Leseprobe - Silvia Bacher - Waldesnacht

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http://romanverlag.com/waldesnacht-ebook Eine Hommage an die menschliche Psyche - dieser Roman fährt in die Glieder! Nervenaufreibend bis zum Gehtnichtmehr und unheimlich spannend - mit einer gehörigen Portion Blut und schwarzem Humor. Dieser Roman bringt die Protagonistin an ihre emotionalen und körperlichen Grenzen. Wer wissen will, wie eine Frau wie du und ich in absoluten Ausnahmesituationen handelt, für den ist diese Lektüre ein unbedingtes Lese-Muss. Ein Tag, der alles verändert Isabell erschlägt ihren Mann im Affekt mit einer gusseisernen Pfanne. Von da an strudelt sie in eine skurrile Welt des Schreckens. Sie ist gerade dabei, die Leiche im Wald zu entsorgen, als sie merkt, dass sie nicht alleine ist. Was sie in den folgenden Tagen erlebt wird sie wohl nie wieder aus ihrem Kopf bekommen. Sie blickt dem puren Horror ins Angesicht und gerät in einen emotionalen Abgrund, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Wird sie es schaffen dieser Hölle ein Ende zu setzen, oder ist ihr Leben von diesem Zeitpunkt an dem Untergang geweiht?

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--- LESEPROBE ---

Waldesnacht

Thriller

Silvia Bacher

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„Ich habe das Buch nicht mehr weglegen können – Spannung pur von der ersten bis zur letzten Seite und dabei noch sehr viel

Herz!“

Paul Ebers, Probeleser

„Ein Einblick in die Seele einer Frau. Tiefgründig und teilweise schockierend. Ich hing an dem Buch wie andere an der Nadel!“

Sabrina E. per Email

„Fantastisch, wie der Alltag eskalieren und daraus eine so spannende Geschichte werden kann! Zwar hoffe ich, dass ich

niemals in eine solche Situation komme, aber eine kleine Portion von Isabells Nervenkitzel könnte glaube ich ein jeder

von uns gut vertragen.“

Sabrina A., Probeleserin

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Über das Buch

Eine Hommage an die menschliche Psyche - dieser Roman fährt in die Glieder!

Nervenaufreibend bis zum Gehtnichtmehr und unheimlich spannend - mit einer gehörigen Portion Blut und schwarzem Humor. Dieser Roman bringt die Protagonistin an ihre emotionalen und körperlichen Grenzen. Wer wissen will, wie eine Frau wie du und ich in absoluten Ausnahmesituationen handelt, für den ist diese Lektüre ein unbedingtes Lese-Muss.

Ein Tag, der alles verändert

Isabell erschlägt ihren Mann im Affekt mit einer gusseisernen Pfanne. Von da an strudelt sie in eine skurrile Welt des Schreckens. Sie ist gerade dabei, die Leiche im Wald zu entsorgen, als sie merkt, dass sie nicht alleine ist. Was sie in den folgenden Tagen erlebt wird sie wohl nie wieder aus ihrem Kopf bekommen. Sie blickt dem puren Horror ins Angesicht und gerät in einen emotionalen Abgrund, aus dem es kein Entrinnen zu geben scheint. Wird sie es schaffen dieser Hölle ein Ende zu setzen, oder ist ihr Leben von diesem Zeitpunkt an dem Untergang geweiht?

Über die Autorin

Silvia Bacher wurde 1965 in Kärnten, Österreich geboren. Bereits in frühen Jahren fühlt sie sich zu Büchern hingezogen und verfasst mit viel Begeisterung Texte und Geschichten. Trotz dutzender Jahre beruflicher Selbständigkeit im Handel verlor sie nie ihre Leidenschaft für das Schreiben und verfasste Artikel in medizinischen Fachzeitschriften, Frauenmagazinen und Webportalen. Sie ist Autorin mehrerer Gesundheits-Ratgeber und lebt mit ihrem Sohn Daniel und Hängebauchschwein Paul im schönen Klagenfurt am Wörthersee.

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Roman Verlag

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Nachts im Wald Scheinwerfer kamen langsam näher, huschten vorbei. Dazu ein leises Motorengeräusch. Mitten in der Nacht? Wer kommt um diese Zeit in mein Revier? Er erhob sich geschmeidig. Griff in völliger Dunkelheit nach seinem T-Shirt. Streifte es über. Seine Augen hatten sich blitzschnell an die undurchdringliche Dunkelheit gewöhnt. Nie war Schwarz gleich Schwarz, schon gar nicht im Wald.

Er konnte die Konturen außerhalb seiner primitiven Behausung genau erkennen, jeden Busch, jedes am Boden modernde Holzstück, jeden Stamm. Auch die Augen der nachtaktiven Waldtiere blieben ihm nicht verborgen. Vollkommen geräuschlos tastete er sich vor, Richtung Scheinwerfer. Das Auto folgte dem unbefestigten Waldweg zum Fluss hinunter, er folgte dem Auto. Und genau an dieser Stelle, wo doch so einige Spaziergänger, Fischer, oder Jäger ihr Fahrzeug abstellten, stand jetzt ein kleines Auto.

Erst rührte sich nichts, wer auch immer im Auto saß, hatte wohl Bedenken, auszusteigen. Dann öffnete sich die Tür auf der Fahrerseite. Die Gestalt war klein und schlank, sicher eine Frau. Er konnte erkennen, dass sie sich in alle Richtungen umblickte und erst danach die Scheinwerfer im Auto löschte. Aha, sie wollte nicht entdeckt werden, interessant. Die Konturen der Frau bewegten sich zum Kofferraum, seltsam gestelzt kam sie ihm vor, unsicher. Sie öffnete den Deckel und blickte wohl in den Kofferraum, ein paar Minuten war sie vollkommen ruhig, bewegungslos. Hörte er da ein Schluchzen, etwa Weinen?

Nun kam Bewegung in die kleine Figur, die er mehr als Schatten wahrnehmen konnte denn als dreidimensionales Wesen. Mit ganz viel Anstrengung versuchte sie, etwas aus dem Auto zu zerren. Es musste sehr schwer sein, denn sie ächzte und schnaufte, und schließlich brachte sie einen komischen Gegenstand, der weich und gleichzeitig hart wirkte,

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zum Vorschein. Sie wuchtete das Paket, ja, so konnte man es nennen, aus dem Auto und setzte sich daneben.

Sie sagte etwas, aber er konnte es nicht verstehen. Dann stand sie auf, alles schaute ziemlich wackelig aus, nahm ein Ende der Verpackung und begann damit, diese in Richtung Wasser zu zerren. Besser schleifen, tragen konnte sie das große Ding nicht – und das machte ihn immer neugieriger. Vorsichtig ging er näher an die Stelle heran, wo das Auto stand. Es handelte sich um eine Art Parkplatz, was allerdings übertrieben war.

Denn eigentlich war es nichts weiter als eine Wiesenfläche, flaches, verfaulendes Gras, das ob der vor- und zurückfahrenden Autos einfach keine Chance mehr hatte, weiter zu wachsen. Mühsam kam die kleine Frau vor ihm voran, zerrte ihre Last, die in etwa der Form eines Menschen glich, in Decken gewickelt und verpackt. Welch abstruser Gedanke, aber war er das? Er sah sie nun schon unten am Fluss, es ging ein Stück abwärts, auch hier hatte sich das Gras der vielen Tritte nicht erwehren können und bot somit eine relativ freie Gehfläche. Abwärts ging es wohl leichter, sie war doch flott gewesen.

Irgendetwas störte sie jedoch sehr, und plötzlich kam sie den Steig herauf. Schnell duckte er sich hinter einen Busch, welcher Art, konnte er in der Dunkelheit nicht erkennen. Spielte auch keine Rolle, Hauptsache, er verbarg ihn. Die Gestalt ging zum Auto, schaltete die Innenbeleuchtung ein und suchte im Handschuhfach nach etwas. Fand es auch. Und machte sich mit einem kleinen, flachen Gegenstand wieder zum Flussufer auf. Vorsichtig folgte er ihr so weit wie möglich, wahrscheinlich hatte sie vorhin schon bemerkt, dass sie hier nicht allein war.

Was nun genau geschah, sah er leider nicht, der Mond versteckte sich vollends hinter den Wolken. Aber sie packte das Paket aus und holte hervor, was darin verborgen war. Dafür nahm sie den Gegenstand heraus, der wohl so etwas wie ein Messer sein musste.

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Oh ja, darin war definitiv ein Mensch eingewickelt gewesen, ein Mann vermutlich. Ein Arm ragte in die Luft, und dieser sah nun nicht nach einem zarten Frauenarm aus, außer es handelte sich um eine austrainierte Bodybuilderin. Lächerlich, eindeutig ein Mann, und da sie ihn in den Fluss warf, wohl ein Bekannter, ein - von ihr ermordeter? - Mann. Wow, wahrscheinlich ihr eigener!

Immer hatte er vor dem Ausstieg aus seinem langweiligen Leben, wie jeder Normalsterbliche es kennt, in Zeitungen gelesen, dass auch Frauen mordeten. Hier durfte er nun Zeuge eines Paradebeispiels werden, und schon drehten sich sämtliche Räder seines Gehirns um die Frage – was nun? Sollte er sie einfach nur erschrecken, sollte er weitergehen? Sollte er das tun, weswegen er gesucht wurde und was ihn so unheimlich erregte? Sollte er sich in ihrem Auto verstecken und sie überraschen?

Oh ja, das war die beste Variante und er musste schnell sein, denn so, wie es sich anhörte, watete sie gerade aus dem Wasser, wo sie die Leiche wahrscheinlich so weit wie möglich in die Mitte geschubst hatte, damit sie mit der Strömung verschwand. Jetzt! Was für ein Spaß ...

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Prolog Eine sanfte Brise lässt die saftig grünen Blätter an den Birken und wild wachsenden Büschen und Gräsern am Ufer des breiten Flusses rascheln. Ruhig treffen die Wellen den Sand und die runden, über viele Jahre vom Wasser geschliffenen Steine. Ein paar Vögel zwitschern ihr Lied, eine Eidechse sonnt sich in den warmen Strahlen der Mittagssonne.

Lotti und Iris absolvieren gerade ihre Jogging-Runde. Immer dienstags laufen sie schwitzend am Flussweg entlang. An der Flussbiegung machen sie, auch wie immer, eine kleine Pause, dehnen die Muskeln und unterhalten sich über verschiedene Oberflächlichkeiten ihres Daseins, denn für Tiefgründigeres bleibt beim Training einfach nicht die Zeit. Ihre Gespräche drehen sich ohnehin eher selten um wirklich Wichtiges, Tratsch ist ihnen meist auch im Alltag lieber. Ist das Leben an sich doch schon anstrengend genug. Plötzlich verstummt Iris mitten im Satz und zeigt mit dem ausgestreckten Zeigefinger auf eine Stelle unter einem üppigen Gebüsch, nah am Wasser.

„Sieh mal, was ist das?“, fragt sie und setzt sich auch schon in Bewegung, um dem unbekannten Etwas auf den Grund zu gehen. Nach ein paar Schritten bleibt sie stehen, gerade als Lotti sie einholt, und beginnt laut zu schreien...

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1. KAPITEL „Seelenleiden zu heilen vermag der Verstand wenig,

die Zeit viel, entschlossene Tugend alle.“

Johann Wolfgang von Goethe

Der Anfang vom Ende

Isabell legte das Buch auf den Tisch, eigentlich hatte sie noch nicht einmal eine Seite des, so die Beschreibung, ultraspannenden Krimis gelesen. Sie konnte sich nicht konzentrieren. Gedanken bahnten sich immer wieder ihre Wege in den Vordergrund, keine sehr erfreulichen. Nichts Positives, nur das Übliche. Du bist ein Nichts, du bist eine Null, du kannst dich nicht durchsetzen, du bist allein … obwohl, da stimmte was nicht.

Sie war immerhin 17 Jahre verheiratet, und manchmal hatte sie gute Zeiten erlebt. Manchmal, ja wann? Je mehr sie darüber nachdachte - viele Gelegenheiten, wo es wirklich gut ging, gab es in ihrer Ehe eigentlich nicht. Das war der Fluch ihrer Gedankengänge, chemische Vorgänge im Hirn, wie lustig, sich diese leuchtenden Blitze in den Tiefen des Gehirns vorzustellen! Aber ihre Gedanken wollten nichts Lustiges, sie gaukelten ihr nichts Komödiantisches vor.

Oh nein. Da waren einsame Gedanken, traurige Gedanken, schlimme Gedanken. Manchmal sogar böse Gedanken. Was war nur passiert? Wie konnte eine Ehe so aus den Gleisen rattern? Wie konnten 17 Jahre vorbeigehen und dann blieb – na was, nichts? Leere, Stille, ein Gefühl der totalen Einsamkeit, mein Gott, schon wieder dieses Wort. Aber wie konnte man es sonst nennen? Dieses Gefühl im Bauch, dieses Kribbeln, das schon beinahe wehtat. Was konnte es anderes sein als diese allumfassende Einsamkeit, obwohl man eigentlich gar nicht allein war?

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Wie konnte man es anders erklären, dieses Gefühl? Der Mann, den man einst geliebt hatte, wenn man ihm nun über den Weg lief, wurde einem beinahe übel. Wie konnte das passieren?

Es grenzte beinahe an Hass, was sie fühlte. Isabell war todunglücklich, gerade weil sie jetzt Hass für den Menschen empfand, den sie so viele Jahre geachtet und geliebt hatte. Was war bloß geschehen? Warum hatte ihr Mann seinen Respekt vor ihr verloren? Einige Episoden fielen ihr ein, Geschichten, die schön waren, die ihre Liebe stärkten. Zumindest dachte sie das. Ihr erster Urlaub in der Türkei.

Glasklares Wasser, Sonne, alles, was die Romantik zu bieten hatte, dort wurde ihr Sohn gezeugt, das Wunder und der Lichtblick ihres Lebens. Ein Kind der Sonne - an einem Sonntag vereinten sich Zellen, und das wunderbare Ereignis des neuen Lebens nahm seinen Anfang. Doch war da nicht noch ein Ereignis, eines, das weit weniger zum Träumen einlud? Die Sache in der Diskothek? Wo er sie in einem fremden Land unter total fremden Menschen allein ließ? Weshalb?

Was war damals passiert? Isabell tanzte gerne, und sie beherrschte die rhythmischen Bewegungen perfekt, denn sie hatte bis vor Kurzem als Tänzerin gearbeitet. Sie war jung, schön, und es machte ihr Spaß zu wissen, dass die Gäste sie attraktiv fanden und ihr bewundernde Blicke zuwarfen. Sie konnte sich perfekt im Rhythmus der Musik bewegen, fühlte sich wie auf den Bühnen ihrer ehemaligen Tanzkarriere, hier, in dieser türkischen Disco.

Aber der eigene Mann, erst vor Kurzem wurden sie getraut, wollte ihr nicht länger zusehen, fand keine Bewunderung für ihr Können, ihre natürliche Begabung und Liebe zum Tanz, verließ das Lokal, unvermittelt und ohne Worte. Bei näherer Betrachtung hätte Isabell merken müssen, dass er nicht der Richtige für sie war, dass sie ihm eigentlich peinlich war, zu jung, zu spontan, dass er sie nach der ersten

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„Krise“ schon allein ließ, in einem fremden Land – unter fremden Menschen. So begann also der Anfang vom Ende.

Dabei waren das die Flitterwochen, eine schöne, fröhliche Zeit, eine Zeit der Liebe, des Verständnisses, des Sich Zusammenfindens. Nur dass es kein Zusammenfinden gab, das hätte Isabell schon damals ahnen müssen. Alle Liebkosungen, alle Zärtlichkeit – gespielt? Schon damals? Hatte er wirklich nur geheiratet, um nicht allein zu sein, um den Status Mann zu leben – seht her, ich bin verheiratet, ich habe eine Familie!? Doch Isabell hatte aus anderen Gründen geheiratet, sie glaubte an die Liebe, an die Ehe. Sie wollte einen Mittelpunkt in ihrem Leben schaffen, für den zu leben es sich lohnte. Als sie merkte, dass alles schiefging, bemühte sie sich anfangs, diese Realität zu ignorieren, war still, antwortete immer so, wie es eine gefügige Frau machen sollte. Unterwerfung – in gewissem Sinne war es das gewesen, denn sobald Isabell versuchte, ihren Standpunkt klar zu machen, gab es Streit, und danach eisiges Schweigen.

Ein nicht auszuhaltender Zustand. So hatte sich ihre innere Einsamkeit auf fruchtbarem Boden entwickeln können. Einziger Lichtblick: ihr Sohn Patrick. Ein wundervolles, sensibles Kind. Intelligent und fröhlich. Er wuchs heran, und Isabell versuchte ihn von ihrem Scheitern fernzuhalten, ließ die Probleme nie ganz an ihn heran. So wuchs er mit all ihrer Liebe und ihrem Verständnis auf. Aber irgendwie ohne seinen Vater – denn auch ein Vater, der anwesend war, konnte nicht da sein.

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Es geschieht

„Zur Resignation gehört Charakter.“ Johann Wolfgang von Goethe

Heute war Patrick nicht im Haus, zwei Tage nicht. Isabell

hatte diesen Tag allerdings so nicht geplant. Es war ein Samstag im September. Ein Wochenende, entspannt, ohne Arbeit. Aber schon jetzt, um diese Zeit, gerade mal acht Uhr morgens, wurde es sehr, sehr heiß. Schwül. Ungewöhnlich heiß für September. Ein Tag, an dem man sich besser irgendwo an einem kühlen Ort aufhielt – vielleicht in einem Keller. Komischer Gedanke, unter der Erde, sich verkriechen, verstecken und nicht nur vor der Hitze fliehen.

Doch in dem Keller des Hauses, wo sie derzeit wohnten, war es nicht besonders erfreulich. Hier roch es schimmelig, es war ein alter, feuchter, hässlicher Keller. Gerade gut genug zum Einlagern von Dosen oder Flaschen, für mehr nicht zu gebrauchen. Eine Klimaanlage hatte das alte Haus schon gar nicht, ein Ventilator war, so SEINE Meinung, ungesund und teuer. Deshalb hatten sie keinen. Im Schatten des großen Nussbaums ließ es sich an einem Tag wie diesem gerade noch aushalten. Aber da saß ER schon. Verdammt!

Isabell nahm ihr Buch, die Tasse Kaffee, und setzte sich zum Teich. Das war zwar ein schmeichelhafter Ausdruck für diese Pfütze, oder besser Kloake, aber auf der unbequemen Holzbank hatte sie wenigstens noch eine Stunde Schatten. Teich – darüber könnte man lachen, sofern man das noch witzig fand. Ein Projekt von IHM, schlampig gemacht, wie alles, das ER je angefangen hatte. Ein Loch gebuddelt, Folie ausgelegt, ein paar Steine drauf – fertig!

Davor eine harte Holzbank aus einem auseinandergesägten Holzstamm, kein Schleifen – wozu auch? Ein kleiner Span im Hintern konnte doch recht vergnüglich sein –, und fertig war das passende Sitzmöbel. So war ER, so

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tickte ER, nichts wurde richtig erledigt, gar nichts. So sah er wohl auch das, was ihre Ehe noch war.

Denn wozu sich bemühen, wozu eine Frau wie eine Frau behandeln, wozu Respekt. Halt, gebot sich Isabell, heute nicht. Sie wollte nicht über ihre gescheiterte Beziehung und schon gar nicht über ihren Mann nachdenken. Dann war der Tag sofort versaut. Nein, heute wollte Isabell sich entspannen, nach einer anstrengenden Arbeitswoche relaxen. Isabell arbeitete als freiberufliche Texterin, und in der Hauptsache für eine Werbeagentur. Sie hatte viel zu tun und eine Arbeitswoche konnte ganz schön anstrengend sein.

Isabell liebte ihre Arbeit, aber manchmal war sie echt froh, wenn es Wochenende wurde. Denn dann konnte sie ein wenig lesen, im Garten arbeiten, zum Fluss spazieren, die Füße eintauchen, träumen, entspannen. In der Pfütze quakte ein Frosch. Das liebte Isabell, Tiere. Frösche ganz besonders. Schon als kleines Mädchen hatte sie eine Vorliebe für all die Tiere, die andere einfach nur eklig fanden.

Isabell liebkoste Schlangen, Kröten oder Eidechsen - wenn sie sie denn erwischte. Es konnte auch vorkommen, dass sie die Reptilien küsste, und das konnten selbst ihre Geschwister nun gar nicht verstehen. Wie konnte jemand ein glitschiges, unheimliches Tier auch noch küssen, igitt. Doch ihre Liebe zu Tieren war tief und ehrlich. Ja, Isabell mochte „ihre“ Tiere wohl immer schon lieber als so manchen Menschen, denn Tiere taten ihr nicht weh, hänselten sie nicht, weil sie viel zu dünn oder die Nase zu lang war. Nein, Tiere waren still und dankbar, wenn sie beispielsweise eine Eidechse vor einer Katze rettete.

Oder den Spatz mit dem verletzten Flügel pflegte, bis er wieder fliegen konnte. Mit Tieren fühlte sich Isabell frei und glücklich, ihnen konnte sie ihre Liebe bedingungslos schenken. Gerne dachte sie an ihre Kindheit zurück. Aufgewachsen mit fünf Geschwistern, war sie allerdings selten für sich.

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Deshalb verkroch sie sich oft genug allein im nahe gelegenen Wald in einer Höhle und führte geheime Dialoge mit sich selbst, oder wenn gerade ein Tier vorbeischaute, mit diesem. Isabell war zwar ein fröhliches Kind und liebte ihre Brüder und Schwestern, aber viel lieber war sie allein. Sie war schon sehr früh kreativ, erfand Geschichten im Kopf und setzte nachts genau diese Geschichten in schöne Träume um.

Manchmal war sie eine wunderschöne Prinzessin, dann wieder ein armes Aschenputtel. Alle ihre Geschichten fanden ein schönes Ende, natürlich. Und damals dachte Isabell, dass alles im Leben ein gutes Ende finden kann. Die Liebe vor allem. Ach, wie schön und unschuldig sind doch Kinderträume. Der Frosch quakte weiterhin vergnügt vor sich hin, eine Libelle flog knapp über dem Wasserspiegel ihre Kreise.

Der Kaffee war schon kalt. Macht nichts, schmeckt trotzdem. Hauptsache allein. Den Insekten zusehen, den Fröschen und Libellen. Nur nicht denken, nicht in die Gegenwart zurück. Die Kindheit war da schon besser. Nicht immer, aber meistens. Isabell war ein sehr mageres Kind und wurde oft ausgelacht. Außerdem hatte sie nie eigene Kleider, sondern musste erst die alten, abgetragenen ihrer älteren Schwester anziehen. Was war das für ein Gefühl, als sie als Teenager mit ihrem ersten selbst verdienten Geld, Klamotten einkaufen konnte!

Mit vierzehn arbeitete sie einen Sommer lang auf der Alm in einem Gasthof. War keine sehr schöne Arbeit und selten lustig, aber sie verdiente eigenes Geld! Geld, das sie in der Hauptsache fürs Saubermachen bekam, denn Gäste bedienen durfte sie nur selten. Bist noch zu jung, musst es erst lernen. Tja, nur wie lernen, wenn es einem verboten wird? Aber grundsätzlich machte es ihr nichts aus, nur aufzuräumen – außer wenn die Toiletten angekotzt waren, das hasste Isabell. Allein der ekelhafte Geruch, der sie ganz oft nahe ans eigene Erbrechen bringen konnte.

Über das Aussehen wollte sie besser nicht nachdenken. Aber da musste sie durch und schlussendlich hatte es sich

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gelohnt! Eine karierte Bluse, ganz eng tailliert mit Gummizügen, und dazu eine rot glänzende Karottenjeans! Nun kam ihre superschlanke Figur zur Geltung, okay ein bisschen zu wenig Hintern, aber im Großen und Ganzen sah es einfach hinreißend aus! Und gekauft wurde das Ganze in Dillingen, der großen Stadt, mit ihrer ältesten Schwester ging’s zum Shopping. Was für ein großartiges Erlebnis für die Landmädchen!

Später, im Herbst, fing Isabell dann in Dillingen ihre Lehre als Verkäuferin an. Hier sollte sie auch eine ganze Zeit lang leben und meistens glücklich sein. Diese Zeit, ihre Jugend- und frühe Erwachsenenzeit, liebte Isabell. Eine Zeit der Freiheit, Ungebundenheit. Wo Spaß und Freunde an allererster Stelle standen! Wo man sich zum gemeinsamen Schachspiel in verrauchten Kneipen traf und so tat, als beherrsche man dieses unglaublich komplizierte Spiel.

Wo man zum Tanzen ging, sich frei zu den Beats der 80er Jahre bewegte. Auch Alkohol wurde getrunken, manchmal ganz schön viel. Aber Drogen waren kein Thema, die brauchte es nicht, die ganze Clique war einfach fröhlich und unbeschwert. Alles in allem war es ein wundervolles Leben, pulsierend, froh und voller Erwartungen. In dieser Zeit wuchs Isabell zu einer sehr schönen jungen Frau heran, auch wenn sie sich selbst im Spiegel immer mit Vorbehalt begutachtete.

Da zu dünn, da zu wenig weiblich. Aber eine Laufbahn als Nebenjobmodel brachte ihr stets ein wenig Geld. Und da sie sehr schlank war, war sie bei verschiedenen Modenschauen gefragt. Auch ihre Größe, sie brachte es gerade mal auf einen Meter sechzig, spielte zu jener Zeit keine Rolle. Hohe Absätze überspielten dieses Manko. Isabell hatte Spaß, sie lebte ein aufregendes Leben und freute sich auf die Zukunft. Und auch ihre Arbeit liebte sie. Sie besuchte außerdem die Abendschule, Abitur, das war das erklärte Ziel. Sie lernte unheimlich leicht und schaffte den Abschluss ohne große Anstrengungen. Die Uni wartete - schließlich wollte sie einmal eine große Künstlerin werden! Obwohl, Schauspielerin, Schriftstellerin

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oder Malerin, das stand noch nicht fest. Egal, die Welt stand ihr offen, alles war möglich! Und alles kam ganz anders...

Was für schöne Gedanken! Ein Lächeln zauberte sich auf Isabells Lippen. Fast konnte ein zufälliger Beobachter annehmen, sie wäre glücklich, oder zumindest augenscheinlich zufrieden. Aber das war vorbei. Die Leere machte sich wieder breit, diese alles umfassende Leere in ihrem Inneren. Als Isabell die Augen aufschlug, wurde ihr bewusst, wo sie sich befand. Weit weg von diesen wunderbaren Erinnerungen. Sitzend auf einer steinharten Bank, an einem Tümpel, wohl wissend, dass ER auch da war.

Geistesabwesend trank Isabell ihren schwarzen, bitteren Kaffee aus. Kaffee war ihr Getränk, mal zuckersüß mit Milch, dann ganz schwarz und ohne Zucker, und heute schwarz mit ein wenig Zucker. Die Trinkgewohnheiten veränderten sich, wie sich wohl irgendwann, ganz schleichend, das ganze Leben veränderte. Schicksalsschläge, Veränderungen im Umfeld, einfach tausend Kleinigkeiten und auch so manches Große formen das Leben eines Menschen.

Bitter ist es dann nur, wenn sich dieser Mensch zu einem völlig anderen Wesen entwickelt, fremd für den Lebenspartner, fremd für die Familie, einfach anders. Ebenso wie ER. Es gab Zeiten, oh ja, da hat Isabell IHN geliebt, seine kleinen Kauzigkeiten witzig gefunden, sich mit IHM stundenlang unterhalten können. ER war ihr bester Freund.

Tief versunken in ihren Erinnerungen fragte sich Isabell, ob auch sie sich verändert hatte, und wenn ja, wie? Konnte es sein, dass sie beide sich verändert hatten, dass sie mit bestimmten Situationen in ihrem gemeinsamen Leben eben auch unterschiedlich umgingen und das Geschehene einfach anders verarbeiteten? Dass sie sich auseinandergelebt hatten, wie man so klischeehaft sagte? Wann war das passiert?

Fragen über Fragen, für die Isabell keine Antworten hatte. Denn sollte sich ein Paar nach so vielen Jahren nicht eigentlich eher zusammenleben statt auseinander? Sollte eine

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Beziehung nicht reifen, so wie guter alter Wein? Respekt und Liebe wachsen? Immerhin, das wäre die einzige Möglichkeit, dass eine Ehe wirklich über Jahre Bestand haben konnte. Doch diese Möglichkeit hatte ER völlig zerstört. Denn da war keinerlei Respekt für Isabell als Person, als Mensch, als Geliebte. Ignoranz und Kälte überschatteten ihre Partnerschaft, schon sehr lange.

Isabell konnte sich gar nicht erinnern, wann es angefangen hatte, dieses Gefühl der Leere, des Verlassen worden seins. Das musste schon sehr lange her sein. Jetzt war der Zeitpunkt gekommen, um einen Schlussstrich unter die kaputte Beziehung zu setzen. Einer musste gehen. Und Isabell wusste, schon bevor das Thema überhaupt je zur Sprache gekommen war, dass sie das sein würde. Sie würde mit Patrick eine nette kleine Wohnung suchen und endlich wieder frei atmen können. Dieser Gedanke machte ihr ein wenig Hoffnung für die Zukunft.

Der letzte Schluck Kaffee schmeckte jetzt aber wirklich schon widerlich. Okay, ich werde mal neuen aufsetzen, denn der Moment des inneren Friedens am Teich/Tümpel sollte genutzt werden, dachte Isabell und machte sich auf den Weg in die Küche. Wie immer hatte sie, bevor sie sich nach draußen begab, erst die Küche ordentlich aufgeräumt.

Kein Krümelchen am Boden, kein einziges auf den Arbeitsflächen. War das etwa Ordnungszwang? Wem wollte sie mit ihrer Ordentlichkeit was beweisen? Quatsch, sagte sich Isabell, ich mag es halt sauber. Es gibt nichts Schlimmeres als eine unaufgeräumte Küche. So braute sie frischen Kaffee mit der Espressomaschine und warf ganz nebenbei einen Blick aus dem Fenster.

Da saß ER, an ihrem Lieblingsplatz, na klar, und löste, wie immer, eines seiner Kreuzworträtsel. Es gab Zeiten, da hatte sie ihn sehr attraktiv gefunden, selbst das weiße Haar, das er schon in sehr frühen Jahren bekam, hatte einen gewissen Reiz. Auch körperlich war er immer noch fit. Aber eben ein

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Arschloch, sorry, das musste auch einmal gesagt werden, kicherte Isabell vor sich hin.

Der Kaffee roch herrlich. Noch einmal schaute Isabell aus dem Fenster, das im Übrigen weit geöffnet war. Mit diesem Mann hast du dein halbes Leben verbracht, was hätte nicht alles aus dir werden können – die innere Stimme raunte Isabell immer öfter diese unbefriedigenden Tatsachen ins Ohr. Fast fühlte es sich an, als wenn eine zweite Isabell da im Inneren ihr Unwesen trieb.

Wieso, verdammt, hast du dich nicht schon eher gemeldet? Daraufhin blieb es ruhig im Kopf, da gab es keine Antwort. Hätte auch nicht geholfen, jetzt nicht mehr. Isabell schnappte sich ihre Tasse, schaufelte einen halben Teelöffel Zucker hinein und goss den frischen Kaffee darauf. Fest nahm sie sich vor, jetzt erstmal ein wenig zu lesen, um die trüben Gedanken zu vertreiben. Als sie sich umdrehte und zur Tür gehen wollte, stand ER plötzlich im Türrahmen. Sie schluckte und wollte einfach raus aus der Küche.

Der Raum war plötzlich geschrumpft, winzig klein, für zwei Menschen war da kein Platz. Höchstwahrscheinlich will er auch noch Kaffee - dann mach dir welchen, von mir kriegst du keinen - schon wieder die unerbittliche Stimme. Isabell wollte so ruhig wie möglich an ihm vorbei gehen. So tun, als wäre er gar nicht da. Mit der heißen Tasse in der Hand setzte sie sich in Bewegung. Aber er blieb einfach in der Tür stehen. Starrte sie an, mit diesem hassenswerten Grinsen, das sich in seine Gesichtszüge eingebrannt zu haben schien.

Das war das Gesicht, das Isabell in den letzten Jahren zu hassen gelernt hatte, diese Hochmütigkeit, dieses „wer bin ich und wer bist du“. Also jetzt ganz ruhig bleiben, schalt sie sich, auch wenn sie ihm am liebsten die Faust in diese Fratze gehauen hätte. Sieh zu, dass du an ihm vorbeikommst, lass dir deinen schönen Sonnentag nicht verderben. Isabell nahm allen Mut zusammen und ging ohne ein Wort an ihm vorbei.

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Was schwierig war, so breit war eine Tür nun doch nicht gebaut. ER bewegte sich keinen Schritt und blieb wie einbetoniert stehen. Mit einer Menge Selbstbeherrschung schaffte Isabell es, ohne Berührung, denn das wäre ihr zutiefst zuwider gewesen, aus der Tür und ins Freie. Und fing danach an, unkontrolliert zu zittern. Fast hätte sie geheult, so mies fühlte sie sich nach dieser kurzen, intensiven Begegnung.

Allein die Vorstellung, dass sie irgendwann mit dieser Bestie in Menschenform eng umschlungen in einem Bett gelegen hatte, unvorstellbar. Der Gedanke wurde schier unerträglich. Hass, Wut und Scham machten sich in Isabell breit, der Magen verkrampfte sich, zitternd setzte sie sich auf die Holzbank vor dem Teich. Den halben Kaffee hatte sie bereits verschüttet, macht nichts, jetzt wäre sowieso was Stärkeres besser. Doch dafür müsste Isabell noch einmal ins Haus, vorbei an IHM, dem Feind.

Beruhige dich, redete sie sich gut zu, Frieden, sei stille. Ihr einziges Hilfsmittel in der derzeitigen Situation. Ein schöner Spruch, ein Weg durch Meditation schnell zur Ruhe zu kommen. Vor nicht allzu langer Zeit hatte sie diese Zeilen in einem Motivationsbuch gelesen, Bücher dieser Art verschlang sie momentan, zeigten diese doch einen Weg aus dem inneren Chaos.

Aber Isabell halfen all die gut gemeinten Weisheiten nichts. Nicht wirklich. Sie war leer, unzufrieden, wütend und sehr traurig. Nichts konnte sie momentan aus ihrer Lethargie retten, vor Freunden zog sie sich zurück, um nicht über ihr Seelenleben sprechen zu müssen, ihren Sohn versuchte sie von allem fernzuhalten und so zu tun, als wäre die Familie in Ordnung, intakt, ja eigentlich ganz glücklich.

Im tiefsten Inneren wusste Isabell, dass Patrick, ihr geliebter Sohn, jetzt schon 15 Jahre alt, genau Bescheid wusste und sich nur sehr bemühte, seiner Mutter nicht zu zeigen, wie verwirrt er war. Wie ängstlich. Letztens sagte er zu Isabell: „Mama, ich möchte so gerne, dass du mal wieder lachst!“ Soviel zum Nichtwissen ihres Sohnes.

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Es wäre einfach besser, mit Patrick zu gehen, endgültig, ein neues Leben anzufangen, weg von IHM. Einmal hatte sie den Versuch bereits gewagt und war gescheitert, aus vielerlei Gründen. Aber sie würde es tun, bald. Das Verlangen nach Alkohol nahm zu, irgendwie hatte Isabell das Gefühl, sich dann nicht ganz so mies zu fühlen.

Aber es war gerade mal neun Uhr morgens, eigentlich schon noch etwas früh, um sich zu betrinken. Doch wann ist der richtige Zeitpunkt, damit anzufangen? Ist man gleich ein Alkoholiker, wenn man schon am Morgen ein Schlückchen trinkt? Isabell gehörte zu den Menschen, die alles hinterfragten, die stets das Richtige zu tun versuchten und ganz selten auf die andere, dunklere Seite wechseln wollten.

Heute war die Ausnahme. Patrick war nicht im Haus, sie musste keine Vorbildmama sein, sie konnte sie selbst sein und sich auch mal gehen lassen. Doch was, wenn ER noch im Haus war? Also schlich sich Isabell auf der Rückseite des Hauses, wo auch der Plastikpool stand, an den Gemüsegarten heran. Dort, unter dem Kastanienbaum, sollte er sitzen, dann konnte sie unbemerkt ins Haus gelangen und sich ein Bier aus dem Kühlschrank schnappen. Verdammt, er saß nicht da. Wo war er

Nein, sie wollte nicht an IHM vorbei in die Küche, das schaffte sie heute nicht noch einmal. An der Südseite des Hauses hatten sie einen Grill stehen, und daneben eine Sitzgarnitur aus grünem Kunststoff. Vielleicht saß er ja da, unter dem bunten Sonnenschirm. Vorsichtig spähte Isabell um die Ecke, aber auch der Platz war leer, kein Anzeichen von IHM. Verdammt! Das Hirn vermittelte Isabell riesigen Durst auf ein kaltes Bier. Was nun?

Das Hirn überrumpeln und den Kaffee austrinken, das Verlangen unterdrücken? Ging das? Wie auch immer die Funktionen im Gehirn aussahen, Isabell bekam einen trockenen Mund und wusste, sie brauchte ein Bier, kalt, erfrischend, vergessen lassend. Sie kam sich vor wie ein Junkie auf Entzug, mit zittrigen Knien näherte sie sich der

Page 22: Leseprobe - Silvia Bacher - Waldesnacht

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Eingangstür, diesmal von der anderen Seite. Ist doch nur ein ganz kurzer Weg, Stiege rauf, drei Betonabsätze, rein durch die offene Tür, dann durch die nächste offene Tür direkt in die Küche und zum Kühlschrank,

Bierdose genommen und schon wieder raus aus dem dunklen Haus. Heute werde ich sogar auf ein Glas verzichten, das kostet nur zusätzliche Zeit, die ich mich in der Küche aufhalten muss. Isabell ging schnellen Schrittes zur Eingangstür, die, wie erwartet, offen war.

Das Herz schlug ihr bis zum Hals, sie konnte förmlich spüren, wie sich der Puls beschleunigte und gefährliche Höhen erreichte. Wenn man noch ein wenig Humor besaß, so konnte man das den ultimativen Kick nennen. Der Rausch, mutig die Situation zu meistern. Doch nach Isabells Humor musste sehr tief gegraben werden. Und Mut besaß sie nur bedingt. Eine Treppe, noch eine. Geschafft. Durch die erste Tür, dann die zweite. Die Kühlschranktür schon zum Greifen nah.

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