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2/2015 DAS MAGAZIN FÜR SCHULE IN SACHSEN KLASSE »Wir gehören dazu!« 10 Antworten zum Thema Migration und Schule

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KLASSE 2/2015 "Wir gehören dazu!" - 10 Antworten zum Thema Migration und Schule

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2/2015

DAS M AGA ZI N FÜR SCH U LE I N SACHSEN

KLASSE

»Wir gehören dazu!« 10 Antworten zum Thema Migration und Schule

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M I G R AT I O N I N Z A H L E N

WER KOMMT NACH SACHSEN?1.

Nationalitäten sind in Sachsen ver-treten. Die größte Gruppe sind russi-

sche Staatsbürger (8,4 Prozent), Viet-namesen (7,2 Prozent), Ukrainer (5,8 Prozent) und Chinesen (4,3 Prozent).

180

49%35%15%

49 Prozent der Migranten kommen auf-grund ihrer Ausbildung und Erwerbs- tätigkeit nach Sachsen. 35 Prozent wegen Familiennachzugs und 15 Prozent aus humanitären Beweggründen.

35,2Jahre beträgt das Durch-

schnittsalter ausländischer Mitbürger. Dies liegt deut-lich unter dem sächsischen

Durchschnitt von 46,4 Jahren.

Was ist ein Schüler mit Migrationshintergrund?

Schüler mit Migrationshinter-grund sind in Sachsen jene, die zwei- und mehrsprachig auf-wachsen und selbst oder deren Eltern (bzw. ein Elternteil) oder Großeltern nach Deutschland zu-gewandert sind, ungeachtet ihrer gegenwärtigen Staatsangehörig-keit und ungeachtet ihres Aufent-haltsstatus. In Sachsen besteht für Schüler mit Migrationshintergrund Schulpflicht unabhängig vom Auf-enthaltsstatus (gemäß §§26, 28 Schulgesetz) – also auch für Kin-der von Asylsuchenden.

2 %aller Beschäftigten in Sachsen sind ausländische Ar-

beitnehmer

2,5 %In Sachsen leben 4,05 Millionen Einwohner, davon haben circa 100.000 Menschen eine ausländische Herkunft. Dies sind etwa 2,5 Prozent der Gesamtbevölkerung des Freistaates.

DD

LE

C

Land-

kreise

4,2 %

5,4 %3,8 %

2 %

Die meisten ausländischen Mit- bürger leben im Freistaat in den Städten Leipzig, Dresden und Chem-nitz. In den Landkreisen haben maxi-mal etwa 2 Prozent der Einwohner eine ausländische Herkunft.

382.031 Schüler lernen

an Sachsens Schulen.

22.900 Schüler im Freistaat haben einen Migra-

tionshintergrund.

6 % aller Schüler in Sach-

sen haben einen Migrationshinter-

grund.

3.070 Schüler mit Migrati-

onshintergrund lernen in Vorbereitungs-

klassen.

161 Vorbereitungsklassen gibt es in Sachsen.

Stand: 1. Februar 2015

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E D I T O R I A L / I N H A LT

Sie können KLASSE kostenlos abonnieren. Dazu genügt eine E-Mail mit Angabe Ihrer Adresse an [email protected]. Ansprechpartner für Ihre Hinweise, Meinungen und Themenvorschläge für die kommenden Ausgaben der KLASSE ist das Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden, Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected] (kein Zugang für elektronisch signierte sowie für verschlüsselte Dokumente).

Liebe Leserinnen und Leser,

was treibt Flüchtlinge dazu, ihre Heimat, Freunde, ihr Hab und Gut aufzugeben? Es gibt unendlich viele Gründe und Schicksa-le. Doch eines haben sie gemeinsam: Niemand flieht freiwillig. Meist ist es die nackte Existenzangst, die Menschen auf eine Odyssee mit ungewissem Ausgang treibt. Wer sich dieses im-mer wieder vor Augen führt, wird die Herausforderung besser annehmen können, die mit der Integration von Flüchtlingskin-dern an unseren Schulen verbunden ist. Diese Aufgabe ist groß, wächst täglich und bringt nicht selten Schulen an organisa- torische sowie Lehrerinnen und Lehrer an psychische Grenzen.

Schuljahre können auf Grundlage von vorliegenden Anmelde-zahlen wochenlang vorbereitet werden. Die Zahl der Asylsu-chenden und Migrantenkinder lässt sich dagegen nicht sicher vorhersehen. Für die Aufnahme von Flüchtlingskindern an Schu-len bleibt somit meist kaum Vorbereitungszeit. Das macht ne-ben den verschiedenen kulturellen Herkünften und unterschied- lichen Vorkenntnissen der Kinder die Integration an der Schule so herausfordernd. Für Flüchtlingskinder sind oft die Lehrerin-nen und Lehrer der erste intensive Kontakt zu einem ihnen un-bekannten Land und fremder Kultur. All den Kolleginnen und Kollegen, die diese Aufgabe annehmen und meistern, gelten mei-ne größte Anerkennung und mein Dank.

Aus gutem Grund müssen Kinder mit Migrationshintergrund die Schule besuchen und die deutsche Sprache erlernen. Die Sprache ist der Schlüssel zu einem Land. Niemand kann sich in einem fremden Land zurechtfinden und wohlfühlen, ohne die Landes-sprache zu beherrschen. Seit nunmehr über 20 Jahren eröffnen Lehrerinnen und Lehrer Kindern von Zuwanderern den Zugang zu einem für sie neuen Land. Diese wertvolle Arbeit lässt sich mit Geld nicht aufwiegen.

Mit der Aufnahme der Migrantenkinder in Vorbereitungsklas-sen allein ist es jedoch nicht getan. Integration an der Schule gelingt nur, wenn sie mit einer gelebten demokratischen Schul-kultur einhergeht. Daran wirken alle Lehrer und Schüler mit. Denn ganz gleich, aus welchen Gründen Migrantenkinder zu uns kommen, welchen Aufenthaltsstatus sie haben, wo sie her-kommen und welcher Religion sie angehören, sie gehören dazu. Heißen wir sie an unseren Schulen willkommen.

Ihre

Brunhild Kurth, Sächsische Staatsministerin für Kultus

Inhalt Wer kommt nach Sachsen? – Seite 2

Warum bist du nach Deutschland gekommen? – Seite 4

Was passiert im DaZ-Unterricht? – Seite 6

Warum haben wir Angst vor dem Fremden? – Seite 8

Wie kann ich das Thema Migration in der Schule einbringen? – Seite 10

Wie kann ich Demokratie in der Schule vermitteln? – Seite 12

Was macht »Schule ohne Rassismus«? – Seite 13

Wie kann ich Asylbewerbern in Sachsen helfen? – Seite 14

Wie kommen Migranten nach Sachsen? – Seite 15

Was würden Sie mitnehmen? – Seite 16

Impressum – Seite 15

»14

»04

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WARUM BIST DU NACH DEUTSCHLAND GEKOMMEN?2.

G R Ü N D E F Ü R M I G R AT I O N

2 / 20144 KLASSE

Ich bin Trang, 14 Jahre und komme aus Vietnam. Seit über einem Jahr lebe ich in Deutschland. Ich wollte zu mei-nem Vater ziehen, der schon lange in Leipzig wohnt und eine deutsche Frau hat. Meine Mutter war dagegen. Sie sagte, ich könne die Sprache nicht. Doch ich entschied mich, meinen Plan umzusetzen.

Der Anfang in meiner neuen Heimat war schwer für mich. Nicht nur wegen des Heimwehs. Als ich ankam, konnte ich ja nur ein paar Wörter auf Deutsch sprechen. Meine Halb-brüder haben mir aber geholfen, die Sprache zu lernen. In-zwischen habe ich auch viele Freunde gefunden.

Obwohl ich nach wie vor Vietnam und meine Mutter vermis-se, will ich in Deutschland bleiben. Ich will aufs Gymnasium wechseln und anschließend studieren – aber vermutlich in Großbritannien oder in den USA, weil ich meine Englisch-kenntnisse verbessern möchte. Danach will ich zurück nach Deutschland kommen.

Mein Name ist Marco, ich bin 15 Jahre und stamme aus Peru. Seit drei Jahren lebe ich in Leipzig. Meine Mut-ter ist Zahnärztin und wollte in Europa arbeiten – eigent-lich in Spanien. Als sie dort keinen Job bekam, ging sie nach Deutschland, lernte einen neuen Mann kennen und holte mich nach zwei Jahren nach.

Mein Vater wollte, dass ich in Peru bleibe. Doch ich habe mich für Deutschland entschieden, weil es hier bessere Bildungschancen gibt. Ich lernte mit meinem Stiefvater die Sprache. Auch »Deutsch als Zweitsprache« hat mir dabei sehr geholfen. Nun will ich Abitur machen und später Medizin studieren.

Außerdem ist das Leben in Deutschland viel sicherer. Hier gibt es nicht an jeder Straßenecke jemanden, der einen ausrauben will. Ich fühle mich wohl und habe in-zwischen viele Freunde, mit denen ich auch meine Freizeit verbringe. Dennoch vermisse ich meine Heimat Peru – vor allem das Essen und meinen Vater. Mit ihm bin ich aber in Kontakt.

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Ich heiße Sadaf und meine Eltern stammen aus Afgha-nistan. 1996, als die Taliban an die Macht kamen, sind sie geflohen, um sich in Sicherheit zu bringen. Die Flucht war teuer und gefährlich. Niemand durfte Afghanistan verlassen. Über ein Tunnelsystem haben sie es in den Iran geschafft. Von dort ging es über die Niederlande nach Deutschland.

Ein Jahr später wurde ich in Pirna geboren. Heute besuche ich die elfte Klasse und werde durch die START-Stiftung mit einem Schülerstipendium unterstützt. Das richtet sich an Zuwandererkinder, die sich auch außerhalb der Schule engagieren. Ich habe beispielsweise bei Projekten des Aktion Zivilcourage e.V. mitgewirkt. Derzeit versuche ich, ein ei- genes soziales Projekt auf die Beine zu stellen. Außerdem helfe ich Asylbewerbern bei der Integration.

Meine Zukunft sehe ich in Deutschland. Hier sind meine Wurzeln. Ich will studieren, bin mir aber noch unsicher, was. Ich interessiere mich für Politik – vor allem für Migration, Asyl und Entwicklungshilfe. Ich könnte mir gut vorstellen, später Politik zu studieren und anschließend in einer Nicht-regierungsorganisation zu arbeiten. Ich will mich für Gerech-tigkeit einsetzen.

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Ich heiße Mohamed, bin 15 Jahre und komme aus Syrien. Als der Krieg begann, bin ich mit meiner Familie sofort nach Deutschland geflohen. Damals ging das noch relativ einfach. Wir mussten nur in ein Flugzeug steigen.

In Deutschland haben wir bei null angefangen. Am An-fang dachte ich, dass ich es nicht schaffen werde. Nach einem Jahr lief es aber bereits ganz gut. Ein Kumpel, der Arabisch sprechen kann, hat mir geholfen, Deutsch zu lernen. Inzwischen habe ich auch viele andere Freunde gefunden, die mir helfen.

Dennoch vermisse ich Damaskus. Es tut weh, wenn ich Bilder aus meiner Heimat sehe. Alles ist zerstört. Ich bin auch noch im Kontakt mit Bekannten vor Ort. Sie kön-nen allerdings kaum etwas über die Situation sagen, weil alle abgehört werden.

So schnell werde ich vermutlich nicht zurückkehren kön-nen. In Deutschland will ich das Abitur machen und spä-ter Chirurg werden. Das ist mein Traum und dafür werde ich alles geben. «

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G R Ü N D E F Ü R M I G R AT I O N

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D E U T S C H A L S Z W E I T S P R AC H E

In Obeidas Heimat Syrien tobt seit vier Jahren ein blutiger Bürgerkrieg. Im August 2014 schaffte er es mit seiner Familie nach Deutschland, allerdings ohne jegliche deutsche Sprachkenntnisse. Nun sitzt der 13-jährige Obeida in der Apol-lonia-von Wiedebach-Schule im Leipziger Stadtteil Connewitz. Mit ihm im Klassen-raum: Sonam aus Afghanistan, Klaudia aus Polen oder Nur aus Palästina. Sie alle sind neu in Deutschland und damit unab-hängig vom Aufenthaltsstatus schulpflich-tig. In ihren Regelklassen, in die sie nach Alter und der bisherigen Schullaufbahn zugeordnet wurden, besuchen sie aber höchstens Fächer wie Sport. Die meiste Zeit lernen sie in einer Vorbereitungsklas-se, dem Fach »Deutsch als Zweitsprache«, kurz »DaZ« genannt. Selbst Schüler, die sich bereits auf Deutsch in einfachen Sät-zen verständigen können, sitzen in den Reihen und lernen Vokabeln und Gram-matik.

»Alltagssprache reicht für den Schulerfolg nicht aus, sondern es muss Bildungsspra-che vermittelt werden«, heißt es aus dem Kultusministerium in Dresden. In Sachsen bieten deshalb ausgewählte Grund-, Ober-

und Berufsschulen das Fach »Deutsch als Zweitsprache« als reguläres Unterrichts-fach an. Allein in Leipzig sind es nach An-gaben der Stadtverwaltung derzeit neun Grund- und sieben Oberschulen. Die spe-ziell ausgebildeten Lehrkräfte setzen dabei einen wissenschaftlich erprobten Lehrplan um, der in drei Etappen gegliedert ist.

Unterrichten mit Händen und Füßen

Obeida befindet sich noch am Anfang der sprachlichen Bildung. Er und die anderen Schüler in der Vorbereitungsklasse erwer-ben zunächst Grundlagen. Lehrerin Kers-tin Zeeh unterrichtet bereits seit 18 Jahren Schüler mit Migrationshintergrund – zur Not mit Händen und Füßen, um sich ver-ständigen zu können, sagt sie. Die 55-Jäh-rige beobachtet und diagnostiziert die individuellen Fortschritte ihrer Schüler ge-nau. Sobald die sprachlichen Grundlagen gelegt sind, wird sie mit jedem Einzelnen, den Eltern und Fachlehrern die weiteren Integrationsschritte vereinbaren. Bei der Entscheidung spielen aber auch andere Faktoren eine Rolle. Neben der sprachli-chen Entwicklung soll Kerstin Zeeh bei-spielsweise auch auf die Persönlichkeit, die

soziale Integration, die fachlichen Kennt-nisse sowie die Fähigkeiten, Neigungen und Wünsche jedes Schülers achten, heißt es im sächsischen Lehrplan für das Fach »DaZ«.

Fördern mit außerschulischen Netzwerken

An der Apollonia-von-Wiedebach-Schule dauert es in der Regel sechs bis acht Wo-chen, bis der Übergang von der ersten zur zweiten Etappe erfolgt. Manchmal aber auch länger – etwa dann, wenn die Schüler mit Migrationshintergrund erst alphabe-tisiert werden müssen oder traumatisiert sind. Dann werden die betroffenen Kinder und Jugendlichen durch die Betreuungs-lehrer und ein außerschulisches Netzwerk besonders gefördert. Zu dem gehören an der Wiedebach-Schule neben Sozialarbei-tern und Schulpsychologen auch die »Ge-sellschaft für Völkerverständigung« oder das »Theater der Jungen Welt«. Sie eröff-nen den Schülern durch verschiedene An-gebote ganz neue Zugänge zur deutschen Sprache.

Obeida wird vermutlich bald den nächsten Integrationsschritt gehen. Dann werden

In Sachsen haben 23.000 Schüler einen Migrationshintergrund. Im Fach »Deutsch als Zweitsprache« legen viele

von ihnen den Grundstein für den Schulerfolg – auch Obeida, ein 13-jähriger Junge aus Syrien.

VON SEBASTIAN MARTIN, KLASSE-REDAKTION, FOTOS: ANJA JUNGNICKEL

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D E U T S C H A L S Z W E I T S P R AC H E

seine bildungssprachlichen Kompetenzen ausgebaut. Dann rücken die sprachlichen Anforderungen des Fachunterrichts in den Fokus. »DaZ« wird dabei schrittweise durch andere Fächer ersetzt. Wie der Stun-denplan genau geändert wird, das wird wieder individuell und nach Absprache mit Schüler, Eltern und Fachlehrern ent-schieden. »Bei den Entscheidungen über die Wahl der Fächer empfiehlt es sich, eine Reihenfolge von weniger sprachbetonten hin zu stärker sprachbetonten Fächern zu planen«, heißt es im Lehrplan. Vermutlich wird Obeida also eher mit seinen Mitschü-lern in der Regelklasse singen als mit ihnen in Deutsch einen Aufsatz schreiben.

Noten bekommen die Schüler auch wäh-rend der zweiten Etappe nicht, lediglich den Leistungsstand erfahren sie regelmä-ßig. Erst in der dritten Etappe, wenn sie in ihren Regelklassen voll integriert sind, geht es um Zensuren, den Realschulab-schluss und für manche um den Weg aufs Gymnasium. »DaZ« findet dann nur noch begleitend statt – als Angebot am Nach-mittag. Trotz der vollständigen Integration können die Migranten aber auch weiter am Unterricht in ihrer Herkunftssprache freiwillig teilnehmen. An der Apollonia-von-Wiedebach-Schule wird deshalb Ara-bisch, Griechisch, Polnisch und Russisch angeboten.

Kompetenzzentrum in der Region Leipzig

Wer sich in Bildungskreisen umhört, der erfährt ziemlich schnell, dass die Einrich-tung der Stadt Leipzig eine der besten Ad-ressen für die sprachliche Bildung weit und breit ist. Das überrascht kaum. Sie gehört in Sachsen zu den Vorreitern bei der För-derung von Kindern und Jugendlichen aus Migrationsfamilien. Von 2005 bis 2009 hat die Schule an einem bundesweiten Modellprojekt teilgenommen, das sich un-ter wissenschaftlicher Leitung der Univer-sität Hamburg mit sprachlicher Bildung in allen Fächern und Mehrsprachigkeit be-schäftigte. Seit 2011 ist sie eines von fünf Kompetenzzentren im Freistaat, an denen

Konzepte für die durchgängige Sprachbil-dung an Schulen vermittelt werden.

Die Fortbildungsangebote im Haus wer-den künftig vermutlich noch stärker nach-gefragt werden. Denn mit dem Flücht-lingsstrom aus den Krisengebieten steigt auch die Zahl der Schüler mit Migrations-hintergrund. Rund 23.000 Schüler sind es derzeit im Freistaat. Für die Einrichtungen und Lehrer eine Herausforderung. »Das Schwierige ist, dass die Schüler ganz un-terschiedliche Vorkenntnisse mitbringen und die Vorbereitungsklassen ständig neu zusammengewürfelt werden«, sagt Betreu-ungslehrerin Kerstin Zeeh.

Schüler aus 42 Ländern

An der Apollonia-von-Wiedebach-Schule in Leipzig haben 30 Prozent der derzeit 450 Schüler einen Migrationshintergrund. Die soziale Integration verlaufe problem-los, sagt Schulleiterin Sabine Dietrich. Kulturelle oder religiöse Konflikte gebe es keine. Dafür verantwortlich sei vor allem die Willkommenskultur im Haus. Denn nur so könne eine erfolgreiche Integration gelingen. Auch mögliche Einschränkungen im Unterricht oder Schulalltag sind der Schulleiterin fremd. Muslima würden bei-spielsweise ein spezielles Kopftuch tragen, damit sie am Sportunterricht teilnehmen können. Und der Essenanbieter achte da-

rauf, dass für jede Glaubensgemeinschaft etwas dabei ist, sagt sie.

Sabine Dietrich freut sich über die kultu-relle und sprachliche Vielfalt. »Migranten schätzen die Bildungschancen in Deutsch-land und wollen diese nutzen«, sagt sie. Diese Schüler seien sehr motiviert und das färbe auf die anderen ab. Auch Obeida will später Karriere machen. Was genau er einmal beruflich werden will, das weiß er zwar noch nicht, doch im Fach »Deutsch als Zweitsprache« legt er gerade den Grundstein dafür.

»MIGRANTEN SCHÄTZEN DIE BILDUNGSCHANCEN IN DEUTSCHLAND UND WOLLEN DIESE NUTZEN.« SABINE DIETRICH, SCHULLEITERIN, APOLLONIA-VON-WIEDEBACH-SCHULE LEIPZIG

Kerstin Zeeh (linkes Bild, mi.) unterrichtet seit 18 Jahren Schüler mit Migrationshintergrund. Obeida aus Syrien (rechtes Bild, 2.v.r.) lernt im »DaZ«-Unterricht die deutsche Sprache.

Infos zu den Kompetenzzentren sprachliche Bildung in Sachsen: www.schule.sachsen.de/1752.htm

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R E P O R TA G E

WARUM HABEN WIR ANGST VOR DEM FREMDEN?4.

Herr Bude, warum haben wir Angst vor dem Fremden?

Sie sagen zu Recht: Angst vor dem Fremden. Das heißt, dass in dem heftigen Affekt eine Abstraktion steckt. Wir konstruieren uns so etwas wie einen konzeptionellen Fremden, an dem wir das Unheimliche und Bedrohliche festmachen. Wir brauchen offenbar eine Gruppe, der wir einen Namen geben, vor der wir Angst haben. Vor dem einzelnen Moslem oder Juden haben wir keine Angst, die würden wir sogar in unser Haus einladen. Aber die vielen anderen von denen, die sich verbergen oder vor der Tür stehen, die machen uns möglicherweise Angst. Die Angst hat dabei eine doppelte Bedeutung: Sie enthält einen Fluchtreflex, der seine Begründung in einer Feinderklärung sucht.

Wie suchen wir uns diese Gruppen aus? Wie legen wir so einen konzeptionellen Fremden überhaupt fest?

Das ist ein großes Rätsel. Schauen Sie sich die Ausschläge auf den Antisemitismus-Skalen an. In Gegenden, wo es kaum Ju-den gibt, beispielsweise in Neuseeland, da ist der Wert sehr hoch. Deswegen muss es einen projektiven Mechanismus ge-ben. Menschen fühlen in diesen konzeptionellen Fremden al-les Mögliche hinein. Sie finden für das, was sie nicht zu fassen bekommen, eine Art äußeren Fürsprecher. Und dem gegenüber können sie dann sagen: Der bedroht uns, der ist uns nicht po-sitiv gesonnen, der will uns kaputt machen.

Also sind diese diffusen Ängste kein typisch deutsches Phä-nomen?

Nein, das gibt es an allen Orten und zu allen Zeiten und wird es auch immer geben.

Aber wie können wir dann diesen Ängsten begegnen?

Das ist eine schwierige Sache. Zuerst sollte man sich immer fragen, was in diesem Container des konzeptionellen Frem-

Prof. Dr. Heinz Bude über die Angst vor dem Frem-

den und wie man diese Angst überwinden kann.

INTERVIEW: NICOLE KIRCHNER, KLASSE-REDAKTION FOTO: WOLFGANG WITTCHEN

A N G S T I N D E R G E S E L L S C H A F T

Prof Dr. Heinz Bude referierte bei der Veranstaltungsreihe »Dresd-ner Reden« im Februar 2015 über die Pegida-Bewegung in Dresden und erklärte, woher die Ängste der Demonstranten kommen.

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R E P O R TA G E

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WARUM HABEN WIR ANGST VOR DEM FREMDEN?

den alles deponiert wird. Wovor wir uns fürchten, sehen wir; was uns aber ängstigt, sehen wir nicht. Furcht ist spezifisch; Angst ist diffus. Deshalb ist Angstanalyse immer Selbstanalyse. Was besorgt uns? Womit sind wir untergründig beschäftigt? Wovor flüchten wir?

Was sind denn die Themen, die die Leute beschäftigen, die so of-fenkundig mit der Angst vor dem Fremden unterwegs sind?

Bei der Pegida-Bewegung beispielsweise braucht man meiner Meinung nach gar nicht so viel Sozialforschung zu betreiben. Natürlich fallen da Sprüche wie »Die Islamisten bedrohen das Abendland«, »Wir brauchen Regeln für Zuwanderer« oder »Lü-genpresse«. Aber da, wo die Leute auf der Straße wirklich inner-lich aufgewühlt sind, ist bei den gemeinsamen Rufen »Wir sind das Volk«. Das ist die entscheidende Emotion. Aber warum rufen sie das? Ich glaube, der Pediga-Gänger meint damit offensichtlich den Ostdeutschen. Das ist der Ruf nach einem »Wir«, das eigentlich nicht mehr existiert. Es ist ein verlorener, ein verängstigter Ruf. Es gibt das Ostdeutschland, das man gemeinsam solidarisch aufrufen kann, nicht mehr. Im Gegenteil: Die ostdeutsche Soziallandschaft hat sich in 20 Jahren enorm fragmentiert. Die junge kreative Klas-se aus Dresden-Neustadt hat mit abgewickelten Landarbeitern aus Parchim nicht mehr viel gemein. Diese Menschen leben in völlig verschiedenen Lebenswelten. Selbst innerhalb Parchims finden Sie sehr verschiedene Lebenswelten.

Welche sind das?

Da gibt es die mit dem netten Eigenheim und dem relativ soliden Auskommen. Dann gibt es die Macher, die eine eigene Firma mit sechs oder elf Beschäftigten aufgebaut haben und denen es richtig gut geht. Und dann gibt es aber auch welche, für die das Fenster der Wende nie auf war. Die sagen: 25 Jahre nach der deutschen Einheit geht es mir schlechter als vorher. Dafür können sie aber ei-gentlich niemanden verantwortlich machen. Das Schlimme: Diese Menschen haben heute den Eindruck, dass sie als Übergangsphä-

nomen abgebucht werden und nicht mehr von Belang sind. Statt-dessen redet man über eine Empfangs- und Willkommenskultur für Migranten.

Wie geht man als Lehrer mit dieser Angstthematik um? Darf man gegenüber seinen Schülern ehrlich sein, dass man auch solche Ängste hat?

Das Hauptproblem für Lehrer ist die indirekte Kommunikation. Als Lehrer muss man den Schülern auch etwas von seiner Per-son zeigen. Sie können ihren Schülern nichts vorgaukeln. Das geht nicht, das merken die sofort. Aber Sie sind in der Position als Lehrer auch dazu gezwungen, sich in Ihren Ängsten und Gefüh-len zu disziplinieren. Sie vertreten schließlich ein öffentliches Amt. Darum sollen Sie die Unterrichtssituation auch als eine Situation der Selbstverständigung für sich selbst nutzen. Eins geht meistens

schief: Wenn Sie gegen Ihre eigenen Gefühle und Überzeugungen einen Inhalt darstellen. Das merken Schüler. Sie müssen stattdes-sen den Mut und die Stärke haben, in einer Unterrichtssituation bei einem schwierigen, kontroversen und vielgestaltigen Thema die Dinge kommen zu lassen. So gewinnen Sie eine gewisse Of-fenheit, die der Sache selbst dient. Schülerinnen und Schüler sind schließlich heranwachsende Personen, die nicht nur dazu da sind, dass man bestimmte Inhalte über einen Nürnberger Trichter in sie hineingießt. Die haben eigene Ansichten, aber suchen nach schlüs-sigen Bewertungen. Der Unterricht kann dem dann Raum geben, wenn die Lehrperson nicht die Angst hat, den Überblick zu verlie-ren. Es gibt trotz belegbarer Fakten unterschiedliche Perspektiven, es gibt natürlich auch einen Rahmen fürs Zusammenleben und eine Idee verallgemeinerbarer Interessen.

Diese diffusen Ängste, über die Sie sprechen: Haben die bereits Schüler oder ist das ein Problem der Erwachsenen?

Es gibt einen Lebenslauf der Ängste. Ängste haben immer einen Altersindex. Sie sind mit 65 anders ängstlich als mit 15. Die Angst einer 15-Jährigen ist vor dem Hintergrund des »Jugend-irreseins« zu verstehen. Darin steckt die Unklarheit darüber, wohin die Reise mit einem selbst geht. Nicht mehr Kind, noch nicht Erwachsene. In dieser inneren Umbruchsituation schießt natürlich viel mehr an ungebändigten Affekten über. Für den Adoleszenten ist die Lehr-person als eine Figur stellvertretender Deutung sehr wichtig. Sie soll einen Weg zeigen, wie diese umherschießenden Gefühlen und Ideen eine für die Person des Schülers und der Schülerin angemes-sene Ausdrucksform finden können.

Was heißt das im Konkreten: Was sollen Lehrer ihren Schülern mitgeben, damit sie mit diesen von Ihnen beschriebenen Gefühlen besser umgehen können?

Es gibt eine ganz einfache Formel: Man muss ein Thema so behan-deln, dass es eine Idee von Zukunft beinhaltet. Sie können es sich einfach machen und ein schwieriges Thema so behandeln, dass wir

uns in einer ausweglosen Situation befinden. Ein Gefühl kollekti-ver Ohnmacht hilft allerdings niemandem. Ein Unterricht ist dann gut, wenn trotz unleugbarer Konflikte oder kontradiktorischer Widersprüche eine Vorstellung gemeinsamer Zukunft erarbeitet werden kann.

»WIR BRAUCHEN OFFENBAR EINE GRUPPE, DER WIR EINEN NAMEN GEBEN, VOR DER WIR ANGST HABEN.« PROF. DR. HEINZ BUDE, SOZIOLOGE

A N G S T I N D E R G E S E L L S C H A F T

Professor Dr. Heinz Bude ist einer der einflussreichsten Soziologen in Deutschland. Er lehrt seit 2000 Makrosoziologie an der Universität in Kassel. Bude, Jahrgang 1954, hat schon mehrere sozialwissenschaftliche

Bücher veröffentlicht, sein aktuelles Buch »Gesellschaft der Angst« be-schäftigt sich mit der Angst als Ausdruck für einen Gesellschaftszustand.

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I D E E N F Ü R D E N U N T E R R I C H T

»Es ist schön, wenn sich die Schüler mit dem The-ma Asyl auseinandersetzen«, lobte Stephanie Kerkhof von »Buntes Radebeul« nach dem Weihnachtsbasar

am Lößnitzgymnasium. Eltern von Schülern des Gymnasiums hatten Kerkhof und zwei Asylbewerber, um die der Verein sich kümmert, zu dem Basar eingeladen. Die drei verkauften dort Postkarten, die bei einem Kunstprojekt entstanden waren, und Stephanie Kerkhof informierte die Besucher über die Vereins-arbeit. »Nach dem Basar übergaben die Schüler 730 Euro, die Hälfte der Einnahmen, an den Verein. Sie spenden immer einen Teil des Geldes an gemeinnützige Einrichtungen«, sagt Schullei-terin Angela Hartmann.

Die Aktion auf dem Weihnachtsbasar habe Schülern und Eltern gefallen, berichtet die Schulleiterin. Daraus entstand eine neue

Idee: »Wir laden zwei oder drei der Flüchtlinge zu uns an die Schule ein. Sie erzählen in meinem GRW-Grundkurs über ihr Schicksal«, erzählt Peter Müller, Lehrer für Gemeinschaftskun-de, Recht und Wirtschaft. »Der Nahostkonflikt – die betreffen-den Flüchtlinge kommen aus Syrien, Pakistan und Afghanistan – steht im Lehrplan der Jahrgangsstufe 11. Auch soziale Schichten in Deutschland gehören zu den Themen dieses Jahrgangs: Wir analysieren, wie Spannungen entstehen, weil Menschen denken, es kämen zu viele Flüchtlinge. Unsere Schüler erleben bei dem Unterrichtsbesuch, dass durch direkten Kontakt Berührungs-ängste schwinden«, erläutert Müller. Er lobt genau wie Stepha-nie Kerkhof die Kooperation und betont den Mehrwert für die Schüler: »Sie merken, dass die Asylbewerber Menschen sind wie du und ich, mit denselben Bedürfnissen.«

WIE KANN ICH DAS THEMA MIGRATION IN DER SCHULE EINBRINGEN?5.

Eine Handvoll Schüler des Karl-Schmidt-Rottluff-Gym-

nasiums Chemnitz »reist wöchentlich« nach Indien. Dabei hilft ein Materialkof-fer der Daetz-Stiftung: Der enthält DVDs, Kartenmaterial, Vorschläge für Rollen-spiele, landestypische Gegenstände und eine Geschichte für eine Fantasiereise in ferne Länder. Die Koffer begleiten ein Ganztagsangebot oder eine Projektwoche in Mittelschulen und Gymnasien, die auch von Nichtpädagogen geleitet werden kön-nen, da jede Kursstunde genau vorbereitet ist.

Die Schüler des Wiprecht-Gymnasi-ums Groitzsch können wöchentlich China erleben. Die Schule bietet in Zusammenar-beit mit dem Konfuzius-Institut einen Chi-nesisch-Kurs an, in dem auch einiges von der fernöstlichen Kultur vermittelt wird. Die Kursleitung wird von einem Mutter-sprachler übernommen. Höhepunkt des Kooperationsprojektes ist eine Reise nach China. Dank der Unterstützung des Kon-fuzius-Instituts kostet die Teilnahme pro Schüler etwa 300 Euro.

Der Verein Kolibri e.V. Dresden steht

exemplarisch für eine ganze Reihe außer-schulischer Partner für Ganztagsangebote. Der Verein ist kultureller Treffpunkt für russischsprachige Migranten und enga-giert sich für den kulturellen Austausch. Bei den Sprachkursen »Spaß am Samo-war« und »Russisch spielerisch lernen« sind es Muttersprachler, die die Sprache und gleich auch Eindrücke von der russi-schen Kultur vermitteln – und so Vorbe-halte gegenüber »dem Fremden« abbauen.

Projekte im Bereich GTA: Kleine Weltreise gefällig?

Das Portal »Bildung für nachhaltige Entwicklung« Sachsen bündelt verschiedene Bildungsangebote aus

den Bereichen nachhaltige Entwicklung und globales Lernen. Zum Thema Migration finden sich auf der Seite eine Vielzahl von Workshops, Handreichungen, Unterrichtsmaterialien und Fortbil-dungen, wie beispielsweise den »Antirassismuskoffer« oder die Projekttage »Grenzen überwinden«, ein Angebot des Ausländer-rats Dresden.

Das BNE-Portal Sachsen

www.lichtensteiner-modell.de www.konfuziusinstitut-leipzig.de www.kolibri-dresden.de

www.bne-sachsen.de

Radebeul: Verein und Gymnasium arbeiten zusammen

Auch das Sächsische Bildungsinstitut SBI hat in seinem Fortbil-dungprogramm immer wieder Angebote im Themenkontext Mi-gration und Zuwanderung. Im Reflexionsworkshop zum Projekt: »Mit Fremdheit umgehen lernen – ein Training für Offenheit ge-genüber anderen Kulturen« am 15. April 2015 etwa sind die Lehr-kräfte der 250 Schülerinnen und Schüler geladen, die im Herbst 2014 an den Exkursions- und Projekttagen am Daetz-Centrum Lichtenstein teilgenommen haben.

SBI-Reflexionsworkshop

http://bit.ly/1KwfHIX

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I D E E N F Ü R D E N U N T E R R I C H T

Der Film »Can‘t be si-lent« dokumentiert das enga-gierte Projekt von Heinz Ratz. Er hat 80 Asylbewerberheime in Deutschland besucht und dort Musiker gefunden: Sän-ger, Musiker, Rapper, die ge-meinsam Musik machen. Ihre Bewegungsfreiheit als Asyl-suchende ist eingeschränkt. Der Film zeigt die Situation

von Asylsuchenden und deren Versuch, ein glückliches Leben zu führen. Der Film kann aus-geliehen werden. Dazu gibt es detailliertes Unterrichtsmateri-al zur Vor- und Nachbereitung. Weitere Informationen unter: www.cant-be-silent.de

Filmprojekt: »Can‘t be silent«

Weitere Filme, die im Unterricht eingesetzt werden können, finden Sie auf folgender Filmliste: http://bit.ly/18nsjAr

Im Workshop nähern sich die Schüler dem Thema Flucht und Asyl auf unterschiedlichen methodischen Wegen und ler-nen, Fluchtbewegungen in einen weltweiten Kontext ein-zuordnen. Empathie für Men-schen, die flüchten müssen, Respekt, Aufgeschlossenheit und friedlicher Umgang stehen im Zentrum des Workshops. Schülern wird gezeigt, wie sie mit Argumenten gegen frem-denfeindliche Äußerungen vorgehen und souverän ihre

Meinung vertreten können. Außerdem werden bestehen-de Missverständnisse ausge-räumt. Der Workshop eignet sich für die Sekundarstufe I und II. Je nach Vorkenntnis-sen der Teilnehmenden kön-nen nach Vorabsprache un-terschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden, zum Beispiel Flucht und Asyl in der Ge-schichte oder rechtliche Rah-menbedingungen für Asyl in Deutschland und Europa.

Aktion Zivilcourage: Workshop »Menschen auf der Flucht«

Weitere Informationen und Kontakt: Kristin Heinig, Projekt-koordinatorin bei der Aktion Zivilcourage e. V., [email protected], Tel. 03501-460882

Der Kern der Ausstel-lung sind die Porträts von 14 geflüchteten Menschen. Das Porträt jeder Person besteht aus jeweils seiner Schwarz-Weiß-Fotografie und einem Text, der die Lebensgeschich-te darstellt. Hörtexte sind das zweite Modul der Ausstel-lung. Die Ausstellung ist als

Wanderausstellung konzipiert und kann gebucht werden beziehungsweise auch in an-deren Einrichtungen besucht werden. Zur Ausstellung gibt es außerdem eine Begleitbro-schüre. Vom 1. bis 15. März 2015 ist die Ausstellung in der Wir AG in Dresden, danach in Zittau im Infoladen zu sehen.

Ausstellung: »Eingeschlossen – Ausgeschlossen«

Weitere Informationen: www.eingeschlossen-ausgeschlossen.de

»Du kommst hier nicht rein!« – Ausgrenzung und Integration auf der Spur

Mithilfe von Befragungen, Diskussionen und an-deren Methoden werden die Teilnehmer auf den Weg geschickt, Ausgrenzung und Integration an der eigenen Schule zu untersuchen. Neben der empirischen Auswer-tung werden die Schüler in den sechs Bausteinen dazu angehalten, Wege zu finden, bestimmte Werte und Ver-haltensweisen zu beeinflussen und ausgegrenzte Schüler so besser zu integrieren. Geeignet sind die Bausteine für Klassenstufe 9/10.Alle Informationen finden Sie unter: http://bit.ly/17XuVoA

Handreichung: »Flucht und Migration« für Lehrer

In drei Unterrichtseinheiten à 90 Minuten bietet das Material detaillierte Ablaufpläne, um das Thema Flucht und Migration aufzugreifen. Thematisch ori-entieren sich die Bausteine an den Lehr-plänen für Geografie und Politik bezie-hungsweise Sozialkunde, aber auch dem Deutschunterricht, Ethik und dem Religi-onsunterricht.Die Handreichung finden Sie unter: http://bit.ly/1wLgaAZ

Unterrichtsset: »Nicht bloß Zahlen«

»Nicht bloß Zah-len« ist ein Unterrichtsset über Migration und Asyl in der Europäischen Union für Schüler zwischen 12 und 18 Jahren. Mit Videosequenzen, einem Lehr-heft und Fotokarten werden sachliche In-formationen über Migration und Flucht und persönliche Lebensgeschichten ver-mittelt. Das vollständige Material steht kostenfrei zur Verfügung. Das Unterrichtsset finden Sie unter: http://bit.ly/1H4pzUR

LEHRHEFT‘NICHT BLOß ZAHLEN'UNTERRICHTSSET ZU MIGRATION UND ASYL IN EUROPA

Nicht bloß Zahlen

Flucht und Migration

Eine Handreichung für Lehrer

Wenn der Weg mal nicht das Ziel ist

Fächerübergreifend für die Klassen 7 bis 10

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D E M O K R AT I E A N D E R S C H U L E

Warum brauchen wir Berater für Demo-kratiepädagogik an sächsischen Schulen?

Demokratie ist kein Selbstläufer – sie muss erlernt und gelernt werden. Leider haben wir diese Erkenntnis in den letzten 25 Jahren etwas vernachlässigt und nun eini-ge Baustellen, die wir bearbeiten müssen. Teilweise herrscht bei Schülern das Ver-ständnis vor, in einer Demokratie kann jeder machen, was er will.

Wir Berater für Demokratiepädagogik ar-beiten in erster Linie präventiv. Wir sensi-bilisieren Schüler und Lehrer für das The-ma. Dabei geht es sowohl um Demokratie als Staats- wie auch als Lebensform. Was die Schule an sich betrifft, unterstützen wir bei der Entwicklung von Schulprogram-men, erarbeiten gemeinsam Ganztags-konzepte oder entwickeln demokratische Schulkulturen wie den Klassenrat.

Die Jugendlichen erleben dadurch Demo-kratie und merken, dass sie ernst genom-men werden, dass Demokratie ein Prozess ist, an dem sie mitwirken dürfen und sol-len. Sie lernen auch, dass Ein- und Unter-ordnung dazugehören, dass sie Rechte, aber auch Pflichten haben.

Wie sieht Ihre Arbeit in der Praxis aus?

Die Schulen wenden sich mit ihren Be-langen an die Sächsische Bildungsagen-tur, von der wir Berater dann die Anfor-derung erhalten. Wir kommen aus den unterschiedlichsten Gründen an eine Schule – die Schülervertretung funktio-niert nicht oder das Klima in der Klasse hat sich verschlechtert. Je nach Fall sind wir Initiatoren oder Begleiter. Wir entwi-

ckeln Strategien zur Konfliktlösung, füh-ren Streitschlichter ein oder veranstalten Workshops oder Projekttage.

Welche demokratischen Werte sind beson-ders wichtig und wie lassen sie sich ver-mitteln?

Toleranz und Weltoffenheit! Tole-ranz gegenüber allen Menschen und Religionen und Weltoffenheit im Sin-ne von Horizonterweiterung. Es gibt mehr als Dresden oder Sachsen. Meinungsbildung und -austausch gehören ebenfalls zur Demokratieerziehung. Ge-meckert wird immer schnell – die Schüler sollen lernen, dass sie kritisieren dürfen, aber auch Schlussfolgerungen ziehen müs-sen.

Dafür brauchen wir eine Diskussionskul-tur, und zwar so früh wie möglich. Wir Be-rater decken, bis auf die Berufsschule, jede Schulart ab. Bereits in der Grundschule setzen wir an. Die Schüler sollen möglichst früh erfahren, dass sich ihre Belange und Wünsche im Schulalltag widerspiegeln. Das gelingt, wenn sie einbezogen wer-den: Schülerrat, Klassensprecherschulung, oder das Erstellen einer Hausordnung –all das ist Demokratieerziehung.

Warum ist diese Form der Demokratie-erziehung Auftrag der Schule?

Lehrer sind mehr als Wissensvermittler, sie sind auch Vorbilder. Entscheidend ist, was die Schüler für ihr Leben mitnehmen – soziale Kompetenzen wie Teamfähigkeit und Kommunikationsbereitschaft. Wenn Lehrer rassistische Tendenzen in der Klas-se bemerken, sollten sie darüber reden. Es ist wichtig, mit offenen Augen und Ohren durch die Schule zu gehen und sich nicht zu verschließen. Fragen stellen, Kritik angemessen äußern und Verantwortung übernehmen - all das gehört dazu.

Demokratie lässt sich nicht verordnen, sie muss gelebt werden. Es ist eine Ent-wicklung, eine Stetigkeit und das ist das Schwierige daran. Eine Gefährdung der Demokratie ist vor allem Gleichgültigkeit.

Thomas Lorenz ist Sprecher von insgesamt sechs Bera-

tern für Demokratiepädagogik in Sachsen. Im Gespräch

mit KLASSE beantwortet er Fragen zu seiner Tätigkeit.

VON CAROLINE VOGT, KLASSE-REDAKTION, FOTO: ANDRÉ FORNER

Thomas Lorenz ist Schulleiter der 128. Oberschu-le in Dresden. Als Demokratiepädagoge möchte er Lehrer und Schüler für diese Thematik sensiblisieren.

WIE KANN ICH DEMOKRATIE IN DER SCHULE VERMITTELN?6.

Die Schulen können die Berater für Demokratiepädagogik über die regio-nalen Koordinatorinnen des Unterstüt-zungssystems in der Sächsischen Bil-dungsagentur anfordern.(Kontaktformular rechte Spalte) www.bildung.sachsen.de/13360.htm

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D E M O K R AT I E A N D E R S C H U L E

»Vor zwei Jahren gab es bei uns einen unschönen Vorfall: Die Eltern eines Schülers drohten einer Lehrerin, ihre Kontakte aus der rechten Szene spielen zu lassen, wenn ihr Kind keine bes-seren Noten bekäme. Solche Ideen wollten wir unterbinden und uns als Schule gegen Rassismus, rechtes Gedankengut und Aus-grenzung positionieren. Bei einer Weiterbildung für unsere Lehrer stießen wir auf »Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage«, ein deutschlandweites Schulnetzwerk gegen Diskriminierung und für Zivilcourage. Eine Schule kann ihm beitreten, wenn 70 Pro-zent der Schüler und Lehrer mit ihrer Unterschrift bezeugen, dass sie gegen jede Form von Diskriminierung an der Schule vorgehen werden. Bei uns unterschrieben fast 90 Prozent. Nun mussten wir überlegen, wie wir das Vorhaben praktisch umsetzen.

Über 90 Prozent unserer Schüler sind Jungen. Da lag es nahe, die Fußballweltmeisterschaft im Sommer als ersten Aufhänger zu be-nutzen: Die Schüler bildeten Mannschaften und bekamen je ein Land zugelost, das an der Weltmeisterschaft teilnahm. Dessen Ge-schichte und Kultur stellten sie vor – als Wandzeitung, Kochshow oder Vortrag. Dahinter stand der Gedanke, dass sich die Schüler spielerisch der entsprechenden Kultur nähern sollten. Es fällt ei-

nem schwerer, ein Land abzulehnen, dessen leckere Gerichte man gekostet und dessen Musik man gelauscht hat. Am 17. Juli wur-de uns der Titel übergeben. Auch die Kultusministerin Brunhild Kurth war dazu an unsere Schule gekommen. Um den Titel zu feiern, hatten wir ein Hoffest organisiert, bei dem am Ende alle Sirtaki tanzten. Denn an diesem Tag war Griechenland Thema bei unserer Ländervorstellung.

Das ist nicht alles, was wir als »Schule ohne Rassismus« tun. Wir beteiligen uns an dem Klimaprojekt »Journey North« ei-ner US-amerikanischen Universität und schicken Messdaten aus Brand-Erbisdorf dorthin. Mitarbeiter des Schulnetzwerkes füh-ren regelmäßig Projekttage bei uns durch. Sich dabei mit Themen wie »Mittendrin anders« zu beschäftigen, hilft unseren Schülern,

Selbstbewusstsein und Toleranz zu entwickeln. Denn manche Förderschüler nehmen sich als »schwach« wahr und grenzen vermeintlich noch Schwächere aus, wie Asylbewerber, um sich selbst aufzuwerten. Unser Engagement und das »Schule-ohne-Rassismus«-Schild am Eingang sind als Signal auch bei den Eltern angekommen. Vorfälle wie den beim Elterngespräch hat es nicht mehr gegeben.«

Im Juli 2014 wurde das Förderzentrum »Clemens Winkler« in Brand-Erbisdorf »Schule

ohne Rassismus«. Dieser Titel verpflichtet die Schule, jeden Tag aufs Neue gegen

Diskriminierung im Schulumfeld vorzugehen, sagt Schulleiterin Ute Schnabel.

PROTOKOLL: BEATE DIEDERICHS, KLASSE-REDAKTION

Alle Infos zu »Schule ohne Rassismus« und die Ansprechpartner für die Landeskoor-dination Sachsen unter:www.schule-ohne-rassismus.org.

WAS MACHT »SCHULE OHNE RASSISMUS«?7.

»UM DEN TITEL ZU FEIERN, HATTEN WIR EIN HOFFEST ORGANISIERT, BEI DEM AM ENDE ALLE SIRTAKI TANZTEN.«

UTE SCHNABEL, SCHULLEITERIN FÖRDERZENTRUM »CLEMENS WINKLER«

Die Schulen können die Berater für Demokratiepädagogik über die regio-nalen Koordinatorinnen des Unterstüt-zungssystems in der Sächsischen Bil-dungsagentur anfordern.(Kontaktformular rechte Spalte) www.bildung.sachsen.de/13360.htm

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Am Evangelischen Gymnasium Tharandt bringen Schüler Asylbewerbern

Deutsch bei – wie aus einer privaten Initiative ein Schulprojekt wurde.

VON CAROLINE VOGT, KLASSE-REDAKTION, FOTO: ARVID MÜLLER

WIE KANN ICH ASYLBEWERBERN IN SACHSEN HELFEN?8.

Es riecht nach frischem Kaffee und Tee im Islamischen Zentrum in Dres-den, denn an diesem Mittwoch sind Besu-cher da. Die Achtklässler des Evangelischen Gymnasiums in Tharandt sind mit ihrem Lehrer Albrecht Kaltofen im Rahmen ihrer Projektwoche zu Gast und möchten sich ein Bild machen. Ein Bild von den Räumen des Islamischen Zen-trums und der Mo-schee im unteren Stockwerk.

Die Schüler des Evangelischen Gymnasi-ums Tharandt beschäftigen sich bereits seit vergangenem November vermehrt mit fremden Kulturen und der Asylthematik. Ausschlaggebend dafür war die Unter-bringung von 25 Flüchtlingen in einer Ju-gendherberge vor den Toren der Stadt. Die Schülerin Franziska Froelich nahm Kon-takt zur Heimleiterin auf und besuchte die zwölf Familien und 13 Einzelpersonen in ihrer Unterkunft – eine Begegnung, die die 16-Jährige nachhaltig geprägt hat. Fran-

ziska suchte Unterstützung und fand sie bei ihren Mitschülern, ihren Lehrerinnen Steffi Baldow und Anett Bauer sowie dem Schulleiter Volker Gaitzsch, der Schule und Turnhalle für die Asylbewerber geöffnet hat.

Aus der privaten Idee der Schülerin entwi-ckelte sich rasch eine schulische Initiative. Mittlerweile hat sich eine feste Gruppe von Helfern etabliert, die Deutschkurse anbie-tet, mit den Kindern Fußball spielt oder einfach Zeit und ein offenes Ohr mitbringt. Fiona, Kaya, Sarah, und Josephine gehö-ren zum festen Kern der Helfer-Gruppe. Sie haben natürlich auch Sachspenden ge-sammelt, auch wenn es ihnen weniger auf materielle Hilfe ankommt. »Wir wollen die Menschen einfach beim Ankommen unter-stützen und Gastfreundschaft zeigen«, er-klärt Kaya . »Einige fühlen sich hier fremd, spüren, dass sie nicht willkommen sind, haben Ängste und sind traurig – da wollen

wir Ansprechpartner sein.«

Die Truppe um Franziska Froelich möch-te nicht nur zuhören, sondern auch ande-re für das Thema Asyl sensibilisieren. Sie haben bereits Kontakt zur Tharandter Kirchgemeinde gesucht und wollen diesen auf die Bürger ausweiten. »Viele Menschen in Tharandt sind skeptisch, was aber auch daran liegt, dass sie noch nie vor Ort waren und sich die Geschichten der Flüchtlinge angehört haben. Es ist viel Unwissenheit im Spiel – die Leute müssen aufgeklärt wer-den.« meint Fiona.

Passenderweise ruft in diesem Moment Katja Pohling vom Islamischen Zentrum zum Essen. Es gibt Couscoussalat für alle – Annäherung kann manchmal ganz einfach sein.

Fiona, Kaya, Sarah und Josephine (v.l.n.r.) besuchten im Rahmen ihres Schulpro-jekts das Islamische Zentrum in Dresden.

W E G E Z U R H I L F E

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2 / 2015 15KLASSE

FA K T E N Z U M I G R AT I O N

IMPRESSUM Herausgeber: Sächsisches Staatsministerium für Kultus (SMK), Referat Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Carolaplatz 1, 01097 Dresden | Redaktion: Anja Niemke (V. i. S. d. P. ), Telefon: (0351) 564 25 11, E-Mail: [email protected]; Nicole Kirchner, Peter Stawowy, stawowy media | Mitarbeit in dieser Ausgabe: Anja Niemke, Beate Diederichs, Henrike Marlow, Sebastian Martin, Anikó Popella, Caroline Vogt | Fotos: André Forner, Anja Jung-nickel, Arvid Müller, Detlev Müller, Wolfgang Wittchen, RA Studio/Fotolia.com | Gestaltung: stawowy media | Auflage: 40.000 Exemplare | Druck: Druckerei Vetters | Verteilerhinweis: Die Informationsschrift wird von der Sächsischen Staatsregierung im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit herausgegeben. Sie darf weder von Parteien noch von Wahlhelfern zum Zwecke der Wahlwerbung verwendet werden.

WIE KOMMEN MIGRANTEN NACH SACHSEN?9.

Kann jeder nach Deutsch-land einwandern, der will?

Grundsätzlich ja – allerdings gibt es dafür verschiedene Re-gelungen. Grundlage dafür ist das deutsche Zuwanderungs-gesetz, das sogenannte Aufenthaltsgesetz. Ebenso spielen unter bestimmten Voraussetzungen das Asylverfahrensge-setz und das Freizügigkeitsgesetz der EU eine Rolle. Grün-de für die Zuwanderung sind zum Beispiel die Aufnahme einer Ausbildung, eines Studiums oder einer Erwerbstätig-keit, Familiennachzug, Staatsangehörigkeitsrecht, zum Bei-spiel bei Spätaussiedlern, oder humanitäre und politische Gründe wie Flucht oder politische Verfolgung. Der Anteil derjenigen, die aus humanitären Gründen nach Deutsch-land kommen, macht bei den Zuwanderungsgründen nur 15 Prozent aus (siehe Seite 2).

Informationen zur Zuwanderung in Deutschland finden Sie hier: http://bit.ly/1BVzm16 und Informationen zur Zuwanderung in Sachsen finden Sie hier: www.zuwanderung.sachsen.de

Wie läuft ein Einwanderungs-verfahren in Deutschland?

Das kommt ganz darauf an, aus welchen Grund man nach Deutschland kommt. Am einfachsten haben es Bürger der EU. Durch das sogenannte Freizügigkeitsgesetz der Europäischen Union können sie sich innerhalb der EU frei bewegen und, wenn sie möchten, nach Deutschland umziehen. Für Bürger aus soge-nannten Drittstaaten gilt grundsätzlich die Visumspflicht. Je nach Zuwanderungsgrund bekommen sie einen gesetzlich festgelegten Aufenthaltstitel. Der ist meist befristet, zum Beispiel für die Dau-er einer Ausbildung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann dieser auch in einen unbefristeten Aufenthaltstitel umgewandelt werden. Arbeitnehmer mit einem Einkommen von circa 45.000 Euro im Jahr können eine Blaue Karte EU erhalten. Diese führt schneller zu einem dauerhaften Aufenthaltstitel in Deutschland. Für Asylsuchende gibt es das sogenannte Asylverfahren.

Informationen zum Einwanderungsverfahren finden Sie unter: http://bit.ly/1tz6Cp8

Worin unterscheidet sich Asyl von anderen

Zuwanderungsformen?Um als Asylsuchender in Deutschland anerkannt zu werden, müs-sen bestimmte Bedingungen erfüllt sein. Grundsätzlich können nur politisch Verfolgte Asyl beantragen. Eine Anerkennung ist nur nach dem Artikel 16a des Grundgesetzes sowie nach der Genfer Flüchtlingskonvention möglich. Wer aus einem sicheren Drittstaat oder Herkunftsland kommt, kann sich nicht auf dieses Recht be-rufen. Um dies genau prüfen zu können, gibt es in Deutschland das Asylverfahren. Ein Video, das ein Asylverfahren in Deutschland einfach und verständlich beschreibt, finden Sie hier. Außerdem gibt es dazu eine ausführliche Begleitbroschüre: http://bit.ly/1wZMSJB

Gelten für Zuwanderer die gleichen Gesetze wie für deutsche Staatsbürger?

Für jeden Menschen, der sich in Deutschland aufhält, gilt die deutsche Rechtsprechung. Auch ausländische Arbeitnehmer müssen ihr Einkommen versteuern und Sozialleistungen zah-len. Sie haben aber auch genau wie jeder deutsche Staatsbürger Rechte, zum Beispiel wenn sie arbeitslos werden. Auch Asylbe-werber erhalten Leistungen im Wert von 352 Euro. Länder und Kommunen können selbst entscheiden, in welcher Form diese Leistungen ausgegeben werden. Statt Geld erhalten Asylbewer-ber vor allem Sachleistungen wie Verpflegung und Unterkunft.

Weitere Informationen: http://bit.ly/1wZMZoy

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Frances · 11 JahreFrances‘ Eltern stammen von den Philippinen und arbeiten in Dresden in der Chipfabrik. Frances‘ wichtigstes Spielzeug ist der kleine Wüstenfuchs –den hat ihr die Mama von einer Reise aus Afrika mitgebracht. Nach einigen Wochen im Hotel in Dresden hat die Familie nun endlich eine eigene Wohnung gefunden.

Gursarab · 10 JahreDen kleinen Teddy hat Gursarab zu ihrem ersten Ge-burtstag geschenkt bekommen. Den hat sie noch in Indien ge-feiert. Seit Oktober ist sie mit ihrer Familie in Deutschland. Vorher haben die Eltern in Ita-lien gearbeitet, bevor sie nach Dresden zu den Verwandten gezogen sind.

Leontia · 7 JahreDas Pferd mit Namen Greta hat Leonita von der Oma zum 1. Geburtstag geschenkt bekommen. Leo- nita ist in der Ukraine geboren, ihr Papa ist gebür-tiger Deutscher und selbstständig – und hat seine Familie hierher mitgebracht.

Abdhul · 7 JahreAbdhul kommt aus Tschetsche-nien. Das Auto hat er von dort mitgebracht, es erinnert ihn an die Zeit zu Hause. Jetzt besucht der die Klasse 1b in Dresden. Seine Mutter ist schwer krank und wird medizinisch betreut –deswegen haben die Eltern den Duldungsstatus.

Sif Eddine · 10 Jahre Das Auto hat Sif Eddine zum vierten Geburtstag von seinem großen Bruder geschenkt bekommen. Der gebürti-ge Italiener ist seit Oktober in der 19. Grundschule. Sein Vater arbeitet als Koch, seine Mutter als Englischlehrerin.

Wir haben die Kinder der DaZ-Klasse der 19. Grundschule Dresden gefragt, welchen

Gegenstand sie von zu Hause mitgebracht haben. FOTO: ARVID MÜLLER

WAS WÜRDEN SIE MITNEHMEN?10.