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Es spielen mit: ein Paar, Mann und Frau, beide Orche-stermusiker, beide gutbürgerliche Neurotiker, er hilflos,gelegentlich gewalttätig, sie gefühlsbeladen; ein weite-res Paar, Frau und Frau, Lesben, Spontis, militant femi-nistisch, anarchistisch; außerdem Kalldewey, ein Party-gast, ein Mann im Frack, zotig, provozierend. Es gehttun: Liebe und Tod, Flucht und Angriff, Traum undRealität, Wahnsinn und Therapie. Die Kritiker nanntenes »satirisch-sarkastisches Abbild bundesrepublikani -

scher Wirklichkeit« (Süddeutsche Zeitung), »ironischesLiebesdrama« (Die Zeit), »vielschichtiges Rätselstück«(Abendzeitung, München), »Satyrspiel, das die Tragö-dien aus bundesdeutscher Realität fortsetzt« (DeutschesAllgemeines Sonntagsblatt), »Seelendrama — Psycho-farce« (Frankfurter Allgemeine Zeitung).

Botho Strauß, am 2. Dezember 1944 in Naumbnrg/Saalegeboren, war Redakteur, Theaterkritiker i iud später dra-maturgischer Mitarbeiter an der Schaubühne am Halle -

schen Ufer. Lebt in Berlin.

Botho Strauß

KalldeweyFarce

Deutscher Taschenbuch Verlag

Ungekürzte AusgabeNovember 1984

7. Auflage Mai 2005Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG,

München1981 Carl Hanser Verlag, München • WienUmschlagkonzept: Balk & Brumshagen

Umschlagfoto: © Oda SternbergSatz: Kösel, Kempten

Druck und Bindung: Druckerei C. H. Beck, NördlingenGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier

Printed in Germany • ISBN 3-423-10346-9

KalldeweyFarce

DER MANN

DIE FRAU

KM

ZWEITER MANN

KELLNER / CHEF

Der Schlaf der Liebe gebiert Ungeheuer

Dunkle Bühne. Ein Lichtkegel. DER MANN und DIE FRAU

im Profil einander gegenüber. Er im Frack des Orchestermu-sikers, die Querflöte in der Hand. Sie im Abendkleid, die Geigein der Hand.

DER MANN

So vieles, was ich dir noch sagen wollteDIE FRAU

Man fürchtet sich vor dem, der das letzte Wort behältDER MANN

Ich will es nicht seinDIE FRAU

Ich auch nicht

Pause

DIE FRAU

Ich liebe dich. Schau mich anDER MANN

Ich danke dirDIE FRAU

Bleib mir gutDER MANN

Noch stehst du vor mirDu wirst gehen und es wirdplötzlich alles was war / sein

DIE FRAU

Ich werde nichts vergessen, nichts

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DER MANN

Durch diese Wunde sieht man allesDIE FRAU

Und will dir alles geben: wer ich bin und was ich habDER MANN

Und will dir alles geben: wer ich bin und was ich habDIE FRAU

Adieu, meine Liebe, mein Leben. Behalt mich im Her-zen. Es war die schönste Zeit. Gott schütze dich.

Sie entfernt sich langsam

DER MANN

Wo sind wir gewesen, Geliebte?Wo sind wir denn nur gewesen?

DIE FRAU

Schlaf, schlafNicht anrufen!

DER MANN

Ich habe Angst.Gib mir noch einmal deine Handwie es war am Wasserfall —führ mich noch ein kleines Stück,ich seh ja nix!

Sie entfernen sich voneinander

DIE FRAU

Halt mich! Halt mich fest!DER MANN

Bis bald, ewig bis bald!

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I,2

K und M an einem Tisch in der Kneipe. M, die kleinere undjüngere, trommelt in andauerndem Bewegungsüberschuß mit denFingern auf die Tischkante, kippelt mit dem Stuhl, rollt dieSchultern, wiegt den Oberkörper usw. In dem Augenblick, da dieSzene hell wird, springt eine dritte Frau vom Tisch auf, alsgehörte sie nicht auf die Bühne. Sie rennt nach rechts ab, wirftden Stuhl hinter sich um.

MDas wars, das wars, das warsIrene, autsch, wow!

Sie titscht Wegbrot in den halbleer gegessenen Teller der davon-gelaufenen Frau

KNe abgeebbte Kuh / das Hinterletzte, was du hier an-schleppstNur Knete und Klamotten in der Schale

MAber sich eintüten, dick ja, wie ne Fascho-Lesbelegt so ne Sause drauf und fragste nach, was da läuftdann hängt sie auf Nagellack und Heißluftmassage unddie ProblemeBist ja nirgends sicher vor diesen Boutiquentorten

Die kommen in der schärfsten Kutte, voll progressiv,und is bloß 'n Affenwitz, is ne Modeschnecke

K macht diese Frau nach. M beobachtet sie dabei und tut es ihrunwillkürlich und motorisch gleich.

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KBin ja erst im Juni wieder in MiamiOh ich muß aufpassen, der Nagellack!Muß ja bis Juni reichen / himbeerrotoder meinetwegen auch dunkelrot /Kann überhaupt nicht mehr deutsch essenPft ... muß wirklich aufpassen,daß ich nicht zu heavy esse / ne abgeebbte Kuhmit Hakenkreuzen aus Plastik auf den Äppeln /so und ihr starken Typen, ihr seht ja hier alleso wahnsinnig floppy aus, ach so floppy seht ihr aus .. .Hat die überhaupt gelöhnt?

MJa hat sie

Sie nimmt das Geld von der Serviette und steckt es in ihreHemdtasche.

MAber voll breit war die, breit bis zum StehkragenGrenzenlos aktiv du / möchte nicht wissen,wie die jetzt abdüst, wie die jetzt ihre Karre durch dieRitzen drückt

Sie springt auf, macht Motorradknattern nach, rennt um denTisch, stößt mit dem umgeworfenen Stuhl zusammen.

Crash! Sprong! Brooch!

Sie setzt sich wieder, zupft an Ks Jacke

MViolett ja

KViolett —

I0

MNee so hell mehr so lila

KGrün mit 'nem Stich blau

MLila ja

KLila, fast violett

M zum KELLNER im HintergrundNoch 'n Edelzwicker!

KWeiß gar nicht, was die hat. Ist doch kein Küchenkitteloder? Braucht mich doch nicht so tierisch anfiesen des-wegen.

MNa laß sie. Ich habs gern

KWie gern?

MS000 gern. Nee is Spitze, echtNee ich find dich echt toll. Das ist blöd jetzt klar / ichmein, ich wollt einfach wissen, was die auf der Reihehat, ehrlich, ich find dich echt Spitze / klar ich weiß, dasist jetzt ganz doof

KKack, die Hose juckt / Flanell kratzt immer

MKratzt wo? Am Knie?

KOben, hier

MWo du nur drauf lauerst, daß es kratzt

II

Der KELLNER bringt den Wein, stellt den Stuhl auf

MSchnaff-schnaff, das rollt heut alles abwärts. Ich mein,

ich würd gern mit dir wohin, wo du mal 'n bißchen inWallung kommst, möcht ich wieder mal sehen, bist jaleicht 'n toter Vogel die letzte Zeit, möcht ich echt malwieder sehn, wie du losfetzt, naja gehn wir ins Echsen-haus, da steht dann die Elke rum und die Probleme, hatja auch keinen Zweck

KVergiß es. Ich hab da später noch 'n Rendezvous imJob. Muß noch diesen Dirigenten interviewen, weil dersich also weigert, Frauen in seinen Kurs zu nehmen. Derkriegt jetzt schon kalte Füße beim Dirigieren, weil erhinterher noch 'ne Pressekonferenz geben muß. Derscheißt sich doch glatt in die Hose beim Dirigieren,kannste ja mitkommen

MIch werd mich kühl beherrschen du

KSäufst dir lieber einen an? ja sauf dir bloß einen an

MVerschärft du. Ich werd noch mit dir hinter deinemGuru herhasten

KWenn du bloß mal stillhalten würdest

MAchja. Hab nicht so 'n fettes laid hack wie du

Sie macht K nach

Verstehste, cool wie die Tagesschau / und wenn die

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Mutti dahinten vom Hocker kippt und 'n Herzschlagkriegt na und? / geht mich doch nichts an. Hauptsacheich krieg keinen Herzschlag. Soll sie doch 'n Herzschlagkriegen, von mir aus kann jeder, jeder du, 'n Herzschlagkriegen, einer nach dem andern, zack, zack, zack

KWas haste aufeinmal Mitleid mit der Mutti aufm

Hocker wie?M

Darum gehts doch gar nicht, ob ich Mitleid hab odernicht / es geht doch original bloß darum, daß dir so-wieso alles scheißegal ist / und wie ich den Abenddurchzieh hier

KDu hast dir wohl die Sicht verschlucktWenn ich diese Wichser treffe und was mache für'nInterview, dann hab ich's bitternötig und denke nur anKasse und sonst nichts

MHrn. Is mir klar. 'n Dirigent. Starke Oper ja. Salome.Rübe auf'm Teller und die Lady tanzt mit 'nem Glit-zerdreieck vorn und 'n Arsch immer raus

KUnd ich hab's dick, wenn wir schon dabei sind, ichhab's dick, wenn hier die letzte Modetorte vorscheißtund du powerst dich gleich ran

MTu ich doch gar nicht

KTust du. Hab ich doch gesehn, wie du auf diese mager-süchtige Kuh abfährst / total verschneit, wenn hier ir-gendwo 'ne Uniform anrückt

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MBehalts für dich ja

K

Und wie / joggst ja nur noch als everybody's darlingdurch die Steppe

MAch leck mich

KWenn du glaubst, du machst hier die leichte Aufreiße,

wenn ich nicht dabei bin / okay / ich mein, mir gefälltauch manche ja, aber ich geb mir Mühe

Auftritt der FRAU; sie hat einen Schnellhefter in der Hand.

DIE FRAU

TagK

Tachchen

DIE FRAU setzt sich, K und M reden ununterbrochen weiter;der KELLNER kommt, die FRAU bestellt ein Glas Wein.

KDu hast'n paar fundamentale Dinge noch nicht gerafft,Mieke. Herumflippen und die Probleme, da wen anma-chen und dort wen anmachen, das hat bei mir alsoüberhaupt kein feedback. Da mach ich ganz schnell 'neFliege

MAber du und deine Wuschimänner, wo du mit denendauernd quasselst weils angeblich dein Job is, dieseatomgeilen Halbglatzen, wo du dein schönstes Blendax-lächeln aufziehst

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KBesorg du mal die Kohle! Mach was! Mußt hier nichtalles verkullern und ich brauch nicht so viele Zombies

ansingenM

Tja, wow, was?Also ein wahres Ding du!

KBleib sitzen, Mieke, bleib sitzen

MAber echt! Ding-Dong! Sie setzt sich wieder. Ich bin eben

nicht so'n Kingsize-Ego wie du!

KOkay, spüls runter

MIch bin eben nicht so 'n Praxisfreak wie du. Du glaubst,du bist hier die Allerschärfste und kannst mich amlaufenden Meter anbiestern und bringst hier den dick-sten Terror, aber volles Orchester!

zur FRAU

Wie findest denn du das?

zu K

Das ist doch der dickste Terror, den du da laberstK

Kannst du's nicht mal 'ne Nummer kleiner machen?M schlägt mit der flachen Hand auf den Tisch

Nein!K packt M an den Oberarmen und rüttelt sie

Schnauze / du Schwappe / SchnauzePause

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K

Wer'n hyperaktives Kind hat, soll Geduld mit ihmhaben

MBald bin ich aber alle. Das bringts nicht, das bringtsnicht .. .

KDann halt du dich zurück und mach hier nicht dauerndKrakeele

MDu darfst niemals sagen, daß ich eine Null bin

KWer sagt'n sowas / sagt ja keiner

MOch, hab ich schon sooft gehört. Früher. Zu Hause.Ich glaube aber ganz fest, daß niemand /kein Mensch ist wirklich eine Null

K lächeltNein zur FRAU

Von wem hast du unsere Nummer gekriegt?DIE FRAU

Ich habe mit Rosalie gesprochenKzuM

Kannste nochmal 'n Moment stillhalten?Ich bin die K und das ist die M

DIE FRAU

Ich heiße LynnK

Und die Rosalie hat dir den heißen Tip gegeben?M

Ne Quatschröhre, aber echt. Die Rosalie, die steht aufjede Probleme. Voll wie'n Buch. Das reinste Lexikon.

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Aber auf jede Probleme steht die. Die Frau und dieFrau, der Knast und der Krieg, die Fixer, die Geistes-kranken, die Arbeitswelt, die AKWs, die Sonne, die

Natur — Indien!DIE FRAU

Sie sagt, du hättest speziell Erfahrung mit Gewaltpro-

blemen und soK

Die denkt auch, ich bin 'ne Art Selbsthilfeorganisationfür die Multiproblemfamilie. Na zeig mal her deine

sieben Sachen

Die FRAU öffnet die Mappe, schiebt ein Foto über den Tisch.

KDas ist er?

DIE FRAU

JaM

Sieht aus wie'n Stellwärter ohne AufstiegschancenDIE FRAU

Der hat einmal ganz nett ausgesehen Sie zeigt ein anderesFoto

KVom Typ 'n träger Brüter

MAber Kolonnenspringer auf der Autobahn

DIE FRAUEr ist Musiker. Orchestermusiker. Wir sind es beide. Erunterrichtet Querflöte an der Hochschuld.

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Sie zeigt ein anderes Foto

Da steht er auf der Post, die Hände zittern.Bei mir zuhaus kann er sich alles herausnehmen, abervorm geringsten Haufen Leute kriegt er weiche Knie.

Ein weiteres Foto

Da ist er Weihnachten übergetreten und ich hab michim Klo verbarrikadiert

Mzum Foto Ich würd sagen, das ist so einer — so'n Snuffi,so'n leiser Fachmann ja / der hängt 'n Tauchsieder insAquarium und montiert dir ne Stecknadel in die Zahn-bürste

DIE FRAU

Und wollt ich einmal ausgehen, da hat der Mann michan den Haaren zurück in die Wohnung geschleift. So-gar hat er mich mit einem Ätherbausch betäubt, ummich zu vergewaltigen. Vergewaltigung war überhauptan der Tagesordnung.

KElmar in Büro und Garten, versteh schon.Haßt du ihn?

DIE FRAU

JaK

Voll negativ?DIE FRAU

JaK

Ich mein, da gibt's nicht etwa den Punkt, daß ihr euchhinterher wieder nett versalbt und die Probleme. Ichmein, ihr hängt dann nicht auf diese Art Wiedergut-

machungspenetration, was für manche ne echte Spezia-

lität istDIE FRAU schiebt ein Heft über den Tisch; ruhig

Er nimmt Pornohefte und streicht in den Pornoheftenalles Geschriebene und die Sprechblasen aus

K und M untereinanderK

Was hat frau nicht alleserlebt ja: der macht dichfix und fertig. Der wirdspeziell nur affenscharf,wenn du ihm von ganzerSeele leid tust

MDer kriegt überhaupt nureinen gerade, wenn er fettauf Mitleid abfliegt

KDer kommt mit so 'nemReueständer ins Bett ge-krochen

MDer im Bett also weißteich sag dem doch / um 12Uhr nachts will er noch neSuppe haben / sag ich hebdeinen faulen Arsch ausdem Bett

DIE FRAU redet drunter wei-terUnd dann muß ich auchsowas machen für ihn.>Bist ja meine einzigeNummer< Sag ich: >Nein.Das ist nicht meine Fanta-sie. Die will ich nicht. Dasist deine Fantasie. Diekannst du behalten .. .Ich will meine Fantasie!<Sagt er: >Deine Fantasie?Was hast'n du für'n Fan-tasie? Na dann zeig malher —<Hört doch mal zu!

M

Hörn wir ja zu / und dann gehste rüber in die Kücheund kochst dir selber deinen Haferschleim. Das ist ge-

Ig

nauso wie wenn ich in 'ner Beziehung mit 'ner Frausagen würd, ich mein, das kommt da auch vor, daß einemal mufflig ist und durchhängt —

K

Denn up and down, up and down geht die Wiege desSatans

MUp and down, up and down wiegt der Tod das Leben

DIE FRAU

Hört mir doch bloß mal zu!K

Also in deinem Fall würd ich praktisch sagen, das besteis, wenn du dem ne echte message verpassen willst, dugehst in deinem Haus rum oder wo du wohnst, baust dirne kleine Solidargruppe auf / fünf, sechs Frauen, diewissen dann haarscharf, was bei dir zuhause läuft unddie Probleme / und die quatschen das dann weiter undplötzlich kennen zwanzig, dreißig Frauen die Schwei-nereien deines Mannes und der blickt das und merkt,daß ihm da plötzlich ne starke Meute in die Pantoffelnguckt -

DIE FRAU

NeinM

Willste nicht, nein?K

Ich hab das Gefühl, die Schwestern sind alle so tierischfaul geworden. Die holn sich lieber den Psychoonkelvom Sozialamt in die Familie / da haust der dann mit inder Dreieinhalbzimmerwohnung / wie'n Schiedsrichterfamilienberatend ja / und bei jedem Tritt wird abgepfif-fen und dann im trauten Familienkreis der ganze Kack

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