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© Selbstständige Schule Lehren und Lernen für die Zukunft Guter Unterricht und seine Entwicklung im Projekt "Selbstständige Schule"

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Guter Unterricht und seine Entwicklung im Projekt "Selbstständige Schule"

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Stand: März 2004 Gliederung Vorwort Seite 3 1 Für das Leben lernen Seite 4 2 Was ist “guter“ Unterricht Seite 5 2.1 Bildungsziele der Schule Seite 5 2.2 Ansprüche der selbstständig Lernenden an den Unterricht Seite 6 2.3 Merkmale “guten“ Unterrichts Seite 8 2.3.1 Unterrichtsplanung Seite 8 2.3.2 Unterrichtsdurchführung Seite 9 2.3.3 Leistungsbewertung und Unterrichtsevaluation Seite 10 2.4 Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer Seite 10 3 Unterrichtsentwicklung Seite 12 3.1 Unterrichtsentwicklung als zentrale Dimension der Schulentwicklung Seite 12

3.2 Merkmale einer gelingenden Unterrichtsentwicklung Seite 12 3.3 Steuerung und Leitung einer gelingenden

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Unterrichtsentwicklung Seite 13 3.4 Qualifizierungsprogramm als Voraussetzung für eine gelingende Unterrichtsentwicklung Seite 14 4 Fortbildung für Lehrrerinnen und Lehrer Seite 16 4.1 Trainings zur Unterrichtsentwicklung für

Lehrerinnen und Lehrer Seite 16

4.2 Merkmale der “guten“ Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung Seite 18 Literaturverzeichnis Seite 19

Die Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts ist das zentrale Ziel des Projektes "Selbstständige Schule", des gemeinsamen Mo-dellvorhabens des nordrhein-westfälischen Schulministeriums und der Bertelsmann Stiftung. Wenn im Rahmen dieses Projektes von Unterrichtsqualität und Unter-richtsentwicklung gesprochen wird, muss dargelegt werden, was damit gemeint ist. Deshalb haben sich Vertreter des Schulministeriums, die Koordinatoren der Bezirks-regierungen und Vertreterinnen und Vertreter der Bertelsmann Stiftung sowie der Projektleitung auf ein gemeinsames Verständnis der Qualität des Unterrichts und der Unterrichtsentwicklung und – zur Unterstützung dessen in einem wichtigen Sek-tor – auf ein Programm zur Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern verständigt, das auf die Vermittlung überfachlicher Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern gerichtet ist. Das gemeinsame Verständnis, das hier formuliert wird, berücksichtigt Ergebnisse neuerer Forschung zum Lehren und Lernen1, schulpolitische Grundlagen und Ent-scheidungen des Landes Nordrhein-Westfalen2 sowie Erkenntnisse über die Unte-richtsentwicklung, insbesondere die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern, und über die Qualifizierung von Lehrerinnen und Leh-rern aus dem Projekt "Schule & Co."3

Kennzeichnend für das vorliegende Konzept sind die folgenden Funktionen:

● Es beschreibt einen Referenzrahmen, an dem sich die beteiligten und inte-

ressierten Schulen und Regionen bei der Einschätzung ihres Arbeitsstan- 1 Vgl. hierzu insbesondere: Helmke, A., Unterrichtsqualität – erfassen, bewerten, verbessern, Seelze 2003 2 Vgl. hierzu insbesondere: Bildungskommission NRW, Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft, Neuwied 1995; Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen, "...und sie bewegt sich doch!“ Entwicklungskonzept "Stärkung der Schule“, Frechen 1997; die neueren Richtlinien für die Gesamtschule, die gymnasiale Oberstufe, die Bildungsgänge der Berufskollegs und die Grund-schule in Nordrhein-Westfalen 3 Vgl. hierzu: Bastian, J. / Rolff, H.-G., Abschlussevaluation des Projektes “Schule & Co.“, Gütersloh 2002; Holtappels, H.G. / Leffelsend, S., Entwicklung überfachlicher Kompetenzen durch Schülertrai-nings und Unterrichtsentwicklung: Ergebnisse einer Schülerbefragung als Teil der Abschlusseva-luation des Projektes “Schule & Co.“ – Forschungsbericht, Gütersloh 2003

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des, bei ihren Entwicklungsvorhaben und ihrer Fortbildungsplanung im Rahmen der Schulprogrammarbeit orientieren können.

● Es formuliert im Anschluss an Weinert ein Leitbild einer guten Lernkultur,

ohne Realisierungsmöglichkeiten im Einzelnen auszudifferenzieren. ● Mit Bezug auf dieses Leitbild einer guten Lernkultur wurde zwischen den

Projektträgern und den Koordinatoren der Bezirksregierungen vereinbart, in diesem Modellvorhaben dazu beizutragen, dass das selbstständige Lernen der Schülerinnen und Schüler in einer Vielfalt von Lehr- und Lernarrange-ments stärker in das Zentrum des Unterrichts gerückt wird.

● Das Konzept gibt Hinweise zur systematischen Unterrichtsentwicklung im –

hier allerdings nur gestreiften – Kontext von Organisationsentwicklung und Personalentwicklung.

● Es zielt mit dem Angebot des Qualifizierungsprogramms für Lehrerinnen und Lehrer auf einen Teilbereich dessen, was selbstständiges Lernen vor-aussetzt, nämlich die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen bei den Schülerinnen und Schülern sowie auf ihre Verknüpfung mit den erforderli-chen fachlichen Kompetenzen, ohne Unterrichtsentwicklung auf diesen As-pekt verengen zu wollen.

● Es geht von der Erkenntnis aus4, dass intensive Trainings von Schülerinnen

und Schülern zur Entwicklung überfachlicher Kompetenzen ihre Wirkung erst dann nachhaltig entfalten können, wenn sie hinreichend häufig in diffe-renzierte, methodisch vielfältig gestaltete Lehr- und Lernarrangements ein-gebunden werden.

1 Für das Leben lernen Kinder und Jugendliche, Junge und Alte, alle Menschen lernen ständig und in unter-schiedlichen schulischen und außerschulischen Kontexten. Ihre Lernprozesse sind höchst individuell und komplex. Bei aller Unterschiedlichkeit – so belegt die neuere Hirnforschung – ist allem Lernen jedoch eines gemeinsam: Man lernt vor allem durch Handeln in als relevant empfundenen Kontexten, durch langsames "Können-Lernen"5, wobei geistiges Handeln eingeschlossen ist.

Es kann davon ausgegangen werden, dass es wesentlich von der Lernerfahrung in der Schule abhängt, wie gut oder wie schlecht dieses lebenslange Lernen "funktio-niert". Schulische Bildung wird von Schülerinnen und Schülern in unterrichtlichen und außerunterrichtlichen Zusammenhängen erworben, aber in erster Linie erfolgt ein systematischer Erwerb von fachlichen und überfachlichen Kompetenzen inner-halb des schulischen Unterrichts, also zentral in curricularen Dimensionen.

4 siehe Holtappels, H.G. / Leffelsend, S., S. 62 f. 5 Spitzer, M., Lernen. Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg und Berlin 2002, S. 65

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Bei der zentralen Bedeutung des schulischen Unterrichts müssen zugleich zwei Aspekte deutlich im Blick gehalten werden. Zum einen muss der Bildungsgang einer einzelnen Schülerin oder eines einzelnen Schülers, der mehrere Unterrichtsfächer über mehrere Jahrgangsstufen umfasst, in Gänze betrachtet werden. Zum anderen erfährt die einzelne Schülerin oder der einzelne Schüler Bildung in weiteren gesell-schaftlichen Zusammenhängen, die über die Einzelschule hinaus reichen, d.h. die oder der Jugendliche besucht mehrere Schulen in der Region und wird mit anderen Bildungsakteuren in ihrem oder seinem Sozialraum konfrontiert. Jugendliche müssen zum Ende der Pflichtschulzeit ein ganzes Bündel von Kompe-tenzen erworben haben, um lebens- und berufsbedeutsame Situationen erfolgreich meistern zu können. Diese Erkenntnis spiegelt sich auch in dem Literacy-Konzept wider, von dem die PISA-Studie ausgeht. Es geht um Kompetenzen, die in moder-nen demokratischen Gesellschaften für eine befriedigende und selbstverantwortete Lebensführung in persönlicher und wirtschaftlicher Hinsicht sowie für die aktive Teil-habe am gesellschaftlichen Leben notwendig sind.6 Unter Kompetenzen versteht man nach Weinert "die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kogni-tiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die da-mit verbundenen motivationalen, volitionalen7 und sozialen Bereitschaften und Fä-higkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verant-wortungsvoll nutzen zu können."8 Mit anderen Worten: Kompetenz ist die funktiona-le Verbindung von Wissen, Verstehen, Können und Wollen. Dem lebenslangen Lern- und Bildungsprozess liegt das Leitbild einer "selbstständi-gen Lernerin" bzw. eines "selbstständigen Lerners" zugrunde. Selbstständig Ler-nende sind in der Lage, "ihr eigenes Lernen [zu] regulieren, [...] sich selbstständig Lernziele zu setzen, dem Inhalt und Ziel angemessene Techniken und Strategien auszuwählen und sie auch einzusetzen. Ferner halten sie ihre Motivation aufrecht, bewerten die Zielerreichung während und nach Abschluss des Lernprozesses und korrigieren – wenn notwendig – die Lernstrategie."9 Sie sind in der Lage, ihre Lern-ziele und Lernstrategien auch in komplexeren sozialen Beziehungen gemeinsam mit anderen Personen zu entwickeln, umzusetzen und kritisch zu hinterfragen. Wenn Schülerinnen und Schüler wesentliche Grundlagen für das lebenslange Ler-nen im schulischen Unterricht erwerben sollen, dann muss auch klar sein, welche Beiträge der schulische Unterricht zum Kompetenzerwerb leisten und welche Mög-lichkeiten er eröffnen muss, damit Schülerinnen und Schüler sich zu selbstständigen Lernerinnen und Lernern entwickeln können. Das führt zu der Frage, was "guten Unterricht" ausmacht. 2 Was ist "guter" Unterricht?

6 Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), PISA 2000, Opladen 2001, S. 16 7 vom eigenen Willen gesteuert 8 Weinert, F.E., Leistungsmessung in Schulen, Weinheim und Basel 2001, S. 27 f. 9 Deutsches PISA-Konsortium (Hrsg.), a.a.O.,S. 271

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2.1 Bildungsziele der Schule Das bekannteste und einflussreichste Leitbild einer guten Lernkultur hat Weinert vorgelegt10. An ihm orientiert sich dieser Text im Sinne eines Referenzrahmens. Es beschreibt sechs fundamentale fachliche und überfachliche Bildungsziele, die auf dem Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule basieren:

• Erwerb intelligenten Wissens Intelligentes Wissen ist nicht reines Faktenwissen, sondern ein gut organi-siertes, fachlich und überfachlich und auch lebenspraktisch vernetztes Sys-tem von flexibel nutzbaren Fähigkeiten, Fertigkeiten, Kenntnissen und meta-kognitiven Kompetenzen11.

• Erwerb anwendungsfähigen Wissens

Wissen gut geordnet im Kopf gespeichert zu haben, bedeutet noch nicht, dass man es anwenden kann. Die Schule muss deshalb dafür sorgen, dass Schülerinnen und Schüler lernen, ihr Wissen in unterschiedlichen, möglichst auch fachübergreifenden Anwendungssituationen zu nutzen.

• Erwerb variabel nutzbarer Schlüsselqualifikationen

Schlüsselqualifikationen sind wichtige Kenntnisse und wichtiges Können, die nicht nur in einer Situation, sondern in möglichst vielen Situationen anwend-bar sind. Dazu gehören beispielsweise die Lesekompetenz und die Medien-kompetenz, aber auch die nachfolgend genannten Kompetenzen.

• Erwerb des Lernen Lernens (Lernkompetenz)

Damit werden die Lernprozesse selbst zum Gegenstand des Unterrichts. Es geht darum, mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam nicht nur zu re-flektieren, was sie gelernt haben, sondern auch wie sie es gelernt haben. Das bedeutet, für jedes Fach die erfolgreichen Lernwege und Lernstrategien zu erfassen und bewusst zu machen. Das Ziel ist, Expertise für das eigene Lernen zu gewinnen.

• Erwerb sozialer Kompetenzen

Hier geht es um soziales Verstehen, soziale Geschicklichkeit, soziale Ver-antwortung und Konfliktlösungskompetenz.

• Erwerb von Wertorientierungen

Es geht um den Aufbau einer Schulkultur, durch die soziale, demokratische und persönliche Werte vermittelt werden können.

10 Weinert, F.E., Lehren und Lernen für die Zukunft – Ansprüche an das Lernen in der Schule. Vortrag am 29.03.2000 im Pädagogischen Zentrum in Bad Kreuznach, in: Pädagogische Nachrichten Rhein-land-Pfalz 2/2000, S. 5 ff. 11 Der Begriff "metakognitive Kompetenz“ wird auf S. 7 erklärt.

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Die wichtigste Aufgabe des Bildungs- und Ausbildungssystems und des lebenslan-gen Lernens besteht darin, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene intelligentes Wissen erwerben. „Es gibt keine herausragende Kompetenz auf anspruchsvollen Gebieten ohne ausreichendes inhaltliches Wissen. Nach dem gegenwärtigen For-schungsstand der Kognitionswissenschaften kann es keine Zweifel geben, dass es zum Scheitern verurteilt ist, wenn man durch formale Techniken des Lernen lernens oder mit Hilfe einiger weniger Schlüsselqualifikationen fehlendes oder mangelhaftes inhaltliches Wissen kompensieren wollte."12 Die wichtigste Voraussetzung für an-spruchsvolle Lernprozesse sind eben nicht formale Schlüsselqualifikationen, son-dern eine solide und gut organisierte Wissensbasis. 2.2 Ansprüche der selbstständig Lernenden an den Unterricht Im Bewusstsein dieses Zusammenhangs wurde die eingangs angesprochene Ver-einbarung getroffen dazu beizutragen, das "selbstständige Lernen" im Projekt "Selbstständige Schule" stärker zu förden. Ausgangspunkt dieser Vereinbarung sind folgende Gesichtspunkte:

• die Einschätzung, dass der stark lehrergeleitete Unterricht in unseren Schu-len sehr verbreitet ist, und allein die oben genannten Bildungsziele nicht er-reichbar erscheinen lässt;

• der Auftrag des Landes NRW, wie er z.B. im Vorwort der Schulministerin zu

Richtlinien und Lehrplänen formuliert ist, Lernprozesse, die nicht nur auf kurzfristige Lernergebnisse zielen, sondern dauerhafte Lernkompetenzen aufbauen, zu verstärken, indem deutlicher Lehr- und Lernsituationen vorge-sehen werden, die selbstständiges Lernen und Lernen in der Gruppe be-günstigen und die Selbststeuerung des Lernens verbessern13;

• die Erkenntnis, dass die Selbstregulation des Lernens insbesondere vor dem

Hintergrund lebenslanger Lernprozesse wichtig ist und auch das fachliche Lernen befördert, wie die PISA-Studie insbesondere im Bereich der Lese-kompetenz nachweist. „Lesekompetenz im Sinne effektiver Informationsver-arbeitung", heißt es dort, „bedarf einer intentionalen und strategischen Steu-erung des Lern- und Leseprozesses."14

Schülerinnen und Schüler als selbstständig Lernende können den Anspruch erhe-ben, dass fachliches und überfachliches Lernen im Sinne der Bildungsziele Wei-nerts in einen methodisch variabel und vielfältig gestalteten Unterricht integriert werden und zum Erwerb komplexer Handlungskompetenzen führen, bei denen "in-tellektuelle Fähigkeiten, bereichsspezifisches Vorwissen, Fertigkeiten und Routinen, motivationale Orientierungen, metakognitive und volitionale Kontrollsysteme sowie

12 Weinert, F.E., a.a.O.., S. 5 13 Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-

Westfalen (Hrsg.), Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium / Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen, Frechen 1999

14 Deutsches PISA-Konsortium, a.a.O., S. 76

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persönliche Wertorientierungen"15 zusammenwirken, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Dabei spielt die Fähigkeit zur Selbstregulation des eigenen Lernens eine bedeutsa-me Rolle. Es handelt sich bei der Selbstregulation um ein "dynamisches Wechsel-spiel zwischen kognitiven, metakognitiven und motivationalen Aspekten des Ler-nens."16 Den Ausführungen im 6. Kapitel der PISA-Studie folgend17, können diese Aspekte wie folgt gekennzeichnet werden:

• Auf der kognitiven Ebene geht es um die Kenntnis, Auswahl und Anwendung von bereichsspezifischen und allgemeinen Lernstrategien zur Informations-verarbeitung und Problemlösung, verbunden mit Wissen um deren Wert und Nutzen. Dabei versteht man unter einer Strategie eine bewusst einsetzbare, häufig aber automatisierte Folge von Handlungsschritten, die in einer be-stimmten Situation aus dem Handlungsrepertoire abgerufen und situations-adäquat eingesetzt wird, um Lern- oder Leistungsziele zu erreichen. Dazu gehören insbesondere Lern- und Problemlösestrategien.

• Auf der metakognitiven Ebene handelt es sich um Strategien zur Steuerung

des Lernprozesses. Hierzu zählen die Planung (z.B. des Lernziels und der Mittel, die zur Zielerreichung notwendig sind), die Überwachung (z.B. des Lernfortschritts), die Steuerung (z.B. durch die Veränderung der Mittel), die Kontrolle und Bewertung der Zielerreichung sowie die Kenntnis eigener Stärken und Schwächen beim Lernen.

• Auf der motivationalen Ebene zeichnen sich selbstregulierte Lerner dadurch

aus, dass sie in der Lage sind, sich selbstständig Ziele zu setzen, sich selbst zu motivieren, Lernvorgänge gegenüber konkurrierenden Handlungswün-schen abzuschirmen und Erfolge und Misserfolge angemessen zu verarbei-ten.

Die Fähigkeit zur Selbstregulation ist nicht abstrakt erlernbar, sondern nur in der konkreten, reflektierten Auseinandersetzung mit spezifischen Gegenständen. Sie kann u.a. dadurch gefördert werden, dass nach dem Ablauf bestimmter Lernse-quenzen eine metakognitive Pause eingelegt wird, um mit den Schülerinnen und Schülern gemeinsam den bisherigen Lernprozess und die Lernergebnisse zu reflek-tieren. 2.3 Merkmale "guten" Unterrichts „Ob Unterricht gut oder schlecht ist, ob Lehrkräfte erfolgreich oder erfolglos sind, hängt entscheidend davon ab, welche Zielkriterien man zugrunde legt"18, betont A. Helmke mit Bezug auf die Bildungsziele Weinerts und fügt erläuternd hinzu: „Um das Lernen zu lernen oder um soziale Kompetenzen zu erwerben, sind andere Lehr-Lern-Szenarien angemessen als für den systematischen sachlogischen Wissens- 15 Deutsches PISA-Konsortium, a.a.O., S. 22 16 Deutsches PISA-Konsortium, a.a.O., S. 271 17 Deutsches PISA-Konsortium, a.a.O., S. 272 f. 18 Helmke, A., a.a.O., S. 44

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aufbau"19, der nach Weinert eine Unterrichtsmethode erfordert, die lehrergesteuert, aber schülerzentriert ist20. Daraus folgt: den guten Unterricht, die ideale Lehrmetho-de kann es nicht geben. Sinnvoll ist, fasst man die sechs genannten Bildungsziele ins Auge, eine Balance zwischen lehrergesteuerten und schülergesteuerten Unter-richtsformen. Dabei können und müssen z.B. Lehrgänge und Trainings genauso zur Anwendung kommen wie routinebildende Phasen und projektartiges Arbeiten. Im Folgenden wird eine Reihe von wichtigen Merkmalen "guten" Unterrichts darge-stellt, die sich sowohl auf die Unterrichtsplanung als auch auf die Unterrichtsdurch-führung und die Leistungsbewertung beziehen. Im künftigen Prozess der Unter-richts- und Schulentwicklung verständigt sich die Schule auf der Basis dieses Kon-zeptes insbesondere mit der Schulaufsicht auf gemeinsame Merkmale, Kritierienka-taloge und Indikatoren für Schul- und Unterrichtsqualität. Diese werden dann Grund-lage sowohl der internen als auch der externen Evaluation. 2.3.1 Unterrichtsplanung

• Orientierung an Planungen im Team der Lehrerinnen und Lehrer, wobei die unterschiedlichen Ausgangssituationen und Dispositionen der Lernenden analysiert und vertikale Transfers zum Aufbau zunehmend anspruchsvollen fachlichen Lernens (durch das Fachteam) und horizontale Transfers in ähnli-che fachliche oder fachübergreifende Kontexte (durch das Klassen-, Jahr-gangs- oder Bildungsgangteam) berücksichtigt werden.

• Orientierung an fachlich bedeutsamen Standards (insbesondere an Kern-

lehrplänen), wobei die Unterschiede in den Lernständen und im Leistungs-vermögen der Lernenden analysiert und berücksichtigt sowie vorhandenes Wissen und erworbene Kompetenzen gezielt einbezogen werden.

• Orientierung an den Bedürfnissen und Interessen der Lernenden im Rahmen

curricularer Vorgaben durch die Einbeziehung der Schülerinnen und Schüler in die Planung und Gestaltung der Lernprozesse, wobei die The-men, Probleme und Sachverhalte altersangemessen und für die Lernenden sinnstiftend und bedeutsam und die thematischen und methodischen Ziele und Schwerpunkte sowie die Anforderungen transparent sind.

• In Abhängigkeit von Altersstufe, Schulform und Fach ist der Unterricht stär-

ker in Form von Unterrichtsvorhaben, d.h. in offenen und komplexen Lernsi-tuationen so organisiert, dass sie Folgendes ermöglichen, erfordern und un-terstützen:

○ mehrere Perspektiven auf ein Thema ○ eine gemeinsame Arbeitsplanung ○ unterschiedliche Leistungsniveaus

19 Helmke, A., a.a.O., S. 46 20 Weinert, F.A., Lehren und Lernen für die Zukunft, a.a.O., S. 6

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○ individuelle Lernwege ○ selbstständige Auswahl erlernter Methoden und Strategien ○ den Blick über die Grenzen des Faches ○ kooperatives Lernen ○ ganzheitliches Lernen ○ die Reflexion der Lernwege und –ergebnisse

• Auswahl eines gut aufbereiteten, anregenden, gehaltvollen und mehrper-spektivischen Materials und kognitiv anspruchsvoller, klar definierter, nach Möglichkeit problemhaltiger divergenter Aufgaben, d.h. von Aufgaben, deren Bearbeitung möglichst wenig durch festgelegte Vorgaben eingeengt sind und die verschiedene Lösungs- und individuelle Bearbeitungswege ermöglichen.

2.3.2 Unterrichtsdurchführung

• Die fachlichen Standards sind Orientierungspunkte im Lernprozess. • Das Vorwissen der Schülerinnen und Schüler wird gezielt aktiviert und

als Grundlage der weiteren Arbeit genutzt. • Der Arbeitsprozess ist in allen Phasen für die Lernenden transparent:

Zeitplan, Arbeitsschritte, Produkte und deren Qualität, Präsentation. • Arbeitspläne werden durch einen begleitenden Reflexionsprozess ge-

meinsam überprüft, weiterhin eingehalten oder begründet revidiert. • Offene Lernformen, die selbstständige Entscheidungen der Schülerinnen

und Schüler über das methodische Vorgehen ermöglichen, Formen der direkten Instruktion sowie Lehrgangs- und Trainingslernen sind in den Lernprozess funktional integriert.

• Für systematisches individuelles und kooperatives Arbeiten und Lernen steht ausreichend Zeit zur Verfügung, die optimal genutzt wird.

• Begriffe, Sachverhalte, Zusammenhänge und Verstehensprobleme wer-den rechtzeitig und gründlich geklärt.

• Lehrende und Lernende lassen Fehler und Lernumwege zu und lernen aus ihnen.

• Neue Medien werden angemessen eingesetzt. • Arbeitsergebnisse werden angemessen präsentiert. • Der Unterricht enthält in angemessenem Umfang klar ausgewiesene

Leistungssituationen für Einzelne oder für Gruppen. • Das Gelernte wird durch intelligente und anspruchsvolle Formen des

Übens in variablen Anwendungskontexten gefestigt, bei denen horizonta-le und vertikale Transfers möglich sind.

• Die Lernprozesse und Lernergebnisse werden von den Lernenden konti-nuierlich reflektiert und eingeschätzt.

• Der Umgang zwischen den Lernenden sowie zwischen Lernenden und Lehrenden ist von Respekt und Fairness geprägt.

• Eine offene Lernatmosphäre sowie klare Regeln und Vereinbarungen un-terstützen die Arbeit der Lerngruppe.

• Sitzordnung, Raumgestaltung und –ausstattung ermöglichen den Ler-nenden anforderungsgerechtes Arbeiten.

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2.3.3 Leistungsbewertung und Unterrichtsevaluation

• Die Leistungsbewertung ist transparent und berücksichtigt Leistungen in allen Kompetenzbereichen.

• Die Formen der Leistungsmessung sind vielfältig und der Komplexität des Kompetenzerwerbs angemessen.

• Zur Selbstvergewisserung der Lehrenden über den Erfolg ihrer Arbeit und zur Qualitätssicherung im Unterricht kommen variable, aber methodisch kontrollierte Feedbackverfahren zur Anwendung, die nützliche Informati-onen über Lernerfolge, Lernbarrieren und Lernschwierigkeiten einzelner Lernender oder von Lerngruppen liefern und die Grundlage für individuel-le Beratungs- und Unterstützungsstrategien bilden.

• Von den Lehrenden gezielt eingeholte Feedbacks der Lernenden sind darüber hinaus eine Grundlage für eine Verbesserung der Unterrichtspla-nung und –durchführung.

2.4 Anforderungen an die Lehrerinnen und Lehrer Die in diesem Abschnitt formulierten Aussagen erheben nicht den Anspruch, ein vollständiges Kompetenzprofil für Lehrerinnen und Lehrer darzustellen. Im Rahmen des dargestellten Konzeptes sind jedoch folgende Kompetenzen besonders wichtig: Auf der Grundlage dessen, was insgesamt die Lehrerexpertise ausmacht21, akzen-tuieren sie bestimmte unterrichtsrelevante Merkmale von Lehrenden, die im Rah-men des Modellprojektes "Selbstständige Schule" unter dem zentralen Ziel der Ver-besserung der Qualität schulischer Arbeit, insbesondere des Unterrichts, für beson-ders wichtig erachtet werden.

• Aus der empirischen Forschung über Schulqualität ist bekannt, dass in guten Schulen überdurchschnittlich häufig eine systematische Zusammenarbeit zwischen Lehrerinnen und Lehrern festzustellen ist. Sie drückt sich vor allem in einem starken Konsens in didaktisch-methodischen Fragen, in der be-ständigen Abstimmung des Unterrichts und in einer ständigen gemeinsamen Erörterung und Festlegung von übergreifenden Verhaltensregeln aus.22 Es gehört demnach zum wohlverstandenen Selbstverständnis von Lehrerin-nen und Lehrern, sich als Lehrende und Lernende im Team zu sehen. Das bedeutet, bereit und fähig zu sein, Unterricht und Erziehung gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen im Zusammenwirken der Unterrichtsfächer zu pla-nen, zu evaluieren und weiterzuentwickeln. Eine aufgabenbezogene und ef-fiziente Teamarbeit erfolgt in einer gemeinsamen didaktischen Jahrespla-nung, insbesondere im Klassen-, Jahrgangs- und Bildungsgangteam, die

21 Hier sei verwiesen auf : Helmke, A., a.a.O., Kapitel 3: Lehrerexpertise, Kontext und Unterrichtsquali-tät 22 Haenisch, H., Gute und schlechte Schulen im Spiegel der empirischen Schulforschung, in: Tillmann, K.-J. (Hrsg.), Was ist eine gute Schule, Hamburg 1989, S. 32 – 46, hier S. 35

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Ziele, Arbeitsplanung und Verfahren zur Kontrolle der Zielerreichung aus-weist.

• Die kontinuierliche Reflexion des eigenen Unterrichts ist nicht nur ein

Kennzeichen der Professionalität des Lehrerhandelns, sondern nach Helmke eine "Schlüsselbedingung" der Verbesserung des eigenen Unterrichts. Er führt aus: "Die Fähigkeit und Bereitschaft, den eigenen Unterricht in seiner Gesamtheit jederzeit selbstkritisch zu hinterfragen, verfügbare Methoden und Werkzeuge (beispielsweise Schülerfeedback, kollegiale Rückmeldung und Supervision zum Unterricht, oder Messung unterrichtlicher Wirkungen) zur Selbstdiagnose und –verbesserung einzuholen, ist ein zentrales und für den Unterrichtserfolg unabdingbares Merkmal der Lehrperson."23

• Damit korrespondieren diagnostische Kompetenzen, um Lernvorausset-

zungen, Lernfortschritte und Leistungsprobleme der einzelnen Schülerinnen und Schüler fortlaufend beurteilen und darauf aufbauend weitere Lernschritte und Lernaufgaben sowie Förderungsmaßnahmen planen und organisieren zu können. Die diagnostische Kompetenz von Lehrerinnen und Lehrern ist vielfach, zuletzt von der PISA-Studie24, als defizitär angesprochen worden.

• Die Differenziertheit der Formen eines "guten" Unterrichts erfordert eine dif-

ferenzierte Wahrnehmung von Rollen, die Lehrerinnen und Lehrer einneh-men und beherrschen müssen. Den Lehrenden als "Expertinnen und Exper-ten für das Lernen" obliegt als Kernaufgabe die "gezielte und nach wissen-schaftlichen Erkenntnissen gestaltete Planung, Organisation und Reflexion von Lehr- und Lernprozessen sowie ihre individuelle Bewertung und syste-mische Evaluation"25. Sie können sich also aus der Aufgabe der Steuerung der Lernprozesse auf keinen Fall zurückziehen, die Steuerung aber direkter oder indirekter ausüben. Die Rolle der indirekten Steuerung schließt dabei Segmente wie die Prozessmoderation, Lernberatung, Unterstützung und Hil-fe ein, die bei stärker von den Schülerinnen und Schülern selbstständig ges-talteten Lernprozessen hervortreten können.

• Um die Selbstständigkeit von Schülerinnen und Schülern in ihren Lernpro-zessen zu stärken, müssen Lehrerinnen und Lehrer über die didaktisch-methodischen Fähigkeiten verfügen, ihren Schülerinnen und Schülern schrittweise die notwendigen Kompetenzen zu vermitteln und altersgemäße, zunehmend offenere Lehr- und Lernszenarien zu planen und zu organisie-ren, in denen sie diese zielbezogen in fachlichen Zusammenhängen einset-zen können. Was die Kompetenzen anbetrifft, geht es insbesondere um fachspezifische Methoden und Strategien (z.B. das Experimentieren im na-turwissenschaftlichen Unterricht, das Problemlösen im Mathematikunterricht) und um überfachliche Fähigkeiten, Methoden und Strategien sowie Arbeits-

23 Helmke, A., a.a.O., S. 53 24 Deutsches PISA-Konsortium, a.a.O., S. 119 25 Arnold. K.-H., Beurteilungskompetenz, in: unterrichten / erziehen, 20 (1), S. 12 –15; zit. nach Helm-ke, A., a.a.O., S. 86

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und Lerntechniken, wie sie beispielsweise durch die unten beschriebene Fortbildung vermittelt werden.

• Von hoher Bedeutung für den Lernerfolg ist auch eine effiziente Klassen-

führung, d.h. die Fähigkeit, die Schülerinnen und Schüler einer Lerngruppe "zu motivieren, sich möglichst lange und intensiv auf die erforderlichen Lern-aktivitäten zu konzentrieren, und – als Voraussetzung dafür – den Unterricht möglichst störungsarm zu gestalten oder auftretende Störungen schnell und undramatisch beenden zu können", damit im Rahmen vorgegebener Zeitein-heiten die aktive Lernzeit ein hohes Ausmaß annimmt.26 Dazu bedarf es der Vereinbarung und Durchsetzung von Regeln, Routinen und Ritualen.

3 Unterrichtsentwicklung 3.1 Unterrichtsentwicklung als zentrale Dimension der Schulentwicklung Schulentwicklung erfolgt im Zusammenwirken von Organisationsentwicklung, Per-sonalentwicklung und Unterrichtsentwicklung. Letztere stellt die zentrale Dimension dar. Daraus folgt, dass eine Steigerung der Unterrichtsqualität nicht allein die Auf-gabe einer einzelnen Lehrerin oder eines einzelnen Lehrers ist, sondern dass sich eine Schule als ganzes System von Lehrenden, Lernenden und Erziehenden auf den Weg machen muss. Noch weiter gedacht: Der oder die Einzelne wird umso effektiver unterschiedliche Lernangebote, auf die er oder sie im Laufe der individuel-len Lerner-Biografie trifft, verknüpfen können, je besser diese Lernangebote selbst systematisch verbunden sind. Eine systematische, auf die Verbesserung des Unter-richts ausgerichtete innerschulische Entwicklung sowie der Aufbau regionaler Schul- und Bildungslandschaften unterstützen insofern die Entwicklung des Individuums. Will eine Einzelschule sinnvoll Unterrichtsentwicklung betreiben, so muss sie einen Verständigungsprozess aller Beteiligten innerhalb des Kollegiums, mit den Schüle-rinnen und Schülern und mit den Eltern, d.h. mit allen Beteiligten eines ganzen Sys-tems herbeiführen. Wird die Entscheidung auf der Basis fundierter Vorinformationen getroffen, so ist damit erfahrungsgemäß eine Prioritätensetzung für die Entwicklung der ganzen Schule gefallen. Die Verbesserung des Unterrichts als eines zielgerich-teten Entwicklungsprozesses für alle Beteiligten bindet viele Kräfte, sodass andere Entwicklungen zumindest für eine gewisse Zeit zurückgestellt oder mit verminderter Intensität betrieben werden, bis sie zu einem späteren Zeitpunkt integriert werden können. Diese Überlegungen müssen ihren Niederschlag auch im Schulprogramm finden. Mit der Festschreibung im Schulprogramm, die das Ergebnis der Arbeit aller Mitwirkungsorgane sein muss, ist auch eine Verbindlichkeit für alle an der Schular-beit Beteiligten gegeben. Darüber hinaus gilt diese Verbindlichkeit auch außerschu-lisch; die innerschulische Entwicklung ist gleichzeitig auch Teil des regionalen Schulentwicklungsprozesses und Baustein im angestrebten Modell einer vernetzten Bildungslandschaft.

26 Weinert, F.E., Psychologie des Lernens und der Instruktion (Enzyklopädie der Psychologie. Päda-gogische Psychologie, Bd. 2), Göttingen 1996, S. 124; zit. nach Helmke, A., a.a.O., S. 78

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3.2 Merkmale einer gelingenden Unterrichtsentwicklung Eingebettet in einen gesamtschulischen Entwicklungsprozess bedeutet Unterrichts-entwicklung, die gelingen soll:

• Lehrerinnen und Lehrer verstehen sich als Lernende in einer lernenden Or-ganisation.

• Die Schulleitung fordert und fördert diesen Entwicklungsprozess auf der Ba-sis von Leitbild und Schulprogramm und trägt die Verantwortung für die Qua-lität; sie ist in der Lehrerrolle selbst Vorbild.

• Eine schulische Steuergruppe koordiniert professionell den gesamtschu-lischen Entwicklungsprozess.

• Innerhalb dieses Prozesses werden angemessene (überfachliche und fachli-che) Teamstrukturen aufgebaut.

• Die erforderlichen Qualifizierungsmaßnahmen erfolgen sukzessive auf der Grundlage einer gesamtschulischen Fortbildungsplanung.

• Die Schule nutzt dabei die ihr zur Verfügung stehenden Gestaltungsfreiräu-me und erschließt sich – wenn erforderlich – neue Möglichkeiten.

• Die Maßnahmen werden auf Wirksamkeit und Nachhaltigkeit intern evaluiert. Eine so verstandene Unterrichtsentwicklung kann mit drei wesentlichen Merkmalen beschrieben werden: Sie muss systematisch und teamorientiert sein sowie nach und nach die ganze Schule erfassen.

• Die Unterrichtsentwicklung muss systematisch sein, meint in dem genannten Kontext, dass die einzelne Schule ihre Entwicklungsgeschwindigkeit zwar selber festlegt und in realisierbare Entwicklungsschritte einteilt, dabei aber den Lernprozess der Schülerinnen und Schüler als Ganzes berücksichtigt, d.h. die über alle Unterrichtsfächer einer Jahrgangsstufe gehende Entwick-lung genauso im Blick hat wie die über alle Jahrgangsstufen (der jeweiligen Schulform) gehende Entwicklung in einem Fach.

• Die Unterrichtsentwicklung muss teamorientiert sein, meint demnach, dass

die Lehrerinnen und Lehrer sowohl in der vertikalen als auch in der horizon-talen Betrachtung des Entwicklungs- und Lernprozesses unbedingt kooperie-ren müssen, damit bei der einzelnen Schülerin oder dem einzelnen Schüler einheitliche Kompetenzen entstehen können.

• Die Unterrichtsentwicklung muss nach und nach die ganze Schule erfassen,

bedeutet dann, dass alle Schülerinnen und Schüler die Sicherheit haben müssen, von und in diesem Entwicklungsprozess profitieren können. D.h. sie müssen ihren Lernprozess wirklich als ganzheitliche Strategie erfahren kön-nen.

Die Unterrichtsentwicklung sollte zunehmend die Kooperation mit außerschulischen Partnern einbeziehen und etwaige Ressourcen in der Region des Schulstandortes nutzen und vernetzen. D. h. der Schüler, die Schülerin erfährt in inner- und außer-

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schulischen Lernkontexten das erworbene Fachwissen als "lebensnah" und anwen-dungsbezogen. 3.3 Steuerung und Leitung einer gelingenden Unterrichtsentwicklung Ein so umfassender Entwicklungsprozess erfordert Steuerungsmechanismen, die bis heute in Schulen nicht selbstverständlich vorhanden sind. Die Schule als lernen-de Organisation muss sich systematisch und professionell weiterentwickeln, wenn Unterrichtsentwicklung nachhaltig zum Eigentum aller Beteiligten in der Schule wer-den soll. Diese Verknüpfung von Unterrichtsentwicklung und Organisationsentwick-lung unter Einbeziehung von Personalentwicklung ist inzwischen allgemein aner-kannt, haben doch weder Organisationsentwicklung noch Unterrichtsentwicklung allein zum gewünschten Erfolg, nämlich der nachhaltigen Verbesserung der Qualität schulischer Arbeit und insbesondere des Unterrichts einer ganzen Schule geführt. Für die Bewältigung einer solch komplexen Aufgabe hat sich die Einrichtung schuli-scher Steuergruppen bewährt, die die Entwicklungsarbeit der Schule systematisch planen, koordinieren und evaluieren. Schulische Steuergruppen sind zwar Ausdruck veränderter Partizipation und Mitwirkung an der Schulentwicklung, sie sind jedoch keine neuen Mitwirkungsorgane im Sinne des Schulmitwirkungsgesetzes. Sie be-stehen aus 5 – 7 Personen, wobei die Schulleiterin bzw. der Schulleiter gesetztes Mitglied ist und die anderen Mitglieder vom Lehrerkollegium bzw. der Schulkonfe-renz nach unterschiedlichen Kriterien entsprechend der Kultur und Tradition der Schule bestimmt werden27. Damit Steuergruppen erfolgreich arbeiten können, müs-sen deren Mitglieder in der Regel durch eine hochwertige Qualifizierung steuerungs-relevante Kompetenzen entwickelt haben. Über die Präsenz und Mitarbeit in der schulischen Steuergruppe hinaus trägt die Schulleiterin bzw. der Schulleiter die Führungsverantwortung für den Gesamtpro-zess und das Ergebnis der Qualitätsentwicklung und Qualitätssicherung an der Schule. 3.4 Qualifizierungsprogramm als Voraussetzung für eine gelingende

Unterrichtsentwicklung Die Differenziertheit der Entwicklungsvorhaben, die sich im Spektrum der teilneh-menden Schulen abbildet, kann durch Qualifizierungsmaßnahmen nicht bedient werden. Man denke beispielsweise an die Differenziertheit fachspezifischer Unter-richtsmethoden oder an die Vielfalt fachspezifischer methodischer Kompetenzen, über die Schülerinnen und Schüler verfügen müssen, wenn sie sich Inhalte metho-

27 An Berufskollegs sollten die Steuergruppen in den Bildungsgängen bzw. Fachbereichen gebildet werden, wobei dann statt Schulleiterin oder Schulleiter die Leiterin oder der Leiter des jeweiligen Bil-dungsganges bzw. Fachbereichs geborenes Mitglied der Steuergruppe ist. Vgl. hierzu auch: Hoppe, C. / Lohre, W., Unterrichtsentwicklung als Kern der Schulentwicklung an Berufskollegs, in: Der berufliche Bildungsweg, Nr.10 / 2003, S. 9 ff.

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disch bewusst aneignen wollen. Die Schulen selbst müssen entscheiden, welche Wege sie gehen und welche Fortbildung sie benötigen, um ihre Ziele erreichen zu können. Dabei kann das hier vorgelegte Konzept als Orientierungsrahmen hilfreich sein, indem es Merkmale "guten" Unterrichts und gelingender Unterrichtsentwick-lung beschreibt. Interessierte Modellschulen können aber, wenn es um Unterrichtsentwicklung auf der überfachlichen Ebene geht, auf ein Unterstützungspaket zugreifen, das auf schon existierenden Ansätzen und Entwicklungen in diesem Feld beruht und sich auf die bereits benannte Entwicklung überfachlicher Kompetenzen bezieht. Wie auch immer eine Schule sich entscheidet, sie sollte darauf achten, dass ihre jeweili-gen Fortbildungskonzepte anschlussfähig sind, d.h. die Einbeziehung von Erfahrun-gen mit und Kompatibilität zu komplementären Maßnahmen der Fortbildung (Trai-nings für Steuergruppen, Schulleitungsfortbildung und Evaluationsfortbildungen) gewährleisten. Bei dem hier vorgestellten Unterstützungspaket handelt es sich um Programme, bei denen sowohl das Fortbildungsangebot für Lehrerinnen und Lehrer als auch das daraus resultierende Angebot zum Aufbau von Kompetenzen für selbstständiges Lernen bei Schülerinnen und Schülern eine systematische, team-orientierte Unterrichtsentwicklung im Sinne einer Verbesserung der Lehr- und Lern-kultur sowie der Entwicklung einer pädagogischen Teamkultur ermöglicht bzw. be-fördert, die nach und nach die ganze Schule erfasst. Eine auf die systematische Verbesserung des Unterrichts gerichtete Schulentwick-lung setzt ein Qualifizierungsprogramm voraus, das im Sinne einer konzertierten Aktion möglichst vier Fortbildungsmodule synchronisiert anbieten kann: Modul 1: Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung (für Lehrerinnen und Lehrer) Modul 2: Fortbildung zum Schulentwicklungsmanagement (für schulische Steuergruppen) Modul 3: Fortbildung zu Führung, Qualitätsentwicklung, Management

(für Schulleiterinnen und Schulleiter) Modul 4: Fortbildung zur Evaluation (für schulische Beraterinnen und Berater) Die Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung, die auf die Entwicklung überfachlicher Kompetenzen bei Schülerinnen und Schülern zielt, basiert auf dem Konzept der "Pädagogischen Schulentwicklung" von Heinz Klippert28. Es koppelt in seiner wei-terentwickelten Form die beiden ersten Module und stellt ein erprobtes Programm dar, das zur Unterrichtsverbesserung beiträgt. Es ist in allen Regierungsbezirken

28 Klippert, H., Pädagogische Schulentwicklung. Planungs- und Arbeitshilfen zur Förderung einer neu-en Lernkultur, Weinheim 2000; Klippert, H., Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen. Bausteine für den Fachunterricht, Weinheim 2001; Klippert, H., Für die Zukunft lernen. Strategien zur Förderung einer neuen Lernkultur, Landau 2002

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des Landes verfügbar und wird – gemäß einer Vereinbarung der Projektträger und der Koordinatoren der Bezirksregierungen – in quantitativ und qualitativ vergleichba-rer Weise angeboten werden. Diese Fortbildungen zur Unterrichtsentwicklung sind gekoppelt an das Schulentwicklungsmanagement. Es gibt zudem verwandte sowie ergänzende und erweiternde Konzeptionen, die spezielle Facetten des Gesamtpro-zesses bearbeiten oder sich auf bestimmte Schulstufen konzentrieren. Hierbei han-delt es sich jedoch nicht um Alternativen, sondern vielmehr um Varianten eines ver-gleichbaren Ansatzes von Unterrichtsentwicklung, der den drei genannten Merkma-len folgt. Hier sei vor allem verwiesen auf die Vorstellungen des kanadischen Schul-entwicklers Norm Green ("Cooperative Group-Learning")29, auf Kerstin Tschekans "Didaktisches Training" und auf das Programm "Lernen von Anfang an" von Risters und Cwik. In dem 2002 beendeten Projekt "Schule & Co." wurden umfangreiche Entwicklungs-arbeiten zum Thema Unterrichtsentwicklung und Schulentwicklung durchgeführt und intern sowie extern evaluiert.30 Das Grundkonzept Klipperts wurde dabei deutlich, vor allem schulstufen- bzw. schulformspezifisch weiterentwickelt. Dabei wurden die Erfahrungen und Erkenntnisse von Risters / Cwik, Tschekan und Green eingearbei-tet. Das mittlerweile in vielfältiger Anwendung praktizierte Programm aus dem Pro-jektzusammenhang von "Schule & Co." ist ein mehrere Schulstufen und Schulfor-men übergreifendes Konzept einer systematischen und teamorientierten Unter-richtsentwicklung (es umfasst alle vier Fortbildungsmodule), das jedoch auch wei-terhin für vertiefende und ergänzende Entwicklungen offen ist.31 Auf die Bedeutung dieser Verschränkung weisen auch die Ergebnisse der von Holtappels und Leffelsend durchgeführten, auf die Entwicklung überfachlicher Kom-petenzen durch Schülertrainings gerichtete Schülerbefragung als Teil der Ab-schlussevaluation des Projektes "Schule & Co." hin. Die in den "Schule & Co."-Schulen durchgeführte Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung hat – wenngleich in den Schulstufen in unterschiedlichem Maße – "insgesamt eine deutlich überwiegend erfolgreiche Entwicklung methodischer Kompetenzen bei den Lernenden" bewirkt. Besonders deutliche Effekte zeigten sich im Bereich der Lernmethoden und des Präsentierens. Die Prüfung weiterführender Kompetenzen und Schlüsselqualifikati-onen ergab: „Die Schüler/innen beherrschen offenbar in hohem Maße Gruppen- und Partnerarbeit, kennen die meisten grundlegenden Lernstrategien (Wiederholungs-, Elaborations- und Kontrollstrategien) und wenden sie intensiv an, berichten über hohe Selbstständigkeit in schulalltäglichen Lernabläufen und äußern relativ hohe Selbstreflexivität in Bezug auf das eigene Lernverhalten."32 Allerdings weisen die Autoren des Forschungsberichts auch darauf hin, dass die Trainingsbausteine allein nicht schon die gewünschten Wirkungen auf Schülerkompetenzen und Lernverhal-

29 Informationen zum kooperativen Lernen: www.learn-line.nrw.de. In der Kallmeyerschen Verlags-buchhandlung erscheint 2004 eine Publikation von Norm Green zu diesem Thema. 30 Vgl. Bastian, J. / Rolff, H.-G., Abschlussevaluation des Projektes “Schule & Co.”, Gütersloh 2002 Vgl. auch Bastian, J. / Rolff, H.-G., Vorabevaluation des Projektes “Schule & Co.“, Gütersloh 2001; Vgl. Herrmann, J., Evaluation der Unterrichtsentwicklung im Projekt “Schule & Co.“, Gütersloh 2001; Vgl. auch Höfer, C., Unterrichtsentwicklung im Projekt “Schule & Co.“, Gütersloh 2002. 31 Zurzeit werden zwei weitere Trainingsmodule entwickelt und erprobt: “Methodentraining für den Einsatz neuer Medien“ und “Training zur Förderung der Lesekompetenz“. 32 Holtappels, H.G. / Leffelsend, S., a.a.O., S. 61

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ten ergeben. Vielmehr müssen die in den Trainings vermittelten Kompetenzen sys-tematisch in den Unterricht eingebettet werden, damit sie sich festigen und weiter entwickelt werden können.33 4 Fortbildung für Lehrerinnen und Lehrer Innerhalb des gesamten Qualifizierungsprogramms ist es vorrangig, dass alle Leh-rerinnen und Lehrer einer Schule bzw. einer sich der Verbesserung von Unterricht widmenden "Schullandschaft" die Chance bekommen, ihre Kompetenzen für die Gestaltung von "gutem" Unterricht im Sinne eines eigenen Lernprozesses weiterzu-entwickeln. Nur so kann sichergestellt werden, dass alle Schülerinnen und Schüler systematisch erreicht und Zufälle minimiert werden. 4.1 Trainings zur Unterrichtsentwicklung für Lehrerinnen und Lehrer Zunächst muss das Kollegium bzw. die Schulkonferenz mit deutlicher Mehrheit ent-scheiden, ob die Schule in den systematischen Entwicklungsprozess einsteigen will. Einerseits umfasst diese Entscheidung das gesamte Qualifizierungs- und Umset-zungsprogramm, andererseits kann sie verantwortlich nur auf der Basis von hinrei-chenden Vorinformationen getroffen werden. Bevor also die Trainings zur Unter-richtsentwicklung beginnen können, muss diese Vorinformation im Zuge eines pä-dagogischen Tages ("Schnuppertag") geliefert werden. Nur ein praktisches Auspro-bieren ermöglicht eine haltbare Entscheidung. Bei den erforderlichen Trainings zur Unterrichtsentwicklung für Lehrerinnen und Lehrer, die in einer verabredeten zeitlichen Abfolge durchgeführt werden, kann an der erprobten Gliederung festgehalten werden34:

(1) Methodentraining (2) Kommunikationstraining (3) Teamentwicklung im Klassenraum (4) Eigenverantwortliches Arbeiten und Lernen

Höfer hat das korrespondierende System der Trainings für Lehrerinnen und Lehrer ausführlich dargelegt.35 Während die drei Basiselemente in Blockform (je 2,5 Tage) durchgeführt werden und sich zwar an schulischen Inhalten orientieren, aber auf überfachliche Kompetenzen abzielen, muss die vierte Lerneinheit (Eigenverantwort-liches Arbeiten und Lernen) auf die fachliche Integration der trainierten überfachli-chen Kompetenzen fokussiert und in fachbezogenen Workshops organisiert werden. Die Trainings richten sich immer an Lehrerinnen- und Lehrerteams aus den jeweili- 33 Holtappels, H.G. / Leffelsend, S., a.a.O., S.61 ff. 34 Sowohl in der “Pädagogischen Schulentwicklung“ nach Klippert als auch bei der Unterrichtsentwick-lung nach “Schule & Co.“ wird das gesamte Kompendium aus pragmatischen Gründen in vier Teilbe-reiche aufgeteilt. In den anderen Programmen ergeben sich vergleichbare Aufteilungen. 35 Höfer, C., a.a.O., S. 16 ff.

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gen Schulen, wobei es sich für die ersten drei Bausteine um Klassen-, Jahrgangs-stufen- oder Bildungsgangteams handelt, die aufsteigend qualifiziert werden. Die Workshops des vierten Bereichs richten sich an Fachteams, um fachliche und über-fachliche Unterrichtsvorhaben und Lernarrangements für bestimmte Fächer oder Jahrgangsstufen in unterschiedlichen Schulformen und Schulstufen zu entwickeln. Den ersten drei Trainings entsprechend werden mit Schülerinnen und Schülern So-ckeltrainings zur Entwicklung von Methodenkompetenz, Kommunikationskompetenz und zur Teamentwicklung in verschiedenen Jahrgangsstufen (in Abhängigkeit von der schulindividuellen Planung) durchgeführt, bei denen sie an aktuellen fachlichen Inhalten grundlegende Methoden und Verfahren in diesen Bereichen kennen lernen und erproben. Den Sockeltrainings in den verschiedenen Bereichen folgen jeweils Phasen der Pflege und der Routinebildung hauptsächlich im fachlichen, aber in Ab-hängigkeit von Schulform und Schulstufe auch im überfachlichen Zusammenhang. Im Unterricht verschiedener Fächer und über verschiedene Jahrgangsstufen wird das Erlernte wiederholt angewendet, geübt und zur Routine entwickelt und vor allem mit anderen Erlernten verknüpft und somit stetig weiterentwickelt, damit sich indivi-duelle Problemlösungs- und Lernstrategien herausbilden können. Dabei ist von be-sonderer Bedeutung, dass die Lernenden von Beginn des Prozesses an so oft wie möglich zu eigenen Entscheidungen darüber gebracht werden, mit Hilfe welcher Methoden und Strategien sie die Aufgaben angehen und Probleme lösen wollen. Nach der Umsetzung werden sie methodisch vielfältig angeregt, ihre Entscheidung erfahrungsgestützt zu reflektieren und entsprechende Konsequenzen abzuleiten. Trainings- und Pflegemaßnahmen werden nur dann zur Grundlage für selbstständi-ges Lernen, wenn die Schule bewusst und systematisch Orte und Zeiten im Unter-richt sowie im Schulleben organisiert, in denen eigenverantwortliche Entscheidun-gen der Lernerinnen und Lerner entsprechend dem erreichten Niveau ermöglicht, aber auch eingefordert werden. Dies kann im Wochenplan, im Selbstlernzentrum oder im Wahlpflichtunterricht mit selbstverantworteten Projektarbeiten geschehen. Die notwendige Lernzeit für entsprechende Vorhaben muss einerseits von den un-terrichtenden Lehrerteams im täglichen Fachunterricht, andrerseits von der Schule im Stundenplan fest verankert sein. Die Trainings für Lehrerinnen und Lehrer sind so angelegt, dass sie als Lernende agieren und relativ schnell und mit einem vertretbaren Aufwand das Gelernte (das Erfahrene) für ihre Schule, ihre Klasse, ihre Schülerinnen und Schüler adaptieren können. Die Adaption für ihre jeweiligen Fächer ist bei der schulischen Implementie-rung ebenfalls zu leisten. Dies wird umso besser gelingen, wenn mehrere Fachkol-leginnen und Fachkollegen an der Fortbildung beteiligt sind und somit eine gemein-same (Erfahrungs-)Basis gelegt wurde. 4.2 Merkmale der "guten" Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung Auf der Basis einer Verständigung über die Merkmale für "guten" Unterricht und für "gelingende" Unterrichtsentwicklung werden im Folgenden die Merkmale für eine

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"gute" Fortbildung aufgeführt, die dazu beitragen, dass der Unterricht im Sinne des selbstständigen Lernens verbessert wird:

• Die Fortbildung zur Unterrichtsentwicklung für Lehrerinnen und Lehrer ist eingebettet in ein komplexes Fortbildungsprogramm für die einzelne Schule.

• Die Schule entscheidet als Ganze über die Teilnahme an der Fortbildung, nachdem sie entsprechend informiert wurde ("Schnuppertag").

• Die vier Bausteine werden als Gesamtprogramm in einer zeitlichen Reihung und Streckung (mindestens zwei Schuljahre) angeboten.

• Die Bausteine sind schulformspezifisch oder schulstufenspezifisch ausges-taltet und richten sich nur an Klassen-, Jahrgangsstufen- oder Bildungsgang-teams.

• Die vier Bausteine sind aufeinander bezogen und als kumulativer Lernpro-zess erlebbar. Im Sinne von Lernprogression integriert der zweite Baustein Elemente des ersten und setzt ihre teamorientierte Anwendung im eigenen Unterricht voraus. Der dritte Baustein greift das Wesentliche aus den ersten beiden Bausteinen auf und verlangt erneut die teamorientierte Anwendung im eigenen Unterricht. Der vierte Baustein vernetzt die Elemente der ersten drei und fokussiert sie auf fachliche Kontexte.

• Die Fortbildung ist einerseits handlungsorientiert und erfordert deshalb auch von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern, sich in Handlungsteams zu for-mieren. Sie ist andererseits in angemessenem Umfang theoriegeleitet, um die notwendigen Reflexionsprozesse abzusichern.

• Die Durchführung der Fortbildung ist mit den schulischen Steuergruppen vorbereitet und abgestimmt und auf die schulindividuelle Situation ange-passt.

• Durch den Einsatz von Trainerinnen- und Trainer-Tandems wird ein wesent-licher Beitrag zur Qualitätsentwicklung und -sicherung der Fortbildung er-bracht, indem auch gegenseitige Feedbacks im Tandem ermöglicht werden.

• Das Fortbildungsangebot erstreckt sich nicht nur auf eine Lerngruppe der Schule, sondern ist so angelegt, dass perspektivisch alle Lehrerinnen und Lehrer einer Schule sowie mögliche Nachschulungen berücksichtigt werden.

• Die Fortbildung versetzt die teilnehmenden Teams in die Lage, nach jedem Training alle Inhalte eigenverantwortlich in Sockeltrainings und Pflegemaß-nahmen für ihre Lerngruppen umzusetzen.

• Die Fortbildung benutzt Materialien, die exemplarisch zur Umsetzung in der Schule genutzt werden können.

• Die Fortbildung bietet den Teams den nächsten Trainingsbaustein erst dann an, wenn die innerschulische Umsetzung des vorhergehenden sichergestellt ist. Zu diesem Zweck kooperieren die Trainerinnen und Trainer mit den schulischen Steuergruppen.

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Weinert, F.E., Leistungsmessung in Schulen, Weinheim und Basel 2001