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429 November 2010 Außenhandel Internationale Lieferbedingungen Die neuen Incoterms ® 2010 und ihre Anwendung Von Rechtsanwalt Professor Dr. Christoph Graf von Bernstorff, Rechtsanwalt in Bremen Im Oktober 2010 veröffentlichte die Internationale Handelskammer Paris die neuen Incoterms 2010, die mit insgesamt nur noch 11 Klauseln ab dem 1.1.2011 eingesetzt werden. Auf die wesentlichen Grundzüge internationaler Lieferbedingungen sowie die Neuerungen der Incoterms 2010 geht dieser Beitrag ein. sichtlich des Gefahrübergangs grund- sätzlich etwas schlechter gestellt. Internationales Geschäft Im internationalen Geschäft besteht die Besonderheit, dass praktisch immer das Gesetz zum Internationalen Warenkauf (CISG) anzuwenden ist, das mit seinen Normen den Regeln des (nationalen) BGB-Kaufrechts vorgeht. Für das in- ternationale Geschäft sind daher die Vorschriften der Art. 67 bis 69 CISG zu beachten. Art. 67 CISG regelt den Gefahrüber- gang beim Distanzkauf. Seine prakti- sche Bedeutung ist allerdings insofern eingeschränkt, als die Geschäftspartner im internationalen Handel mit ihrer spe- ziellen Lieferbedingung (oder der Ver- einbarung einer Incoterms-Klausel), die dann nach Art. 6 und 9 CISG Vorrang vor der gesetzlichen Regelung des CISG hat, eine andere Regelung treffen. Nach Art. 6 CISG besteht nämlich grundsätzlich die Möglichkeit, die An- wendung des CISG auszuschließen oder von seinen Bestimmungen abzu- weichen oder deren Wirkung zu än- dern. Dies bedeutet kurz gefasst nichts anderes, als dass die Geschäftspartner im internationalen Liefergeschäft bei- spielsweise mit ihrer bloßen Verabre- dung einer Incoterms-Klausel die Wir- kung von Art. 67 ausschließen können und ihrem Geschäft stattdessen eine in- dividuelle Bestimmung zur Gefahrtra- gung zugrunde legen. Angesichts der Konsequenzen des Ge- fahrübergangs nach den §§ 446 und 447 BGB sowie der für das internatio- nale Geschäft zu beachtenden Vor- schriften der Art. 67 bis 69 CISG wird der Bedarf für eine anders lautende Vereinbarung der Geschäftspartner deutlich. Das Abweichen von den ge- setzlichen Vorgaben kann geschehen durch die Verabredung individuell formulierter Lieferbedingungen Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Hintergrund dieser Be- stimmung ist, dass stets der Eigentü- mer (im Regelfall also der Verkäufer einer Ware) die Gefahr des zufälligen Untergangs, des Verlusts und der Ver- schlechterung der Kaufsache (die so genannte „Sachgefahr“) bis zu dem Moment zu tragen hat, in dem er die Kaufsache dem Käufer übergibt. Dieses Grundprinzip des Gefahrüber- gangs ist abdingbar. So kann der Ge- fahrübergang verlegt, vorgezogen oder verschoben werden. Er darf auch von bestimmten tatsächlichen Erfordernis- sen abhängig gemacht werden. Die Be- weislast für den Zeitpunkt des Gefahr- übergangs trifft denjenigen, der sich darauf beruft. Da es damit letztlich auf die Beweisbarkeit einer der Gesetzesre- gelung widersprechenden Vereinbarung ankommt, empfiehlt es sich in der Pra- xis, eine Lieferbedingung in Kaufver- trägen schriftlich zu fixieren. Versendungskauf Beim Versendungskauf, bei dem die Versendung der Kaufsache auf Verlan- gen des Käufers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort erfolgt, geht die Preisgefahr schon dann auf den Käufer über, wenn der Verkäufer die Kaufsa- che an die Transportperson ausgeliefert hat, obwohl die Sache dem Käufer zu diesem Zeitpunkt weder zu Eigentum übertragen wurde noch ihm Besitz da- ran verschafft wurde. § 447 Abs. 1 BGB legt den Zeitpunkt des Gefahrü- bergangs weiter nach vorne; der Käufer wird damit im Versendungskauf hin- Beiträge · Aufsätze · Berichte INHALT Lieferbedingungen – generelle Aussagen Grundsätze des Gefahrübergangs Versendungskauf Internationales Geschäft Incoterms – Grundsätze Die Incoterms ® 2010 Aufbau Elektronische Kommunikation Versicherungsdeckung Sicherheitsrelevante Freigaben Verkaufsketten Die neue Klausel DAT Die neue Klausel DAP Lieferbedingungen – generelle Aussagen Unternehmer sollten grundsätzlich daran denken, in ihren Geschäften Lie- ferbedingungen zu verabreden, um un- gewollte Rechtsfolgen zu vermeiden. Ein wichtiger Grund dafür ist den ge- setzlichen Bestimmungen des Kauf- rechts zu entnehmen, die sich mit dem Problembereich der Gefahrtragung be- fassen. Diese Vorschriften sind – je nach Eignung für das in Frage stehende Geschäft – grundsätzlich zu beachten, sofern nicht durch Absprache zwischen den Geschäftspartnern festgelegt wird, dass etwas anderes gelten soll. Grundsätze des Gefahrübergangs Nach § 446 Satz 1 BGB geht erst mit Übergabe der verkauften Sache die

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Internationale LieferbedingungenDie neuen Incoterms®2010 und ihre Anwendung

Von Rechtsanwalt Professor Dr. Christoph Graf von Bernstorff, Rechtsanwalt in Bremen

Im Oktober 2010 veröffentlichte die Internationale Handelskammer Paris die neuen Incoterms 2010, die mit insgesamt nur noch 11 Klauseln ab dem 1.1.2011 eingesetzt werden. Auf die wesentlichen

Grundzüge internationaler Lieferbedingungen sowie die Neuerungen der Incoterms 2010 geht dieser Beitrag ein.

sichtlich des Gefahrübergangs grund-sätzlich etwas schlechter gestellt.

Internationales GeschäftIm internationalen Geschäft besteht die Besonderheit, dass praktisch immer das Gesetz zum Internationalen Warenkauf (CISG) anzuwenden ist, das mit seinen Normen den Regeln des (nationalen) BGB-Kaufrechts vorgeht. Für das in-ternationale Geschäft sind daher die Vorschriften der Art. 67 bis 69 CISG zu beachten. Art. 67 CISG regelt den Gefahrüber-gang beim Distanzkauf. Seine prakti-sche Bedeutung ist allerdings insofern eingeschränkt, als die Geschäftspartner im internationalen Handel mit ihrer spe-ziellen Lieferbedingung (oder der Ver-einbarung einer Incoterms-Klausel), die dann nach Art. 6 und 9 CISG Vorrang vor der gesetzlichen Regelung des CISG hat, eine andere Regelung treffen. Nach Art. 6 CISG besteht nämlich grundsätzlich die Möglichkeit, die An-wendung des CISG auszuschließen oder von seinen Bestimmungen abzu-weichen oder deren Wirkung zu än-dern. Dies bedeutet kurz gefasst nichts anderes, als dass die Geschäftspartner im internationalen Liefergeschäft bei-spielsweise mit ihrer bloßen Verabre-dung einer Incoterms-Klausel die Wir-kung von Art. 67 ausschließen können und ihrem Geschäft stattdessen eine in-dividuelle Bestimmung zur Gefahrtra-gung zugrunde legen.Angesichts der Konsequenzen des Ge-fahrübergangs nach den §§ 446 und 447 BGB sowie der für das internatio-nale Geschäft zu beachtenden Vor-schriften der Art. 67 bis 69 CISG wird der Bedarf für eine anders lautende Vereinbarung der Geschäftspartner deutlich. Das Abweichen von den ge-setzlichen Vorgaben kann geschehen • durch die Verabredung individuell

formulierter Lieferbedingungen

Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung auf den Käufer über. Hintergrund dieser Be-stimmung ist, dass stets der Eigentü-mer (im Regelfall also der Verkäufer einer Ware) die Gefahr des zufälligen Untergangs, des Verlusts und der Ver-schlechterung der Kaufsache (die so genannte „Sachgefahr“) bis zu dem Moment zu tragen hat, in dem er die Kaufsache dem Käufer übergibt. Dieses Grundprinzip des Gefahrüber-gangs ist abdingbar. So kann der Ge-fahrübergang verlegt, vorgezogen oder verschoben werden. Er darf auch von bestimmten tatsächlichen Erfordernis-sen abhängig gemacht werden. Die Be-weislast für den Zeitpunkt des Gefahr-übergangs trifft denjenigen, der sich darauf beruft. Da es damit letztlich auf die Beweisbarkeit einer der Gesetzesre-gelung widersprechenden Vereinbarung ankommt, empfiehlt es sich in der Pra-xis, eine Lieferbedingung in Kaufver-trägen schriftlich zu fixieren.

VersendungskaufBeim Versendungskauf, bei dem die Versendung der Kaufsache auf Verlan-gen des Käufers an einen anderen Ort als den Erfüllungsort erfolgt, geht die Preisgefahr schon dann auf den Käufer über, wenn der Verkäufer die Kaufsa-che an die Transportperson ausgeliefert hat, obwohl die Sache dem Käufer zu diesem Zeitpunkt weder zu Eigentum übertragen wurde noch ihm Besitz da-ran verschafft wurde. § 447 Abs. 1 BGB legt den Zeitpunkt des Gefahrü-bergangs weiter nach vorne; der Käufer wird damit im Versendungskauf hin-

Beiträge · Aufsätze · Berichte

InhaLt

• Lieferbedingungen – generelle Aussagen – Grundsätze des Gefahrübergangs – Versendungskauf – Internationales Geschäft – Incoterms – Grundsätze – Die Incoterms®2010 – Aufbau – Elektronische Kommunikation – Versicherungsdeckung – Sicherheitsrelevante Freigaben – Verkaufsketten

• Die neue Klausel DAT

• Die neue Klausel DAP

Lieferbedingungen – generelle Aussagen

Unternehmer sollten grundsätzlich daran denken, in ihren Geschäften Lie-ferbedingungen zu verabreden, um un-gewollte Rechtsfolgen zu vermeiden. Ein wichtiger Grund dafür ist den ge-setzlichen Bestimmungen des Kauf-rechts zu entnehmen, die sich mit dem Problembereich der Gefahrtragung be-fassen. Diese Vorschriften sind – je nach Eignung für das in Frage stehende Geschäft – grundsätzlich zu beachten, sofern nicht durch Absprache zwischen den Geschäftspartnern festgelegt wird, dass etwas anderes gelten soll.

Grundsätze des GefahrübergangsNach § 446 Satz 1 BGB geht erst mit Übergabe der verkauften Sache die

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• oder durch die Einbeziehung standardisierter Lieferbedingungen wie etwa der Incoterms 2010 in den Vertrag.

Incoterms – GrundsätzeEin Nachteil individuell vereinbarter Lieferbedingungen dürfte vor allem im internationalen Geschäft darin zu sehen sein, dass sehr schnell der Punkt erreicht wird, an dem es Auslegungsbedarf oder Übersetzungsprobleme in einer Fremd-sprache gibt. Um Streitigkeiten zwi-schen Geschäftspartnern zu vermeiden, empfiehlt sich daher im Regelfall der Einsatz weltweit bekannter standardi-sierter Lieferbedingungen. Die Incotermsklauseln (abgekürzt von: International Commercial Terms, also “internationale Handelsklauseln”) sind als Standardregeln zu verstehen, die weltweit gleichermaßen zur Anwendung kommen können. Die erste Ausarbei-tung der Incoterms durch die Internatio-nale Handelskammer aus dem Jahr 1936 war noch lediglich eine Festigung eines gemeinsamen Verständnisses der welt-weit praktizierten Handelsklauseln. In den Neuauflagen der Jahre 1953, 1967, 1976, 1980, 1990, 2000 und neuerdings 2010 wurde das Regelwerk der jeweils jüngsten Entwicklung der Handelspraxis angepasst, in 1990 bedingt durch die modernen Transporttechniken, vor allem im Containerverkehr, den multimodalen Transport und die Ro-Ro-Transporte, sowie seit 2000 beispielsweise auch be-dingt durch die zunehmende Bedeutung der elektronischen Varianten des Daten-austauschs in Geschäftspraxis, Doku-mentation und Abwicklung.Incotermsregeln (als Auslegungskrite-rien der einzelnen Klauseln) wurden von der Internationalen Handelskammer seit dem Jahr 1936 aufgestellt und bieten dem internationalen Handel seitdem be-sonders gebräuchliche Handelsklauseln über die Lieferung von Waren bei welt-weit einheitlichem Standard. Sie dienen dabei der Rationalisierung bei der Ver-tragsabfassung und tragen heute ganz erheblich dazu bei, den internationalen Handel zu vereinfachen. Das Besondere an der Aufnahme von Incotermsklauseln (und deren jeweils zehn Regeln, die vom Verkäufer [A 1 bis A 10] und vom Käufer [B 1 bis B 10] zu befolgen sind) in einen Vertrag ist, dass man sich eine weiter gehende Aushandlung und Aus-formulierung all derjenigen für beide

Geschäftspartner verbindlichen Regeln ersparen kann, die in den Textfassungen der Incotermsklauseln einzeln aufge-führt sind.Da die Klauseln sich zudem aus der Pra-xis des Überseehandels entwickelt ha-ben, gehen sie nach wie vor auch heute noch weitgehend vom Seetransport aus. So wurden für die damals neu geschaf-fenen Incotermsklauseln vor allem die im Überseehandel gebräuchlichen Ab-kürzungen CIF (für cost, insurance, freight) und FOB (für free on board) mit der charakteristischen Risiko- und Ko-stenlastenverteilung als neue Standard-klausel für das weltweite Handelsge-schäft entwickelt. Die ICC ist eine private Organisation, so dass ihre Richtlinien, Regelwerke oder sonstige Materialien grundsätzlich nicht verbindlich sind (wie etwa Gesetze und Normen, die Staaten erlassen), sondern sie werden für einzelne Geschäfte von Geschäftspartnern nur dadurch verbind-lich, dass diese die Regelwerke aus-drücklich als Vertragsbestandteil einbe-ziehen. Dies geschieht so, wie man auch „Kleingedrucktes“ als AGB in einen Vertrag einbezieht. Incoterms betreffen immer nur das Rechtsverhältnis zwischen Käufer und Verkäufer, für deren Kaufvertrag / Lie-fervertrag sie als „Lieferbedingung“ ein Vertragsbestandteil werden können. Sie ersetzen damit auch nicht etwa den gan-zen Kaufvertrag oder wesentliche Teile davon, sondern befassen sich ausdrück-lich nur mit bestimmten Punkten daraus, die sich auf Käufer- und Verkäuferrechte und -pflichten, auf den Gefahrübergang, die Risiko- und die Kostenteilung bezie-hen. Andere im Vertrag wichtige Aspekte wie etwa die sonstigen Vertragspflichten, Gewährleistungsfragen, Haftungsaus-schlüsse, das für den Vertrag geltende Recht usw. werden von den Incoterms-klauseln nicht erfasst und bedürfen daher – sofern benötigt – einer besonderen ver-traglichen Berücksichtigung.Die Vereinbarung zwischen Geschäfts-partnern, eine bestimmte Incotermsklau-sel anzuwenden, kann sich allerdings auch auf andere Verträge (Beförde-rungsvertrag, Versicherungsvertrag, Fi-nanzierungsvertrag auswirken. Wenn beispielsweise ein Verkäufer eine CFR- oder CIF- Klausel (als Lieferbedingung in seinem Kaufvertrag) akzeptiert hat, kann er den Kaufvertrag nur ordnungs-

gemäß erfüllen, wenn er als Transport den Seetransport wählt, da er unter CFR und CIF dem Käufer ein Konnossement oder ein anderes maritimes Seetrans-portpapier präsentieren muss und andere Transportmittel (und Transportverträge) damit ausgeschlossen sind. Die Incoterms®klausel schlägt sogar durch bis zur Bankabwicklung, die unter dem Akkreditiv (und einer eventuellen Fi-nanzierung unter dem Akkreditiv) dann das Seetransportpapier zur Honorierung der Zahlungsforderung voraussetzt.

Die Incoterms® 2010

Bei der Wahl der richtigen Incotermsre-gel ist darauf zu achten, dass die ge-wählte Klausel sich für Ware und Beför-derungsmittel eignen muss.

Beiträge · Aufsätze · Berichte

Die Anzahl der Incotermsklauseln ist von 13 auf 11 reduziert worden. Dies gelang dadurch, dass zwei neue Regeln, DAP (Geliefert Ort) und DAT (Geliefert Terminal) anstelle der bisher in den Incoterms 2000 verwendeten Klauseln DAF, DES, DEQ und DDU aufgenom-men worden sind, die sie zum Teil erset-zen, zum Teil aber auch an neue Anfor-derungen des Marktes und der Abwick-lung anpassen und somit inhaltlich ergänzen. Da eine Terminalanlage durchaus grö-ßere Ausmaße haben kann, wird emp-fohlen, den präzisen Übergabepunkt am / im Terminal des Bestimmungshafens oder Bestimmungsortes festzulegen und diesen Übergabepunkt auch im Trans-portvertrag exakt zu bestimmen.• Bei DAT wird dem Käufer die Ware

vom ankommenden Beförderungs-mittel abgeladen zur Verfügung ge-stellt (entsprechend den früheren DEQ-Klausel). Das benannte Ter-minal kann sich auch in einem Ha-fen befinden, so dass DAT auch in den Fällen anwendbar ist, in denen zuvor DEQ (Incoterms 2000) einge-setzt wurde.

• Bei DAP wird dem Käufer die Ware an einem benannten Ort entladebe-reit zur Verfügung gestellt wird (ent-sprechend der bisherigen Klauseln DAF, DES und DDU). Das ankom-mende Beförderungsmittel kann ein Schiff und der benannte Bestim-mungsort im Hafen sein, so dass DAP immer dann passend ist, wenn bisher – nach den Incoterms 2000 – die Klausel DES eingesetzt wurde.

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Incoterms®Klauseln 2010 – nach Transportart

Alle Transportarten EXW

FCA

CPT

CIP

DAT

DAP

DDP

Ex Works … (named place of delivery) / Ab Werk… (benannter Lieferort)

Free Carrier … (named place of delivery) / Frei Frachtführer … benannter Lieferort

Carriage Paid To… (named place of destination) / Frachtfrei …. (benannter Bestimmungsort)

Carriage and Insurance Paid To…. (named place of destination)/ Frachtfrei versichert ….(benannter Bestimmungsort)

Delivered At Terminal …(at port or place of destination) Geliefert ab Terminal … (benannter Bestimmungshafen oder -ort)

Delivered At Place … (named place of destination)/ Geliefert am Ort …… (benannter Bestimmungsort)

Delivered Duty Paid (named place of destination)/ Geliefert verzollt … (benannter Bestimmungsort)

Lufttransport FCA Free Carrier … (named place of delivery) / Frei Frachtführer … benannter Lieferort

Einsenbahn-Transport

FCA Free Carrier … (named place of delivery) / Frei Frachtführer … benannter Lieferort

Schiffstransport FAS

FOB

CFR

CIF

Free Alongside Ship … (named port of shipment) / Frei Längsseite Schiff … (benannter Verschiffungshafen)

Free on Board … (named port of shipment) / Frei an Bord …. (benannter Verschiffungshafen)

Cost and freight … (named port of destination) / Kosten und Fracht … (benannter Bestimmungshafen)

Cost, Insurance, Freight …(named port of destination) / Kosten, Versicherung, Fracht …(benannter Bestimmungshafen)

Aufbau

Die Gefahr des zufälligen Verlusts oder der Beschädigung der Ware sowie die Pflicht, die durch die Ware bedingten Kosten (z.B. Transport, Versicherung, Zölle) zu tragen, geht vom Verkäufer auf den Käufer über, wenn der Verkäu-fer seine Verpflichtung zur Lieferung der Ware erfüllt hat. Da der Käufer keine Gelegenheit haben soll, diesen Übergang zu verzögern, legen alle elf Incotermsklauseln fest, dass der Ko-sten- und Gefahrübergang auch vor der Lieferung liegen kann, wenn der Käu-fer nicht wie vereinbart abnimmt oder wenn er es versäumt, Anweisungen zu geben, die der Verkäufer zur Erfüllung seiner Lieferverpflichtung benötigt.

Die Incotermsklauseln erhalten bei je-der einzelnen Klausel einen einführen-den Text vorangestellt und sind im Fol-genden dann jeweils nach demselben Muster aufgebaut. Unterschieden wird in einer Art tabellarischer Gegenüber-stellung zwischen den Pflichten des Verkäufers auf der einen und den spie-gelbildlichen Pflichten des Käufers auf der anderen Seite. Für beide Pflichten-kataloge werden jeweils in derselben Reihenfolge zehn Punkte aufgeführt, die die jeweilige Partei zu befolgen hat. Mit Hilfe dieser Aufgabenstellung kann den Vertragsparteien die Auswahl der zu wählenden Incotermsklausel deut-lich erleichtert werden. Der Aufbau der zehn Punkte ist dabei jeweils wie folgt (Nennung der Verkäuferpflicht als er-

ste, danach, wenn sie sich unterschei-det, die Käuferpflicht):• Lieferung vertragsgemäßer Ware /

Zahlung des Kaufpreises• Lizenzen, Genehmigungen und

Formalitäten• Beförderungs- und Versicherungs-

verträge• Lieferung / Abnahme• Gefahrenübergang• Kostenteilung• Benachrichtigung des Käufers /

Verkäufers• Liefernachweis, Transportdoku-

ment oder entsprechende elektroni-sche Mitteilung

• Prüfung- Verpackung- Kennzeich-nung der Ware

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Beiträge · Aufsätze · Berichte

• Kostentragung bei sonstigen Un-terstützungsleistungen

Die 11 Incotermsklauseln sind in ihrem Regelungsgehalt so aufgebaut, dass sie – beginnend bei einer E-Klausel und fortgeführt über F-, C- bis hin zu D-Klauseln – die mit dem Kaufvertrag ver-bundenen Zusatzbelastungen auf der Kos tenseite (Aus-/Einfuhrkosten, Trans-portkosten, Versicherungskosten) zu-nächst als den Verkäufer begünstigend (E-Klausel) gestalten und dann die Bela-stung Klausel für Klausel immer weiter zugunsten des Käufers verschieben und damit eine vollständige Abstufung ent-sprechend der Ablaufschritte der Ge-schäftsabwicklung vornehmen.Eine ähnliche Abstufung erfolgt im Hinblick auf den Gefahrübergang, der bei der E-Klausel den Verkäufer sehr begünstigt und am frühest möglichen Zeitpunkt bei Bereitstellung der Ware zur Abholung beginnt und bei den D-Klauseln besonders günstig für den Käufer ausgestaltet ist.

Elektronische KommunikationZur Zeit der Herausgabe der älteren Incoterms 1990 und 2000 war die elek-tronische Kommunikation noch so neu beziehungsweise noch so wenig ent-wickelt, dass die Incoterms damaliger Zeit alle Dokumente genau beschrie-ben, die durch elektronische Mitteilun-gen ersetzt werden durften. Die Neufassung 2010 stellt die elektroni-sche Kommunikation der Papierform gleich, sofern dies entweder von den Parteien so vereinbart wurde oder die-ses Vorgehen handelsüblich ist.

VersicherungsdeckungWährend der Geltungsdauer der Incoterms 2000 (bis Herbst 2010) wur-den die Institute Cargo Clauses erneu-ert. Die Incoterms 2010 tragen dieser Situation Rechnung und berücksichti-gen in A 3 / B 3 alle Veränderungen der Versicherungsbedingungen entspre-chend. Im Rahmen der Güterversiche-rung werden im internationalen Ge-schäft meist die so genannten „Institute Cargo Clauses“ genutzt. Werden die In-stitute Cargo Clauses (C) – wie üblich – genutzt, bieten diese nur einen Min-destschutz bei Elementarereignissen (zum Beispiel bei Naturkatastrophen, großer Havarie, Feuer usw.). Die In-cotermsklauseln gehen von diesem Mindestschutz aus, so dass es im kon-kreten Fall durchaus zu einer Unterver-

sicherung des laufenden Geschäfts kommen kann!

Sicherheitsrelevante FreigabenNach den Terroranschlägen vom Sep-tember 2001 ist insbesondere in den USA, aber auch ganz allgemein welt-weit die Sorge um die Sicherheit im Warentransport besonders groß. Daher werden seit Jahren auf vielfache Weise Nachweise gefordert, dass von einem Transportgut keine wesentlichen oder besonderen Gefahren für Personen oder Sachwerte ausgehen können. Dies spie-gelt sich in den neuen Käufer- und Ver-käuferpflichten in A 2 / B 2 sowie A 10 / B 10 wider und nimmt sogar Informa-tionspflichten in einer Verkaufskette mit auf. Ein ähnlicher Begriff, derje-nige der „Lieferkette“, ist auch bekannt aus dem derzeit aktuellen Thema „Zu-gelassener Wirtschaftsbeteiligter“ (AEO), dessen Zuverlässigkeit im Rah-men einer kompletten Lieferkette nach bestimmten Vorgaben vorliegen muss, um spezifischen Anforderungen der Zollbehörden überhaupt gerecht wer-den zu können.

VerkaufskettenNeu ist auch der Begriff der Verkaufs-kette (string sales). Hierbei geht es um Güter (oft Rohstoffe), die während ei-nes Transports weiter veräußert wer-den. In diesen Fällen kann eine Person, die mitten im Transport als „Verkäufer“ auftritt, nicht mehr „Versender“ sein, da der Versand bereits vom ersten Ver-käufer innerhalb einer Handelskette vor-genommen wurde. Die neuen Incoterms 2010 berücksichtigen diese Situation und sprechen nicht mehr vom „Versenden“ sondern nur noch davon, dass der Ver-käufer dem Käufer die bereits versendete Ware verschaffen muss.

Die neue Klausel DAT

Die Incotermsklausel 2010 DAT (Gelie-fert ab Terminal – … benanntes Terminal im Hafen oder am Bestimmungsort) kann für jede Transportform gewählt werden und eignet sich daher auch für den Einsatz verschiedener Transportmit-tel innerhalb eines Warentransports (multimodaler Transport).Diese Klausel eignet sich für alle Ge-schäfte, • in denen der Verkäufer die Ware

nach Abladung vom Transportmittel • dem Käufer an einem benannten

Terminal

• in einem benannten Bestimmungs-hafen oder an einem benannten Be-stimmungsort

• zur Verfügung stellt. • Bis zu diesem Moment trägt der

Verkäufer alle Kosten und Gefahren, • und er muss die Ware – soweit an-

wendbar – für den Export freima-chen, jedoch keine Verantwortung hinsichtlich der Importabwicklung und -verzollung tragen.

Die neue Klausel DAP

Die neue Incotermsklausel 2010 DAP (Geliefert am – … benannter Bestim-mungsort) geht davon aus, dass ein Transportgut bis zu einem Platz an ei-nem Bestimmungsort geliefert wird und dass der Verkäufer bis zu diesem Moment neben den Kosten auch die Sachgefahr tragen muss. Die In-cotermsklausel 2010 DAP ist damit eine so genannte „Ankunftsklausel“.DAP ist immer dann die richtige Liefer-bedingung, wenn eigentlich auch die In-cotermsklausel 2010 FCA oder CPT an-wendbar wäre, der Käufer jedoch weder Gefahr und Kosten des Transports (wie bei FCA) noch die Gefahr allein (wie bei CPT) tragen will, sondern die gesamten Gefahren und Kosten bis zum Bestim-mungsort zu Lasten des Verkäufers ge-hen sollen. Der Kosten- und Gefahrüber-gang mit Erreichen eines Platzes am Bestimmungsort werden diesem Begehr des Käufers gerecht.Wenn die Parteien erreichen wollen, dass der Verkäufer die Kosten und Ge-fahren nur solange tragen soll, bis die Ware ein Terminal (zum Beispiel zur Umladung) erreicht hat, bevor Sie an ei-nen anderen Platz/ Ort weiter transpor-tiert wird, sollte anstelle von DAP die Klausel DAT vereinbart werden.Anders als die früheren Klauseln DES, die sich auf Seeschiffs- und Binnen-schiffstransporte stützte und nicht für die Containerverschiffung geeignet war, sowie DEQ, die ebenfalls nur für See- und Binnenschiffstransporte einsetzbar war, richtet sich die Incotermsklausel 2010 DAP an alle Transportarten und auch an den multimodalen Transport.

Weiterführende Hinweise• Incoterms 2010 Kommentierung für die Praxis inklusive offiziellem Regelwerk 2010, 200 Seiten, mit CD-ROM, 49,B

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