Land und Leute August 2010

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Leben in Vorpommern Ihr Journal für Wirtschaft, Politik, Kultur und Unterhaltung Ausgabe 8-2010 Action auf dem Wasser Aktiv am Strand Aktiv zu Pferd GRATIS

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Action auf dem Wasser

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Leben in VorpommernIhr Journal für Wirtschaft, Politik, Kultur und Unterhaltung

Ausgabe 8-2010

Action auf dem Wasser

Aktiv am Strand Aktiv zu Pferd

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eine wunderschöne Urlaubsregion, in der Ihr da lebt, aber leider nicht sehr gastfreundlich. Das war das Fa-zit von Gästen unserer Region. Ein Fazit, das im ersten Moment über-rascht, an dem aber bei näherem Hinsehen durchaus einiges dran ist. Die saisonüblichen großen Ärgernis-se, wie etwa die nicht enden wollen-den Staus bei An- und Abreise, wer-den noch als zwar höchst ärgerlich, aber unvermeidbar hingenommen. Anders sieht es bei den vielen Klei-nigkeiten aus, die den Gästen der Re-gion sauer aufstoßen. Welterbe – ab 17 Uhr geschlossen, stellen Besucher fest, die ruhigere Abendstunden zum Besuch eines renommierten Stralsunder Museums nutzen möch-ten. Gastronomen in der direkten Umgebung konstatieren frustriert, dass mit dem Schluss des Museums-betriebes auch das eigene Geschäft zum Erliegen kommt und stellen die Stühle hoch.

Da gibt es die „Greifswalder Jagdsze-nen“, wenn einmal im Jahr der Zirkus kommt und die Grünflächenver-ordnung als wohlfeiles Vehikel zum koordinierten Verteilen von Park-knöllchen herhalten muss. Und das in einem Gebiet der Stadt, in dem an den restlichen 360 Tagen im Jahr eher ein Marsmännchen, denn ein Ordnungshüter auftaucht.

Szenenwechsel: In einem bekannten Badeort auf dem Darß stehen am Samstag Mittag um drei Uhr ratlo-se Reisende vor der verschlossenen Türe des Tourismusverbandes, in der Hand eine Buchungsbestätigung. Aus der geht leider nicht hervor, wo sich das gebuchte Appartement ge-nau befindet und noch weniger, wie an den Schlüssel zum Gästeparadies zu kommen ist. Es mag ein Teil eige-nes Verschulden der Gäste sein, dies vorher nicht abgefragt zu haben. Aber wer nach einer mühevollen Anreise staubedingt verspätet an-

kommt, hat wenig Lust auf eine zwei oder drei Stunden dauernde Schnit-zeljagd. Gereicht hätte in diesem Fall ein simples Schild in der Türe mit ei-ner Rufnummer für Notfälle.

Ein Dauerbrenner sind die Szenen, in denen ausländische Gäste selbst in mit Sternen dekorierten Hotels keine Ansprechpartner hinter der Rezepti-on finden, die wenigstens Grund-kenntnisse der englischen Sprache haben.

VORWEG!Zu beklagen ist nicht selten auch ein mangelnder Wille zur Kooperation zwischen unterschiedlichen Touris-musorganisationen, von denen man manchmal den Eindruck hat, dass an Stelle sinnvoller Kooperation die verbiesterte Verfolgung eigener Zie-le oberste Priorität hat. Und nicht zuletzt immer wieder auch die Mo-mente, in denen sich der Gast von überfordertem, unterqualifiziertem Personal eher abgefertigt als freund-lich bedient fühlt. Ganz sicher gibt es auch die zweite Seite der Medaille.

Das Gros der Gäste, die mit ihren Ur-laubserlebnissen zufrieden sind und sich schon auf die Wiederholung im nächsten Jahr freuen. Nur: leider ver-breiten sich schlechte Nachrichten weitaus schneller und nachhaltiger als die Positiven. Es gibt also viel zu tun, zu arbeiten an Details, an Perfek-tion, um die Grundlage für künftigen Erfolg beim Werben um Gäste zu le-gen. Zum Wohle des Ganzen wäre vor allem ein Ende der touristischen Kleinstaaterei wünschenswert.

Ihnen wünschen wir eine unterhalt-same Zeit beim Durchblättern der aktuellen Ausgabe von Land&Leute. Und einen traumhaft schönen Alt-weibersommer mit Zeit zum Aus-spannen und Genießen!

Claus E. Schwarz, Herausgeber,und das Team von Land&Leute

Liebe Leserinnen & Leser,

inhalt: 3 Vorweg 6 Nord Stream

8 Greifswald gräbt um 9 Ministerin auf Sommertour

10 Gemeinsam in die Zukunft

12 Greifswalder Tisch

13 BioConvalley

16 Barther Segel- und Hafentage 17 Vorpommern Aktiv

18 Sport in der Nische

23 In die Luft gegangen

26 Vereinssport unter Druck

27 Sandskulpturen

30 Neugründung OTS 30 Licht- und Klangmalerei 32 Besuch bei Freunden Orchester auf Japan-Tournee 34 Die Sprache der Angst 38 AKW Abgeschaltet- was nun?

40 Kleine Schmökerei

42 Supersudoku

44 Terminkalender

46 Kommentar, Impressum

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Gute Nachrichten hatte Dr. Ge-org Nowack, der Projektleiter des deutschen Abschnittes der Nord-Stream-Pipeline, im Rahmen einer Presseausfahrt zur Castoro 10 (C10) am 12. August zu vermelden. Der-zeit liegt man bei der Verlegung der Pipeline nämlich um etwa ein bis zwei Wochen vor dem Plan. Vor al-lem technische Probleme, die den Bau verzögern könnten, sind bisher nicht aufgetreten. Zudem waren die Stillstandszeiten aufgrund schlech-ten Wetters äußerst kurz. Allgemein funktioniere die Technik trotz der diffizilen Vorgänge hervorragend.

Bis zum 20. August werden die Aus-hubarbeiten auf einer Gesamtlänge von 27 km abgeschlossen sein. Da-bei verwendet man unterschiedliche Gerätschaften. Verschiedene Bagger-typen aus dem gesamten Euroraum entfernen größere Steine, den Ober-boden sowie die sandigen Bereiche. Aus ökologischen Gründen wird der dadurch entstandene etwa 2,5 m tiefe Graben nach der Verlegung der Rohre zumindest im Flachwasserbe-reich rückverfüllt. Dazu wird Material verwendet, das dem ausgehobe-nen in seiner Struktur gleicht, um dem Ausgangszustand so nahe wie möglich zu kommen. Ohnehin sieht sich das gesamte Projekt mit hohen Umweltstandards konfrontiert. Da-

her wurden im Vorfeld in Zusam-menarbeit mit wissenschaftlichen Einrichtungen, Umwelverbänden und unabhängigen Unternehmen zahlreiche Gutachten angefertigt, um sicher zu stellen, dass das Öko-system nicht zu stark belastet wird. Ergänzend ist auf der Internetseite der Nord Stream eine umfangreiche Kartendatenbank dokumentiert, so dass der Verlegeprozess auch für die Öffentlichkeit transparent einsehbar ist. Insgesamt wurden mehr als 100 Mio. Euro für die Studien investiert.

Im russischen Anlandungsbereich ist derzeit eine Zwillingsleitung auf einer Länge von 7,5 km ver-legt. Zusammen mit den 27 km im deutschen und bereits gut 230 km im finnischen und schwedischen Sektor werden Anfang Oktober demnach fast 275 km auf den Mee-resboden abgesenkt sein. Wenn die Castoro 10 die Verlegearbeiten vor Lubmin abgeschlossen hat, wird die Castoro 6 an Kilometerpunkt 1195,4 die Pipeline aufnehmen. Ein drittes Schiff, die Solitaire, wird der-zeit in Rotterdam umgerüstet, um danach im Finnischen Meerbusen zwischen den Kilometerpunkten 7,5 und 350 unterstützend zu wirken.Von Lubmin wird das aus Russland kommende Erdgas nach der Fertig-stellung der Pipeline einerseits in

die Anschlussleitungen NEL (nach Rehden/Niedersachsen) und OPAL (nach Tschechien) in das europäi-sche Netz eingespeist. Die Unter-nehmen Gazprom, N. V. Nederland-se Gasunie, E.ON Ruhrgas sowie BASF/Wintershall und GDF Suez SA nehmen das Gas ab. Sie sind An-teilseigner der Nord Stream AG und haben damit auch ein wirtschaftli-ches Interesse am Erfolg. Mit dem Projekt soll die gesamte europäische Energiewirtschaft langfristig mit einem umweltfreundlicheren fos-silen Brennstoff gesichert werden.

Doch nicht nur die Technik muss funktionieren. Ein zweiter wichtiger Punkt ist die menschliche Arbeits-kraft. Auf der C10 sind bis zu 200 Personen beschäftigt, die einen un-unterbrochenen siebentägigen Be-trieb an 24 Stunden sicherstellen. Die Verlegung steht also nie wirklich still. Einige der Arbeiter – hauptsäch-lich diejenigen aus dem asiatischen Raum – bleiben permanent an Bord. Andere werden mittels eines Shut-

Neues von der langen LeitungVerlegung der Nord-Stream-

Pipeline geht voran

Nordstream Nordstream

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tleschiffes aus Richtung Stralsund in unterschiedlichen Rhythmen ausge-tauscht. Die kontinuierliche Versor-gung ist über die Zubringerschiffe aus dem Hafen in Mukran gesichert.

Zudem ist stets eine Gruppe ex-terner Besatzungsmitglieder auf der C10. Diese sind unter anderem Sicherheitsinspektoren, gehören Zertifizierungsorganisationen an oder werden von Behörden und Versicherungen entsandt. So soll gewährleistet werden, dass alle Vorgänge auf dem Schiff und bei der Verlegung international aner-kannten Qualitätsstandards ent-sprechen. Außerdem arbeitet Nord Stream eng mit der Wasserschutz-polizei und den Yachthäfen zusam-men. Zu nennenswerten Zwischen-fällen sei es auch deshalb bisher nicht gekommen, meint Nowack.

Gerade in küstennahen Verlege-abschnitten ist die Koordination von Berufs- und Sportschiffern ein

wichtiger Sicherheitsbaustein. Da die C10 keine dynamische Positio-nierung beherrscht, muss sie kon-stant mit Hilfe von acht Ankern in Stellung gebracht werden. Darum wird um das Schiff eine ausreichen-de Sicherheitszone eingerichtet, in der der Schiffsverkehr untersagt ist.

Dass die Pipeline so reibungslos ver-legt werden kann, liegt allerdings auch zu einem gehörigen Teil an der vorangegangenen Munitions- und Kampfmittelräumung. Wissenschaft-liche Gutachten gehen schließlich von bis zu 150.000 möglichen Mi-nen in der Ostsee aus. Etwa 70 da-von – das wurde bei der Planung der Pipeline entdeckt – sind auf der vorgesehenen Trasse lokalisiert. In der Hauptsache handelt es sich da-bei um aus den zwei Weltkriegen des 20. Jhs. stammende Kampfmit-tel. Die britische BACTEC wurde als Räumungsunternehmen beauf-tragt und in der Tat ist der schwe-dische Bereich bereits minenfrei.

Momentan ist man daher mit der Übererfüllung des Zeitplans in einer sehr komfortablen Situation, die keinen Anlass gibt, an einer recht-zeitigen Fertigstellung zu zweifeln. Ende 2011 soll der erste der beiden Leitungsstränge vollständig sein und rund 27,5 Milliarden Kubik-meter Erdgas pro Jahr durch die fast 1,2 m dicken Rohre transpor-tieren. Im darauf folgenden Jahr wird schließlich der zweite Strang verlegt. Aus Sicherheitsgründen ist die Pipeline mit einem etwa 4 mm dicken Korrosionsschutz sowie zwischen 60 und 110 mm dickem Beton ummantelt. Auf einer Länge von 12,2 m ergibt sich daher ein Gesamtgewicht von gut 12t je Rohr.Vorausgesetzt, die Arbeiten ge-hen wie bisher voran, wird mit der Pipeline also ein nicht nur in seinen Dimensionen, sondern auch seiner Bedeutung beein-druckendes Projekt umgesetzt.

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Bei bestem Sommerwetter erfolgte am 01. Juli der erste Spatenstich für die neue Mensa am Berthold-Beitz-Platz in Greifswald. Sowohl der Oberbürgermeister der Hansestadt, Dr. Arthur König, als auch der Minis-terpräsident von Mecklenburg-Vor-pommern, Erwin Sellering, entrichte-ten ihre Grußworte und wünschten einen erfolgreichen Verlauf der Bauarbeiten. Mit dem Neubau ver-suchen die Initiatoren – allen voran das Universitätsklinikum – einen Brü-ckenschlag, der einerseits eine Men-sa für die Studierenden, andererseits ein Café und ein Restaurant für alle Greifswalder umsetzt. Besonders stolz sei man darauf, dass das Projekt zu einem überwiegenden Teil aus ei-genen Kräften umgesetzt würde, so Prof. Dr. Rainer Westermann, Rektor der Universität Greifswald.

Die Gesamtkosten des Projektes belaufen sich auf 17 Mio. Euro, von denen allein 15 Mio. durch einen Kredit des Universitätsklinikums aufgebracht werden. Üblicherweise werden derartige Vorhaben in der Verantwortlichkeit der Landesre-gierung umgesetzt; insofern ist der Neubau ungewöhnlich. Die Fertig-stellung war ursprünglich für 2011 geplant. Allerdings wurde dieser Termin noch im vergangenen Jahr avisiert.

Mittlerweile gehen die Verantwort-lichen davon aus, dass die Bauar-beiten 2012 abgeschlossen sein werden. Dann sollen in dem auch vom Studierendenwerk mitfinanzier-ten Komplex vor allem Studenten sowie Mitarbeiter und Patienten des Klinikums verköstigt werden.

Mensa auf dem neuen Campus

Den ersten Spatenstich für den neuen Busbahnhof taten am 27. Juli der Staatssekretär im Landesver-kehrsministerium Schröder sowie Greifswalds Oberbürgermeister Dr. König. Ziel des Projektes ist die Um-gestaltung eines Teils des derzeiti-gen Bahnhofsvorplatzes im Rahmen der Städtebauförderung. Im Ergeb-nis dessen soll ein repräsentatives Zentrum für die Abfertigung vor allem des regionalen öffentlichen Personennahverkehrs entstehen.

Besonderer Wert wird dabei auf eine weitgehende Barrierefreiheit gelegt, was insbesondere älteren Men-schen die Teilnahme am Busverkehr erleichtern soll. Ebenso gehört ein möglichst umgehende Weiterfahrt von Bahnreisenden zu den Anliegen des Projektes. Geplant ist zudem ein Informationspunkt, an dem

Reisende direkt und unkompliziert die Fahrtzeiten in Erfahrung bringen können. Anlässlich der Veranstaltung wies Staatssekretär Schröder darauf hin, dass gerade die Städtebauförde-rung ein essentielles und schon seit Jahren erfolgreiches Konjunkturpro-gramm darstelle. Schließlich blieben dadurch häufig bis zu 90 Prozent der Aufträge in der jeweiligen Region, nicht selten sogar 70 Prozent in der betreffenden Stadt.

Daher habe man sich schon am 22. Juli auch mit einer Vielzahl von Ver-tretern der Städte, Gemeinden und Interessenverbände des Landes auf eine gemeinsame Erklärung gegen-über der Bundesregierung geeinigt. Die Erklärung fordert unter anderem die „Einhaltung der Mittelzusagen des Solidarpaktes bis 2019“.

Spatenstich Busbahnhof

Greifswald gräbt um

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Passend zum Europäischen Jahr gegen Armut und Ausgrenzung besuchte die Landesministerin für Soziales und Gesundheit, Manu-ela Schwesig, am 05. August das Begegnungs- und Kommunikations-zentrum „Schwalbe” in Greifswald. Unter einem Dach vereint dieses verschiedene Träger sozialer Arbeit, so beispielsweise die Initiative für sozialpädagogische und soziokultu-relle Arbeit (ISSA e. V.), die Volkssoli-darität Greifswald-Ostvorpommern und die Familien- und Jugendhilfe Junghans.

Im Beisein des Oberbürgermeisters der Hansestadt, Dr. König, führte Jugendamtsleiter Scheer durch die einzelnen Räume. In diesem Rah-men stellten Vertreter der Initiativen die Arbeit ihre Einrichtungen vor.

Die Einrichtung versteht sich als Forum für den gesamten Stadtteil Schönwalde II. So beherbergt die „Schwalbe” eine Kindertagesgruppe, einen Proberaum für Musikgruppen und ein Café. Besonderer Wert wird gezielt auf den generationenüber-greifenden Aspekt gelegt.

Im Vordergrund steht außerdem die Unterstützung sozial schwacher Familien, weshalb von Anfang eine enge Zusammenarbeit mit dem Jugendamt bestand. Das Ineinan-dergreifen der unterschiedlichen jeweils zuständigen Stellen sorgt dabei für eine bedarfsgerechte Bear-beitung der individuellen Probleme. So möchte man mit den jeweils geeignetsten Mitteln frühzeitig De-fizite erkennen und ausgleichende Hilfestellungen anbieten.

Ministerin Schwesig auf Sommertour

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Zehn Jahre ist es her, dass die „Gemeinsame Erklärung über die grenzüberschreitende Zusam-menarbeit zwischen dem Land Mecklenburg-Vorpommern und der Wojewodschaft Westpommern“ in Greifswald unterzeichnet wurde. Dieses Jubiläum nahm Ministerprä-sident Erwin Sellering zum Anlass, sich gemeinsam mit hochrangigen polnischen Politikern, darunter Wladyslaw Husejko, Marschall der Wojewodschaft Westpommern, und Marcin Zydorowicz, Wojewode von Westpommern, über den Stand der Zusammenarbeit zu informieren. Gleichzeitig wurde im Rahmen dieses Treffens am 20. August in der Aula der Universität Greifswald feierlich die Städtepartnerschaft zwischen Szczecin und Greifswald besiegelt.

In ihren Grußadressen wiesen Marschall Husejko und Ministerprä-sident Sellering darauf hin, dass die Basis für die erfolgreiche Zusam-menarbeit sehr viel weiter zurück reiche als zehn Jahre. Das Vertrauen der Partner sei in dieser Zeit ge-wachsen, das gemeinsame, grenz-überschreitende Handeln in vielen

Bereichen wie etwa Forschung, Kul-tur und Bildung selbstverständlich, aus Partnern Freunde geworden.

In seiner Ansprache anlässlich der Unterzeichnung der Partnerschafts-urkunde zeigte sich Greifswalds Oberbürgermeister Dr. Arthur König dankbar dafür, dass die Initiative für die Partnerschaft von Szczecin ergriffen wurde. Der Stadtpräsident Szczecins, Piotr Krystek, verwies darauf, dass Greifswald für seine Stadt ein naheliegender Partner sei, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der langen, guten und erfolgreichen Zusammenarbeit. Es gelte nun, ge-meinsam Strategien zu entwickeln, um die Wirkung der Region auch nach außen hin zu verstärken.

Nach der Unterzeichnung über-reichten die polnischen Gäste die handgearbeitete Nachbildung einer Wikingertracht, die von Mitgliedern des Zentrums für die Geschichte der Slawen und Wikinger in Wollin angefertigt wurde. Eine besondere Auszeichnung für seinen jahrzehn-telangen Einsatz zur gemeinsamen Sicherung historischer Dokumente und Archivalien erfuhr Dr. Martin

Schöbel. Der Direktor des Landes-archivs Greifswalds wurde mit der Verleihung des Abzeichens des Pommerschen Greifs geehrt.

Während des Treffens wurden auch mehrere Firmen und Forschungs-einrichtungen besucht. Dazu ge-hörte das Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems, das Max-Planck-Institut für Plasmaphysik und nicht zuletzt das Technologiezentrum Vorpommern. Der Präsident des FLI, Prof. Dr. Dr. hc. Mettenleiter, informierte über die hundertjährige Geschichte sowie die aktuelle For-schungstätigkeit des Instituts, das seit Jahren eng mit verschiedenen polnischen Forschungseinrichtun-gen und Universitäten zusammen-arbeitet. Danach unternahm die De-legation einen Rundgang durch die Neubauten. Besonders beeindruckt zeigten sich Marschall Husejko und seine Begleiter vom hohen Niveau der grenzüberschreitenden Zusam-menarbeit. Besonders hervorgeho-ben wurde dabei auch die Koopera-tion mit anderen Universitäten wie etwa Gdansk, Łodz und Szczecin, aus denen regelmäßig Praktikanten und Doktoranden einen Teil ihrer Ausbildung im FLI absolvieren.

Im Technologiezentrum Vorpom-mern, vor dem Ministerpräsident Sellering in einem wasserstoff-betriebenen Fahrzeug vorfuhr, präsentierte Geschäftsführer Mario Kokowsky die Ergebnisse eines Workshops mit Teilnehmern aus der Ostseeregion. Als konkretes Ergebnis wurde eine Kooperations-vereinbarung unterzeichnet, die für eine engere Vernetzung verschie-dener Projekte sorgen wird. In einer kurzen, emotionalen Erinnerung erinnerte sich Marschall Husejko an die ersten Kontakte, vor allem mit dem TZV und Mario Kokowsky. Von Anbeginn sei die Zusammenarbeit auch durch persönliche Freund-schaft und Vertrauen geprägt gewesen.

Gemeinsam in die Zukunft

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Im Max-Planck-Institut wurden neben Themen der Plasmaphysik auch gemeinsame Projekte in der Euroregion Pomerania erörtert und Effekte der Kooperation zwischen Greifswald und Szczecin bespro-chen. In einer anschließenden Pressekonferenz betonten sowohl Ministerpräsident Sellering als auch Marschall Husejko, dass eines der wichtigsten Ziele der Zusammen-arbeit sein müsse, gemeinsam die Wettbewerbsfähigkeit der Region in Europa und darüber hinaus zu stärken. Auch wenn es gelte, am Abbau bürokratischer Hindernisse zu arbeiten, sei der Grundstein für eine positive Entwicklung gelegt.

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Zum bereits zwölften. Mal veranstaltet der Fremdenver-kehrsverein am 11. September 2010 den „Greifswalder Tisch”. Gleich in zweifacher Hinsicht kommt es allerdings zu einer Premiere. Einerseits gastiert die Veranstaltung zum ersten Mal in der neuen Stadthalle. Andererseits gehören erstmalig auch Greifswalder Bürger zu den Gela-denen. Erneut dabei sind zahlreiche Gäste aus Politik und Wirschaft, so dass ausreichend Möglichkeit zu interessan-ten Gesprächen besteht.

Für einen Gesamtpreis von 39,00 Euro werden ab 19.30 Uhr (Einlass ab 19 Uhr) über den gesamten Abend Musik und Tanz geboten. Auch das reichhaltige vorpommersch-deftige Buffet ist darin inbegriffen. Exklusive sind ledig-lich die Getränke. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze ist allerdings begrenzt. Deswegen sollten sich alle Interessierten ab dem 23. August möglichst rasch in der Greifswald Information im Rathaus am Markt melden.

"Greifswalder Tisch” mit Premiere

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Vom 16. bis zum 18. August statte-te Max van den Berg, Kommissar der Königin der Niederlande in der Provinz Groningen, dem Land Meck-lenburg-Vorpommern einen Besuch ab. Jede der zwölf niederländischen Provinzen wird durch einen von der Königin für sechs Jahre ernannten Kommissar vertreten. Das Amt ist dem eines deutschen Regierungs-präsidenten vergleichbar. Organisa-tor des Besuchs war die Greifswal-der BioCon Valley GmbH.

Auf dem Programm standen vor allem Besichtigungen von Unter-nehmen und wissenschaftlichen Einrichtungen in Greifswald und Rostock, die auf den Feldern der

Gesundheitswirtschaft und Life Sci-ences tätig sind. So unter anderem das Biotechnikum, das Uniklinikum und das Leibniz-Institut für Plasma-forschung. Begleitet wurde Max van den Berg von einer neunköpfigen Wissenschaftlerdelegation aus den Niederlanden. Angestrebt werden Kooperationen zwischen Techno-logieunternehmen sowie zwischen den Medizinischen Fakultäten beider Länder. Zudem sollen Strate-gien zum Thema „Demografischer Wandel“ gemeinsam entwickelt und realisiert werden. Aufgrund vieler Ähnlichkeiten in ihren Strukturen stehen die Provinz Groningen und das Land Mecklenburg-Vorpom-mern vor ähnlichen Herausforde-

Besuch aus den Niederlanden

rungen. Gemeinsam mit seinen Be-gleitern bot der Besucher die Chance zu vielen Fachgesprächen.

Während des drei Tage dauernden Aufenthaltes wurden sehr viele The-menfelder – auch neue – besprochen, aus denen sich einzelne Kooperati-onen ergeben werden. Die Vertreter der Universitätskliniken von Rostock und Greifswald und das INP wurden von den Delegierten aus Groningen eingeladen, im Oktober an einem Kongress des Netzwerkes "Healthy Ageing“ teilzunehmen. Die geknüpf-ten Kontakte sind also auch für die Zukunft vielversprechend.

Die Neue Kompetenz

Sie sehen aus wie Marmor, Granit oder Schiefer und vermitteln jedem Raum eine Atmosphäre von be-sonderer Eleganz. Die neuen Keramikprogramme sind besonders robust und dank schmutzabweisen-der Ausrüstung auch pflegeleicht. Neue Maßstäbe setzt seit einiger Zeit die sogenann-te Slim-Keramik. Dabei handelt es sich um Fliesen mit einer Stärke zwischen 3 und 5 Millimetern. Bei diesen exklusiven Programmen gehen modernste Herstellungsverfahren eine harmonische Verbin-dung mit ästhetischen Ansprüchen ein und setzen so Maßstäbe im Bereich der Wohn- und Architek-turkeramik. Nicht nur im Bad kommt es darauf an, durch ein sorgfältig geplantes Zusammenspiel aller Elemente einen überzeugenden Gesamteindruck zu erzielen. Die neue Keramiktechnologie gestattet die Gestal-tung fugenfreier Duschen und Bäder. Dadurch sind Pflege und Reinigung besonders einfach. Dank ei-ner immer größer werdenden Vielfalt von Farb-, Form- und Strukturvarianten sind den Gestaltungs-möglichkeiten dabei kaum Grenzen gesetzt. Slim-Keramik gibt es in Größen ab 50 x 50 Zentime-tern bis hin zu Fliesen im Format von 1,2 mal 3 Me-tern. Sie kann auf vorhandene Fliesenspiegel eben-so wie auf die üblichen Untergründe aufgebracht werden. Besonders beim Einsatz von Großformaten ist ein Zuschnitt ab Werk möglich; ebenso können erforderliche Bohrungen bereits vor der Montage angebracht werden. Für besonders beanspruchte Untergründe, wie etwa im Fußbodenbereich, gibt es eine spezielle Variante mit einem Verstärkungsvlies auf der Rückseite. Ein weiterer Vorzug sind die dank großformatiger Fliesen kürzeren Montagezeiten. Voraussetzung für perfektes Gelingen sind sorgfäl-tige Planung und präzises Aufmaß, das durch einen Fachmann vorgenommen werden sollte. Ausführliche Beratung zu den neuen Keramikpro-grammen geben die freundlichen Fliesen-Fachbe-rater von Jacob Cement. Sie unterstützen bei der Auswahl aus den vielfältigen Programmen der Her-steller und geben Hilfestellung bei Gestaltung und Auswahl von einzelnen Komponenten. Ein Rund-gang durch die Ausstellung bei Jacob Cement gibt einen Überblick über die vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung mit moderner Keramik.

Geöffnet ist „Die Neue Kompetenz“ jeden Mon-tag bis Freitag von 7:00 Uhr bis 18:00 Uhr und Samstags von 7:30 Uhr bis 12:00 Uhr.

Edles aus Keramik:

Fliesen ohne Fugen

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Tolle 17. Barther

Segel- und Hafentage

Bei den diesjährigen 17. Barther Segel- und Hafentagen ging es in der Stadt mit dem mittelalterlich geprägten Ambiente wieder hoch her. Vier Tage lang stand der Bereich um den malerischen Barther Hafen im Mittelpunkt des Interesses. Bestes Promenadenwetter, nicht zu heiß, nicht zu nass, sorgte für zahl-reiche Besucher. Dementsprechend zufrieden können die Mitglieder des Vereins Barthmaritim e.V. um ihre erste Vorsitzende Birgit Ehlers sein. Ihnen war es gelungen, ein umfangreiches Programm zu orga-nisieren, das kaum einen Wunsch der Besucher unerfüllt ließ. Tradi-tionssegler luden zu Rundfahrten ein, kleine Seebären erprobten sich in einer Opti-Regatta; dazu jede Menge kulinarische und musika-lische Genüsse.t Den engagierten Veranstaltern darf attestiert werden, eine rundum gelungene Veranstal-tung organisiert zu haben. Einer der sportlichen Höhepunkte war sicher das Beach-Handballspiel zwischen dem HC Empor Rostock und dem SV Motor Barth. Besondere Aufmerksamkeit bei vielen Besuchern fand auch der Kunsthandwerkermarkt, der vielfäl-tigstes Kunsthandwerk auf hohem Niveau zu bieten hatte. Ganz sicher fand von hier aus das eine oder an-dere mit Liebe ausgewählte Souve-nir seinen Weg zu neuen Besitzern.

Fazit: wer nicht in Barth war, hat ganz sicher etwas versäumt.

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Die Körperertüchtigung ist in Mecklenburg-Vorpommern fest als Kulturgut verankert. Das beweisen nicht zuletzt die statistischen Erhebungen des Landessportbundes. Dieser registrierte im Geschäfts-jahr 2009 insgesamt rund 230.000 im Vereinssport orga-nisierte Menschen, was einem Anteil von fast 14 Prozent ent-spricht. Mitnichten ist davon die überwiegende Mehrheit bei den Fußballclubs beheimatet. Statt-dessen stehen auch vermeint-liche Randsportarten wie Golf, Turnen aber auch der Hochschul-sport unter den Top 20. Das Gros der Vereine ist freilich nichtsdes-totrotz einspartig, bietet also nur eine Sportart an.

Tendenziell steigen die Mitglie-derzahlen in M-V. Doch das war nicht immer und nicht in jeder Disziplin so. Vor allem in der DDR nahm der Leistungssport zum Zwecke der internationalen Profilierung einen gehobenen Stellenwert ein. Damit ging notwendig eine Verdrängung anderer interessanter Sportarten einher. Daher stellen wir in dieser Ausgabe die Fragen: Welche Sportarten gab es nicht oder nur in geringem Umfang in der DDR? Warum setzten sich Trendsport-arten, die in der zweiten Hälfte des 20. Jhs. entwickelt wurden, in der DDR nicht durch? Und letztlich: wie war das Verhältnis zwischen politischer Führung und Randsportlern?

Auch wenn die hier gegebe-nen Antworten darauf lediglich sporthistorische Streiflichter sein mögen, so machen sie doch deutlich, dass auch Vorpommern stets ein Refugium für wenig wahrgenommene, aber span-nende Sportarten war. So gab es auf Usedom den ersten groß angelegten, allerdings nur halb-legalen Trainingslehrgang für Karate. Der Flugsport mit Heiß-luftballons – in der DDR ebenfalls nur eingeschränkt möglich – erfuhr auch erst nach der Wende einen Aufstieg. Die derzeitige Entwicklung des Sports in M-V zeigt steigende Mitgliederzah-len, schließlich wuchs der Orga-nisationgrad kontinuierlich von anfangs 7,7 Prozent.

Vorpommern Aktiv

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Streiflichter jenseits des Leis-tungssports der DDR. Spä-testens die separate Teilnahme beider deutscher Staaten an den olympischen Sommerspielen 1968 in México brachte eine eigenständige Entwicklung des ostzonalen Sports. Die Funktio-näre des bundesdeutschen NOK fielen aus allen Wolken, als ihre Athleten weit unter der Leis-tungsfähigkeit der DDR-Sportler blieben. Gehörigen Anteil daran dürfte auch die Geheimhaltung neuer sportwissenschaftlicher Erkenntnisse in der DDR gehabt haben. Seit 1963 wurden die-se nur noch in einem internen Fachblatt publiziert und hatten damit de facto den Status einer vertraulichen Verschlusssache.

Der Kampf um Anerkennung ihres vermeintlich überlegenen Staats- und Gesellschaftsmodells veranlasste die Verantwortlichen der DDR-Führung zu einem zugegebenermaßen beeindru-ckend effektiven System der Nachwuchsgewinnung. Jedoch galt die generalstabsmäßige För-derung bloß solchen Sportarten,

die auch olympisch waren und den Medaillenspiegel anheben konnten. Schließlich war es auf internationaler Ebene nur so möglich, die Vervollkommnung des Menschen durch den Sozia-lismus zu suggerieren. Andere, nicht notwendig massensport-taugliche oder „subversive” Dis-ziplinen hatten es im Vergleich dazu schwerer.

Golf als Marginalie

Beispielsweise wurde der Golfsport schlicht ignoriert. Erich Honecker soll dereinst – ange-sprochen auf den möglichen Bau einer Golfanlage – gesagt haben: „Lassen sie mich mit diesem bourgeoisen Blödsinn in Ruhe.” Es mangelte Liebhabern dieses Sports also einerseits an Gele-genheiten. Nur in der damaligen ČSSR konnten sie auf annehmba-ren Plätzen spielen. Viele hatten daher lediglich im Urlaub die Möglichkeit zum Golfen. Einige von ihnen erspielten sich sogar ein Handicap auf den tschecho-slowakischen Plätzen. Dazu gesellte sich allerdings

ein materieller Mangel, da in der DDR weder Golfbälle noch -schläger hergestellt wurden. DDR-weit gab es laut Statistik des Deutschen Golf Verbandes aus dem Jahre 1992 offiziell nur 94 mehr oder weniger aktive An-hänger des „kapitalistisch-feuda-listischen Relikts”. Dabei war Golf vor dem 2. Weltkrieg auch im Osten Deutschlands eine belieb-te Sportart. Jedoch wurden die Anlagen nach der Gründung der DDR zu Gunsten medaillenträch-tiger Sportarten – beispielsweise Skisport oder Leichtathletik – vernachlässigt, dem Verfall preis-gegeben oder zweckentfremdet. Anscheinend aus ideologischen Gründen sperrte man sich vehe-ment gegen einen Sport, der die so dringend benötigten Devisen hätte bringen können.

Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik verbesserte sich die desolate Lage erheblich. Schon vor dem Mauerfall hatte sich 1989 eine erste allgemeine Sportgruppe gebildet. Etwa von April bis Oktober 1990 bestand sogar ein Golfverband der DDR, der eine eigene Nationalmann-schaft international antreten ließ. Schon nach kurzer Zeit ging er jedoch im Deutschen Golf Verband (DGV) auf, um im Osten Deutschlands eine intensive Restitution des Golfsports zu ermöglichen. Dieser Tage gehö-ren einige der Anlagen in den Flächenländern Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern zu den deutschlandweit größten und bekanntesten.Doch nicht nur Golf, auch andere Sportarten hatten es schwer, sich durchzusetzen. Beispiels-weise fristete der Flugsport mit Hängegleitern ein Dasein in der faktischen Nichtbeachtung.

"Jeder Mann an jedem Ort – in der Woche einmal Sport“

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Anfangs galt er als reiner Hob-bysport, jedoch diente er weder der direkten Wehrertüchtigung noch der Steigerung der Repu-tation des Regimes im Ausland. Seit 1980 war er sogar verboten, da die Fluchtgefahr doch allzu offensichtlich war. Spektakuläre Fluchten hatten bei der politi-schen Führung längst die Angst davor verstärkt, dass DDR-Bürger auf dem Luftwege das Land ver-lassen könnten. Ähnlich verhielt es sich mit dem Ballonsport, der das gesamte staatliche Hand-lungsrepertoire von Nichtbe-achtung bis Repression auf sich vereinte.

Einzig im Rahmen der Gesell-schaft für Sport und Technik (GST) war es legal möglich, Flug-sport zu betreiben. Die Organisa-tion, die Jugendliche frühzeitig militarisieren und politisieren sollte, bot Gelegenheit, Segel- und Motorflieger zu besteigen. Auch das Fallschirmspringen war über die GST möglich. Ursache dessen war die Eignung für den Wehrsport. Ähnlich war auch das Schießen sehr wohl wehr-sporttauglich. Schützenvereine – vergleichbar mit den heutigen – gab es trotzdem nicht. Waffen in den Händen von Bürgern sollten wenigstens staatlich kontrollier-bar sein.

Obgleich der Sport in der DDR stark politisiert wurde, ist es verfehlt zu glauben, er sei in glei-chem Maße politisch gewesen.

Im Vordergrund stand bei der Mehrzahl der Athleten und Trai-ner nicht der politische, sondern der sportliche Aspekt. Daher verwundert es auch kaum, dass in einem anderen Komplex von „Randsportarten” – nämlich der Schwerathletik – triviale Proble-me eine einwandfreie Ausübung vorerst erschwerten. Leipzig und Ostberlin waren vor dem 2. Weltkrieg durchaus als Hoch-burgen des Gewichthebens zu bezeichnen. Allerdings belegen historische Aufzeichnungen noch im Jahre 1961 einen offenbaren Mangel an geeig-netem Trainingsgerät, so etwa an Scheibenhanteln. Mitunter verhinderte das zu Beginn sogar die Gründung entsprechender Sportabteilungen. Politisch je-denfalls stand der Schwerathle-tik nichts im Wege, war es doch erklärtes Ziel, sie zum Volkssport zu machen.

Westlich degenerierter Sport

Mehr noch: ab 1949 war das Ringen deutschlandweit wieder erlaubt, nachdem es anfangs seiner vermeintlich paramili-tärischen Eigenheiten wegen verboten war. Unter anderen waren die Funktionäre des Boxsports explizit angehalten, innerdeutsche Sportbeziehun-gen zu pflegen. Ausdruck dessen sind zahlreiche Länderver-gleichskämpfe mit dem Ziel der Wiedervereinigung – das war 1953. Nur waren es verbände-

übergreifende Differenzen, die diesem Vorhaben zu schaffen machten. Der 1949 gegründete Deutsche Athleten Bund (DAB) organisierte zwar bis ununter-brochen 1954 gesamtdeutsche Meisterschaften der Schwerath-letik. Doch die einzelnen Fach-sektionen erreichten sukzessive eine Aufnahme in die jeweiligen Weltverbände, so dass die Rolle des DAB marginalisiert, wenn nicht gar komplett neutralisiert wurde.

Trotz aller interner Konflikte avancierte die Schwerathletik zu einer erfolgreichen, wenn auch am Rande stehenden Sport-art in der DDR. Als vorteilhaft erwies sich letztlich der gezielte Aufbau von Nachwuchskräften. Insbesondere im Leistungssport zeitigte das jedoch erst in den 1970er Jahren Erfolge. Parado-xerweise rekrutierten sich die wenig beachteten Gewichthe-ber auch aus den Reihen der Kulturistik. Diese dem bun-desdeutschen Bodybuilding vergleichbare Sportart wurde weder politisch noch finanziell gefördert, ja sogar als westlich degeneriert misstrauisch be-äugt. Doch genoss sie weit mehr Popularität, weshalb sie trotz ideologischer Bedenken in den Gewichtheberverband integriert war.

Eine ähnlich ambivalente öf-fentliche Wahrnehmung ist dem schwerathletischen Berufssport

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beizumessen. Berufsboxen und Berufsringen konnten die Massen unverändert begeistern, wurden sie doch – anders als die entspre-chenden Amateursparten – nach dem Weltkrieg nicht verboten. Auch die sportliche Qualität war nach wie vor hoch. Indes witterte die politische Führung gerade im professionell ausgeübten Ringen eine lediglich auf das Spektakel und den Showeffekt bedachte Amerikanisierung. Im Bereich des Berufsboxens standen stetig sinkende Mitgliederzahlen der eigentlichen Beliebtheit dieses Sports diametral entgegen. Erheblichen Einfluss hatten mit Sicherheit die Bestrebungen des Regimes, die Profis zu reamateu-risieren.

Ähnlich unpolitisch, aber politi-siert wie Golf waren Trendsport-arten. Je unterschiedliche Grün-de behinderten einerseits ihre Entwicklung und rückten sie andererseits – vielleicht auch ge-rade deshalb – in den Fokus des

Interesses vieler Freizeitsportler. Als beispielsweise in den frühen 1970er Jahren das Windsur-fen aus den USA nach Europa gelangte, wurde man selbstver-ständlich auch in der DDR darauf aufmerksam. Hier verpasste man dem Sport mit „Brettsegeln” nicht nur einen anderen Namen. Auch die Resonanz war anfangs verhalten. Daher überwogen vorerst Eigenbauten, die meist aufgrund nur geringer Fach-kenntnisse technisch völlig ungeeignet waren.

„Hang loose“ in der DDR

Dass ab 1976 auch industriell hergestellte Bretter auf den Markt kamen, ist der Plan-wirtschaft und einem enthu-siastischen Hobbybrettsegler zu verdanken. Dieser war der Sohn des Produktionsdirektors des VEB Waggonbau Ammen-dorf bei Halle und überzeugte seinen Vater davon, das staat-lich angeordnete 5-prozentige Sollkontingent an Konsumgü-tern in Form der Produktion von Segelbrettern zu erfüllen. Damit hatte die mehr oder weniger massenhafte Fertigung des Sportgerätes begonnen und bis 1977 „konkurrierten” die Modelle Yptron und Delta, wenngleich sich das Yptron als insgesamt unausgereifter erwies und dem Delta Platz machte. Parallel behielten die Eigenbauten eine große Bedeutung und waren bei Regatten sogar erfolgreicher.

Die sportpolitische Wahrneh-mung des Brettsegelns war indes von Beginn an äußerst positiv. Schon 1975 gelang eine feste Einbindung in den Bund Deutscher Segler (BDS). Damit war zwar der Grundstein für den Wettkampfsport gelegt, was eine verbesserte Nachwuchs-werbung grundsätzlich ermög-lichte. Eine eigenständige Sek-tion wurde den Athleten aber

nicht eingeräumt. Stattdessen wurden sie vom Deutschen Turn- und Sportbund (DTSB) – dem zentralen Sportorgan der DDR – dem herkömmlichen Segelsport zugeschlagen. Dadurch und auch die Tatsache, dass diejenigen Brettsegler, die der Wasserskisek-tion des Motorsportverbandes angehörten, zwangsweise zum BDS wechseln sollten, kam es zu nicht unerheblichen internen Spannungen.

Erschwerend kam das Selbstver-ständnis vieler Brettsegler hinzu. Diese orientierten sich offen am lockeren US-amerikanischen Stil der Surfer und distanzierten sich eher von den regelorientierten Sportstrukturen, was ihnen für eine lange Zeit wenig Sympathi-en bei den traditionellen Seglern einbrachte. Verständlicherweise hatte das nachhaltigen Einfluss auch auf den Übungs-, Trai-nings- und Wettkampfbetrieb. Die sportliche Führung sah sich Mitte der 1980er sogar genötigt, ein korrektives Motto auszuge-ben: „Brettsegeln – ein Sport der individuelles Können, aber nicht unbedingt Individualisten ver-langt.” Denn gerade die Fun- und Freizeitsportler konnte der BDS nicht in ausreichendem Maße für den organisierten Sport begeis-tern.

Entsprechend entwickelte sich die Zahl der nichtorganisierten Surfer rasant, während die der organisierten ab 1986 nahezu stagnierte. Von 1979 bis 1989 gab es in jedem Jahr annähernd konstant sechsmal so viele nicht-organisierte wie organisierte Brettsegler. Im Rahmen der poli-tischen Umwälzungen der Jahre 1989/90 bildete sich ein Verband Deutscher Surfer der DDR (VDS), der frühzeitig Kontakt zu sei-nem westdeutschen Pendant aufnahm. Da dieser sich jedoch zurückhaltend gab, was eine bal-dige Fusion betraf, löste man sich

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schnell von dieser Vorstellung. Lediglich die organisierten Surfer des BDS schlossen sich 1991 dem Deutschen Segler-Verband (DSV) an.

Sport in der Halblegalität

Eine andere Modesportart – das Karate – war in gleicher Weise wie das Surfen auf einen enor-men Erfindungsreichtum ange-wiesen. Bis weit in die 1960er weitgehend unbekannt, nutzten Karateka alle denkbaren Lokali-täten, derer sie habhaft werden konnten – Abrisshäuser, Trocken-böden aber auch Seewiesen. Offiziell wurde der ausschließlich in Verbänden organisierte, das heißt auch von staatlicher Seite genehmigte Sport, bei der Hal-lennutzung bevorzugt, weshalb Karate anfänglich nur in eng begrenzten Zeiträumen an den Wochenenden betrieben werden konnte. Zudem musste man sich als Judo- oder Kaskadeurgruppe tarnen.

In perfider Manier diskreditierten einige DDR-Medien den Karate-sport, indem gezielt Ausschnitte von Turnieren mit teils schweren Verletzungen gezeigt wurden, ohne deutlich zu machen, dass diese nichts mit dem traditio-nellen Karate zu tun hatten. Der DTSB schreckte sogar nicht davor zurück, die gesamte Sportart zu kriminalisieren, indem Karate

1979 offiziell verboten wurde. Trotzdem wurde Karate, wenn auch selbstverständlich unter strenger Geheimhaltung, weiter betrieben.

1985 kam es gar zum ersten Budo-Lehrgang der DDR in Ahlbeck auf Usedom. Einem Missverständnis der zuständigen Stelle, die Budo offenbar mit Judo verwechselte, ist es zu ver-danken, dass die Veranstaltung unbehelligt durchgeführt wer-den konnte. Lediglich im Nach-hinein musste u. a. dem MfS ein Bericht erstattet werden. Dieser wurde mit dem Motto „Bereit zur Arbeit und Verteidigung der Heimat” maskiert, um kein unnötiges Aufsehen zu erregen. An einem zweiten Lehrgang nur einen Monat später nahmen sogar Angehörige der Volksma-rine teil.

Es entstand in der Folge eine ab-surd anmutende Situation, in der die örtlichen DTSB- und Partei-funktionäre nicht wagten, gegen die Karateka vorzugehen, da die-se bei öffentlichen Veranstaltun-gen unter den wohlwollenden Augen selbst des MfS populäre Darbietungen ablieferten. Auf überregionaler Ebene aller-dings mussten die Sportler sehr wohl Repression fürchten. Eine oftmals wenigstens angedrohte Sanktionsmaßnahme war der Ausschluss wahlweise aus der

SED. Doch auch Angehörige der zuständigen Dienststellen lan-cierten hin und wieder inoffiziell eine drohende Maßnahme, nicht ohne ihre heimliche Sympathie zu bekunden.

Insbesondere mit Rand- und Modesportarten ging der DTSB in der Gesamtbetrachtung also ambivalent um. Zu dilemma-tisch war wohl die Situation, der ideologisch gesteuerten „Rein-erhaltung” des sozialistischen Sportes und dem Anspruch der Förderung eines breiten, mög-lichst die gesamte Gesellschaft umfassenden Sportangebotes gleichermaßen gerecht zu werden. Deswegen bot sich immer wieder die Möglichkeit der Entwicklung von Nischen, die eine beeindruckende Vielfalt sportlicher Betätigungsfelder hervorbrachten. Dass die poli-tische Führung die Ausübung keiner der Sportarten gänzlich unterbinden konnte, ist fraglos auch ein Verdienst der teils unter hohem persönlichen Risiko en-gagierten Menschen.

Text: (hed)

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L&L im Gespräch mit Peer Wittig vom Mecklenburg-Brandenburgi-schen Ballonsportverein e. V.

L&L: Herr Wittig, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben. Ist Ihr Ballonsportverein in einem größeren Verband organisiert?

Wittig: Nein, nicht direkt. Wir sind zwar im Deutschen Aero Club (DAeC) organisiert, aber nur indirekt über den Deutschen Freibal-lonsportverband (DFSV). Das ist die Kopforganisation für den gesamten Ballonsport in Deutschland. Außer-dem sind wir im Förderverein Otto Lilienthal Anklam. Zusammen mit anderen Flugsportvereinen sind wir vor Ort diejenigen, die die Fahne hochhalten, was Lilienthal betrifft. Wir haben hier auf dem Flugplatz ei-nen ausrangierten Ballon in unserer Halle; der kann auch gerne besich-tigt werden.

L&L: Wieviele Mitglieder hat ihr Verein?

Wittig: Derzeit haben wir 26 Mitglieder und zwei Gasballone. Einer davon ist permanent hier, der andere pendelt sozusagen immer

zwischen den Mitgliedern, die nicht in der Region wohnen.

L&L: Das heißt, Sie betreiben einen nur kleinen Verein. Werden Sie denn vom Landessportbund gefördert?

Wittig: Leider erhalten wir keine Fördergelder des LSB. Ich denke, dazu sind wir zu klein. Ballonsport scheint mir – selbst im Vergleich zu anderen Flugsportarten – eine zu spezielle Nische zu besetzen. Deutschlandweit gibt es zwischen zwei- und dreitausend Ballonfah-rer, aber zigtausend Segelflieger. Zudem sind die Ballonfahrer sehr unterschiedlich verteilt. Die meisten gibt es in Nordrhein-Westfalen und Bayern, während die Ballonfahrer im Osten Deutschlands, vor allem hier in der Region, sehr rar gesät sind.

L&L: Woran liegt das nach ihrem Eindruck?

Wittig: Einerseits ganz klar an den Kosten, denn Flugsport ist recht teuer. Andererseits wurde der Ballonsport in den vergangenen Jahren stark kommerzialisiert. Es haben sich eine Reihe von Ballon-fahrtunternehmen gegründet, die

davon leben, Gäste zu befördern oder Werbeaktionen durchzufüh-ren. Zudem ist der Ballonsport sehr zeitaufwendig, weshalb man eine Menge Ausdauer mitbringen muss. Mir scheint, dass das genau das Ge-genteil von dem ist, was momentan gesellschaftlich vermittelt wird.

L&L: Außerdem hat der Sport einige Beschränkungen, die in der Natur der Sache liegen...

Wittig: Das stimmt. Wir sind durch-aus stark wetterabhängig. Der Ballon ist der Spielball des Windes und bewegt sich je nachdem, wie die Luftströmung ist. Das hat aber einen Vorteil: Sie haben keinen Gegenwind, da der Ballon auch Teil des Windes ist. Die Luftmassen müssen jedoch einigermaßen ruhig sein, was nur bei der richtigen Son-neneinstrahlung der Fall ist. Über den Tag nimmt der Wind bei gutem Wetter meist zu, so dass wir nur in den Morgen- und Abendstunden fahren können.

L&L: Bieten Sie auch kommerzielle Ballonfahrten an?

Wittig: Ja, wir nehmen auch Fahr-

Gasbetriebener Wagemut in Anklam

Vorpommern aus der Luft

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gäste mit. Irgendwie müssen wir den Verein, insbesondere die Ballone finanzieren. Allerdings betreiben wir das nicht im selben Umfang wie gewerbliche Veranstalter. Das widerspräche auch der Idee unseres Vereins. Letztlich wollen wir gerade in der Lilienthal-Stadt Anklam den Flugsport hochhalten und fördern. Daher leben wir auch vom Engage-ment unserer Mitglieder. Das ist wie in fast jedem Verein nicht immer ganz einfach. Trotzdem bieten wir kontinuierlich interessante Aktivitä-ten.

L&L: Zum Beispiel?

Wittig: Vor kurzem haben wir ein deutsch-polnisches Ballonmeeting in Szczecinek (Westpommern) mitor-ganisiert. Im nächsten Jahr soll das wieder stattfinden. Vielleicht schaf-fen wir es ja auch einmal, ein Bal-lontreffen hier im vorpommerschen Raum zu organisieren. Das letzte war

im Jahr 2000 die Greifenmontgolfi-ade anlässlich der 750-Jahrfeier der Stadt Greifswald mit etwa 25 Teams. Im Oktober wollen wir versuchen, mit unseren polnischen Partnern etwas zu unternehmen. Das wird wahrscheinlich so ablaufen, dass wir in Polen starten und dann hierher fahren.

L&L: Brauchen Sie dafür spezielle Genehmigungen?

Wittig: Nein. Wir geben nur einen Flugplan auf, der vermerkt, wie unsere Route verläuft. Wenn wir in Polen landen wollen, ist das aber ab und an etwas schwierig. Offenbar ist man da noch nicht so bekannt mit dem Ballonsport. Wir müssen z. B. den Landeort angeben, obwohl das im Grunde kaum möglich ist. Eigentlich kann man nur sagen, dass ein Ballon kommt, aber nicht wo der landen wird. Wenn die jeweilige Be-hörde auf der anderen Seite schon

einmal damit zu tun hatte, dann geht das. Wenn nicht, ist es immer etwas kompliziert, denen begreifbar zu machen, dass die Landeangaben nur unter Vorbehalt sind.

L&L: Wie finanzieren Sie diese öf-fentlichen Auftritte?

Wittig: Da suchen wir uns Sponso-ren. 2000 hatten wir logistisch güns-tig die Gasversorgung Vorpommern als Sponsor. Ein Teil der Ausgaben wird von an dem Tag mitfahrenden Gästen gedeckt. Wir müssen auch immer schauen, dass wir Dinge wie Kost und Logis der Ballonfahrer angemessen sicherstellen. Fehlende Sponsoren bedeuten leider meistens das Aus für interessante Ideen.

L&L: Was macht den besonderen Reiz des Ballonsports aus?

Wittig: Dass jede Fahrt anders und keine gleich ist. Vor allem weiß man

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nie genau, wohin es geht oder wie die Landung aussehen wird. Beson-ders reizvoll ist auch, dass man die Landschaft aus der ungewohnten Vogelperspektive in Höhen von 300 bis 800 Metern sieht. Außerdem können Sie beim Landeanflug auch schon einmal regelrechtes Konturen-fahren machen, das heißt mit dem Ballon gewissermaßen über eine Hecke „springen”. Die zurückgelegte Strecke ist auch immer unterschied-lich. Mal schaffen wir nur zwei, manchmal aber auch bis zu dreißig Kilometer pro Stunde. Das Schwierige ist eher die Frage, wie man mit dem Auto die teils kaum befahrbaren Landestellen erreicht.

L&L: Wie gefährlich ist die Landung wirklich?

Wittig: Es gibt in der Ballonfahrerei die Unterscheidung in sehr glatte, glatte und glückliche Landung. Bei einer sehr glatten setzt der Korb mehr oder weniger ruhig auf den Boden auf. Bei der glatten Landung kippt er durchaus schon einmal um, was mit ein paar Blessuren einher-gehen kann. Bei der glücklichen Landung kommt man zumindest lebend wieder an. In der Anfangszeit der Ballone wollte man daher auch Sträflinge in die Körbe setzen, weil man nicht wusste, ob das Fluggerät überhaupt wieder zur Erde gelangt. Nur das Auftreten einiger Adliger verhinderte das. Die waren der

Meinung, dass es nicht in die Ge-schichtsbücher eingehen könne, dass Sträflinge die ersten Menschen in der Luft waren.

L&L: Woraus sich in der Folge ein traditionelles Ritual entwickelte...

Wittig: Richtig. Es wurde Nichtadligen sogar gesetzlich verboten, mit dem Ballon zu fahren. Notfalls, wenn sich doch mal jemand „eingeschlichen” hatte, ließ man Gnade vor Recht erge-hen und adelte ihn kurzerhand nach der Landung. Es konnte ja nicht sein, dass jeder gemeine Bürger aus der Luft zu sehen bekam, was die Adligen unter Umständen an Anrüchigem so trieben. Die Ballonfahrertaufe, die in den Ballonadelsstand erhebt, hat sich in der Tat bis heute als Ritual erhalten – freilich ohne die damaligen tatsäch-lichen Vorzüge.

L&L: Das klingt, als sei die Ballonfah-rerei seinerzeit eine abenteuerliche Sache gewesen.

Wittig: Das war sie auch. Beispiels-weise ist 1897 ein Ballonfahrer vom 1. Preußischen Luftschiffer-Bataillon in Berlin-Tegel gestartet. Eigentlich sollte es eine Ausbildungsfahrt mit zwei Aspiranten werden. Weil abzuse-hen war, dass es sehr windig würde, hatte man alle wertvollen Instrumen-te vorsorglich am Boden gelassen. Der Ballon machte auch gleich nach dem Start ein enormes Tempo und ging nach nur 45 Minuten bei Anklam nieder. Die Ballonfahrer hatten zwar einen Anker ausgeworfen, aber bei dem brach ein Zinken ab, so dass er sich nicht verhakte. Bei der Landung stieß der Korb an mehrere größere Steine auf einem Acker, wurde durch eine Wasserlache gezogen und blieb dann in einem Baum hängen. Die Ballonfahrer wurden von der Bevölke-rung in eine nahe gelegene Wirt-schaft gebracht, mussten allerdings, weil ihre Kleidung von oben bis unten beschmutzt war, dritter Klasse nach Tegel zurückreisen.

L&L: Herr Wittig, vielen Dank für das Gespräch.

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Handball in Heringsdorf passé! So oder so ähnlich könnte es lauten, wenn die geplante Erhe-bung einer Hallennutzungsge-bühr wirklich umgesetzt würde. Grundlage dafür ist der Haus-haltserlass 2010 der Landesre-gierung, der auch die Usedomer Gemeinden mehr oder minder deutlich dazu auffordert, für einen ausgeglichenen Haushalt zu sorgen. Dafür sind fast überall Einsparungen notwendig. Was die Verantwortlichen auf Use-dom dazu bewogen haben mag, ausgerechnet im Sport- und Kulturbereich damit anzufangen, bleibt jedoch rätselhaft.

Nicht nur die Bibliothek in Heringsdorf, sondern auch der Sportverein HSV Insel Usedom ist davon betroffen. Ziel des Beschlusses ist es, für die Benut-zung der Pommernhalle eine Gebühr von rund 20.000 Euro pro Jahr zu erheben, um entste-hende Kosten zu decken. Dieser Betrag stünde allerdings nicht im

Verhältnis zu den tatsächlichen Aufwendungen, meint Thomas Heilmann. Der Vorsitzende des HSV weist darauf hin, dass die Halle auch für den Schulsport genutzt werde. Die Betriebskos-ten für Strom, Wasser und einen Hallenwart fielen also ohnehin an und der Zusatzanteil durch den Vereinssport sei gering.

Hinzu kommt, dass bereits vor Kurzem die Mitgliedsbeiträge des HSV erhöht wurden. In letzter Konsequenz würde die Gebühr sehr wahrscheinlich die Einstellung des Spielbetriebes einer Vielzahl der momentan 14 Mannschaften bedeuten. Daran kann niemand ein ernsthaftes Interesse haben, denn schließlich ist der HSV in allen Altersklassen gut aufgestellt und seit Jahren erfolgreich. Für den A- und B-Jugendbereich wurde ihm gar das Prädikat „Leistungsstütz-punkt” des Landes Mecklenburg-Vorpommern verliehen.

Auch wenn die 1. Männermann-schaft vor 1990 eine „Fahrstuhl-mannschaft” mit ständigen Auf- und direkt folgenden Abstiegen war, so hat sie sich in den ver-gangenen etwa zehn Jahren in der Regionalliga etabliert und schaffte sogar schon den Auf-stieg in die 2. Handballbundes-liga. In der Regionalliga Nordost wurde sie in der abgelaufenen Saison 2009/10 mit nur drei Nie-derlagen in dreißig Spielen Vize-meister und ließ selbst namhafte Mannschaften wie den THW Kiel II weit hinter sich.

Da sich der Verein auch in der Präventionsarbeit stark en-gagiert, stünde diese mit der Hallennutzungsgebühr zusätz-lich vor schwer lösbaren Aufga-

ben. Schon seit Jahren bemüht sich der HSV beispielsweise um gute Kontakte zur polnischen Seite. Ausdruck dessen ist ein deutsch-polnisches Projekt in der Jugendarbeit, das bereits zehn polnische Kinder erfolg-reich in den Verein integriert hat. Insbesondere der Handballsport ist demnach offensichtlich eine unverzichtbare und wirkungsvol-le Werbung für die Region.

Ihn in Bedrängnis zu bringen, erschwert nicht nur das Vereins-leben, sondern auch die durch ihn indirekt geförderten Struk-tureffekte. Gerade den rechts-extremen Kreisen würde in die Hände gespielt, beschnitte man den Vereinssport und überließe die Organisation von Freizeitan-geboten den Verfassungsfein-den, meint Heilmann. Usedom hat zwar wenig Probleme mit rechtsextremen Parteien, doch ist die Kameradschaftsszene im Gegensatz dazu gut vernetzt.

Angesichts der Gegenargumente sieht Heilmann die Vorlage daher als wenig durchsetzungsfähig. Er ist optimistisch, dass sie – auch eingedenk des breiten und umfangreichen Protests aller Betroffenen – bei der letztgülti-gen Beschlussfassung als unver-nünftig erkannt wird. Nach wie vor glaubt er, dass das Vorha-ben voreilig ersonnen wurde, ohne erkannt zu haben, was die naheliegenden Folgen wären. Die Aussichten für eine Fortfüh-rung des jahrelang erfolgreichen Handballsports in einer kosten-frei von der Gemeinde bereit-gestellten Pommernhalle sind deshalb durchaus gut.

HSV Insel Usedom in NotHallennutzungsgebühr

in der Kritik

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Mit einschüchterndem Gesichtsaus-druck, Vollbart und Bierkrug in der Hand empfängt der gefürchtetste Pirat seiner Zeit die Besucher des Sandskulpturen-Festivals imJasmar Resort Rügen: Klaus Störte-beker, der Schrecken aller Händler auf hoher See Ende des 14. Jahr-hunderts. Über mühsam schuftende Arbeiter im historischen Stralsund, handelnde Kaufmannsleute der Hanse, brutal geführte Seekriege in der Ostsee und Henker bei der Arbeit bietet die Veranstaltung eine sandige Reise durch die Geschichte der Piraten. Im Mittelpunkt steht der legen-denumwobene Seeräuber Störtebe-ker. Er war Anführer der Vitalienbrü-der, die ursprünglich die Versorgung der von Dänemark besetzten Stadt Stockholm sicherstellten, später aber den gesamten Handelsverkehr der Ost- und Nordsee unsicher machten. Die Sandskulpturen stel-len die wichtigsten Lebensstationen Störtebekers dar: Seine engsten Freunde und härtesten Widersacher, seine Heirat, Gefangennahme und Hinrichtung. Dabei zeichnen die Kunstwerke auch die Geschichte der Hanse sowie Mecklenburgs nach. Auf die Beine gestellt hat das Festival der Niederländer Thomas van den Dungen. Ursprünglich hat er musikalische und kulturelle Ver-anstaltungen organisiert. Nachdem van den Dungen einen Sandskulp-turen Wettbewerb besuchte, kamihm 1999 eine ähnliche Idee: „Bei meinen Veranstaltungen geht es aber nicht um Konkurrenz. Stattdes-sen arbeiten alle Künstler zusam-men“, erklärt er. Seitdem organisiert van den Dungen weltweit im Som-mer Sandskulpturen- und im WinterEisskulpturen-Festivals. Unter den Ausstellungsländern befinden sich neben Deutschland und den Nieder-

landen auch Australien und China.Dabei wurde der Veranstalter eher durch Zufall auf Rügen aufmerksam. „Eigentlich wollte ich die Skulpturen auf Sylt ausstellen lassen. Doch dort habe ich keinen geeigneten Ort gefunden,“ sagt er. Seine Mitarbeiter schlugen stattdessen Rügenvor. „Ich hatte noch nie von Rügen gehört und wusste gar nicht, was das ist“, gesteht van den Dungen. Schließlich informierte er sich, be-suchte die Insel und konntesich vor Angeboten kaum retten. „Alle wollten, dass ich bei ihnen die Veranstaltung organisiere, doch letztendlich habe ich mich für das

Berüchtigte Seeräuber und gruselige Totenköpfe

Das Sandskulpturen-Festival auf Rügen

Jasmar Resort entschieden“,erzählt er. Zum ersten Mal findet das Sandskulpturen-Festival größ-tenteils überdacht statt. Mit einer Fläche von 3.500 Quadratmetern handelt es sich um das weltweit größte Indoor-Event des Jahres. Hinzu kommen weitere 1.500 Qua-dratmeter im Freien. „Bei Platzre-gen oder Sturmwehen können die

Skulpturen leicht beschädigt wer-den, deshalb findet die Ausstellung diesmal in Zelten statt“, berichtet van den Dungen.Dabei war die Vorbereitungszeit knapp bemessen: Innerhalb von nur fünf Wochen wurden 8.000 Ton-nen Sand herbeigeschafft, über 80 Künstler aus aller Welt eingeflogen und die aufwendigen Skulpturen angefertigt. „Bei dem Sand handelt es nicht um normalen Strandsand, sondern um Spezialsand aus den Nieder-landen“, erklärt van den Dungen. „Dieser Sand weist eckige Körner auf und ähnelt der Form eines Wür-

fels. Er wird auch als ‚junger Sand’ oder ‚scharfer Sand’ bezeichnet und ist weniger stark abgeschliffen.“ Aus diesem Grund kann er gut aufei-nander gestapelt werden, sodass metergroße Skulpturen entstehen. Sandstrand dagegen besteht, bedingt durch die Gezeiten und die Bewegung der Wellen, aus runden Körnern. Deshalb kann er nicht so

Mit Liebe zum Detail: Stralsunder Szene

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gut wie der Spezialsand mit Wasser zusammengepresst werden – er würde schnell wieder auseinander bröckeln. Nachdem sich ein Entwurfsteam mit dem Thema „Störtebeker und andere Piraten“ auseinander setzte und erste Ideen für die Ausgestal-tung und Platzierung der Skulp-turen sammelte, machten sich die Künstler ans Werk: Aus großen Sandblöcken formten und schnitten sie kunstvolle Skulpturen. Grund-sätzlich wird von unten nach oben gearbeitet. „Dafür ist natürlich ein besonders gutes dreidimensionales Vorstellungsvermögen notwen-dig. Außerdem ist das Auge für die Proportionengefragt“, weiß van den Dungen. Schließlich muss sich der Künstler die Skulptur von Anfang an in voller Größe vorstellen können. Doch gestaltet sich die Arbeit mit den Schöpfern der Sandskulpturen nicht immer einfach: „Es sind nun Organisator van den Dungen

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mal Künstler. Sie haben ihren eige-nen Willen und niemand kann ihnen vorschreiben, wann sie Pausemachen oder etwas schaffen sollen.“ Dafür haben die Künstler ganze Arbeit geleistet. Sämtliche Figuren und Gebäude sind so detailverliebt dargestellt, dass selbst van den Dungen immer wieder etwas Neues entdeckt: „Hier ein bedeutungs-voller Gesichtsausdruck, dort eine vielsagende Geste. Es ist gar nicht möglich, alles auf einmal zu erfas-sen.“ Dass Deutschland als Land der Gesetze und Auflagen verschrien ist, kann der Niederländer nicht nach-vollziehen: „In England oder auch in Spanien sind die Vorlagen viel stren-ger. In diesen Ländern müssen wir weitaus mehr Aufwand betreiben als in Deutschland“, berichtet er. Mit Rügen als Veranstaltungsort ist erhochzufrieden: „Die Zusammen-arbeit mit Tourismusverband und

Behörden gestaltete sich als unkom-pliziert.“ Deshalb wird das Sandskulpturen-Festival im nächs-ten Jahr wieder auf Rügen stattfinden.

Überhaupt ist van den Dungen voll des Lobes für die größte Insel Deutschlands: „Das Besondere an Rügen ist die Kombination von Natur und Landwirtschaft. So etwas gibt es bei uns nicht.“ Auch von den vielfältigen Freizeitmöglichkeiten, wie Schwimmen oder Wandern zeigt er sich begeistert. SeineLieblingsorte sind Binz und Kap Ar-kona. Einen Verbesserungsvorschlag hat van den Dungen auch noch parat: „Die Insel hat viel zu bieten und ich bin sicher, dass vieleNiederländer kommen würden. Doch leider kennt Rügen bei uns kaum einer. Es sollte viel mehr Wer-bung gemacht werden.“Die Skulpturen können noch bis

zum 26. September bestaunt wer-den. Dann wird der Sand einge-lagert und im nächsten Jahr von neuem zum Leben erweckt. Weitere Informationen zum Sandskulpturen-Festival unter: www.sandfest.de

Störtebekers Heirat

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hat sich in diesem Sommer neu ge-gründet mit Hauptsitz in der Spiegels-dorfer Wende Haus 3 in Greifswald (beim Ordnungsamt). Natürlich gibt es auch eine neue Rufnummer, sie lautet 03834 – 43300-0. Das Team der OT aktiv freut sich auf Ihren Besuch in den neu errichteten innovativen Räumlichkeiten. Erleben Sie das trans-parente Raumkonzept „Werkstatt zum Anfassen“. Das Team setzt sich aus Mitarbeitern mit langjähriger Berufs-erfahrung in den Bereichen Orthopä-dietechnik, Orthopädieschuhtechnik, Rehatechnik, Sanitätsfachhandel und Homecare zusammen, so z. B. aus dem Orthopädieschuhmachermeister Steffen Dittmann, dem Orthopädie-technikmeister Thomas Ihle, Thomas Kaliebe in der Rehatechnik oder Schwester Kerstin.Vielen Kunden werden die rund 35 Fachkräfte aus ihrer Tätigkeit bereits vertraut sein.

Die Orthopädie – Technik – Service aktiv GmbH

M. Reimer, H. Grat, R. Frank, B. Gaede, O. FichterSchw. Kerstin, M. Schönfeld, G. Hönke, T. Kasimir, A. Vierk, H. Bugenhagen, D. Tornow, S. Dittmann, Y. MeierT. Krug, N. Schilling, T. Kaliebe, C. Pfahl, R. Sibilski, Th. Ikle

Ausstellung „Die Geburt der Romantik“ - Sonderöffnung am 27. August von 21 Uhr bis Mitter-nacht im Pommerschen Landemu-seumvgi/pr Am 27. August ist es soweit! Die großen pommerschen Roman-

tiker sind nach zirka 200 Jahren wieder in Greifswald vereint. Das Pommersche Landesmuseum zeigt eine einzigartige Schau ausgewähl-ter Werke. Nach der offiziellen Eröff-nung und dem Empfang des Innen-stadtvereins bietet sich von 21 Uhr bis Mitternacht für die Öffentlichkeit bei ermäßigtem Eintritt (6 Euro) die einmalige Gelegenheit, die Werke Caspar David Friedrichs, Philipp Otto Runges und Friedrich August von Klinkowströms schon vor dem offiziellen Beginn zu betrachten. An diesem Abend wird das Museum in ein buntes Farben- und Klang-meer getaucht. Die Ausstellung ist vom 28.08. bis zum 21.11.2010 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der Innenstadtverein unterstützt die Ausstellung „Die Geburt der Romantik“ als Kooperati-onspartner.

Licht- und Klangmalerei zum Auftakt

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Die Gastspielreisen nach Japan werden für das Philharmoni-sche Orchester des Theaters Vorpommern langsam zu einer Tradition. Nachdem es bereits im Mai 2006 und im Oktober 2008 die japanische Öffentlichkeit vorwiegend mit der Darbietung von Werken klassischer deutscher Kom-ponisten begeisterte, traf es auch in diesem Jahre auf reges Interesse. Seltsamerweise sucht man in der lokalen Tagespresse jedoch vergeblich nach Berich-ten darüber. Generalmusikdirektor Karl Prokopetz meint, dass es sich bei der Tournee um eine gute Werbung auch für die Region handele, selbst wenn die Spiel-orte dieses Mal „nur” in und um Tokio lagen. Zu der Idee kam es über zwei Personen. Einerseits sei die Solistin Ingrid Fuzjko Hemming in Japan eine weithin bekannte Klavierspie-lerin. Dort würde sie sogar auf der Straße erkannt, obgleich in der Metropolregion Tokio über 40 Millionen Menschen leben. Andererseits habe ein Mitglied des Orchesters, Masashi Ishida, gute Kontakte nach Japan. So sei es gelungen, eine Einladung des Konzertveranstalters zu bekommen. Finanziert wurde die Reise von eben diesem. Es handel-te sich also um ein normales Gagenengagement. Auf Kosten des Theaters hätte man ohne-hin aufgrund der angespannten Situation nicht reisen können und wollen, zumal rund 70 Rei-sende durchaus höhere als die gewöhnlichen Aufwendungen bedeuten. Einige der Musiker – auch das ist völlig üblich – seien Aushilfen bzw. Verstärkungen für das Ensemble gewesen. Er selbst, so Prokopetz, habe zwei Tage vor der Japantournee

noch das in Malmø gastierende Sängerensemble des Theaters bei der Premierenaufführung des „Rosenkavaliers” dirigiert.

Große Säle, viele Hörer

Auch wenn Auslandsreisen durchaus normal sind, sei gerade die nach Japan selbstverständ-lich etwas Besonderes gewesen. Immerhin hätte man in richtig großen Sälen mit teils über 2000 Plätzen gespielt. Das sei schon sehr beeindruckend, da allein die herausragende Akustik der Häu-ser eine große Herausforderung darstelle. Vor allem stünde man vor der Aufgabe, sich stets auf eine neue Umgebung einzustel-len. Das sei immer wieder span-nend und würde nie zur Routine, meint der Generalmusikdirektor. Teil dieser Herausforderung sei es auch, dass Musik letztlich – ähnlich wie eine Fotografie – nur eine Momentaufnahme sei, die ausschließlich zu einem einzigen Zeitpunkt in ausschließlich einer einzigen, spezifischen Konstel-lation Gültigkeit beanspruchen könne. Eine Aufführung exakt zu wiederholen, sei daher im Grunde völlig unmöglich. Jedes Konzert sei gewissermaßen ein eigenständiges Werk, das nicht reproduziert werden könne. Auf die Frage, nach der Reso-nanz des japanischen Publikums, verweist Prokopetz auf die Sta-tistik: an jedem zweiten Tag eine Vorstellung und jedes Mal vor voll besetztem Saal. Das Publi-kum sei regelmäßig hingerissen und würde sich im Großen und Ganzen wenig vom deutschen unterscheiden, denn auch in Japan „erklatsche” man mitunter Zugaben. Allerdings hätte das Programm – unter anderem Schuberts Unvollendete Sinfonie – wenig zeitlichen Raum dafür gelassen.

Kunst ist kein Nebenprodukt

Eines sei allerdings deutlich geworden: mit Klassik deutsch-sprachiger Musiker kann man Japaner durchaus begeistern. Vergleichbar sei das in etwa mit dem deutschen Verhältnis zu japanischer Musik. Die habe für uns ja auch einen besonderen Reiz. Den Japanern ginge es da umgekehrt nicht anders. Aller-dings müsse das differenziert gesehen werden. Mit Beethoven, Brahms oder Strauss sei man immer auf der sicheren Seite, sagt Prokopetz. Mozart jedoch scheint weniger gefragt. Trotz aller Gemeinsamkeiten, sei aber die öffentliche Wahr-nehmung von Kultur bedeutend unterschiedlich. In Japan ist die nach Prokopetz‘ Eindruck viel bewusster. Die Japaner gingen auch deutlich wertschätzender mit ihr um. Sie begreifen Kunst und Kultur eher als etwas, das man gezielt auswählt und nicht nur konsumiert, weil es halt da ist. Stattdessen handele es sich um einen alltäglichen Bestand-teil des öffentlichen Lebens, ohne zugleich nur gesellschaftli-ches Nebenprodukt oder zivilisa-torische Beigabe zu sein. Vor allem das finanzielle Argument hält er daher für ein nur vorgeschobenes. Ins Kino gingen die Leute ja auch und das sei nicht selten sogar teurer als ein Theater- oder Konzertbesuch. Vielmehr sieht er den Stellenwert von Kultur als Schlüsselfaktor für deren Erfolg. Kultur müsse für jedermann wichtig und normal sein. Im besten Falle sollte sie stattdessen einen ähnlich selbst-verständlichen Platz einnehmen wie der morgendliche Gang zum Bäcker. Nicht zuletzt sei der Kulturbe-trieb schließlich ein Spiegelbild der Gesellschaft. Musik könne

Deutsche Klassik im Fernen Osten

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daher sehr wohl auch gesell-schaftliche Merkmale transpor-tieren. Was die gesellschaftliche Bedeutung angeht, sieht Proko-petz daher japanische Verhältnis-se unbedingt als Erfolgsmodell auch für Deutschland. Schließ-lich blieben, wenn die Kultur kei-nen nennenswerten Platz mehr einnähme, die Häuser leer. Und was brächte einem Orchester ein leerer Saal?

Kulturbesuch muss interessant sein

Nur für sich selbst bräuchte er nicht zu spielen, sagt Prokopetz scherzhaft. Das sei, als hinge man ein Gemälde in einen dunk-len Raum und verriegele diesen. Kultur müsse mit anderen geteilt werden. Auch darin sei eine Anforderung an das Theater zu sehen. Freilich bräuchte man da-für auch höhere Einspielquoten, die mit einem immer gleichen Rumpfprogramm natürlich nicht zu erreichen sind. Das könne einerseits mit den etablierten Klassikern gesche-hen. Diese würden nach wie vor zahlreiche Kunstliebhaber locken und der Erhalt von Kultur sei schließlich eine der zent-ralen Aufgaben. Andererseits sieht Prokopetz es als seine Verpflichtung an, musikalisch hin und wieder auch abseits der eingetretenen Pfade zu wandeln.

Nicht notwendig bedeutet das gewagte Experimente, die im Gegenteil abschreckend wirken könnten. Doch das Finanzie-rungssystem der Theater dränge zum Angebot auch unbekannter oder neuer Werke. Gerade die Unabhängigkeit von Sponsoren erwiese sich hier als Vorteil. In den USA beispiels-weise würde das Programm teils durch massive finanzielle Unterstützung praktisch von den Sponsoren bestimmt. Durch die staatliche und kommunale Subventionierung des Theater-betriebes solle schließlich ein breites, vielfältiges Angebot ermöglicht werden. Denn durch ein attraktives Programm würde auch Aufmerksamkeit erzeugt. Natürlich müsse das aber immer im Verhältnis zu den Kosten stehen.

Faktisch wurde die Japanreise ignoriert.

Ein Element der öffentlichen Wahrnehmung ist auch die Berichterstattung in der Presse. Dieses Mal gab es jedoch aus-gerechnet dort offenkundige Defizite. Prokopetz erklärt sich das zum Teil mit dem zeitlich unglücklichen Aufeinandertref-fen mit der Kündigung sowohl des Intendanten als auch des Geschäftsführers Ende Mai. Die daraus entstandene Debatte um

die Zukunft des Theaters habe sicher ihr Übriges dazu beigetra-gen, dass sich nicht ein einziger längerer Bericht über die Gast-spielreise findet. Indes müsse auch das Theater die bisherigen Bemühungen um das Publikum intensivieren. Die Kommunikation von Veranstal-tungen beispielsweise könne sicher noch offensiver gestaltet werden. Letztlich hinge auch daran die Zukunft des Hauses. Nicht zu vergessen sei allerdings das wechselseitige Verhältnis von „Kulturproduzenten” und „-konsumenten”. Man mache zwar ein Angebot, doch ins The-ater gehen müssten die Leute schon noch selbst. Darauf habe man leider nur indirekt einen Einfluss. Wichtig sei erstens, zu zeigen, dass man auch die gro-ßen Stücke – wie Wagner, Strauss oder Bruckner – spielen könne. Dazu gelte es, die bisherige Orchesterstärke nach Möglich-keit zu erhalten. Zweitens müsse gezeigt werden, dass man die großen Stücke spielen wolle. Das könne durch einen entsprechen-den Spielplan erreicht werden. Drittens müsse man zeigen, dass man die großen Stücke einfach spielen müsse, um weiterhin ein echtes Ensemble zu sein. Kultur lebe davon, mit anderen geteilt zu werden.

Text: hed, Foto: Theater Vorp.

Begeisterung in Japan

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Seit etwa den späten 70er Jahren hat die jüngere Ökologiebewegung eine beachtliche Karriere in der öf-fentlichen Wahrnehmung gemacht. Seit 1982 werden Umweltinteres-sen sogar gezielt parteipolitisch vertreten. Gerade eingedenk des beschleunigten Wandels u. a. in den Bereichen Wirtschaft, Politik, Umwelt und Sicherheit – bisweilen auch als Globalisierung verschlag-wortet – war und ist diese Variante der Gesellschaftskritik auch un-gemein wichtig, denn der Unsinn vom uneingeschränkten Wachstum zum Wohle Aller, wird aktuell wohl von keinem seriösen Akteur mehr vertreten. Fraglos hat auch die Ökologiebewegung zu diesem Um-denken erheblich beigetragen. Mit der Bereitstellung von Expertise und auch finanziellen Mitteln konnte und kann sie häufig drängende Pro-bleme fokussieren und alternative Lösungsansätze anbieten.

Auf Bundesebene sind Parteien wie die GRÜNEN deshalb längst in der komplexen Realität etabliert und haben offenkundig verstanden, dass die Bedürfnisse moderner Gesell-schaften nicht mit dumpfer Entwe-der-oder-Rhetorik oder liebgewon-nenen Klischees zu bearbeiten sind. Allerdings versucht in den aktuellen regionalen Debatten um ökologi-sche Themen nicht nur in M-V eine andere Richtung, sich zunehmend und dominant Gehör zu verschaffen. Diese verfällt allem Anschein nach mit Überzeugung in den längst überwunden geglaubten Dualismus von Gut (= Ökologie) und Böse (= Ökonomie), ohne zu bemerken, dass es dabei um Koordinations-probleme und nicht um Widersprü-che geht. Strategisch durchdacht werden stattdessen bloße Risiken zu akuten Gefahren stilisiert. Es ist daher unbedingt zu hinterfragen, warum und wie dies geschieht.

Die Antwort darauf kann sich jedoch erwartungsgemäß nicht in einem Griff in die ideologische Mottenkiste erschöpfen. Mit den ursprüngli-chen, die von ihren Kritikern auch schon einmal plump als Gammler beschimpft wurden, haben die mo-dernen „Ökos” nämlich nur noch be-dingt etwas gemein. Vielmehr sind deshalb ihre Strategien einen Blick wert. Der vielgestaltige Zugang zum Themenkomplex der Angstkommu-nikation scheint sehr ergiebig, wenn es darum geht, deren Hintergründe zu beleuchten. Dabei sind zwei Elemente festzuhalten, die wechsel-seitig aufeinander wirken: Identität und Angst. Grundlage dessen ist, dass die Perspektive und das zu-gehörige sozial-moralische Umfeld einer Gruppe – d. h. wie sie die sie umgebende Welt erlebt – einen wichtigen Einfluss darauf ausüben,

welche Risiken als Gefahr wahrge-nommen werden.

Allein die Versprachlichung dieser Risiken und Gefahren kann für eine Gruppe sozial stabilisierend wirken, wobei sich die Stabilisie-rung zumeist in einer kollektiven Identität recht unterschiedlicher Reichweite niederschlägt. Indem sich Einzelne eines gemeinsamen moralischen Repertoires versichern, können sie indes auch eine ebenso gemeinsame Angst vor der Bedro-hung dieses Werteinventars erfah-ren. Allerdings transzendieren die solidarischen Individuen Begriffe wie Stand und Klasse dabei meist nur und beseitigen sie trotz aller gegenteiliger Beteuerungen nicht wirklich. Die Gruppenidentität wird also bloß modifiziert, wenn auch in unterschiedlichem Maße. Die Kommunikation spielt sich trotz-dessen unverändert im bekannten Spannungsfeld von Ich vs. der/die Andere ab.

Zur normalen Identitätskonstruk-tion ist das zwar unausweichlich und auch legitim. Was aber kritisch betrachtet werden muss, ist die Erweckung des Eindrucks, diese (ja selbst praktizierten) Ordnungsmus-ter seien grundsätzlich abzulehnen, weil es nur ein Wir gäbe. Dieses bloß imaginierte Wir wird mit Nachdruck in die Idee einer Risikogesellschaft eingebettet, die sich unablässig meist äußerer Einflüsse zu erweh-ren hätte. Zentrales Motiv dieser Gesellschaft ist folgerichtig die Angst; in jüngster Zeit insbesondere vor Naturereignissen wie Flutwellen, saurem Regen, einem steigenden Meeresspiegel, dem fast schon es-chatologisch verbrämten Klimawan-del, aber eben auch vor vermeintlich sinistren Plänen vor allem wirt-

"Die Sprache ist der Leib des Denkens.“

Angstkommunikation der Ökologiebewegung

Mediales Spektakel: Algenblüte 2003

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schaftlicher Akteure. Fortwährend ergibt sich in diesem Gedankenge-bäude die Möglichkeit, dass etwas Schlimmes passieren kann. Die Idee ist zwar nicht gänzlich neu, aber ihre spezifische Ausformung.

Hierbei muss nämlich ein weiteres wichtiges Element des Problems ergänzt werden. Dass sich in den vergangenen Jahrzehnten „die Gesellschaft“ stetig differenziert – also neue und mehr unterschiedli-che Subsysteme der Zugehörigkeit des Einzelnen erzeugt – hat, ist mittlerweile kaum noch ernsthaft umstritten. Niklas Luhmann – der „Erdenker“ dieser sog. Systemthe-orie – weist zudem darauf hin, dass die entscheidenden Konstanten der differenzierten Gesellschaft das Ent-scheiden und die Zuschreibung von Verantwortung sind. Dem entspre-chend ist das Risiko der Dreh- und Angelpunkt des Handelns, denn wer Entscheidungen trifft oder in irgendeiner Form Verantwortung trägt, kann sich immer auch „falsch“ entscheiden. Mit einem Risiko ver-bundene Entscheidungen wieder-um sind in der Risikogesellschaft mit Angst gekoppelt.

Da der Natur schlechterdings kein freier Wille zuzuschreiben ist, eignet sie sich nicht als Verantwortungs-träger. Unzweifelhaft gebührt dem Menschen oftmals auch tatsächlich die Schuld bei der Zerstörung der Umwelt. Die Abholzung tropischer Regenwälder, die industriebeding-te Gewässerverschmutzung und ähnliches sind reale, menschenge-machte Bedrohungen. Doch das hypothetische Risiko wird vemittels der Strategien der Angstkommuni-kation zur akuten Gefahr erklärt. Das mindestens Unredliche, wenn nicht gar Gefährliche daran ist, dass allen voran in der ökologischen Angst-kommunikation eine sich selbst ge-nügende Moral bereitgestellt wird. Diese jedoch blockiert andere Funk-tionssysteme, z. B. Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur etc. Da die Be-rechtigung moralisch aufgeladener

Argumente nicht entscheidbar ist, kann sie zukünftige wertvolle und wichtige Entwicklungen behindern oder ganz ausschließen.

Die Attraktivität der Angst in der öf-fentlichen Kommunikation besteht letztlich gerade darin, dass die Emp-findung von Angst nicht widerleg-bar ist. Luhmann meint dazu: „Sie ist das Prinzip, das nicht versagt, wenn alle anderen Prinzipien versagen. Wer Angst hat, ist moralisch im Recht, besonders, wenn er für an-dere Angst hat.“ Angesichts dessen wird klarer, worin eine Strategie ak-tueller umweltbezogener Kommu-nikation gründet. Vor allem regional geht es in jüngster Zeit zu selten um Wahrheit vs. Nicht-Wahrheit, also die zentralen Begriffe des Systems Wissenschaft. Dass die Argumen-tationen vorwiegend moralisch motiviert und damit ungeeignet für rationale Erwägungen sind – Moral ist auch nicht widerlegbar –, wird geflissentlich verdeckt, trotzig abge-stritten oder schlicht nicht erkannt.

Ein Blick in fast beliebige Medien genügt, um festzustellen, dass die Einführung neuer Medikamente am Widerstand einiger übermäßig Besorgter scheitern kann. Neben-wirkungen sind immer möglich, manchmal auch mit bedauerlichen Folgen. In der Regel handelt es sich jedoch um höchst seltene, stark individuelle Konfigurationen – eben das seriöserweise nicht auszuschlie-ßende Restrisiko. Vielen Menschen könnte durch die neuen Präpara-te zwar geholfen werden, doch durch die effektive Kommunikation der Angst vor dem Eintreten des minimalen Risikos, kann ein Verbot erwirkt werden. Der Wunsch nach absoluter Eliminierung der befürch-teten Ereignisse hat daher auch im pharmazeutisch-medizinischen Bereich das Potential, lähmend zu wirken. Die wohl entscheidende Ur-sache ist dabei ebenfalls in der Kon-struktion einer Risikogesellschaft zu suchen, die mit glühendem Eifer alles Bedrohliche gegen sich abzuschotten bestrebt ist, da das vormalige Vertrauen in schicksal-

Wiederholter Untergang: Algenblüte 2010

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hafte Mächte nachhaltig gestört ist – hier scheint natürlich Max Webers Entzauberung der Welt durch.

Eines der Erfolgsrezepte der Angstkommunikation ist dabei zweifelsohne die Emotionalisierung von Nachrichten. Ein Beispiel ist die sommerliche Algenblüte auf der Ostsee. Diese – so räumt der WWF in seiner Pressemitteilung vom 21. Juli dieses Jahres ein – sei in der Tat üblich. Das bestätigen wissen-schaftliche Beobachtungen der Europäischen Raumfahrtbehörde ESA aus den vergangenen Jahren (s. Satellitenfotos). Jedoch wird die we-nig sensationelle Information vom WWF emotional aufgeladen, indem besonders negativ besetzte Begriffe ergänzt werden. Diese sind in der Sache zugegebenermaßen nicht grundlegend unwahr, aber fraglos bewusst gewählt. Kennzeichen sind beunruhigende Wörter wie „riesig“, „explosionsartig“, „giftig“ oder „scha-den“. Zwar besteht durch eine zu starke Algenblüte ein unbestritten hohes Existenzrisiko für Flora und Fauna der Ostsee, doch hat keine der in diesem Jahr genommenen Proben ergeben, dass auch nur im Ansatz von einer akuten Gefahr auszugehen ist.

Einzig die Wahrscheinlichkeit, das bloße Es-könnte-aber-doch-sein wird demnach zur Basis der nicht weiter beweisnotwendigen Ableh-nung. Selbst nicht auszuschließen-de Restwahrscheinlichkeiten sind Grund genug dafür. Erstaunlicher-weise legen psychologische Unter-suchungen nahe, dass bekannte und in der Vergangenheit bereits eingetretene Risiken von Probanden als weniger bedrohlich eingeschätzt werden. Stattdessen reizt das bisher nicht Erlebte zur Angst. Mit Sicher-heit ist die Furcht vor katastropha-len Auswirkungen beispielsweise eines Kohlekraftwerkes auf die Umwelt auch nicht unberechtigt. Doch anscheinend ist das gesunde Augenmaß abhanden gekommen, denn die gesetzlichen Auflagen

zum Bau eines solchen sind gerade in Deutschland sehr hoch. Trotzdem wird die Ablehnung des Industriel-len zum Prinzip. Angstkommunikati-on ist also stets adversativ und nicht kooperativ. Die Feindbilder werden klar definiert und autoritativ vermit-telt, nicht selten unter Zuhilfenah-me billigster Stereotype.

Angstkommunikation ist auch stets exklusiv und nicht integrativ. Die eigene Gruppe wird in ideologisch scharfer Abgrenzung zu anderen positioniert, um die eigens kon-struierte Identität angesichts der Komplexität der Realität nicht zu gefährden. Trotz eigener umfang-reicher Lobbyarbeit wittern die Akteure mitunter verurteilungs-würdigen Lobbyismus, was eher clownesk als aufrichtig anmutet. Die verbale Skandalierung wirkt dabei als legitimierend; der „Streiter für die gerechte Sache“ deckt eine ungeheuerliche und bisher bös-willig vertuschte „Sauerei“ auf bzw. kämpft gegen alle Unbillen der in-dustrialisierten Welt. Hin und wieder ist die Kritik dabei im besten Sinne reaktionär. Ein romantisch verklärtes Bild der vorindustriellen Zeit sowie eine daraus entspringende Furcht vor moderner Technik prägen die Argumentation. So kommt es vielfach zu Fehleinschätzungen des realen Risikos, das von Industriean-lagen ausgeht. Studien haben – dies unterstützend – ergeben, dass ein

unbekanntes oder unfreiwilliges Ri-siko in aller Regel überschätzt wird.

Sollte Hegel also mit seinem Aus-spruch tatsächlich im Recht sein, nach dem die Sprache der Leib des Denkens ist, steht Schlimmes für die Gedankenwelt so mancher ökolo-gischer Aktivisten zu befürchten. Getrieben von stetiger Angst vor der Bedrohung ihres Moralsystems verstricken sie sich in teils haarsträu-bend weltfremde Parallelrealitäten. In Verbindung mit der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit großer Um-weltverbände, die im Gegenteil von sehr weltnahen Interessen gesteu-ert wird, entsteht mitunter eine seltsame Mischung aus berechtig-ten Sorgen und fremdgelenkter, stark selektiver Wahrnehmung, die als moralisch überlegene Wahrheit präsentiert wird. Wer diese Angst in Frage stellt, wird entsprechend als amoralisch behandelt.

Dass die Entwicklung neuer Tech-nologien zunehmend auch ökolo-gische Interessen berücksichtigt, geht erst langsam und noch zu wenigen auf. Unternehmen haben längst erkannt, dass eine intakte Umwelt unabdingbarer Bestandteil der menschlichen Lebensqualität ist. Wer das missachtet – hier wirken auch Umweltverbände wert-voll mit–, dem wird zu Recht der Vorwurf der Illegitimität (auch als „shaming” bekannt) gemacht. Nur durch die Ersetzung alter Technolo-gien kann deshalb den Forderungen der „Ökos” erfolgreich Rechnung getragen werden, selbst wenn diese das nicht wahrhaben wollen. Keineswegs ist die Angstkommuni-kation nur auf den Ökologiebereich beschränkt, doch aktuell ist diese Strategie zumindest auf regionaler Ebene anscheinend vorherrschend. Durch die dominante Kommunikati-on von Angst, deren realer Hinter-grund nur schwer zu ergründen ist, werden wichtige und zukunftsorien-tierte Entwicklungen jedoch massiv behindert.

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Der Ruf nach Abschaltung von Atomkraftwerken ist populär. Was aber geschieht mit den stillgeleg-ten Anlagen? Ihre Demontage ist eine technische Herausforderung, vor allem dann, wenn es um die radioaktiv belasteten Bauteile geht. Die Greifswalder Firma AKB zählt zu den wenigen Unterneh-men weltweit, die das Know How für solche Arbeiten haben. Im Auftrag der Energiewerke Nord plante und baute sie einen Platz zur Zerlegung des aktivierten Ringwasserbehälters im stillge-legten Kernkraftwerk Rheinsberg.

Im Rahmen des Rückbaus des KKW Rheinsberg (KKR) der Energiewerke Nord GmbH (EWN) ist der Ringwas-serbehälter als Bestandteil der Reak-toranlage zu konditionieren und zu entsorgen. Aufgabe der AKB war es, die für diese anspruchsvolle Aufgabe erforderlichen Zerlege- und Hand-habungstechniken sowie die dazu gehörenden Sicherungsanlagen und Ausrüstungen zu planen, zu tes-ten und am Zerlegeort aufzubauen.

Die Zerlegung des Ringwasserbehäl-ters, der die Form eines Hohlkörpers und ein Gesamtgewicht von 82 Ton-nen hat, in transportable Segmente erfolgte gemäß Auftrag durch eine Diamantseilsäge. Gleichzeitig wur-

den durch die EWN ein umfassen-des Lastenheft für die Liefer- und Leistungsspezifikationen sowie die grundsätzlich für den Zerlegeplatz erforderlichen Komponenten vor-gegeben. Im August 2008 wurde bei AKB mit den Planungen begon-nen, die in enger Zusammenarbeit mit den EWN durchgeführt wurden.

Zunächst galt es, in zwei Arbeits-schritten den Ringwasserbehäl-ter am Zerlegeplatz mit Hilfe der Diamant-Seilsäge so zu zerteilen, dass transportable Segmentstücke mit einem Gewicht von jeweils 7 Tonnen entstehen. Aufgrund der Aktivierung des Behälters galt es, eine möglichst geringe Zeit für die Handhabungen unmittelbar am Be-hälter zu planen, den radiologischen Schutz des Personals sicherzustel-len und das Sägen selbst von einem separatem Bedienpult aus, unter-stützt durch Kameraüberwachung, durchzuführen. Der im Reaktorsaal des KKW Rheinsberg eingerichtete Zerlegeplatz besteht aus zwei Stati-onen: aus Vor- und Nachzerlegplatz.

Die Vorzerlegung verfügt über eine sternförmige Stahlbaukonstruktion zur Lasteinleitung in die Reaktor-saaldecke, einen Sägemast mit ho-rizontal und vertikal verfahrbarer Führungsrolle zur Aufnahme des

Diamantsägeseils, dem Sägenan-trieb mit Fernbedienungspult und 100 mm dicken Abschirmwänden.

Die Nachzerlegung verfügt über eine Kippvorrichtung, verschiede-ne Auflageböcke, den Sägemast mit beweglichen Umlenkrollen, einen weiteren Sägemast mit ver-tikal verfahrbarer Führungsrol-le sowie ebenfalls einen Seilsä-genantrieb mit Fernbedienung.

Um den Behälter, der einen Durch-messer von 5,5 Metern und eine Höhe von ca. 7,5 Metern hat, in transportable Teile zerlegen zu kön-nen, musste er als Erstes auf dem Vorzerlegeplatz in zwölf trapezähn-liche Segmente zerteilt werden. Zur Ableitung des enormen Ge-wichts von ca. 82 Tonnen musste eine spezielle, sternförmige Kons-truktion aus HEB-Stahlprofilen zur Lasteinleitung in den Boden des Reaktorsaals konstruiert werden.

Anschließend konnten die Sägear-beiten mit Hilfe des Diamantsäge-seils in Angriff genommen werden. Ein speziell für diese Aufgabe kon-struierter Sägemast wurde nach jedem Schnitt 30 Grad um den Be-hälter versetzt. Das Sägeseil selbst wird durch die horizontal und ver-tikal verfahrbaren Führungsrollen

AKW abgeschaltet – was nun?

Die Firma AKB wurde 1996 gegründet und ist seit 2007 Tochtergesellschaft der Schrader Rohrleitungsbau GmbH in Ennigerloh mit über 480 Mitarbeitern in der Unternehmensgruppe

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von einem separaten Platz optimal für den jeweiligen Schnitt positi-oniert. Als radiologischer Schutz bei Tätigkeiten am Sägemast sind zwischen Ringwasserbehälter und Sägemast 100 mm starke Ab-schirmwände aus Stahl aufgestellt.

Um für das Reststück des Ringwas-serbehälters zum Ende der Vorzerle-gung die Standsicherheit zu gewähr-leisten, wurden im Reaktorsaalboden verankerte, abnehmbare Stützen (Restsegmentabstützung) installiert. Die Zerlegung selbst erfolgt durch Trockensägen. Die dabei entstehen-den Span- und Staubemissionen werden so weit wie möglich durch Auffangwannen und Absaugvorrich-tungen aufgenommen; zusätzlich ist der gesamte Raum zum Schutz des Bodens mit Folie ausgelegt.

Die so entstandenen Segmente wer-den auf dem Nachzerlegeplatz ein weiteres Mal geteilt. Mit Hilfe des im Reaktorsaal installierten Krans werden die Segmente dazu über eine Kippvorrichtung auf spezielle Auflageböcke abgelegt. Auch hier kommen wieder speziell konstru-ierte Sägemasten zum Einsatz, mit denen die Teilstücke von unten nach oben durchgesägt werden. Auch hierbei werden zum Schutz spezielle Abschirmwände aufgestellt, Späne und Staub werden ebenfalls durch Absaugung und Auffangwannen aufgenommen. Nach der Zerlegung werden die einzelnen Teile dann in zwölf eigens konstruierte Transport-wannen verpackt und schließlich an ihren Bestimmungsort transportiert.

Der Zerlegeplatz wurde nach Werksabnahmen beim Herstel-ler AKB Greifswald, die im Okto-ber 2009 und Juni 2010 erfolgten, mängelfrei an den Auftraggeber im KKR Rheinsberg übergeben. Eine der wesentlichen Voraussetzungen für die erfolgreiche Abwicklung dieses Projektes war die enge Zu-sammenarbeit von EWN und AKB von der Planung bis hin zur tech-nischen Umsetzung des Projektes.

Für AKB ist dieser Auftrag eine her-vorragende Referenz, die Fähigkei-ten, Fertigkeiten und konstruktiven Herausforderungen in einem sen-siblen Bereich der Stillegung und des Abbaus von aktivierten Reak-torkomponenten unter Beweis zu stellen. Zur Erreichung dieses Ziels arbeitet ein Team aus Ingenieu-ren und Technikern an der Umset-zung dieses und anderer Projekte.

Text: Maik Klietz, Arnold Kömitzer, Michael Lüdeke, Fotos: AKB Greifswald

3D-Modell Darstellung mit Ringwasserbehälter(Teilansicht) zum Ende der Vorzerlegung

3D-Darstellung Nachzerlegeplatz mit Sägemasten,Ablageblöcke und Kippvorrichtung

Kernkraftwerk Rheinsberg

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Kleine schmökerei

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„Neonazis in Nadelstreifen – Die NPD auf dem Weg in die Mitte der Gesellschaft“ von den Autoren And-rea Röpke und Andreas Speit ist ein aufklärerisches Buch über Ziele und Vorgehensweisen von Rechtextremis-ten, die nichts unversucht lassen, um in der deutschen Politikszene salon-fähig zu werden und sich nur zu gern den Anstrich einer volksverbundenen Partei geben möchten. Anlässlich der diesjährigen bundesweiten Interkul-turellen Woche folgt Andrea Röpke einer Einladung der Rosa-Luxem-burg-Stiftung zu einer Lesung nach Stralsund. Am 28. September wird die mutige Journalistin, die mit äußerster Aggressivität von den neuen Nazis angefeindet wird und auch schon mehrfach körperliche Gewalt erfahren musste, mit ihrem Buch im Gepäck

in der Stralsunder Kulturkirche zu Gast sein. In ihrer Lesung will die Politologin darauf aufmerksam machen, wie die NPD sich bemüht, eine rechtsorientierte Alltagskultur zu schaffen. So mit der Bildung von „Freien Kameradschaften“, mit Engagement auf kommunaler Ebene und mit Aktivitäten in Elterngruppen von Kindergärten oder Schulen. Doch zum Glück sind es immer wieder eigene, rechte Gewalttaten, die das angestrebte Biedermann-Image nicht zum Tragen kommen lassen. In „Neonazis mit Nadel-streifen“ analysieren die Autoren neben der Strategie der NPD auch die Aktivitä-ten der „Nationalen Frauen“, der HdJ und der Rechtsrock-Szene. Zur Lesung, die um 19 Uhr beginnt, laden neben der Stif-tung auch der Ch. Links Verlag und das Stralsunder Kulturhistorische Museum ein. Der Eintritt ist frei.Verlag: Ch. Links Verlag

Broschiert: 208 SeitenISBN-13: 978-3861535317

, Plötter Verlag

Die „schwarze Szene“ ist seit ihren Anfängen in den ausgehenden 1970er Jahren ein Phänomen internationaler Relevanz. „Schillerndes Dunkel“, her-ausgegeben von Kulturwissenschaftler Alexander Nym, versucht einen breiten Einblick in diese sub- und gegenkul-turelle Bewegung zu geben: Entwick-lungen, Motive, aber auch Ideen und Widersprüche werden aufgezeigt. Etwa 600 Abbildungen (Fotografien, Art-work, Plattencover) vermitteln einen faszinierenden optischen Eindruck der Opulenz, mit der sich die verklei-dungsfreudige Szene selbst inszeniert. Auf mehr als 400 Seiten kommen

neben internationalen Künstlern auch Journalisten, Wissenschaftler, DJs und Veranstalter sowie die Szenegänger selbst zu Wort. Der Schwerpunkt ist Deutsch-land, doch ist der Band in dieser Hinsicht grenzüberschreitend angelegt. Neben wissenschaftlichen Essays, Erfahrungs-berichte und Insider-Anekdoten wird den künstlerischen Ausdrucksformen in Wort und Bild viel Platz eingeräumt. Durch den multiperspektivischen Ansatz tritt die innere Zerrissenheit einer Subkultur in Erscheinung, welche als hinter- und unter-gründigste „Jugend“kultur der Gegenwart gelten kann.

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g 04.9.10 ab 19.30 Uhr Ireen Sheer & BandSolotour „MÄNNER“ mit BallettStadthalle/Kaisersaal, Greifswald

g 04.9.10 ab 19.30 Uhr „Out of 56“Vorstellung der Sammlung „56 Geistliche Lieder“ von Jochen A.Modeß Kirche St. Jacobi Greifswald

g 04.9.10 ab 20-24UhrLange Nacht des offenen Denk-mals mit Thomas & Johann Puten-sen RemterIm Kulturhistorischen Museum der Hansestadt Stralsund

g 03.9 bis 05.9.106. Jazz- und Bluestageim Pavillon Ostseebad Zinnowitz

g 08.9.2010 ab 09:30Märchenstunde/KinderlesungBibliothekSeebadzentrum Lubmin

g 08.9.10 ab 20UhrKammerkonzertKonzert mit zwei ChembaliG. Kauffeld/KoballSchloss Stolpe auf Usedom

g 09.9.10AusstellungseröffnungAngekommen – archäologische Schätze aus der RegionStralsund, Rügen und GreifswaldKatharinenkloster

g 10.9.10 ab 20.00 Uhr „Meine Kämpfe“Olaf Schubert – Weltverbesserer und Humorist Mehrzweckhalle im Schönwalde Center, Kartenvorverkauf: Theater Vorpommern, Greifswald-Informati-on, OZ Service-Center

g 10.9.10 ab 19.30 Uhr „Alles weg´n de´Leut“ - ein Otto-Reuter-Abend von und mitWalter PlatheTheater Vorpommern Greifswald

g 11.9.10NaturklängeKlassik-Open-Air-Konzertauf dem Hohen UferOstseebad Ahrenshoop

g 11.9.2010 ab 21:30 UhrBrauerei Sommer PartyAlte Brauerei, Stralsund

g 12.9.10 ab 10 UhrTag des offenen DenkmalsVorträge u. Führungen Schloss Stolpe auf Usedom

g 12.9.10 bis 19.9.10Woche der BäderarchitekturKurverwaltung Ahlbeck

g 17.9.10 ab 18.00 UhrAusstellungseröffnungAstronomische und nautische Instrumente aus der Sammlung Axel Graf von LöwenKatharinenkloster, Remter

g 17.9.10Greifswalder KulturnachtGreifswalder Innenstadt

September

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g18.9.1015. Damgartener DrachenfestPütnizer Wiesen, Ribnitz-Damgarten

g19.9.10 ab 10.00 Uhr Vortrag Dr. Wolfgang Abraham: „Brücken zur Europäischen Uni-on“ SonntagsakademieHaus der Begegnungen

g 19.9.10 44. Festtagean der Randow auf dem Festplatz Heidenstraße

g 25.9.10 ab 19.30 UhrManche mögen´s heiß - SugarMusical von Jule Styne, Peter Stone und Bob MerrillGroßes Haus, Theater Greifswald

g 25.9.2010 bis 29.09.20106. Darßer NaturfilmfestivalZingst

g 25.9.10 ab 10 Uhr -18 Uhr4. HaffNet GesundheitstageUeckermünde/Markt

g 24.9.10 bis 26.9.10Seebrückenfest MusikpavillonOstseebad Zinnowitz

g 27.9.10 ab 19.30 UhrUsedomer MusikfestivalD. Geringas, Violoncello Schloss Stolpe auf Usedom

g 28.9.10Romantische NachtwanderungHistorisches Rathaus Wolgast

g 28.9.10 ab 19.00 UhrInterkulturelle Woche in StralsundNeonazis in Nadelstreifen – Die NPD auf dem Weg in die Mitteder Gesellschaft, Buchvorstellung und Diskussion mit Andrea RöpkeEine Veranstaltung der Rosa-Luxem-burg-Gesellschaft, unterstützt vomKulturhistorischen Museum Stral-sund u. d. Ch. Links Verlag BerlinKulturkirche St. Jakobi, Gustav-Adolf-Saal

g 29.9.10 ab 20.00 Uhr Mo‘ BlowGrooviger Jazz und FunkSt. Spiritus Greifswald

g 01.10.10 ab 19.30 UhrUsedomer Musikfestival-Meister-kurs. Meisterkonzert mit David Geringas, Violoncello.Schloss Stolpe auf Usedom

g 02.10.10 ab 19.30 Uhr Konzert: Russischer Abend mit Juri Freidenberg St. Spiritus Greifswald

g 04.10.10 ab 19.30 UhrUsedomer Musikfestival-Meis-terkurs. Abschlusskonzert der Kursteilnehmer Schloss Stolpe auf Usedom

g bis 17.10.10Sonderausstellung: Adliges Fräulein „Haute Couture“ Soft-Art, Ausstellung der Textil-künstlerin Stefanie Alraune Siebert, Barth, Vineta-Museum

g 21.10.10 Veranstaltung zum DichterMiguel Hernandez & Film über spanischen BürgerkriegIkuwo Greifswald

Vorschau

impressumVerlag Land & LeuteInh.: Heike RadtkeBrandteichstrasse 2017489 GreifswaldTel.: 03834 - 550610Fax.: 03834 - 550222mail: [email protected] und V.i.S.d.P.:Claus E. Schwarz

Land & Leute, Büro Stralsundc/o Hansedruck Medien GmbHHeilgeiststraße 2-318439 Stralsund

Chefredaktion: Henri Dörre (hed)Redaktion: Manuel Opitz (mo), Claus E. Schwarz (ces), freie Mitarbeiter

Artwork und Layout:Claudia Berger (cld)

Repräsentanz Greifswald:Jana Heidenreich (jhe)Tel.: 0179 - 6103560

Repräsentanz Nordvorpommern / Stralsund:Tino Hase (tha)Tel.: 0151-2226782

Mindestauflage: 17.500 ExemplareVerteilung: Lesezirkel, Hausverteilung in ausgewählten, wechselnden Gebieten, Tourist-Informationen, Kurverwaltungen, Hotels, Gastronomie, Firmen und GeschäftenErscheinungsweise: 12 mal jährlich

Anzeigenpreise: Preisliste 1, gültig ab 1.11.2009Anzeigen: Heike Radtke / [email protected]

Druck: rügendruck gmbh, circus 1318581 Putbus / Insel Rügen

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Ein Kommentar von Claus Schwarz

Die OZ-Online brachte es am 14.8. auf den Punkt: es ist schon dreist vom Gast, bei schlechtem Wetter nicht vorzeitig abzureisen und stattdessen Staus am Wochenende zu provozieren. So der Tenor der Nachricht mit dem Autorenkürzel „dpa“. Was zunächst als Frechheit gegenüber zahlen-den Gästen erscheint, entpuppt sich bei zweitem Hinschauen alstolles Geschäftsmodell.

Warum soll der Gast überhaupt noch kommen? Es reicht, wenn er sein Urlaubsgeld an den hiesigen Urlaubsort seiner Wahl überweist, der ihm dafür einen Gastpaten stellt. Dafür bekommt der in Castrop-Rauxel ver-bleibende Ostsee-Urlauber 444 Ökopunkte, die er bei seinem nächsten Flug nach Malle verrechnen kann. Sein Gastpate schickt ihm täglich einePostkarte mit den wichtigsten Urlaubsereignissen: „Heute habe ich für Sie drei Stunden in glühender Sommerhitze im Stau zwischen X und Y verbracht.“ Oder: „Leider konnte ich für Sie heute das Museum in X nicht besuchen, da es Samstags nicht geöffnet ist!“ Oder: „Seien Sie froh, dass ich Ihren Sonnenbrand bekommen habe!“

Vorbei die Zeiten, in denen lokale Tourismus-Kurfürsten mit Argusaugen darüber wachten, dass der Gast nicht zum Eisessen in den Nachbarort fuhr. Vorbei die Zeit quälender Grübelei, mit welchem eigenen Event man dem Feuerwerk im Ort drei Kilometer weiter den Wind aus den Se-geln nehmen könnte. Weg mit dem geheimen Veranstaltungsausschuss, der versucht, möglichst viele attraktive Angebote auf ein und denselben Tag zu konzentrieren. Wozu noch freundliches, qualifiziertes Personal in Hotels, Gaststätten und Tourismusbüros? Alles nicht mehr nötig. Dank der Gastpaten. Die Vorteile dieses Verfahrens sind überwältigend:ökologisch überzeugend, wirksam für den Arbeitsmarkt und kein Prob-lem mit eigenwilligen Gästen, die für ihr gutes Geld womöglich Leistung verlangen.

Bleibt noch die Frage, wie die Gastronomen und Souvenirverkäufer über die Runden kommen. Ich denke, da zeichnen sich Ansätze für die gemeinnützige Bürgerarbeit ab. Ein paar Gutscheine und Essensmarken und die Sache läuft.......

Gastpaten dringend gesucht!

Screenshot OZ-online