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IV. Reflexionsgang I: Zur Vereinbarkeit zwischen dem Canon 517 § 1 CIC und der kirchlichen Organisationsentwicklung. Eine kirchenrechtliche und pastoraltheologische Reflexion Auf den folgenden Seiten geht es um eine kirchenrechtliche und praktisch- theologische Betrachtung der Gründung des Seelsorgebezirks von Bad Kreuznach und um die Einrichtung der solidarischen Gemeindeleitung mit Hilfe eines Pfarrerteams nach c. 517 § 1 CIC. Inwiefern ist es sinnvoll, diesen Canon als Rahmenordnung für die Gemeinde- und die kirchliche Organisationsentwicklung zu verwenden? Wie weit hat sich dieser Rechtsrahmen in der pastoralen Praxis bewährt? c. 517 §1 CIC: „Ubi adiuncta id requirant, paroecíae aut diversarum simul paroeciarum cura pastoralis committi potest pluribus in solidum sacerdotibus, ea tamen lege, ut eorundem unus curae pastoralis exercendae sit moderator, qui nempe actionem coniunctam dirigat atque de eadem coram Episcopo respondeat.“ c. 517 § 1 CIC: „Wo die Umstände es erfordern, kann die Seelsorge für eine oder für verschiedene Pfarreien zugleich mehreren Priestern solidarisch übertragen werden, jedoch mit der Maßgabe, daß einer von ihnen Leiter des seelsorglichen Wirkens sein muß, der nämlich die Zusammenarbeit zu leiten und dem Bischof gegenüber zu verantworten hat.“ 1 Der Auftrag zur Gründung des Seelsorgebezirks auf der Grundlage des c. 517 § 1 CIC enthält eine Brisanz, der ich mich auf den nächsten Seiten widmen will. Wie weit ist es zulässig, den Prozess der Gemeinde- und Organisationsentwicklung, wie er in Bad Kreuznach initiiert worden ist, in die Rechtsform dieses Canons zu stellen und mit diesem zu verbinden? Ein Modell der außerordentlichen Gemeindeleitung durch ein Pfarrerteam wird „unter der Hand“ unterlaufen und mit einer zweiten Zielsetzung, nämlich der kirchlichen Organisationsentwicklung ergänzt. – So könnte der eine Vorwurf lauten. Ein anderer bewegt sich in die genau umgekehrte Richtung: das Ein- ladungsschreiben und die Pressefotos in den Zeitungsberichten über die Gründungs- bzw. die Einführungsfeier hinterlassen den Eindruck, dass sehr wohl die Pfarrer in einer zentralen Position wahrgenommen und abgelichtet werden. Welches Signal wird nun kommuniziert? Welche Botschaft gilt? Und wie lässt sich der Anspruch eines Entwicklungsprozesses mit einer festen Rechtsform des Kirchenrechts in Über- einstimmung bringen? Die Spannung zwischen den formulierten Zielen der Gemeindeentwicklung und den kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen, die hinter diesen Fragen steckt, ist im Zusammenhang mit der Gründung des Seelsorgebezirks von Gemeindemitgliedern wie auch von den pastoralen MitarbeiterInnen wahrge- nommen worden. Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit verstehen sich deshalb auch als ein praktisch-theologischer Diskussionsbeitrag zu diesem Modell der außerordentlichen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC. Dabei werden die Praxiserfahrungen genauso 1 Die im Zusammenhang mit der außerordentlichen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC ver- wendeten Canones finden sich im Dokumentarband – im Anschluss an die Vorstellung der drei Entwicklungsstufen der Ordnung, wie sie bis zur Gegenwart im Bistum Trier vereinbart und genehmigt worden sind. IV. Zur Vereinbarkeit zwischen dem Canon 517 § 1 CIC und der kirchlichen Organisationsentwicklung 1

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IV. Reflexionsgang I: Zur Vereinbarkeit zwischen dem Canon 517 § 1 CIC und der kirchlichen Organisationsentwicklung. Eine kirchenrechtliche und pastoraltheologische Reflexion

Auf den folgenden Seiten geht es um eine kirchenrechtliche und praktisch-theologische Betrachtung der Gründung des Seelsorgebezirks von Bad Kreuznach und um die Einrichtung der solidarischen Gemeindeleitung mit Hilfe eines Pfarrerteams nach c. 517 § 1 CIC. Inwiefern ist es sinnvoll, diesen Canon als Rahmenordnung für die Gemeinde- und die kirchliche Organisationsentwicklung zu verwenden? Wie weit hat sich dieser Rechtsrahmen in der pastoralen Praxis bewährt?

c. 517 §1 CIC: „Ubi adiuncta id requirant, paroecíae aut diversarum simul paroeciarum cura pastoralis committi potest pluribus in solidum sacerdotibus, ea tamen lege, ut eorundem unus curae pastoralis exercendae sit moderator, qui nempe actionem coniunctam dirigat atque de eadem coram Episcopo respondeat.“

c. 517 § 1 CIC: „Wo die Umstände es erfordern, kann die Seelsorge für eine oder für verschiedene Pfarreien zugleich mehreren Priestern solidarisch übertragen werden, jedoch mit der Maßgabe, daß einer von ihnen Leiter des seelsorglichen Wirkens sein muß, der nämlich die Zusammenarbeit zu leiten und dem Bischof gegenüber zu verantworten hat.“1

Der Auftrag zur Gründung des Seelsorgebezirks auf der Grundlage des c. 517 § 1 CIC enthält eine Brisanz, der ich mich auf den nächsten Seiten widmen will. Wie weit ist es zulässig, den Prozess der Gemeinde- und Organisationsentwicklung, wie er in Bad Kreuznach initiiert worden ist, in die Rechtsform dieses Canons zu stellen und mit diesem zu verbinden? Ein Modell der außerordentlichen Gemeindeleitung durch ein Pfarrerteam wird „unter der Hand“ unterlaufen und mit einer zweiten Zielsetzung, nämlich der kirchlichen Organisationsentwicklung ergänzt. – So könnte der eine Vorwurf lauten. Ein anderer bewegt sich in die genau umgekehrte Richtung: das Ein-ladungsschreiben und die Pressefotos in den Zeitungsberichten über die Gründungs- bzw. die Einführungsfeier hinterlassen den Eindruck, dass sehr wohl die Pfarrer in einer zentralen Position wahrgenommen und abgelichtet werden. Welches Signal wird nun kommuniziert? Welche Botschaft gilt? Und wie lässt sich der Anspruch eines Entwicklungsprozesses mit einer festen Rechtsform des Kirchenrechts in Über-einstimmung bringen? Die Spannung zwischen den formulierten Zielen der Gemeindeentwicklung und den kirchenrechtlichen Rahmenbedingungen, die hinter diesen Fragen steckt, ist im Zusammenhang mit der Gründung des Seelsorgebezirks von Gemeindemitgliedern wie auch von den pastoralen MitarbeiterInnen wahrge-nommen worden. Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit verstehen sich deshalb auch als ein praktisch-theologischer Diskussionsbeitrag zu diesem Modell der außerordentlichen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC. Dabei werden die Praxiserfahrungen genauso

1 Die im Zusammenhang mit der außerordentlichen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC ver-

wendeten Canones finden sich im Dokumentarband – im Anschluss an die Vorstellung der drei Entwicklungsstufen der Ordnung, wie sie bis zur Gegenwart im Bistum Trier vereinbart und genehmigt worden sind.

IV. Zur Vereinbarkeit zwischen dem Canon 517 § 1 CIC und der kirchlichen Organisationsentwicklung 1

zu Wort kommen wie die kirchenrechtlichen Ausführungen und Kommentare zu diesem Canon. Vor allem soll der Frage nachgegangen werden: - Ist es zulässig, dieses Rechtskonstrukt einer außerordentlichen Gemeindeleitung,

an der neben dem Pfarrerteam auch ehrenamtliche und hauptamtliche Mit-arbeiterInnen teilhaben, als Grundlage für einen Prozess der kirchlichen Organisationsentwicklung zu nutzen?

- Kann man das Pilotprojekt als ein gelungenes Beispiel präsentieren, um mit Hilfe des Rechtsrahmens von c. 517 § 1 CIC zur Kirchenbildung im Geist des Zweiten Vatikanischen Konzils beizutragen?

Diesen Fragen werden wir uns im Folgenden zuwenden und sie aus kirchenrechtlicher wie auch pastoraltheologischer Sicht betrachten. Im Zusammen-hang mit der Vorstellung und Evaluation des Pilotprojekts wird das Thema dann noch einmal zu reflektieren sein.

3.1.1. SEHEN: Wichtige Praxiserfahrungen mit dem Canon 517 § 1 CIC bei der Gründung und Entwicklung des Seelsorgebezirks im Bistum Trier

Die Gründung des Seelsorgebezirks und die Einführung eines Pfarrerteams gemäß c. 517 § 1 CIC erfolgt aufgrund einer Intervention der Bistumsleitung. Dieser Vorschlag löst zunächst Irritationen aus und zwingt die Betroffenen, sich erstmals mit diesem Rechtsrahmen vertraut zu machen. Mehr intuitiv als kirchenrechtlich reflektiert2 wird von allen drei betroffenen Pfarrern die Zustimmung gegeben, diesen Vorschlag zu bedenken und mit den Hauptamtlichen wie auch im Kreis der Delegierten aus den Pfarrgemeinderäten zu thematisieren. Nachdem die Ent-scheidung für diesen Weg gefallen ist, kommt es im Bischöflichen Generalvikariat zu einer Beratung, bei der die Überlegungen um die Abfassung einer „Ordnung gemäß Can. 517 § 1 CIC für die Pfarrer im Seelsorgebezirk der Stadt Bad Kreuznach“3 einen weiten Raum einnehmen.

3.1.1.1. Die Ordnung des Seelsorgebezirks von 1996 Da die erste Ordnung von Bad Kreuznach von grundlegender Bedeutung für die Ausrichtung und organisatorische Ausprägung der Seelsorgebezirke im Bistum Trier ist, scheint es mir sinnvoll, diese zunächst ungekürzt zu dokumentieren und anschließend zu kommentieren. (Die Hervorhebungen sind von mir nachträglich vorgenommen worden und dienen der besseren Lesbarkeit des Textes und seiner zentralen Aussagen.)

2 Für mich persönlich besteht zum damaligen Zeitpunkt der „Reiz“ dieses Modells vor allem darin,

ein Teamkonzept für Pfarrer auf den Kreis der hauptamtlichen und ehrenamtlichen Mitarbeiter-Innen zu erweitern. Es erscheint mir als eine logische Konsequenz der Realisierung der Communio-Ekklesiologie, dass auch die Gemeindeleitung dieses ekklesiologische Konzept in der Struktur und Kultur der Leitung widerspiegelt. Sicherlich kann man aus heutiger Sicht diese Einschätzung als unreflektiert bezeichnen; andererseits ist diese von einer konkreten Vision geprägt.

3 Bei der Erstellung der Ordnung wird der „Münsterische Kommentar“ zugrunde gelegt. Vgl. Paarhammer, H., Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici, 517, Nr. 1ff., in: Lüdicke, K. (Hg.), Münsterischer Kommentar zum Codex Iuris Canonici unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in Deutschland, Österreich und der Schweiz, Essen 1984ff.

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Ordnung gemäß Can. 543 § 1 CIC für die Pfarrer im Seelsorgebezirk der Stadt Bad Kreuznach

Der Seelsorgebezirk der Stadt Bad Kreuznach im Dekanat/Pfarrverband Bad Kreuznach umfaßt die Pfarreien St. Nikolaus einschließlich der Kirchengemeinde St. Peter Winzenheim, Heilig Kreuz, St. Wolfgang und St. Franziskus.

Die Seelsorge für diese Pfarreien hat Herr Bischof Dr. Hermann Josef Spital gemäß can. 517 § 1 CIC solidarisch den Pfarrern Ulrich Laux, Martin Lörsch und Ludwig Unkelbach übertragen. Zum Moderator des seelsorglichen Wirkens und der Zusammenarbeit hat Herr Bischof Dr. Hermann Josef Spital Herrn Pfarrer Ludwig Unkelbach bestellt. Dieser nimmt auch die Aufgaben des Vorgesetzten der sonstigen hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiter/-innnen und der Ständigen Diakone mit Zivilberuf wahr. Für die Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Amtshandlungen legen die Pfarrer gemäß can. 543 § 1 CIC die folgende

Ordnung

fest:

l. Der Moderator des seelsorglichen Wirkens und der Zusammenarbeit hat insbesondere folgende Aufgaben:

- die Leitung und die Koordination der Pastoral im Seelsorgebezirk der Stadt Bad Kreuznach,

- die Einberufung und die Leitung des Pastoralteams (Nr. 4) und des Koordinierungsausschusses (Nr. 5),

- die Applikation der Messe für das Volk (can. 543 § 2 Nr. 2, can. 534 CIC).

2. Unbeschadet der Zuständigkeit eines jeden Pfarrers für alle Pfarreien nehmen sie ihre Aufgaben vorrangig wie folgt wahr:

- Herr Pfarrer Martin Lörsch in der Pfarrei St. Nikolaus,

- Herr Pfarrer Ulrich Laux in der Pfarrei Heilig Kreuz,

- Herr Pfarrer Ludwig Unkelbach in den Pfarreien St. Franziskus und St. Wolfgang.

Zu diesen Aufgaben gehören insbesondere die Grunddienste, die Eheassistenz sowie die Erteilung von Dispensen, die dem Pfarrer von Rechts wegen zukommen.

Im Falle einer Verhinderung bei der Wahrnehmung dieser Aufgaben wird der jeweilige Pfarrer von dem Moderator des seelsorglichen Wirkens und der Zusammenarbeit vertreten.

Bei der Wahrnehmung der sonstigen pfarrlichen und pfarreiübergreifenden Aufgaben handeln die Pfarrer in Abstimmung mit dem Moderator des seelsorglichen Wirkens und der Zusammenarbeit bzw. auf dessen Weisung.

Die Leitung der Vermögensverwaltung der Kirchengemeinden erfolgt nach den besonderen Regelungen des Bischöflichen Generalvikars (§ 3 Abs. 1 Buchstabe a des Kirchenvermögensverwaltungsgesetzes).

3. Die Tätigkeit der hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und der Ständigen Diakone mit Zivilberuf, die im Seelsorgebezirk der Stadt Bad Kreuznach eingesetzt

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sind (sonstige hauptberufliche pastorale Mitarbeiter/-innen) richtet sich nach den Stellenbeschreibungen.

4. Die Pfarrer und die sonstigen hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiter/-innen bilden das Pastoralteam. In möglichst regelmäßigen Abständen finden Besprechungen des Pastoralteams statt. Die Einladung und Leitung obliegen dem Moderator des seelsorglichen Wirkens und der Zusammenarbeit (Nr. 1 b) .

5. Zur pfarrübergreifenden Seelsorge sowie zur Koordinierung der Anliegen der Pfarreien des Seelsorgebezirkes der Stadt Bad Kreuznach und ihrer Gremien wird ein Koordinierungsausschuß eingerichtet. Ihm gehören an:

- je zwei Vertreterinnen oder Vertreter, die von den Pfarrgemeinderäten der Pfarreien des Seelsorgebezirkes der Stadt Bad Kreuznach aus ihrer Mitte für die Dauer der Amtszeit der Pfarrgemeinderäte benannt werden,

- zwei Vertreterinnen oder Vertreter, die vom Verwaltungsrat der Kirchengemeinde St. Peter, Winzenheim für die Dauer von vier Jahren benannt werden,

- die Mitglieder des Pastoralteams,

- die in den Pfarreien des Seelsorgebezirkes der Stadt Bad Kreuznach tätigen Ständigen Diakone mit Zivilberuf.

Die Einladung und die Leitung des Koordinierungsausschusses obliegen dem Moderator des seelsorglichen Wirkens und der Zusammenarbeit (Nr. i b).

6. Diese Ordnung läßt die Rechte und Pflichten der einzelnen Kirchengemeinden einschließlich ihrer Verwaltungs- und Vertretungsgremien unberührt.

Unberührt bleiben weiterhin die Rechte und Pflichten der Pfarreien des Seelsorgebezirkes der Stadt Bad Kreuznach, die sich aus ihrer Zugehörigkeit zum Dekanat/Pfarrverband Bad Kreuznach ergeben.

7. Der Inhalt dieser Ordnung wurde am 21. Februar 1996 mit den hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern besprochen.

8. Diese Ordnung tritt am 1. März 1996 in Kraft und gilt bis zum 28. Februar 1997.

Bad Kreuznach, den 1. März 1996

(Es folgen die Unterschriften von Dechant U. Laux, Pfr. M. Lörsch und Pfr. L. Unkelbach.)

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Die vorstehende Ordnung habe ich zur Kenntnis genommen. Mit ihrem Inhalt bin ich einverstanden.

Trier , 1. März 1996 Dr. Hermann Josef Spital, Bischof von Trier

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Folgende Elemente der ersten Ordnung verdienen es, praktisch-theologisch sowie aus Sicht der kirchlichen Organisationsentwicklung ausdrücklich erwähnt und in Bezug auf die dahinter liegende Absicht kommentiert zu werden4: 1. Die Systemgrenzen werden im Text eindeutig markiert: Dem Seelsorgebezirk

gehören die Pfarreien St. Nikolaus einschließlich der Kirchengemeinde St. Peter Winzenheim, Heilig Kreuz, St. Wolfgang und St. Franziskus an.

2. Die Seelsorge für die Gemeindepastoral in Bad Kreuznach geht an ein Pfarrerteam „in solidum“ über: „Die Seelsorge für diese Pfarreien hat Herr Bischof Dr. Hermann Josef Spital gemäß can. 517 § 1 CIC solidarisch den Pfarrern Ulrich Laux, Martin Lörsch und Ludwig Unkelbach übertragen.“ Die rechtliche Zuständigkeit „eines jeden Pfarrers für alle Pfarreien“ wird noch einmal spezifiziert. So werden die drei Pfarrer nach dem Territorialprinzip den vier Pfarreien zugeordnet. Dabei werden ihre Rechte weiter präzisiert: „Zu diesen Aufgaben gehören insbesondere die Grunddienste, die Eheassistenz sowie die Erteilung von Dispensen, die dem Pfarrer von Rechts wegen zukommen.“ Ferner werden die gegenseitigen Vertretungen zwischen Moderator und den kooperierenden Pfarrern geordnet. Für die Leitung des Verwaltungsrats gelten die Regelungen des Kirchenvermögensverwaltungsgesetzes (KVVG).

3. Die Gesamtleitung liegt in den Händen des Moderators. Dieser übernimmt eine koordinierende und integrierende Aufgabe für die Binnenkommunikation zwischen den Gemeinden; auch wird er zum Vorgesetzten der hauptberuflichen pastoralen Mitarbeiter/-innnen und der Ständigen Diakone mit Zivilberuf ernannt. Als Dienst an der Einheit gegenüber dem Bischof und gegenüber dem Bistum Trier als übergeordnetem System nimmt der Moderator seine Leitung wahr. Als Ausdruck der außerordentlichen Gemeindeleitung kulminiert im Amt des Moderators das Pfarramt. Während die „Ausübung der Hirtensorge“5 für die Pfarr- und Kirchengemeinden jeweils einem Pfarrer für je eine Pfarrgemeinde übertragen ist6, nehmen die Pfarrer in der Rechtskonstruktion nach c. 517 § 1 CIC diese Aufgabe „in solidum“ wahr.

4. Für die pastoralen MitarbeiterInnen und die Ständigen Diakone mit Zivilberuf gelten die mit den zuständigen Stellen in Trier und mit dem Regionaldekan vereinbarten Stellenbeschreibungen. Des weiteren findet sich am Ende des Textes der Hinweis, dass diese Ordnung mit dieser Berufsgruppe „am 21. Februar 1996“ besprochen worden ist. Da die Gründung des Seelsorgebezirks unmittelbare Auswirkungen auf die Arbeitsstruktur und die Arbeitsbeziehungen der Hauptamtlichen wie auch der Ständigen Diakone mit Zivilberuf hat, bedarf es dieses Hinweises. Er macht auch deutlich, dass in Bad Kreuznach alles daran

4 Die weiteren Ordnungen, konkret die 2. Ordnung des Seelsorgebezirks Bad Kreuznach (1998) und

die Ordnung für den Seelsorgebezirk Merzig (2000), finden sich im Dokumentarband zu dieser Arbeit. Nachdem die Frist für die Ordnung des Seelsorgebezirks Bad Kreuznach abgelaufen ist, konnte eine Fortschreibung bisher noch nicht realisiert werden. Ein weiterer Änderungsbedarf besteht offensichtlich sowohl von Seiten des Bistums Trier als auch des Seelsorgebezirks zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht.

5 Vgl. Stockmann, P., Außerordentliche Gemeindeleitung, Frankfurt/M. 1999, 118. 6 Vgl. ebd., 101-118. Auf die praktisch-theologische Auswertung einer fünfjährigen Praxis werden wir

noch im nächsten Abschnitt zurückkommen.

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gesetzt worden ist, diesen Canon nicht als ein „klerikerzentriertes Modell“ zu konzipieren.

5. Als Arbeitskonferenz der hauptamtlichen MitarbeiterInnen wird auf der Ebene der Stadt das Pastoralteam eingerichtet, das vom Moderator einberufen und geleitet wird.

6. Der Koordinierungsausschuss wird als neues Gremium für die Kooperation zwischen den Gemeinden und zur Koordination der unterschiedlichen Interessen gebildet und in der Ordnung rechtlich gefasst. Ihm gehören je zwei Delegierte der vier Pfarrgemeinderäte und zwei weitere Delegierte der Kirchengemeinde von St. Peter, die Mitglieder des Pastoralteams und die Ständigen Diakone mit Zivilberuf an7. Mit diesem Teilsystem wird das synodale Prinzip der Kirche offiziell in die Steuerung der neuen Einheit eingefügt und mit dem amtlichen Dienst verbunden.

7. Die Ordnung regelt nicht zuletzt das Zusammenwirken von Seelsorgebezirk und Kirchengemeinden. „Diese Ordnung läßt die Rechte und Pflichten der einzelnen Kirchengemeinden einschließlich ihrer Verwaltungs- und Vertretungsgremien unberührt.“ Dieser Passus dient der Bestandssicherung der gemeindlichen Strukturen. Auf der juristischen Ebene ist diese Aussage zutreffend formuliert: Die Kirchengemeinden und ihre Vertretungsorgane haben mit der Gründung des Seelsorgebezirks an diesen keine Rechte abgetreten oder verloren (was z.B. bei einer Zusammenlegung und Auflösung von Pfarr- und Kirchengemeinden der Fall ist). Aus der Sicht der Organisationsentwicklung ist diese Aussage nicht haltbar: Jede Neugründung, die durch mehrere Gründerorganisationen (in diesem Falle durch die beteiligten Pfarreien) erfolgt, verlagert – unterhalb der expliziten Rechtsebene und in den Tiefenstrukturen der betroffenen Organisationen – die bestehenden Kommunikations- und Verabredungsmuster und entwickelt diese weiter: Die gegenseitigen Erwartungen des Seelsorgebezirks und der einzelnen Pfarrgemeinden werden in der neuen Organisation kommuniziert und durch den Aufbau von zuverlässigen Erwartungsstrukturen stabilisiert. Durch diesen Prozess gewinnt der Seelsorgebezirk nach innen an Identität und trägt zugleich zur Entlastung der einzelnen Gemeinden bei.

8. Der letzte Punkt der Ordnung verdient ebenfalls noch einen kurzen Hinweis: „Diese Ordnung tritt am 1. März 1996 in Kraft und gilt bis zum 28. Februar 1997.“ Mit der Befristung der Ordnung soll dem Gedanken einer „fehlerfreundlichen Organisation“ Rechnung getragen werden. Zugleich berücksichtigt dieser Passus, dass mit dem Pilotprojekt neue Erfahrungen mit diesem Modell der kooperativen Pastoral gesammelt und reflektiert werden sollen. Die Angabe eines konkreten „Verfallsdatums“ und die relativ kurze, einjährige Laufzeit der Ordnung soll die Verantwortlichen in Bad Kreuznach und in der Bistumsleitung dazu motivieren, das Gespräch zwischen Trier und Bad Kreuznach nicht abreißen zu lassen, sondern miteinander und anhand der konkreten Praxiserfahrungen die Ordnung fortzuschreiben.

9. Die Ordnung wird vom zuständigen Diözesanbischof gegengezeichnet. Die Unterschrift des Bischofs stellt kirchenrechtlich keine zwingende Notwendigkeit

7 Außer den genannten Personengruppen werden die MitarbeiterInnen in der Kategorialseelsorge

(Krankenhaus, Kur- und Klinikseelsorge) und die Pastoralreferentin des Dekanats Bad Kreuznach zu den Sitzungen des Koordinierungsausschusses eingeladen.

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dar, wenn die Ernennung der Pfarrer rechtmäßig erfolgt. Nicht nur wegen des besonderen Charakters des Seelsorgebezirks Bad Kreuznach als Pilotprojekt des Bistums Trier erweist sich diese Form der Verständigung als eine nicht zu unterschätzende symbolische Handlung, die der Kommunikation zwischen den beiden Systemen und Systemebenen dient.

3.1.1.2. Die zweite Ordnung des Seelsorgebezirks von 1998 In den Sitzungen des Koordinierungsausschusses im Gründungsjahr 1996 steht das Thema: „Auftrag und Kompetenz des Koordinierungsausschusses“ und „Kooperation der Gemeinden im Seelsorgebezirk“ mehrfach auf der Tagesordnung. Vor allem die Notwendigkeit der Erstellung einer Beerdigungsordnung für die fünf Gemeinden der Stadt regt zu einem weiteren Klärungsprozess bezüglich der Aufgaben und Ziele des Seelsorgebezirks an. Dabei geht es vor allem um die Frage der Kompetenzen des Koordinierungsausschusses. Die Überlegungen finden Aufnahme in die Fort-schreibung der Ordnung, die wegen der Befristung der ersten Ordnung notwendig wird. Angesichts anderer drängenden Themen, die im ersten Jahr zur Entscheidung anstehen, wird erst am 26.05.1997 die Fortschreibung der Ordnung auf die Tages-ordnung des Koordinierungsausschusses gesetzt. In zwei weiteren Sitzungen wird die Überarbeitung der ersten Fassung anhand von Vorlagen diskutiert. Am 17.11.1997 verabschiedet der Koordinierungsausschuss die neue Ordnung und leitet sie an den Bischof zur Kenntnisnahme und Unterschrift weiter. Als wichtigste Änderungen der zweiten Ordnung sind zu nennen: 1. Das Pilotprojekt „Seelsorgebezirk Bad Kreuznach“ wird ausdrücklich mit dem

Prozess der Gemeindeentwicklung in Verbindung gebracht und in die kooperative Pastoral des Bistums Trier eingeordnet. „Diese Gemeinden verabreden einen gemeinsamen Prozess der Gemeindeentwicklung im Rahmen der kooperativen Pastoral des Bistums Trier.“

2. Der Koordinierungsausschuss spricht sich mehrheitlich für eine Namensänderung in „Koordinierungsrat“ aus. Im Text wird zudem dieses Gremium vor dem Pastoralteam genannt und diesem gegenüber aufgewertet.

3. Das Delegationsprinzip der fünf Gemeinden wird neu geordnet; die Information und Kommunikation zwischen den Delegierten des Koordinierungsausschusses und den Pfarrgemeinderäten wird verbindlich geregelt.

4. Zur Sicherstellung der Einheit von Pastoral und Verwaltung sind die Gemeinden, in denen der Vorsitz des Verwaltungsrats durch einen Ehrenamtlichen wahr-genommen wird, zusätzlich zu den Delegierten der Pfarrgemeinderäte durch die jeweiligen Vorsitzenden vertreten.

5. Für den Konfliktfall wird die Errichtung einer Schiedsstelle8 in die Ordnung aufgenommen und mit diesem Instrument ein Mediationsverfahren vereinbart.

8 Die Errichtung einer Schiedsstelle orientiert sich an der Ordnung für die Pfarrgemeinderäte im

Bistum Trier, § 9 Arbeitsweise, Abs. 8: „Bleibt ein Vermittlungsversuch erfolglos, kann die beim Bistum Trier errichtete Schiedsstelle angerufen werden.“ Vgl. KA 139 (1995), Nr. 77.

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Bis auf den Wunsch der Namensänderung „Koordinierungsrat“9 werden alle Änderungswünsche durch das Bischöfliche Generalvikariat positiv bewertet und durch den Diözesanbischof genehmigt. Diese Ordnung bleibt über das Datum des Ausscheidens von Dechant Laux hinaus, der zum 01.09.1999 in die Krankenhaus-Seelsorge gewechselt ist, bis in das Jahr 2001 gültig. Offensichtlich wird – trotz meines Hinweises auf die fällige Fort-schreibung – weder vom Bistum Trier noch vom Seelsorgebezirk eine Änderung der bisherigen Ordnung als vordringlich angesehen. Deshalb kann man davon aus-gehen, dass beide Seiten die Fortsetzung der Praxis im Rahmen der bisherigen Ordnung befürworten.

3.1.1.3. Die neue Ordnung des Seelsorgebezirks Merzig von 2000 Bei den Beratungen zum „Struktur- und Stellenbesetzungsplan 1995/1996“ entscheiden sich die fünf Gemeinden der Stadt Merzig zur Gründung eines Seel-sorgebezirks nach c. 517 § 1 CIC. Zur Vorbereitung des Kooperationsprojekts wird 1997 eine „Arbeitsgruppe 2005“ eingerichtet, in der die Pfarrer in der Stadt, die betroffenen Pfarrgemeinderäte und die hauptamtlichen SeelsorgerInnen vertreten sind. Von 1998 an begleite ich im Auftrag des Bistums Trier diese Gruppe bei der Vorbereitung der Gründung in Merzig. Ein wichtiger Beratungsgegenstand im letzten Jahr vor der Errichtung des Seelsorgebezirks bildet ebenfalls die Erstellung einer Ordnung. Diese orientiert sich an der gültigen Ordnung von Bad Kreuznach und schreibt diese fort10. Auf dieser Grundlage findet am 15.10.2000 die Gründung des Seelsorgebezirks Merzig statt. Folgende Aspekte wie auch Änderungen gegenüber der vorherigen Ordnung aus Bad Kreuznach sind in dieser dritten Ordnung beachtens- und erwähnenswert: 1. Die neue Ordnung nimmt Bezug auf die am 15.01.2000 vom Bischof

genehmigten „Diözesanbestimmungen über die Gliederungen des Bistums“. Diese fügen den Seelsorgebezirk nach c. 517 § 1 CIC offiziell in die Strukturen der Diözese ein11.

2. Der Koordinierungsausschuss differenziert sich in stimmberechtigte und beratende Mitglieder; zu der ersten Gruppe der Stimmberechtigten zählt auch der Krankenhauspfarrer von Merzig, der ein wesentliches Element der kategorialen Seelsorge vertritt. Als beratende Mitglieder werden die im Dekanat Merzig tätigen Pastoralreferenten und der Ruhestandspfarrer genannt.

3. Die Rechte und Pflichten der Mitglieder der einzelnen Gremien sind präzisiert worden; die Häufigkeit der Sitzungen beider Gremien des Seelsorgebezirks werden exakt benannt.

9 Mit der Ablehnung dieses Vorschlags drückt die Bistumsleitung zugleich aus, dass sie zum

damaligen Zeitpunkt den Rechtsstatus der Pfarrgemeinderäte nicht beschneiden möchte. 10 An diesem Beratungsprozess ist von Seiten des Bischöflichen Generalvikariats Prof. Dr. M.

Hommens, zuständig für kirchliches Recht in der Hauptabteilung „Zentrale Dienste“, beteiligt. 11 Vgl. KA 144 (2000) Nr. 32 § 3, 2. Mit diesem Rechtsakt des Diözesanbischofs, d.h. mit der

Aufnahme dieser Form der außerordentlichen Gemeindeleitung in die Diözesanbestimmung, kann man aus kirchenrechtlicher Sicht die Pilotphase des Seelsorgebezirks Bad Kreuznach als beendet betrachten: Das Bistum Trier hat dieses Modell als eine Form der Gemeindeseelsorge rechtlich verbindlich festgeschrieben.

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Zusammenfassend kann man festhalten: Die Textdokumentation der ersten drei Ordnungen eines Seelsorgebezirks gemäß c. 517 § 1 CIC dokumentiert einen Lern- und Entwicklungsprozess sowohl auf der Ebene der neuen Seelsorgebezirke als auch auf Bistumsebene, den man zusammen mit der Fortschreibung der Ordnungen ablesen kann. Zugleich belegt dieser Prozess, dass der c. 517 § 1 CIC „als Rahmen-bestimmung“12 konzipiert ist und auf eine Erprobung und Umsetzung durch diözesane Praxis hin angelegt ist. Nicht zuletzt scheint dieser Rechtsrahmen einen ausreichenden Spielraum für die Anforderungen und für Prozesse der Gemeinde und Organisationsentwicklung zu bieten.

3.1.2. URTEILEN: Der Canon 517 § 1 CIC zwischen Einführung eines Pfarrerteams und der kirchlichen Organisationsentwicklung

Das kirchliche Gesetzbuch von 1983 hat die Übertragung der pfarrlichen Seelsorge an mehrere Priester, die in der Fassung des CIC von 1917 unterbunden worden war, neu geordnet und damit die „monokephale“ Pfarrstruktur13 als Grundtypos der amtlichen Leitung einer Pfarrei nach c. 515 § 1 CIC durch das Modell der soli-darischen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC („in solidum“)14 und in der Form der außerordentlichen Gemeindeleitung mit Hilfe eines Pfarrbeauftragten und einem „moderierenden Priester“ nach c. 517 § 2 CIC15 erweitert. Dieses Leitungskonzept einer kooperativen Pastoral wird zwar in den Konzeptionen und Pastoralplänen mehrerer Diözesen (z.B. Speyer16, Rottenburg-Stuttgart17) als ein mögliches Modell der kooperativen Pastoral und einer kooperativen Gemeinde-leitung genannt, doch liegen auf diesem Gebiet und für den deutsch-sprachigen Raum fast noch keine pastoraltheologisch reflektierten Praxiserfahrungen vor. Der Pastoraltheologe H. P. Heinz steht sicherlich nicht mit seiner Meinung allein, wenn er dieser Form der Gemeindeleitung skeptisch gegenübersteht: „Dieses Modell hat seine Grenze an der mangelnden Kooperationsfähigkeit sehr vieler Priester.“18 Die Ursache für die deutliche Zurückhaltung, die man gegenüber diesem Modell (im

12 Schmitz, H., Pfarrliche Seelsorge durch Priester-Solidargemeinschaft, in: MThZ 49 (1998) H. 4,

358. 13 Vgl. Schappert, P., Solidarische Pfarrseelsorge. Möglichkeit und Bewertung in der neu-

scholastischen Kanonistik, St. Ottilien 1991, 136. 14 Vgl. Löffler, R., Gemeindeleitung durch ein Priesterteam. Interpretation des can. 517 § 1 CIC/1983

unter besonderer Berücksichtigung der deutschen Rechtslage, Münster 2001. 15 Vgl. Böhnke, M., Pastoral in Gemeinden ohne Pfarrer. Interpretation von c. 517 § 2 CIC/ 1983,

Essen 1994; Hallermann, H., Die Wahrnehmung der Hirtensorge in einer Pfarrei gemäß den Bestimmungen des c. 517 § 2 CIC, in: Hallermann, H. (Hg.), Die Verantwortung gemeinsam tragen. Erfahrungen mit der kooperativen Pastoral im Bistum Mainz, Mainz 1999.

16 Vgl. Bischöfliches Ordinariat Speyer (Hg.), Kirche lebt in der Pfarrgemeinde (Elemente eines Diözesanpastoralplans). Pastoralbeilage zum Oberhirtlichen Verordnungsblatt für das Bistum Speyer, Nr. 1/ 1993, 27f.

17 Vgl. Seelsorgereferat der Diözese Rottenburg-Stuttgart (Hg.), Gemeindeleitung im Umbruch. Entwicklung einer differenzierten und kooperativen Leitung, in: Konzepte Nr. 1/ August 1997, 24.

18 Heinz, H. P., Pfarrei ohne Seelsorger - Seelsorge ohne Pfarreien. Alternativen zur Pfarrstruktur gemäß c. 516 § 2 CIC, in: Schifferle, A. (Hg.), Pfarrei in der Postmoderne, Freiburg-Basel-Wien 1997, 153.

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Gegensatz zum c. 517 § 2 CIC)19 in der pastoraltheologischen Fachdiskussion, in der diözesanen Planung und in der pastoralen Praxis eingenommen hat, ist durchaus verständlich; mögliche Gründe für die Skepsis sind im Einleitungskapitel schon thematisiert worden. In nächsten Teil soll es um eine kurze Darstellung der aktuellen kirchenrechtlichen Diskussion zu diesem Canon gehen. Was hat der Gesetzgeber bei der Abfassung dieses Canon c. 517 § 1 CIC gewollt und gemeint, wie sind die einzelnen Rollen und Aufgaben beschrieben, vor welchem theologischen Horizont ist dieser Text zu verstehen? Theologiegeschichtlich kann man keine direkte und unmittelbar nachweisbare Entwicklungslinie vom Zweiten Vatikanischen Konzil bis zur Promulgation des c. 517 § 1 CIC im Jahre 1983 ziehen20. P. Stockmann geht aber sicherlich nicht fehl in der Annahme, dass die Volk-Gottes- und der Communio-Ekklesiologie (in Form des Presbyteriums als Ausdruck der Einheit der Priester untereinander wie auch mit ihrem Bischof) wichtige Impulsgeber für diesen Canon gewesen sind: „Das vom Konzil wiederbelebte Theologumenon des zusammenarbeitenden einen bzw. einzigen diözesanen Presbyteriums bereitet der späteren Entwicklung .[...]. indirekt den Weg.“21 Von Seiten der Kirchenrechtler wird ausdrücklich betont, dass es sich um eine Sonderform der Gemeindeleitung handelt und dass dieses Modell eine Abweichung von der Regel22, nämlich der Grundform nach c. 515 § 1 CIC darstellt (jeweils ein Pfarrer trägt die Verantwortung für eine Pfarrei: „qua proprio eiusdem pastori“). Der Sonderweg, der mit der Leitung einer oder mehrerer Gemeinden durch ein Pfarrerteam unter der Leitung eines Moderators nach c. 517 § 1 CIC beschritten wird, stellt sich demnach einer kirchenrechtlichen Spannung, die durch die Impulse des Konzils in das Kirchenrecht hinein getragen worden sind: „1. Eine Pfarrei darf nur einen Pfarrer haben. 2. Solidarische Pfarrverwaltung ist möglich.“23 Das Beschreiten dieses Weges kann man grundsätzlich, d.h. theologisch, oder auch praktisch - pastoral begründen. Die Entscheidungsbefugnis für ihre Notwendigkeit liegt beim 19 Heinz, H. P., a.a.O., 153f.; vgl. Löffler, R., a.a.O., 6; Eckart, J., Pfarrgemeinderat und Kooperative

Pastoral. Eine pastoraltheologische Untersuchung am Beispiel der Diözese Speyer, St. Ottilien 1998, 210ff; Hallermann, H., a.a.O., 26ff.

20 Vgl. Löffler, R., a.a.O., 15, 177. 21 Stockmann, P., a.a.O., 104f. P. Stockmann bezieht sich dabei auf folgende Konzilstexte: CD 28,

30, 32; PO 7, 8; LG 28. Der Gedanke der Kollegialität und des Presbyteriums durchzieht die hier genannten – und viele andere – Texte des Konzils. Bemerkenswert ist, dass die Aussage über die Kirche als Ganze (im Kopfsatz von Lumen Gentium: „Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott und für die Einheit der ganzen Menschheit.“ - LG 1) auch auf den Dienst des Presbyteriums übertragen wird: „Weil die Menschheit heute mehr und mehr zur Einheit im bürgerlichen, wirtschaftlichen und sozialen Bereich zusammenwächst, sollen die Priester um so mehr in vereinter Sorge und Arbeit unter Leitung der Bischöfe und des Papstes jede Art von Trennung beseitigen, damit die ganze Menschheit der Einheit der Familie Gottes zugeführt werde.“ (LG 28) Diese Textstelle belegt auch, dass das Modell des Pfarrerteams nicht nur eine Binnenperspektive kennt und dem Zusammenhalt der Kirche als Communio dient, sondern dass dieses Leitungsmodell auch ein Zeugnis der Einheit gegenüber der Menschheit darstellt. Ihre Bedeutung wird auch dadurch unterstrichen, dass GS 43 sich ausdrücklich auf sie bezieht und sie wörtlich zitiert.

22 Aymans, W./ Mörsdorf, K., Kanonisches Recht. Lehrbuch aufgrund des Codex Iuri Canonici, Bd.II., Verfassungs- und Vereinigungsrecht, Paderborn-München-Wien-Zürich 1997, 418.

23 Schappert, P., Solidarische Pfarrseelsorge. Möglichkeiten und Bewertung in der neuscholastischen Kanonistik, St. Ottilien 1991, 127.

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jeweiligen Diözesanbischof, vor allem, wenn eine solche Leitung „in solidum“ einem Pfarrerteam anvertraut wird, das einer Ordensgemeinschaft angehört (vgl. c. 520 § 1 CIC).

3.1.2.1. Textanalyse von c. 517 § 1 CIC und der cc. 542-544 CIC Wenden wir uns nach diesen Vorbemerkungen der Textanalyse des c. 517 § 1 CIC und den Canones zu, die sich auf diesen beziehen: - Wo die Umstände es erfordern, ... Konkrete Gründe für die Errichtung dieser außerordentlichen Gemeindeleitung werden im ersten Teil des Rechtstexts nicht genannt (im Gegensatz zu c. 517 § 2 CIC, wo als Grund der Priestermangel ausdrücklich angegeben ist). Was kann gemeint sein mit: „Wo die Umstände es erfordern.“ („Ubi adiuncta id requirant“) ? Diese Aussage wird in der Kanonistik kontrovers diskutiert. Als Gründe können geltend gemacht werden24: (1) Stärkere pastorale Einigkeit mehrerer Pfarreien, (2) Förderung und Pflege eines gemeinschaftlichen Lebens und Arbeitens von Priestern, (3) extreme pastorale Herausforderungen in bzw. an den Rändern von Großstädten oder auf dem Lande, (4) Priestermangel. Damit ist für die Zulässigkeit dieses Konzepts der außerordentlichen Gemeindeleitung ein relativ weiter Spielraum gegeben25. - ...kann die Seelsorge für eine oder für verschiedene Pfarreien zugleich

mehreren Priestern solidarisch übertragen werden, ... Der zentrale Begriff dieses Abschnitts lautet: „solidarisch übertragen“ („in solidum“ 26). Der hermeneutische Schlüssel zum rechten Verstehen der dargestellten und vorhandenen Spannung zwischen der solidarischen Gemeindeleitung auf der einen und dem kirchenrechtlichen Verbot mehrerer Pfarrer in einer Pfarrei auf der anderen Seite liefert die Unterscheidung zwischen „Seelsorge“ („cura pastoralis“) im all-gemeinen Sinne und „Ausübung der Seelsorge“.27 Die Seelsorge steht allen Pfarrern des Teams mit gleichen Rechten zu, die Ausübung der Seelsorge liegt in der Zuständigkeit des Moderators („curae pastoralis exercendae sit moderator“). Jeder Pfarrer trägt die volle Verantwortung für die pastoralen Aufgaben, die ihm im Rahmen von Ordnung und Verabredungen übertragen sind, d.h. „Jedes Mitglied der Priester-Solidargemeinschaft hat gemäß c. 543 § 1 CIC die dem Pfarrer zukommenden Aufgaben und Amtshandlungen wahrzunehmen.“28 Die zuvor benannte Spannung (die Wiedereinführung der solidarischen Seelsorge bei einer klaren Zurückweisung einer ungeordneten Beauftragung von mehreren Pfarrern für eine oder mehrere Pfarreien) wird gerade bei der Beschreibung der Kompetenzen 24 Vgl. Stockmann, P., a.a.O., 106f. Vgl. dazu auch das Praxisbeispiel aus der Diözese Evry/

Frankreich: Gilbert, C., Das Diözesanmodell von Evry, in: Diak 32 (2001) H.1, 28f., wo eine Kombination der beiden Canones c. 517 § 1 und § 2 CIC praktiziert wird.

25 Vgl. Löffler, R., 177f. 26 Schappert definiert „in solidum“ wie folgt: „Solidarisch wird danach eine Verantwortung dann

übertragen, wenn mehrere Personen in derselben Angelegenheit beauftragt sind, wobei jeder unabhängig von den anderen handlungsfähig ist und das Handeln des ersten Beauftragten die anderen von dieser Handlung ausschließt (ggf. bis jener die Erledigung des Auftrags aufgibt).“ - Schappert, P., a.a.O., 6.

27 Vgl. Schappert, P. a.a.O., 135. 28 Schmitz, H., a.a.O., 359.

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und Aufgaben des Pfarrerteams sichtbar. Deshalb wird in can. 543 § 1 CIC die Erstellung einer Ordnung für die Pfarrer zwingend vorgeschrieben. Innerhalb dieser Ordnung können diese selbst entscheiden, wie sie die Seelsorge ordnen und miteinander regeln. Für Absprachen im Team - je nach Interessen und Kompetenzen bzw. im Blick auf ihre Tätigkeiten in der territorialen und kategorialen Seelsorge bietet sich mit der Ordnung ein weiter Verabredungsspielraum. Rechtlich ist die Position der Pfarrer klar umschreiben und mit einer relativen (im doppelten Sinne) Autonomie für das pastorale Handeln ausgestattet. Mindestens zwei29 Priester sind nötig, um von einem Pfarrerteam „in solidum“ sprechen zu können. Die persönlichen Voraussetzungen der Priester zur Übernahme des Amtes sind in c. 542 in Verbindung mit c. 521 CIC geregelt. - ...jedoch mit der Maßgabe, daß einer von ihnen Leiter des seelsorglichen

Wirkens sein muß, der nämlich die Zusammenarbeit zu leiten und dem Bischof gegenüber zu verantworten hat.

Im Codex ist die Übertragung der Gemeindeleitung an eine juristische Person ausgeschlossen. Das personale Prinzip wird kirchenrechtlich bei allen Formen der Leitung von Pfarreien konsequent durchgehalten. Deshalb benötigt das Pfarrerteam einen Leiter, der im lateinischen Text den Namen „Moderator“ trägt. Dieser nimmt den Dienst an der Einheit wahr: Er koordiniert die pastoralen Handlungen des Pfarrerteams nach innen30 und repräsentiert ihre Einheit gegenüber dem Bischof, in dessen Namen und Auftrag er die Leitungsverantwortung wahrnimmt. Ihm gegen-über verantwortet der Moderator die ordnungsgemäße Seelsorge in der Pfarr-gemeinde bzw. im Seelsorgebezirk. Die Vollmachten des Moderators sind in der promulgierten Fassung des c. 517 § 1 CIC gegenüber seinen „Mit-Pfarrern“ klar begrenzt. „Den Mitgliedern der Priester-Solidargemeinschaft ist die Ausübung der pfarrlichen Seelsorge in der Weise übertragen, daß jeder die vor allem in c. 543 §1 CIC umschriebenen pfarrlichen Aufgaben und Amtshandlungen ‚zu ungeteilter Hand‘ ausübt und daß ‚einer für alle‘ handelt.“31 Der Moderator übernimmt im Binnenbereich die Aufgabe einer „einigenden Hand“32; damit verbunden steht ihm ein Weisungsrecht zu, das sich auf die in Can. 543 § 1, 2. Halbsatz CIC genannten Vollmachten bezieht. Gemäß c. 543 § 2 n. 3 CIC vertritt allein der Moderator die Pfarrei bzw. die der Gemeinschaft anvertrauten Pfarreien in rechtlichen Angelegenheiten. Da ein Verweis auf c. 532 an dieser Stelle fehlt, geht H. Schmitz davon aus, „daß dem Moderator zwar die rechtliche Vertretung ‚nach außen‘ allein zukommt, daß er aber nicht die ganze administrative Verantwortung trägt.“33 Das heißt konkret, dass im Rahmen der Ordnung die Verwaltungsaufgaben einschließlich der Leitung des Verwaltungs-rats und der Vermögensverwaltung unter den Pfarrern aufgeteilt und je nach Schwerpunktsetzung zugeordnet werden können. In Bezug auf die Zuständigkeit der einzelnen Pfarrer für den Pfarrgemeinderat bzw. für die Pfarrgemeinderäte im

29 Vgl. Coccopalmerio, F., De Paroecía, Roma 1991, 102. 30 Vgl. Schmitz, H., a.a.O., 361. 31 Ebd. 32 Ebd., 362. 33 Ebd., 363.

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Seelsorgebezirk besteht ebenfalls ein Spielraum für interne Vereinbarungen; diese müssen allerdings in der Ordnung eindeutig geregelt sein34. Bei der Amtseinführung des Pfarrerteams bzw. der „Besitzergreifung“ wird der Moderator gemäß c. 542. 3° CIC in Verbindung mit c. 527 § 2 CIC und im Rahmen der üblichen Praxis der jeweiligen Ortskirche in sein Amt eingeführt. Er legt den Amtseid ab, während seine „Mit-Pfarrer“ das Glaubensbekenntnis zu sprechen haben35. - ... gemäß der von ihnen selbst festgelegten Ordnung ... (c. 543 §1 CIC) Das Kirchenrecht schreibt eine Ordnung vor, die das Zusammenwirken des Pfarrerteams, ihre Kompetenzen und Aufgaben in der Seelsorge regelt. Dabei entscheiden die Priester selber, wie sie die Seelsorge wahrnehmen und sicherstellen wollen. „Die ‚Solidar-Ordnung‘ ist offen für je nach den Gegebenheiten der Pfarrei(en) und nach den Begabungen der Priester entsprechende Regelungen, so daß örtliche und kategoriale Festlegungen oder Abgrenzungen möglich sind.“36 Ein Punkt, der mit Hilfe der Ordnung zu regeln ist, wird durch den Begriff „Applikationspflicht“ gemäß c. 543 § 2, 2° in Verbindung mit 534 CIC beschrieben. Es geht um die Sicherstellung der „Messe für das Volk“, die an den Sonntagen und gebotenen Feiertagen im Bereich der Pfarrgemeinde bzw. des Seelsorgebezirks durch einen der Pfarrer zu feiern ist37. - Wenn irgendein Priester der in can. 517, § 1 erwähnten Gemeinschaft oder

der Leiter der Gemeinschaft aus seinem Amt ausscheidet... (c. 544 CIC) Nach c. 544 CIC gibt es für die Pfarrei oder den Seelsorgebezirk keine Vakanz, wenn der Moderator oder ein anderer Pfarrer aus dem Team ausscheidet; die Kontinuität und Stabilität der Leitung bleibt erhalten. Die Entscheidungsbefugnis zur Ernennung eines neuen Moderators nach dem Ausscheiden des Amtsinhabers liegt beim Diözesanbischof. Bis zu diesem Zeitpunkt versieht der der Ernennung nach älteste Priester der Gemeinschaft dieses Amt. Bei gleichzeitiger Ernennung der Mitglieder des Pfarrerteams sollte das Weihealter als Kriterium für die Übertragung der Leitung in der Übergangszeit herangezogen werden38. Fazit der Textanalyse des c. 517 § 1 CIC und der cc. 542 – 544 CIC Wenn man die Kommentare zum c. 517 § 1 CIC untersucht und vergleicht, so fällt auf, dass dieser Canon von den Kanonisten in der Tendenz eher zurückhaltend bis kritisch bewertet wird. Die Gründe sind zum Teil nachvollziehbar, da es eine Reihe von Fragen gibt, die bisher kirchenrechtlich noch nicht hinreichend geregelt und geordnet sind39. Aber auch psychologische und psychosoziale Bedenken40 werden 34 Vgl. ebd., 364. 35 Vgl. ebd., 363. 36 Ebd., 359. 37 Vgl. Ebd., 360. 38 Vgl. Aymans, W./ Mörsdorf, K, a.a.O., 421. 39 Vgl. Schmitz, H., Pfarrei und Gemeinde, in: AkathKR 148 (1979) 48ff; Stockmann, P., a.a.O.,

114ff. Vgl. Krämer, P., Kirchenrecht II. Ortskirche – Gesamtkirche, Stuttgart-Berlin-Köln 1993, 90f. Krämer benennt den kritischen Punkt, der auch in Bad Kreuznach Widerstand ausgelöst hat, würdigt auf der anderen Seite aber auch diesen Canon als Chance: „Gegen die Schaffung einer Teampfarrei wird mit dem Hinweis argumentiert, daß dadurch der personale Bezug zwischen den Gläubigen und dem Vorsteher einer Gemeinde verlorengehe. Die Gemeinde sehe sich einem

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ins Feld geführt. Die Argumente sind so gewichtig, dass man sie nicht einfach übergehen kann. Zudem rät auch die zurückhaltende Praxis bei der Anwendung und Verbreitung dieses Modells in den deutschen Diözesen zur Vorsicht bei der Einführung des Modells der solidarischen Gemeindeleitung. Man kann also davon ausgehen, dass auch in Zukunft die Praxis der Gemeindeorganisation nach c. 517 § 1 CIC eher die Ausnahme als die Regel darstellt und die solidarische Pfarrseelsorge eher „zu den Raritäten“41 gehören wird. Aufgrund einer fünfjährigen Praxiserfahrung spreche ich mich dennoch für dieses Modell aus. Dieses Votum möchte ich in diesem Abschnitt zunächst theologisch und systemtheoretisch begründen. Zunächst knüpfe ich am Thema dieser Arbeit an. Es geht um ein Pilotprojekt der Kirchenbildung in Bad Kreuznach. Dieser Vorgang ist eingebettet in einen Prozess, der durch das Zweite Vatikanische Konzil initiiert worden ist. Im Ereignis und in den Dokumenten des Konzils sind die lehramtlichen, theologischen, pastoralen, recht-lichen und organisationalen Grundlagen für die Kirchenbildung auf der Ebene der Weltkirche in der späten Moderne grundgelegt und miteinander verbindlich geregelt worden. Das zentrale Leitbild und das ekklesiologische Konzept von Kirche, das vor allem in Lumen Gentium entfaltet worden ist, beschreibt die Kirche mit Hilfe der zwei Chiffren: „das Mysterium der Kirche“ und „das Volk Gottes“. Diese lehramtlichen Verlautbarungen des Konzils enthalten eine Botschaft mit kirchenrechtlicher Relevanz. Diese muss sich im Kirchenrecht und seinen Canones sowohl intentional als auch in Bezug auf die Ausführungsbestimmungen auf der Ebene der Diözesen und Gemeinden widerspiegeln. In diesem Sinne dient das Kirchenrecht „dem geistlichen Ziel des pilgernden Gottesvolkes“42, indem es neben der statisch bewahrenden Strukturebene auch der heilsgeschichtlichen Dimension Rechnung trägt. Diese Vorüberlegungen führen wieder zur Ausgangsfrage hin: Ist es ist es sinnvoll, den c. 517 § 1 CIC als Rahmen für einen Prozess der kirchlichen Organisationsentwicklung in Bad Kreuznach zu verwenden und das Pilotprojekt in diesen Rahmen hineinzustellen? Wir haben festgestellt, dass die Einführung dieses Canons in das neue Kirchenrecht sich mittelbar aus der Konzilsekklesiologie ableiten lässt und mit ihr verknüpft werden kann. Der Gedanke des mit dem Bischof in Einheit verbundenen Presbyteriums, das sich zugleich als Zeugnis in der Welt versteht (vgl. LG 28 und GS 43), bildet den Ausgangspunkt für die Einführung der solidarischen Gemeindeleitung. Damit steht dieses Leitungsmodell in einer großen Nähe zu den Überlegungen der Konzilsväter zur Erneuerung der Kirche und zur Kirchenbildung in der Moderne. Wir haben des weiteren entdeckt, dass c. 517 § 1 CIC von den Kirchenrechtlern als eine

anonymen Gruppenpfarrer gegenübergestellt. [...] Positiv ist auf jeden Fall, daß das Gesetzbuch mit der Teampfarrei eine Entwicklung neuer pastoraler Strukturformen auf Pfarrebene ermöglicht. Die Erfahrung wird zeigen müssen, ob und in welchen Bereichen eine Teampfarrei sich zu bewähren vermag.“; vgl. Löffler, R., 179f.

40 Vgl. Heinemann, H., Sonderformen der Pfarrgemeindeorganisation gemäß c. 517. Eine kritische Anfrage, in: Akath KR 163 (1994) 343.

41 Stockmann, P., a.a.O., 118. 42 Aymans, W., Kirchenrecht, in: LThK3, Bd. 6, Sp. 41; vgl. ders., Die Kirche – Das Recht im

Mysterium der Kirche, in: Listl, J./ Schmitz, H., Handbuch des katholischen Kirchenrechts, Regensburg 21999, 3ff.

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Rahmenbestimmung zu verstehen ist, für die bewusst eine offene Formulierung gewählt worden ist, damit sie im Rahmen einer diözesanen Umsetzung und Erprobung konkretisiert und an die teilkirchliche Wirklichkeit angepasst werden kann. Somit kann man zu Recht behaupten, dass dieses Konzept der solidarischen Gemeindeleitung der Erneuerung und Entwicklung der Pastoral vor Ort dienen darf. Ein nur defensiv orientiertes Verständnis von c. 517 § 1 CIC, etwa im Sinne der Verwaltung des Priestermangels, kann man demnach mit diesem Modell der außer-ordentlichen Gemeindeleitung schwerlich in Übereinstimmung bringen. Aus theologischer Sicht liegt es deshalb auf der Hand, diesen c. 517 § 1 CIC mit dem Anliegen und Konzept der Gemeinde- und Organisationsentwicklung zu verbinden und diesen Canon als Rahmenbestimmung für dieses Modell der kooperativen Pastoral heranzuziehen.

3.1.2.2. Management von Dissens Wie aber geht man – aus theologischer, vor allem amtstheologischer Sicht – mit dem zuvor angedeuteten strukturellen Spannungsgefüge in der Leitung um, das nicht nur zwischen dem Moderator und seinen Con-Pfarrern im Pfarrerteam besteht, sondern das im Seelsorgebezirk Bad Kreuznach sogar noch um zwei zusätzliche Spannungsbögen erweitert wird und sich dabei ausdrücklich auf die Konzilstheologie bezieht? Wie in den Ordnungen des Seelsorgebezirks nachzulesen, nehmen ja vier verschiedene Steuerungsinstrumente als Teilsysteme an der Leitung teil: der Moderator, das Pfarrerteam, der Koordinierungsausschuss und das Pastoralteam. Alle Teilsysteme aber steigern die Komplexität und überschreiten das in der Grund-struktur der Pfarrei vorgesehene Pfarrermodell gemäß c. 515 § 1 CIC. Andererseits kann die Praxis der zurückliegenden Jahre belegen, dass in Bad Kreuznach weder der „pastorale Notstand“ noch das „pastorale Chaos“ ausgebrochen ist. Im Gegenteil hat sich eine Praxis eingespielt, in der alle Teilsysteme mehr Anteil genommen haben an der Frage um die Zukunft ihrer Kirche, der Kirche von Bad Kreuznach. Die Antwort auf diese Frage lautet: Gerade die in diesem Canon enthaltene Spannung ist es, die dieses Modell für die kooperative Pastoral interessant macht. Allerdings muss man zugleich Abschied nehmen von „Irrlehren“, die bis heute im Zusammenhang mit der Leitungsfrage postuliert werden. Es gilt Abschied zu nehmen vom Glaube, dass komplexe Organisationen wie z.B. eine Pfarrgemeinde, ein Seelsorgebezirk, eine Diözese wie triviale Maschinen zu behandeln und zu steuern seien. Wenn man sich von dieser Vorstellung verabschiedet hat, stellt sich die Frage der Leitung in der Kirche wieder neu: Nicht mehr der Pfarrer ist derjenige, der „alles im Blick und alles im Griff“ hat, es ist auch nicht das Pfarrerteam nach c. 517 § 1 CIC, sondern mit Hilfe der Repräsentanz der verschiedenen Teilsysteme, die dazu legitimiert bzw. delegiert sind, wird die Steuerung der komplexen Organisation „Seelsorgebezirk Bad Kreuznach“ wahrgenommen. Dabei nimmt der Moderator – als Repräsentant der Einheit mit der Diözese als übergeordnetem System – eine koordinierende Funktion ein, wie dies zuvor in der Exegese des Canon entfaltet worden ist. Der Koordinierungsausschuss stellt demnach den Versuch eines Arrangements dar, die verschiedenen Perspektiven von unterschiedlichen Rollen-trägern und von Repräsentanten relevanter Teilsysteme aufeinander zu beziehen und miteinander zu kommunizieren. Das genau heißt – systemisch betrachtet - „Führen und Leiten“. Dieses Verständnis aber verlangt auf der Seite der Leitungs-verantwortlichen die Haltung, die von der Kirche seit alters als „Dienst“ der Leitung

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am Volk Gottes, oder von der systemischen Beratung als „systemische Demut“43 umschrieben wird. Das Konzil hat in Lumen Gentium (vgl. LG 1044) das Fundament für ein solches Verständnis im Umgang mit Komplexität45, das Miteinander von amtlichem und allgemeinem Priestertum, gelegt und damit auch den Weg geebnet für das Konzept der solidarischen Leitung, das wir seit fünf Jahren erproben. Dennoch bleibt die Frage der Spannungsbögen zwischen den Rollenträgern, die an der Leitung unter der Federführung des Moderators partizipieren. Die neueren Ansätze der systemischen Organisationsentwicklung können bei der Antwort auf diese Frage weiterhelfen: Sie weisen uns darauf hin, dass Leiten und Steuern verstanden werden kann als „Management von Dissens“46 und gerade nicht als Management von Konsens. Denn „Konsens“ wird oft vorschnell und zum Preis einer unzulässigen Komplexitätsreduzierung vorzeitig hergestellt. Oft geschieht dies durch die bekannten Ausschlussverfahren: sei es durch das „Exkommunizieren“ von Mitgliedern oder MitarbeiterInnen aus der Gemeinde, durch Abschließungsprozesse in gemeindlichen Gruppen, durch die abschließende Wahrnehmung von Infor-mationen, die für die Zukunftsfähigkeit der Gemeinde in einem hohen Maß relevant sein können. Auf unser Beispiel der Leitung des Seelsorgebezirks nach c. 517 § 1 CIC übertragen heißt das: Weder die einseitige Auflösung in Richtung einer Klerikalisierung dieses Modells der außerordentlichen Gemeindeleitung noch eine Nivellierung der Unter-schiedlichkeit der Funktionen (sowohl innerhalb der amtlich beauftragten Leitung, d.h. von Moderator und Con-Pfarrer als auch im Zusammenspiel von Amtsträger und LaienseelsorgerInnen, von Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen) sind demnach anzustreben47. Ansonsten müsste befürchtet werden, dass einseitige Auflösungs-bestrebungen genau das Gegenteil bewirken könnten: sie könnten die vom Gesetzgeber gewollte bzw. zugelassene – spannungsreiche Identität des Leitungs-modells nach c. 517 § 1 CIC in die eine oder andere Richtung zerstören.

43 Vgl. Zwingmann, E./ Schwertl, W., Staubach, M.L./ Emlein, G., Management von Dissens. Die

Kunst systemischer Beratung von Organisationen, Frankfurt/M.-New York 1998, 23. 44 LG 10: „Das gemeinsame Priestertum der Gläubigen aber und das amtliche bzw. hierarchische

Priestertum unterscheiden sich zwar dem Wesen und nicht bloß dem Grade nach; dennoch sind sie einander zugeordnet: das eine wie das andere nämlich nimmt auf je besondere Weise am einen Priestertum Christi teil:“ Vgl. Hilberath, B.J., Das Verhältnis von gemeinsamem und amtlichen Priestertum in der Perspektive von Lumen Gentium 10, in: TThZ 94 (1985) 311-325.

45 Bei der Textanalyse der Konzilsdokumente, vor allem der Pastoralkonstitution, fällt auf, wie häufig sie das Thema „Komplexität“ und den angemessenen Umgang mit ihr behandeln. Vgl. Gaudium et Spes, 5: „Der Gang der Geschichte selbst erfährt eine so rasche Beschleunigung, daß der Einzelne ihm schon kaum mehr zu folgen vermag. Das Schicksal der menschlichen Gemeinschaft wird eines und ist schon nicht mehr aufgespalten in verschiedene geschichtliche Abläufe. So vollzieht die Menschheit einen Übergang von einem mehr statischen Verständnis der Ordnung der Gesamtwirklichkeit zu einem mehr dynamischen und evolutiven Verständnis. Die Folge davon ist eine neue, denkbar große Komplexheit der Probleme, die wiederum nach neuen Analysen und Synthesen ruft.”

46 Vgl. Zwingmann, E./ Schwertl, W., Staubach, M.L./ Emlein, G., a.a.O., 28f. 47 In den zurückliegenden Jahren sind wir von verschiedenen Diözesen eingeladen worden, unseren

Seelsorgebezirk im Rahmen von Fortbildungsveranstaltungen für die pastoralen Berufe als Projekt der Gemeinde- und kirchlichen Organisationsentwicklung vorzustellen. Im Blick auf die einzelnen Veranstaltungen und in Bezug auf die Zusammenstellung der Teams haben wir mit großer Sorgfalt darauf geachtet, dass möglichst alle Teilsysteme, die an der Leitung teilhaben, präsent waren und aus ihrer Sicht den Entwicklungsprozess darstellen konnten.

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„Management von Dissens“ meint in unserem Zusammenhang, einen Leitungsstil wie auch eine Leitungsorganisation zu erproben und zu kultivieren, die den Dissens strukturell organisiert und damit – paradoxerweise – genau dem Anliegen dient, das dem Konzil als Zielperspektive von „Kirche-sein“ vor Augen steht: Die Kirche ist „Zeichen und Werkzeug“, d.h. Zeugnis im Dienst an der Einheit der Menschheit. Mit Hilfe der Ordnung, die in diesem Zusammenhang erst in ihrer Bedeutung und Tragweite erkannt werden kann, organisiert der Seelsorgebezirk seinen Leitungs-dienst „als solidarische Leitung in strukturell geordneten Spannungsbögen“ (wie die Spitzbögen den Raum einer gotischen Kathedrale zusammenhalten) als Dienst an der Einheit.

3.1.2.3. Der c. 517 § 1 CIC und das Rekurrenzprinzip Der nächste Gedanke knüpft an den Überlegungen zum Verständnis von „Führen und Leiten“ mit Hilfe der solidarischen Gemeindeleitung an. Während wir uns bei den bisherigen Überlegungen mit der Leitungsfrage mit Blick auf die horizontale Ebene von Leitung beschäftigt haben, geht es im nächsten Schritt um die Betrachtung der vertikalen Achse dieses kirchenrechtlichen Modells. Die folgenden Überlegungen werde ich mit Hilfe eines Modells der Führungslehre und Organisationstheorie präsentieren und von dort her auf den Umgang mit c. 517 § 1 CIC übertragen. In meiner Studie „Systemische Gemeindeentwicklung“ habe ich das „Strukturmodell lebensfähiger Systeme“ nach S. Beer48 vorgestellt und versucht, seine Bedeutung für Prozesse der Gemeindeentwicklung nachzuweisen und auf sie hin fruchtbar zu machen. S. Beer hat das neurobiologische Regelsystem im Gehirn des Menschen erforscht49 und dabei wichtige Erkenntnisse für die Organisationsentwicklung gewonnen. Aufgrund dieser Erkenntnisse entwickelt er die „kybernetische Führungs-lehre“ und überträgt sie auf die Steuerung und Führung von Organisationen. Die Leitung einer Organisation als sozialen Systems besteht seiner Meinung nach aus fünf konstitutiven Teilsystemen, die in seinem Modell auf fünf Hierarchieebenen angeordnet und kommunikativ miteinander verknüpft sind. Diese fünf Teilsysteme lauten: (1) Steuerung der Basiseinheiten und der Ausführungs-systeme, (2) Intermediales Kommunikationssystem, (3) Operatives Steuerungs-system, (4) Strategisches Steuerungssystem und (5) Normatives Steuerungssystem. Nach Aussage von S. Beer steuert jede Organisation sich selbst mit Hilfe von Kommuni-kations-, Kontroll- und Selbstbeobachtungsinstrumenten, die einander beobachten, sich gegenseitig stimulieren und im Gesamtsystem aufeinander Bezug nehmen können50. Diese sind sowohl als Teilsysteme ausgebildet (vom praktischen bis zum normativen Steuerungssystem) und operieren auf unterschiedlichen Orga-

48 Beer, S., Kybernetische Führungslehre, Frankfurt/M.-New York 1973; vgl. Lörsch, M., a.a.O., 178ff. 49 Vgl. Luhmann, N., Sozialen Systeme, Frankfurt/M.1984, 346ff. Luhmann spricht aus

systemtheoretischer Sicht vom Menschen als „psychischem System“, um ihn mit den sozialen Systemen in einen gemeinsamen und umfassenden Theorierahmen bringen zu können. Diese (die Menschen) zählen systemtheoretisch einerseits zur Umwelt der sozialen Systeme, sind andererseits aber (wie unschwer zu begreifen ist) für die Bildung der sozialen Systeme von überragender Bedeutung.

50 Vgl. Willke, H., Systemtheorie II. Interventionstheorie, Stuttgart-Jena 1994; ders., Systemtheorie III. Steuerungstheorie. Stuttgart-Jena 1995. An dieser Stelle kann ich nur auf Willke verweisen. Es würde zu weit führen, das Modell von S. Beer den steuerungstheoretischen Überlegungen von Willke gegenüberzustellen und beide Ansätze miteinander zu diskutieren.

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nisationsebenen, um auf ihr die ebenenspezifische Funktion zu erfüllen. Alle eigen-ständig operierenden Teilsysteme enthalten selbst wiederum diese Struktur mit den fünf Steuerungsebenen (von der ersten bis zur fünften, der normativen Ebene). Die theoretische Grundlage zum Verständnis des Modells bildet das „Theorem der rekurrenten Systeme“: „Wenn ein lebensfähiges System ein eben solches System enthält, so muss seine organisatorische Struktur rekurrent sein.”51 An dieser Stelle wage ich nun den Überstieg zur kirchenrechtlichen Reflexion des Seelsorgebezirks. Dieses Theorem lässt sich anhand der Organisation „katholische Kirche“ als Gesamtsystem treffend und leicht nachvollziehbar illustrieren: Die Organisationsstruktur der Kirche bildet sich – im Kleinen, d.h. auf der Orts- und Gemeindeebene – wie im Großen, d.h. auf der Ebene der Diözesankirche und der Weltkirche nach diesem Muster und analog zur neurologischen Struktur der Steuerung und Leitung mit Hilfe der fünf Teilsysteme der Steuerung aus. Die Kommunikation in der Kirche, d.h. die Kommunikation der kirchlichen Normen, des Kirchenrechts, die kirchlichen Kommunikationsformen und die liturgische Feier findet man rekurrent, d.h. sich in allen Teilsystemen und Strukturen wiederholend, auf allen Systemebenen wieder: angefangen bei der einzelnen Gemeinde in einem Stadtteil von Bad Kreuznach über das Bistum Trier bis hin zur römischen Zentrale im Vatikan. In diesem Zusammenspiel der kirchlichen Teilorganisationen (von der Gemeinde bis zur Weltkirche) erweist sich die Kirche als ein rekurrentes System, das auch in seinen organisatorischen Strukturen rekurrent ist. (Möglicherweise liegt – systemtheoretisch betrachtet – in der Ausbildung dieser rekurrenten Leitungs-organisation der Kirche, die sich im Laufe der Geschichte durch viele Konflikte hindurch fortentwickelt hat, der „Erfolg“ ihrer langen Lebensdauer. Vielleicht hat gerade dieses Steuerungssystem zum Überleben der Kirche beigetragen – trotz unendlich vieler existenzgefährdenden Krisen, in die sich die Kirche selbst gebracht hat bzw. die sie im Laufe der Kirchengeschichte zu bestehen hatte.52) Welche Konsequenzen ziehe ich aus diesen Vorüberlegungen im Blick auf die Theorie und Praxis der solidarischen Leitung eines Seelsorgebezirks nach c. 517 § 1 CIC? Wenn die Kirche vor Ort einen Weg der kirchlichen Organisationsentwicklung erprobt, der nicht nur personale Entwicklungen, sondern auch organisationale Veränderungen eröffnen will, bedarf es der Einordnung in das Gesamtsystem der Kirche. Diese besteht in unserem konkreten Beispiel zunächst aus den Pfarrgemeinden als unterster diözesanen Strukturebene (vgl. c. 515 § 1 CIC) und aus ihrem Zusammenschluss in der Form des Seelsorgebezirks sowie der Ortskirche als übergeordnete Organisation. Nur wenn die Kommunikation zwischen ihnen gewährleistet ist, kann es zu einem organisationalen Prozess kommen, der dem Leben und der Entwicklung beider Teilsysteme dient. Grundsätzliche Entwicklungen, 51 Vgl. Beer, St., a.a.O., S. 239: rekurrent →recurrere (lat. zurückkommen, wiederkehren, sich

wiederholen). In diesem Zusammenhang verweise ich auf: Höhn, H.J., Kirche und kommunikatives Handeln. Studien zur Theologie und Praxis der Kirche in der Auseinandersetzung mit den Sozialtheorien Niklas Luhmanns und Jürgen Habermas, Frankfurt/M. 1985, S. 215ff., der diesen Prozess als „Systemiteration” bzw. als „iterative Reflexion” der unterschiedlichen Teilsysteme Gemeinde - Ortskirche - Gesamtkirche bezeichnet; auf ihn bezieht sich Kehl, M., Die Kirche, a.a.O., S. 370.

52 Eine Fortsetzung der systemtheoretischen Diskussion „die unvergängliche Geschichtsdauer der Kirche“ müsste als Thema der Dogmatik, speziell der Ekklesiologie, geführt werden. Vgl. Knittel, R., Die unvergängliche Geschichtsdauer der Kirche in ihrer ekklesiologischen Entfaltung, Frankfurt/M. 2000.

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wie sie die Realisierung der Konzilsbeschlüsse bedeuten, benötigen aber auch den Blick über die Ortskirche hinaus. Die Neukonstruktion der solidarischen Leitung stellt eine solche Innovation der Weltkirche für die Steuerung der Kirche dar, die das vertraute „Ein-Pfarrer-eine-Pfarrei-Prinzip“ auf der Grundlage der Volk-Gottes- und der Communio-Ekklesiologie um das Modell der solidarischen Leitung erweitert53. Mit Hilfe der Organisation eines Pilotprojekts, in dem alle Teilsysteme des Gesamt-systems der Kirche repräsentativ vertreten sind, trägt ein im überschaubaren Raum einer Mittelstadt einer konkreten Diözese initiierter Seelsorgebezirk mit seiner Leitungsstruktur zur Realisierung der Konzilsbeschlüsse bei. Das Kirchenrecht nimmt in unserem Fall eine unverzichtbare Funktion ein, weil es rekurrent, d.h. sich von Rom bis in die konkreten Gemeinden in Bad Kreuznach wiederholend, die Repräsentanz des normativen Systems sicherstellt. Kirchliche Organisations-entwicklung, die mit Hilfe eines solidarischen Leitungsmodells nach c. 517 § 1 CIC neue Erfahrungen mit Leitung sammelt und in der Diözese kommuniziert, verbindet mit Hilfe des Kirchenrechts als Repräsentanz des übergeordneten normativen Teilsystems, das weltkirchliche (bzw. römisch-katholische) Gesamtsystem der katho-lischen Kirche mit den Aufbrüchen der Organisationsentwicklung vor Ort. Der c. 517 § 1 CIC als Ausdruck und Rahmenbestimmung für ein Leitungsverständnis, das der Communio entspricht, wird zum korrespondierenden Funktionssystem, das rekurrent die verschiedenen vertikalen Strukturebenen der Kirche miteinander verbindet. Die praktische Erfahrung mit Beratungsprozessen in der Kirche und die Theorie der systemischen Organisationsentwicklung lehren uns: Erst in dem Maß, in dem die hier vorgestellten kirchlichen Teilsysteme in ihren unterschiedlichen Funktionen ange-messen berücksichtigt werden, können sie mit den anderen Teilsystemen in einen kommunikativen Austausch treten. Mit der Ermöglichung dieser Kommunikations-prozesse organisieren sich soziale Systeme. Wenn diese organisationalen und ekklesiologischen Vorgaben beachtet werden, können Entwicklungsprozesse in Gang kommen, die in den Organisationen aufgrund der eigenen Gesetzmäßigkeiten gespeichert und im „Langzeitgedächtnis“ der Kirche gesichert werden. Das Kirchenrecht eröffnet mit diesem Canon einen Weg der Erneuerung des Leitungsamtes, für das es einen „Rechtsrahmen“ erstellt hat. Die praktische Erprobung und die Formulierung von Ausführungsbestimmungen wird den Orts-kirchen aufgrund der praktischen Erfahrungen überlassen54. Damit besteht für mich die Hoffnung, dass sich im Rahmen eines vertikalen Austauschs (von Gemeinden, Diözesen und Weltkirche) auch Perspektiven für die Fortschreibung des kirchlichen Amtes eröffnen, die bisher weder bei den Kanonisten noch bei den Praktikern im Blick sind. Anhand eines möglichen Szenarios möchte ich diesen Gedanken als eine Vision entfalten: Mit Hilfe des c. 517 § 1 CIC und aufgrund der Ordnung (die unterschiedliche Teilsysteme kennt und das amtliche und synodale Element beachtet) könnte die solidarische Gemeindeleitung des Seelsorgebezirks eines Tages folgende Gestalt gewinnen: der Moderator wird – wie bisher als akademisch ausgebildeter Priester – durch den zuständigen Diözesanbischof nach Bad Kreuznach entsandt. Die Kirche am Ort aber beruft ihre Con-Pfarrer– im Rahmen des hier vorgestellten Projekts der kirchlichen Organisationsentwicklung – aus ihrer eigenen Mitte, z.B. in Form der „Viri Probati“. Vielleicht ist dies der Weg, wie sich in

53 Vgl. Krämer, P., a.a.O., 91. 54 Vgl. Schmitz, H., Pfarrliche Seelsorge durch Priester-Solidargemeinschaft, a.a.O., 357.

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Zukunft „Berufung“ für das priesterliche Amt ereignen wird, um „in solidum“ mit dem „externen“ Moderator eine gemeinsame Leitung für die Kirche dieser Stadt zu bilden und ihr vorzustehen. Wegen der kirchenrechtlichen Absicherung dieses Leitungs-modells habe ich die Hoffnung, dass mit einem Verfahren, das ich in diesem Szenario dargestellt habe, weitergehende Entwicklungen möglich werden. Dann könnte die nach wie vor unbefriedigende Diskussion um die Zukunft der Gemeinde-leitung55 konstruktiv fortgesetzt und lösungsorientiert entschieden werden.

3.1.3. HANDELN: Empfehlungen für ein Gelingen (oder auch Scheitern) der außerordentlichen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC

Nach den grundlegenden theoretischen Gedanken zum Umgang mit dem c. 517 § 1 CIC, die ich im letzten Abschnitt als Beitrag zum „Urteilen“ entfaltet habe, folgt nun der Überstieg in die Praxis der Kirche. Wir können festhalten: Den c. 517 § 1 CIC muss man im Zusammenhang mit der Ekklesiologie des Zweiten Vatikanischen Konzils betrachten und bewerten. Das Konzil hat sich verstanden als Aufbruch der Kirche in die Moderne und als Antwort auf die Herausforderungen der Welt, die sich in einem fundamentalen Umbruch befindet. Dieses Leitungskonzept des Pfarrerteams bietet eine Möglichkeit, der Ekklesiologie des Konzils auch in der Leitung am Ort eine Gestalt zu geben und durch die Kultur der Leitung das intendierte Leitbild einer erneuerten Kirche abzu-bilden. Folgende praktische Überlegungen und Empfehlungen zum Handeln will ich als Ertrag der eigenen Erfahrungen und als Bilanz unserer Reflexionen vorlegen und zur Diskussion stellen: 1. Das Konzil hat die Communio des Volkes Gottes und des Presbyteriums wieder

entdeckt und die Gemeinsamkeit und Einheit der Kirche in einer Anzahl von Belegstellen in den relevanten Konzilsdokumenten gewürdigt. Umgekehrt erleben wir gerade unter den Priestern der mittleren und jüngeren Generation, dass sie im hohen Maß die Realität der späten Moderne widerspiegelt und sich wie eine „Decoupled Elite“ (E.M. Lipp) der Gesellschaft verhält: In immer mehr Pfarr-häusern treffen wir auf eine „Kühlschrank- und Mikrowellen-Kultur”, die mehr eine Kopie der jungen und vom Alltagsleben der Menschen abgekoppelten Eliten der „Single-Kultur“ widerspiegelt, als dass sie der Lebens- und Wohnkultur der gegenwärtigen Gesellschaft eine lebensfördernde Alternative bereitstellt. Eine solche Anpassung des kirchlichen Amtes an den „Mainstream“ wird der Kirche auf Dauer nicht gut bekommen und vermutlich auch nicht zukunftsfähig sein. Zudem widerspricht diese abgekoppelte Single-Lebensform auf Dauer dem Communio- Leitbild des Konzils, das der Kirche als Orientierung für die Zukunft vor Augen steht. Von daher sind unter Priestern neue kommunitäre Stile einer lebens-freundlichen Lebenskultur zu empfehlen. In Bad Kreuznach haben wir von Anfang an eine Kommunikations- und Kooperationskultur verabredet und praktiziert, die in dieser Richtung Zeichen setzt: die Pfarrer leben eine Tisch-, Gebets- und Gesprächsgemeinschaft, die sich auch hierin eine Struktur und Ordnung gegeben

55 Vgl. Karrer, L., Was der Geist den Gemeinden sagt. Fragen und Optionen, in: Diak 32 (2001) H.1,

4ff. Siehe dazu auch die Ausführungen von Belok, M., Gemeindeleitung im Bistum Limburg, a.a.O., 13ff., der das Konzept der pastoralen Räume in Verbindung mit c. 517 § 2 CIC vorstellt, aber auch die Aporien dieses Weges kritisch beleuchtet.

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hat56. Im Pastoralteam achten wir auf eine Konferenz- und Begegnungskultur, in der die Pflege des menschlichen Miteinanders, d.h. die Beachtung der Beziehungsebene, ausreichend Raum erhält. Das Gleiche gilt auch für den Umgang im Koordinierungsausschuss: Trotz des engen Zeitrahmens, in dem wir oft eine Reihe von Tagesordnungspunkten berücksichtigen müssen, achten wir auf einen passenden geistlichen Beginn und auf eine angemessene Pause. Darüber hinaus werden die Gemeindemitglieder mit Hilfe der Festkultur des Tabortags auf der Erfahrungs- und Erlebnisebene in die Entwicklung des Seelsorgebezirks einbezogen.

2. Wie im letzten Abschnitt ausgeführt, erproben wir mit dem Konzept des c. 517 § 1 CIC ein neues kooperatives Leitungsmodell. An ihm partizipieren das kirchliche Amt und das synodale Prinzip, die durch die verschiedenen Personengruppen im Koordinierungsausschuss vertreten sind.57 Für eine weitere Konkretisierung wie auch eine Profilierung der außerordentlichen Gemeindeleitung mit Hilfe des Koordinierungsausschusses, z.B. in Form des Ausbaus der Leitung durch eine „Doppelspitze“, die durch den Moderator als amtlich beauftragten Leiter und durch ein aus den Reihen des Koordinierungsausschusses gewähltes Leitungs-mitglied besteht, aber auch für eine weitergehende Überlegung in Richtung einer Erneuerung und Erweiterung des Presbyteriums, ist meiner Meinung nach dieses Modell mit seinen Rahmenbestimmungen von c. 517 § 1 CIC offen. Neue Formen, in denen die Communio-Kirche exemplarisch und repräsentativ gelebt und praktiziert wird, könnten auf Zukunft hin immer mehr an Bedeutung und eines Tages auch an konkreter Gestalt gewinnen.58 In dieser Richtung werden wohl auch die weiteren Überlegungen zur Erneuerung der Berufungspastoral anzu-stellen sein.

3. Umgekehrt kann die Einführung des Pfarrerteams sich dann als problematisch erweisen, wenn mit ihr ein kleruszentriertes Leitbild durchgesetzt wird, das einer Klerikalisierung der Leitung Vorschub leistet und damit die zuvor dargestellte Form der Leitung in „Spannungsbögen“ einseitig auflöst. Eine solche Entwicklung allerdings würde ein wichtiges Grundanliegen des Konzils konterkarieren, das

56 Der Tag beginnt mit den gemeinsamen Laudes, an der alle teilnehmen, die im Pfarrhaus von Heilig

Kreuz leben, und dem anschließenden Frühstück. Ich selbst schließe mich diesem gemeinsamen Start am Morgen an, so oft ich kann; dem Sonntagmorgen kommt eine besondere Verbindlichkeit zu. Etwa alle vier Wochen treffen wir uns am Sonntagabend zum Austausch, zur Reflexion, zur „Revisión de vie”.

57 Exemplarisch und vorbildlich hat in der Evaluation die Steuerungsgruppe das Konzept eines Leitungsteams abgebildet und die unterschiedlichen Rollen- und Funktionsträger in einer neuen Leitungskultur zusammengefügt. Zu Recht merkt C. Rüdesheim allerdings auch kritisch an, dass in dieser Steuerungsgruppe die mittlere Ebene übersehen und übergangen worden ist. Wir haben einen Kooperationspakt zwischen der unteren und der Diözesanebene geschlossen und das Dekanat bzw. die Region übergangen. Vielleicht muss an dieser Stelle die Organisations-entwicklung in Bad Kreuznach nachgebessert werden, um zukünftig unnötige Konflikte zu vermeiden, bzw. um die übergeordnete Kooperationsebene des Dekanats als Bündnispartner für die Umsetzung der Entwicklungsziele zu gewinnen.

58 Vgl. Kerkhofs, J./ Zulehner, P.M., Presbyterien neuer Art, in: Zulehner, P.M. (Hg.), Kirchenvolks-Begehren. Kirche auf Reformkurs, Düsseldorf/ Innsbruck-Wien 1995, S. 158ff. In diesem Beitrag wird ein Zukunfts-Szenario von neuartigen Presbyterien von Frauen und Männern entworfen, die als Ganzes vom Bischof mit dem Ordo ausgestattet werden und in verschiedenen pastoralen Aufgabenfeldern tätig sind. Erstveröffentlichung dieses Beitrags in: Kerkhofs, J./ Zulehner, P.M., Europa ohne Priester, Düsseldorf 1995.

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Kirche vom Volk Gottes her entworfen und entfaltet hat. Wegen dieser Gefahr, die man grundsätzlich nicht ausschließen kann, empfehle ich der deutschen Kirche das Modell von c. 517 § 1 CIC unter Vorbehalt. Jedoch dort, wo die Gemeinden als Trägerinnen der Seelsorge an dieser Form der außerordentlichen Gemeinde-leitung partizipieren, eröffnen sich der Kirche neuartige Perspektiven und tragen zu ihrer Vitalisierung vor Ort bei. Im Seelsorgebezirk Bad Kreuznach können wir auf einen Prozess zurückschauen, in dem Hauptamtliche und Ehrenamtliche, Priester und Diakone, Pfarrer und Gemeindereferenten, Pastoralreferentin und Gemeindemitglieder zu einem neuen Miteinander, auch in der Partizipation an der Leitung, gefunden haben. Dieser Weg war nicht leicht und er ist noch lange nicht zu Ende59. Demnach empfehle ich den Verantwortlichen in den Diözesen und auf Gemeindeebene, die Planung eines Seelsorgebezirks nach c. 517 § 1 CIC bewusst nicht auf die Priester zu einzugrenzen, sondern sie vom Volk Gottes her zu konzipieren, dieses von Anfang an in die Überlegungen einzubeziehen und konsequent in eine kooperative Leitung der Gemeinden bzw. des Bezirks einzu-binden. Die Ekklesiologie des Konzils wie auch die Praxis und Theorie der Weltkirche hat in den zurückliegenden 35 Jahren ungeahnte Möglichkeiten zur kooperativen Pastoral eröffnet. Jetzt steht es an, den Blick nach vorne zu richten und diesen Weg weiter zu verfolgen.

4. „Dieses Modell hat seine Grenze an der mangelnden Kooperationsfähigkeit sehr vieler Priester.“60 – so lautet der Kommentar des Pastoraltheologen H. P. Heinz zur solidarischen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC. Dieser Einwand muss ernst genommen werden; um die Kooperations- und Kommunikationsfähigkeit vieler Priester und pastoralen MitarbeiterInnen ist es trotz aller pastoral-psycho-logischen Angebote in der Aus- und Fortbildung nicht zum Besten bestellt. Ein solcher Einwand schränkt die Möglichkeiten des Einsatzes und der Verbreitung von c. 517 § 1 CIC ein.61 Eine weiteres „heißes Eisen“ könnte das Miteinander und Zueinander von Moderator und den weiteren Pfarrern in der Gemeindeleitung darstellen. Zwei Aspekte sind hier zu beachten: (1) Für das Gelingen dieses Modells scheinen die Pflege einer Gesprächs- wie auch einer Gebets- und Tisch-kultur unverzichtbar zu sein; und: (2) Auf eine präzise und funktionale Absprache in der Ordnung muss großer Wert gelegt werden. Den menschlichen Bedürfnissen der Betroffenen wie Anerkennung, qualifizierte und herausfordernde Aufgaben usw. gilt es, ausreichend Aufmerksamkeit und Raum zu schenken. Wenn diese Aspekte beachtet werden, kann das Miteinander mit hoher Wahrscheinlichkeit gelingen und vor der Gefahr bewahrt werden, dass das Team beziehungsmäßig oder im Blick auf die Arbeitsbelastung in eine irreparable Schieflage gerät62. Sicherlich muss man bei den Priestern und pastoralen

59 Es soll nicht verschwiegen werden, dass man die kurze Geschichte des Anfangs und der ersten

Schritte des Seelsorgebezirks Bad Kreuznach auch als eine Konfliktgeschichte darstellen und lesen könnte.

60 Heinz, H. P., Pfarrei ohne Seelsorger - Seelsorge ohne Pfarreien. Alternativen zur Pfarrstruktur gemäß c. 516 § 2 CIC, in: a.a.O., 153.

61 Eine weitere Einschränkung beobachte ich auch im Blick auf die Geografie unserer Diözese: Dieses Konzept eignet sich wohl eher für den mittel- und großstädtischen Raum als für die weiträumig verstreuten und relativ kleinen Gemeinden auf dem Land.

62 Mit der Bewältigung dieser Konflikte beschäftigt sich das Modell der solidarischen Gemeindeleitung seit ihren Anfängen in der frühen Kirche. Weitere Themen, die sich in diesem Zusammenhang stellen, etwa die Frage um „vita communis“ oder die Altersfrage bei der Zusammensetzung des

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MitarbeiterInnen, die sich für diesen Weg entscheiden, auch eine gewisse Elastizität, Interesse am Neuen und Mut zum Risiko voraussetzen. Unverzichtbar für das Gelingen dieses Teamkonzepts scheint mir die Bereitschaft und Fähigkeit zur Verbindlichkeit zu sein: dies gilt sowohl im Blick auf die praktischen Absprachen als auch in Bezug auf die Beziehungskultur. Die Verabredung zur Mitarbeit in einem solchen Modell der Gemeindeleitung stellt zunächst eine Dienstbeziehung dar, die aber zugleich eine Kultur der Aufmerksamkeit, des Respekts, der Kommunikation, der Konfliktfähigkeit und der Kooperations-bereitschaft einschließt.

5. Die Gründung eines Seelsorgebezirks geht in den deutschen Diözesen in der Regel einher mit der Zusammenlegung oder –fassung von Pfarrgemeinden zu einer neuen Einheit. Dieser Schritt stellt, wie mehrfach belegt, ein eminent wichtiges Datum und einen tiefen Eingriff in das Leben der Kirche am Ort dar. Auch in dieser Richtung möchte ich eine Hinweistafel aufstellen: Zunächst wird diese Zäsur von der Mehrheit der Gemeinden nicht als Chance, sondern als Verlust und Mangel bilanziert. Die Gefahr der Resignation und Erstarrung, die Tendenz zum ghettohaften Einigeln der Gemeinden und zum Rückzug auf das binnenkirchliche Leben ist nicht von der Hand zu weisen. Die fünfjährige Geschichte des Seelsorgebezirks Bad Kreuznach habe ich als einen Beitrag zur Kirchenbildung erfahren, vermutlich weil wir nicht nur auf den Mangel geschaut und der Vergangenheit nachgetrauert haben, sondern weil wir uns bemüht haben, die Frohe Botschaft in das Heute und in das Hier hinein zu bezeugen. Ungeahnte Prozesse (im Kleinen und Großen) sind in Gang gekommen, die in keinem theologischen Lehrbuch stehen und in keiner pastoralen Handreichung zu finden sind. Natürlich mussten vor allem im ersten Jahr Konflikte unterschiedlichster Art ausgestanden werden. Doch mitten in diesen Spannungen erleben wir: Das Leitbild der „pilgernden Kirche“ gewinnt Konturen und Gemeinden machen sich auf den Weg. Aus den Begegnungen mit dem Volk Gottes und im Hören auf das Evangelium beginnt sich die Kirche zu erneuern und neu zu organisieren. Diese Aufbruchsstimmung, mit der wir vor fünf Jahren in Bad Kreuznach gestartet sind, hat offensichtlich auch nach fünf Jahren noch nicht ihre Attraktivität verloren. Die kirchliche Organisationsentwicklung hat sich dabei als ungemein hilfreich erwiesen, um mit Hilfe der außerordentlichen Gemeindeleitung nach c. 517 § 1 CIC einen Prozess der „Kirchen – Bildung“ zu erproben.

Dr. Martin Lörsch St. Anna Str . 33 D-54295 Trier

Teams usw. würden an dieser Stelle zu weit führen und bedürfen der weiteren Erprobung in der Praxis.

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