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Lager + Umschlag 42 11/2011 VerkehrsRUNDSCHAU Plant Consolidation Center Schneller Warenumschlag für die Mercedes-Produktion in Bremen Teile-Nachschub für das Auto-Puzzle D er Bau eines Luxusautos gleicht einem Puzzle: Es gilt, viele ver- schiedene Teile zu einem Ganzen zusammenzufügen. In der Automobilin- dustrie spielen Logistikdienstleister dabei eine Schlüsselrolle. Sie sorgen dafür, dass der Werker am Band nur hinter sich grei- fen muss und gleich das richtige Teil für den Einbau in der Hand hat. So entstehen bei Daimler am Standort Bremen Limou- sinen, Kombis, Coupés und Cabriolets der Marke Mercedes-Benz. Dafür, dass der Werker immer das richtige Puzzleteil aus der Schachtel nehmen kann, sorgt Lorel. Der Logistikdienstleister be- treibt mit einem ausgeklügelten Konzept das Plant Consolidation Center (PCC) in Werksnähe. „Das PCC ist ein Lieferanten-Logistik- Zentrum mit erweiterten Funktionen, wie zentrale LKW-Erfassung, Crossdocking, Set-Kommissionierung und Leergutab- wicklung, zusammengefasst an einem Standort, um über alle Funktionen die größtmöglichen Synergien zu erzielen“, erklärt Frank Boblat, Leiter Betriebsma- nagement bei Lorel. Nur einen Anlaufpunkt für LKW Vor dem PCC hatte Lorel schon den Be- trieb des zum Werk gehörenden LLZ ver- antwortet. Das platzte aber aus allen Näh- ten und wurde durch das im Investoren- modell neu gebaute PCC ersetzt (Kasten unten rechts). Von hier aus erfolgt die Just- in-time- und Just-in-sequence-Versor- gung der Mercedes-Fertigung. Mit der Eröffnung des PCC übernahm Lorel eine weitere Aufgabe. Der Dienstleister ver- sorgt nicht mehr nur produktionssynchron die Bandmontage, sondern liefert auch an- dere Waren ins Werk. Anders als beim alten LLZ geben die Gebietsspediteure heute sämtliche Güter bei Lorel ab. Früher muss- ten sie neben dem LLZ noch bis zu drei wei- tere Abladepunkte im Werk ansteuern. Systemgestützt werden die Waren im Wa- reneingang getrennt. Die Werkswaren wer- den im Crossdocking in die Warenaus- gangszone geschleust, von wo sie mit dem nächsten Shuttle-LKW ins Werk gebracht werden. Diese Artikel verbleiben in der Regel keine zwei Stunden im PCC. Die Zulaufsteuerung der LKW ist vom Takt der Produktion geprägt. Den anliefernden Frachtführern werden Zeitfenster zugeteilt. Halten sie die angegebenen Ankunftszeiten ein, wird ihnen die Abwicklung binnen einer Stunde zugesichert. An der zentralen LKW-Erfassung (One Entry Point) werden die Lieferscheine mit den per DFÜ (Daten- fernübertragung) eingegangenen Liefer- Avisen abgeglichen. Gleichzeitig wird die Ladung im Warehouse Management System (WMS) Inconso-WMS-Automotive erfasst, der LKW dort virtuell abgebildet. Dann werden den Fahrern die Ent- und Beladepunkte zugeteilt – je nach Ladung können dies mehrere hintereinander sein. Der Logistikdienstleister Lorel betreibt das Plant Consolidation Center am Daimler-Standort Bremen. Wie die Logistiker in dem Lager dafür sorgen, dass die Werker am Band stets das passende Teil zur Hand haben.

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Lager + Umschlag

42 11/2011 VerkehrsRUNDSCHAU

Plant Consolidation Center

Schneller Warenumschlag für die Mercedes-Produktion in Bremen

Teile-NachschubfürdasAuto-Puzzle

D er Bau eines Luxusautos gleicht einem Puzzle: Es gilt, viele ver-schiedene Teile zu einem Ganzen

zusammenzufügen. In der Automobilin-dustrie spielen Logistikdienstleister dabei eine Schlüsselrolle. Sie sorgen dafür, dass der Werker am Band nur hinter sich grei-fen muss und gleich das richtige Teil für den Einbau in der Hand hat. So entstehen bei Daimler am Standort Bremen Limou-sinen, Kombis, Coupés und Cabriolets der Marke Mercedes-Benz. Dafür, dass der Werker immer das richtige Puzzleteil aus der Schachtel nehmen kann, sorgt Lorel. Der Logistikdienstleister be-

treibt mit einem ausgeklügelten Konzept das Plant Consolidation Center (PCC) in Werksnähe. „Das PCC ist ein Lieferanten-Logistik-Zentrum mit erweiterten Funktionen, wie zentrale LKW-Erfassung, Crossdocking, Set-Kommissionierung und Leergutab-wicklung, zusammengefasst an einem Standort, um über alle Funktionen die größtmöglichen Synergien zu erzielen“, erklärt Frank Boblat, Leiter Betriebsma-nagement bei Lorel.

Nur einen Anlaufpunkt für LKWVor dem PCC hatte Lorel schon den Be-trieb des zum Werk gehörenden LLZ ver-antwortet. Das platzte aber aus allen Näh-ten und wurde durch das im Investoren-modell neu gebaute PCC ersetzt (Kasten unten rechts). Von hier aus erfolgt die Just-in-time- und Just-in-sequence-Versor-gung der Mercedes-Fertigung. Mit der Eröffnung des PCC übernahm Lorel eine weitere Aufgabe. Der Dienstleister ver-sorgt nicht mehr nur produktionssynchron die Bandmontage, sondern liefert auch an-dere Waren ins Werk. Anders als beim alten

LLZ geben die Gebietsspediteure heute sämtliche Güter bei Lorel ab. Früher muss-ten sie neben dem LLZ noch bis zu drei wei-tere Abladepunkte im Werk ansteuern. Systemgestützt werden die Waren im Wa-reneingang getrennt. Die Werkswaren wer-den im Crossdocking in die Warenaus-gangszone geschleust, von wo sie mit dem nächsten Shuttle-LKW ins Werk gebracht werden. Diese Artikel verbleiben in der Regel keine zwei Stunden im PCC. Die Zulaufsteuerung der LKW ist vom Takt der Produktion geprägt. Den anliefernden Frachtführern werden Zeitfenster zugeteilt. Halten sie die angegebenen Ankunftszeiten ein, wird ihnen die Abwicklung binnen einer Stunde zugesichert. An der zentralen LKW-Erfassung (One Entry Point) werden die Lieferscheine mit den per DFÜ (Daten-fernübertragung) eingegangenen Liefer-Avisen abgeglichen. Gleichzeitig wird die Ladung im Warehouse Management System (WMS) Inconso-WMS-Automotive erfasst, der LKW dort virtuell abgebildet.Dann werden den Fahrern die Ent- und Beladepunkte zugeteilt – je nach Ladung können dies mehrere hintereinander sein.

Der Logistikdienstleister Lorel betreibt das Plant

Consolidation Center amDaimler-Standort Bremen.

Wie die Logistiker in dem Lager dafür sorgen, dass die Werker

am Band stets das passende Teil zur Hand haben.

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Der Aufruf erfolgt per SMS. Die bei Lorel übliche Seitenent- und -beladung verrin-gert die Aufenthaltsdauer am Tor.Aufgrund ihrer Formen werden viele Teile und Module in Sondergestellen angelie-fert. Mehrere hundert verschiedene Lade-hilfsmittel (LHM) kommen zum Einsatz. Während von KEP-Diensten gelieferte Teile für Nacharbeiten oder Sonderbestel-lungen im Wareneingang auf eigene LHM umgepackt werden, nehmen mehrere Mit-arbeiter die LKW-Ladungen entgegen.

Alle Waren gleich behandelnWenn der Entlader sich in der Annahme-zone um die physische Vereinnahmung kümmert, prüft der Kontrollmitarbeiter Vollständigkeit und Unversehrtheit der Ware. Zugleich scannt er den Barcode der Ladeeinheit und bekommt die neu verge-bene interne Packstücknummer angezeigt. Ein tragbarer Etikettendrucker wirft dazu das Label mit den Angaben aus, die für die weitere Bearbeitung erforderlich sind. Es wird an der Ladeeinheit angebracht. Hiermit vollzieht sich der Übergang von den individuellen Kennungen der Liefe-ranten zur einheitlichen Verwaltung der Ware im Warehouse Management System – unabhängig davon, wann sich der recht-liche und wirtschaftliche Eigentumsüber-gang vom Lieferanten auf Daimler voll-zieht. So wird es möglich, lieferantenüber-greifend alle Artikel gleich zu behandeln. Täglich gehen rund 7000 Behälter ein. 2000 verlassen das Lager wieder, sobald sie

im Crossdocking entsprechend der Rei-henfolge der Abladestellen im Werk in Touren sortiert sind. Eingelagert werden die übrigen nach gestaffelten Kriterien auf den etwa 30.000 Lagerplätzen. Wegen des rascheren Zugriffs werden Schnelldreher den dynamisch verwalteten Blocklagerbe-reichen zugewiesen. Das System unter-scheidet zwischen stapelbaren und nicht stapelbaren Gestellen. Bei der Einlagerung in die Regale spielt neben Behältergröße und -gewicht die Umschlaghäufigkeit sowie eine mögliche Einzelteilkommissi-onierung eine Rolle.Jeder Regallagerplatz ist mit einem RFID-Tag versehen. Die Fahrer der Schubmast-stapler nehmen die am Terminal ange-zeigte Ware auf und erhalten den Ziellager-platz angezeigt. Bei Einlagerung wird der Stellplatz per RFID-Lesung bestätigt und in das System übernommen. So konnte bei den großen Regalhöhen sichergestellt wer-den, dass alle Einlagerungen korrekt voll-zogen und gebucht werden. Falls dennoch einmal ein falscher Platz angefahren wird, hat der Fahrer die Wahl: umlagern oder im System umbuchen. „RFID ist hier die rich-tige Lösung“, sagt Boblat. „Barcodeleser in den Gabeln der Schubmaststapler wären zu fehleranfällig gewesen.“Auch die Auslagerung wird vom Inconso-System gesteuert, das einen einheitlichen Auftragspool und Kommissioniernach-schub bereitstellt. Da die Stapler zentral angesteuert werden, kann fast jeder für jeden Auftrag eingesetzt werden.

Um die exakte Anliefertaktung zu gewähr-leisten, erhält Lorel auf Basis der Ferti-gungsplanung Impulsabrufe für die einzel-nen Fahrzeuge. Richtschnur ist dabei der Grundsatz, dass der Werker am Band blind zugreifen kann und nie ohne Material bleibt. Er hat jeweils genau ein Gestell in Warteposition und eines in Arbeit. Sobald dieses geleert ist, wird es zur Seite gefahren und das nächste bereitgestellt.Die Abrufe enthalten Produktnummer, Schichtnummer und Verbauzeit. Das Sys-tem baut auf dieser Grundlage virtuell die Gestelle für alle Verbrauchsorte im Werk und stößt die Kommissionierung an. Dabei

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„RFID ist die richtige Lösung, Barcodeleser in den Gabeln der Schubmaster wären zu anfällig“

FRANK BOBLAT, Leiter Betriebsmanagement bei Lorel

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Plant Consolidation Center

Leistungsdaten für den Autobau

FlächenDas 103.000 m² große Grundstück verfügt über eine Vollguthalle (34.000 m²) mit zwölf Toren, eine Leerguthalle (16.500 m²) mit neun Toren und ein Freilager (10.000 m²).

Plätze34 LKW-Stellplätze, 16.000 Regalstellplätze und 14.000 Blocklagerstellplätze.

Vollgutumschlag (arbeitstäglich)250 LKW-Abfertigungen an der zentralen LKW-Erfassung, 160 LKW-Entladungen im Warenein-gang und 145 LKW-Beladungen im Ausgang. Von den 7000 Ladeeinheiten im Wareneingang gehen 2000 ins Crossdocking. Der Warenaus-gang umfasst 5300 Ladeeinheiten. 450 Pack-stücke (Kartone und Kleinladungsträger) wer-den über KEP-Dienste umgeschlagen. In der Set-Sequenzierung verlassen 140 Gestelle mit etwa 13.000 Einzelpicks den Warenausgang.

Leergutumschlag (arbeitstäglich)160 LKW-Entladungen im Wareneingang und 90 im Ausgang. Die Leergutaufbereitung und -verdichtung wickelt 7500 Ladeeinheiten ab. Im Wareneingang und -ausgang werden 40.000 Ladungsträger, inklusive Kleinladungs-träger, bewegt.

■ Mitarbeiter: 220 ■ Schichten: 3 ■ Flurförderzeuge: 60

Bereitstellung im Warenausgang

D A S „ P L A N T C O N S O L I D AT I O N C E N T E R “ I N Z A H L E N

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berücksichtigt es, dass die Gestelle je nach Größe und Form unterschiedlich viele Teile aufnehmen können. Maximal können auf einem Ladungsträger Teile für 30 Fahr-zeuge bereitgestellt werden. Der Nachschub für die Kommissionierung wird nach Min-destmengen organisiert oder auf Basis der Bedarfe, die im System bekannt sind. Alle Nachschübe funktionieren papierlos über ein integriertes Transportleitsystem.Unterdessen hat das System die LKW-Ver-ladung geplant und die Touren zusammen-gestellt. Optimierungskriterium ist auch hier die Produktionslogik, die die Bereitstel-lung der Ladungsträger und Sets vorgibt.

Vom Eingang des Impulsabrufs an hat Lorel 90 Minuten Zeit, bis die Ware auf den Shuttletransport verladen sein muss. In der Kommissionierung wird daher jede Bewegung zeitüberwacht.

Abrufe und Eilbestellungen im BlickDer Steuerstand des Inconso-WMS-Auto-motive ist das Herzstück der Auftrags-überwachung: Hier werden in Echtzeit die Abrufe seitens Mercedes mit den verfüg-baren Kapazitäten abgeglichen, um jeder-zeit eingreifen zu können. Zudem werden die Touren, die Kommissionierpools und die Durchlaufzeiten überwacht. Hier

gehen auch telefonische Eilbestellungen ein, die dann in einem Sonderablauf be-vorzugt durchgeschleust und mit Eilfahr-zeugen ins Werk geschickt werden. Aber auch der reguläre Verkehr ist beacht-lich. Von jedem der Tore geht alle 24 Mi-nuten ein Shuttletransport ab, sodass pro Tag 155 Routenzüge das PCC verlassen. Jede Tour fährt dabei bis zu drei Ablade-stellen an und nimmt im Rundlauf wieder die leeren Puzzleteileschachteln auf, die in der Leerguthalle separat sortiert und wie-der neu bereitgestellt werden. ❙❚■

Serge Voigt

LKW werden bei Lorel von der Seite be- und entladen (1). Die eingehende Ware wird geprüft und erhält eine neue Packstücknummer für die Weiterverarbei-tung (2). Das Staplerterminal zeigt dem Fahrer, wo ein- oder ausgelagert werden soll (3). Vor dem Abtransport ins Werk werden die Gestelle bestückt (4)

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