlaubt, seine Industrie zu entwi-ckeln. Die wichtigsten Einnahmen stammen aus der Fischerei und dem Tourismus. Obschon die Landwirtschaft mehr als 70 % der Bevölke-rung beschäftigt, leidet ein Drittel der Einwoh-nerinnen und Einwohner an Hunger. Die Haupt-ursachen dafür sind gemäss einer Situations- analyse von Fastenopfer die Verschuldung der Bevölkerung und der Niedergang des sozialen Gefüges, mit der Folge einer immer weniger gelebten Solidarität.

Den Hunger reduzieren

Die Soudure bezeichnet die Wochen und Mo-nate, in der die Vorratsspeicher leer sind und die Ernte noch nicht eingebracht ist. In dieser Knappheitsperiode leiden viele Familien in Se-negal Hunger.Fastenopfer hat sich zum Ziel gesetzt, die Sou-dure zu verkürzen und die Bevölkerung von den Schulden zu befreien. Dazu werden Solida-ritätskassen gegründet und Gemeinschaftsfel-der angelegt. Zudem helfen Vereinbarungen in den Dörfern, die Ausgaben bei den traditionell üppigen Zeremonien, wie Heirat oder Taufe, unter Kontrolle zu bringen.Zudem fördert Fastenopfer durch das Netzwerk der Partnerorganisationen den fairen Handel.

Helfen Sie mit, den Hunger in Senegal

zu reduzieren, und spenden Sie: PK

60-19191-7, Vermerk Senegal

Sept

embe

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3 Fragen

Bischof Felix Gmür

Freuen Sie sich auf das Präsidium

des Fastenopfer-Stiftungsrats?

Ich habe ein gutes Gefühl. Fas-tenopfer ist eine hervorragende, gut verankerte Marke. Es hat ein Super-Motto, das ich seit meiner Kindheit kenne: Wir teilen! Dar-um geht es: Wir teilen, damit alle, ja: alle ein Leben in Fülle haben. Die gut besetzten Gremien und motivierten Mitarbeitenden tra-gen dazu bei. Dass auch ich jetzt etwas beitragen kann, freut mich.

Wofür werden Sie sich einsetzen?

Die Botschaft muss rüberkom-men: Wir teilen, damit alle mehr haben, wir teilen für das Leben aller. Fastenopfer-Projekte sind Lebensprojekte. Sensibilisierung im Inland, Entwicklungszusam-menarbeit im Süden, Austausch zwischen Ortskirchen, positive Einmischung da, wo es um Grundrechte und Menschenwür-de geht: Alles dient dem Leben. Das ist Programm und Motivati-on, gelebte und konkrete christli-che Nächstenliebe.

Wie gelingt es, mehr Menschen

für Fastenopfer zu begeistern?

Ich bin einer von vielen. Das Ge-lingen hängt von uns allen ab. Ich will die Mitarbeitenden im Fastenopfer sowie in der Seelsor-ge der Bistümer, Pfarreien und Gemeinschaften zur aktiven Zu-sammenarbeit animieren. Zudem müssen wir Kreise ansprechen, die mit der Kirche weniger im Kontakt stehen, hingegen unsere «Option für das Leben» teilen und deshalb für unsere Projekte begeisterungsfähig sind.

Mine bedroht Lebensgrundlage vieler Familien: Arbeit auf dem Reisfeld.

KEINE SPEKULATION MIT NAHRUNG

Seit einigen Jah-ren haben Ban-ken, Pensions-kassen und Versi-cherungen das Nahrungsmittel-geschäft für sich

entdeckt. Sie wetten mit Milliarden-beträgen auf die Preisentwicklun-gen etwa von Mais, Weizen und Reis. Es häufen sich die Belege, dass solche Spekulationen einen erhebli-chen Einfluss darauf haben, zu wel-chen Preisen Grundnahrungsmittel schlussendlich auf dem Weltmarkt gehandelt werden.

In Entwicklungsländern wendet ein Haushalt zwischen 50 und 90 Pro-zent seines Einkommens für Nah-rungsmittel auf. Verdreifachen sich die Lebensmittelpreise von einem Tag auf den anderen, wird die Situa-tion für viele Familien lebensbe-drohlich. Kein Wunder, haben die Preisspitzen der letzten Jahre in zahlreichen Ländern zu Hungerauf-ständen geführt. Der aktuelle Ein-Blick zeigt Hintergründe und Aus-wirkungen der Spekulation mit Nah-rungsmitteln auf.Aus christlicher Sicht haben Geld und Wirtschaft im Dienst des Lebens

fastenopfer info 3 |2013

WIDERSTAND WIRKTGlencore-Xstrata bremst sein um-

strittenes Minenprojekt Tampakan

auf den Philippinen. Dabei dürfte

auch die Kritik von Fastenopfer

eine Rolle gespielt haben.

Sagittarius Mines Inc. (SMI), eine Tochter des mit Glencore fusionier-ten Xstrata-Konzerns mit Sitz in Zug, gab im August bekannt, dass sie ihre Ausgaben für das Projekt einer Kupfer-Gold-Mine in Tampa-kan massiv reduzieren wird.Beeinflusst hat diesen Entscheid auch der Widerstand: Die Mine be-

droht die Lebensgrundlage von Zehntausenden Menschen. Eine von Fastenopfer im Juni mitveröffent-lichte Studie belegt, dass das Toch-terunternehmen von Xstrata die Rechte der betroffenen Bevölkerung nicht ausreichend beachtet. Daniel Hostettler, bei Fastenopfer Fachver-antwortlicher für Menschenrechte, sagt: «Wir hoffen, dass dieser Schritt zu einem Umdenken bei SMI führt und die Menschenrechte der Bevöl-kerung künftig respektiert werden.» fastenopfer.ch/tampakan

zu stehen. Das Recht auf Nahrung und ein Leben in Würde stehen vor der Gewinnmaximierung. Doch während 900 Millionen Menschen hungern, sind Wirtschaftsaktivitäten erlaubt, welche die Ernährungssi-cherheit von Menschen gefährden.Deshalb wollen Fastenopfer und Brot für alle mit einer Onlineaktion Banken dazu bringen, keine Speku-lation mehr mit Grundnahrungsmit-teln zu betreiben. Zudem setzen die beiden Werke auf die Stärkung von Kleinbauernfamilien und den fairen Handel durch konkrete Projekte.

Susann Schüepp, Leiterin Entwick-lungspolitik und Grundlagen

stopp-spekulation.ch

Infos: fastenopfer.ch/einblick

EinBlick bestellen (Fr. 5.–):

041 227 59 59

Die Finanzbranche trägt mit ihrer Spekulation auf Agrarrohstoffen eine

erhebliche Mitschuld an den Preisschwankungen für Nahrungsmittel.

Schweizer Banken sind mit mehr als vier Milliarden Franken beteiligt.

Dadurch verursachen sie weltweit Hunger.

Recht ohne Grenzen: Ringen in Bern

Seit 2012 die Petition «Recht ohne

Grenzen» mit über 135 000 Unter-

schriften eingereicht wurde, ringt

die Schweizer Regierung um eine

Antwort.

Die Koalition von Fastenopfer und weiteren 50 Organisationen hat er-reicht, dass sich die Politik mit den Menschenrechtsverletzungen durch international tätige Unternehmen beschäftigt. Die Nationalratskom-mission war gegen die Petition, ver-langt aber vom Bundesrat eine rechtsvergleichende Studie über die Sorgfaltspflicht von Leitungsorga-nen von Unternehmen. Zudem ver-langt der Nationalrat vom Bundes-rat darzulegen, wie er die Uno-Richtlinien zu Wirtschaft und Menschenrechten umsetzt.Die Petition blitzte auch in der Stän-deratskommission ab. Der Rat aber hat nun die Kommission angewie-sen, einen Vorstoss im Sinn der Peti-tion auszuarbeiten. Das Ringen um eine gesetzliche Re-gulierung der Wirtschaft im Men-schenrechtsschutz geht also weiter.fastenopfer.ch/grenzen

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Agenda

16. Oktober, Brugg:

Veranstaltung zum Welternährungs-tag: Spe(c)kulation – Wie wir uns an den Lebensmitteln des Südens güt-lich tun (13.30–20.15 Uhr, Fach-hochschule Nordwestschweiz, Cam-pussaal).fhnw.ch/technik/ign/veranstal-

tungen, 056 222 15 17

24. Oktober, Bern:

Wie viel Blut steckt in unseren Com-putern? Von Konflikt-Rohstoffen zur smarten Elektronik. Konferenz als Teil der Kampagne «High Tech – No Rights?» von Fastenopfer und Brot für alle (13–18 Uhr, Hotel Kreuz).fastenopfer.ch/computer

Am 12. August hat der Taifun La-

buyo den Nordosten der Philippi-

nen heimgesucht, wo Fastenopfer

zwei Projekte unterstützt.

Die Gegend von Casiguran in der Provinz Aurora lag im Zentrum des Sturms. Zahlreiche Häuser wurden zerstört, Felder und Strassen über-flutet. Auch vier Schulen der indige-nen Gemeinschaft der Agtas wur-den vollständig zerstört. Schulbü-cher, Hefte, Stühle und Bänke – alles verloren. Menschen sind keine um-gekommen. Über 5000 Familien leiden unter den Folgen des Taifuns. Die Nahrungsmittelversorgung ist über Monate beeinträchtigt. Fastenopfer hat einen ersten Bei-trag an Nothilfe geleistet und wird den Wiederaufbau der Agta-Schulen und -Siedlungen, aber auch der Fi-scherdörfer mit 30 000 Franken un-terstützen. Unterstützen Sie den Wieder-

aufbau auf den Philippinen mit

einer Spende: PK 60-19191-7,

Vermerk Taifun.

Blickfang Münz spenden

Auch beim Bezahlen im Restaurant runden Sie jeweils den Betrag auf. Nun bietet die PostFinance-Card eine ähnliche Möglichkeit zuguns-ten unserer Projekte.Nachdem Sie bei der PostFinance einen Antrag für das E-Kässeli ge-stellt haben, wird bei jedem Einkauf mit Ihrer PostFinance-Card gemäss ihren Vorgaben aufgerundet – Sie bestimmen, ob auf den nächsten Franken oder auf die nächsten zehn Franken. Die Beträge werden Sie kaum bemerken, aber bei uns kom-men wichtige Beiträge für benach-teiligte Menschen zusammen.Informationen: 041 227 59 28,

[email protected],

fastenopfer.ch/ekaesseli

Nachhaltigkeitsbericht: Fastenopfer beispielhaft

Der Nachhaltigkeitsbericht für Fas-tenopfer orientiert sich an den Vor-gaben der Global Reporting Initia-tive. Sie schlägt ökonomische, gesell schaftlich-soziale und ökologi-sche Indikatoren vor. Diese werden auf die Aktivitäten von Fastenopfer in der Schweiz angewendet.Fastenopfer schneidet in allen drei Kategorien gut ab. Verbesserungs-potential besteht für den Bürobe-trieb: So fehlen bislang ausformu-lierte Richtlinien zur Beschaffung von Büromaterialien und Mobiliar. Diese Anforderungen erfüllt Fasten-opfer bei den meisten Einkäufen schon heute, nun sollen sie auch schriftlich festgehalten werden.fastenopfer.ch/nhb

Jugendlicher Austausch

Seit acht Jahren unterhält Jung-wacht Blauring Schweiz eine Part-nerschaft mit der Kinder- und Ju-gendorganisation Chiro Philippinen. Beim jüngsten Austausch, der vom Fastenopfer unterstützt wurde, er-hielten sechs Jugendliche einen Ein-blick in den philippinischen Alltag. «Die Reise ermöglicht es, in eine andere Lebenswelt einzutauchen», sagt Florence Cueni aus Basel.

Impressum

Alpenquai 4, Postfach 28566002 LuzernTelefon +41 41 227 59 59Telefax +41 41 227 59 [email protected] 60-19191-7

Herausgeber FastenopferDas INFO erscheint vier Mal jährlich. Die Post gewährt uns den günstigen Zeitungstarif. Einmal pro Jahr werden dafür Fr. 3.– vom Spendenertrag als Abonnementsbetrag abgezogen.

Redaktion Johanna Monney, Patricio Frei-Gisi

Fotos François Mercier (S. 1, 4, 5 links, 6), Priska Ketterer (kleine Porträts S. 1, 2, 7), Spinas Civil Voices (S. 2), Daria Lepori (S. 3, 5 rechts), Bob Timonera (S. 7), Marvin Astoveza (S. 8).

Cartoon Daria Lepori

Konzept grafikcontainer Luzern

Layout/Druck Zofinger Tagblatt AG, Medien- und Printunternehmen, www.ztonline.ch

fastenopfer info 3|2013

ZERSTÖRTE SCHULEN

Opfer des Taifuns Labuyo auf den

Trümmern seines Hauses.