Lebenslanges lernen ohne_effektives_feedback[1]

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Notfall Rettungsmed 2011 · 15:193–197DOI 10.1007/s10049-011-1518-9Online publiziert: 25. April 2012© Springer-Verlag 2012

R. Greif1 · J. Breckwoldt2

1 Universitätsklinik für Anästhesiologie und Schmerztherapie, Universitätsspital Bern,

Inselspital und Universität Bern, Schweiz2 Klinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charité – Universitätsmedizin Berlin,

Campus Benjamin Franklin, Berlin

Warum lebenslanges Lernen ohne effektives Feedback nicht wirkungsvoll istVom „Feedback“ zum „Feedforward“

Leitthema

Der Zweck von effektivem Feedback istStärken zu stärken undSchwächen zu schwächen.

Obwohl im Kontext von Lernen der Be-griff „Feedback“ weit verbreitet ist, ge-hen die damit verbundenen Vorstellun-gen weit auseinander. So verstehen die Einen unter Feedback die abschließen-de Rückmeldungsrunde nach Seminaren oder Kursen, während für andere bereits die Haltung: „nicht getobt ist schon ge-lobt“ als eindeutiges Feedback gilt.

In diesem Artikel sollen tiefer greifende Konzepte von Feedback beschrieben wer-den. Wir wollen Unterschiede zu obigen Vorstellungen deutlich machen und auf-zeigen, was unter „effektivem“ Feedback gemeint ist. Die pure Rückmeldung oh-ne Sinn und Zweck bewirkt nämlich kei-ne Veränderung beim Lernenden. Denn darum geht es und um die Notwendig-keit, Lernende zur stetigen Weiterentwick-lung zu motivieren. Wie hilfreich dazu eine Außenperspektive ist, wird an empirischen Daten zur Selbsteinschätzung gezeigt. Da-raus kann abgeleitet werden, dass letzt-lich die Haltung der Feedback-Geber und -Nehmer entscheidend für die Effektivität von Feedback ist. Als Grundlage für „le-benslanges Lernen“ kann somit der „Blick zurück“ („Feed → Back“) neu interpre-tiert werden als gemeinsam konzipierter Aktionsplan im Sinne eines „Feed → For-ward“. Im „Feed → Forward“ liegt das Ge-

wicht auf dem Verbesserungspotenzial des Lerners und damit in der Zukunft.

Wie beschreibt die moderne Aus-bildungsforschung Feedback?

Auch in der Ausbildungsforschung exis-tiert keine eindeutige Definition für Feed-back [21]. Wenn man die historische Ent-wicklung nachzeichnet, wird als Ausgangs-punkt häufig das einfache technische Mo-dell der Rückmeldung eines Signals heran-gezogen. Dieses Modell der Rückmeldung entwickelt Jack Ende 1983 in seinem Artikel über die Bedeutung von Feedback für den klinischen Unterricht weiter [6]. Das Ver-ständnis von Feedback hat sich aber in den letzten Jahren von der Rückmeldung (dem Blick auf die Vergangenheit) immer mehr den möglichen Veränderungen in der Zu-kunft zugewandt, dem später beschriebe-nen „Aktionsplan“ mit dem rezenten Mo-dell des Feed Forward [4].

Skeff u. Stratos beschreiben den Pro-zess als edukative Schleife (. Abb. 1, [17]), in der die Lehrkraft von den Lehr-zielen ausgehend Inhalt und Format des Unterrichts definiert, um dann anschlie-ßend den Erfolg zu evaluieren. Die Per-formanz der Studierenden wird dabei be-obachtet und so kann das Erreichen der Lernziele im Feedback übermittelt, be-wertet und angepasst werden.

Auf der Basis einer umfangreichen Li-teraturrecherche definierten van de Rid-

der et al. 2008 Feedback in der klinischen Lehre als „spezifische Information über den Abgleich zwischen der beobachteten Performanz des Lerners und einem Stan-dard, mit dem Ziel die Leistung des Trai-nierenden zu verbessern“[21].

In dieser Definition sind als Kernele-mente die zugrunde liegende Beobach-tung und die Orientierung auf ein Ziel genannt. Feedback geht weit über das Be-schreiben von Ereignissen und Verhalten hinaus, im Unterschied zur Kritik. Gera-de die Ausrichtung auf die zu verbessern-de Leistung im Vergleich mit den zu errei-

Feedback

Evaluation Unterricht/Didaktik

Lernziele

Abb. 1 8 Die edukative Schleife. Mit Hilfe des Instruments „Feedback“, können nach Evalua-tion des Unterrichts die Leistung eingeordnet und übermittelt werden, um letztendlich neue Lernziele zu stecken. (Skeff K, Stratos G. Stan-ford Faculty Development Program for Clinical Teaching)

RedaktionJ. Breckwoldt, Berlin B. Dirks, Ulm

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chenden Lernzielen, gibt dem Feedback erst die eigentliche Bedeutung im konti-nuierlichen Lernprozess.

Wie wichtig Feedback für die persön-liche Weiterentwicklung im Sinne des le-benslangen Lernens ist, zeigt eine Meta-analyse von Davis et al., in der bei 20 Ver-gleichen zwischen Selbst- und Fremdein-schätzung nur 7-mal eine positive Asso-ziation gefunden wurde [5]. Das Alarmie-rende an den Ergebnissen ist aber v. a., dass die schlechteste Übereinstimmung bei den am wenigsten kompetenten Ärz-ten nachgewiesen wurde und dass diese sich aber am besten eingeschätzt hatten.

Was sind die Charakteristika effektiven Feedbacks?

Als übergeordnetes Prinzip sollte die posi-tive Wertschätzung allem Feedback zu-grunde liegen. Dieses Prinzip sollte bei vielen der empfohlenen „Techniken“ eine Anpassung an die spezifische Feedback-Situation ermöglichen (. Tab. 1, [6]).

Spezifität

Durch das präzise Beschreiben von spe-zifischem Verhalten durch den Trainer kann Beobachtetes widergespiegelt wer-den [1]. Durch die Konzentration auf das

konkrete Verhalten, bewegt sich das Feed-back weg von der Persönlichkeit des Ler-nenden (und evtl. vorhandenen Vorurtei-len). So kann es dem Empfänger des Feed-backs leichter fallen, dies anzunehmen und mögliche Verhaltensänderungen zu prüfen. Vom Prinzip her stellt Feedback eine externe Perspektive für konkretes Verhalten zur Verfügung. Den Charak-ter oder die Persönlichkeit der Menschen werden wir hingegen mit Feedback kaum ändern können.

Frequenz, Zeitpunkt und Umfang

Feedback wird effektiv, wenn es häufig und zeitnahe zum Ereignis gegeben wird. Das Verhalten ist dem Lernenden dann besser in Erinnerung und kann genau-er reflektiert werden. Tage später ist es oft schwer, sich der konkreten Situation und der emotionalen Verstrickung zu er-innern. Ausnahme davon wäre ein emo-tional sehr belastendes Ereignis, das erst nach emotionaler Verarbeitung durch die Betroffenen reflektiert und analysiert wer-den kann [3].

Feedback zu einem einzelnen Zeit-punkt ist dem wiederholt gegebenen Feedback unterlegen, weil häufige kleine-re Korrekturen leichter umzusetzen sind und eine allmähliche Annäherung an das erwartete Lernziel ermöglicht wird [1, 11]. Dies ist umso bedeutsamer, je eher der Gegenstand des Feedbacks im Bereich von haltungsbezogenen Lernzielen liegt. Einschränkend muss aber erwähnt wer-den, dass zu häufiges Feedback vom Ler-ner als einengend empfunden werden kann oder auch eine Abhängigkeit vom Lehrer schaffen kann. Dauernde Interven-tionen der Trainer erschweren die Selbst-einschätzung der Lernenden und erlau-ben es nicht, dass Lernende unabhängig und selbstständig werden.

Verstärkendes und korrigierendes Feedback

Beide Formen sind für Lernende nützlich, wenn das Feedback zielorientiert ist. Ver-stärkendes Feedback (auch als „Positives“ bezeichnet) vor korrigierendem (auch „Negatives“ genannt) erhöht die Auf-merksamkeit beim Empfänger. Darüber hinaus stärkt es die Wahrnehmung des

Tab. 1 Charakteristika effektiven Feedbacks

Charakteristikum Beispiel

Spezifität Beschreibt ein präzises Beispiel oder Verhalten

„Ich denke, dein Zugang verur-sacht Probleme“ vs. „Du machst das falsch“

Frequenz und Timing Häufig und zeitnahe zum Ereignis

Verstärkend Beschreibt das Ziel von Feed-back besser als der Begriff „positives“ Feedback

„Was willst du beibehalten – ausbauen?“

Korrigierend Nimmt emotionale Bindung vom „Negativem“ weg

„Was willst du nicht mehr machen?“

Reaktion auf Feedback Übergang vom Beschreiben und Reflektieren zu möglichen Änderungen

„Kannst du mit dem Beschrie-benen etwas anfangen?“

Aktionsplan Ist das Ziel von Feedback, kommt vom Lernenden selbst

„Was werden deine nächsten Schritte sein?“

Lernklima, -ziele, Evaluation Vorrausetzungen für effektives Feedback

Edukative Schleife (s. Abb.1)

Tab. 2 Feedback-Regeln

Feedback geben

– Alle beobachteten Punkte sind Ressourcen

– Wertschätzung (Feedback ist ein Geschenk)

– Feedback persönlich direkt an Empfänger

– Sachlich, konkrete Beispiele und Wahrnehmungen

– Keine Vermutungen

– Nichts stehen lassen

– Stärken stärken

– Schwächen schwächen

Feedback annehmen

– Niemand muss Feedback nehmen

– Ruhig bis zum Ende anhören

– Verständnisfragen stellen

– Keine Erklärungen oder Rechtfertigungen

– In eigene Worte fassen

– Veränderungsplan für Zukunft überlegen

– Vorschläge ausprobieren

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Leitthema

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Lerners für seine positiven Ressourcen, eine Fähigkeit die im deutschen Sprach-raum nicht immer vorhanden ist.

Da die Begriffe „positiv und negativ“ so unterschiedlich emotional besetzt sind und das Ziel von Feedback nicht die ak-tuelle Wertung, sondern die Veränderung ist, sind die Begriffe „Stärken und Korri-gieren“ viel angebrachter, um effektives Feedback zu beschreiben.

Das sog. „Feedback-Sandwich“, in dem zunächst etwas Positives berichtet wird, gefolgt vom zu Korrigierenden, um dann wieder mit etwas Positivem abzuschlie-ßen, kann zu einer Koppelung der Stär-ken mit dem Negativen führen, wenn kei-ne authentisch wertschätzende Haltung dahinter steht. Oft erwartet der Lerner nach der Einleitung „das hast du gut ge-macht“ die Kritik mit dem „aber: …“. In-sofern sollte die formalistische Verbin-dung „cookie – lemon – cookie“ vermie-den werden. Das zu Korrigierende sollte wenn immer möglich von den Stärken ge-trennt besprochen werden [14].

Lernklima

Die wichtigste Säule, auf der effektives Feedback ruht, ist die wertschätzende Grundhaltung: Durch Anerkennung der spezifischen Situation und der Einschrän-kungen der Lernenden kann der Trai-ner Vertrauen aufbauen und ein Lernkli-ma schaffen, das eine tiefer gehende Dis-kussion über beobachtete Verhaltenswei-sen ermöglicht. In einem guten Lernkli-ma kann immer wieder an die gegebenen Lernziele erinnert werden und Fokussie-rung auf diese kann die Aufnahmefähig-keit von Feedback erhöhen (. Abb. 2).

Feedback wird oft mit dem Bild eines Geschenks verglichen (mit allen seinen Implikationen): Der „schenkende“ Feed-back-Geber versucht, sich möglichst gut in den Empfänger einzufühlen und bie-tet ihm den Abgleich mit einer wertfrei-en Außenperspektive an. Das Feedback zeigt somit viel vom Geber, so wie auch ein Geschenk bestimmte (z. B. pädagogi-sche) Intentionen verfolgen kann. In die-sem Sinne muss der Abgleich zwischen den (streng subjektiven) Perspektiven von Lerner und Trainer nicht unbedingt de-ckungsgleich sein.

Feedback empfangen

Effektives Feedback hängt auch von der aktiven Beteiligung der Lernenden ab. Die Überlegenheit von aktivem Feedback-Einholen seitens des Lerners („feedback seeking“) im Gegensatz zum reinen „Ab-warten“ („feedback monitoring“) konn-te in einer Studie in der gynäkologischen Weiterbildung eindrucksvoll gezeigt wer-den [20]. Es wird deutlich, wie das herr-schende Lernklima in einer Institution die Bedingungen für das Gelingen von Feed-back beeinflusst. Hilfreiche Verhaltensre-geln für das Annehmen von Feedback fin-den sich in . Tab. 2 und 3.

Das Bild vom Feedback als Geschenk gilt auch für den Annehmenden: Feed-back muss nicht angenommen werden. In der Regel lohnt es sich aber zu überprü-fen, ob die gegebene (Feedback-)Perspek-tive hilfreich sein könnte, um eine Verän-derung in Gang zu setzen.

Aktionsplan

Feedback ist erst wirklich effektiv, wenn das beobachtete und reflektierte Verhalten verändert wird. Die Frage ist: „Was ist dein nächster Schritt?“, und die Antwort dar-auf sollte vom Lernenden kommen. Im Gegensatz zu den Vorstellungen des Trai-ners hat der Plan des Lernenden viel grö-ßere Chancen zur Umsetzung.

Lerner und Lehrer gehen an dieser Stel-le einen „Unterrichtsvertrag“ ein, der Bei-trag des Lehrers ist dabei die unterstützen-de wertschätzende Außenperspektive so-wie die Bereitstellung der Ressourcen zum Einüben und Ausprobieren von den entwi-ckelten Veränderungen (. Abb. 3).

Feedback-Ebenen

Je nach ihrem Informationsgehalt unter-schieden wir verschiedene Feedback Ebe-nen [17].

Minimales Feedback

Den Lernenden wird mitgeteilt, ob deren Leistung korrekt oder inkorrekt ist, ob deren Meinungen zugestimmt wird oder nicht. Häufig geschieht dies durch non-verbale Zeichen der Zustimmung oder Ablehnung (z. B.: Nicken, Kopfschütteln).

Zusammenfassung · Abstract

Notfall Rettungsmed 2012 · 15:193–197DOI 10.1007/s10049-011-1518-9© Springer-Verlag 2012

R. Greif · J. Breckwoldt

Warum lebenslanges Lernen ohne effektives Feedback nicht wirkungsvoll ist. Vom „Feedback“ zum „Feedforward“

ZusammenfassungHintergrund. Dem Prozess des Feedback wird im Zusammenhang mit Weiterbildung inzwischen eine fundamentale Bedeutung beigemessen.Ziel. In diesem Beitrag soll dargestellt wer-den, warum effektives Feedback diese Be-deutung hat und durch welche spezifischen Charakteristika es seine Wirksamkeit erlangt. Dabei werden neuere Erkenntnisse der Aus-bildungsforschung einbezogen. Das Konzept, nach dem Lernende und Feedback-Geber ge-meinsam einen Aktionsplan entwickeln, wird hergeleitet. Des Weiteren wird die Wichtig-keit, das dafür notwendige wertschätzende Lernklima herzustellen, betont.

SchlüsselwörterFeedback · Weiterbildung · Medizinische Ausbildung · Lebenslanges Lernen · Lernklima

Why lifelong learning without consistent feedback is not effective. From“feed-back” to“feed-forward”

AbstractBackground. The process of feedback is re-garded to be a fundamental element of med-ical education.Objective. This manuscript aims to show why effective feedback possesses this impor-tance and how it reaches effectiveness. Da-ta from empirical research are related to the principles of effective feedback. We propose a concept for the mutual development of a learning path by both the learner and the feedback-provider in order to improve learn-er performance. To facilitate this, the impor-tance of an open learning climate is high-lighted.

KeywordsFeedback · Medical education · Postgraduate training · Life long learning · learning climate

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Diese durch Körpersprache und Mimik vermittelten „indirekten“ Feedbacks ber-gen die Gefahr, unklar oder doppeldeutig zu sein bzw. vom Lernenden nicht wahr-genommen zu werden. Minimales Feed-back ist in der Regel unidirektional, d. h., dass sich der Feedback-Geber hinsichtlich des Effekts kaum rückversichern kann. Vorteilhaft ist natürlich der geringe Zeit-bedarf, der in entsprechenden Situationen immerhin hilfreich sein kann.Beispiel für minimales Feedback:

„ja –gut – das ist korrekt“ – oder: „du machst einen Fehler“

Beschreibendes Feedback

Nun spiegelt der Trainer direkt Beobach-tetes, indem er die Performanz des Ler-nenden konkret beschreibt. Er teilt zudem mit, warum er die Performanz für korrekt oder falsch hält und begründet somit sei-ne Bewertung. Daraus können dann Ver-besserungsansätze abgeleitet werden.Beispiele für verhaltensbezogenes Feedback:

„Deine Fallpräsentation war klar und gut strukturiert.“

„Deinem Bericht fehlen wesentliche Untersuchungsergebnisse.“

„Ich stimme dir zu, da…““… das nächste Mal würde ich Folgen-

des machen…“

Interaktives Feedback

Hier wird der Lernende aufgefordert zu ar-tikulieren, was das zuvor gegebene Feed-back bei ihm auslöst und wie er oder sie sich

diesbezüglich selbst einzuschätzt. Es kann dann im Anschluss dazu ein Feedback zu dieser Selbsteinschätzung gegeben werden und sich aus der Diskussion zwischen Feed-back-Geber und -Nehmer ein Aktionsplan für die Zukunft entwickeln. Wenn der re-sultierende Aktionsplan vom Lernenden selbst kommt, steigert das die Akzeptanz für eine Verhaltensänderung enorm. Dies leitet hin zum zuvor schon beschriebenen Konzept des Feed-Forward [4].

Interaktives Feedback soll die Fähig-keit zur Selbsteinschätzung fördern. We-sentliche Defizite sind hier empirisch be-legt (wie bereits erwähnt) und auch außer-halb der Medizin beobachtet worden [5, 8, 16]. Daher gilt es als effektiver, wenn ein Aktionsplan nicht allein aufgrund eigener Einschätzungen, sondern gemeinsam mit dem Trainer entwickelt wird („monitored self-directed learning“; [9]).Beispiele für interaktives Feedback:

„Wie schätzt du deine Leistung ein? – Ich sehe das auch so.“

“… stimmst du meiner Beobachtung zu?“„Was möchtest du ändern?“

Praktisches zum „eigenen“ Aktionsplan zum Erlernen von effektivem Feedback

Ganz sicherlich kann effektives Feedback nicht durch das Lesen eines Artikels oder durch pures Beobachten anderer erlernt werden (. Tab. 2, [2, 12]). Das muss in

der Praxis geschehen [13], in Workshops zum Erarbeiten und Üben von Feedback und v. a., indem wir Feedback zu unse-rem Feedback einholen. So können auch wir uns überlegen, was unsere nächsten Schritte sein sollen [2, 10, 18].

Auf jeden Fall müssen wir uns auf eine Beziehung mit den Lernenden einlassen [21]. Man kann das gut als „Konversa-tion“ darstellen, in der der Fokus auf spe-zifisch veränderbarem Verhalten liegt und nicht auf dem Charakter der Person (Mi-lan Teaching and Learning in Medicine, . Tab. 3, PEARLS). Das kann gelingen, wenn Inhalt und Beziehung möglichst nicht vermischt werden.

Hinsichtlich des Informationsumfangs funktioniert Feedback nicht als reiner „Download“ von beobachteten Fakten. Das führt lediglich zu einem „Overload“ von Information, sodass schließlich gar nichts mehr aufgenommen und verändert wer-den kann. Der Feedback-Geber muss die Schwerpunkte setzen, die aus seiner Sicht am wichtigsten sind.

„Feedback-Geben“ sollte deutlich expli-zit gemacht werden, damit es als solches wahrgenommen werden kann. Mehrere Untersuchungen haben aufgezeigt, dass Lernende angeben, sich Feedback öfter zu wünschen, es aber viel zu selten bekom-men. Im Gegensatz dazu geben Lehrer an, durchaus häufig Feedback zu geben [19].

Genauso wichtig ist es, sich Zeit zu nehmen für Evaluation und Einschätzung.

Evaluation

Aktionsplan„Was beibehalten?”

„Womit starten?”

„Was beenden?”„Nächste Schritte?”

Abb. 3 8Von der Evaluation zum Aktionsplan. Während des Evaluationspro-zesses beobachtet die Lehrkraft („L“) die Interaktion der Studierenden („S“) mit dem Inhalt des Unterrichts („I“) und bekommt entsprechende Information über die Performanz zurück. Im Feedback kann nun gemeinsam analysiert und reflektiert werden, was beibehalten („Stärken stärken“) und was beendet oder verändert werden soll („Schwächen schwächen“). Daraus können dann die Ler-nenden ihre nächsten Schritte herausarbeiten und gelangen mit Unterstüt-zung der Lehrkraft zum Aktionsplan künftiger Veränderungen

verhaltensbezogenes

F e e d b a c kminimales interaktives

Lern

klim

a

Lern

ziel

e

Eval

uatio

n

Abb. 2 8 Säulen für effektives Feedback. Die verschiedenen Ebenen von Feedback können erst effektiv sein, wenn das Lernklima ein Ge-spräch im gegenseitigen Vertrauen zulässt. Die Lernziele als Grundlage der Beobachtung und der Einschätzung müssen bekannt sein, um einerseits Evaluationskriterien zu haben und an-dererseits neue Lernziele (einen „Aktionsplan“) zu formulieren

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Leitthema

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Bei kontinuierlichem Feedback besteht die Gelegenheit zu wiederholter Perfor-manz und wiederholtem Feedback, wo-durch Kompetenzen und Verhalten suk-zessive verfeinert werden können.

Wenn möglich, sollte Augenmerk auf das Etablieren von kontinuierlichem Feed-back gelegt werden. K.A. Ericsson beschäf-tigte sich mit der essenziellen Bedeutung von kontinuierlichem Feedback im Zusam-menhang mit dem von ihm als „delibera-te practice“ bezeichneten Verhalten. Damit wird eine Form von „zielgerichteter Praxis“ beschrieben, in der der Trainer die Übun-gen so arrangiert, dass der Plan zur Verbes-serung der spezifischen Kompetenzen stän-dig neu angepasst wird. „Deliberate practi-ce“ macht letztlich den Unterschied zwi-schen Weiterentwicklung und Stagnation aus (oder gar den Abfall vom bereits erwor-benen Kompetenzniveau; [7]).

Feedback ist gerade wegen unserer Schwierigkeiten in der Selbsteinschät-zung als „Außenwahrnehmung“ so wich-tig. Das Konzept des lebenslangen Ler-nens geht ja davon aus, dass eigene Kom-petenzlücken wahrgenommen werden und diese durch entsprechende Lernakti-vitäten aufgefüllt werden.

Fazit für die Praxis

F  Der Zweck von effektivem Feedback, wie schon eingangs erwähnt, ist

1 Stärken zu stärken und1 Schwächen zu schwächen.F  Feedback geben kann erlernt werden, 

und zwar auf der Ebene von Wissen, Fertigkeiten und Haltungen. In der Interaktion mit dem Lernenden soll ein Perspektivenabgleich zwischen spezifischer, zeitnaher Beschreibung eines beobachteten Verhaltens mit einem vorgegeben Standard erfol-gen, mit dem Ziel einen Plan zur Ver-

haltensänderung zu formulieren.  Effektives Feedback ermöglicht letzt-endlich

1 den Lernenden ihr Wissen, ihre  Fertigkeiten und ihre Haltungen zu verbessern,

1 den Lehrenden zu erfahren, wie sie ihren Unterricht effektiver gestal-ten können.

Korrespondenzadresse

Dr. J. BreckwoldtKlinik für Anästhesiologie mit Schwerpunkt operative Intensivmedizin, Charite – Universitäts medizin Berlin, Campus Benjamin FranklinHindenburgdamm 30, 12200 Berlin

[email protected]. Vie-le Gedanken dieses Artikels stammen aus der publi-zierten Literatur, aber noch viel mehr aus den vielen Gelegenheiten zu Feedback im Unterricht. So möch-ten wir uns besonders bei allen Lernenden bedanken, die unsere Erkenntnisse im Feedback erweitert haben. Speziellen Einfluss hatten sicherlich auch die Erfahrun-gen aus den Kursen des European Resucitation Coun-cils und aus den Workshops des „Stanford Faculty De-velopment Center for Medical Teachers“ (http://sfdc.stanford.edu/; [17]), das die theoretische Grundlage für den Artikel geliefert hat.

Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt für sich und seine Koautoren an, dass kein Interes-senkonflikt besteht.

Literatur

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3. Brett JF, Atwater LE (2001) 360 degree feedback: accuracy, reactions, and perceptions of usefulness. J Appl Psychol 86:930–942

4. Conaghan P, Lockey A (2009) Feedback to feedfor-ward. A positive approach to improving candidate success. Notfall Rettungsmed 12(Suppl 2):45–48

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10. Griffith CH (2000) Evidenced-based educational practice: the case for faculty development in tea-ching. Am J Med 109:749–752

11. Henderson P, Ferguson-Smith AC, Johnson MH (2005). Developing essential professional skills: a framework for teaching and learning about feed-back. BMC Med Educ;5:11 doi:10.1186/1472-6920-5-11

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13. Kruidering-Hall M, O’Sullivan PS, Chou CL (2009) Teaching feedback to first-year medical students: long-term skill retention and accuracy of student self-assessment. J Gen Intern Med 24:721–726

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16. Regehr G, Kevin Eva K (2006) Self-assessment, Self-direction, and the Self-regulating Professional. Clin Ortho Rel Res 449:34–38

17. Skeff K, Stratos G (2011) Stanford Faculty Develop-ment Program for Clinical Teaching, http://sfdc.stanford.edu/clinical_teaching.html last accessed 25.12.2011

18. Skeff KM, Stratos GA, Berman J, Bergen MR (1992) Improving clinical teaching. Evaluation of a na-tional dissemination program. Arch Intern Med 152:1156–1161

19. Sostok M, Coberly L, Rouan G (2002) Feedback Pro-cess between Faculty and Students. Acad Med 77:267

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21. Ridder JM van de, Stokking KM, McGaghie WC, Ca-te OT ten (2008) What is feedback in clinical educa-tion? Med Educ 42:189–197

Tab. 3 Effektives Feedback geben – das „PEARLS“-Konzept nach [14, 15]: Um eine Bezie-hung aufzubauen sind folgende Punkte entscheidend

Partnership (Partnerschaft): „Ich schätze es, mit dir an dem Projekt zu arbeiten“

Empathy (Einfühlungsvermögen): „Es klingt frustrierend, sich so abzumühen“

Apology (Entschuldigung): „Es tut mir leid, von deinen Schwierigkeiten zu hören“

Respect (Respekt): „Danke, dass du deine Ansichten mit uns teilst“

Legitimation (Rechtfertigung): „Das ist wirklich eine schwierige Aufgabe“

Support (Unterstützung): „Mal schauen, wie ich dir dabei helfen kann“

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