loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das...

60
LÖBF- Mitteilungen Nr. 1/2004 Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung und Forsten Nordrhein-Westfalen Bedroht: Das Wildkaninchen in Europa Beobachtet: Nahrungsökologie des Spechtes Untersucht: Schutz und Pflege von Streuobstwiesen Eröffnet: Erster Nationalpark in Nordrhein-Westfalen Das Wildkaninchen – vom Plagegeist zum Sorgenkind

Transcript of loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das...

Page 1: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

LÖBF-Mitteilungen Nr. 1/2004

Landesanstalt für Ökologie,Bodenordnung und Forsten Nordrhein-Westfalen

Bedroht:Das Wildkaninchen in Europa

Beobachtet:Nahrungsökologie des Spechtes

Untersucht:Schutz und Pflegevon Streuobstwiesen

Eröffnet:Erster Nationalpark in Nordrhein-Westfalen

Das Wildkaninchen –vom Plagegeist zum Sorgenkind

Page 2: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

LÖBF-Mitteilungen 1/042

Impressum Aus dem Inhalt

Herausgeber und Verlag:Landesanstalt für Ökologie, Bodenordnung undForsten NRW (LÖBF)Castroper Straße 30D-45665 Recklinghausen, Telefon: 0 23 61/3 [email protected]:Marlies Graner, Bernd Stracke (verantwortlich)

Redaktionsbeirat: Dr. Jürgen Eylert,Horst Frese, Dr. Heiner Klinger,Dr. Bertram Leder, Dr. Joachim Weiss

Vertriebsleitung: Michael Bachem

Vertriebsverwaltung, Abo.-/Leserservice:Druck- und Verlagshaus Bitter GmbH & CoWilhelm-Bitter-Platz 145659 Recklinghausen, Telefon 0 23 61/5 82 88-36

Erscheinungsweise:vierteljährlich März, Juni, September, Dezember.Einzelheft: 1,50 A zuzügl. Porto.Jahresabonnement: 5,– A einschl.Porto.Bestellungen, Anschriftänderungen, Abonne-mentfragen mit Angabe der Abonummer, Abbe-stellungen (drei Monate vor Ende des Kalender-jahres) siehe Vertriebsverwaltung.

Satz und Druck:Druck- und Verlagshaus Bitter GmbH & CoPostfach 10 02 5345602 Recklinghausen, Telefon 0 23 61/60 06-0

Für unverlangt eingesandte Manuskripte sowieBücher für Buchbesprechungen wird keine Haf-tung übernommen. Durch das Einsenden von Fo-tografien und Zeichnungen stellt der Absender denVerlag von Ansprüchen Dritter frei. Die Redakti-on behält sich die Kürzung und Bearbeitung vonBeiträgen vor. Veröffentlichungen, die nicht aus-drücklich als Stellungnahme der Landesanstalt fürÖkologie, Bodenordnung und Forsten NRW(LÖBF) gekennzeichnet sind, stellen die persönli-che Meinung des Verfassers dar.

ISSN 0947-7578

100% Umweltpapier

LÖBF-Mitteilungen Nr. 1/2004

Landesanstalt für Ökologie,Bodenordnung und Forsten Nordrhein-Westfalen

Das Wildkaninchen – possierlich, lästigund inzwischen gefährdet?

Foto: P. Schütz

Bedroht:Das Wildkaninchen in Europa

Beobachtet:Nahrungsökologiedes Spechtes

Untersucht:Schutz und Pflegevon Streuobstwiesen

Eröffnet:Erster Nationalpark in Nordrhein-Westfalen

Das Wildkaninchen –

vom Plagegeist zum Sorgenkind

Paul NothersHegepflicht im Niederwildrevier am Beispiel Wildkaninchen 33

Christian Gortázar und Ursula HöfleDas Wildkaninchen in Spanien 26

Wolfgang SchöllerBedeutung des Wildkaninchens in der Industrielandschaft 29

Jürgen EylertBleibt das Wildkaninchen auf der Strecke? 22

Tausende Wildkaninchen werden in jedem Jahr in Mittelspanien gefangen und zumBestandsaufbau im Norden des Landes ausgewildert, zum größten Teil ohne Erfolg.

Foto: IREC

Walburga LutzZur Naturgeschichte des Wildkaninchens 12

Dietrich von HolstPopulationsbiologische Untersuchungen beim Wildkaninchen 17

Page 3: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

LÖBF-Mitteilungen 1/04 3

Editorial

Susen KönigStreuobstwiesenschutz im Kreis Coesfeld 42

Heinrich SpittlerUntersuchungen zur Populationsdynamik des Wildkaninchens 36

Arndt LehmannNahrungsökologie des Großen Buntspechtes 46

Editorial 3

Informationsmaterial 56

Jahresinhaltsverzeichnis 2003 59

Journal 4

Buchbesprechungen 50

Veranstaltungshinweise 10

Streuobstwiese in Stevern. Foto: S. König

Von der Plage zum SorgenkindObwohl die hohe Vermehrungsfähigkeit desWildkaninchens sprichwörtlich ist, sindbundesweit seit Anfang der 1990er Jahregravierende Bestandseinbrüche zu regis-trieren. Allein in Nordrhein-Westfalen istgegenüber Mitte der 1970er Jahre ein Rück-gang um nahezu 90 Prozent zu verzeichnen.Indikator hierfür ist die Jagdstrecke. Siemacht in Nordrhein-Westfalen inzwischennur noch 50 Prozent derjenigen des Feldha-sen aus. Wesentliche Faktoren für die Be-standseinbrüche sind in erster Linie die bei-den seuchenartig auftretenden KrankheitenMyxomatose und Rabbit Haemorrhagic Di-sease (RHD), auch Chinaseuche genannt.Anders als bei vielen anderen Tierartenspielen Lebensraumveränderungen keineentscheidende Rolle. Die Bestandssituation des Wildkaninchensist insgesamt ungünstiger einzuschätzen alsdie des Hasen. Dennoch ist das Wildkanin-chen keine Rote Liste-Art. Gemessen anneueren Artenschutzkriterien trägt das LandNordrhein-Westfalen auch besondere Ver-antwortung für die Bestandserhaltung desWildkaninchens. Das MUNLV als obersteJagdbehörde hat bereits reagiert und eineSchonzeit für Altkaninchen vom 1. März bis30. September eingeführt.Die in dieser Ausgabe der LÖBF-Mitteilun-gen vorgestellten Beiträge zum Wildkanin-chen gehen zurück auf den Bonner Jägertag,der am 17. September 2003 stattgefundenhat unter dem Leitthema „Das Wildkanin-chen – gestern eine Plage, heute ein Sor-genkind“. Aufgezeigt werden die Darstel-lung und die Analyse der jüngeren Ge-schichte sowie der Istzustand des Wildka-ninchens in Nordrhein-Westfalen. Es wirdberichtet über Erfahrungen aus Spanien, ei-nem europäischen Mutterland des Wildka-ninchens. Darüber hinaus werden konkreteEmpfehlungen und Hinweise vorgestelltzur angepassten Hege und Bejagung desWildkaninchens. Als Stichworte seien hiergenannt Hegepflicht, ein artenreicher undgesunder Wildbestand als Hegeziel und dasKriterium der Nachhaltigkeit der jagdlichenNutzung. Die Beiträge zeigen auch auf denForschungs- und Untersuchungsbedarf zudieser Thematik und die diesbezüglichenMitwirkungsmöglichkeiten durch die Jä-gerschaft.Weitere Themen der vorliegenden Ausgabeder LÖBF-Mitteilungen sind der Schutzund die Pflege der Obstwiesen im Münster-land sowie die Kurzfassung einer Diplom-arbeit zur Nahrungsökologie des GroßenBuntspechtes.

Rolf KalkkuhlPräsident der Landesanstalt für Ökologie,Bodenordnung und Forsten NRW

Page 4: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

4 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Nordrhein-Westfalenserster Nationalpark offiziell eröffnetLandesumweltministerin Bärbel Höhn hatim Januar mit einem Festakt Nordrhein-Westfalens ersten Nationalpark offizielleröffnet. Nach kaum zweijähriger Erarbei-tungszeit trat am 1. Januar diesen Jahresdie Verordnung in Kraft, mit der der belgi-sche Truppenübungsplatz Vogelsang sowiedie umliegenden Staatswälder Wahler-scheid, Dedenborn, Kermeter und Hetzin-gen zum Nationalpark erklärt wurden. ImGegensatz zu den Staatswäldern ist derTruppenübungsplatz allerdings erst ab2006 nach Abzug der belgischen Truppenzugänglich.Umweltministerin Höhn machte deutlich,dass der neue Nationalpark Eifel nicht nurder erste Nationalpark in Nordrhein-West-falen sei. Er sei auch der erste Nationalparkin Deutschland, der mit der Bevölkerungund nicht gegen sie entwickelt worden sei.Bei der Entstehung seien die Bürgerinnenund Bürger der Region von Anfang an ak-tiv mit einbezogen worden. Von Einzelper-sonen und privaten Initiativen über kom-munale Dienststellen und Fachbehördenbis hin zu den verschiedenen beteiligtenRessorts der Landesregierung und desBundesumwelt- sowie Bundesbauministe-riums hätten alle Beteiligten über Partei-grenzen hinweg an einem Strang gezogen.Die Umweltministerin dankte allen, diesich für den Nationalpark Eifel eingesetzthaben. Ohne diese Unterstützung hätte die-ses Projekt nicht in der kurzen Zeit bewäl-tigt werden können. Auf dem größten Teil des rund 10 700 Hek-tar großen Gebiets des Nationalparks sollin Zukunft der Natur freier Lauf gelassenwerden. Der Wald, der rund zwei Drittel

der Gesamtfläche ausmacht, wird nichtmehr wie bisher bewirtschaftet. Er darf freiwachsen, abgestorbene Bäume bleiben lie-gen und schließen so den natürlichenKreislauf. Neben dem Wald finden sich imNationalpark auch Quellgebiete, Bach-täler, Felsbildungen und große Offenland-bereiche. Diese ausgewogene Mischungsoll Tierarten wie Wildkatzen, Bibern, Fle-dermäusen, Uhu, Wespenbussard oder Eis-vogel als Lebensraum dienen. Ein beson-deres Highlight für die Besucher werdendie Rothirsche sein, die hier tagaktiv lebenund insbesondere auf dem Truppen-übungsplatz in großer Zahl vorkommen.Um sie für die Besucher erlebbar zu ma-chen, ohne zu stören, werden besondereAussichtspunkte eingerichtet. Ausgewie-sene Wege sollen die Besucher zu den at-traktivsten Stellen des Nationalparksführen. Das dafür erforderliche Er-schließungskonzept kann jetzt, nachdem

mit der Nationalparkverordnung der recht-liche Rahmen gegeben ist, erarbeitet wer-den. Es soll rechtzeitig bis zum Abzug derbelgischen Truppen fertig sein. Derzeitmüssen die Besucher noch mit dem beste-henden Wegenetz vorlieb nehmen. 17frisch ausgebildete Ranger stehen ihnendabei mit Rat und Tat zur Seite. Das bishe-rige Staatliche Forstamt Schleiden hat zumJahresbeginn als Nationalparkforstamt dieVerwaltung des Parks übernommen. Imund um den Nationalpark gibt es in dennächsten Monaten und Jahren noch viel zutun. So sollen spezielle Nationalpark-Ser-vicestationen errichtet werden und Kon-zepte für eine touristische Nutzung erar-beitet werden.Informationen rund um den Nationalparksowie aktuelle Termine und Informationenzu geführten Touren sind im Internet zufinden unter www.nationalpark-eifel.de.Bürgerinnen und Bürger, die sich fürNRWs ersten Nationalpark engagierenwollen, können dies unter anderem in demeigens gegründeten Förderverein Natio-nalpark Eifel tun (www.foerderverein-na-tionalpark-eifel.de).

Journal

Faszination Wildnis – erlebbar in einer Landschaft aus Wald und Wasser.Foto: Nationalparkforstamt Eifel

Umweltministerin Bärbel Höhn und Staatssekretär Dr. Thomas Griese überreichen Hen-ning Walter, dem Leiter des zum 1. 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel,das Behördenschild. Foto: B. Nöhrig

Europäisches Boden-BündnisDie österreichischen Bundesländer Ober-und Niederösterreich sind dem Boden-Bündnis europäischer Städte, Kreise undGemeinden (European Land and Soil Alli-ance, ELSA e. V.) beigetreten. Die Ge-meinden Gmünd und Gföhl waren zuvorals erste österreichische Gebietskörper-schaften Mitglied bei ELSA e. V. gewor-den.Das Boden-Bündnis (ELSA e. V.), das imJahr 2000 aus den Reihen des Europäi-schen Klima-Bündnisses hervorgegangenist, versteht sich als Netzwerk europäi-

Page 5: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

5LÖBF-Mitteilungen 1/04

scher Gebietskörperschaften, Institutionenund Vereine, die sich gemeinsam für einennachhaltigen Schutz der Böden einsetzen.So arbeitet ELSA e. V. im Rahmen seinerAktivitäten unter anderem an der Entwick-lung der europäischen Bodenschutzstrate-gie mit, deren Verabschiedung für 2004 er-wartet wird. ELSA e. V. ist in zwei wor-king-groups (Erosion und Monitoring)vertreten und hat einen Sitz im Advisory-Forum der Kommission.Seit seiner Gründung im Jahr 2001 sindStädte, Gemeinden und Organisationenaus sechs europäischen Ländern Mitgliedbei ELSA e. V. geworden.

NABU-Baupreis 2004ausgeschriebenDer Naturschutzbund NABU schreibt zumzweiten Mal einen Baupreis für nachhalti-ges Bauen und Renovieren aus. Bauherren,Architekten, Planer sowie kommunaleBauträger und Wohnungsgesellschaftensind aufgerufen, sich mit ihren Projektenfür den NABU-Baupreis 2004 zu bewer-ben. Im Mittelpunkt des Wettbewerbs ste-hen Alternativen zum Neubau. Mit Unter-stützung der Aachener Stiftung KathyBeys und des Umweltbundesamtes konntebei der zweiten Ausschreibung das Preis-geld für den Sieger auf 4000 Euro verdop-pelt werden. Mit der Auszeichnung sollen Bauherrenund Architekten dazu angeregt werden, al-te Gebäude clever umzubauen, Häuser auf-zustocken, bestehenden Wohnraum sinn-voller sowie Energie effizienter zu nutzenund umweltfreundliche Baustoffe einzu-setzen. Die Voraussetzung für eine Teil-nahme am NABU-Baupreis 2004 erfüllenGebäude, die in den letzten fünf Jahren alsbestehendes Bauwerk umgebaut oder sa-niert wurden. Zugelassen sind gewerbli-che, private und öffentliche Gebäude. Neu-bauten sind vom Wettbewerb ausgeschlos-sen.Bewerber können ihre Unterlagen beimNABU, 53223 Bonn, einreichen. Einevollständige Bewerbung sollte einen gefal-teten Lageplan, Grundrisse, Fotos sowieeinen Erläuterungsbericht zu Art, Nutzung,Größe, Kosten des Umbaus und Alter desGebäudes enthalten. Einsendeschluss istder 31. Mai 2004. Weitere Informationengibt es unter www.Nachbar-Natur.de oderin der NABU-Bundesgeschäftstelle unterTel. 02 28/4 03 60.Der NABU-Baupreis wurde erstmals 2003vergeben. Prämiert wurden sieben Archi-tekten und Bauherren aus dem ganzenBundesgebiet für beispielhafte Umbaupro-jekte und Sanierungen. Der erste Preis gingnach Dresden an die Familie Pitz Korb-juhn, die mit pfiffigen Ideen und wenigGeld ein ehemaliges Baugeschäft zum Ein-familienhaus mit Bürogebäude umnutzten.

Chance für den FlusskrebsDer NABU und der FischereiverbandNRW haben ein gemeinsames Arten-schutzprojekt zum Schutz der gefährdetenheimischen Flusskrebsbestände gestartet.Gefördert wird das Projekt in der Pilotpha-se von der NRW-Stiftung und vom Minis-terium für Umwelt und Naturschutz, Land-

Zur Bestandssicherung der immer seltenergewordenen Krebstiere sind Wieder- bzw.Neuansiedlungen in entsprechenden Ge-wässern geeignet. Dabei müssen strengeKriterien beachtet werden. Um Infektions-lücken aufrecht zu erhalten, die eine weite-re Übertragung der Krebspest auf anderePopulationen verhindern, ist beispielswei-se eine Koordination der Maßnahmen un-erlässlich. Diese Hilfestellung möchte dasProjekt ebenfalls übernehmen.

Journal

Der Steinkrebs – einer der zwei in NRW heimischen Flusskrebsarten. Foto: H. Groß

wirtschaft und Verbraucherschutz des Lan-des NRW.Edelkrebs und Steinkrebs, die beiden inNRW heimischen Flusskrebsarten, sind inihrem Bestand stark gefährdet. Vom Stein-krebs gibt es sogar nur noch zwei kleinereVorkommen im äußersten Süden vonNRW. Die Hauptursache für die Bedro-hung der Krebse ist neben dem Aussetzenvon Flusskrebsarten aus anderen Erdteileneine durch amerikanische Flusskrebseübertragene Krankheit. Ende des 19. Jahr-hunderts kam es durch sie zu einem Mas-sensterben der vorher häufigen Tiere, wasder Krankheit den Namen „Krebspest“ ein-brachte.Zunächst soll durch Befragungen und mitHilfe ehrenamtlicher Kartierer eine Ver-breitungskarte erstellt werden, um ein ver-lässliches Bild über das Vorkommen derFlusskrebse in NRW zu erhalten. Im Rah-men des Projektes wird außerdem umfang-reich über die Gefährdung der heimischenFlusskrebsarten und die Gefahren durchdas Aussetzen nicht heimischer Tier- undPflanzenarten informiert. Weiterhin sollenkonkrete Arten- und Wiederansiedlungs-maßnahmen angeregt und fachlich unter-stützt werden.

Wirtschaftlicher Wertder FeuchtgebieteFeuchtgebiete dienen als Wasserfilter undtragen zum Hochwasserschutz bei. Derjährliche Wert dieser Funktionen liegt bei70 Milliarden US Dollar. Zu diesem Er-gebnis kommt eine neue Studie der Um-weltstiftung WWF. Die jetzt vom WWFvorgelegte Studie führt 89 bestehende Un-tersuchungen zusammen, in denen derWert verschiedener Feuchtgebiete moneta-risiert wurde. Für Feuchtgebiete in einerGrößenordnung von 630 000 Quadratkilo-metern liegen bereits solche Abschätzun-gen vor. Ihre jährliche Wirtschaftsleistungbeträgt knapp 3,5 Milliarden US Dollar.Rechnet man diese Summe auf die in derso genannten Ramsar-Konvention ge-schützten Gebiete hoch, ergibt sich einWert von 70 Milliarden US Dollar im Jahr. Der Report verdeutlicht, dass in den ver-gangenen 100 Jahren die Hälfte allerFeuchtgebiete weltweit verschwunden ist.Damit seien zugleich enorme Werte ver-nichtet worden. Bislang habe man dieseökonomische Bedeutung aber weit unter-schätzt, bemängelt der WWF. Im Gegen-teil: Statt diese Gebiete zu erhalten, wer-

Page 6: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

6 LÖBF-Mitteilungen 1/04

den Milliarden ausgegeben, um Auwälderund Überflutungsflächen als Bauland oderfür die Landwirtschaft zu nutzen. Dies mö-ge zwar kurzfristig Gewinne abwerfen, seiaber mittelfristig kontraproduktiv. Wiekostspielig eine solche Politik sein könne,habe die Flut an der Elbe 2002 nachdrück-lich vor Augen geführt.

Buche, Fichte und Eiche in GefahrDie in vielen Teilen Zentraleuropas extre-me Trockenheit des Sommers 2003 hat be-reits lokal zu unmittelbaren Schädigungender Wälder geführt.Die auf einer Tagung der ArbeitsgruppeForstlicher Luftbildinterpreten (AFL) En-de vergangenen Jahres in Wien zusammen-gestellten Erfahrungsberichte prognosti-zieren, dass es im Jahr 2004 die stärkerenFolgeschäden geben wird. Nach Erfahrun-gen aus früheren Trockenperioden rechnendie Luftbildexperten mit folgenden Schä-den, deren Anfänge in verschiedenen Re-gionen Deutschlands, Österreichs und derSchweiz schon zu beobachten sind: flächi-ges Absterben von Beständen oder Be-standsteilen als unmittelbare Dürrefolge,auch in Laubwäldern, Massenvermehrun-gen von Borkenkäfern und anderen Insek-ten, Pilzschäden in geschwächten Bestän-den, die über mehrere Jahre zum Absterbenvon Bäumen und zu einer starken Qua-litätsminderung des Holzes führen,Störungen der Mischbestandsentwicklung(z. B. durch schädigungs- und konkurrenz-bedingtes Ausfallen einer Mischbaumart),umfassende Erkrankung des Waldes mit imEinzelnen schwer vorhersehbaren Sym-ptomen. Besonders gefährdet sind Buche,Eiche und Fichte.

Duo mit Biss Kaninchen und Kühe sind ein gutes Team,hat eine niederländische Biologin ermit-telt. Kaninchen wissen besonders jenesGras zu schätzen, das von den Kühen be-reits zurechtgestutzt worden ist. Gemein-sam haben die beiden Pflanzenfresser star-ken Einfluss auf die Vegetation eines Gras-landes.Liesbeth Bakker von der Universität Wa-geningen führte ihre Untersuchungen imÜberschwemmungsland des Flusses Over-ijsselse Vecht durch. Die Staatliche Behör-de für Forstverwaltung setzt hier Kühe ein,um das Gras kurz zu halten. Den Großteildieser Arbeit dürften allerdings die zahlrei-chen Kaninchen und Wühlmäuse erledi-gen. Erstere grasen bevorzugt dort, wo be-reits Kühe am Werk waren, beobachtetedie Forscherin. Letztere meiden dagegensolche Flächen – vermutlich bietet ihnendas kurze Gras nicht genügend Schutz.Die Aktivitäten von Kühen und Kaninchenfördern die pflanzliche Artenvielfalt, fandBakker heraus. Kräuter wie die Brunelle(Prunella vulgaris), der Knollige Hahnen-fuß (Ranunculus bulbosus) oder das Fer-kelkraut (Gattung Hypochoeris) gedeihenin dem kurzen Gras besonders gut, da siehier ausreichend Licht bekommen. Zudemkönnen ihre Samen in von Kaninchen frei-gelegtem Erdreich besser auskeimen.

Journal

Kühe fressen selektiv und lassen „Reste“für das Wildkaninchen stehen.

Foto: P. Schütz

IdeenwerkstattausgezeichnetDie Ideenwerkstatt Lebens(t)raum e. V. istmit ihrem Projekt „kulture and nature“1. Preisträger des Robert-Jungk-Preises2003 geworden. Dabei handelt es sich umeine Wohnumfeldverbesserungsmaßnah-me, bei der Kinder, Jugendliche und Er-wachsene naturnahe Spielräume und Treff-punkte gestalten werden.„Die Entwicklung der Kinder und Jugend-lichen werden wesentlich von dem Spiel-raum bestimmt, der ihnen für den sozialenAustausch, die individuelle und gemeinsa-me Erfahrung und die Aneignung der Um-welt, ihrer kreativen Gestaltung und Ent-faltung zur Verfügung steht“, erläuterteProjektleiterin Andrea Vahrenhorst denpädagogischen Ansatz. Im Bielefelder Stadtteil Baumheide finden2004 drei große Open-Air-Werkstättenstatt: Kinder erleben sinnliche Erfahrun-gen beim Lehm-Bau, Jugendliche könnenkreativ werden in der Steinbildhauer-Werkstatt, und sämtliche Bewohner sindim Mosaik-Workshop aufgerufen, ihrWohngebiet zu verschönern. Durch diephantasiereiche und kreative Gestaltungmit Naturmaterialien sollen vor allem Kin-der und Jugendliche spielerisch an Natur-baustoffe herangeführt werden.

Begegnung mit dem Naturmaterial Stein.Foto: www.ideenwerkstatt-lebenstraum.de

Invasion der TraubenkirscheDie amerikanische Traubenkirsche (Pru-nus serotina) fühlt sich in Europa wohlerals in ihrer Heimat. Die Sträucher habensich in Teilen Europas bereits so stark ver-breitet, dass heimische Varianten dauerhaftverdrängt werden könnten. Amerikanischeund niederländische Forscher berichtenjetzt, Bodenmikroben begünstigten die.Die amerikanische Traubenkirsche ist einanspruchsloser Strauch. Seinen Namenverdankt er den traubenartigen Blüten undden bei Wildtieren beliebten schwarzenFrüchten. Unter günstigen Bedingungenkann das Gehölz zehn Meter hoch wach-sen. Diese Bedingungen findet die Trau-benkirsche zur Zeit in den Niederlanden,Belgien und Deutschland vor. „Der Strauch hat sich teilweise zu einer re-gelrechten Plage entwickelt“, weiß KeithClay, Biologe an der Indiana UniversityBloomington. Zusammen mit Kollegenvom Centre for Terrestrial Ecology in denNiederlanden hat er die Ursachen für dieüberraschende Dominanz des Strauchesuntersucht.In seiner nordamerikanischen Heimat habeder Strauch mit Bodenpilzen der GattungPythium zu kämpfen, die seinen Wuchshemmten. Doch diese „Bremse“ fehle of-fenbar in Europa. Stattdessen treffe der

Strauch auf eine Mischung von Bodenmi-kroben, die sein Wachstum noch begüns-tigten.Die Forscher wollen mit Hilfe der Boden-analysen die Ausbreitung der Traubenkir-sche besser vorhersagen können, um denpflanzlichen Invasoren auf bedrohtenFlächen möglichst rechtzeitig entgegenzu-wirken.

Page 7: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

7LÖBF-Mitteilungen 1/04

Auch Sträucher und Eichen stehen unterder Kontrolle des Duos, ergaben die Unter-suchungen. Eichenkeimlinge findenSchutz im Strauchwerk. Wo die Kaninchenallerdings das Geäst der Sträucher anknab-bern, haben die Keimlinge angesichts derKühe keine Chance.

Mehr Natur am RheinUnter dem Pflaster liegt der Strand. Unterdiesem Motto startete im Oktober des ver-gangenen jahres der NABU das Projekt„Lebendiger Rhein – Fluss der tausend In-seln“ am Rheinstrand von Duisburg-Rheinhausen. In diesem ersten Modellpro-jekt rückten die Bagger des Wasser- undSchifffahrtsamtes Duisburg-Rhein derSteinpackung zu Leibe, damit der Rheinauf diesen rund 1,5 Kilometer das Uferwieder selber gestalten kann.In den nächsten vier Jahren sollen zwi-schen Straßburg und niederländischerGrenze acht Modellvorhaben umgesetztund weitere sieben Maßnahmen umset-zungsreif sein. Damit möchte der NABUaufzeigen, wie an der meist befahrenenBinnenwasserstraße Europas wieder Raumfür Flussnatur geschaffen werden kann,

ohne dabei die Schifffahrt zu beinträchti-gen.Von der Wiedererstehung naturnaher Ufer-und Flussabschnitte sowie Seitenrinnenprofitieren nicht nur Tiere und Pflanzen,sondern auch den Menschen soll an diesenStellen wieder ein Naturerlebnis der be-sonderen Art ermöglicht werden. Finan-ziert wird das Projekt von der DeutschenBundesstiftung Umwelt (DBU), der Mi-chael-Otto-Stiftung für Umweltschutz inHamburg, dem Land Rheinland-Pfalz, derStiftung Naturschutzfonds Baden-Würt-temberg, der Kurt-Lange-Stiftung in Biele-feld, der Deutschen Umwelthilfe Radolf-zell sowie von der Firma Kyocera Mita. AbFebruar 2004 stehen aktuelle Informatio-nen zu den 15 Modellvorhaben sowie Neu-igkeiten aus der Rheinschutzpolitik im In-ternet unter www.lebendiger-rhein.de zurVerfügung.

Journal

Wer sieht was? Der Verlag für interaktive Medien V.I.M.stellt ab sofort für alle Naturinteressierteneinen neuen Dienst im Internet kostenlosunter www.s2you.com bereit! Der Serviceermöglicht es, auffällige, häufige oder ge-rade besonders in den Blickpunkt gerückteTier- und Pflanzenarten kennen zu lernenund deren Auftreten in der Natur über dasInternet zu melden.Die Bandbreite der Arten reicht von derRingelnatter über den Zaunkönig (Vogeldes Jahres 2004) bis hin zum Zitronenfal-ter und der Grünen Hohlzunge. Dem Na-turfreund werden eine Vielzahl von inter-aktiven Möglichkeiten eröffnet. So stehtfür jeden angemeldetem Teilnehmer ein ei-gener Bereich mit persönlichem Fundtage-buch, eine Funktionalität um Bilder hoch-zuladen, bis hin zu einem Diskussionsfo-rum, wo mit Experten Fragen zur Bestim-mung, zum Vorkommen oder zur Lebens-weise diskutiert werden können, zur Verfü-gung.Die Beobachtungen können komfortabelzeit- und ortsgenau gemeldet werden. So-fort nach der Eingabe kann eine Verbrei-tungskarte erstellt werden, auf der die ge-meldeten Fundorte sichtbar sind. Naturin-teressierte sind aufgerufen mitzumachenund somit der Wissenschaft zu umfangrei-chen und zuverlässigen Daten zu verhel-fen.Kontakt: Dr. Christian Köppel (V.I.M.,[email protected])

Der Rhein wird auf 1,5 km Länge vom Steinkorsett befreit. Foto: V. Wille

Schwarzwild und EichenverjüngungFür die Verjüngung eines Eichenbestandesist eine ausreichende Anzahl keimfähigerSamen auf dem Waldboden notwendig.Dort unterliegen die reifen Samen jedochvielfältigen Verlusten. Vor allem für Wild-schweine stellen die Eicheln in den Herbst-und Wintermonaten eine bedeutende Nah-rungsquelle dar. Eine zweijährige Untersu-chung des Forstzoologischen Institutes derUniversität Freiburg hatte das Ziel, denVerlust an keimfähigen Samen durchSchwarzwild zu quantifizieren. In drei Be-obachtungsgebieten wurden 80 Ver-suchsparzellen eingezäunt, um das Scha-lenwild auszuschließen. Durch Zählungender Eicheln und Keimlinge innerhalb und

Strom aus dem Innerender ErdeDas bundesweit erste Kraftwerk für geo-thermischen Strom ist im mecklenburgi-schen Neustadt-Glewe ans Netz gegangen.Die Anlage soll etwa 500 Haushalte mitStrom versorgen. Das neue Kraftwerknutzt etwa 98 °C heißes Wasser aus 2250Metern Tiefe und erzielt mittels einerORC-Turbine eine Leistung von 210 kW.Das F&E-Projekt wird mit Mitteln ausdem Zukunftsinvestitionsprogramm derBundesregierung gefördert und soll dastechnische Verfahren zur Stromgewinnungaus Erdwärme weiterentwickeln. In Neustadt-Glewe wird bereits seit 1995Erdwärme für die Versorgung eines Fern-wärmenetzes eingesetzt. Das geothermi-sche Heizwerk verfügt über eine Spitzen-leistung von 11 MW, davon 4,5 MW geo-thermisch. Im Sommerhalbjahr kann die

reine Wärmeauskopplung jedoch die zurVerfügung stehenden geothermischenEnergieressouren nicht vollständig ausnut-zen, da der Heizwärmebedarf sinkt und dieNachfrage nach Prozesswärme dies nichtausgleichen kann. Die geothermischeStromerzeugung bietet sich daher in dieserZeit als Erweiterung des Anlagenkonzeptsan. Die ORC-Turbine ist direkt in denThermalwasserkreislauf eingebunden. ImAnschluss an die Stromgewinnung wirddas noch 70 bis 84 °C warme Wasser wiebisher an das Fernwärmenetz abgegeben.Das geothermische Strompotenzial inDeutschland ist enorm. Mit der heutigenTechnik ließe sich ein Potenzial erschlie-ßen, das dem 600-fachen des deutschenJahresstromverbrauchs entspricht. Zudemsteht geothermische Energie unabhängigvon Jahres- und Tageszeiten zur Verfügungund wäre für den Grundlastbereich derStromversorgung geeignet. Das geother-mische Heizkraftwerk Neustadt-Glewe istein wichtiges Pilotvorhaben, um Be-

triebserfahrungen in der geothermischenStromerzeugung unter den Bedingungen inDeutschland sammeln zu können. (BINE)

Page 8: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

8 LÖBF-Mitteilungen 1/04

außerhalb der Zäune wurden die durchSchalenwild verursachten Verluste ermit-telt. Im Beobachtungsjahr 2001 waren jenach Erhebungsgebiet bis zu einem Viertelder Eichelverluste auf die Anwesenheitvon Schalenwild zurückzuführen. Im Un-tersuchungsgebiet Rottenburg betrugen

ne abgestorbenen Bäume, an denen die Vö-gel am häufigsten nach Insekten suchten,wiesen die geringste Holzdichte auf.Von Spechten bearbeitete Stämme bietenin der Luft treibenden Pilzsporen idealeBedingungen zur Ansiedlung, glauben dieForscher. Indem die Vögel zu einemBaumstamm zurückkehren – sei es zurNahrungssuche oder zum Nisten – nehmensie die Pilze auf und tragen sie auf direk-tem Weg zum nächsten Baum. (idw)

Kahnschnecke –Weichtier des Jahres Die Gemeine Kahnschnecke (Theodoxusfluviatilis) ist Weichtier des Jahres 2004.Das teilte der Arbeitskreis zur Kartierungund zum Schutz der Mollusken in Nord-rhein-Westfalen mit.Die Gemeine Kahnschnecke – Theodoxusfluviatilis (LINNAEUS 1758) – ist eine ge-trenntgeschlechtlich lebende Kiemen-schnecke, die im Mittel- und Unterlauf vonSüßwasserflüssen und in Seen vorkommt.Sie bevorzugt große Fließgewässer mitsteinigem Grund und bewegtem Wasseroder steinige Uferzonen von Seen. Das dickwandige, halbeiförmige Gehäuseist 4,5 bis 6,5 mm hoch und 6 bis 9 mmbreit und hat nur wenige rasch zunehmen-de Umgänge. Das Gehäuse wird mit einemkalkigen Deckel (Operculum) verschlos-sen. Die Oberfläche des Gehäuses ist sehrvariabel in der Zeichnung und Färbung,meist dicht und regelmäßig gestreift aufweißem oder gelblichem Grund mit vio-lettbrauner oder rötlicher Netzzeichnung.Der Körper des urtümlich anmutenden Tie-res ist kurz gedrungen und ragt beim Krie-chen kaum heraus. Die feinen Fühler sindlang und spitz und tragen seitlich an derBasis die Augen.Die Kiemenschnecke kann zwei bis dreiJahre alt werden. Sie legt von April bis Ok-tober 1 mm große Eikapseln mit ca. 70 Ei-ern an Steinen oder an den Gehäusen derArtgenossen ab. In der Regel entwickeltsich in einem Zeitraum von vier bis achtWochen (je nach Umgebungstemperatur)nur ein Ei in der Eikapsel zu einem Jung-tier, die übrigen Eier dienen als „Nährei-er“. Das Jungtier ist beim Schlüpfen 0,5 bis1 mm groß. Als Nahrung dienen der Ge-meinen Kahnschnecke in erster Linie Kie-selalgen, deren fester Panzer mit Reibbe-wegungen gegen das harte Substrat zer-stört werden muss; ein Grund, warum dieSchnecke nur in Gewässern mit steinigemUntergrund vorkommt.Der Verbreitungsschwerpunkt von Theo-doxus fluviatilis liegt in Mitteleuropa. InDeutschland ist die Art vor allem im östli-chen Teil der norddeutschen Tiefebeneverbreitet. Im übrigen Deutschland sinddie Populationen stark schwindend. InNordrhein-Westfalen ist die Art vom Aus-sterben bedroht. Die aktuellen Hauptvor-kommen befinden sich in der Lippe und inder Ahse. Im Rahmen der Lippe-Renatu-rierungen sollte auf die Gemeine Kahn-schnecke besonders Rücksicht genommenwerden. Im Niederrhein gilt die Art seit1994 als ausgestorben. Neben einem links-rheinisch letzten Vorkommen aus derSchwalm sind rechtsrheinisch neben derLippe nur noch zwei Restvorkommen ausder Weser bekannt.Hauptursachen für den Bestandsrückgangsind Warmwassereinleitungen, unnatürli-

Journal

die Verluste an aufkommenden Keimlin-gen im Mastjahr 2000 etwa 50 Prozent, imSprengmastjahr 2001 blieben nur ein Drit-tel der Eicheln übrig. Die Trennung zwi-schen reh- und schwarzwildbedingten Ver-lusten gelang nicht. Schalenwild kann alsoinsbesondere nach Sprengmasten je nachstandörtlicher Ausgangssituation das Ver-jüngungspotential so absenken, dass einfür eine natürliche Eichenverjüngung not-wendiger Schwellenwert an keimfähigenEicheln unterschritten wird. An solchenStandorten könnte eine Eichenverjüngungzwar durch den Einsatz schwarzwilddich-ter (bzw. schalenwilddichter) Zäune er-reicht werden, deren Kosten sind aber rela-tiv hoch. Aus betriebswirtschaftlicherSicht ist die natürliche Eichenverjüngungdaher nur durch eine Verringerung derSchwarzwilddichte zu erreichen. (aid)

Das Wildschwein hat Appetit auf Eicheln.Foto: P. Schütz

Molekularer Auslöserder BlütenbildungWenn die ersten Blüten im Frühling auf-tauchen, ist das eines der sichersten Zei-chen, dass der Winter vorbei ist. Doch aufwelche Weise sind Pflanzen in der Lage,die wechselnden Jahreszeiten zu registrie-ren, und wie verwenden sie diese Informa-tion, um zur rechten Zeit ihre Blüten aus-zubilden? Dass Pflanzen also offenbar eineinnere Uhr besitzen, die ihnen erlaubt, dieTageslänge zu messen, wurde lange Zeitmit Skepsis aufgenommen. Erst durch dieIsolation der daran beteiligten Gene undProteine werden schrittweise jene Mecha-nismen klarer, mit deren Hilfe Pflanzen dieZeit messen und ihren Lebenszyklus steu-ern. Eine Gruppe des Max-Planck-Institutsfür Züchtungsforschung hat jetzt herausge-funden, welches molekulare Regelwerkein bestimmtes Protein mit dem NamenCONSTANS die Blütenbildung auslöst.Dieses Protein reichert sich nämlich erstdann im Zellkern von Pflanzenzellen an,wenn die Pflanzen den langen Lichtperi-oden von Frühlingstagen ausgesetzt sind.Hingegen wird das Protein rasch abgebaut,wenn die Tage wie im Winter zu kurz sind.Das Wissen, auf welche Weise Blüten imFrühling gebildet werden, könnte auch hel-fen, den Ertrag wichtiger Nutzpflanzen zusteigern.

Wenn die Tage lang sind, fängt die Acker-schmalwand (Arabidopsis thaliana) frühzu blühen an. Links: 16 Stunden Licht amTag. Die Pflanzen haben zu blühen begon-nen und bilden Samen. Rechts: 10 StundenLicht am Tag. Die Pflanzen sind gleich alt,blühen aber noch nicht. Foto: Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung

Spechte helfen Holz-PilzenSpechte rücken Bäumen nicht nur mecha-nisch zuleibe, haben amerikanische Biolo-gen ermittelt. In ihren Schnäbeln beherber-gen die Vögel auch eine ganze KollektionHolz zersetzender Pilze, die zum Abbauvon Totholz beitragen. Ohne die Pilze fän-den die Vögel nicht genügend Totholz fürdie Nahrungssuche und zum Anlegen vonNisthöhlen. Letztere würden zudem auchvon vielen anderen Tierarten als Unter-schlupf genutzt, heißt es in einer Studie derWildlife Conservation Society.Untersucht wurden Spechte und Gelbkie-fern in Kalifornien und Oregon (USA).Gut 60 Prozent der Tiere trugen Holz ab-bauende Pilze in ihren Schnäbeln. Und je-

Page 9: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

9LÖBF-Mitteilungen 1/04

che Schwebstoff-Frachten, kommunaleund industrielle Abwässer sowie hoheNährstoffeinträge. Durch Schlammaufla-gen bzw. starken Algenaufwuchs auf demsteinigen Untergrund wird der Art die Le-bens- und Ernährungsgrundlage entzogen.

Hain-Schwebfliege –Insekt des JahresDie Hain-Schwebfliege ist das Insekt desJahres 2004. Das recht häufige Insekt istbei Landwirten und Förstern als Nützlingbekannt, denn eine Schwebfliegenlarveverzehrt bis zur Verpuppung mehrere Hun-dert Blattläuse. Aufgrund ihrer schwarz-gelben Warnfarbe wird die Hainschweb-fliege auf den ersten Blick häufig mit Wes-pen verwechselt. Sie ist aber völlig unge-fährlich und lebt nur von Nektar und Pol-len.In Deutschland gibt es insgesamt etwa 450Schwebfliegenarten. Davon leben ein Vier-tel als Larven von Blattläusen. Die Weib-chen suchen ganz typisch für Schwebflie-gen nach Blattlauskolonien, indem sie vorder Pflanze schweben, um dann die einMillimeter langen Eier abzulegen, insge-samt über Tausend.Aus den weißlichen Eiern schlüpfen dieLarven, die sich sofort auf die Suche nachBlattläusen machen. Bis zur Verpuppungbraucht eine Larve etwa acht bis elf Tage.Den Larven fehlt neben den Beinen auchein deutlich abgesetzter Kopf. Sie sindweißhäutig und transparent und schim-mern weißlich oder grünlich.Die Hain-Schwebfliegen überwintern alserwachsene Tiere. An milden Wintertagenkommen sie sogar aus ihren Verstecken imLaub oder schützenden Ritzen hervor. Sietauchen auch mit den ersten Frühjahrs-blühern in größerer Zahl auf und sind dannan Winterling, Huflattich, Kornellkirscheund vor allem an Weidenkätzchen zu fin-den.Ein Teil der Hain-Schwebfliegen wandertwie Zugvögel im Spätsommer nach Südenund vermehrt sich dort. Sie können durch-aus 25 Kilometer pro Stunde zurücklegen.

Grüne Huschspinne –Spinne des JahresDie Spinne des Jahres 2004 ist die GrüneHuschspinne (Micrommata virescens). Sieist leuchtend grasgrün gefärbt, das Männ-chen hat einen gelb-rot längsgestreiftenHinterleib. Spinnenfreunde aus Deutsch-land, der Schweiz und Österreich wollenmit der Wahl auf eine Gruppe von Tierenaufmerksam machen, die bei vielen Men-schen nur ein Schaudern hervorrufen, abervöllig harmlos und wichtiger Teil unsererUmwelt sind.Die Grüne Huschspinne ist in Lichtungenvon Laubwäldern und an sonnigen Wald-rändern zu finden, aber auch in extensivoder nicht bewirtschafteten Feuchtwiesen.Sie ist freijagend und lauert auf Insekten,die kleiner oder höchstens gleich großsind. Ein Weibchen kann bis zu 15 Milli-meter groß werden, ein Männchen zehnMillimeter. Wie viele Spinnen baut dieGrüne Huschspinne kein Netz, sondernspinnt nur ein Gewebe als Schutz für ihrenUnterschlupf.Durch die grasgrüne Färbung sind die acht,bei dunklen Spinnen sonst kaum sichtba-ren Augen gut erkennbar – wenn man dieSpinnen überhaupt entdeckt. Die Männ-

Journal

Gemeine Kahnschnecke (Theodoxus flu-viatilis). Foto: V. Wiese

Zaunkönig –Vogel des Jahres Der Naturschutzbund NABU hat denZaunkönig zum „Vogel des Jahres 2004“ernannt. Der Vogel steht nach Ansicht derOrganisation stellvertretend für ein ganzesGefolge von Tieren und Pflanzen, die aufeine intakte natürliche Umgebung ange-wiesen sind. Der Zaunkönig, einer derkleinsten heimischen Vögel, werbe als po-pulärer Sympathieträger stellvertretend fürviele andere Tiere des Siedlungsraumes fürnaturnahe Gärten, Parks und Grünflächen,erläuterte der NABU.Nach Haussperling und Mauersegler seizum dritten Mal in Reihe gezielt ein typi-scher Vogel des menschlichen Siedlungs-raumes gewählt worden. Mit der Wahl desZaunkönigs will die Organisation zur Ent-wicklung strukturreicher Grünflächen mitdichtem Unterholz sowie zum Erhalt na-turnaher Bachauen aufrufen.Wer den Zaunkönig schützen wolle, solltesich für mehr Wildnis und Natur in unserenGärten und Parks einsetzen, so der NABU.Sterile Innenstädte böten dem Zaunköniggenauso wenig Platz wie strukturarmeWirtschaftswälder ohne Unterholz.Der Zaunkönig ist ein „Vogel von Welt“,dessen Brutgebiet von Nordamerika überdie Behringstraße westwärts weite TeileAsiens, Europas und Nordafrikas umfasst.In Mitteleuropa ist der Zaunkönig dasganze Jahr über anzutreffen und zieht sichals Insektenfresser im Winter lediglich ausden höheren Gebirgslagen in mildere Ge-filde zurück. Er zählt nicht zu den gefähr-deten Arten. (NABU)

Die nächste Generation kommt im Früh-jahr wieder zurück.Die erwachsenen Insekten benötigen Blü-ten, deren Nektar und Pollen offen darge-boten werden, denn sie haben nur einenkurzen Rüssel. Ringelblumen, Löwen-zahn, Pfefferminze, aber auch blühendePetersilie werden von Schwebfliegen ger-ne aufgesucht. Ein Gärtner, der die Nütz-linge fördern möchte, sollte diese Pflanzenim Garten haben. (BBA)

Das Weibchen einer Hain-Schwebfliege auf einer Wegwartenblüte. Foto: U. Schmid

Page 10: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

10 LÖBF-Mitteilungen 1/04

chen mit ihrer schrillen rot-gelben Färbungsollten leichter zu entdecken sein. Die Grü-ne Huschspinne ist besonders wärmelie-bend. Sie gehört zu den Riesenkrabben-spinnen, die sonst vor allem in den Tropenund Subtropen vorkommen. Sie ist die ein-zige in Deutschland lebende Art, allerdingsmit einer Ausnahme, denn ein weitererVertreter hat sich in Gewächshäusern breitgemacht. (BBA)

Siebenschläfer –Säugetier des Jahres Die Bayerische Landesanstalt für Waldund Forstwirtschaft hat den Siebenschläfer(Glis glis) zum Sägetier des Jahres 2004gewählt. Der Siebenschläfer gehört zurGruppe der Bilche oder Schlafmäuse, de-nen ein ausgedehnter Winterschlaf ge-meinsam ist. Verwandt ist er mit dem Gar-tenschläfer und der Haselmaus. Seine ver-meintliche „Verschlafenheit“ ist sogar na-mensgebend: von September bis EndeApril verschläft er die ungemütliche Hälf-te des Jahres. Im Spätsommer und Herbst,wenn er sich den nötigen Winterspeck an-frisst, dringt er auch in die Nähe menschli-cher Behausungen am Waldrand vor. Da-bei kann er auf seiner nächtlichen Suchenach Leckereien auch zum „Radaubruder“werden.Seine Nahrung besteht aus Früchten undSämereien, Knospen und Rindenstücken.Gelegentlich verschmäht er auch nicht tie-rische Kost wie Insekten. Wenn er nicht ge-rade schläft, lebt er gesellig in Laubwäl-dern, besonders solchen aus Buchen.Selbst an glatten Baumstämmen wie jenender Buche kann er gewandt empor klettern.Den Siebenschläfer kann man, so die

Bayerische Landesanstalt für Wald undForstwirtschaft, in erster Linie durch denSchutz seines Lebensraumes fördern, in-dem Alt- und Totholz mit natürlichenBaumhöhlen belassen und Laub- undMischwälder sowie Streuobstwiesen er-halten werden. Ergänzend nimmt er dort,wo natürliche Höhlen und Verstecke feh-len, Vogelnistkästen gerne als Eratzlebens-raum an.

Journal/Veranstaltungshinweise

Siebenschläfer sucht im Schuppen Unter-schlupf. Foto: B. Walter

Grüne Huschspinnenmännchen haben ei-nen gelb-rot längsgestreiften Hinterleib,während die Weibchen einen wesentlichlangweiligeren, hellgelb und grün gefärb-ten Hinterleib haben. Foto: H. Bellmann

Fledermäuse in MülheimEine Abendwanderung zur Beobachtungvon Fledermäusen in Mülheim bietet derNABU Ruhr am Freitag den 16. April von20.30 bis 22.30 Uhr unter der Leitung vonTorsten Jaworek an. Treffpunkt ist derWasserbahnhof an der Alten Schleuse,45468 Mülheim. Informationen Kontakt-daten: NABU Ruhr, Waldlehne 111, 45149Essen, Tel. 02 01/7 10 06 99, Internet:www.nabu-ruhr.de.

Wandern durch die Urwälder von morgen Der Deutsch-Belgische Naturpark bietetzusammen mit Partnern jedes Jahr mehre-re hundert zum Teil grenzüberschreitendeTermine zu Natur und Landschaft an. ObFührungen durch die bekannten Narzissen-gebiete im Frühling, Exkursionen im Ho-hen Venn, mit dem Fahrrad auf altenPfaden im deutsch-belgischen Grenzgebietoder Führungen durch den ersten nord-rhein-westfälischen Nationalpark. ImApril gibt es gleich sechs Mal Gelegenheit,den Nationalpark Eifel in einer geführtenWanderung zu erleben. „Mit dem Rangerdurch die Urwälder von morgen“, heißt esam 4. und 18. April. Jeweils von 10 bis 13

Uhr beginnt die Wanderung am Parkplatz„Wahlerscheid“ an der B 258, von Schlei-den kommend links, 200 m hinter dem Ab-zweig Richtung Malmedy, von 10.15 bis14.15 Uhr geht es am Bahnhof Heimbachlos und von 11.45 bis 14.15 Uhr wandertman ausgehend vom Parkplatz „Paulus-hof“ an der Kermeterhöhenstraße beiKreuzung L15/ alte K7. Alle sechs Wande-rungen werden vom NationalparkforstamtEifel, Urftseestraße 34, D-53937 Schlei-den-Gemünd, Tel.: 00 49 (0) 24 44/9 51 00,Fax: 00 49 (0) 24 44/95 10 85, [email protected], www.nationalpark-eifel.de veranstaltet.Die weiteren Veranstaltungstermine von„NaturErleben 2004“ sowie umfassendeund aktuelle Informationen zum Deutsch-Belgischen Naturpark finden Sie auch imInternet unter www.naturerlebnis-eifel.de.

EU-Erweiterung undUmweltpolitikAm 1. Mai 2004 wird die Europäische Uni-on nicht mehr aus 15, sondern aus 25 Mit-gliedsstaaten bestehen. Neben Malta undZypern werden der EU acht mittel- undosteuropäische Staaten beitreten. Diese sogenannte EU-Osterweiterung wird in Eu-ropa vieles verändern: Doch welche Fol-gen hat die neue Europäische Union aufdie Umweltpolitik? Dieser Frage geht das

Öko-Institut in Berlin auf seiner internatio-nalen Jahrestagung nach, die vom 22. bis23. April 2004 in Berlin stattfindet.Anmeldungen: Öko-Institut e.V. , Novalis-straße 10, D-10115 Berlin, Telefon:0 30/28 04 86 80, Fax: 0 30/28 04 86 88, In-ternet: www.oeko.de.

Jugendgruppentreffenspannend gestaltenWie können Tierschutzthemen für Kinderund Jugendliche interessant und spannendumgesetzt werden? Wie organisiere ich ei-nen öffentlichkeitswirksamen Infostand?Wie kooperiere ich mit anderen Verbändenund halte Kontakt mit der Presse? DiesenFragen will die Tierschutzjugend in derVeranstaltung „Jugendtreffen spannendgestalten“ nachgehen, die vom 30. Aprilbis 2. Mai 2004 in Dortmund stattfindet. Essoll aufgezeig werden, wie Programme ge-staltet, Rätsel selbst entworfen und Aktio-nen geplant werden, die garantiert gut an-kommen. Neue Anregungen, Ideen undTipps für den Tierschutz-Jugendgruppen-alltag geben, aber auch Erfahrungsaus-tausch und Kennenlernen der Jugendgrup-pen untereinander sind weitere Ziele desSeminars.Anmeldung: Deutsche Tierschutzjugend,Vinckestr. 91, 44628 Herne, Tel.: 0 23 23/5 16 16, Teilnahmebetrag: 20 @.

Page 11: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

11LÖBF-Mitteilungen 1/04

RotwildsymposiumDie Deutsche Wildtier Stiftung im Bun-desministerium für Verbraucherschutz,Ernährung und Landwirtschaft in Bonnveranstaltet am 7. und 8. Mai 2004 ihrzweites Rotwildsymposium. Im Mittel-punkt der Veranstaltung steht der Entwurffür ein Leitbild zum Rotwild-Manage-ment.Das maßgeblich von den Wildbiologen Ul-rich Wotschikowsky und Olaf Simon ent-worfene Leitbild wurde in den letzten bei-den Jahren in einem kontinuierlichen Pro-zess durch zahlreiche Anregungen der ver-schiedenen Interessengruppen weiterent-wickelt und optimiert. Ziel des Symposi-ums ist es, im Konsens Empfehlungen fürden zukünftigen Umgang mit dem Rotwildzu verabschieden und erste Schritte für ei-ne Umsetzung des Leitbildes in die Praxiszu verabreden.Das Rotwild ist die größte frei lebendeSäugetierart in Deutschland. Doch derUmgang mit dem Rothirsch ist alles ande-re als vorbildlich. Geduldet wird er nur inkleinen Rest-Lebensräumen Deutsch-lands. Die der Art eigenen Wanderbewe-gungen werden unterbunden. PermanenteBeunruhigung durch den Menschen hatden Rothirsch zu einem scheuen Waldbe-wohner gemacht. Um ihm in Deutschlandwieder ein artgerechtes Leben zu ermögli-chen, braucht es einen neuen Manage-mentansatz, entwickelt im Konsens undumgesetzt als gemeinsame Anstrengungaller beteiligter Interessensgruppen.Darüber hinaus ist für die Deutsche Wild-tier Stiftung das Rotwild eine der Leitartenfür die großen Herausforderungen des Na-tur- und Artenschutzes in Deutschland. Dienotwendige Vernetzung von Lebensräu-men, das Schaffen von Wildtierkorridorenund auch der Ausgleich zwischen den An-sprüchen des Wildtieres und den Interessendes Menschen, vor allem im Bereich derLand- und Forstwirtschaft, lassen sich am

Beispiel des Rotwildes thematisieren.Schließlich können am Rothirsch Wegeaufgezeigt werden, wie intakte Natur undihre Tierwelt für die ländliche Entwicklung„in Wert gesetzt“ werden können.Das „Leitbild für das Rotwild-Manage-ment in Deutschland“ finden Sie in der ak-tualisierten 3. Fassung ab dem 26. April2004 im Internet unter www.rothirsch.org. Parallel zur Veranstaltung können Interes-sierte am 8. Mai mit dem Wildbiologen U.Wotschikowsky Fragen und Meinungenzum Leitbild Rotwild in einem Internet-Li-ve-Chat diskutieren. Der Zugang zum Chatist an diesem Tag unter www.rothirsch.orgzu finden.Anmeldungen an: Deutsche Wildtier Stif-tung, Billbrookdeich 210, 22113 Hamburg,Tel.: 0 40/73 33 93 31, Fax: 0 40/7 33 02 78,E-Mail:[email protected].

NATURA 2000 Am 11. und 12. Mai 2004 veranstalten dieFH Rottenburg, der NaturschutzbundDeutschland (NABU) und der DeutscheVerband für Landschaftspflege (DVL) einegemeinsame Fachtagung mit dem Titel„NATURA 2000 – nicht genutzte Chancenoder unkalkulierbares Risiko?“.Es gibt wohl kein zweites naturschutzpoli-tisches Thema, das bundesweit für derartbeständige und kontroverse Schlagzeilensorgt – und das schon seit Jahren. NATU-RA 2000 ist ein komplexes Vorhaben, dasin all seinen juristischen und administrati-ven Facetten nur von wenigen Fachleutenverstanden wird. Doch es muss gleichzei-tig festgestellt werden, dass über Jahrehinweg viel zu wenig unternommen wur-de, um das Projekt NATURA 2000 mit ei-nem positiven Image auszustatten. Die Ta-gung hat zum Ziel, die bestehenden Kon-fliktlagen offen anzusprechen und vor al-

lem aber ein Diskussionsforum für dienoch nicht genutzten Potenziale des NA-TURA 2000-Prozesses zu schaffen.Infos und Anmeldung unter www.fh-rot-tenburg.de, E-Mail: [email protected] oder FH Rottenburg, Schaden-weilerhof, 72108 Rottenburg.

Wildbestandsregulie-rung im Nationalpark? Ein Seminar im Rahmen des NUA-Jahres-programms geht am 13. Mai 2004 in Mon-schau der Frage nach, ob in den Wildbe-stand im Nationalpark Eifel eingegriffenwerden muss. In allen unseren heimischenWäldern und Forsten werden die Beständevon Reh, Hirsch und Wildschwein durchJagd reguliert. Der Nationalpark Eifel sollals großflächiges Schutzgebiet eine natür-liche, also eine vom Menschen ungestörteVegetationsentwicklung ermöglichen. DasSeminar soll den Einfluss einer reguliertenbezeiehungsweise einer nicht reguliertenPopulation des Schalenwildes auf die Ve-getation naturschutzfachlich beleuchten.Veranstalter sind neben der NUA die Bio-logischen Stationen Aachen, Düren undEuskirchen sowie das Nationalpark-Forst-amt Eifel. Weitere Infos und Anmeldung:Biologische Station im Kreis Aachen e. V.,Zweifaller Str. 162, 52224 Stolberg, Tel.0 24 02/1 26 17-0, Fax 0 24 02/1 26 17-29,E-Mail: [email protected], Internet:www.bs-aachen.de, NUA: Manfred Keb-bel, Tel. 0 23 61/3 05-3 99, www.nua.nrw.de.

Ohne Spurendie Natur erfahrenMountainbiking gilt nicht geradegrundsätzlich als naturverträglich. Für na-turschutzinteressierte Mountainbiker bie-tet die NABU- Gruppe Natur und Umweltin Siegen-Wittgenstein am 16. Mai von8.00 bis ca. 13.30 Uhr eine Geländefahrtmit einem anschließenden Vortrag an. DieRoute führt über Altenteich – OberndorferHöhe – Heinsberg – Dreiherrnstein –Schwarzbachtal – Zinse – Erndtebrück.Gute Grundkondition, Beherrschung derFahrtechnik und ein technisch einwand-freies MTB sind notwendig. Treffpunkt istder Bahnhof Erndtebrück. In 3 bis 3,5Stunden Fahrzeit soll eine Strecke von 40Kilometern mit ca. 640 Höhenmeter abge-radelt werden. Anschließend findet um11.30 Uhr ein Vortrag der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer zum The-ma: „Wildbiologie und MTB-Fahren ausforstlicher Sicht“ statt. Organisatoren sindRothaarBikeTime, Wittgenstein-Berle-burg’sche Rentkammer, SGV Bezirk Witt-genstein und die VHS. Anmeldung unter0 27 51/73 61.

Veranstaltungshinweise

Der Rothirsch: die größte frei lebende Säugetierart in Deutschland. Foto P. Schütz

Page 12: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

12 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Der kurz gefasste Überblick über dieGeschichte des Wildkaninchensrichtet ein besonderes Augenmerk

auf die menschlichen Eingriffe und dieSeuchen Myxomatose und RHD in Verbin-dung mit der Forschung in Vergangenheitund Gegenwart. Der Rückblick auf dasmenschliche Handeln im Umgang mit derWildart soll Anregungen für die zukünfti-ge Behandlung der Wildart geben sowie ei-nige Nachdenklichkeit wecken, die voreili-ges Handeln verhindert.Fossile Befunde belegen, dass das Wildka-ninchen in Südwesteuropa und Nordwest-afrika beheimatet war, durch die Eiszeit imnördlichen Verbreitungsgebiet ausstarbund später die Wiederbesiedlung von derMittelmeerküste her stattfand. Die Phöni-zier gaben um 1100 v. Chr. Spanien denNamen nach den Kaninchen – Sphania.Daraus leitet sich Hispania, Espania, Spa-nien ab.

Vom Kaninchen und seiner Natur„Wozu viele Worte über das Kaninchenverlieren? Es gibt sicher wenige, die nochkeines gesehen haben.“ Mit diesen Wortenbeginnt GASTON PHOEBUS das 7. Kapi-tel seines „Libre de la Chasse“, seinesJagdbuches, das zum Jagdklassiker desMittelalters wurde. Als Gaston Phoebus,Graf von Foix, das Buch schrieb, war er 50Jahre alt und ein erfahrener Jäger, der dieJagdkunst vortrefflich beherrschte. Ihmverdanken wir die Kenntnis der Jagd im 14.Jahrhundert. In Frankreich gab es zu jenerZeit sowohl zahme Kaninchen als auchWildkaninchen. Man hatte von den Rö-mern die Leporarien, die Hasengehege,übernommen und hielt Kaninchen in um-mauerten Lapinieren oder Gehegen. In Deutschland fand man die Art zunächstin „Kunigleingärten“. Die Grabfähigkeitdes Kaninchens mag bereits damals zu ra-scher Verwilderung beigetragen haben.Noch einmal sei Gaston Phoebus zitiert:„Wer ein gutes Gehege voller Kaninchen

unterhalten möchte, muss es gut einzäu-nen, um die Tiere in der Nähe ihres Baueszu halten. Sie würden sich sonst zu weitentfernen.“Die bewusste Verbreitung des Kaninchenszu jagdlichen Zwecken ist in Deutschlandfür das 13. Jahrhundert belegt. Das Kanin-chen blieb offensichtlich in Deutschlandnoch lange selten und wird erst im 18. und19. Jahrhundert häufiger genannt.Mit dem Überseehandel kam es zu zahlrei-chen Ansiedlungen auf Inseln für Schiff-brüchige und zu Einbürgerungen in vielenRegionen der Welt. Auf ca. 800 Inseln inallen großen Meeren sind Kaninchenan-siedlungen bekannt.

Wildkaninchen in AustralienWesentliche Änderungen mit Einfluss aufdie Kaninchenbesätze, die auf menschli-ches Handeln zurückgehen, begannen En-de des 19. Jahrhunderts. In der zweiten

Hälfte des 20. Jahrhunderts bestimmenzwei Viruserkrankungen das Wohl undWehe der Kaninchenbesätze: Die Myxo-matose und die RHD.Ende des 19. Jahrhunderts entstanden zahl-reiche Akklimatisationsgesellschaften, diebegeistert die Einbürgerung fremder Tier-arten förderten. In Europa ebenso wie inÜbersee gab es solche Gesellschaften.Australien und Neuseeland waren keineAusnahme, und ein begeistertes Mitgliedin Australien war THOMAS AUSTIN ofBarwon Park. 1859 wurden im Dezember24 Wildkaninchen aus England in BarwonPark eingesetzt. Bereits 1865 betrug diejährliche Strecke ca. 6000 Kaninchen. ImDezember 1867 folgte Prinz Alfred, Her-zog von Edinburgh und Sohn der KöniginViktoria, einer Jagdeinladung und schossinnerhalb von 3,5 Stunden 416 Wildkanin-chen.Flächendeckende Fraßschäden in Australi-en brachten Schaffarmern den Ruin. Die

NaturgeschichteWalburga Lutz

Zur Naturgeschichte des Wildkaninchens Ein Blick in die Geschichte des Wildkaninchens in der Alten und der Neuen Welt

Die aktuelle Diskussion um das Wildkaninchen, seine Zukunft, die zukünftige jagdliche Behandlung immodernen Sinn der Arterhaltung und der nachhaltigen Nutzung, die Diskussion um den Einsatz vonHilfsmitteln, die jüngste Forschungen auf dem Gebiet der Impfung anbieten – speziell gegen die SeucheRHD (Rabbit Hemorrhagic Disease) – sind Anlass, einen Blick zurück auf die Geschichte der Entwick-lungen in den vergangenen Jahrhunderten und besonders der letzten 100 bis 150 Jahre zu werfen.

Wildkaninchen – bis vor circa 300 Jahren in Deutschland noch selten. Foto: R. Bräsecke

Page 13: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

13LÖBF-Mitteilungen 1/04

Konflikte zwischen Land- und Forstwirt-schaft auf der einen Seite und Jagd undZucht von Kaninchen auf der anderen Sei-te finden sich mit graduellen Unterschie-den nahezu überall, wo Kaninchen sichmassenhaft vermehren können. Es sinddies die wirtschaftlichen Schäden, verur-sacht durch Wildkaninchen, die den Kon-flikt ausmachen. Die rasende Eroberung des australischenKontinents begann erst nach zahlreichenFehlstarts. Die ersten fünf Hauskaninchenwurden bereits 1788 freigelassen. Die Aus-wirkungen auf die Umwelt, die ökologi-schen Schäden, verursacht durch Kanin-chen, wurden besonders deutlich nach demZusammenbruch der Populationen durchdie Myxomatose. Nicht nur in Australien,auch in England und Frankreich gibt esgute Aufzeichnungen über die direkten undindirekten ökologischen Auswirkungennach Reduktion der Kaninchenbesätze. Siereichen von der spektakulären Erholungvon Grünland, dem Aufwuchs von Eichen-und Buchensaaten über die Zunahme anGehölzen bis zu Auswirkungen auf dieheimische Fauna, Herbivoren und insbe-sondere die Prädatoren.

Pestkontrolle – Kaninchendurch Krankheit vernichtenDie australische Regierung suchte alsbaldnach Wegen, der Kaninchenplage Herr zuwerden. LOUIS PASTEUR machte 1888den Vorschlag, mit dem Erreger der Geflü-gelcholera die Kaninchen zu bekämpfen.Seine Versuche schlugen fehl. Die Idee derbiologischen Schädlings-Kontrolle musstenoch 60 Jahre warten.Die Ausbreitung der Kaninchen in Austra-lien erfolgte im Durchschnitt mit einer Ge-

schwindigkeit von 150km pro Jahr. Die Ver-breitung geht auf dieAussetzung der Jahre1859 in Barwon Parkund 1870 in Kapundazurück. Ausgehend vonVictoria und NewSouth Wales wurde bis1920 der Kontinent vonKaninchen besiedelt.Die Ausbreitung in dieTrockengebiete nachWesten hin erfolgtedeutlich langsamer.

Erst als mit der Myxo-matose die drängendenSorgen der Farmernicht mehr bestanden,weil die Kaninchenbe-sätze besser kontrolliertwerden konnten,schenkte man denSchäden in den aridenZonen mehr Aufmerk-samkeit und erkannte

das Ausmaß der Zerstörung der heimi-schen Flora und die dramatischen Folgenfür die heimische Fauna.

Der Fuchs wird eingebürgertund selbst zur PlageZu den Versuchen, die Kaninchenplage inAustralien zu bekämpfen, gehört auch dieEinbürgerung des Rotfuchses aus Europa.Dieser entwickelte sich selbst alsbald zurPlage und Bedrohung für die heimischenBeuteltiere.

ForschungZu den wichtigsten Erkrankungen derWildkaninchen zählen in Europa derzeit

die Leber- oder Gallengangkokzidiose, dieMyxomatose und die RHD, umgangs-sprachlich auch Chinaseuche genannt. Nurauf die beiden letzteren, die Viruserkran-kungen, wird nachfolgend eingegangen.Sie haben nachweislichen Einfluss auf dieKaninchenbesätze und werden als taugli-che Mittel zur biologischen Schädlings-Kontrolle der überhand nehmenden Kanin-chen in Australien und Neuseeland einge-setzt.

Woher kommt die Myxomatose?In Nord- und Südamerika leben zwei Ka-ninchenarten, welche die natürlichen Wir-te des Myxoma-Virus sind: Sylvilagus bra-siliensis, das Tapeti oder Tropical ForestRabbit in Südamerika, und Sylvilagusbrachmani, Brush Rabbit, an der West-küste Nordamerikas. Sylvilagus brasilien-sis ist Träger des Myxoma-Virusstammes,der erstmals die Aufmerksamkeit der Wis-senschaftler erregte. Sylvilagus brachmaniist Träger eines anderen Subtypes desMyxoma-Virus. Stämme dieses Myxoma-Virus sind für europäische Kaninchen nochpathogener als jener aus Südamerika.Entdeckt wurde die Krankheit von GIU-SEPPE SANARELLI. Dieser machte sei-nen Doktor der Medizin zu jener Zeit 1889,als Louis Pasteur mit seinem Experimentin Australien scheiterte. Sanarelli gründeteein Institut für experimentelle Hygiene inUruguay. Er arbeitete über Gelbfieber undhielt zu diesem Zweck europäische Labor-kaninchen, die er aus Brasilien bekam.Diese starben an einer neuen, hochan-steckenden und unweigerlich tödlich en-denden Krankheit. Sanarelli nannte dieKrankheit Myxomatose. Der Name leitetsich ab aus Mucus = der Schleim, und oma= der Tumor. Wörtlich übersetzt: der

Naturgeschichte

Gaston Phoebus: Jagd auf Kaninchen im 14. Jahrhundert.Quelle: Libre de la Chasse

Jagd auf „Kuniglein“, Jost Ammon, 16. Jahrhundert.

Page 14: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

14 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Schleimtumor. Die Kaninchen starben in-nerhalb von 14 Tagen. Sie zeigten zahlrei-che Knoten auf der Haut, aus denen sichbeim Anschneiden Schleim entleerte, dieKöpfe waren geschwollen, insbesondereAugen und Ohren und die Augen ge-schlossen. Sanarelli publizierte die Be-schreibung 1896. Tatsächlich blieb die Ur-sache der Krankheit noch 27 Jahre ein Ge-heimnis.

Evolution des Myxoma-VirusWeltweit sind heute zwischen 400 und 500Myxoma-Virusstämme bekannt. Jahr fürJahr wurden Änderungen in der Virulenz inden verschiedenen Regionen beobachtet.Schließlich wurden Kriterien festgelegt,um den Grad der Virulenz der verschiede-nen Stämme zu beschreiben. Heute werdensieben Grade unterschieden mit Sterblich-keiten von über 99 Prozent bis unter 50Prozent. Hochvirulente Stämme töten Ka-ninchen, wie von Sanarelli beschrieben,binnen 14 Tagen. Stämme mit mittlerer Vi-rulenz sind die häufigsten, sie führen imDurchschnitt nach 44 Tagen zum Tod. Sehrabgeschwächte Stämme lassen Kaninchen50 und mehr Tage überleben. ÜberlebendeKaninchen sind lebenslang immun. Insbe-sondere britische Studien klärten die Be-ziehung zwischen dem Anteil infektiöserKaninchenflöhe und der Anzahl der Tage,die Kaninchen nach der Infektion überle-ben, für die unterschiedlichsten Myxoma-tosestämme.

Auswirkung der Umgebungstemperatur Bereits vor 60 Jahren wurde erkannt, dassdie Umgebungstemperatur Einfluss auf dieDauer und Schwere der Erkrankung hat. In

Versuchen nach künstlicher Infektion mitMyxoma-Virus, bei denen Kaninchen täg-lich acht Stunden bei 20 bis 22 °C gehaltenwurden und die restlichen 16 Stunden ineiner warmen bzw. kalten Umgebung,wurde belegt, dass für die Entwicklung ge-netischer Resistenz die Haltung von Ka-ninchen bei einer Temperatur zwischen 29und 30 °C für 24 Stunden drei bis vier Ta-ge nach der Infektion günstig ist.

Der Kaninchenfloh ist Vektorfür die MyxomatoseMIRIAM LOUISA ROTHSCHILD, eineweltweit anerkannte Autorität, beleuchtetemit ihren Untersuchungen zum Kanin-chenfloh entscheidend die spezielle Biolo-gie. Sie fand heraus, dass der Vermeh-rungszyklus des europäischen Wildkanin-chens durch die Hormone trächtiger Ka-ninchen kontrolliert wird. Sie war es, dieganz entschieden die Möglichkeit betonte,dass der Kaninchenfloh die Ansteckungs-fähigkeit der Myxomatose über den Winteraufrecht erhält.In den letzten Tagen der Tragezeit steigtder Hormonspiegel von Corticosteroidenan und macht die Häsin für die Flöhe at-traktiv. Sie sammeln sich auf der Häsin undsuchen besonders die Ohren auf. Sie be-ginnen heftig Blut zu saugen mit der Fol-ge, dass sie auch viel Kot abgeben. Auf die-se Weise pumpen die Flöhe Blut in dasNest, die Kothäufchen trocknen und stellendie Nahrung für die Flohlarven. Der ange-stiegene Hormonspiegel der Häsin stimu-liert die Eireife der Flöhe; und nur wenigeStunden nachdem die Häsin ihre Jungengesetzt hat, wandern die Flöhe auf die Neu-geborenen, saugen heftig, kopulieren undlegen ihre Eier in das Nest. Die meisten Ei-er werden innerhalb der ersten 24 Stunden

abgelegt. Nach 10 bis 20 Tagen nach derGeburt verlassen die Flöhe das Nest undkehren auf die Häsin zurück. Aus den Ei-ern im Nest schlüpfen Larven, die sich vonden getrockneten Kothäufchen ernähren,verpuppen und schließlich als ausgewach-sene Flöhe 15 bis 30 Tage nach der Geburtder Kaninchenjungen schlüpfen und aufder Häsin oder den Jungkaninchen dasNest verlassen.

Die Myxomatose in Nordrhein-Westfalen In Europa geriet die Seuche nach Auslö-sung durch den Arzt Dr. DELILLE, ca. 100km südwestlich von Paris, im Jahre 1952außer Kontrolle. Die Seuche erreichte imHerbst 1953 die Bundesrepublik Deutsch-land. Mit einer Geschwindigkeit von ca.250 km pro Jahr wurden die Länder West-europas erfasst. Die Seuche erreichte Nordrhein-Westfalenvon Süden kommend über das Rheinland.Erste 1953 bekannt gewordene Fälle vonMyxomatose in Nordrhein-Westfalenstammen u. a. aus den Altkreisen Köln-Land, Köln-Stadt, Düsseldorf, Aachen-Land, Selfkantkreis, Erkelenz, Viersen,Mönchengladbach, Geldern, Kleve undRees. Bis 1957 war in allen Kreisen undkreisfreien Städten mit nennenswerten Ka-ninchenbesätzen die Myxomatose aufge-treten.Eine Befragung über die Sterblichkeitsra-ten bei Myxomatose in Nordrhein-Westfa-len in fünf Kreisen im Jahre 1995 gibt dieEinschätzung der Sterblichkeitsraten wie-der. Die Einschätzung reicht von deutlichunter 50 Prozent Sterblichkeit bis über 90Prozent. Erwähnenswert ist auch, dass dasAuftreten der Myxomatose nicht nur ein-mal im Jahr, sondern zwei- bis dreimal imJahr beobachtet wurde. Erklärungen fürunterschiedliche Schweregrade wurdenbereits genannt: Auch bei gleichem Virus-stamm nehmen Umweltfaktoren wie dieTemperatur, das Risiko weiterer Infekti-onserkrankungen wie beispielsweise dieLeberkokzidiose, Nahrungsengpässe oderBeutegreiferdruck Einfluss auf das Schick-sal infizierter Kaninchen. Darüber hinaus sind noch drei weiterephysiologische Faktoren wesentlich: Dieaktive Immunität, die passive Immunitätund die genetische Resistenz.

RHD eine neue SeucheSeit etwa 1986/87 ist das Seuchengesche-hen komplex und unübersichtlich gewor-den. Bereits 1988 wurde mit einer Unter-suchung zum Rückgang der Kaninchen be-gonnen. Bewiesen werden konnte, dass dieMyxomatose den in den Strecken seit1979/80 nachweisbaren Rückgang – inNRW wurde seither nicht mehr die Streckevor dem Zweiten Weltkrieg von 1936/39

Naturgeschichte

0

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

700.000

51/5

2

54/5

5

57/5

8

60/6

1

63/6

4

66/6

7

69/7

0

72/7

3

75/7

6

78/7

9

81/8

2

84/8

5

87/8

8

90/9

1

93/9

4

96/9

7

99/2

000

Jagdjahr

An

zah

l

Strecke

Fallwild

Verkehrsverluste

Kaninchenstrecke von NRW.

Page 15: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

15LÖBF-Mitteilungen 1/04

erreicht – allein nicht verursacht habenkann (Graphik).1990 wurden schließlich bei fünf Prozentder vorwiegend aus dem Stadtrandbereichund der Umgebung von Köln erlegten Ka-ninchen Antikörper gegen das Virus derRHD nachgewiesen. Die erstmals 1984 inChina beobachtete Erkrankung der Kanin-chen erhielt ihren Namen nach dem Krank-heitsbild, das gekennzeichnet ist durchauffällige Blutungen der Luftröhre, derLunge und in den serösen Häuten derBauchhöhle. Der Tod tritt in der Regelplötzlich und ohne vorher sichtbare Er-krankungsmerkmale ein. Aus den Na-senöffnungen tritt blutig-schaumiges Se-kret, der Körper ist gestreckt und der Kopfzurückgebogen. Streckkrämpfe und Auf-schreien vor dem Tod werden beobachtet.1991 wird RHD in Deutschland anzeige-pflichtig und im gleichen Jahr wird in Aus-tralien der spanische Kaninchenfloh alsVektor für die Myxomatose eingeführt.Seit 1995 wird in Australien mit RHD alsMaßnahme zur biologischen Kontrolle vonKaninchen gearbeitet.

Wo kommen die Viren her?Der Nachweis Antikörper-positiver Kanin-chenseren, die bis 1961 zurückreichen,deuten darauf hin, dass eine subklinischeForm der RHD schon lange in Europa –Österreich, Schweiz, Tschechoslowakei,Italien – vorhanden war und sich durch re-sistenzmindernde Faktoren, wie Transport-stress beim Export der Kaninchen nachChina, ein virulenter Stamm herausbildete.In Italien begann 1989 LORENZO CA-PUCCI mit Calici-Viren zu arbeiten. SeinLabor wurde 1991 zum Referenzlabor fürRHD. 1996 identifizierte er ein nichtpatho-genes Calici-Virus für Kaninchen, RCV,das Kaninchen gegen eine Infektion mitRHD schützt.Viren entstehen nicht einfach ganz plötz-lich. Zwei Möglichkeiten sind aufgezeigt.Der Wandel in den Eigenschaften von ei-nem existierenden nichtpathogenen Virus(Beispiel RHD) und die Übertragung von

einem bis dato unbekannten Virus von ei-ner anderen Tierart (Beispiel Myxomato-se).

Das Ende des Kaninchens?Die altbekannten Feinde stellen immernoch den Kaninchen nach. Dies gilt für dieKatze ebenso wie für die Elster, die jungeoder schwache ausgewachsene Kaninchenebenso überfällt, wie auch die Krähen estun. Doch haben sie nicht den dramati-schen Einfluss auf die Kaninchenbesätzewie die beiden Viruserkrankungen Myxo-matose und RHD. Die Aufzeichnung derStreckenverläufe für das Wildkaninchenfür die einzelnen Kreise zeigen beim gro-ben Vergleich kaum Unterschiede zu je-nem für ganz Nordrhein-Westfalen. Im De-tail mögen Unterschiede aufzuzeigen sein.Unter den Fallwildbefunden der Staatli-chen Veterinäruntersuchungsämter tau-chen von 1993 bis 1995 Fälle von RHD derWildkaninchen erstmals häufiger auf. DieFundorte sind über das Land verteilt. Im

November 1994 häuften sich die Meldun-gen über RHD. In der bereits erwähntenUmfrage in Nordrhein-Westfalen wurdenals Verlustursachen für den Rückgang derKaninchenbesätze durchschnittlich für 38Prozent der Reviere RHD, für 71 Prozentder Reviere Myxomatose angegeben. Fürviele Reviere wurde sowohl das Auftretenvon RHD als auch Myxomatose berichtet.Die Befragung zeigte deutlich, dass in denbetroffenen Revieren die Sterblichkeitdurch RHD bis zu 99 Prozent geschätztwird.Die Fallwildbefunde zeigen, dass die RHDseit Bekanntwerden in Nordrhein-Westfa-len im gesamten Landesgebiet verbreitetist. Dies schließt nicht aus, dass vereinzeltInselpopulationen bestehen. Bis zum Mai1997 sind insgesamt 44 Stämme von RHDaus den verschiedenen europäischen Län-dern, Mexiko, China und Korea, aus denJahren von 1989 bis 1995 isoliert worden.Die Kenntnis darüber, welche Virus-Stäm-me in Nordrhein-Westfalen vertreten sind,ist lückenhaft.

Naturgeschichte

0

20

40

60

80

100

120

140

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Jan

Feb

Mär

ganzjähriges Auftreten

nur Jahreszeit angegeben

Angabe des Monats

Auftreten der Myxomatose im Jahresverlauf.

0

5

10

15

20

25

30

35

40

Apr

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Okt

Nov

Dez

Jan

Feb

ganzjähriges Auftreten

nur Jahreszeit angegeben

Monate angegeben

Auftreten der RHD im Jahresverlauf.

Wildkaninchen – inzwischen teilweise im Bestand gefährdet. Foto: R. Bräsecke

Page 16: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

16 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Eine wesentliche Frage, die Zukunft derKaninchenbesätze betreffend, lautet:

Erholen sich die Kaninchenbesätze?Besorgniserregend sind nicht die Zusam-menbrüche der einzelnen Populationen,sondern die Tatsache, dass sie sich von die-sen nicht erholen und ein anhaltender Ab-wärtstrend zu verzeichnen ist. Die geringe-re Individuenzahl der Ausgangspopulatio-nen lässt sich nicht nur aus den sinkendenJagdstrecken ableiten, sondern ist für vieleaugenfällig geworden, die gewohnt waren,zu bestimmten Zeiten auf den Kleeblätternder Autobahnen oder in Parkanlagen dieKaninchen zu beobachten. Aus der Ge-schichte der Myxomatose wissen wir, dasses einerseits zu einer Abschwächung derFeldstämme des Myxoma-Virus kommtund zum anderen zu einer Resistenzent-wicklung. Auch bei der RHD gibt es Ver-suche und Anzeichen, dass bei Aufrechter-haltung der Infektionskette ein wachsenderAnteil an Kaninchen Immunität erwerbenkann.Bezüglich der Bejagung kann nur einezurückhaltende Bejagung mit vorzugswei-se Entnahme von Kaninchen, die nochnicht ausgewachsen sind (subadulten),empfohlen werden. RHD tötet bei Infekti-on die sero-negativen, meist subadultenKaninchen. Jungkaninchen erhalten ma-ternale Antikörper, die innerhalb wenigerMonate abgebaut werden. Immune Kanin-chen zeigen bei erneuter Exposition hefti-ge Antikörperreaktionen. Immune Kanin-chen sind regelmäßig dem Virus ausge-setzt.Der überlebende Anteil eines Besatzeswird derzeit auf ca. 10 bis 15 Prozent ge-schätzt. Alle Beobachtungen sprechen füreine anhaltend hohe Vitalität des Wildka-ninchens und die Entwicklung von Resis-tenzen.

Als Maßnahmen können empfohlen wer-den:● Habitatverbesserung,● Minderung des Jagddrucks,● Entnahme von subadulten anstatt von

adulten Wildkaninchen,● Stabilisierung „großer“ Populationen,

in denen RHD zirkuliert,● Minderung des Einflusses der Prädato-

ren.Untersuchungen und ein Forschungskon-zept unter Einbeziehung der genanntenMaßnahmen sind sicherlich in einem Pro-jekt sinnvoll umzusetzen. Ziele des Unter-suchungskonzeptes wären, Möglichkeitenund Maßnahmen für die Anhebung der Ka-ninchenbesätze zur Erhaltung der Art undihre nachhaltige Nutzung zu erarbeiten undAntworten auf Fragen zur Gesundheit,Biologie und Populationsdynamik der Ka-ninchen zu geben.Das Grundgerüst des Forschungskonzep-tes sollte auf drei Säulen ruhen:1. Erfassung und Bewertung des Kanin-

chenrückgangs unter besonderer Be-rücksichtigung der Krankheiten RHDund Myxomatose,

2. Erfasssung und Monitoring der Kanin-chenbesätze unter Berücksichtigungder Lebensräume einschließlich retro-spektiver Vergleichsanalyse,

3. Durchführung von Maßnahmen zur An-hebung der Kaninchenbesätze und ihreEffizienzkontrolle.

Die Erfassung und Bewertung des Kanin-chenrückgangs unter besonderer Berück-

sichtigung der Krankheiten RHD undMyxomatose als tragende Säule eines Pro-jektes beinhalten die wesentlichen direktenFragen zum Gesundheitsstatus und zur Ge-sunderhaltung der Art. Neben einemÜberblick über die aktuelle Literatur wer-den epidemiologische Studien zur Erfas-sung der RHD und Myxomatose in Nord-rhein-Westfalen und Studien zur Erfas-sung des Gesundheitsstatus Antworten aufdiese Fragen geben können.Vor unseren Augen spielen sich hochdra-matische Entwicklungs- und Evolutions-prozesse ab, die ganz wesentlich durchmenschliche Eingriffe verursacht sind. Dergeschichtliche Rückblick sollte ein wenigdazu beitragen, das Krisenphänomen„Menschliches Handeln“ deutlich zu ma-chen. Der behutsame und verantwortungs-volle Umgang mit der frei lebenden Tier-welt ist die Richtschnur. Es bleibt die Zu-versicht in eine lange Zukunft für dasWildkaninchen.

LiteraturFENNER, F. , FANTINI, B. (1999): BiologicalControl of Vertebrate Pests: The history ofMyxomatosis – an experiment in Evolution.New York : CABI Publishing

LUTZ, W. (1990): Erste Ergebnisse einer Un-tersuchung zum Rückgang des Kaninchens un-ter besonderer Berücksichtigung der Myxoma-tose in NRW. Zeitschrift für Jagdwissenschaft36, 110–125.

LUTZ, W. (1990): Geschlagen, gerissen, ge-schossen oder verseucht? Wild und Hund 93 (8),5 ff.

LUTZ, W. (1990): Der Rückgang des Kanin-chens unter besonderer Berücksichtigung derMyxomatose. Niedersächsischer Jäger 35,248–250.

LUTZ, W. (1992): Etudes preliminaires du rôledes maladies et de la pollution de l’environne-ment sur la dynamique des populations de la-pins de garenne dans l’Etat fédéré de Rhénanie-Westphalie (Allemagne). in OIE: Santé et gesti-on des mammifères en liberté. Paris, Premièrepart, Rev. sci. tech. Off. int. Epiz. Vol. 11, N° 4,27–34.

LUTZ, W. (1997): Wie vom Erdboden ver-schluckt. Wild und Hund 100 (5), 44–47.

Anschrift der VerfasserinDr. Walburga LutzLÖBF NRWDezernat:Forschungsstelle für Jagd und WildschadensverhütungPützchens Chaussee 22853229 Bonn E-Mail: [email protected]: www.loebf.nrw.de

Naturgeschichte

ZusammenfassungIn einem geschichtlichen Rückblickwird die Verbreitungsgeschichte desWildkaninchens aufgezeigt. Herausge-stellt wird, dass wesentlich menschli-ches Handeln die Verbreitung sowie dieEntwicklungsgeschichte des Wildkanin-chens bestimmt haben: Die Haltung derKaninchen in Gehegen, die Einbürge-rungen und Ansiedlungen seit dem Mit-telalter, die Bedeutung der Akklimati-sationsgesellschaften weltweit undschließlich der Einsatz von Viruserkran-kungen als Mittel zur biologischenSchädlingskontrolle am Beispiel vonMyxomatose und RHD in Australienund Neuseeland sowie die Entwicklungvon Impfstoffen. Auf die Konflikte zwi-schen Land- und Forstwirtschaft einer-seits und die Jagd und Haltung von Ka-ninchen andererseits wird hingewiesen.Wirtschaftliche und ökologische Folgender Ansiedlung von Wildkaninchen wer-den aufgezeigt. Die derzeitige Situationdes Wildkaninchens in Nordrhein-West-falen wird beschrieben und Wege zumUmgang mit der Wildart in der Zukunftaufgezeigt.

Nagendes Kaninchen. Foto: R. Bräsecke

Page 17: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

17LÖBF-Mitteilungen 1/04

Als Ursache dieser Individuenkon-stanz werden bis heute die ver-schiedensten Faktoren diskutiert,

wie klimatische Einflüsse, Nahrungsman-gel, Feinde oder Seuchen. Ohne Zweifelkönnen alle diese Faktoren Populationendezimieren und unter Umständen sogar zuihrem Aussterben führen. Doch kommensie als Ursache der Individuenkonstanznicht in Betracht, da sich Populationenauch dann nicht ungehemmt vermehren,wenn alle diese Faktoren auszuschließensind. Bereits Mitte letzten Jahrhunderts po-stulierten daher verschiedene Populations-biologen die Fähigkeit zu einer Selbstregu-lation der Populationsdichte bei Tieren.Als Mechanismus einer derartigen Selbst-regulation schlug der Amerikaner JohnChristian für Säugetiere endokrine Stress-reaktionen vor: Zunehmende Individuen-dichte soll nach diesem Konzept zu quali-tativen und quantitativen Veränderungenim Verhalten der Tiere führen, die für sieeine Belastung – einen sozialen Stress –darstellen. Die hieraus resultierende ver-minderte Fertilität der Tiere und ihre er-höhte Mortalität aufgrund von Erkrankun-gen soll dann der Populationszunahme ent-gegenwirken (CHRISTIAN 1963).Obwohl eine Vielzahl von Laboruntersu-chungen insbesondere an Kleinnagern dieMöglichkeit einer derartigen Selbstregula-tion durch sozialen Stress belegen, ist bis-lang weitgehend ungeklärt, inwieweit so-ziale Faktoren auch unter natürlichen Be-dingungen Vitalität und Fertilität von Indi-viduen beeinflussen. Wir haben daher voretwa 20 Jahren mit einer populationsbiolo-gischen Untersuchung an unter weitge-hend natürlichen Bedingungen lebendenWildkaninchen begonnen, die sich auf-grund ihrer hohen Vermehrungsrate beson-ders gut zur Untersuchung der an einermöglichen Selbstregulation beteiligtenMechanismen eignen.

Versuchstiere und -geländeDie Wildkaninchen (Oryctolagus cunicu-lus L.) stammen von Individuen ab, die in

der Nähe von Schwandorf (Oberpfalz) ge-fangen und zunächst für Vorversuche inkleineren Gehegen gehalten wurden. Seit1985 lebt die Population weitgehend unge-stört in einem etwa 22 000 Quadratmetergroßen Versuchsgelände.Das Gelände ist von zwei Zäunen umge-ben, von denen der innere etwa einen Me-ter tief in den Boden reicht, um ein Ent-kommen der Tiere durch ihre Grabaktivitätzu verhindern; die verschiedensten Feindehaben jedoch weitgehend ungestörten Zu-gang zu den Kaninchen. Besonders wichti-ge Prädatoren sind für Nestlinge (Alter un-ter 20 Tage) Wiesel und Marder sowie fürJungtiere nach dem Nestverlassen Katzen,Marder, Habichte und Eulen; Jungtiere so-wie erkrankte erwachsene Individuen kön-nen auch von Mäusebussarden, Krähenund Elstern getötet werden.In dem Gelände befinden sich einigeBaumgruppen sowie ein Teich, der von denKaninchen während Trockenperioden zumTrinken aufgesucht wird; der Bodenbe-

wuchs besteht aus einer Weidelgrasmi-schung und Kräutern, die den Tieren alsNahrung dienen. Das gesamte Untersu-chungsgebiet ist zur genauen Lokalisationder Tiere mit nummerierten Holzpfählen inein Raster von 20 mal 20 Meter aufgeteiltund kann aus zwei Beobachtungshüttenaus etwa vier Meter Höhe vollständig ein-gesehen werden.In dem Gelände befinden sich 14 künstli-che Bausysteme mit jeweils mehrerenKammern, die über abnehmbare Deckelzugänglich sind, sowie etwa 50 von denWeibchen gegrabene Wurfbaue. Über dasGebiet sind weiterhin etwa 200 Holzfallenverteilt, die mehrmals wöchentlich mitErdnüssen angeködert werden. Normaler-weise sind die Fallen gesichert und werdenvon den Tieren als Sonnenschutz und Ver-steck genutzt. Einmal monatlich werdenalle Fallen entsichert und die Tiere an zweibis drei Tagen gefangen; der Fangerfolgbeträgt je nach Jahreszeit und Tierbestand65 bis 95 Prozent.

PopulationsbiologieDietrich von Holst

Populationsbiologische Unter-suchungen beim Wildkaninchen Der Einfluss von Sozialverhalten und Stress auf Vitalität und Fortpflanzung

Die Evolutionstheorie von Charles Darwin basiert auf einem Befund, der seinerzeit bereits allgemein bekannt war: Die Individuenzahl der verschiedensten Tierpopulationen bleibt über Generationen mehroder minder konstant; obwohl jede Tierart in der Lage ist, unverhältnismäßig mehr Nachkommen zu produzieren, als zum Aufbau einer gleich großen Folgegeneration benötigt werden.

Abb. 1: Adultes Männchen mit Aluminium-Ohrmarke vor einer Falle. Foto: D. v. Holst

Page 18: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

18 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Rundgänge und FangaktionenTäglich wird morgens das Gelände abge-gangen, verendete Tiere werden eingesam-melt und – wenn möglich – die Todesursa-che bestimmt. Weiterhin werden von denWeibchen frisch gegrabene Wurfbaue ge-kennzeichnet und die Nestkammern zurKontrolle der Jungtiere jeweils mit einerdurch einen Deckel verschließbaren Öff-nung versehen. Alle Kunstbaue und Nest-kammern werden kontrolliert; Neugebore-ne werden markiert, alle Nestlinge werdenregelmäßig gewogen und Verluste sowiederen Ursache registriert.Einmal monatlich werden die erwachsenenTiere nach Entsichern der Fallen gefangen.In einem an das Gelände angrenzenden La-bor werden sie gewogen, auf Wunden undKrankheitsindizes (z. B. verklebte Analre-gion) hin untersucht, ihr Fortpflanzungs-zustand wird bestimmt (Hodenlage, Va-ginadurchblutung, Trächtigkeit, Milchdrü-senentwicklung), und es werden Kotpro-ben für parasitologische Untersuchungensowie Blutproben für die verschiedenstenendokrinologischen und immunologischenUntersuchungen entnommen.Während der Reproduktionsperiode wirddas Bauchfell der Weibchen mittels Fell-farben individuell unterschiedlich einge-färbt, um anhand der im Nest befindlichenFellfarben die Würfe den jeweiligen Müt-tern zuordnen zu können. Sobald die ent-wöhnten Jungtiere eine bestimmte Größe(ca. 1000 g) erreicht haben, wird die Jung-tiernummer durch eine größere Alumini-um-Ohrmarke mit einem spezifischenFarbcode ersetzt, der eine Identifizierungder Tiere auch auf größere Entfernung hinzulässt (Abb. 1). Abschließend werden dieTiere wieder in ihren Aufenthaltsgebietenfreigelassen.

VerhaltensuntersuchungenAls adult werden Wildkaninchen bezeich-net, sobald sie den März des auf ihre Ge-burt folgenden Jahres erreicht haben undsich fortpflanzen können. Das Verhaltender Adulten wird über ihr gesamtes Lebenverfolgt; normalerweise liegen pro Tiermindestens acht Stunden individueller Be-obachtung pro Monat vor (Definitionender Verhaltensweisen nach SOUTHERN1948, LOCLEY 1961, MYERS & POOLE1961, MYKYTOWYCZ & HESTER-MANN 1975). Weiterhin wird ein Teil derJungtiere vom Zeitpunkt ihres Nestverlas-sens mit etwa 20 Tagen bis zum Erreichenihrer Geschlechtsreife bzw. bis zu ihremTod beobachtet. Die Beobachtungen fin-den in der Hauptaktivitätsphase der Tierewährend der letzten vier Stunden vor Dun-kelheit statt. Die Verhaltensdaten dienen zur Erfassungvon:1. der Gruppenzugehörigkeit und der so-

zialen Ränge aller adulter Tiere sowie

ihren aggressiven und soziopositivenBeziehungen zu Gruppenmitgliedernund Gruppenfremden,

2. der Ausdehnung der Territorien,3. von Abwanderung und Neugründung

von Territorien sowie 4. von qualitativen und quantitativen Un-

terschieden zwischen den Tieren in Ab-hängigkeit von der Jahreszeit, ihrem so-zialen Rang sowie der Populationsdich-te. Bei Jungtieren werden zudem Aus-wanderungsprozesse erfasst.

Allgemeine PopulationsdatenSeit 1987 lebten in dem Gelände jährlichim Mittel 65 ± 6 (Mittelwert ± Standard-fehler, M ± SE) erwachsene Männchen undWeibchen (Bereich: 33 bis 93) mit ihrenJungen in acht bis vierzehn territorialenGruppen. Insgesamt lag die Anzahl derWeibchen 50 Prozent über der der Männ-chen, doch variierte das Geschlechtsver-hältnis (Männchen zu Weibchen) je nachJahr zwischen 1,0 zu 0,9 und 1,0 zu 2.3. Unter unseren klimatischen Bedingungen

Populationsbiologie

Abb. 2: Schema des Kaninchengeländes: Eingezeichnet sind für März 1991 die Anzahlder adulten Männchen und Weibchen pro Gruppe und deren Reviergrenzen (durchgezo-gene Linien); gestrichelte Linien kennzeichnen die Reviergrenzen von jeweils zwei Un-tergruppen von Weibchen, die sich ein Männchenrevier untereinander aufgeteilt haben.Eingezeichnet sind weiterhin die für die Lokalisation der Tiere vorhandenen Orientie-rungsraster, die künstlichen Bausysteme, die Beobachtungshütten für das Großgeländeund die Kleingehege sowie das Labor.

Beobachtungshütten

künstliche Bausysteme

Fläche 22 000 m2

Page 19: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

19LÖBF-Mitteilungen 1/04

wurden die ersten Würfe nach einer Trag-zeit von 30 Tagen im frühen April und dieletzten Ende September geboren, was einemittlere Fortpflanzungsperiode von 204 ±6 Tagen ergibt. Nachdem Weibchen einenpost partum Östrus aufweisen, können siejährlich bis zu sechs Würfe in monatlichemAbstand zur Welt bringen. Aufgrund vonintrauterinen Verlusten (Resorptionenganzer Würfe und Aborti: hormonelleTrächtigkeitsnachweise) war jedoch dieGesamtzahl der Würfe im Mittel deutlichniedriger. Von insgesamt etwa 1500 Wür-fen der letzten 15 Jahre stammten 70 Pro-zent aus den Monaten April bis Juni miteinem Maximum von knapp 30 Prozent imMai. Die mittlere jährliche Wurfzahl derWeibchen betrug 3,29 ± 0,07 (Bereich: 1bis 6) mit einer mittleren Wurfgröße von4,9 ± 0,1 Jungtieren (Bereich: 1 bis 9). Je nach Anzahl der Weibchen wurden jähr-lich zwischen 59 und 213 Würfe (119,6 ±12,8) mit 258 bis 1080 Jungtieren (588 ±64) geboren. Das Geschlechtsverhältnisbei der Geburt war ausgeglichen. DieSterblichkeit der Jungtiere zwischen Ge-burt und Erreichen des Erwachsenenstadi-ums war sehr hoch: Im Mittel überlebten

nur 5,7 ± 1,7 Prozent (Bereich: 0 bis 14,7Prozent pro Jahr) aller Jungtiere bis zumBeginn ihrer ersten Reproduktionsperiodeim darauf folgenden Jahr. Es bestand hier-bei keinerlei Beziehung zwischen der An-zahl der jährlich geborenen Jungtiere undihren Überlebensraten (v. HOLST et al.1999).

Jahreszeitliche VeränderungenDie Kaninchen lebten in Gruppen von einbis vier Männchen und ein bis sechs Weib-chen in Territorien, die von den Männchenbesonders während der Fortpflanzungszeitsehr heftig gegen Mitglieder anderer Grup-pen verteidigt wurden (Abb. 2).Innerhalb der Gruppen bestanden fürMännchen und Weibchen jeweils getrenn-te, lineare Rangordnungen, die bei denMännchen den Zugang zu paarungsberei-ten Weibchen bestimmten und die gesamteReproduktionsperiode über durch Kämpfeaufrecht erhalten wurden. Bei den Weib-chen entschied der Rang hingegen überden Zugang zu besonders guten Wurfbau-en; Kämpfe waren seltener und im We-sentlichen auf den Be-ginn der Fortpflan-zungsperiode be-schränkt (Abb. 3).Parallel zu den jahres-zeitlichen Veränderun-gen im Sexual- und Ag-gressionsverhalten ver-änderten sich bei bei-den Geschlechtern dieNebennierenrindenak-tivitäten (Abb. 3: Corti-costeron) sowie immu-nologische und anderephysiologische Para-meter (hier nicht darge-stellt): Die Corticoste-ronwerte der Männ-chen blieben entspre-chend des Verlaufes ih-res aggressiven Verhal-tens die gesamte Re-produktionsperiode er-höht; bei Weibchen be-stand hingegen einzweigipfliger Verlauf:Während der erste Gip-fel auf Rangauseinan-dersetzungen mit er-wachsenen Gruppen-mitgliedern sowie aufStreitigkeiten mitGruppenfremden zu-rückzuführen war, be-ruhte der zweite Gipfelvorwiegend auf der er-höhten Aggression ge-genüber Jungtieren, dienun verstärkt aus ihrenHeimatgruppen aus-wanderten und sichfremden Gruppen an-

zuschließen suchten. Im Winter warenRang- und Territorialauseinandersetzun-gen weitgehend reduziert; die Tiere warenüberwiegend mit Fressen beschäftigt (v.HOLST 1998, 2001).

Sozialer Rang und seine AuswirkungenJe nach ihrem sozialen Rang unterschiedsich das Verhalten der Tiere ganz beträcht-lich: So zeigten dominante Männchen undWeibchen nicht nur das meiste Aggressi-onsverhalten gegenüber Gruppenangehöri-gen sowie gegen Gruppenfremde; domi-nante Männchen hatten auch die meistensoziopositiven Kontakte mit den Weibchenihrer Gruppe, was offensichtlich auchdem Aufbau und Erhalt von Bindungendiente (Abb. 4).Auch physiologisch unterschieden sich dieTiere je nach ihrem Rang voneinander:Dominante Individuen beiderlei Ge-schlechts hatten unter anderem eine niedri-gere Nebennierenrindenaktivität, einenbesseren Immunzustand und deutlich nied-rigere Herzraten als ihre unterlegenen Art-

Populationsbiologie

Abb. 3: Sexual- und Aggressionsverhalten,frische Verwundungen sowie Corticoste-ronwerte (Reaktionswerte nach ACTH-In-jektion) männlicher und weiblicher Wild-kaninchen im Jahresverlauf. Daten ausvier Jahren mit im Mittel 21 Männchen und38 Weibchen pro Jahr. Verhaltensweisensind hier (wie auch sonst) als Mediane, dieübrigen Parameter als Mittelwerte mitihren Standardfehlern (M ± SE) angege-ben.

Abb. 4: Beziehungen zwischen dem sozialen Rang der Indivi-duen und ihrem aggressiven sowie soziopositiven Verhalten.Werte (Mediane) von jeweils etwa 30 Tieren zu Beginn der Re-produktionsperiode (März und April). Signifikante Unterschie-de sind angegeben: * = p < 0,05; ** = p < 0,01; *** = p <0,001.

Page 20: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

20 LÖBF-Mitteilungen 1/04

genossen; bei einem Rangwechsel verän-derten sich diese Werte entsprechend desneuen Ranges, sie beruhten also nicht aufmöglichen Altersunterschieden zwischenden Tieren (EISERMANN 1991; v.HOLST et al. 1999).

Diese Beziehungenzwischen dem sozialenRang der Tiere undihrem physiologischenZustand waren aller-dings nur dann erkenn-bar, wenn die Tiere insozial stabilen Gruppenlebten; in instabilenGruppen lagen dieWerte aller Tiere imBereich Unterlegener(Abb. 5) (v. HOLST1998).Besonders ausgeprägtwaren die Auswirkun-gen des Ranges auf denFortpflanzungserfolgbeider Geschlechter: Inden bisher untersuch-ten sechs Jahren (1995bis 2000), in denen mit-tels molekulargeneti-scher Methoden die Va-terschaften bestimmtwurden, stammten imMittel 67,3 ± 6,6 Pro-zent aller Würfe der ca.30 Weibchen von domi-nanten Männchen; eindominantes Männchenbekam hierbei mit imMittel 34,3 ± 4,4 Nach-kommen mehr als diedreifache Anzahl vonJungtieren als ein un-terlegenes.Auch die dominantenWeibchen bekamenmehr Würfe – und da-mit auch mehr Jungeund mehr adulte Nach-kommen – als unterle-

gene Individuen (v. HOLST et al. 2002).Dies hatte zwei Gründe: ein früherer Be-ginn der jährlichen Reproduktion sowieniedrigere intrauterine Verluste der domi-nanten im Vergleich zu den unterlegenenWeibchen (Abb. 6).

Auch das Wachstum der Nestlinge domi-nanter Weibchen war signifikant höher alsbei Nachkommen unterlegener Wildkanin-chen. Letztlich war die Mortalität der Nest-linge dominanter Mütter deutlich geringerals die unterlegener, was im Wesentlichenauf einer unzureichenden Laktation beiden unterlegenen Müttern beruhte (Datennicht gezeigt): Dominante Mütter ent-wöhnten somit insgesamt mehr und zudemschwerere Jungtiere als ihre unterlegenenArtgenossinnen. Auch nach dem Nestver-lassen war die Überlebenswahrscheinlich-keit der Jungtiere dominanter Weibchenbesser als die unterlegener Mütter.Während unterlegene Weibchen (Rang 5und schlechter) 73 Prozent so viele Jungezur Welt brachten wie die dominantenWeibchen, betrug ihr Anteil an den adultenJungtieren nur noch 22 Prozent.

LebenserwartungWährend die statistische Lebenserwartungneugeborener Wildkaninchen aufgrund derhohen Mortalität innerhalb des ersten Jah-res nur etwa 70 Tage betrug, erreichtenadulte Individuen (Tiere vom Beginn ihrerersten Reproduktionsperiode an) im Mittelein Alter von etwa 2,5 Jahren; die Lebens-spanne der Tiere variierte jedoch in einemweiten Bereich: Während einzelne Indivi-duen bereits wenige Wochen nach Errei-chen ihres Erwachsenenstadiums starben,wurden andere bis zu sieben Jahre alt.Es bestand hierbei eine sehr enge Bezie-hung zwischen der Anzahl der zu Beginnder Reproduktionsperiode eines Jahres indem Gehege lebenden adulten Individuenund ihrer Mortalität in den darauf folgen-den Monaten des Jahres, also eine eindeu-tige Selbstregulation der Individuendichte(Abb. 7).Erstaunlicherweise hatte der soziale Rang,den die Tiere während ihrer ersten Repro-duktionsperiode erreichten, dramatischeEffekte auf ihre Lebenserwartung: Jehöher der Rang der Männchen und Weib-chen war, desto länger lebten sie (Abb. 8)(v. HOLST et al. 1999, v. HOLST et al.2002).Prädation war für die Mortalität der adul-ten Tiere relativ bedeutungslos: Zwar wur-den alle verstorbenen Tiere sofort von Räu-bern angefressen, doch konnte nur für we-niger als 10 Prozent aller VerstorbenenPrädation als eigentlich Todesursachenicht ausgeschlossen werden, da die Tiereentweder aus dem Gelände weggeschlepptoder so spät gefunden wurden, dass eineUntersuchung der Tiere nicht mehr mög-lich war. Auch Nahrungsmangel konnte selbst in derWinterphase als Todesursache ausge-schlossen werden. Zwar war die Nah-rungssituation für die Kaninchen im Win-ter schlecht, unter anderem nahmen Koh-lenhydrat- und Proteingehalt der Gräser

Populationsbiologie

Abb. 6: Reproduktionserfolg weiblicher Wildkaninchen in Abhängigkeit von ihrem sozia-len Rang.

Abb. 5: Stresshormone und zwei immunologische Parametermännlicher Individuen (jeweils ca. 30 Tiere mit gleichen Rän-gen) aus stabilen bzw. instabilen Gruppen. Als instabil geltenGruppen, in denen während der Reproduktionsperiode Rang-wechsel auftraten. Von jedem Tier wurde aus den vier bis sechsEinzelwerten der jeweiligen Reproduktionsperiode der Mittel-wert bestimmt, der dann in die Berechnung der Mittelwerte derGruppen einging.

Page 21: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

21LÖBF-Mitteilungen 1/04

und Kräuter auf dem Gelände zwischenSeptember und Januar auf etwa 50 Prozentab; auch ging dem Tod der Tiere zumeisteine starke Gewichtsabnahme voraus, dieauf einem Abbau sämtlicher Fettreservenund großer Anteile der Muskulatur beruh-te und letztlich zum Tod aufgrund eines hy-poglykämischen Schocks führte. Die Tierekompensierten jedoch diese kritische Nah-rungssituation zum einen dadurch, dass siesich kaum bewegten und die Zeit fast aus-schließlich mit Fressen verbrachten, zumanderen war ihr Stoffwechsel nach unserenbisherigen Befunden um bis zu 30 Prozentabgesenkt (EISERMANN et al. 1993, v.HOLST 1998: Daten aus telemetrischenMessungen der Herzrate sowie Bestim-mung der FMR (field metabolic rate) mitdoppelt markiertem Wasser).Trotz deutlich verschlechterter Nahrungs-situation verloren daher adulte Individuen,die den Winter überlebten, in den Winter-perioden keine oder nur sehr wenig Kör-permasse.In ca. 90 Prozent aller Fälle starben dieadulten Tiere mit allen Anzeichen vonDarmerkrankungen (Durchfall mit groß-flächigen Entzündungen im Magen-Darm-Bereich), was auf Darmkokzidiose hin-weist. Präzise Angaben sind allerdings bis-her nicht möglich, da erkrankte Tiere nor-malerweise nicht in Fallen gingen und da-her auch nicht vor ihrem Tod untersuchtwerden konnten.

LiteraturCHRISTIAN, J. J. (1963): Endocrine adaptivemechanisms and the physiologic regulation ofpopulation growth. In „Physiological mamma-logy, volume 1. Mammalian populations“ (W. V.MAYER, and R. G. VAN GELDER, eds.), pp.189–353. Academic Press, New York.

EISERMANN, K. (1991): Longterm heartrateresponses to social stress in wild rabbits: predo-minant effect of rank position. Physiol. Behav.52: 33–36.EISERMANN, K., MEIER, B., KHASCHEI,M. & HOLST, D. v. (1993): Ethophysiological

responses to overwinter food shortage in wildEuropean rabbit. Physiol. Behav. 54: 973–980.HOLST, D. v. (1998): The concept of stress andits relevance for animal behavior. Advances inthe Study of Behavior 27: 1–131.HOLST, D. v. (2001): Social stress in wildmammals in their natural habitat. In „Copingwith challenge: welfare in animals includingman“ (D. BROOM, ed.), pp. 317–335. DahlemUniversity Press, Berlin.HOLST, D. v., HUTZELMEYER, H., KAETZ-KE, P., KHASCHEI, M. & SCHÖNHEITER, R.(1999): Social rank, stress, fitness, and life ex-pectancy in wild rabbits. Naturwissenschaften86: 388–393.HOLST, D. v., HUTZELMEYER, H., KAETZ-KE, P., KHASCHEI, RÖDEL, H. & SCHRUT-KA, H. (2002): Social rank, fecundity and life-time reproductive success in wild European rab-bits (Oryctolagus cuniculus). Behav. Ecol. So-ciobiol. 51: 245–254.LOCKLEY, R. M. (1961): Social structure andstress in the rabbit warren. J. anim. Ecol. 32:385–423.MYERS, K. & POOLE, W.E. (1961) A study ofthe biology of the wild rabbit, Oryctolagus cu-niculus (L.) in confined populations, II. The ef-fect of season and population increase on beha-viour. CSIRO Wildl. Res. 6: 1961, 1–41.MYKYTOWYCZ, R., & HESTERMANN, E.R. (1975): An experimental study of aggressionin captive European rabbits, Oryctolagus cuni-culus L.. Behaviour 52: 104–123.SOUTHERN, H. N. (1948): Sexual and aggres-sive behaviour in the wild rabbit. Behaviour 1:173–194.

Anschrift des VerfassersProfessor Dr. Dietrich von HolstLehrstuhl für Tierphysiologie,Universität BayreuthUniversitätsstraße 3095440 BayreuthE-Mail:[email protected]:www.uni-bayreuth.de/departments/tphys/

Populationsbiologie

Abb. 7: Beziehungen zwischen der Popula-tionsdichte zu Beginn der Reproduktions-periode eines jeden Jahres und der Morta-lität während des Jahres. Angegeben ist dieKorrelation (r) zwischen Individuenzahlund Mortalität.

Abb. 8: Beziehung zwischen dem Rang männlicher und weiblicher Wildkaninchenwährend ihrer ersten Fortpflanzungsperiode und ihrer reproduktiven Lebensspanne (be-ginnend mit der ersten Fortpflanzungsperiode). Die jeweiligen Reproduktionsperiodender Tiere sind als graue Querbalken dargestellt. Die Anzahl der Kaninchen pro Rang-gruppe ist am Fuß der Balken angegeben.

ZusammenfassungWildkaninchen leben in kleinen Grup-pen in Territorien, die die Männchenwährend der Fortpflanzungszeit sehrheftig gegen fremde Artgenossen vertei-digen. Innerhalb der Gruppen bestehenfür Männnchen und Weibchen jeweilsgetrennte lineare Rangordnungen. Dersoziale Rang bzw. die damit einherge-hende Stabilität oder Instabilität der So-zialbeziehungen hat einen tiefgreifen-den Einfluss auf Gesundheit und Frucht-barkeit der Tiere: Individuen mit einerstabilen dominanten Position haben ge-nerell niedrigere Stresshormonwerteund eine bessere Immunabwehr und le-ben deutlich länger als Tiere mit unterle-genen Positionen. Zudem haben domi-nante Tiere beiderlei Geschlechts einendeutlich höheren Fortpflanzungserfolg.Dieser beruht bei dominanten Männ-chen auf ihrer Fähigkeit, die Weibchenihrer Gruppen weitgehend erfolgreichzu monopolisieren; bei Weibchen beruhter auf ihrem besseren Gesundheitszu-stand, der zum einen zu einer höherenGeburtenrate führt; zudem ist die Über-lebensrate der Jungtiere sozial überlege-ner Weibchen sowohl vor als auch nachihrer Entwöhnung deutlich besser als dieunterlegener Weibchen. Der höhere Re-produktionserfolg dominanter Tiere bei-derlei Geschlechts sowie ihre höhere Le-benserwartung bewirken somit einedeutlich gegenüber allen Artgenossenerhöhte Lebenszeit-Fitness (Lebenszeit-Fortpflanzungserfolg).

Page 22: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

22 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Hierfür mag es verschiedene Ursa-chen geben. Offenbar hat das Wild-kaninchen in Artenschutz-Kreisen

kaum eine Lobby, wahrscheinlich, weil eszumindest postglazial in Mitteleuropanicht oder nicht mehr vorkam, bis es abdem Mittelalter vielerorts zu verschiede-nen Zwecken (wieder) eingebürgert wurde(siehe KAETZKE et al. 2003, NIETHAM-MER 1963, SIEFKE 1989, THENIUS1972). So hat das Wildkaninchen ebensowie zum Beispiel Bisamratte und Nutria inNordrhein-Westfalen den Status einer ein-geführten Art (siehe FELDMANN et al.1999).Der konventionelle Naturschutz sieht sichbeim Wildkaninchen wohl auch deshalbnicht gefordert, weil für die aktuelle Be-standsmisere nicht etwa Lebensraumver-änderungen eine entscheidende Rolle spie-len, sondern die beiden seuchenartig auf-tretenden Krankheiten Myxomatose undRHD, die sog. „Chinaseuche“.

Wie kann man Wildkaninchen erfassen?Zudem erschwert die Lebensweise des Ka-ninchens eine direkte Erfassung bzw. Zäh-lung der in einem bestimmten Gebiet vor-handenen Individuen. Im Vergleich bei-spielsweise zum Feldhasen als so genann-te Offenlandart, der allerdings in relativ ge-ringer Dichte auch in Waldgebieten vor-kommt, ist der „oberirdische“ Aktions-raum des Kaninchens viel enger anDeckungsstrukturen in der Landschaft ge-bunden, und die Aktivitäten, z. B. Nah-rungssuche, in einem lokalen Kaninchen-vorkommen sind weniger synchronisiert.Bei den inzwischen in vielen Feldrevierenpraktizierten nächtlichen Scheinwerfer-zählungen zur Ermittlung der Hasenbesät-ze wird deshalb in der Regel nur ein Teilder vorhandenen Wildkaninchen erfasst,wobei dieser Anteil nicht genau bekannt

ist. Er kann zudem kurzfristig stark fluktu-ieren, denn das Verhalten der Kaninchen istdeutlich „störanfälliger“ als dasjenige derHasen. Wurde die abgeleuchtete Kontroll-fläche etwa kurz vorher und vom Zählerunbemerkt von einem Fuchs belaufen odervon einem Uhu überflogen, so stecken vie-le Kaninchen noch für unterschiedlich lan-ge Zeit in ihren Bauen, so dass das Zähl-ergebnis eine mehr oder weniger stark ver-fälschte Momentaufnahme darstellt. Auch andere Verfahren wie das Auszählenvon Kaninchen auf Probeflächen vom An-sitz aus (siehe z. B. SPITTLER 2004 indiesem Heft), nächtliche Linientaxationenaus dem fahrenden Auto mit einemSuchscheinwerfer (GORTÁZAR 1997),sonstige Linientaxationen, die Zählungvon Bauen oder die Losungsstellenaufnah-me (BRIEDERMANN 1983) haben ihre

Tücken. Darüber hinaus sind sie mehr oderweniger zeitaufwändig und kommen zumTeil nur für lokale Studien in Betracht. Zumindest dann, wenn es um einen schnel-len, einfach zu gewinnenden Überblicküber die großräumige Verbreitung undlangfristige Bestandsentwicklung desWildkaninchens, den Vergleich regionalerDichten, das Erkennen von Vorkommens-schwerpunkten und Verbreitungslückengeht, ist das Datenmaterial aus der Jagd-strecken-Statistik eine unverzichtbareGrundlage (siehe KAETZKE et al. 2003,SIEFKE 1989). Dabei sind allerdings Er-fahrungswerte zum jagdlich nutzbaren Zu-wachs in Wildkaninchen-Populationenund zur Höhe des jagdlichen Eingriffs indiese Vorkommen zugrunde zu legen(SPITTLER 1998). Sonstige Faktoren mitEinfluss auf den Besatz und den jagdlich

JagdstreckenentwicklungJürgen Eylert

Bleibt das Wildkaninchen auf der Strecke? Zur Jagdstreckenentwicklung des Wildkaninchens in Nordrhein-Westfalen

In Nordrhein-Westfalen wie auch bundesweit ist bei kaum einer anderen Wildart die Jagdstrecke inner-halb der letzten drei Jahrzehnte so drastisch zurückgegangen wie beim Wildkaninchen. Diese Depressionist deutlich ausgeprägter als zum Beispiel beim Feldhasen. Dem wurde in der bundesdeutschen Arten-schutz-Diskussion der letzten Jahre viel mehr Aufmerksamkeit zuteil, wohingegen die Situation desWildkaninchens kaum Beachtung findet. So ging das Thema „Rote Liste“ bisher am Wildkaninchen völlig vorbei, und auch bei dem inzwischen sonst so populären Ruf nach „Zählung vor Bejagung“ blieben die Kaninchen außen vor.

59.882

2001/02=68.205

1962/63=95.559

1976/77=685.110

1939/40=506.416

1935/36=355.948

0

100.000

200.000

300.000

400.000

500.000

600.000

700.000

800.000

39/40 51/52 55/56 59/60 63/64 67/68 71/72 75/76 79/80 83/84 87/88 91/92 95/96 99/00

Jagdjahr

Str

ecke

nasser Sommer (Kokzidiose!)

trocken- warmer Sommer

Schneewinter

nasse Sommer 1978, 1979

+ Schneewinter

1978/79

1.Myxomatose

1935/361885/86

Abb. 1: Jagdstrecke des Wildkaninchens in Nordrhein-Westfalen (mit Vergleichswertenfür die Jagdjahre 1885/86 und 1935/36 bis 1939/40).

Page 23: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

23LÖBF-Mitteilungen 1/04

nutzbaren Zuwachs, zum Beispiel Witte-rung und Krankheiten, sind ebenfalls zuberücksichtigen.

Wechselvolles Schicksal derWildkaninchen in NRWSeit Anfang der 1950er Jahre wird dieWildkaninchenstrecke in Nordrhein-West-falen (siehe Abb. 1) mit ihren zum Teil star-ken jährlichen Schwankungen entschei-dend geprägt von den beiden Faktoren-komplexen Krankheiten und Wetter. SeitMitte der 1950er Jahre ist die Myxomato-se in Nordrhein-Westfalen präsent. AufKaninchenvorkommen und -strecke warihr Einfluss jedoch niemals so prägnantwie in den ersten Jahren ihres Auftretens,als vielerorts in Nordrhein-Westfalen dieKaninchen im Verlauf dieser ersten Seu-chenwelle dahingerafft wurden (nähereAngaben zur Ausbreitungsdynamik imLandesteil Westfalen siehe SCHRÖPFER& GÜNTHER 1984). Die starken Streckenfluktuationen in engerzeitlicher Abfolge in den 1960er Jahrenwaren primär witterungsbedingt: HoheVerluste im strengen Winter 1962/63;überdurchschnittlich hoher Zuwachs indem trocken-warmen Sommer 1964; ge-ringer Zuwachs im darauf folgenden, nas-

sen Sommer 1965, wo dann mittelbar auchwieder Krankheiten, wie z. B. die Kokzi-diose die Besätze schwächten. Sehr ähnli-che Streckenverläufe in jenen Jahren wa-ren übrigens auch bei anderen Nieder-wildarten wie Feldhase und Rebhuhn zuverzeichnen, bei denen Myxomatose keineRolle spielt, das Witterungsgeschehen abervon erheblichem Einfluss auf den jagdlichnutzbaren Zuwachs ist. In den folgenden zehn Jahren vollzog sichbei den Wildkaninchen in Nordrhein-Westfalen eine bisher einzigartige Auf-wärtsentwicklung, die ihren Scheitelpunktim Jagdjahr 1976/77 mit einer Strecke vonrund 685 000 erreichte. Die Myxomatoseschien überwunden, denn sie wurde relativselten festgestellt. Im Übrigen wurde dieseEntwicklung gefördert durch die für Ka-ninchen überwiegend günstigen Witte-rungsbedingungen in diesem Zeitraum unddie damals noch relativ geringe Dichte ih-rer Fressfeinde, besonders Fuchs, Iltis undHabicht.Der sich unvermittelt anschließende drasti-sche Bestandseinbruch betraf wiederumzeitgleich in nahezu demselben Ausmaßneben dem Wildkaninchen weitere Artenwie Feldhase, Rebhuhn und Fasan. Auchdiesem Phänomen lag die gleiche Primär-ursache zugrunde, nämlich die äußerst

ungünstige Konstellation der Witterungs-bedingungen mit den aufeinanderfolgen-den verregneten Sommern 1978 und 1979und dem – zumindest in den nördlichenBundesländern – gebietsweise „katastro-phal“ schneereichen Winter 1978/79. Vondiesem Kollaps konnte sich keine der ge-nannten Arten gänzlich erholen, der Hasenoch am ehesten, das Rebhuhn am wenig-sten. Die Kaninchen hielten sich in den1980er Jahren auf einem mittelmäßigenNiveau, bis Anfang der 1990er Jahre ein er-neuter Niedergang einsetzte, der bis in dieGegenwart andauert. Mit 68 205 Kanin-chen im Jagdjahr 2001/02 bzw. 66 175 imJagdjahr 2002/03, wovon zudem ca. 20Prozent „Fallwild“ ausmachen, sind diezweitniedrigsten Streckenwerte für dasGebiet des heutigen Bundeslandes Nord-rhein-Westfalen seit 1885/86 erreicht, so-weit aus diesem Zeitraum jährliche Auf-zeichnungen vorliegen. Zum Vergleich: Aus der Stadt Köln, eineder Kaninchen-„Hochburgen“ Nordrhein-Westfalens, wurden zu Zeiten des landes-weiten Bestandshochs in den Jahren1975/76 bis 1977/78 Strecken von jährlichrund 36 000 Wildkaninchen gemeldet. Dassind mehr als 50 Prozent der heutigen Ge-samtstrecke des Landes Nordrhein-West-falen.

Jagdstreckenentwicklung

Abb. 2: Darstellungen der Jagdstrecke pro Flächeneinheit sindgerade für Arten, die quantitativ relativ schwierig zu erfassensind, wichtige Informationsquellen zur Verbreitung und regio-nalen Häufigkeit.

Quelle: REICHSBUND DEUTSCHE JÄGERSCHAFT 1938

Abb. 3: Wildkaninchen-Strecke pro 1000 Hektar in den einzel-nen Bundesländern (alte Bundesländer Durchschnitt 1987/88bis 1996/97, neue Bundesländer Durchschnitt 1993/94 bis1996/97). Quelle: SPITTLER 1999

Page 24: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

24 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Gegenüber 1990/91, dem Ausgangspunktder letzten Rückgangsphase, hat dieStrecke um rund 80 Prozent abgenommen,gegenüber dem bisherigen Spitzenjahr1976/77 um rund 90 Prozent. Diese bun-desweit zu beobachtende Entwicklung istmaßgeblich darauf zurückzuführen, dassneben der Myxomatose seit Anfang der1990er Jahre mit der Chinaseuche (RHD)eine weitere Viruserkrankung auftritt.

Vage AussichtenSkizziert wurde die für das Land Nord-rhein-Westfalen zusammengefassteStreckenentwicklung mit den nach vorlie-gendem Kenntnisstand maßgeblichen Ein-flussfaktoren. Naheliegend ist eine verglei-chende Betrachtung der zu verschiedenenZeitpunkten in diesem Zeitraum gegebe-nen Bedingungen, um eine vorsichtigeEinschätzung der zukünftigen Entwick-lung vorzunehmen oder, was wohl realisti-scher ist, einige der diesbezüglichen Rah-menbedingungen grob zu charakterisieren:1885/86 waren in den preußischen Provin-zen Rheinland und Westfalen mit 37 471(aus SCHWENK 1982) nur etwa halb soviele Jagdscheininhaber registriert wie imheutigen Nordrhein-Westfalen (2002:78 060, WIESE 2003). Auch die sonstigenjagdlichen Verhältnisse haben sich seitdemerheblich geändert. Dennoch kann davonausgegangen werden, dass hier die Kanin-chenbesätze 1885/86 mit einer Strecke vonetwa 60 000 geringer waren als heute, aberes gab weder Myxomatose noch RHD. Vondiesem Ausgangspunkt konnten sich dieBesätze in den folgenden Jahrzehnten biszum Zweiten Weltkrieg – soweit dies ausder Streckenentwicklung abzulesen ist –(Abb. 1) vervielfachen. Einen weiteren„Neubeginn“ stellt das Jagdjahr 1962/63mit einer Strecke von rund 95 000 Wildka-ninchen dar. Obwohl damals die Myxoma-tose das Land bereits erfasst hatte, konntesich auf dieser Basis bei allerdings gerin-gerer Prädatorendichte als heute die bisherstärkste Bestands- und Streckenzunahmein Nordrhein-Westfalen vollziehen. ImJahre 2003 lag der Sockel für die weitereEntwicklung, wiederum gemessen an derStrecke, bei nur 67 000, und die Kaninchenhaben es mit zwei Seuchen zu tun sowie ei-nem deutlich höheren Beutegreiferdruckals in früheren Jahrzehnten. Insoweit istdas derzeitige Regenerationspotentialungünstiger als früher zu beurteilen, wenn-gleich, das haben schon einige Naturkata-strophen gezeigt, die Regenerationsfähig-keit von Populationen, Arten, Biozönosenoder Ökosystemen manchmal unterschätztwird.Bei einer Beurteilung der Besatzsituationdes Wildkaninchens in Nordrhein-Westfa-len relativieren sich die Verhältnisse bei ei-nem Blick auf die neuen Bundesländer, dievon der Art allerdings auch früher nur ingeringerer Dichte besiedelt waren (Abb. 2,

3): Mit Strecken von212 in Brandenburg, 60in Mecklenburg-Vor-pommern und 45 inSachsen (jeweils Jagd-jahr 2001/02) sind diedortigen Kaninchen-Vorkommen tatsäch-lich als (nahezu) erlo-schen anzusehen.

Wie viele Wildkaninchengibt es landes-weit noch?Setzt man bei den ein-gangs erwähnten Er-fahrungswerten zumjagdlich nutzbaren Zu-wachs in Wildkanin-chen-Populationen ca.200 Prozent an, zurHöhe des jagdlichenEingriffs in diese Vor-kommen ca. 66 Prozent(das heißt, zwei Dritteldes Herbstbesatzeswerden erlegt) und zurAbleitung des Früh-jahrsbesatzes aus derStrecke einen Strecken-faktor von 0,5, so haben diese Kennwerteoffenbar nach wie vor Gültigkeit:Im Durchschnitt der Jahre 1999/2000 bis2001/02 betrug die Kaninchenstrecke inNordrhein-Westfalen inkl. Fallwild 79 279.Das entspricht 30 Kaninchen pro 1000Hektar bejagbare Fläche. Der Herbstbesatzliegt demnach bei 45, der Frühjahrsbesatzbei 15 Kaninchen pro 1000 Hektar bejag-bare Fläche.Aus dem Produkt (Strecke x Streckenfak-tor 0,5) errechnet sich ein Frühjahrsbesatzvon 39 640 Kaninchen beziehungsweise14,9 Kaninchen pro 1000 Hektar bejagba-re Fläche. Der Frühjahrsbesatz ist alsotatsächlich – wie postuliert – mit exakt 50Prozent der Anzahl erlegter Kaninchen an-zusetzen, zumindest bei dieser großräumi-gen Betrachtung.

Ein Blick in die Regionen desLandes NRWZumindest bis zum Jagdjahr 2001/02 re-krutieren sich die Wildkaninchen-Streckenaus allen 54 Kreisen und kreisfreien Städ-ten des Landes NRW; für das Jahr 2002/03meldet die Stadt Wuppertal Fehlanzeige.1885/86, in einer noch relativ frühen Pha-se der (Wieder-)Besiedlung des Landes, la-gen Streckennachweise zum Wildkanin-chen aus nur drei Viertel der Kreise vor; al-lerdings war das damalige „Meldenetz“mit 81 Verwaltungseinheiten feinmaschi-ger als heute. Ostwestfalen sowie das Sau-er- und Siegerland waren seinerzeit vom

Wildkaninchen offenbar noch kaum besie-delt.Bei Betrachtung auf Ebene der Kreise undkreisfreien Städte ergibt sich aus den aktu-ellen Streckendaten aus Nordrhein-West-falen noch ein nahezu geschlossenes Ver-breitungsbild. Dabei bestehen allerdingsextreme regionale Dichteunterschiede(Abb. 4). Vorkommensschwerpunkt desWildkaninchens in Nordrhein-Westfalenist nach wie vor der Ballungsraum derStädte an Rhein und Ruhr, wo in den letz-ten Jahren noch Strecken von bis zu 500Kaninchen pro 1000 Hektar bejagbareFläche erzielt wurden. Sehr spärlich sinddie Vorkommen, ähnlich den Verhältnissenim Jahre 1885/86 (siehe oben), im Bergi-schen Land, im Sauer- und Siegerland so-wie in Ostwestfalen. In diesen Regionenwerden die Kaninchen praktisch nichtmehr bejagt.

Interessant ist die Feststellung, dass dasAusmaß des seuchenbedingten Besatz-und damit Streckenrückgangs des Wildka-ninchens in den 1990er Jahren in Nord-rhein-Westfalen im Vergleich der Kreiseund kreisfreien Städte keine Abhängigkeitvon der Ausgangsdichte zeigt. Alle Lan-desteile sind in etwa gleichem Ausmaß vondem Rückgang der letzten Jahre betroffen.Nimmt man das Mittel der Jahre 1990/91bis 1992/93 als Ausgangsdichte, so beträgtder Streckenrückgang bis zum Mittel derJahre 1999/2000 bis 2001/02 landesweitca. 75 Prozent. Allerdings ist innerhalb derGruppe der Gebiete mit relativ geringer

Jagdstreckenentwicklung

Abb. 4: Jagdstrecke des Wildkaninchens pro 1000 Hektar be-jagbare Fläche in den Kreisen und kreisfreien Städten vonNordrhein-Westfalen im Durchschnitt der Jagdjahre 1999/2000bis 2001/02.

Page 25: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

25LÖBF-Mitteilungen 1/04

Ausgangsdichte (hier: Strecke max. 150Kaninchen pro 1000 Hektar) der Streu-ungsbereich der Rückgänge von 50 Pro-zent (Hagen) bis 92 Prozent (Höxter)größer als in den Gebieten mit höhererAusgangsdichte (Strecke 150 bis 2000 Ka-ninchen pro 1000 Hektar), wo die Rück-gänge 61 bis 82 Prozent ausmachen. DieseUnterschiede müssen nichts mit der Biolo-gie des Wildkaninchens zu tun haben; all-gemein sind in der Statistik „kleine“ Zah-len, sowohl Stichprobenumfänge als auchEinzelwerte, empfindlicher gegenüberAusreißern.

NRW in der VerantwortungSchon die Ende der 1930er Jahre erstelltenJagdstatistiken wiesen für das nördlicheRheinland sowie Westfalen die höchstenKaninchen-Streckendichten aller „Jagd-gaue“ im damaligen Deutschen Reich aus(Abb. 2). Auch heute noch ist Nordrhein-Westfalen das Bundesland mit den bedeu-

tendsten Wildkaninchen-Vorkommen inDeutschland. Nordrhein-Westfalen ver-zeichnet mit deutlichem Abstand vor allenanderen Bundesländern – in absteigenderReihenfolge Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hessen, Rheinland-Pfalz undBayern – die höchsten Wildkaninchen-Strecken, absolut wie auch bezogen auf1000 Hektar. In den letzten Jahren entfie-len im Mittel 41 Prozent der gesamtenJagdstrecke des Wildkaninchens inDeutschland auf Nordrhein-Westfalen.Diese Streckendominanz wird nur von derRingeltaube in nennenswertem Maßeübertroffen, bei der 57 Prozent der Ge-samtstrecke auf Nordrhein-Westfalen ent-fallen. Gemessen an neueren Artenschutz-Kriteri-en trägt das Land Nordrhein-Westfalen da-mit auch besondere Verantwortung für dieBestandserhaltung des Wildkaninchens.Hierzu gehören Bemühungen zur Förde-rung der Wildkaninchen-Vorkommen, so-weit sie denn möglich und sinnvoll sind.Auf die stark rückläufige Bestandsent-wicklung des Wildkaninchens hat dasMUNLV als Oberste Jagdbehörde bereitsreagiert: Mit der Landesjagdzeiten-Ver-ordnung vom 9. 9. 2002 wurde für Altka-ninchen eine Schonzeit vom 1. 3. bis zum30. 9. eingeführt.Was kann nach derzeitigem Kenntnisstandder einzelne Jäger tun, um der ihm gesetz-lich übertragenen Verantwortung, zu nen-nen sind hier die Hegepflicht, ein artenrei-cher und gesunder Wildbestand als Hege-ziel und das Kriterium der Nachhaltigkeitder jagdlichen Nutzung, gerecht zu wer-den?

● Soweit die Bestandsverhältnisse es zu-lassen, eine Kaninchen-Bejagung unddamit Bestandsausdünnung schon imAugust; hiermit kann das Seuchenge-schehen möglicherweise vermiedenoder abgeschwächt werden, und zu-gleich besteht die Option auf eine jagd-liche Nutzung;

● Anpflanzungen von Hecken und Feld-gehölzen zur Lebensraumverbesse-rung, wie zum Beispiel im Förderpro-gramm „Artenreiche Feldflur“ angebo-ten;

● intensivere Bejagung von Beutegreifern(Fuchs, Iltis), denn diese greifen auch inden reproduktiven Bestand ein; dasheißt, sie erbeuten auch die für den Be-stand bei dem derzeitigen Seuchenge-schehen offenbar besonders wertvollenadulten Kaninchen;

● Fallwild-Funde bei unklarer Todesursa-che vollzählig und unverzüglich an einStaatliches Veterinäruntersuchungsamtoder an die Forschungsstelle für Jagd-kunde und Wildschadenverhütung derLÖBF leiten und vollzählig in der jähr-lichen Wildnachweisung angeben.

Zitierte LiteraturBRIEDERMANN, L. (1983): Der Wildbestand– die große Unbekannte. Methoden der Wildbe-standsermittlung. Stuttgart: Enke.

FELDMANN, R., HUTTERER, R. & VIER-HAUS, H. (1999): Rote Liste der gefährdetenSäugetiere in Nordrhein-Westfalen. 3. Fassung.In: LÖBF (Hrsg.): Rote Liste der gefährdetenPflanzen und Tiere in Nordrhein-Westfalen. 3.Fassung. LÖBF-Schr.R. 17: 307–324.

GORTÁZAR, C. (1997): Relative Häufigkeitvon Wildkaninchen (Oryctolagus cuniculus)und Rotfuchs (Vulpes vulpes) nach Auftretender haemorrhagischen Kaninchenkrankheit imzentralen Ebrobecken in Nordwest-Spanien. Z.Jagdwiss. 43, 259–265.

KAETZKE, P., NIEDERMEIER, J. & MASSE-TI, M. (2003): Europäisches WildkaninchenOryctolagus cuniculus (Linné, 1758). In:KRAPP, F. (Hrsg.): Handbuch der SäugetiereEuropas. Band 3/II: Hasentiere. Wiebelsheim:Aula.

NIETHAMMER, G. (1963): Die Einbürgerungvon Säugetieren und Vögeln in Europa. Ham-burg, Berlin: Paul Parey.

REICHSBUND „DEUTSCHE JÄGER-SCHAFT“ (Hrsg.) (1938): Jahrbuch der Deut-schen Jägerschaft 1937/38. Berlin: Paul Parey.

SCHRÖPFER, R. & GÜNTHER, H.J. (1984):Wildkaninchen – Oryctolagus cuniculus (Lin-naeus, 1758). In: SCHRÖPFER, R., FELD-MANN, R. & VIERHAUS H. (Hrsg.): Die Säu-getiere Westfalens. Abh. Westf. Mus. Naturkun-de 46, H. 4. Münster.

SCHWENK, S. (Hrsg.) (1982): PreußischeJagdstatistiken von 1865 bis 1892. Homo vena-tor. Schriften zur Geschichte und Soziologie derJagd VII/VIII. Bonn: Habelt.

SIEFKE, A. (1989): Wildkaninchen Oryctola-gus cuniculus (L.). In: STUBBE, M. (Hrsg.):Buch der Hege. Bd. 1. Haarwild. Berlin: Deut-scher Landwirtschaftsverlag.

SPITTLER, H. (1998): Eignen sich Strecken-meldungen für die Erfassung von Niederwild?AFZ/Der Wald, 53. Jg., Nr. 1/1998, S. 14–15.

SPITTLER, H. (1999): Das Wildkaninchen.Deutscher Jagdschutz-Verband e.V. MerkblattNr. 13. 6. Auflage. Mainz: Hoffmann.

SPITTLER, H. (2004): Untersuchungen zur Po-pulationsdynamik des Wildkaninchens. LÖBF-Mitteilungen, 29. Jg., Nr. 1/2004, S. 36–41.

THENIUS, E. (1972): Die Hasentiere. Stam-mesgeschichte. In: GRZIMEK, B. (Hrsg.):Grzimeks Tierleben. Bd. 12. Säugetiere 3.Zürich: Kindler.

WIESE, M. (2003): DJV-Handbuch Jagd 2003.Mainz: Hoffmann.

Anschrift des VerfassersDr. Jürgen H. EylertLÖBF NRWDezernat: Forschungsstelle für Jagdkundeund WildschadenverhütungPützchens Chaussee 22853229 BonnE-Mail: [email protected]: www.loebf.nrw.de

Jagdstreckenentwicklung

ZusammenfassungDie Jagdstrecken-Statistik ist auch beimWildkaninchen unverzichtbar für einenschnellen und einfachen Überblick überdie großräumige Verbreitung der Art,über regionale Dichteunterschiede, Ver-breitungslücken, Vorkommensschwer-punkte und die langfristige Bestandsent-wicklung der Art. Dabei sind Erfah-rungswerte zum jagdlich nutzbaren Zu-wachs (ca. 200 %) und zur Höhe desjagdlichen Eingriffs in Wildkaninchen-Populationen (ca. 2/3 des Herbstbesat-zes) zugrunde zu legen. Seit Anfang der1950er Jahre wird die Wildkaninchen-Strecke in NRW mit z. T. starken jährli-chen Schwankungen vom Auftreten derMyxomatose (ab Mitte der 1950er Jah-re) und der RHD (sog. „Chinaseuche“;seit Anfang der 1990er Jahre) beein-flusst, in manchen Jahren aber starküberprägt durch Witterungseinflüsse.Nach einem kontinuierlichen Rückgangseit Anfang der 1990er Jahre sind derzeitmit rd. 67 000 Kaninchen die niedrigstenStrecken seit 1885/86 erreicht. Das Aus-maß dieses Streckenrückgangs zeigt kei-ne Abhängigkeit von der Ausgangsdich-te. Auf Ebene der Kreise und kreisfreienStädte ergeben die Streckendaten fürNRW noch ein geschlossenes Verbrei-tungsbild mit allerdings extremen regio-nalen Dichteunterschieden. Im landes-weiten Mittel liegt der Frühjahrsbesatzaktuell bei etwa 15 Kaninchen pro 1000ha bejagbare Fläche. Nordrhein-Westfa-len als das Bundesland mit den bedeu-tendsten Wildkaninchen-Vorkommen inDeutschland kommt auch eine besonde-re Verantwortung für den Erhalt dieserArt zu.

Page 26: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

26 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Auf der iberischen Halbinsel hat dasKaninchen lange Zeit als Haupt-beutetier für verschiedene Prädato-

ren gedient, und heutzutage äußerst be-drohte Arten wie der spanische Kaiseradler(Aquila adalberti) und der Pardelluchs(Lynx pardinus) haben sich sogar fast aus-schließlich auf dieses Beutetier speziali-siert (DELIBES & HIRALDO 1981). Zu-dem ist die Jagd auf Niederwild in Zentral-und Südspanien eine der größten Einkom-mensquellen, und das Kaninchen stellt diewichtigste der jagdbaren Arten dar (AN-GULO & VILLAFUERTE 2003).Das Auftreten der Myxomatose in den 50erund der Hämorrhagischen Kaninchenseu-che (RHD) in den 80er Jahren haben nochstärker als im Rest Europas zu schwerenPopulationseinbrüchen unter den Kanin-chen geführt – die zusammen mit anderenUrsachen die spezialisierten Beutegreifer,

wie den Pardelluchs und den Kaiseradler,an den Rand des Aussterbens gebracht hat(BLANCO & VILLAFUERTE 1993,FERNANDEZ et al. 1993, VILLAFUER-TE et al. 1995, 1996). Auch beim Jagdge-werbe hat der Verlust der Populationsdich-ten, vor allen Dingen in den Randgebietendes Verbreitungsgebietes des Kaninchens,in Spanien hohe Einbußen verursacht.Heutzutage sind weiterhin die Myxomato-se und die Hämorrhagische Kaninchenseu-che die hauptsächliche Todesursache beizur Diagnostik eingesandten Kaninchen.Während die Myxomatose hauptsächlichüber Mücken und Flöhe übetragen wirdund vor allen Dingen bei Jungtieren zuschweren Verlusten führt, ist die RHDhauptsächlich eine Erkrankung adulteroder subadulter Tiere, die direkt übertra-gen wird. Beide Erkrankungen könnengleichzeitig in einer Population auftreten

und im Verlauf des Jahres sich ergänzendschwere Auswirkungen auf die Entwick-lung der Bevölkerungsdichte haben. Eini-ge Untersucher glauben, dass der Effektder Erkrankungen auf die existierendenKaninchenbestände noch durch den Ver-lust des mittlerweile als für das Kaninchenideal angesehenen Mosaikhabitats von tra-ditioneller Landnutzung und mediterra-nem Trockenwald verstärkt wurde (FA etal. 1999).

Entwicklung der Beständenach RHD-Ausbruch Sowohl landesweit als auch in bestimmtenGebieten, wie z. B. im Nationalpark Doña-na und der Region von Aragon, im NordenSpaniens, einem der für Kaninchen subop-timalen Lebensräume, wurden mit demZiel der Bestandsaufnahme „nach der Ka-

Wildkaninchen in SpanienChristian Gortázar und Ursula Höfle

Das Wildkaninchen in SpanienBestandsaufnahme und Analyse der durchgeführten Maßnahmen 15 Jahre nach dem Auftretender Hämorrhagischen Kaninchenseuche (RHD)

Die Iberische Halbinsel stellt die historische Wiege des Kaninchens dar, von der aus diese vielseitige Artin die verschiedensten Habitate eingeführt wurde. Seine Reproduktionsfreudigkeit und Anpassungsfähig-keit haben seine schnelle Ausbreitung sowohl im Norden Europas als auch auf verschiedenen Inselgrup-pen sowie in Australien und Neuseeland ermöglicht und dazu geführt, dass es sich in einigen dieser Ge-biete zur Plage entwickelt hat (ROGER et al. 1994).

Die Verbindung zwischen Habitatqualität und Kaninchendichte: Diese Karten der Region Aragón (Nordostspanien) stellen die mittelsNachtzählungen ermittelte Kaninchenhäufigkeit (links), die Jagdstrecken (Mitte) und die Habitatqualität (rechts) dar.

Quelle: Ebronatura S. L. & Gobierno de Aragón

Monitoring: Probability hunting: Soil softness:

Page 27: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

27LÖBF-Mitteilungen 1/04

tastrophe“ Zählungen eingeleitet, die hal-fen, eine Karte der Besatzdichte der ver-schiedenen Regionen zu erarbeiten(BLANCO & VILLAFUERTE 1993). DieErgebnisse zeigen, dass die Bestände inden Randgebieten mit weniger optimalenLebensbedingungen am stärksten betrof-fen waren. In Aragón wurden die Zählun-gen in den vergangenen zwölf Jahren kon-tinuierlich fortgesetzt, um die Entwicklungder dezimierten Bestände zu dokumentie-ren, die nationale Zählung wird in diesemJahr (2003) wiederholt. Die bisherigen Er-gebnisse zeigen eine Erholung der Bestän-de in den Habitaten mit optimalen Lebens-bedingungen, während keine Besserungdes Zustands in den anderen Gebieten be-obachtet wurde. Auch zeigten die Daten,dass der Erholungsprozess in Gebieten mitgeringerem Jagddruck schneller vonstattengeht (ANGULO & VILLAFUERTE2003).

Maßnahmen zur Verbesserungder KaninchenbeständeSowohl im Zuge der Erhaltung der vorge-nannten bedrohten Arten (der Pardelluchsist der derzeit meist bedrohte Felide derWelt, und der Kaiseradler gehört zu denbedrohtesten Vogelarten der Welt) als auchim Hinblick auf die Verbesserung der Jagd-ausbeute sind zahlreiche Programme zurErhaltung und Verbesserung der Kanin-chenbestände in Angriff genommen wor-den (ANGULO & VILLAFUERTE 2003).Dabei wurde separat oder gleichzeitig anverschiedenen Angriffspunkten angesetzt,um die Erholung der Bestände zu errei-chen:1. die Reduktion der Bestandsdezimie-

rung durch Beutegreifer und Jagd,2. die Bekämpfung der Vektoren der

Myxomatose,3. die Bekämpfung der Erkrankungen

(mittels Impfstoffen),4. die Verbesserung des Habitats für Ka-

ninchen,5. die Aufstockung der Bestände mittels

Umsiedlung oder mittels der Auswilde-rung von in Gefangenschaft gezüchte-ten Kaninchen.

Was den Beutedruck entweder durchnatürliche Fressfeinde oder durch die Jagdangeht, wurde in der Regel hauptsächlichbei den Beutegreifern angesetzt, in ersterLinie mit dem Versuch, unter ihnen dieFuchspopulation zu reduzieren. Da es aberbisher keine wirklich selektiven und wis-senschaftlich fundierten Methoden gibt,Fleischfresserbestände zu kontrollieren,und die existierenden Methoden auch be-drohte Arten wie den Pardelluchs gefähr-den, sind diese Maßnahmen nicht das Mit-tel der Wahl (GORTAZAR et al. 1997,REYNOLDS et al. 1996). In Jagdgebieten,in denen eine freiwillige Reduzierung derJagdquote stattgefunden hat, hat sich deren

Auswirkung auf dieKaninchenbestände be-merkbar gemacht. Einebisher nur im Modellexistierende Studie hataufgezeigt, dass eineÄnderung der Jagdpe-rioden das Wachstumder Kaninchenbeständebe-günstigen könnte,da die bestehendenJagdperioden in derHauptzuchtperiode desKaninchens stattfindenund traditionell so ge-fasst waren, um die Ka-ninchenbestände zu re-duzieren (ANGULO &VILLAFUERTE2003).Die Bekämpfung derVektoren, die zur Ver-breitung der Myxoma-tose beitragen, hat inSpanien nur begrenzte Erfolge gezeigt. Soexistieren in Spanien – im Gegensatz zuanderen Gebieten – sechs verschiedene Ar-ten von Flöhen, die Kaninchen parasitierenkönnen, sowie verschiedene Mückenarten,die außerdem eine Verbreitung über großeDistanzen ermöglichen (OSACAR 1999).Die Bekämpfung der RHD sowie derMyxomatose mittels Impfstoffen hat beiHauskaninchen sehr gute Ergebnisse er-zielt und dazu geführt, dass bei diesen dieImpfung in der Regel zur Routine gehört.Diese Maßsnahme hat den Nachteil, dasszu ihrer Anwendung bei Wildkaninchendie Tiere jährlich gefangen werden müs-sen. Versuche haben gezeigt, dass es sogarin den Habitaten mit hoher Kaninchen-dichte nicht möglich ist, mehr als etwa einProzent der existierenden Kaninchenpopu-lation zu fangen und zu impfen. Dieses Er-gebnis macht die Impfung äußerst aufwän-dig und nur wenig effektiv. Um diese Pro-blematik zu umgehen, haben spanischeWissenschaftler eine rekombinante Vakzi-ne entwickelt, indem sie ein Kapsidproteindes für die RHD verantwortlichen Calici-virus in ein in Zellkulturen attenuiertesMyxomavirus eingefügt haben (BARCE-NA et al. 2000). Im Laborversuch lässt sichdieses rekombinante Virus über Vektoren(Flöhe) oder direkt von Kaninchen zu Ka-ninchen übertragen und immunisiert diesesowohl gegen das Virus der Myxomatosisals auch gegen die RHD. Die Versuche haben auch gezeigt, dass dieEffektivität der Vakzine an eine hohe Über-tragungsrate und somit eine hohe Kanin-chendichte gebunden ist. Dies bedingt,dass die Anwendug dieser Vakzine im Feldnur dort effektiv wäre, wo sich die Bestän-de auf natürliche Weise zu erholen schei-nen, während sie in den Randgebieten mitniedrigeren Bestandsdichten wenig effek-tiv wäre. Außerdem warnen zahlreicheWissenschaftler im Hinblick auf die welt-

weit spektakulär rasche Ausbreitung so-wohl des Virus der Myxomatose als auchdes Virus der RHD vor der Kontrollierbar-keit dieser „biologischen Waffe“ (KOVA-LISKI 1998, ANGULO & COOKE 2002).Es erscheint zu diesem Zeitpunkt nichtmöglich zu vermeiden, dass das Impfvirusnicht Australien erreichen könnte, wo esnicht erwünscht ist. Gleichzeitig ist in Aus-tralien ein ähnliches kontrazeptives Impf-virus in der Entwicklung, dessen Auftau-chen in Europa katastrophale Folgen habenkönnte (ANGULO & COOKE 2002).Es hat sich gezeigt, dass verschiedene Fak-toren, wie weiche Böden, bestimmte kli-matische Verhältnisse sowie das Besteheneiner Mosaiklandschaft, die gleichzeitgSchutz vor Beutegreifern und vielseitigeErnährungsmöglichkeiten bietet, also opti-male Lebensbedingungen, die Erholungder Kaninchenbestände begünstigt. Durchsein extremes Klima existieren in Spanienviele Gebiete mit nur suboptimalen Le-bensbedingungen, die eine Erhaltung, ge-schweige denn eine Erholung der Bestän-de erschweren (BELL & WEBB 1991). Indiesen Gebieten hat die Einführung ver-schiedener Maßnahmen zur Verbesserungdieser Bedingungen gute Erfolge gezeigt.Diese Maßnahmen schließen unter ande-rem Folgendes ein: den Schutz der Bauein-gänge durch Gebüschreste oder andereMaßnahmen, die die Deckung vor allem inden Wüstengebieten erhöhen. In einigenGebieten ist auch die Bereitstellung künst-licher Baue erfolgreich. Das zur Verfü-gungstellen von Futter, entweder durch dieAussaat von Getreide oder durch Futter-stellen, hat sich als erfolgreich erwiesen.Wobei es hier wichtig ist sicherzustellen,dass das Grünfutter wirklich den Kanin-chen und nicht den anderen (zahlreichen)Grasfressern zugute kommt (MORENO &VILLAFUERTE 1995). In Spanien kannunter Umständen auch die Verfügbarkeit

Wildkaninchen in Spanien

Künstlicher Lebensraum (mit Bau und Saaten) für Wildkanin-chen in Spanien. Foto: IREC

Page 28: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

28 LÖBF-Mitteilungen 1/04

von Trinkwasser ein limitierender Faktorsein, obwohl dies für das Kaninchen weni-ger wichtig zu sein scheint.Die möglicherweise in Spanien am häufig-sten angewandte Maßnahme ist die Aus-wilderung von in Gefangenschaft gezüch-teten Wildkaninchen oder die Umsiedlungvon Kaninchen aus Gebieten mit hohenKaninchendichten (in denen teilweiseLandwirtschaftsschäden angeprangertwurden) (CALVETE et al. 1997). DerStress, dem vor allen Dingen die zur Um-siedlung eingefangenen Kaninchen ausge-setzt werden, ist dabei außerordentlichhoch und kann zu großen Verlusten sowohldurch beim Fang oder Transport entstehen-de Traumata als auch durch verschiedeneErkrankungen führen. Hier ist vor allenDingen die RHD selbst zu nennen, die in-folge des Fangs und Transports und der da-mit einhergehenden Beeinträchtigung desImmunsystems bei latent infizierten Tierenzum Ausbruch kommen kann; ferner ande-re Erkrankungen wie Colibazillose, Klos-tridiose, Kokzidiose oder die durch Stressverursachten Magenulzera. In Gefangen-schaft gezüchtete Kaninchen sind wenigeranfällig für diesen Stress, sind aber in derRegel weniger auf das Überleben in derfreien Wildbahn vorbereitet. Untersuchun-gen an Kaninchen fehlen bisher, aber ver-gleichende Untersuchuengen an in derfreien Wildbahn und in Gefangenschaftaufgezogenen Rothühnern (Alectoris rufa)haben gezeigt, dass die gezüchteten Tierekürzere Darmabschnitte, höhere Organge-wichte und eine unterschiedliche Parasi-tenflora besaßen als in der freien Wildbahnaufgewachsene Tiere (MILLAN 2003).Ein Großteil der auf diese Art freigelasse-nen Kaninchen fällt Beutegreifern zumOpfer, wie Studien an Füchsen in Aragongezeigt haben (CALVETE et al. 1997). Ei-ne andere Problematik dieser Praktikenstellt die bisher nicht ganz geklärte geneti-sche Situation des Wildkaninchens dar.Genetische Studien haben gezeigt, dass aufder iberischen Halbinsel zwei Unterartendes Kaninchens zu existieren scheinen, dieentweder auf den Nordost- oder den Süd-westteil der Halbinsel beschränkt sind. DieUmsiedlungen werden häufig in Nord-Süd-Richtung vorgenommen, und dieseAspekte werden bisher nicht berücksich-tigt. Nichtsdestotrotz erscheint die Um-siedlung von Wildkaninchen im Zusam-menhang mit deren Impfung in einigenGebieten hilfreich zu sein.

LiteraturANGULO, E. & COOKE, B. (2002): First syn-thesize new viruses then regulate their release?The case of the wild rabbit. Molecular Ecology11, 2703–2709.ANGULO, E. & Villafuerte R. (2003): Model-ling hunting strategies for the conservation ofwild rabbit populations. Biological Conservati-on 115, 291–301.

BARCENA, J., MORALES, M., VAZQUEZ,B., BOGA, J.A., PARRA, F., LUCIENTES, J.,PAGES-MANTE, A., SANCHEZ-VIZCAINO,J.M., BLASCO, R., TORRES, T. M. (2000):Horizontal transmissible protection againstmyxomatosis and rabbit hemorrhagic diseaseby using a recombinant myxoma virus. Journalof Virology 74, 1114–1123.BELL, D. J. & WEBB N. J. (1991): Effects ofclimate on reproduction in the european wildrabbit (Oryctolagus Cuniculus). Journal of Zoo-logy 224, 639–648.BLANCO, J. C. & VILLAFUERTE, R. (1993):Factores ecologicos que influyen sobre las pob-laciones de conejos. Incidencia de la enferme-dad hemorrhagica. Empresa de TransformacionAgraria, S. A, Madrid Spain.CALVETE, C., ESTRADA, R., VILLAFUER-TE, R., OSACAR, J. J. & Lucientes J. (2002):Epidemiology of viral hemorrhagic disease andmyxomatosis in a free-living population of wildrabbits. Veterinary Record 150, 776–782.CALVETE, C., VILLAFUERTE, R., LUCIEN-TES, J. & OSACAR J. J. (1997): Effectivenessof traditional wild rabbit restocking in Spain.Journal of Zoology 241, 271–277.DELIBES, M. & HIRALDO, F. (1981): Therabbit as prey in the Iberian Mediterranean eco-systems. In Proceedings of the World Lago-morph Conference, ed. K. Myers and C.D. Ma-cInnes. University of Guelph, Guelph, Ontario.pp. 614-622.FA, J. E., SHARPLES, C. M. & BELL, D. J.(1999): Habitat correlates of European rabbit(Oryctolagus cuniculus) distribution after thespread of RVHD in Cadiz Province, Spain. Jour-nal of Zoology 249, 83–96.FERNANDEZ, C. (1993): Effect of the viral he-morrhagic pneumonia of the wild rabbit on thediet and breeding success of the Golden Eagle(Aquilla Chrysaetos) (L). Revue D Ecologie-LaTerre Et La Vie 48, 323–329.GORTAZAR, C., 1997: Relative abundancewild rabbit (Oryctolagus cuniculus) and red fox(Vulpes vulpes) after rabbit haemorrhagic disea-se (RHD) in the Central Ebro Bassin in North-eastern Spain. Zeitschrift für Jagdwissenschaft43, 259–265.KOVALISKI, J. (1998): Monitoring the spreadof rabbit hemorrhagic disease virus as a newbiological agent for the control of European rab-bits in Australia. Journal of Wildlife Diseases34, 421–428.MILLÁN, J. (2003): Efectos de la producciónen cautividad sobre la parasitocenosis y la fisio-logía de la perdiz roja. Tesis Doctoral, Universi-dad de Zaragoza.MORENO, S. & VILLAFUERTE, R. (1995):Traditional management of scrubland for theconservation of rabbits (Oryctolagus Cunicu-lus) and their predators in Donana NationalPark, Spain. Biological Conservation 73,81–85.OSACAR, J. J. (1999): Ecología de las pulgas(Siphonaptera) del conejo silvestre (Oryctola-gus cuniculus) en el Valle Medio del Ebro. Con-sejo de Protección de la Naturaleza de Aragón(Ed.). Diputación General de Aragón, Zaragoza.213 pp.REYNOLDS, J. C. & TAPPER S. C. (1996):Control of mammalian predators in game ma-nagement and conservation. Mammal Review26, 127–156.

ROGERS, P. M., ARTHUR, C. P. & SORI-GUER R. C. (1994): The rabbit in continentalEurope. In „The European Rabbit: The Historyand Biology of a Successful Coloniser“. „EdsH. V. Thompson and C.M. King.“ pp. 22–63.(Oxford University Press: Oxford.) VILLAFUERTE, R., CALVETE, C., BLAN-CO, J. C. & LUCIENTES J. (1995): Incidenceof viral hemorrhagic disease in wild rabbit po-pulations in Spain. Mammalia 59, 651–659.VILLAFUERTE, R., LAZO, A. & MORENOS. (1997): Influence of food abundance and qua-lity on rabbit fluctuations: Conservation andmanagement implications in Donana NationalPark (SW Spain). Revue D Ecologie-La Terre EtLa Vie 52, 345–356.VILLAFUERTE, R., LUCO, D. F., GORTA-ZAR, C. & BLANCO J.C. (1996): Effect on redfox liter size and diet after rabbit haemorrhagicdisease in north-eastern Spain. Journal of Zoo-logy 240, 764–767.

Anschrift der VerfasserDr. Christian Gortázar,Dr. Ursula HöfleInstituto de Investigación en Recursos Cinegéticos IREC (CSIC-UCLM-JCCM)Ronda de Toledo s/n,E- 13005 Ciudad Real, SpanienE-Mail:[email protected],[email protected]: www.uclm.es/irec/

Wildkaninchen in Spanien

ZusammenfassungDas Auftreten von Myxomatose und Hä-morrhagischer Kaninchenkrankheit hatzu schweren Populationseinbrüchen un-ter den Wildkaninchen geführt. Dies hat-te unter anderem schwere Einbußen imJagdgewerbe und sehr negative Auswir-kungen auf bedrohte Beutegreifer wieden Pardelluchs und den Kaiseradler zurFolge. Untersuchungen zeigen, dass sichdie Kaninchenbestände in den Gebietenmit optimalen Lebensbedingungen fürKaninchen, vor allen Dingen bei Ver-minderung des durch die Jagd ausgeüb-ten Drucks, ohne viel zutun zu erholenscheinen. Hingegen ist die Situation inden für Kaninchen weniger optimalenGebieten kritisch. In diesen scheinen vorallen Dingen Maßnahmen wie die, so-weit mögliche, Verbesserung der Le-bensbedingungen im Hinblick auf dieVerfügbarkeit von Schutz, Bauen undFutter hilfreich zu sein. Gleichzeitigkönnen, wenn die zugehörige Problema-tik beachtet und sorgsam geplant wird,die Umsiedlung von Kaninchen und inerster Linie die Änderung der Jagdprak-tik von großem Nutzen sein.

Page 29: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

29LÖBF-Mitteilungen 1/04

Wenn die Kaninchen in gleicherund hauptsächlich in mäßigerAnzahl und Verteilung in allen

Gegenden Deutschlands anzutreffenwären, würden sie nicht nur nirgends alseine Last oder eine Art Landplage betrach-tet werden, sondern als eine fast unversieg-bare Quelle des Vergnügens und der Unter-haltung für Jagdliebhaber. Sie würden fürebenso angenehm wie nützlich gelten kön-nen.“In dieser bemerkenswerten und zutreffen-den Feststellung des bekannten Nieder-wildfachmannes Karl Emil Diezel aus demJahre 1915 kommt die volle Ambivalenzdieser Niederwildart zum Ausdruck. Sorgen um die von Wildkaninchen ange-richteten Schäden an Pflanzen und boden-nahen Schutzeinrichtungen auf der einensowie stetige, in früheren Jahren fast nieenden wollende Jagdfreuden auf der ande-ren Seite stellen den Spannungsbogen die-ser Wildart dar. Noch in den sechziger Jah-ren war der Stellenwert des Wildkanin-chens ein anderer als heute. Ob man heutenoch einen Jäger oder eine Jägerin aus demfernen Bayern ins Rheinland mit der Jagd-einladung auf ein paar Kaninchenanlocken kann, wie das damals der Fallwar, um im Gegenzug vielleicht dort aufein Stück Schalenwild jagen zu dürfen, istzumindest fraglich.Diese Zeiten der Lust, aber auch der Plage,sind für die Bundesrepublik Deutschlandund damit auch für Nordrhein-Westfalenaugenscheinlich vorbei. Jedoch sollten wiruns auch der Sorgen bewusst sein, die mitder rapiden Abwärtsentwicklung der Jagd-strecken in Zusammenhang stehen.

Veränderung des LebensraumesDer Lebensraum, in dem sich das Wildka-ninchen bis heute mehr oder weniger be-hauptet hat, ist seit dem Zweiten Weltkriegenormen Veränderungen unterworfen. Diein diesem Beitrag in den Blickpunkt ge-stellte Industrielandschaft soll an demSuchraum des Niederrheins – der Kreise

Kleve und Wesel – dem westlichen Ruhr-gebiet – der Städte Duisburg, Mülheim,Oberhausen und Essen – sowie an demKreis Recklinghausen festgemacht wer-den.Dieser Landschaftsraum hat sich in denletzten Jahrzehnten grundlegend durch ei-ne intensive Raumnutzung von Industrieund Bauwirtschaft verändert. Vor allenDingen sind in der Nähe des Rheins infol-ge der Auskiesungen große Wasserflächenentstanden, die den Lebensraum des Wild-kaninchens, ebenso wie die expandieren-den Wohnbautätigkeiten, stark einge-schränkt haben. Auf der anderen Seite sindauf Grund der Flächeninanspruchnahmenfür Bergehalden, Wassergewinnungsanla-gen, Industrieflächen, Straßenbau und an-deren mehr sowie auf menschennahenSiedlungsflächen neue Ersatzlebensräumeentstanden, in denen das Wildkaninchensich sehr wohl fühlt. Vergleicht man diejagdlich nutzbare Fläche von 1995 mit dervon 1960, so stellt man fest, dass sich die-

se Fläche im Kreis Wesel um rund zehnProzent und im Kreis Recklinghausen so-gar um rund 20 Prozent verringert hat.

Die zwangsläufige Anpassung an die ver-änderten Lebensbedingungen ist demWildkaninchen aber hervorragend gelun-gen. Es hat sich zum Kulturfolger ent-wickelt und kommt trotz immer wieder-kehrender Seuchenzüge in zum Teil räum-lich scharf abgegrenzten Bereichen nachwie vor in relativ stabilen Bestandsdichtenvor.

Die Wildkaninchen sind somit dem Men-schen nähergerückt und haben ihm ge-genüber auch ihre Scheu mehr oder weni-ger abgelegt. Nach wie vor bevorzugen siewarme, busch-, hecken- und böschungsrei-che Landschaften mit gut grabfähigen,aber nicht zu trockenen Sandböden. Be-vorzugt werden Waldrandbereiche ebensowie unterwuchsreiche Feldgehölze, in de-nen das Kaninchen rasch Deckung findenkann.

Wildkaninchen und IndustrielandschaftWolfgang Schöller

Bedeutung des Wildkaninchens inder Industrielandschaft Schadensbegrenzung und Jagderlebnis

In den letzten fünfzig Jahren haben sich die Kaninchenbesätze dramatisch verändert. Mit dem Rückgangder Kaninchen geht dem Jäger nicht nur eine breit gefächerte Palette jagdlicher Möglichkeiten verloren,sondern es fehlt auch ein wichtiges Glied in der Nahrungskette.

Frettieren. Quelle: Diezels Niederjagd, 1915

Page 30: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

30 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Das weitere Vordringen in den Wald war inder Nachkriegszeit auf Grund großflächi-ger Aufforstungsmaßnahmen eng mit derForstkulturphase der Wälder verbunden.Hier sind vor allem die umfangreichenKieferaufforstungen am Niederrhein zunennen, die verstärkt in dieser Zeit ange-legt wurden. Der tiefere Wald als Lebens-raum ist demzufolge durch modernere, na-turnähere Waldbaumethoden dem Wildka-ninchen entzogen worden. Dies ist auchgut so, weil bei stark ansteigenden Besät-zen automatisch die Problematik der Scha-densabwehr für die Forstwirtschaft wiedereine ernste Herausforderung darstellenwürde.

Streckenentwicklung in ausgewählten BereichenDie Streckenzahlen der Abbildung 1 zei-gen sehr deutlich, dass die absolut höchs-ten Ergebnisse in den Jagdjahren 1975/76bis 1977/78 erzielt wurden. Mit rund135 000 erlegten Wildkaninchen im Jagd-jahr 1976/77 wurde allein im Landschafts-raum Niederrhein, westlichen Ruhrgebietund südwestlichen Münsterland fast 20Prozent der Gesamtstrecke des LandesNordrhein-Westfalen erjagt.Bezieht man diese Streckenergebnisse aufeine bejagbare Fläche von 100 HektarGröße, so kommen sehr deutlich die hohenZahlen von über 100 erlegten Wildkanin-chen in Abbildung 2 zum Ausdruck, die aufderen starke Konzentration in Großstadt-bereichen hinweisen.Am Beispiel der Wildkaninchenstreckeaus dem ehemaligen Forstamt Xanten(HÜLLMANN) aus den Jahren 1930 bis1997 lässt sich über einen fast siebzig-jährigen Zeitraum die wechselhafteStreckenentwicklung hervorragend able-sen, die ein Spiegelbild der nordrhein-westfälischen Situation darstellt. Der Ab-bildung 3 sind insbesondere die beidendrastischen Streckeneinbrüche im Jagd-jahr 1955/56, bedingt durch den erstenMyxomatoseseuchenzug sowie im Jagd-

jahr 1978/79, bedingt durch den strengenWinter und den beiden vor- bzw. nachgela-gerten nassen Sommern, zu entnehmen.Diese Streckenzahlen sind umso verlässli-cher und aussagekräftiger, da sie sich fürden angegebenen Zeitraum auf eine nahe-zu unveränderte Jagdfläche von ca. 3500Hektar beziehen.

Nahrung, Schäden und SchadensabwehrDas Wildkaninchen ist wenig wählerischin seiner Speisekartengestaltung. Es ent-spricht seiner Anpassungsfähigkeit, dassseine Nahrungspalette weit gefächert istund es nahezu keine Pflanzen gibt, die esverschonen würde. Sogar Disteln undBrennnesseln verachtet es nicht. Im Ge-gensatz zum Hasen leben Wildkaninchenin Kolonien und verlassen ihren Bau in derRegel nicht weiter als200 Meter. Demzufol-ge können sie mitunterin Feldrandbereichengravierende Schädenanrichten, die sichdurch ein sauber abge-zirkeltes, flächenhaftesErscheinungsbild dar-stellen. Dies kann be-sonders bei Getreide-einsaaten und Rüben-bzw. Gemüseparzellender Fall sein. Diesesflächenhafte Vorgehenunterscheidet sie vomHasen. Und dies ist um-so bedeutsamer, wenn die Beweisführunghinsichtlich der Schadensersatzpflicht derWildkaninchenschäden geführt werdenmuss. Findet man auf diesen Flächen zwarreichlich Hasen-, aber keine Kaninchenlo-sung und ist darüber hinaus kein Kanin-chenbau in der Nähe, so scheidet das Ka-ninchen als Schadensverursacher in derRegel aus. Diesbezüglich sind aber schonunzählige Streitigkeiten zwischen den be-troffenen Parteien ausgetragen worden, dienoch an Schärfe gewinnen können, wenn

Sonderkulturen imObst- und Weinbauoder in Weihnachts-baumbetrieben betrof-fen sind.Die Freude ist aller-dings spätestens dannerheblich getrübt, wenndie Wildschäden einVielfaches der jährli-chen Jagdpacht ausma-chen. Dieser Umstandwird heute wohl nichtmehr zu befürchtensein, ist aber in derHochzeit der Kanin-chenbesätze der 70erund 80er Jahre keineSeltenheit gewesen.

Ungleich schwerwiegender waren jedochin der Vergangenheit die durch Wildkanin-chen verursachten Schäden in der Forst-wirtschaft. Die Notwendigkeit des Zaun-schutzes der Kulturen gegen Verbiss- undNageschäden von Kaninchen war noch bisAnfang der neunziger Jahre gegeben. Kei-ne Kulturmaßnahme war ohne Zaun denk-bar und die Zaunkosten machten damalsim Minimum ca. 15 bis 25 Prozent der ge-samten Kulturkosten aus. Besonders ärger-lich war der Umstand, dass viele Zäune,trotz bester Anstrengungen, nicht absolutkaninchendicht zu halten waren. Nur we-nige Kaninchen haben ausgereicht, um in-nerhalb des Kulturzaunes verheerendeSchäden anzurichten. Vielen Waldbaurefe-renten war es ein Gräuel, wenn sie nur sogenannte „Rundumkulturen“, die sich nurwenige Meter als solche hinter dem Kul-turzaun darstellten, vorfanden. Denn im

Wildkaninchen und Industrielandschaft

-

5.000

10.000

15.000

20.000

25.000

30.000

35.000

Kle

ve

We

se

l

Kre

feld

Du

isb

urg

lhe

im /

Ru

hr

Esse

n

Ob

erh

au

se

n

Re

cklin

gh

au

se

n

1952/53 - 1954/55 1956/57 - 1958/59 1975/76 - 1977/78 1999/00 - 2001/02

Durchschnittswerte:

Abb. 1: Strecken des Wildkaninchens in ausgewählten Kreisenund kreisfreien Städten (Niederrhein, westl. Ruhrgebiet, süd-westl. Münsterland).

0

20

40

60

80

100

120

Kreis Kleve Kreis Wesel westl. Ruhrgebiet (KR,DU, MH, E, OB)

Kreis Recklinghausen

1952/53 - 1954/55 1956/57 - 1958/59 1975/76 - 1977/78 1999/00 - 2001/02

Durchschnittswerte

Abb. 2: Wildkaninchenstrecke (pro 100 ha bejagbare Fläche) inausgewählten Bereichen von NRW.

Inneren der Zaunflächen waren die Forst-pflanzen mehr oder weniger aufgefressenund Birken waren hauptbestandsbildend.Kulturen konnten dann nicht mehr aus ei-nem Guss gelingen und die Kulturnach-besserungen verschlangen zusätzlich er-hebliche Kosten.Was den Kulturzaun gegen Kaninchen sokostspielig machte, war die Notwendig-keit, den Schutzzaun mindestens 20 bis 30cm tief in die Erde und nach außen umge-schlagen einzugraben. Obendrein musstedem Drahtgeflecht im bodennahen Bereichbesondere Aufmerksamkeit gewidmetwerden. Die Maschenweite sollte so engwie möglich sein, besser 25 als 30 mm, da-mit die Jungkaninchen nicht durchschlüp-fen konnten. Besonders bewährt habensich Drahtzäune im Sechseckgeflecht miteiner Dicke von 1,0 mm. Gravierende Na-geschäden sind im relativ schneereichenund langen, kalten Winter 1978/79 zu be-klagen gewesen. Hier waren besonders dieschon dem Kulturalter entwachsenenJungwüchse betroffen, die normalerweiseeines Schutzes nicht mehr bedurft hätten.Die Schäden manifestierten sich darin,dass sich die Kaninchen auf die Hinterläu-fe stellten und auf Grund der Schneelagedie Rinde der jungen Bäumchen rundher-um bis nahezu ein Meter Höhe abnagten.

Page 31: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

31LÖBF-Mitteilungen 1/04

Dieser strenge Winter, der zwischen zweinassen Sommern mit entsprechend gerin-gem Zuwachs lag, hatte aber auch eine ge-wisse regulierende Wirkung, indem sichein deutlicher Einbruch in der Kaninchen-population einstellte, von dem sie sich inNordrhein-Westfalen nicht mehr so richtigerholt hat.Der effektivste Schutz gegen Kaninchen-schäden stellt nun mal der Flächen- oderEinzelschutz dar. Er ist allerdings der teu-erste. Eine sinnvolle ergänzende Maßnah-me kann im Winter das Anbieten vonProssholz sein; nicht um mehr Kaninchenüber den Winter zu bringen, sondern umsie von jungen Forstpflanzen oder vonSonderkulturen wie z. B. Obstplantagenabzuhalten. Besonders beliebt sind Zweigeverschiedener Pappel- und Weidenarten. Nicht zuletzt verursachen Kaninchen er-hebliche Schäden im direkten Umfeld desMenschen. Hier seien Hausgärten, be-pflanzte Gräber auf Friedhöfen und viel-fältige Schutzeinrichtungen wie Eisen-bahnanlagen, Deichbauten nur beispielhafterwähnt.Somit ist das wirksamste Mittel unter demGesichtspunkt der dauerhaften Schadens-abwehr nach wie vor eine intensive Beja-gung, um den Kaninchenbestand auf ei-nem niedrigen Niveau zu halten.

Bereicherung jagdlicher Möglichkeiten und Freuden So problematisch die häufige Anwesenheitdes Kaninchens im Revier sein kann, sovielfältig sind aber die Jagdmöglichkeitenauf die grauen Flitzer. Kaninchenjagd ist inerster Linie Flintenjagd, auch wenn der ei-ne oder andere Jäger den Ansitz mit derKleinkaliberbüchse besonders liebt. Treib-und Suchjagden mit dem Stöberhund blei-ben weiterhin die häufigsten Jagdarten.

Die reinen Kaninchenjagden haben regio-nal eine richtige Tradition erlangt, die ausder bodenständigen Jagd nicht mehr weg-zudenken ist. Vor allem nach dem so ge-nannten „Hasensylvester“ bietet dieseJagdart vielen Niederwildjägern noch inden Monaten Januar und Februar einejagdliche Betätigung, bei der insbesondereortsansässige Jäger, die sonst nicht so zahl-reiche Jagdmöglichkeiten haben, Gelegen-heit zur Jagd haben.Es soll hier nicht vertiefend auf die allseitsbekannten Jagdarten mit dem Gewehr ein-gegangen werden, doch muss meines Er-achtens dem Kaninchen bei der Jagd mitSchrot mehr waidmännische Fairness ein-geräumt werden. Man erlebt leider immerwieder, dass Kaninchen wenig wildbret-

freundlich beschossen und erlegt werden,was vornehmlich durch das in vielen Köp-fen festgesetzte Bild dieser Wildart alsSchadwild begründet sein mag. So ist eskein Wunder, dass die Wildbretverwertungvon Kaninchen bei Jägern nicht so hoch imKurs steht wie beim Hasen, weil oftmalsauch nicht viel Verwertbares übrig bleibt.Hier muss – nicht zuletzt auch aus ethi-scher Sicht – ein Umdenken stattfinden. Ganz anders ist die Wildbretverwertungbei frettierten Wildkaninchen, seien sie mitdem Netz gefangen oder mit dem Beizvo-gel zur Strecke gekommen. Auf diese be-sondere Jagdart soll hier kurz näher einge-gangen werden, weil sie gerade in den Be-reichen ihre Anwendung findet, wo derEinsatz von Schusswaffen verboten oderunzweckmäßig ist. In der Industrieland-schaft Nordrhein-Westfalen zählen dazuinsbesondere die Bereiche, wo es sich umdie Schadensabwehr von Objektschutzein-richtungen wie zum Beispiel Deiche,Bahnanlagen, Flugplätze oder Schutzwällean Tankfeldern handelt. Hier geht es in derTat darum, das Kaninchen regelrecht zubekämpfen, um Schäden für den Men-schen nicht erst entstehen zu lassen. In derRegel wird diese Jagdart in befriedeten Be-zirken ausgeübt, unter Beachtung der jagd-und tierschutzrechtlichen Vorschriften. Bei der Beizjagd ist für den Jäger bezie-hungsweise Falkner das Wildkaninchendie wichtigste Haarwildart überhaupt. DerHabicht wird dabei als der jagdlich leis-tungsfähigste unserer heimischen Greifvö-gel am häufigsten eingesetzt. Die Erfah-rung hat jedoch gezeigt, dass er auf relativunübersichtlichen, mit Versorgungsleitun-gen und Zäunen durchzogenen sowie mitUnterwuchs wie Brombeersträuchern undGestrüpp bewachsenen Flächen Schwie-

Wildkaninchen und Industrielandschaft

1885 35

1801

2125

00

500

1000

1500

2000

2500

18

85

19

33

19

38

19

44

19

49

19

54

19

59

19

64

19

69

19

74

19

79

19

84

19

89

19

94

Str

ec

ke

1. Seuchenzug

Strenger Winter und zwei nasse Sommer

Abb. 3: Wildkaninchenstrecke aus dem ehemaligen Forstamt Xanten aus den Jahren1930–1997 und Einzelwert aus dem Jahr 1885.

Chasse aux lapines. Quelle: Privatbesitz M. Röös

Page 32: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

32 LÖBF-Mitteilungen 1/04

rigkeiten hat, den Jagdflug erfolgreich undohne ernsthaftere Verletzungen abzu-schließen. Als Einzeljäger jagt er geradezuungestüm und brutal und mit hohem Risi-ko.Dagegen scheint der Harris-Hawk (Wüs-tenbussard), der in Natur oft paarweiseoder in kleinen Familienverbänden jagt,ein für die beschriebenen Geländeverhält-nisse zumindest ebenbürtiger Beizvogel zusein. Er ist wendig und auf Grund seinerHeimat in Mittel- und Südamerika an dor-nenartige Lebensräume gewöhnt und kannHindernissen besser ausweichen. Erkommt mit dem gewandten und trickrei-chen Wildkaninchen als Beizwild hervor-ragend zurecht und sein Verletzungsrisikoliegt deutlich unter dem des Habichts.Für die Frettierjagd mit oder ohne Vogelempfiehlt sich grundsätzlich der Einsatzeiner Person, die das Frettchen führt. Er-fahrene Frettchenführer sollten schon ausGründen der Sicherheit – beim Frettierenmit Flinte – und wegen der Erfolgsaussich-ten die Regie am Bau übernehmen. Leidermuss man oft feststellen, dass Jäger, unab-hängig vom Lebensalter, sich oftmals da-bei sehr ungeduldig und schusshitzig ver-halten und nur wenig Verständnis für dasFrettchen aufbringen. Was für die Fuchs-baujagd mit Hund gilt, ist auch bei derFrettchenjagd zu beherzigen: Es kommtnicht so sehr auf die Schärfe, sondern mehrdarauf an, dass das Frettchen in Ruhe undohne Scheu vor Mensch und Hund seineArbeit verrichten kann.

Volkswirtschaftliche BedeutungDie volkswirtschaftliche Bedeutung desWildkaninchens ist nicht unerheblich.1976 wurden als Spitzenstrecke bundes-weit noch rund 1,5 Millionen Kaninchenerlegt. Nordrhein-Westfalen hatte daran ei-nen Anteil von rd. 700 000. Zugegebener-maßen waren damals die Preise aufgrunddes Überangebotes mit 1,50 bis 3,00 DM jeStück eher gering, doch dürfte derStreckenwert immerhin noch zwischen einund zwei Millionen DM für unser Bundes-land zu beziffern gewesen sein. Welche verheerende Bedeutung die 1952in Frankreich durch das Aussetzen vonzwei mit dem Myxomatosevirus infizierteKaninchen für die Volkswirtschaft hatte,kommt sehr drastisch darin zum Ausdruck,dass bereits ein Jahr später 18 französischeDepartements befallen waren. Die Epide-mie verursachte mit einer Sterblichkeit vonbis zu 99 Prozent den Ruin der französi-schen Kaninchenjagd, die sich davon niewieder ganz erholen konnte. Die Jäger, diedamit in vielen Gegenden auf ihr Basiswildverzichten mussten, wandten sich in derFolge anderen, weniger vermehrungsfreu-digen Arten zu. Auch wenn die französi-schen Landwirte und Förster heute im

Großen und Ganzen zufrieden sind, trifftdas auf Jäger, Kaninchenzüchter und dieRauchwarenwirtschaft keineswegs in glei-chem Maße zu, die früher mit dem Verkaufvon Kaninchenfellen einen florierendenUmsatz machten.Das Wildkaninchen spielt also volkswirt-schaftlich keine unbedeutende Rolle. Hin-zu kommt seine grundsätzliche Bedeutungfür die Steigerung des Jagdwertes als sol-cher. Durch sein Vorhandensein in bejag-barer Besatzdichte kann das Wildkanin-chen in Niederwildrevieren, neben Haseund Fasan, einen jagdpachterhöhendenFaktor darstellen, wenn die Wildschadens-problematik beherrschbar bleibt. Zumin-dest aber erhöht es die Palette der zu beja-gende Wildarten und damit die Möglich-keiten der jagdlichen Betätigung!

Fazit und AusblickDas Wildkaninchen hat sich in den letztenJahren zum Sorgenkind der Niederwild-jagd entwickelt. Dies liegt aber nicht inskrupellosen Jagdmethoden begründet,sondern darin, weil Seuchenzüge es immerwieder aufs Neue heimgesucht haben. Wir

brauchen aber das Wildkaninchen als Puf-fer oder „Blitzableiter“ hinsichtlich desPrädatorendrucks von Fuchs, Wiesel undIltis, Bussard und Habicht, sonst werdenandere Tierarten noch stärker in Bedräng-nis geraten. Dies dürfte aus Sicht der Jagdvor allem zu Lasten des Hasen gehen. Inden Jagdbezirken, wo das Kaninchen zuSchaden geht, muss es weiterhin maßvollbejagt werden, weil die von ihm verur-sachten Wildschäden ersatzpflichtig sind.Darüber hinaus ist die Bejagung in befrie-deten Bezirken und vor allen Dingen dort,wo durch die Wühlschäden Gefahren fürLeib und Leben ausgelöst werden können,eine unverzichtbare Notwendigkeit. DerEinsatz von Waffen ist in befriedeten Be-zirken grundsätzlich an eine waffenrechtli-che Bewilligung gebunden. Auf Friedhö-fen werden seitens der unteren Jagdbehör-den in der Regel Genehmigungen nur fürden Schuss mit dem Kleinkaliber .22lfb.erteilt.Bezüglich der seit einem Jahr erlassenenVerordnung über die Jagdzeiten liegen lan-desweit nur wenige Anträge auf Schonzeit-aufhebung für das Wildkaninchen vor. Bis-her beschied die obere Jagdbehörde, nachvorheriger Rücksprache mit der For-schungsstelle für Jagdkunde und Wild-schadenverhütung und nach abwägenderPrüfung zwischen den Belangen von Ar-ten- und Tierschutz sowie der Landeskul-tur, von sieben Anträgen drei positiv. Eshandelt sich um je eine Schonzeitaufhe-bung zum Schutz einer Buchenanpflan-zung und einer Blaufichtenkultur sowiezum Schutz der Installationstechnik einerVerdichterstation.Letztendlich kann das Aussetzen vonWildkaninchen, was zudem nach demJagdgesetz verboten ist, auch keine Ant-wort auf die regional zusammengebroche-nen Kaninchenbesätze sein.

LiteraturDIEZEL, K. E. (1915): Diezels Niederjagd, 11.Auflage 1915.HÜLLMANN, H. (2003): Private Streckensta-tistik Forstamt Xanten

Anschrift des VerfassersWolfgang SchöllerLÖBF NRWAbteilung:Waldökologie, Forsten und JagdCastroper Str. 312–31445659 RecklinghausenE-Mail: [email protected]: www.loebf.nrw.de

Wildkaninchen und Industrielandschaft

ZusammenfassungIn Nordrhein-Westfalen hat das Wildka-ninchen in den letzten Jahrzehnten einewechselvolle Veränderung erfahren. Sei-ne Bedeutung in der Industrielandschafthat sich aufgrund der großen Lebens-raumveränderungen und der Seuchenzü-ge von einer ehemals waldbedrohendenWildart mit vielfältigem Jagderlebnis-faktor zu einer Wildart entwickelt, diesich stärker zum Wohn- und Indus-trieumfeld hingezogen fühlt. Somit fälltes immer mehr als bejagbare Nieder-wildart aus. Dies führt automatisch zueinem erheblichen Verlust an Jagdmög-lichkeiten, mit noch nicht abschätzbarenFolgen für Jagdpacht und als Ernäh-rungsquelle für die Beutegreifer. Augenscheinlich bietet aber die Indus-trielandschaft dem Wildkaninchen alsKulturfolger ausreichende Überlebens-chancen, die es erfolgreich zu nutzenweiß. Hier gilt es die Kaninchenbesätzein dem Umfang zu halten, wie es dieUmstände erlauben. Vor allem sind siedort intensiv zu bejagen, wo sie eine Ge-fahr für Vegetation und bodennaheSchutzeinrichtungen darstellen. Die dortanzuwendenden Jagdmethoden habensich an den jeweiligen Geländevoraus-setzungen auszurichten. Ziel muss es sein, alles zu unternehmen,um dem Wildkaninchen wieder zu einerPopulationsdichte zu verhelfen, die derLandeskultur angepasst ist und die zu ei-ner Bereicherung der jagdlichen Mög-lichkeiten nachhaltig beitragen kann.

Page 33: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

33LÖBF-Mitteilungen 1/04

Wildkaninchen werden schon seitgeraumer Zeit von der Jäger-schaft geschont, denn sie sind in

weiten Teilen der Bundesrepublik rar ge-worden. Inselartige größere Vorkommenwerden zwar immer wieder registriert.Aber warum solche erdrutschartigen Ein-brüche bei Kaninchenpopulationen einge-treten sind, was die berüchtigte RHD be-günstigt, warum einzelnen Kaninchenvor-kommen die Seuche nichts anzuhabenscheint – das sind Fragen, die nicht nur dieJäger interessieren sollten. Diese Fragenmüssen in breiterem Rahmen gestellt undauch beantwortet werden, wenn wir in dennächsten Jahren überhaupt noch Kanin-chen in der freien Natur antreffen wollen.

Von der Plage zum Notfall(plan)Merkwürdigerweise stand das Kaninchennie im Mittelpunkt besonderen Interesses.Jahrzehntelang war es in großer Zahl vie-lerorts vertreten. „Kaninchenplage“ ist einBegriff, der nicht nur in Australien artiku-liert wurde, sondern auch durchaus in derBundesrepublik. Das Wildkaninchen warfür viele ein Ärgernis, nicht nur für Bauern.Friedhofsbesucher oder Gartenbesitzergehören ebenfalls nicht unbedingt zu denFreunden des „grauen Flitzers“. Die Jäger-schaft, früher in diesem Zusammenhanggern gesehenes Korrektiv gegen überhöhteBesätze, ist heute die Gruppierung, die aneiner Bestandserholung der Kaninchen be-sonders interessiert ist. Aber es darf nichtalleine bei den Jägern bleiben. Jäger über-nehmen gerne ein besonderes Engagement– aber sie brauchen Unterstützung und Hil-fe von anderen: Von der Wissenschaft, derWirtschaft, den Naturinteressierten undauch von der Administration und Gesetz-gebung, die gemeinsam einen „NotfallplanWildkaninchen“ entwickeln und auch um-setzen sollten.

Beispiel Krefeld:Der Rückgang und die FolgenWo immer Jäger am Niederrhein nach derJagd zusammensitzen, kommt sehr balddie Sprache auf das Kaninchen. In vielen

Revieren war es die Hauptwildart. Wofrüher dreistellige Streckenergebnisse üb-lich waren, muss heute die Jagd eingestelltwerden.Das Gebiet um Kempen-Krefeld am Nie-derrhein war bis vor etwa zehn Jahren (sie-he Abb. 1) ein Eldorado des Niederwildes.Jahresstrecken von 60 Hasen und 100 Ka-ninchen pro 100 Hektar waren in vielenRevieren keine Seltenheit und zeugten vongeeigneten Biotopen sowie einem vernünf-tigen, auf Nachhaltigkeit ausgerichtetenJagdbetrieb. Während die Kaninchen ge-genüber der Myxomatose ein gewissesMaß an Immunität entwickelten und wie-der gute Zuwächse zeigten, wurden ab1994/95 durch die RHD die Kaninchenbe-stände sehr stark reduziert (siehe Abb. 1).Im Jahr 2002/03 wurden in Krefeld insge-samt nur noch ca. 1000 Kaninchen erlegt,davon 70 Prozent in befriedeten Bezirken(Friedhöfe, Parks).Die Folgen für Jagd und Jäger sind aller-dings schwerwiegend. Wenn Glieder einerNahrungskette – wie zum Beispiel die

Wildkaninchen – weitgehend verschwin-den, kann sich dies auf die Lebensgemein-schaften in vielfältiger Weise auswirken.Optimale Kaninchenbiotope, die seit Jahr-hunderten Nahrung, Deckung und Behau-sung gaben, sind entvölkert. Wir wissen –noch – nicht, welche Bedeutung das Ver-schwinden der Kaninchen auf andere Artenhat. Der Ausfall dieser Nahrungsquelle be-deutet zweifellos stärkeren Druck von Prä-datoren auf das sonstige Niederwild, mitallen Konsequenzen für Arten mit und oh-ne Jagdzeit. Warum engagieren sich ausgerechnet jetztdie Jäger für das Wildkaninchen? Solangedas Wildkaninchen in der Bevölkerungüberwiegend nur als „Störenfried“ angese-hen wurde, hatte zumindest der Jäger et-was davon.Die jährliche Strecke des „Durchschnitts-jägers“ lag in NRW ohnehin nur bei zweiHasen, fünf Kaninchen, einem Stück Reh-wild und sieben Tauben. Wenn diese fünfKaninchen wegfallen, geht die jagdlicheAusbeute um ein Drittel zurück.

HegezielePaul Nothers

Hegepflicht im Niederwildrevieram Beispiel Wildkaninchen Wünsche und Forderungen der Jägerschaft

Wildkaninchen gehörten zum vertrauten Anblick an Böschungen, an etwas erhöhten Ackerrandstreifen,an sandigen Birkenwäldchen. Derzeit sind sie nur noch gelegentlich zu beobachten, am ehesten aufFriedhöfen oder auf eingezäunten Flächen an Gewerbegebieten.

und Hüls (1967/1968 2002/2003)

-

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

9.0001

96

7/

68

19

69

/ 7

0

19

71

/ 7

2

19

73

/ 7

4

19

75

/ 7

6

19

77

/ 7

8

19

79

/ 8

0

19

81

/ 8

2

19

83

/ 8

4

19

85

/ 8

6

19

87

/ 8

8

19

89

/ 9

0

19

91

/ 9

2

19

93

/ 9

4

19

95

/ 9

6

19

97

/ 9

8

19

99

/ 0

0

20

01

/ 0

2

Jahr

Stü

ck

Wildkaninchen Hase

Abb. 1: Jagdstrecken von Wildkaninchen und Feldhase für die gemeinschaftlichen Jagd-bezirke Krefeld und Hüls 1967/1968 – 2002/2003.

Str

ecke

(A

nzah

l)

Page 34: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

34 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Die Folgen für die Revierinhaber und Ver-pächter sind gravierend. Der Pachtwert derReviere sinkt, Verpachtungen werdenschwieriger, die Niederwildjäger orientie-ren sich um und suchen alternative Jagder-lebnisse in anderen Regionen. Die Zahl derJungjäger wird geringer mit allen negati-ven Folgen für die Verbände, die mit demMitgliederschwund Einfluss und Tatkraftverlieren.

Hegepflicht und Hegeziel„Die Hege hat zum Ziel die Erhaltung ei-nes den landschaftlichen und landeskultu-rellen Verhältnissen angepassten artenrei-

chen und gesunden Wildbestandes sowiedie Pflege und Sicherung seiner Lebens-grundlagen; aufgrund anderer Vorschriftenbestehende gleichartige Verpflichtungenbleiben unberührt. Die Hege muss sodurchgeführt werden, dass Beeinträchti-gungen einer ordnungsgemäßen land-,forst- und fischereiwirtschaftlichen Nut-zung, insbesondere Wildschäden, mög-lichst vermieden werden“ (Bundesjagdge-setz § 1 Abs. 2).Das BJG verpflichtet die Jagdausübungs-berechtigten zur Hege eines artenreichenund gesunden Wildbestandes. Sie habenalso dafür zu sorgen, dass die Wildkanin-chenpopulationen gesund bleiben bezie-

hungsweise wieder gesunden. Der anhal-tende, gravierende Bestandsrückgang derKaninchen ist zu stoppen mit dem Ziel, denKaninchenbesatz wieder auf eine dauer-haft überlebensfähige und auch bejagbareGröße zu bringen. Aus dieser Verpflich-tung heraus ergeben sich eine Reihe vonForderungen und Wünschen der Jäger-schaft.

Forderungen und Wünsche1. Errichtung einer Informationsbörse,

die alle national und internationalverfügbaren Fakten über die Kanin-chenseuchen sammelt, auswertet undallen Interessierten zur Verfügungstellt.Seit 15 Jahren arbeitet das Institut fürVirusdiagnostik der Bundesforschungs-anstalt für Viruskrankheiten der Tiere(Insel Riems) an Kaninchenseuchen,insbesondere bei Hauskaninchen. DieseForschungsstelle ist prädestiniert, Fak-ten über die bestehenden Seuchen wieauch über neu entwickelte (Bekämp-fungs)Strategien pro und contra Kanin-chen zu sammeln, auszuwerten undVorsorge zu treffen. In Australien undNeuseeland wird offenbar mehr zurBekämpfung als zur Sanierung der Ka-ninchen getan. In Zeiten der Globalisie-rung werden Krankheiten (z. B. SARS)viel schneller verbreitet als früher, unddie Folgen der neuen „von Menschengemachten“ Krankheiten könnenschlimmer sein als alles Bekannte.

2. Ein neu aufgelegtes Forschungspro-gramm „Wildkaninchen“Wissenschaftliche Untersuchungenzum Wildkaninchen sind unbedingt er-forderlich, schwerpunktmäßig betref-fend Populationsdynamik, Gesund-heitszustand, Biotopansprüche undStandortanalyse. Auch das Thema„Wiederansiedlungsregeln“ sollte be-handelt werden.Die Kenntnisse über den Gesundheits-zustand beziehungsweise über dieKrankheiten der Wildkaninchen, ihreAktivitätsperiodik, Prädatoren etc. sindlückenhafter als bei manchen exoti-schen Tierarten. Allein die Tatsache,dass im Jahre 2001 nur 25 Wildkanin-chen in NRW in den Staatlichen Vete-rinäruntersuchungsämtern eingeliefertwurden, zeugt von erheblichen Infor-mationsdefiziten über dieses Dienst-leistungsangebot oder sogar von Resi-gnation bei vielen Jägern.

3. Bundesweite Hege- oder Interessen-gemeinschaft für das WildkaninchenWir brauchen eine Lobby für das Wild-kaninchen, eine Sammlung und Kon-zentration aller Kräfte und Disziplinen.Gefordert sind neben den Jägern die Ve-terinäre und Humanmediziner, Tierphy-siologen und Biologen, Ökologen und

Hegeziele

Die Myxomatose führte bereits seit Mitte des letzten Jahrhunderts zu erheblichen Ein-brüchen bei den Kaninchenpopulationen. Foto: IREC

Seit den 1990er Jahren sind die Wildkaninchenbesätze zusätzlich durch die so genannteChinaseuche (RHD) vielerorts stark dezimiert worden. Foto: IREC

Page 35: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

35LÖBF-Mitteilungen 1/04

Naturschützer, Landwirte und Wald-bauern, Forschungsstellen und Univer-sitäten. Diese Hege- und Interessenge-meinschaft „Wildkaninchen“ sollte un-ter der Federführung des DeutschenJagdschutzverbandes (DJV) agieren.Die Finanzierung des „NotfallplansWildkaninchen“ ist mit Hilfe von Spen-den zu erreichen. Interessierte Revier-inhaber mit ehemals gutem Kaninchen-vorkommen sind sicherlich bereit, ent-sprechend der durchschnittlichenJahresstrecke der Jahre 1990 bis 19931 E pro erlegtem Kaninchen zu spenden.Auch „jagdnahe“ Unternehmen kom-men als Sponsoren in Betracht. Dieüberregionale Jagdpresse ist sicherlichweiterhin bereit, die Aktion „Wildka-ninchen“ zu unterstützen. Die Hauptak-tivität muss jedoch von den Nieder-wildjägern ausgehen, die noch die er-giebigen Kaninchenjagden erlebten, dieaber auch um die Wildschäden wissen,und ferner von interessierten jungen Jä-gern. Besondere Hilfe ist von den Ver-bänden der Eigenjagdbesitzer undJagdgenossenschaften in ihrem eigenenInteresse zu erwarten.

4. Forderungen an die Jägerschafta) Die Jäger müssen sich um das Wildka-

ninchen ebenso kümmern wie um denFeldhasen (beispielsweise analog Zu-sammenstellung von „Zehn Gebotenfür das Wildkaninchen“),

b) Aufnahme des Wildkaninchens in dasDJV-Projekt „Wildtierinformations-system der Länder Deutschlands“(WILD),

c) Erarbeitung einerartspezifischenZählmethode,

d) Untersuchung ver-endeter Wildkanin-chen zur Feststel-lung der Todesursa-che,

e) Erarbeitung einerWildkaninchensta-tistik,

f) Weitergabe von Be-obachtungsdaten,

g) Lebensraumverbes-serung für Wildka-ninchen, zum Bei-spiel Freistellungvon Südböschun-gen, Anlage vonWildäckern,

h) intensive Prädato-renbejagung,

i) Hege vor dem Auf-treten von RHD: beider Bejagung keinEinsatz von Frett-chen und Jagdhun-den aus RHD-Ge-bieten; keine Verwendung von Schlepp-kaninchen aus RHD-Gebieten im Rah-men von Hundeprüfungen,

j) Hege während und nach dem Auftretenvon RHD: Kontrollzählungen mit demScheinwerfer, gegebenenfalls Beja-gung einstellen oder stark reduzieren;Vorsicht bei dem Einsatz von fremdenund eigenen Jagdhunden; keine Abgabevon Schleppkaninchen.

5. Lockerung des AussetzverbotesDas Aussetzverbot von Kaninchen wur-de Anfang des 20. Jahrhunderts formu-liert, jedoch unter ganz anderen Bedin-gungen als heute. Damals sprach mannoch von Kaninchenplage und relevan-ten Schäden in der Land- und Forst-wirtschaft durch Fraß und Verbiss. Vordem Hintergrund der Hegeverpflich-tung muss es möglich sein, in geeigne-ten, ehemals guten Kaninchenreviereneine sachgerechte und kontrollierteWiedereinführung zuzulassen. Es gehtalso um eine Lockerung des Aussetz-verbotes gem. § 28 Abs. 2 BJG, um mitRHD-resistenten Stämmen einen Feld-versuch zu wagen, anstatt dem Seu-chengeschehen und seiner ungewissenEntwicklung tatenlos zuzusehen.

6. Wünsche: ForschungsschwerpunktSeuchenbekämpfungFür die Hauskaninchen wurde schonvor Jahren ein sicherer Impfstoff gegenMyxomatose und RHD entwickelt, dermit Erfolg im Einsatz ist. Impfköderwerden bei der Bekämpfung der Fuchs-tollwut mit großem Erfolg und neuer-dings auch bei der Bekämpfung derSchweinepest der Wildschweine be-

nutzt. Bei den Hauskaninchen arbeitetman im Institut für Virusdiagnostik aneinem Impfköder (so genannte Impf-möhre) zur Immunisierung gegenRHD. Es ist zu hoffen, dass sich in ei-nigen Jahren auf diesem schwierigenGebiet der Seuchenbekämpfung auchbei den Wildkaninchen Erfolg einstellt.

ResümeeEs wird höchste Zeit, dass wir zum aktivenHelfer für das Wildkaninchen werden. An-sonsten würde mit ihm nicht nur ein po-puläres, für viele erlebbares Faunenele-ment verschwinden. Es würde auch einwichtiger Bestandteil der bodenständigenNiederwildjagd wegbrechen mit vielfälti-gen Folgen, die hier nur ansatzweise zuskizzieren sind: Ohne Wild keine Jäger unddamit ein Verlust an finanziellem und auchtatkräftigem Einsatz für die Natur „vor derHaustür“. Natur, Wildkaninchen und Jägerbrauchen Unterstützung.

Anschrift des VerfassersDr. Paul NothersVorsitzender des Niederwildausschussesdes Landesjagdverbandes Nordrhein-Westfalen e. V.Hinterorbroich 747839 KrefeldE-Mail: [email protected]

Hegeziele

ZusammenfassungBis in die 1980er Jahre war das Wildka-ninchen aus der Sicht von Land- undForstwirtschaft, Gartenbesitzern undFriedhofsbesuchern mitunter eine Plage.Zugleich aber ist es ein wichtiger Be-standteil der Niederwildjagd in Nord-rhein-Westfalen, besonders am Nieder-rhein wie zum Beispiel im Bereich Kem-pen-Krefeld. Seit den 1990er Jahrensind auch hier die Wildkaninchenbesät-ze durch die so genannte Chinaseuche(RHD) dezimiert beziehungsweise vie-lerorts verschwunden. Daraus resultie-rende Folgen für andere Wildtierartensowie für die Jagd werden angespro-chen. Die Jägerschaft ist aus naheliegen-den Gründen besonders interessiert aneiner Bestandserholung und Bestandssi-cherung des Wildkaninchens, darüberhinaus zur Hege eines artenreichen undgesunden Wildbestandes verpflichtet.Sich hieraus ergebende Forderungenund Wünsche an Wissenschaft, Wirt-schaft, Jägerschaft, Verbände und Ge-setzgebung werden formuliert.

Flöhe sind Myxomatose-Überträger. Foto: IREC

Page 36: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

36 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Unter normalen Bedingungen machtes eine solche sogar erforderlich.Darüber hinaus ist seine Bejagung

ausgesprochen variantenreich. Dies be-trifft insbesondere die Jagdarten.Dass das Wildkaninchen (Oryctolagus cu-niculus L.) oftmals aber auch nicht gern imRevier gesehen wird, liegt daran, weil esnicht gleichmäßig verteilt vorkommt wieder Hase, sondern im Bereich von Wald-rändern, Hecken, Gräben und Böschungenkonzentriert auftritt und von daher auf denangrenzenden Feldern zum Teil erheblicheSchäden verursacht, die von den Jagdaus-übungsberechtigten ersetzt werden müs-sen. Diese an sich schon unbeliebte Situa-tion ist heute zu einem noch größeren Pro-blem geworden, weil in vielen typischenWildkaninchenrevieren im Frühjahr undSommer jeweils immer wieder eine ganzeMenge Wildkaninchen vorhanden sind, dieentsprechend Schäden verursachen, imSpätsommer und Frühherbst aber plötzlich„spurlos“ verschwinden, so dass zur ei-gentlichen Jagdzeit des Wildkaninchensim Spätherbst und Winter kaum noch wel-che zum Bejagen vorhanden sind. Diese in den letzten Jahren fast überallfestzustellende Situation gilt auch für denRaum Haltern, der zu den besten Wildka-ninchengebieten in Deutschland gehört.Während die Ursachen für dieses Gesche-hen weitgehend bekannt sind, liegen überden genauen Verlauf bisher keine konkre-ten Untersuchungen vor. Auf Grund vonBeobachtungen in den verschiedenstenRevieren ist nämlich davon auszugehen,dass das plötzliche Verschwinden derWildkaninchen auf das Auftreten der bei-den Viruserkrankungen Myxomatose undRHD (Rabbit Haemorrhagic Disease),auch Chinaseuche genannt, zurückzu-führen ist. Der Aussage, dass die beiden genanntenVirusseuchen für die derzeitige Misere beiden Wildkaninchen verantwortlich sind,steht allerdings entgegen, dass verhältnis-mäßig wenige Wildkaninchen gefundenwerden, die an diesen beiden Erkrankun-gen eingegangen sind. Die Anzahl tot her-umliegender Wildkaninchen müsste in An-

betracht der vielen Tiere, um die in einigenGebieten die Besätze jährlich Ende desSommers reduziert werden, erheblichhöher sein. Zur Erklärung dieses widersprüchlichenPhänomens stehen zwei Denkmöglichkei-ten im Raum. Entweder werden die an derMyxomatose und RHD eingegangenenWildkaninchen in kürzester Zeit von denPrädatoren beseitigt, oder die Wildkanin-chen verenden überwiegend im Bau, wievielfach vermutet wird. Da die Frage, wel-che der beiden genannten Möglichkeitenzutreffend ist, keine jagdliche Bedeutunghat, wurde sie bisher nicht näher unter-sucht.Lediglich für Wasserschutzgebiete ist un-ter diesem Aspekt eine andere Situationgegeben. Hier wäre nämlich dann, wenndie Wildkaninchen überwiegend im Bauverendeten, eine negative Beeinflussungder Trinkwasserqualität denkbar, insbe-sondere in Gebieten mit einem hohenWildkaninchenbesatz und entsprechendhohen Verlusten. Eine derartige Situationist im Bereich der Wassergewinnungsanla-

ge Haltern der Gelsenwasser AG gegeben. Mit dem in dieser Anlage gewonnenenTrinkwasser werden weite Bereiche desRuhrgebietes versorgt. Es bestand daherseitens der Gelsenwasser AG ein großesInteresse daran zu erfahren, wo die vielenWildkaninchen verbleiben, die in der Was-sergewinnungsanlage Haltern jährlich imZuge der Populationszusammenbrücheverenden. Schätzungen zufolge dürftenhier nämlich drei bis fünf Tonnen Tierka-daver jedes Jahr auf diese Weise anfallen.Auf Anregung der Gelsenwasser AG wur-de daher im Jahr 1996 unter Anleitung undFederführung der Forschungsstelle fürJagdkunde und Wildschadenverhütung derLÖBF eine detaillierte Untersuchung zurAbklärung dieser Frage durchgeführt. Er-forderlich war dazu eine vorherige Ermitt-lung der Dynamik der dort vorhandenenWildkaninchenpopulation. Die finanziel-len Mittel zur Durchführung der Untersu-chung wurden von der Gelsenwasser AGzur Verfügung gestellt. Über die Durch-führung dieser Untersuchung sowie derenErgebnisse wird nachfolgend berichtet.

PopulationsdynamikHeinrich Spittler

Untersuchungen zur Populations-dynamik des WildkaninchensDas Wildkaninchen ist eine sehr ambivalente Wildart. Es wird auf der einen Seite gern im Niederwildre-vier gesehen, auf der anderen aber auch nicht. Seine jagdliche Beliebtheit rührt daher, weil es bei höhe-rer Dichte nicht nur jede Treibjagd „belebt“, sondern im Gegensatz zu den anderen standorttreuen Niederwildarten Hase und Fasan auch eine mehrmalige Bejagung im Jahr verträgt.

Abb. 1: Blick auf den ca. 1 Hektar großen Beobachtungsbereich bei Kanzel A. Foto: H. Spittler

Page 37: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

37LÖBF-Mitteilungen 1/04

Material und MethodeDer Verlauf der Populationsdynamik wur-de durch Sichtbeobachtung und Zählungder Wildkaninchen an zwei im Bereich derca. 50 Hektar großen Wassergewinnungs-anlage hierfür ausgewählten Stellen erho-ben. Dazu erfolgte hier der Bau jeweils ei-ner geschlossenen Beobachtungskanzel.Bei den Erfassungsbereichen handelte essich um zwei unmittelbar aneinander gren-zende, extensiv genutzte Trockenrasenbe-reiche. Der Beobachtungsbereich bei derKanzel A betrug ca. 1 Hektar (Abb.1), derbei der Kanzel B ca. 2,5 Hektar. Die beidenKanzeln standen gedeckt in einer etwa achtMeter breiten Hecke, die zur Eingrünungder Filterbecken angepflanzt worden war.Die Beobachtungsbereiche erstrecktensich auf die jeweils vor den Kanzeln lie-genden Flächen. Sie endeten teilweise ander Böschung des Ufers der Lippe (Kanzel

A), zum Teil waren sie eingefasst vonHecken beziehungsweise remisenartigenStrukturen.Bei den ausgewiesenen Beobachtungsbe-reichen handelte es sich also um mehr oderweniger geschlossene, durch natürlicheBarrieren begrenzte Flächen. Eine Beein-flussung der darauf vorkommenden loka-len Wildkaninchenpopulationen durchgrößere Zu- oder Abwanderungen war da-her im Prinzip nicht möglich. Da beide Be-reiche in der eingezäunten Fläche der Was-sergewinnungsanlage lagen, kam es zudemkaum zu einer Störung der Wildkaninchendurch den Menschen. Dies war für die Er-gebnisse zur Aktivitätsperiodik der Wild-kaninchen von Bedeutung.Zur Zählung der Wildkaninchen wurdendie beiden vor den Kanzeln liegenden Be-obachtungsbereiche in jeweils drei Sekto-ren unterteilt. Der Sektor 1 umfasste das je-

weils rechts von der Sitzrichtung gelegeneDrittel der Beobachtungsfläche, der Sektor2 das zentrale Drittel und der Sektor 3 daslinks gelegene Drittel. Beobachtet beziehungsweise gezählt wur-den die Wildkaninchen von Juni bis Okto-ber 1996 im Viertelstundentakt, und zwarin zwei Phasen von jeweils 12 StundenDauer bei Wechsel der Kanzeln im Zwei-tagesrhythmus. Die Beobachtungsphase Ibegann mittags um 12.00 Uhr und endetenachts um 24.00 Uhr; die Beobachtungs-phase II währte von 0.00 Uhr nachts bis12.00 mittags. Gezählt wurden die in denBeobachtungsbereichen sitzenden Kanin-chen also viermal pro Stunde. Die Zählungin der Nacht erfolgte unter Zuhilfenahmeeiner starken Stabtaschenlampe. Möglichwar auf diese Weise eine annähernd ge-nauso gute Erfassung der Wildkaninchenwie bei Tageslicht, da beim Anstrahlen mit

Populationsdynamik

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

220

240

260

280

300

02

. Ju

n

04

. Ju

n

08

. Ju

n

10

. Ju

n

13

. Ju

n

15

. Ju

n

19

. Ju

n

21

. Ju

n

24

. Ju

n

30

. Ju

n

02

. Ju

l

05

. Ju

l

07

. Ju

l

11

. Ju

l

13

. Ju

l

16

. Ju

l

18

. Ju

l

22

. Ju

l

24

. Ju

l

27

. Ju

l

29

. Ju

l

02

. A

ug

04

. A

ug

06

. A

ug

10

. A

ug

12

. A

ug

15

. A

ug

17

. A

ug

21

. A

ug

23

. A

ug

26

. A

ug

28

. A

ug

31

. A

ug

02

. S

ep

06

. S

ep

08

. S

ep

12

. S

ep

14

. S

ep

17

. S

ep

19

. S

ep

23

. S

ep

25

. S

ep

28

. S

ep

30

. S

ep

04

. O

kt

06

. O

kt

09

. O

kt

11

. O

kt

15

. O

kt

17

. O

kt

20

. O

kt

23

. O

kt

29

. O

kt

31

. O

kt

Tag

Anzahl

MaximalzahlenKanzel BJuni-Oktober

*

*

*

**

* = Nebel o= Regen und starker Wind+=Störung durch

oo

+*

*

1. Myxomatose-Fund

o*

*

*

=Beobachtungsphase I 12:00-24:00

=Beobachtungsphase II 0:00-12:00

Abb. 2: Übersicht über den Verlauf der während der Beobachtungsphasen maximal gezählten Wildkaninchen bei Kanzel A in der Zeitvom 1. Juni bis zum 30. Oktober 1996.

0

20

40

60

80

100

120

140

160

180

200

220

240

260

280

300

01

. Ju

n

03

. Ju

n

07

. Ju

n

09

. Ju

n

12

. Ju

n

14

. Ju

n

18

. Ju

n

20

. Ju

n

23

. Ju

n

25

. Ju

n

27

. Ju

n

29

. Ju

n

01

. Ju

l

04

. Ju

l

06

. Ju

l

10

. Ju

l

12

. Ju

l

15

. Ju

l

17

. Ju

l

21

. Ju

l

23

. Ju

l

26

. Ju

l

28

. Ju

l

01

. A

ug

03

. A

ug

05

. A

ug

07

. A

ug

09

. A

ug

11

. A

ug

14

. A

ug

16

. A

ug

20

. A

ug

22

. A

ug

25

. A

ug

27

. A

ug

01

. S

ep

03

. S

ep

05

. S

ep

11

. S

ep

13

. S

ep

16

. S

ep

18

. S

ep

22

. S

ep

24

. S

ep

27

. S

ep

29

. S

ep

03

. O

kt

05

. O

kt

08

. O

kt

10

. O

kt

14

. O

kt

16

. O

kt

19

. O

kt

21

. O

kt

28

. O

kt

30

. O

kt

Anzahl

MaximalzahlenKanzel A Juni-Oktober

Tag* = Nebel o= Regen und starker Wind

oo

**

** *

1.Myxomatose-Fund 1. RHD-Fund

=Beobachtungsphase I 12:00-24:00

=Beobachtungsphase II 0:00-12:00

Abb. 3: Übersicht über den Verlauf der während der Beobachtungsphasen maximal gezählten Wildkaninchen bei Kanzel B in der Zeitvom 2. Juni bis 31. Oktober 1996.

* = Nebel o= Regen und starker Wind+=Störung durch Schwarzwild

* = Nebel o= Regen und starker Wind

Page 38: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

38 LÖBF-Mitteilungen 1/04

einer starken Lichtquelle ihre Augen aufGrund des in ihnen befindlichen Tapetumlucidum gelblich-rötlich aufleuchten. Die Anzahl der zu jeder Viertelstunde inden jeweiligen Beobachtungssektoren ge-zählten Wildkaninchen wurde in ein ent-sprechendes Formblatt eingetragen, undzwar wurde bei der Zählung differenziertnach alt und jung, soweit dies möglich war.Festgehalten wurde darin weiterhin dieAnzahl der jeweils gesehenen Prädatorenwie Fuchs, Iltis, Mäusebussard und Raben-krähe. Nach Eintritt des im August begon-nenen Rückganges der Wildkaninchen er-folgte zusätzlich zu den viertelstündlichenZählungen in Abständen eine Suche nachkranken beziehungsweise verendetenWildkaninchen in den Beobachtungsberei-chen.Zur Überprüfung der Frage, in welchemAusmaß die Wildkaninchen in den Bauenverenden, wurden am 24. und 25. Oktober

insgesamt 15 Baue im Beobachtungsbe-reich aufgegraben. Außerdem erfolgte andiesen beiden Tagen dort eine gezielte Su-che nach Wildkaninchen-Gerippen sowiein der Zeit vom 27. Oktober bis 3. Novem-ber 1996 eine Auslage und Kontrolle vonacht erlegten Wildkaninchen bei den Kan-zeln A und B.Untersucht wurde auch der Gesundheits-zustand der gesund aussehenden Wildka-ninchen in den Beobachtungsbereichen.Dazu wurden dort in Abständen Wildka-ninchen erlegt und vom Tiergesundheits-amt der Landwirtschaftskammer Rhein-land auf Parasiten und pathologische Ver-änderungen hin untersucht. Die Untersu-chungen dieser Kaninchen auf Antikörpergegen Myxomatose und RHD erfolgten imStaatlichen VeterinäruntersuchungsamtMünster. Erlegt wurden für diese Gesun-duntersuchungen insgesamt 67 Wildkanin-chen.

ErgebnisseDie Untersuchung lieferte aufschlussrei-che Ergebnisse zur lokalen Populationsdy-namik von Wildkaninchen, zu ihrer tägli-chen und jahreszeitlichen Aktivität, zuihrem Kranheitsgeschehen und zu ihrerRolle im Ökosystem. Die aus den Befun-den sich ergebenden Schlussfolgerungenließen eine Antwort auf die Fragen zu, war-um es bei den Wildkaninchen zu den jähr-lichen Populationszusammenbrüchenkommt, und ob im Falle einer lokal vor-handenen hohen Dichte in Wasserschutz-gebieten dadurch eine nachweisbare Ge-fährdung des Grund- und Trinkwassers re-levant ist.

Ergebnisse zur Populationsdynamik(Abundanz)Mit der im Bereich der Wassergewin-nungsanlage Haltern durchgeführten Un-tersuchung konnten erstmals konkrete Da-ten zu der Frage gewonnen werden, in wel-chem Ausmaß und in welcher Zeit sichWildkaninchen von einem Populationstiefwieder erholen können.Auf Grund der in den Beobachtungsberei-chen durchgeführten Erfassung desStammbesatzes durch Registrierung desSpurenbildes im März sowie durch stich-probenartig vorgenommene Sichtbeobach-tungen und auf Grund der Maximalwertezu Anfang der Erfassungstätigkeit dürftezu Beginn der Reproduktionsphase 1996bei Kanzel A ein Stammbesatz von 15 bis20 Stück und bei Kanzel B ein solcher vonetwa 30 bis 40 Stück vorhanden gewesensein. Wie sich ausgehend von diesenStammbesätzen die Populationen in derZeit vom 1. Juni bis 31. Oktober 1996 ent-wickelt haben, ist den Abbildungen 2 und3 zu entnehmen. Sie geben die Maximal-werte der Kaninchen wieder, die bei denKanzeln A und B pro Tag gezählt wurden.Zu erkennen sind zum Teil erheblichesprunghafte Schwankungen. Sie sind ein-mal auf Bodennebel zurückzuführen, derdie Zählung erschwerte, zum anderen aufSturm und Regen, der dazu beitrug, dassdie Wildkaninchen vermehrt in ihren Bau-en blieben.Deutlich geht jedoch aus den Abbildungendie für die Wildkaninchen bekannte starkeZunahme hervor. So hat die Population beiKanzel A von Anfang bis Ende Juni um 60bis 80 Stück zugenommen. Dies entsprichtinnerhalb von rund vier Wochen einer Be-satzverdoppelung. Überraschenderweisetrat im Juli und August in diesem Bereichaber keine weitere Zunahme ein (Abb. 2).Es erfolgte vielmehr ab dem 5. August einRückgang, und zwar fiel dieser Rückgangmit dem Fund des ersten im dortigen Be-reich an Myxomatose erkrankten Wildka-ninchens zusammen (Abb. 4) beziehungs-weise mit dem zehn Tage später aufgetre-tenen ersten Fall von RHD (5. beziehungs-weise 14. August 1996).

Populationsdynamik

Befallsgrad

negativgering-gradig

mittel-gradig

hochgradig

Summe deruntersuchten

Wildkaninchen

Magen-Darm-wurm-Eier

5 = 7,4% 27 = 40,3% 17 = 25,4% 18 = 26,9% 67

Bandwurm-Eier

36 = 53,7% 10 = 14,9% 18 = 26,9% 3 = 4,5% 67

Kokzidien-Oocysten

9 = 13,4% 13 = 19,4% 17 = 25,4% 28 = 41,8% 67

Bandwurm-Befall

29 = 43,3% 10 = 14,9% 20 = 29,9% 8 = 11,9% 67

E.coli Darm 6 = 9,0% 17 = 25,4% 37 = 55,2% 7 = 10,4% 67

Tab. 1: Übersicht über die parasitären und bakteriologischen Befunde der 67 untersuch-ten Wildkaninchen.

Abb. 4: Hochgradig an Myxomatose erkranktes Wildkaninchen im Beobachtungsbereich.Foto: H. Spittler

Page 39: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

39LÖBF-Mitteilungen 1/04

Bei dem ersten Fund eines an RHD einge-gangenen Kaninchens, handelte es sich umeinen fast erwachsenen jungen Rammler.Er wurde gegen 16.00 Uhr am 14. August1996 in einer Entfernung von etwa 100Meter von der Kanzel A noch lebend rundzwei Meter neben einem Weg auf der Sei-te liegend vom Hund gefunden. Er warnicht mehr fluchtfähig, sondern konnte mitder Hand gegriffen werden. Zur Fundzeitzeigte er noch eine leichte Atmung sowieschwache Reflexbewegungen aufBerührung. Er verendete etwa 20 Minutenspäter. Die am nächsten Tag vorgenomme-ne pathologische Untersuchung ergab ein-deutig den Befund von RHD. Nach dem ersten Myxomatose- und RHD-Fund nahm der Besatz im Bereich der Kan-zel A in den nächsten acht Wochen sukzes-sive ab auf nur mehr 40 bis 50 Stück. Diesbedeutet gegenüber der Maximalzahl vom23. Juni einen Rückgang um 70 Prozent.Die Populationsentwicklung bei Kanzel Bverlief deutlich anders als bei Kanzel A,wie aus der Abbildung 3 hervorgeht. In denersten sechs Beobachtungswochen stiegendie täglichen Werte hier kaum an. Sie lagenim Bereich von 80 bis 120 Stück. Ein An-stieg erfolgte erst nach Mitte Juli, und zwarbis zum 21. August. In diesen rund fünfWochen nahmen die Werte von 104 am 16.Juli auf 302 Stück am 21. August zu. Diesentspricht in dieser Zeit einer Zunahme um200 Prozent. Der erste Myxomatose-Fund im Beobach-tungsbereich der Kanzel B wurde erst rund14 Tage später getätigt als bei Kanzel A,und zwar am 21. August. In den ansch-ließenden 4 Wochen nahm die Besatzdich-te dann um rund 150 Stück ab, danach biszum 31. Oktober auf schließlich nur noch40 bis 50 Stück, also auf die gleich niedri-ge Anzahl wie bei Kanzel A. Der Rück-gang vom 21. 8. bis zum 31. 10. machtehier mithin annähernd 90 Prozent aus.Auch in diesem Beobachtungsbereichwurden verhältnismäßig wenige verendeteWildkaninchen gefunden, obwohl ab Sep-tember wiederholt danach gesucht wurde. Anzumerken ist zu den Maximalzahlen derbeobachteten Wildkaninchen bei Kanzel Bim Vergleich zu den Ergebnissen bei Kan-zel A noch, dass hier die Beobachtungendoppelt so häufig durch Nebel beeinträch-tigt wurden und dass hier die Zählergeb-nisse in der Beobachtungsphase II – alsovon 0.00 Uhr bis 12.00 Uhr – höher ausfie-len als in der Beobachtungsphase I (Abb. 2u. 3).

Ergebnisse zur Aktivitäts-Periodik Da die Beobachtungsbereiche für den Zu-tritt von Menschen wegen der Einzäunungder gesamten Wassergewinnungsanlageunzugänglich waren, spielten menschlicheStörungen, durch die frei lebende Tiere an-sonsten in ihrer Aktivitäts-Periodik in derRegel mehr oder weniger stark tangiert

werden, hier keine Rolle. Die Aktivitäts-Periodik, die die Wildkaninchen hier zeig-ten, dürfte mithin weitgehend ihrer natürli-chen entsprechen. Die im Viertelstunden-takt an Kanzel A und B durchgeführtenZählungen für den 24-Stunden-Tag zeigtenerwartungsgemäß einen im Prinzip ähnli-chen Verlauf. Die Hauptaktivität lag da-nach in den Nachtstunden. Deutlich kris-tallisieren sich jedoch in dieser Zeit zweiGipfelpunkte heraus zu allerdings etwasunterschiedlichen Zeiten. Bei Kanzel A la-gen die Aktivitätsgipfel bei etwa 22.15 Uhrbeziehungsweise 2.30 Uhr, bei Kanzel Bbei 22.15 Uhr und 1.45 Uhr. Bei Kanzel Bist der Abstand also 45 Minuten geringer.Ein weiterer Unterschied in den beidenAktivitäts-Messungen lag – abgesehen vonder unterschiedlichen Höhe der Aktivität –

darin, dass im Bereich A eine deutlich län-gere Aktivität zu verzeichnen war als bei B.Im Beobachtungsbereich A begann am 28.Juli die Aktivität um 16.00 Uhr und endeteam 1. 8. um 9.00 Uhr, im Bereich der Kan-zel B begann die Aktivität dagegen rund ei-ne Stunde später und endete auch erheblichfrüher, nämlich bereits um 6.15 Uhr. Inbeiden Beobachtungsbereichen war desWeiteren festzustellen, dass es auch signi-fikante altersabhängige Unterschiede beiden Aktivitätszeiten gab. Die adulten Ka-ninchen erschienen deutlich später und wa-ren auch wieder früher verschwunden.Ferner gab es auch deutliche jahreszeitli-che Unterschiede in der Aktivität. So sahdas 24-Stunden-Aktivitäts-Diagramm An-fang Juni zum Teil deutlich anders aus alsim Oktober.

Populationsdynamik

Abb. 5: Ausgraben eines kleinen Wildkaninchenbaues von Hand. Foto: H. Spittler

Abb. 6: Ausgraben eines großen Wildkaninchenbaues mit Hilfe eines Baggers. Foto: H. Spittler

Page 40: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

40 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Zu erkennen war in den meisten Monateneine mehr oder weniger deutliche Zwei-gipfligkeit wie beim 24-Stunden-Akti-vitäts-Diagramm, wobei die zeitliche Lageder Gipfel sichtliche Unterschiede auf-wies. Im Juni lag der erste Gipfel in derZeit zwischen 19.00 Uhr und 22.30 Uhr,der zweite, niedrigere in der Zeit von 6.00Uhr bis 9.00 Uhr. Im Juli waren die Gipfelnäher zusammengerückt und im Augustnoch mehr, und zwar entfielen die Akti-vitätsgipfel im August auf die Zeit von21.45 Uhr bis 23.15 Uhr beziehungsweiseauf die Zeit von etwa 0.30 Uhr bis 1.30Uhr. Im September war die Lage der Gip-fel analog der vom August, allerdings miteinem deutlichen „Ausreißer“ um 2.00Uhr. Das ermittelte Aktivitäts-Diagrammfür den Monat Oktober, das die Zweigipf-ligkeit im Prinzip vermissen lässt undwährend der Nachtphase eine Art Mehr-gipfligkeit zeigt, dürfte allerdings nicht re-präsentativ sein, da diese Situation vor demHintergrund der geringen Anzahl an Wild-kaninchen gesehen werden muss, die imOktober nur noch vorhanden war.Bis auf die Monate Juni und Juli erstreck-te sich die Aktivität der Wildkaninchen aufdie Zeit von Sonnenuntergang (SU) bisSonnenaufgang (SA), primär also auf diePhase der Dunkelheit, während insbeson-dere im Juni, aber auch im Juli die

Hauptaktivität auf die noch hellen Abend-stunden entfiel, und zwar auf die Zeit vonrund 18.00 Uhr bis 22.00 Uhr.

Ergebnisse zum KrankheitsgeschehenUm das Krankheitsbild abzuklären, wur-den aus den beiden Beobachtungsberei-chen insgesamt 67 als gesund erlegte Ka-ninchen untersucht. Die Entnahme er-streckte sich auf die Zeit vom 28. Juni biszum 5. November 1996. Unter ihnen be-fanden sich 27 Rammler und 37 Häsinnen.Die vorgenommene Alterszuordnung er-gab 28 juvenile und 21 adulte Wildkanin-chen. Bei 18 der untersuchten Tiere war ei-ne entsprechende Zuordnung nicht bezie-hungsweise nicht eindeutig möglich.Der gemessen an der Populationsstrukturunverhälnismäßig hohe Anteil an adultenWildkaninchen bei den untersuchten Tie-ren erklärt sich von daher, weil für die Ent-nahme des Probenmaterials durch Ab-schuss vorgegeben worden war, möglichsterwachsene Wildkaninchen zu erlegen. Beiden in die Untersuchung einbezogenen ju-venilen Kaninchen handelte es sich mithinüberwiegend um annähernd bereits er-wachsene Tiere. Diese Situation geht ein-deutig aus den Gewichten hervor: sie lagenzwischen 932 und 1957 Gramm. Insge-samt ergab sich für die vom 15. August bis

5. November 1996 untersuchten Kanin-chen ein Durchschnittsgewicht von 1370Gramm.Das angeführte Durchschnittsgewicht lagüberraschenderweise im Bereich der in derLiteratur angegebenen Werte. So wird zumBeispiel für Amrum ein Gewicht von 1384Gramm erwähnt (Boback 1970). Zu er-warten gewesen wäre jedoch bei der hohenPopulationsdichte, die in den Beobach-tungsbereichen zur Zeit der Probennahmeüberwiegend vorhanden war, ein deutlichgeringeres Gewicht, denn allgemein gilt,dass das Körpergewicht bei frei lebendenTieren mit zunehmender Dichte abnimmt.Wie sich die parasitologische Situation der67 untersuchten Wildkaninchen darstellte,geht aus Tabelle 1 hervor. Wiedergegebensind darin die Ergebnisse des Befalls mitMagen-Darm-Wurmeiern, mit Bandwur-meiern und mit Kokzidien-Oozysten, fer-ner die Befunde des Befalls mit dem Ka-ninchen-Bandwurm und mit E. coli imDarm. Auch diese Ergebnisse überraschen,denn auf Grund der hohen Populations-dichte im Untersuchungsbereich wäre einerheblich höherer Parasitenbefall zu postu-lieren gewesen, insbesondere in Bezug aufden Bandwurm. Lediglich der Befall mitKokzidien-Oozysten entsprach den Erwar-tungen. 41,8 Prozent der untersuchten Ka-ninchen wiesen einen hochgradigen Befallauf. Dieser Befund ist jedoch nicht gleich-zusetzen mit einer entsprechend hochgra-digen Erkrankung an Kokzidiose. Eine sol-che wurde bei keinem der untersuchtenWildkaninchen festgestellt. Diagnostiziertwurde lediglich bei einigen Tieren eine ge-ring- bis mittelgradige Gallengangskokzi-diose. Zusammenfassend kann also gesagtwerden, dass die Wildkaninchen in den Be-obachtungsbereichen zumindest in der Zeitvon Juni bis Oktober 1996 aus parasitärerund bakteriologischer Sicht im Prinzip ge-sund waren.Der eingetretene drastische Rückgang imAugust kann also nicht auf seuchenhaftesAuftreten derartiger Erkrankungenzurückzuführen sein. Als einzige Ursachen

Populationsdynamik

Abb. 7: Einziger Fund von Resten eines im Bau eingegangenenWildkaninchens. Foto: H. Spittler

Abb. 8: 34 Gerippe dieser Art wurden bei der Suche am 25. Okto-ber 1996 im Bereich A gefunden. Foto: H. Spittler

Kanzel A Kanzel BKontroll-Datum Nr. 1 Nr. 2 Nr. 3 Nr. 4 Nr. 5 Nr. 6 Nr. 7 Nr. 8

27.11.1996 Auslage Auslage Auslage Auslage Auslage Auslage Auslage Auslage

28.11.1996nicht

angenom-men

nichtangenom-

men

nichtangenom-

men

ange-kröpft

angekröpft(2 Krähen)

angekröpft(2 Krähen)

nichtangenom-

men

angekröpft(1 Mäuse-bussard)

30.11.1996

nur nochGerippe-

undBalgreste

fehlt

nur nochGerippe-

undBalgreste

nur nochGerippe-

reste

nur nochGerippe-

restefehlt

zu 3/4ange-kröpft

nur nochGerippe-

undBalgreste

03.11.1996 fehlt fehltnur nochGerippe-

restefehlt

nur nochGerippe-

restefehlt fehlt

nur nochGerippe-

reste

Tab. 2: Übersicht über den Verbleib von acht auf offener Fläche vor den Kanzeln A undB ausgelegten Wildkaninchen.

Page 41: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

41LÖBF-Mitteilungen 1/04

hierfür kommen virologische Erkrankun-gen in Frage, und zwar die eingangs bereitserwähnten Viruserkrankungen Myxomato-se und RHD (Abb. 4 u. 5). Ihr Auftretenwurde durch Sichtbeobachtungen und Tot-funde von Kaninchen bestätigt, und zwarerfolgte der erste Myxomatose-Fund beiKanzel A am 5. August, bei Kanzel B am21. August. Diese zeitliche Verzögerungum rund 14 Tage zwischen den erstenMyxomatose-Funden in den nur ca. 600Meter voneinander entfernt liegenden Be-obachtungsbereichen überrascht auf der ei-nen Seite, entspricht auf der anderen aberden diesbezüglichen Erfahrungen aus denletzten Jahren in anderen Revieren. Mitdiesen Erfahrungen stimmt auch der Zeit-punkt der ersten Myxomatose-Funde über-ein. Das Auftreten dieser Seuche währtenämlich in den letzten Jahren meistens vonMitte August bis Ende Oktober.Da sich die Myxomatose im Gegensatz zuihrem rasanten Verlauf in den ersten Jahrenihres Auftretens, also von 1953 bis Mitteder 60er Jahre, ab etwa Anfang der 70erJahre des vorigen Jahrhunderts relativlangsam ausbreitete, was mit ihrer Über-tragung primär durch den Kaninchenflohseit dieser Zeit in Verbindung gebrachtwird, wurden die erlegten Wildkaninchenauch auf den Befall mit Ektoparasiten hinuntersucht. Überraschenderweise wurdeder Kaninchenfloh aber kaum bei den un-tersuchten Tieren nachgewiesen. Festzuhalten ist zu dem Virus-Seuchenge-schehen, dass bis auf den Fund am 14. Au-gust keine weiteren offensichtlich an derRHD eingegangenen Wildkaninchen ge-funden wurden, und dass auch die Fundra-te der an der Myxomatose erkrankten be-ziehungsweise eingegangenen Kaninchen

relativ gering war, obwohl nach Feststel-lung des ersten Auftretens dieser Seuchensystematisch in Abständen nach krankenoder toten Tieren gesucht wurde und reinrechnerisch rund 350 Wildkaninchen inden beiden Beobachtungsbereichen in derZeit von Anfang August bis Ende Oktoberverloren gegangen sind. Um diese Zahlhatten sich nämlich die Maximalwerte derbeobachteten Wildkaninchen reduziert.

Ergebnisse zur Rolle des Wildkaninchens im ÖkosystemVor dem Hintergrund der verhältnismäßigwenigen Funde von eingegangenen Wild-kaninchen, was für die Vermutung sprach,dass die Wildkaninchen nicht oberirdisch,sondern in ihren Bauen verenden, wurdenam 24. Und 25. Oktober 1996 insgesamt15 Kaninchenbaue in den Beobachtungs-bereichen auf- beziehungsweise ausgegra-ben. Hierbei handelte es sich sowohl umEinzelbaue, die auf Grund der dort vorhan-denen frischen Sandauswürfe als noch bisvor kurzem befahren anzusprechen waren,als auch um große Bauanlagen, die aufGrund der vielen Ausfahrten den Eindruckerweckten, als seien die Röhren unterir-disch alle miteinander verbunden.Das Ausgraben erfolgte einmal per Hand(Abb. 5), zum anderen mit Hilfe eines klei-nen Baggers (Abb. 6). Auf Grund des imUntersuchungsbereich vorhandenen rei-nen Sandbodens konnten die Röhren vonden Einfahrten an durch systematischesNachgraben frei gelegt werden. Bedingtdadurch, dass der Sand in der Tiefe derBaue leicht feucht war, hielten die Wändeder Röhren sogar das senkrechte Abste-chen aus, ohne zusammenzufallen.

Das Aufgraben der Baue ergab hoch inter-essante Einblicke in deren Aussehen. Dar-auf näher einzugehen, würde in diesem Zu-sammenhang zu weit führen, denn Ziel desAufgrabens der Baue war nicht die Ermitt-lung ihres Aussehens, sondern die Ab-klärung der Frage, ob in den Bauen anMyxomatose beziehungsweise RHD er-krankte Wildkaninchen eingegangen wa-ren.Obwohl 15 Baue auf die skizzierte Art aus-gegraben wurden, verlief die Suche nachverendeten Wildkaninchen beziehungs-weise Gerippen oder Resten davon nur ineinem Fall erfolgreich, und zwar in einemgrößeren Bau bei Kanzel A. Hier wurden ineiner etwa 60 cm tief gelegenen RöhreReste von einem Wildkaninchen gefunden(Abb. 7), und zwar nicht, wie es zu erwar-ten gewesen wäre, in einer Endröhre, son-dern in einer Hauptröhre.Vor dem Hintergrund dieses Ergebnisseswurde bei dem Projekt auch der Alternativ-Hypothese über den Verbleib der einge-gangenen Wildkaninchen nachgegangen,die davon ausgeht, dass die an Myxomato-se beziehungsweise RHD erkrankten Ka-ninchen oberirdisch verenden und nur des-wegen nicht in größerer Zahl gefundenwerden, weil sie entweder bereits in derEndphase ihrer Erkrankung beziehungs-weise kurz nach ihrem Verenden von Prä-datoren beseitigt werden. Die unter dieserPrämisse am 25. Oktober vorgenommenesystematische Absuche der Hecken undSträucher bei Kanzel A ergab den Fundvon insgesamt nur 34 eingegangenenWildkaninchen. Dabei wurden nur Schädelund vordere Wirbelsäulenbereiche als sol-che gewertet (Abb. 8). Die im Vergleich zuder Anzahl an Kaninchen, die dort verlorengegangen sind, wenigen Funde lagen aus-nahmslos in der Deckung. Vor dem Hintergrund der vorstehend ange-führten Befunde beziehungsweise im Hin-blick auf ihre Absicherung wurden in derZeit vom 27. Oktober bis zum 3. Novem-ber 1996 bei den BeobachtungsbereichenA und B auf offener Fläche insgesamt achtals gesund erlegte Wildkaninchen offenausgelegt und am 28. und 30. Oktober so-wie am 3. November daraufhin kontrol-liert, inwieweit sie angeschnitten bezieh-ungsweise angekröpft oder ganz ver-schwunden waren. Das Ergebnis ist in Ta-belle 2 dargestellt. Aus ihr geht hervor,dass schon nach drei Tagen alle Kaninchenmehr oder weniger stark angefressen be-ziehungsweise zwei Stück sogar bereitsganz verschwunden waren. Nach siebenTagen fehlten von den acht ausgelegtenTieren fünf Stück vollkommen; lediglichvon dreien waren noch geringe Knochen-reste vorzufinden.

Anschrift des Verfassers Dr. Heinrich SpittlerKaufstr. 1853560 Vettelschoß

Populationsdynamik

ZusammenfassungBerichtet wird über eine Untersuchung zur Populationadynamik des Wildkaninchens,die 1996 im Bereich der Wassergewinnungsanlage Haltern durchgeführt wurde. Sie hatfolgende, auch für die jagdliche Praxis aufschlussreiche Ergebnisse erbracht:– der jährliche Zuwachs vermag bei Wildkaninchen 600 Prozent bis 700 Prozent aus-

zumachen,– Wildkaninchen können eine Dichte von rund 150 Stück pro Hektar erreichen,– Wildkaninchen haben eine zweigipflige nächtliche Aktivitätsphase und offensicht-

lich eine natürliche, genetisch bedingte Inaktivität in der Mittagszeit,– trotz extrem hoher Dichte muss es bei Wildkaninchen nicht zu einem gravierenden

Parasitenbefall oder zu bakteriellen Erkrankungen kommen; ihre Körpergewichte er-höhen sich sogar bei zunehmender Dichte,

– der Zusammenbruch der Population durch Myxomatose und RHD beginnt AnfangAugust und zieht sich bis Mitte Oktober hin; er kann 75 Prozent bis sogar 90 Pro-zent ausmachen,

– als Primärursache für den Populationszusammenbruch ist derzeit die Myxomatoseanzusehen; daneben spielt die RHD eine bedeutende Rolle,

– die an Myxomatose und RHD erkrankten Wildkaninchen gehen nicht in den Bauenein, sondern oberirdisch,

– Wildkaninchenbaue weisen keine typischen Kessel auf und haben unterirdisch ver-hältnismäßig geringe Ausmaße; ferner fehlt ihnen jegliche Auspolsterung.

Alle vorstehenden Ergebnisse sind vor dem Hintergrund zu sehen, dass sie auf einerlokalen Untersuchung basieren.

Page 42: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

42 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Streuobstwiesenschutz

Eine weitere Besonderheit ist die zu-sätzliche Nutzung des Grünlandesunter den Obstbäumen, meist in

Form von Beweidung. Seit es diese Be-wirtschaftungsform der Streuobstwiesengibt, haben sich viele Tier- und Pflanzen-arten an die Bedingungen angepasst, alsBeispiel ist hier nur der Steinkauz zu nen-nen. Der Strukturreichtum und die damitverbundene Artenvielfalt machen diesenBiotoptyp so wertvoll und unersetzbar fürunsere heutige Kulturlandschaft.

HistorieWie viele heutige Kulturbiotope sind auchStreuobstwiesen aus rein wirtschaftlichenGründen entstanden. Sie dienten den Bau-ern nicht nur als Weideland oder Heuwie-se, sondern lieferten noch Obst und erhöh-ten durch dessen Verkauf seine Einnah-men. Um diese zusätzliche Einkommens-quelle zu erhalten, bedarf es einer regel-mäßigen und fachgerechten Pflege in Formvon Schnittmaßnahmen. Früher verfügtenoch fast jeder Landwirt über die dazu not-wendigen Kenntnisse und Fähigkeiten; ei-ne Folge der Förderung des Streuobstan-baus durch Behörden und Landesherren im19. Jahrhundert. Der Streuobstanbau erleb-te seine Blütezeit durch Erlasse und Ver-ordnungen wie etwa das Ehestandsbaum-gesetz, das Heiratswilligen das Pflanzenund Pflegen einer bestimmten Anzahl vonBäumen vorschrieb (STERNSCHULTE &SCHOLZ 1990). Ein anderes Gesetz sorg-te für harte Strafen bei Obstbaumdiebstahl.In den Schulen gab es sogar das Unter-richtsfach Obstbau. Zusätzlich trugen sogenannte Baumwarte durch ihr Fachwis-sen zu einer verbesserten Obstbaumpflegebei.In den 50er und noch stärker in den 70erJahren des vergangenen Jahrhunderts sorg-te erstmals eine Förderung der EG dafür,dass die gleichen Obstwiesen wieder gero-det wurden. Mit Prämienzahlungen für je-den gefällten Obstbaum wollte man dieUmstellung auf neue vereinfachte Produk-tionsweisen beschleunigen und die Wett-bewerbsfähigkeit sicherstellen, was auch

sehr erfolgreich umgesetzt wurde. Die Fol-ge war eine Konzentration von intensiv be-wirtschafteten Obstplantagen in klimatischund bodentechnisch begünstigten Gebie-ten (Altes Land etc.) und ein drastischerRückgang des Vorkommens von extensi-ven Streuobstwiesen.

ZielsetzungDie veränderte landwirtschaftliche Bewirt-schaftungsweise und der Wandel des Ver-braucherverhaltens haben dazu geführt,dass Streuobstwiesen heute weniger ausökonomischen Gründen als aus rein ästhe-tischen Motiven erhalten und gepflanztwerden. Es ist heute zum Hobby gewor-den, Obstwiesen zu besitzen und zu pfle-gen. Jedoch ist die Zahl der Menschen, dieneben einem landwirtschaftlichen Betriebdas Hobby Obstwiese haben, sehr über-schaubar. Dementsprechend ist die Mengevon genutzten Streuobstwiesen rückläufig.Aktuelle Daten zu ermitteln, wie vieleStandorte es im Kreis Coesfeld heute nochgibt und wie der Zustand der einzelnen

Flächen aussieht, ist ein Ziel, das die Na-turförderstation im Kreis Coesfeld (NFS)mit dem Projekt Streuobstwiesenschutzverfolgt. Die erfassten Daten werden in ei-ner eigens entwickelten Datenbank archi-viert. Sie ermöglichen statistische Analy-sen und stehen späteren Untersuchungenals Vergleichswerte zur Verfügung. Zusätz-lich werden die Angaben in das Geoinfor-mationssystem ArcView eingegeben underlauben so eine graphische Darstellungder Ergebnisse. Auf Grundlage dieser Be-standsaufnahme sollen Maßnahmen erar-beitet werden, wie das Kulturgut Obstwie-se erhalten werden kann und aufgezeigtwerden, was nötig ist, um die Anzahl derStandorte langfristig zu sichern und zu er-höhen.Ein weiteres Ziel ist die Wissensvermitt-lung. Durch den engen Kontakt mit denBesitzern und Nutzern während der Erhe-bungsphase ergibt sich die Möglichkeit so-wohl fachliche Informationen zu den The-men Pflanzung, Pflege und Absatz desObstes direkt weiterzugeben als auch aufbestehende Fördermöglichkeiten hinzu-

Susen König

Streuobstwiesenschutz im Kreis Coesfeld In der strukturreichen Münsterländer Parklandschaft gehören Streuobstwiesen schon historisch zum gewohnten Bild. Es sind Kulturbiotope, die durch den Menschen entstanden sind, um die Bevölkerungmit Obst zu versorgen. Streuobstwiesen zeichnen sich durch ihre extensive Nutzung und das Vorkommeneiner Vielzahl von regionaltypischen Obstsorten aus. Beides unterscheidet sie damit von den intensiv bewirtschafteten Obstplantagen

Obstwiesenrelikt. Foto: S. König

Page 43: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

43LÖBF-Mitteilungen 1/04

Streuobstwiesenschutzweisen. Die Station will auch über denKartierzeitraum hinaus als Ansprechpart-ner fungieren. Weiterhin wird über diegroße ökologische Bedeutung dieses Bio-toptyps informiert, denn vielen Nutzern istdie Besonderheit und Schutzwürdigkeit ih-res Besitzes nicht bewusst.

MethodikNach Sichtung verschiedenster Formenvon Erfassungsbögen wurde u. a. in Ab-stimmung mit der Unteren Landschafts-behörde und der Landesanstalt für Ökolo-gie, Bodenordnung und Forsten (LÖBF)ein eigener Erhebungsbogen (für Obstwie-sen erstellt. Das Hauptinteresse lag nebender Aufnahme von Flächendaten (u. a. La-ge, Besitzer, Schutzstatus) und der Erhe-bung quantitativer Daten (Anzahl der Bäu-me und Flächengröße) insbesondere aufder Erfassung qualitativer Daten (Obstar-ten und -sorten, Nutzungsform von Grün-land und Obst, aber auch Pflegezustandund evtl. sinnvolle Pflegemaßnahmen).Letztere sind Einschätzungen des jeweili-gen Kartierers und erfordern daher ein ho-hes Maß an Fachwissen. Um die Einbin-dung der Obstwiese in die Landschaft dar-zustellen, wurde die Nutzung des Umfel-des ebenfalls erhoben.Die Archivierung der Daten erfolgte mit-tels einer Datenbank, die am Erhebungsbo-

gen orientiert mit demProgramm Access er-stellt wurde. Den ver-schiedenen Themenentsprechend (allg. Ob-jektdaten, Obstdaten,Pflegedaten etc.) wur-den Tabellen und For-mularmasken erzeugt,so dass die Daten spätermöglichst einfach ein-zuarbeiten sind.Auf Grund der Vielzahlan Obstwiesen imKreis Coesfeld wurdeeine Kartierungskulissefür 2003 festgelegt. Eserfolgte eine Datenrecherche, der verschie-dene Datenquellen zu Grunde liegen. AlsDatenquellen standen zur Verfügung:– Untere Landschaftsbehörde (ULB)– Naturschutzverbände– Naturfördergesellschaft für den Kreis

Coesfeld e.V. (NFG)– Diplomarbeiten– LuftbilderZusätzlich zu diesen Quellen haben Pres-seartikel die Bevölkerung über das Streu-obstwiesenprojekt und die Kartierung in-formiert. Mit enthalten war ein Aufruf zurMeldung von Obstwiesenstandorten an dieNFS, woraufhin etliche Anrufe eingingen,die meist zu Ortsterminen führten. Die

ULB gab Hinweise zuStandorten von Obst-wiesen, auf denen Be-wirtschaftungsverträgeim Rahmen des Kultur-landschaftsprogrammsdes Kreises Coesfeld(KULAP) bestehen.Als weitere Vorarbeitist die Auswertung vonLuftbildern anzu-führen. PotenzielleObstwiesenstandortewurden hierbei karto-graphisch erfasst. Aus-gangspunkt für dieKartierung war der Be-reich Nottuln (NSGSteveraue), da hier be-reits Untersuchungenvorlagen.

ErgebnisseIm Projektjahr 2003wurden 287 Obstwie-sen digital erfasst. Da-von sind 58 Standortemit insgesamt 910Obstbäumen in Stevern(Gemeinde Nottuln)kartiert und 34 Ver-tragsflächen im Rah-men des KULAP mitzusammen 1258 Obst-bäumen im gesamten

Kreisgebiet. Die übrigen Standorte sindObstwiesen, auf denen durch die Unter-stützung der NFG Obstbäume nachge-pflanzt wurden oder deren Besitzer sichauf Zeitungsartikel gemeldet haben, um ih-re Obstwiese mit erfassen zu lassen.Als Bewertungskriterien dienen die Alters-klassenverteilung, die Vitalität und dieObstbaumdichte der beiden Untersu-chungsgruppen. Die Altersklasse I ent-spricht einem Baumalter von weniger als10 Jahren, Altersklasse II ist die Haupter-tragsphase zwischen 10 und 50, Jahren undBäume, die älter als 50 Jahre sind, befindensich in Altersklasse III. Aus den Förder-grenzen des KULAPs ergeben sich dreiDichteklassen. Klasse I mit weniger als 36Bäumen/ha (geringe Dichte), Klasse II mit36–64 Bäumen/ha (opitmale Dichte) unddie Klasse III mit mehr als 64 Bäumen/ha(hohe Dichte).Vergleicht man die Ergebnisse der Alters-klassenerhebung, fällt auf, dass im BereichStevern die Verteilung der Obstbäume re-lativ ausgeglichen ist mit einem leichtenSchwerpunkt auf der dritten Altersklasse,während bei den KULAP-Wiesen dieHälfte der Bäume Altersklasse I entspricht.Unter der Annahme, dass eine ausgegli-chene Verteilung auf alle drei Altersklas-sen dem Optimum entspricht, fällt auf,dass ausgerechnet Obstwiesen, die einerFörderung unterliegen, nicht dieser Erwar-tung entsprechen. Der Grund für die men-genmäßig überlegenen Jungbäume liegt inder Tatsache, dass die Wiesen bei Eintritt indas Programm bereits überaltert waren, sodass durch verstärktes Nachpflanzen die-ses Ungleichgewicht entstanden ist. Zu-sätzlich muss man beachten, dass vieleObstbäume der Altersklasse II bereits baldin die nächste Altersklasse eintreten wer-den, so dass sich die Verteilung in Stevernzukünftig zu Gunsten der dritten Alter-sklasse verschieben wird. Die Vitalität bestätigt diese Überlegungen.In Stevern ist mehr als die Hälfte der Bäu-me vergreist, während es bei den KULAP-Wiesen nur knapp über ein Drittel ist. Dasbedeutet, in Stevern sind bereits Bäumevergreist, die es aufgrund ihres Alters noch

Objekt-Nr.: Kartierung: Aufnahmedatum:Foto-Nr.:Besitzer:Nutzer:Lage:GemeindeGemarkung

Flurnr.Flurstk.

Kartenblatt-Nr.:R-WertH-Wert

Ausgleichs-/Ersatzma nahmen KULAP-Fl che NSG LSGObstbaumbestand BaumalterGr e in ha < 10 Jahre 10 50 Jahre > 50 JahreAnzahl Obstb ume vital vergreist vital vergreist vital vergreistApfelBirneKirschePflaumesonstigesB ume/haSortenUnternutzungWeide Rinder Pferde D ngung

Wiese/Mahdzahl Schafe Gefl gel OrganischMulchen Schweine GVE/ha Mineralisch

Acker Sonstige NutzungPflegezustandPflege Jungb ume Altb umeregelm ig Einz unung:unregelm ig Verbissschutz:keine Anbindung:StrukturenH hlen Nisthilfen:Totholz f r welche Art:Steinhaufen Beeintr chtigungen:Trockenmauer Sonstiges:Nutzung des Obstes spez. VermarktungVermostung Eigenverbrauch Frischobstverkauf SonstigesInteresse an:Neupflanzung BaumschnittBeratung

Nutzung im Umfeld

Pflege- und Schutzma nahmen

vorh erf. vorh erf. vorh erf.

Schutz v. Wildsch. Schutz v. Weidevieh ErziehungsschnittAstsicherung Schnittwundenbeh. ErhaltungsschnittPfahl/Anbindung Mahd/Beweidung Verj ngungsschnittBaumscheiben Nachpflanzung F llungenBemerkungen

Obstwiesenkartierung im Kreis Coesfeld.

Obstwiesendatenbank.

Page 44: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

44 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Streuobstwiesenschutz

nicht sein müssten. Auch der Vergrei-sungsgrad bei den KULAP-Flächen istzwar geringer, aber noch zu hoch. Bei gu-ter fachlicher Pflege ist ein Anteil von nurca. 10 Prozent vergreister Bäume durchausrealistisch. Diese Bäume sollten auch solange wie möglich aus ökologischen Grün-den in den Obstwiesen verbleiben.Die Obstbaumdichte stellt sich für die bei-den Kartierbereiche Steveraue und KU-LAP-Flächen sehr unterschiedlich dar. DieHälfte der Obstwiesen in Stevern weist ei-ne zu geringe Dichte auf. Es sind ca. dop-pelt so viele Obstwiesen der Dichteklasse Izuzuordnen wie jeweils den anderen Klas-sen. Bei den KULAP-Wiesen sieht es ge-nau anders herum aus. Etwas mehr als dieHälfte hat mehr als 64 Bäume/ha (B/ha),ca. ein Drittel befindet sich in der Optimal-dichte. Man sieht, dass die gefördertenObstwiesen selten „zu wenig“ Bäume auf

ihren Flächen haben. Die große AnzahlObstwiesen mit Dichteklasse III resultiertaus der Tatsache, dass die Obstbaumdichtebereits früher zu hoch war, also bereits vorJahrzehnten zu viele Bäume auf dieFlächen gepflanzt wurden. Die große Men-ge an Standorten in Stevern, bei denen we-niger als 36 B/ha wachsen zeigt den Zu-stand von Obstwiesen im Allgemeinen.Hier ist im Laufe des strukturellen Wan-dels in diesem Bereich (siehe Historie) diePflege der bestehenden Obstbäume auf derStrecke geblieben, und als Folge sind vieleBäume abgestorben und so verschwunden.Als weitere Ursache für den meist überal-terten Zustand der Obstwiesen ist sicher-lich die Tatsache zu sehen, dass die bäuer-liche Obstproduktion nicht mehr wiefrüher einen Teil des landwirtschaftlichenEinkommens darstellt. Gerade bei kleinenBetrieben steht jedoch die Existenzerhal-

tung im Vordergrund, zum Teil erfolgt dieLandwirtschaft im Nebenbetrieb, und esbleibt wenig bis keine Zeit für zusätzlicheAktivitäten, zu denen man die Pflege vonObstwiesen in diesem Fall zählen muss.

FazitTrotz der unterschiedlichen Ergebnisse inden beiden Kartierbereichen wird deutlich,dass die Förderung durch die Untere Land-schaftsbehörde sich vor allem auf die Al-tersklassenverteilung sehr positiv aus-wirkt. Doch auch hier besteht weitererHandlungsbedarf. Bezüglich der Pflegevon Altbäumen sollte noch stärker auf dieBesitzer und Nutzer eingewirkt werden,damit diese Altersklasse möglichst langeerhalten werden kann (bis zu 100 Baum-jahren und mehr sind möglich), so dass dieJungbäume die bereits entstandene Lückeschließen können.

EntwicklungszielePrimäre Entwicklungsziele liegen natür-lich im Erhalt und in der Entwicklung be-stehender Streuobstwiesen, deren Zustandhauptsächlich von ihrer Pflege abhängt.Überalterte Bestände müssen dabei nicht

32%

49%

29%

25%

39%

26%

48%

66%

52%

34%

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Stevern KULAP Stevern KULAP

Altersklassen Vitalität

< 10 J 10 - 50 J > 50 J vital vergreist

Zustand der untersuchten Obstwiesen.

Obstbaumdichte.

Apfelsammlung. Foto: NABU Münster

unbedingt ganz neu angelegt werden. Mitden entsprechenden Schnittmaßnahmenkönnen auch vergreiste Obstbäume durch-aus wieder belebt werden. Die Ergebnisseder Untersuchung zeigen, dass eine Förde-rung sich auf die Obstwiesen durchaus po-sitiv auswirkt. Allerdings stellt auch dasKULAP eher einen Anreiz dar, aktiv zuwerden, als dass es tatsächliche Kosten fürden Pflegeaufwand ersetzen oder garfrühere Einkommensquellen ausgleichenkönnte.Die Nutzung von Streuobstwiesen wiederverstärkt unter wirtschaftlichen Gesichts-punkten zu betrachten, sollte das Ziel einerVermarktungsstrategie für Streuobstpro-dukte sein. Auf diese Weise können ent-sprechende Gelder erwirtschaftet werden,die den Ankauf von Streuobst zu festenPreisen sicherstellen. Diese Festpreise von

KULAPStevern

< 36 pro ha 36 - 64 pro ha > 64 pro ha

Ste e

50%

22%

28%

12%

32%

56%

Page 45: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

45LÖBF-Mitteilungen 1/04

Streuobstwiesenschutz

um eine Wiese im Außenbereich handeltund dass die regelmäßige Pflege sicherge-stellt ist. So wurden in den Jahren 1999 und2000 178 Streuobstwiesen mit Jungbäu-men versorgt. Die Naturförderstationplant, im Kreis Coesfeld eine so genannteMusterobstwiese anzulegen beziehungs-weise einzurichten. Hier könnten alteObstsorten kultiviert werden und Schnitt-kurse an jungen und alten Bäumen erfol-gen. Außerdem kann eine Informationsta-fel am Rand der Wiese Interessierte überdie Besonderheiten dieses Biotoptypesaufklären. Wenn verhindert werden soll,dass Obstwiesen nur noch Teile von Frei-lichtmuseen sind, müssen solche Aktivitä-ten ausgebaut werden.

LiteraturBÜNGER, L.: Erhaltung und Wiederbegrün-dung von Streuobstbeständen in Nordrhein-Westfalen. Landesanstalt für Ökologie, Boden-ordnung und Forsten/Landesamt für Agrarord-nung NRW. LÖBF-Schriftenreihe. Band 9.Münster, 1996.

HUSEMANN, A.: Ökologische Bewertung derBauernschaften Uphoven und Stevern unterdem Aspekt des Fließgewässer-, Gehölz-, Obst-wiesen- und Grünlandschutzes. DiplomarbeitUniversität Münster. Havixbeck, 2001.

MINISTERIUM FÜR UMWELT, RAUM-ORDNUNG UND LANDWIRTSCHAFT(MURL): Schützt die Obstwiesen, Düsseldorf,1997.

STERNSCHULTE, A. & SCHOLZ, M.: Obst inWestfalen. Landwirtschaftsverlag. Münster-Hiltrup, 1990.

Anschrift der VerfasserinSusen KönigDiplom-LandschaftsökologinSternstraße 6a48145 MünsterE-Mail: [email protected]

Naturförderstation im Kreis CoesfeldBorkener Str. 1348653 CoesfeldE-mail: [email protected]: www.naturfoerderstation.de

ZusammenfassungStreuobstwiesen gehören in der strukturreichen Münsterländer Parklandschaft zum ge-wohnten Bild und zeichnen sich durch ihre extensive Nutzung und das Vorkommen ei-ner Vielzahl von regionaltypischen Obstsorten aus. Viele Tier- und Pflanzenarten sindan diese speziellen Bedingungen angepasst. Die notwendigen Kenntnisse und Fähig-keiten zur Pflege dieses Biotoptypes waren früher noch weit verbreitet. Aktuelle Daten zu ermitteln, wie viele Standorte es im Kreis Coesfeld heute noch gibtund wie der Zustand der einzelnen Flächen aussieht, ist Ziel des Projektes Streuobst-wiesenschutz. Die erfassten Daten werden in einer eigens entwickelten Datenbank ar-chiviert und in das Geoinformationssystem ArcView eingegeben. Während der Erhe-bungsphase besteht die Möglichkeit, fachliche Informationen zu den Themen Pflan-zung, Pflege und Absatz des Obstes weiterzugeben und auf bestehende Fördermög-lichkeiten hinzuweisen. Weiterhin soll über die ökologische Bedeutung und den hohenWert dieses Biotoptyps informiert werden, der vielen Besitzern nicht bewusst ist.Im Kreis Coesfeld sind zum Ende des Bearbeitungszeitraumes 2003 287 Obstwiesenerfasst. Davon in Stevern 58 Standorte (910 Bäume) und 34 Obstwiesen (1258 Bäu-me), die Verträge im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms haben, im gesamtenKreisgebiet. Bei Betrachtung der Altersklassen, der Vitalität und der Baumdichte wirddeutlich, dass die negative Entwicklung vor allem hinsichtlich des Pflegezustandes derBäume anhält.Dieser Tatsache entgegenzuwirken, ist das Hauptziel des Projektes. Dazu ist die Mo-bilisierung von Engagement und Finanzmitteln unersetzlich. Bestehende Initiativenwie z. B. zur Saftgewinnung aus Streuobst müssen weiter unterstützt und neue Ab-satzwege erkundet werden. Durch den Ausbau von Öffentlichkeitsarbeit, z. B. mitMusterobstwiesen, Seminaren und Exkursionen, kann man neue Aktive gewinnen.

Obstwiesenprodukte. Foto: NABU Münster

Naturschutzinitiativen liegen meist erheb-lich über dem marktüblichen Durch-schnittspreis und machen die Pflege vonObstwiesen für deren Besitzer wieder in-teressant. Weitere Finanzquellen könntenbeispielsweise im Sponsoring liegen oderin der Gründung einer Stiftung zum Erhaltder heimischen Obstwiesen.Auch das ehrenamtliche Engagement istleider begrenzt und teilweise sogar abneh-mend. Das heißt, es müssen weitere Mög-lichkeiten gefunden werden, die eine För-derung dieses wertvollen Lebensraums si-cherstellen. So könnten z. B. Patenschaften(Schulen, Kindergärten) für konkrete Wie-sen oder auch einzelne Bäume durch regel-mäßige Spenden sowohl für Gelder sorgenals auch die Thematik in der Öffentlichkeitpräsent halten. Letzteres sollte immer wie-der erfolgen, denn der Erhalt von Obstwie-sen erfordert nicht nur engagierte Besitzer

und Aktive, sondern auch aufgeklärte Ver-braucher, die bereit sind, entsprechendhöhere Preise für solche Produkte zu be-zahlen.Die Naturfördergesellschaft ist gemeinsammit dem Biologischen Zentrum in Lüding-hausen im Bereich der Öffentlichkeits- undBildungsarbeit rund um die Obstwiesenaktiv. So werden schon seit mehreren Jah-ren Schnittkurse im Winter angeboten und2003 hat man erstmalig auch Sommer-schnittkurse hinzugenommen. Diese An-gebote treffen meist auf großes Interessebei Haus- und Hobbygärtnern. Die ge-wünschte Zielgruppe der Landwirte isteher selten zugegen. Hier ist zu überlegen,wie diese Gruppe besser erreicht werdenkann. In Abhängigkeit ihrer finanziellenMittel gibt die NFG auf Antrag zusätzlichbis zu zehn Obstbäume pro Fläche aus. Zu-vor wird überprüft, ob es sich tatsächlich

Infostand der Naturförderstation. Foto: S. König

Page 46: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

46 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Buntspecht

Ausgangspunkt der Untersuchungenist die Tatsache, dass an vielen Stel-len des östlichen Münsterlandes

Nadel- beziehungsweise Kiefernwälder anStelle potenzieller natürlicher Eichen-Bir-kenwald-Gesellschaften existieren (BUR-RICHTER 1973). In beiden zu betrachten-den Waldformen kann der Große Bunt-specht angetroffen werden. Von ihm ist be-kannt, dass er zur Zeit der JungenaufzuchtLaubwaldbestände den Nadelwaldbestän-den vorzieht (CONRADS 1967). Die Habitatwahl des Großen Buntspechtesist dabei von vielen Faktoren abhängig.Neben dem Angebot an Nist- und Wohn-höhlen sind vor allem der Strukturreich-tum, das Angebot an Nahrungsressourcenbeziehungsweise Requisiten und der Tot-holzreichtum bestimmend. Daneben spie-len auch populationsdynamische Faktorenwie die Abundanz eine Rolle (GLUTZ etal. 2001). Für die Untersuchungen stellte sich dieFrage, ob dem Großen Buntspecht dasoben erwähnte Präferenzverhalten nachge-wiesen werden könnte und wenn, falls diesder Fall wäre, warum er es praktiziert? Wassind die Gründe für eine Bevorzugung derLaubwälder beziehungsweise Laubwald-elemente zur Zeit der Jungenaufzucht?Gibt es des Weiteren Unterschiede im Nah-rungserwerbsverhalten der Tiere in denverschiedenen Waldformen, und in wel-chem Maße eignen sich diese für dieErnährung im betrachteten Zeitraum?

Die UntersuchungsgebieteDie Untersuchungen fanden im Jahr 2002in drei unterschiedlichen Waldgebieten desöstlichen Münsterlandes statt, den Bock-holter Bergen bei Gimbte, der Schirlheidebei Ostbevern und den Klatenbergen beiTelgte. Alle Untersuchungsflächen warenTeile größerer Wälder und hatten jeweilseine Größe von etwa 10 Hektar. Währenddie erstgenannte Waldfläche seit längeremaus der wirtschaftlichen Nutzung heraus-genommen worden ist und den Status einesNaturschutzgebiets erhalten hat, handelt es

sich bei den beiden an-deren um Wirtschafts-wälder verschieden in-tensiver Ausprägung. Auf der Untersu-chungsfläche in denBockholter Bergen istdie potenzielle natürli-che Vegetation desStieleichen-Sandbir-ken-Waldes (BUR-RICHTER 1973) amweites-ten realisiert.Trotzdem sind auchdort teilweise Waldkie-fern vorzufinden. Aufder Fläche in derSchirlheide dominiertdie Waldkiefer den Be-stand. Ihr beigemischt,meist in Form einerzweiten Baumschicht,sind in Teilen Stielei-chen und Sandbirken.Auf der Untersu-chungsfläche in denKlatenbergen ist dannfast ausschließlich dieWaldkiefer bestands-bildend. Der Anteiloben genannter Laub-hölzer ist dort sehr ge-ring.

MethodenBei der angewandten Methode zur Ermitt-lung der Daten zum Nahrungserwerbsver-halten handelt es sich um freilandökologi-sche Untersuchungen ohne Eingriffe in diebeobachteten Vorgänge. Die Vorgehens-weise orientiert sich am Focal-AnimalSampling nach ALTMANN (1974; auchMÜHLENBERG 1993 beziehungsweisePECHACEK 1995). Diese wurde mit einerfesten Begangsroutine kombiniert, um al-len Teilbereichen der Untersuchungsge-biete Rechnung zu tragen. Als Einzelbeob-achtung wurde die Nutzung eines einzel-nen Nahrungssubstrates mit einer be-

stimmten Nahrungserwerbstechnik ver-standen.Bei den untersuchten Parametern handeltees sich um die Anwendung bestimmterErnährungstechniken, die Ernährungsnut-zung verschiedener Waldstraten, unter-schiedlicher Baumarten, -alter und -berei-che. Zusätzlich wurde der Aspekt der Tot-holznutzung berücksichtigt. Zentrales Element der Bewertung der ge-wonnenen Daten zur Nachfrage ist die anden verschiedenen Nahrungssubstratenverbrachte Zeit aktiver Nahrungssuche. Ei-ne Erfolgskontrolle bezüglich quantitativersowie qualitativer Aspekte tatsächlicher

Arndt Lehmann

Nahrungsökologie des GroßenBuntspechtesForschungsergebnisse aus dem östlichen Münsterland*

Der Große Buntspecht ist Bewohner aller Münsterländer Waldformen. Trotz seiner weiten ökologischenPotenz besitzt er jahreszeitlich geprägte Präferenzen für bestimmte Waldarten hinsichtlich ihrer Baumar-tenzusammensetzung und ihrer Struktur. Im Folgenden sollen die Ernährungsgewohnheiten des Bunt-spechtes zur Zeit der Jungenaufzucht im Spätfrühling beziehungsweise Frühsommer betrachtet werden.

Buntspecht mit Insektenbeute für die Fütterung der Jungvögel.Foto: R. Behlert

Page 47: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

47LÖBF-Mitteilungen 1/04

BuntspechtNahrungsaufnahme erfolgte dabei nicht.Es wurde ebenfalls keine Trennung nachAnteilen zum eigenen Verzehr beziehungs-weise zur Fütterung der Jungtiere vorge-nommen.Als Zeitfenster der Untersuchungen wur-den die Monate Mai bis Juli gewählt. Umder besonderen Situation raumzeitlicherHabitatnutzungsmuster der Brutzeit Rech-nung zu tragen, erfolgte die Trennung derBeobachtungen in spezifische von derBruthöhle ausgehende Nahrungserwerbs-aktionen und unspezifische Zufallsbeob-achtungen.Um die gewonnenen, Daten zu relativie-ren, wurde der Nachfrageseite wenn mög-lich die vorhandene Angebotssituation ge-genübergestellt. Aus den verschiedenenDaten konnten somit zum Teil absolute,zum Teil relative Ergebnisse gewonnenwerden.Die Ermittlung des Nahrungssubstratange-botes erfolgte aus eigenen Erhebungen undunter Zuhilfenahme der Forsteinrichtungs-daten. So wurden aus den Forsteinrichtun-gen Angaben zu den durchschnittlichenBaumaltern beziehungsweise dem Derb-holzbestand der unterschiedlichen forstli-chen Betriebseinheiten entnommen,während die Artmächtigkeiten (HOFMEI-STER 1997) und Totholzanteile selber er-fasst wurden (Methodik in Anlehnung anMEYER 2001).

Ergebnisse Es hat sich gezeigt, dass P.m. pinetorumzur Brutzeit beziehungsweise im Frühjahr/Frühsommer mehr Sammel- als Hack-specht ist, der seine Nahrung zum größtenTeil durch Absammeln von diversen Sub-stratoberflächen gewinnt (Abb.1). Bezüglich der Baumarten bevorzugt derBuntspecht die Stieleiche, Quercus robur,vor allen anderen bestandsbildendenBaumarten. Sie rangiert dabei häufig, je-doch nicht immer vor der Sandbirke, Betu-

la pendula. Die Wald-kiefer, Pinus sylvestris,ist zur Brutzeit keinattraktives Nahrungs-substrat. Selbst alteKiefern werden meistnur gering frequentiert.Zur Präferenz be-stimmter Altersklassenließen sich nur wenigeaussagekräftige Ergeb-nisse aus den vorlie-genden Beobachtungengewinnen. So konntekeine Bevorzugung al-ter Eichen (80 bis 120Jahre) gegenüber jün-geren Eichen ermitteltwerden. In jedem Fallwird im betrachtetenZeitraum die Bedeu-tung der Alterspräfe-renzen von der derBaumartenpräferenzenübertroffen (Tab.1).Die in den drei Gebie-ten festgestellten Tot-holzmengen sind in al-len drei Gebieten unter-schiedlich groß. So istdie Menge von etwa 11m3/ha in den Bockhol-ter Bergen am höchs-ten, gefolgt von derSchirlheide mit etwa 8 bis 9 m3/ha und denKlatenbergen mit etwa 2 bis 3 m3/ha. Die-ses Totholz wird in der Regel in weitausgrößerem Maß als relativ vorhanden ge-nutzt. Dabei bevorzugt der Buntspecht ins-besondere stehendes Totholz und Totästean lebenden Bäumen. Liegendes Totholzwurde dagegen meist in geringerem Maßenachgefragt. Die Nachfrage nach Totästenan lebenden Bäumen macht den bei wei-tem größten Teil der Nachfrage nach totemHolz aus (Abb. 2, 3). Es wurde gesondertbetrachtet, da zu diesem Totholzsegment,das von den Milieubedingungen her dem

stehenden Totholz zugerechnet wird(BURSCHEL 1992, KLAUSNITZER1996), keine befriedigende Angebotsrelati-on gegenübergestellt werden konnte. Tendenziell wurden insbesondere Totästean Kiefern in überproportionalem Maßenachgefragt. Eine ähnlich herausragendeBedeutung hat beim sonstigen stehendenTotholz die Birke. Das tote Holz der Eicherangiert in beiden Klassen jeweils dahinter.

BewertungTrotz unterschiedlichen Nahrungsangebo-tes in den diversen Waldformen konntensehr ähnliche Nutzungsmuster der ver-schiedenen Nahrungserwerbstechnikenfestgestellt werden. So kann festgestelltwerden, dass der Große Buntspecht, dergemeinhin als Hackspecht gilt, zur Zeit derJungenaufzucht im Wesentlichen zumSammelspecht wird. Das heißt, dass auchdas vermehrte Angebot an Kiefernzapfenkeine erhöhte Bedeutung für dieErnährung der Spechte zum besagten Zeit-raum hat. Dies entspricht der Bedürfnis-sowie der Angebotsstruktur. Zum einenstellt das Absammeln von Insekten einewesentlich energieökonomischere Art desNahrungserwerbs dar (erhöhter Beschaf-fungsdruck), zum anderen ist auch dasNahrungsangebot wesentlich üppiger undleichter verfügbar (phyllophage -, straten-wechselnde, und rindenbesiedelnde Insek-ten).

0 10 20 30 40 50 60 70 80%

Klatenberge Schirlheide Bockholter Berge

Abb 1: Spektrum der Nahrungserwerbstechniken von P. m. pinetorum. Grundlage bildenBeobachtungen aus den Monaten Mai bis Juli des Jahres 2002.

Absammeln

Absammelnund Hacken

Spechtschmiede - Hacken

Punktuelles Hackenohne Spechtschmiede

Durchstöbern der Bodenstreu

weitereNahrungserwerbstech.

Baumart

B1-B3Quercus robur L. A • •

B • •C • •

Pinus sylvestris L. AB • •C • •

Betula pendula A • •ROTH B • •

C • •

S 1- S 2Quercus robur L. A • •

BC

Pinus sylvestris L. A • (•)B • •C • •

Betula pendula A • •ROTH B •

C

KQuercus robur L. A •

B •C

Pinus sylvestris L. A •B •C •

Betula pendula A •ROTH B •

CN.q.= Nutzungsquotient = Nachfrage/Angebot, B1–B3 = Bockholter Berge Gesamtgebiet undNahbereich, S1–S2 = Schirlheide Gesamtgebiet und Nahbereich, K = Klatenberge Gesamtgebiet,A = Altersklasse der bis 40-jährigen Bäume, B = Altersklasse der 40–80-jährigen Bäume, C = Al-tersklasse der 80–120(+)-jährigen Bäume

Alte

rs-

klas

se

Kei

ne

N.q

. [0]

unte

rpro

p.

[N.q

. < 0

,8 ]

ausg

eglic

hen

[N.q

. 0,8

–1,2

]

über

prop

.

[N.q

. 1,2

–2]

sehr

hoc

h

[N.q

. > 2

]

Tab. 1: Darstellung der Nutzungsquotienten der Arten-Alters-fraktion nach fünf Nutzungsklassen für alle Untersuchungsge-biete. Grundlage bilden die Nachfrage-Angebot-Relationenvon P. m. pinetorum aus den Monaten Mai bis Juli des Jahres2002.

Klatenberge Schirlheide Bockholter Berge

Page 48: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

48 LÖBF-Mitteilungen 1/04

BuntspechtDie starke Präferenz der Eiche lässt sichdurch das im Vergleich zu den anderenBaumarten größere Spektrum an Arten er-klären, die auf diesem Nahrungssubstratvorgefunden werden können (NICOLAI1985, OTTO 1994). Gleichzeitig ist die In-dividuenzahl dort höher als an den anderenhier untersuchten Baumarten (NICOLAI1990). Der Nahrungserwerb kann also miteinem verbesserten Aufwand/Nutzen-Ver-hältnis betrieben werden. Trotzdem wurdeteilweise, wenn auch nicht im Allgemei-nen, die Birke der Eiche vorgezogen. Eineeindeutige Begründung für dieses Verhal-ten konnte nicht gefunden werden. Es istjedoch damit zu rechnen, dass individuelleNutzungspräferenzen eine zusätzlicheRolle bei der Wahl der Nahrungssubstratespielen.Gegenüber der klaren Artenrangfolgekonnte keine wesentliche Bevorzugung äl-terer Bäume gegenüber jüngeren festge-stellt werden. Bei der Betrachtung mögli-cher Ursachen ist ein detailliertere Be-trachtung der verschiedenen Nahrungssub-strate an einem Baum von Bedeutung. Sosind im Wesentlichen das Blattwerk (in-klusive der Blütenorgane), Stamm undÄste sowie Totäste zu unterscheiden. Dasbesondere Kennzeichen älterer Bäume, ei-ne rissigere, tiefere und mit mehrSchwachstellen überzogene Oberfläche(KLAUSNITZER 1996, NICOLAI 1985)ist im Sommerhalbjahr nicht von der Be-deutung, die es im Winterhalbjahr besitzen

mag. Auch hier kommtdie bereits erwähnte„Angebotskonkurrenzder Nahrungssubstrate“ins Spiel, in diesem Fallmit der Bedeutung desBlattwerks als Nah-rungssubstrat. Die An-gebotskonkurrenz fälltdeshalb besonders insGewicht, da der ubi-quitäre Buntspecht alswenig festgelegter Nut-zer seines Habitates gilt(BLUME 1997,GLUTZ et al. 2001).Ähnliches fand JENNI(1983) heraus. Er konn-te nachweisen, dass im Winter tote Äste anEichen ein wichtiges Kriterium der Präfe-renz für Eiche darstellen, während diese imSommerhalbjahr, mit beginnendem Laub-austrieb, von lebenden Ästen beziehungs-weise Laubwerk abgelöst werden. Der Nahrungserwerb an Totholz nimmt inallen Gebieten eine besondere Position ein.Zwar konnten unterschiedliche Mengen anTotholz vorgefunden werden, jedoch wur-den diese ausnahmslos in größerem Maßegenutzt als relativ vorhanden. Die Ausnut-zung des toten Holzes lag in der Regel imBereich vom 1,5-fachen bis zum 10-fachendes Ressourcenangebotes, war dabei abernicht mit der steigenden oder sinkendenAbsolutmenge korreliert. Auch das Tot-

holz stellt ein ver-gleichsweise einfach zubearbeitendes Nah-rungssubstrat dar. Jenach Zersetzungsgradist die Festigkeit in nurnoch geringem Maßegegeben. Gleichzeitigdient es einer immergrößeren Zahl vonKerbtieren als Lebens-raum, somit recht ein-facher beziehungswei-se leichter Beute fürden Buntspecht. Trotzdieser Ergebnisse be-sitzt das Totholz in denvorliegenden Untersu-chungen nicht den Stel-lenwert, den es in ande-ren Untersuchungeneinnimmt (unter ande-rem PECHACEK1995, SCHERZINGER1996). So liegt die ab-solute Gesamtnutzungdes Totholzes als Nah-rungssubstrat in denvorliegenden Untersu-chungen nicht über 15Prozent am zusammen-gefassten Nahrungser-werb an Totholz und le-benden Bäumen und

Sträuchern. Auch in diesem Fall muss diegegenüber anderen Jahreszeiten geänderteAngebotssituation in Betracht gezogenwerden. JENNI (1983) konnte im Som-merhalbjahr größere Substratartendiver-sität nachweisen sowie eine gleichmäßige-re Verteilung der Präferenzen seiner beob-achteten Buntspechte auf diese Angebots-fülle. Insgesamt kann Totholz auch zurBrutzeit als wichtiger und unverzichtbarerBestandteil der Spechternährung festge-stellt werden. Bei der detaillierteren Untersuchung derTotholznutzung nach den Totholzarten be-ziehungsweise Klassen „stehendes Tot-holz“, „liegendes Totholz“ und „Totäste anlebenden Bäumen“ konnten weitere inter-essante Erkenntnisse gewonnen werden.So scheinen Totäste an lebenden Bäumendie größte Bedeutung aller drei Totholzar-ten für die Ernährungsnutzung zu haben. In der Literatur werden Totäste an leben-den Bäumen bei vielen waldkundlichenUntersuchungen zum Thema Totholz meistnicht im Besonderen betrachtet (UT-SCHICK 1991, RAUH & SCHMIDT1991). Eher selten finden sich Aussagen zuseiner Bedeutung (BURSCHEL 1992,KLAUSNITZER 1996). Totäste werdenvom Buntspecht zu vielen verschiedenenZwecken genutzt (BLUME 1990, 1993);in Bezug auf die Ernährung sowohl zurNahrungssuche an sich als auch, in indi-rekter Form, zur Anlage von Specht-schmieden. Neben dem meist trockenenund warmen Milieu, als Lebensraum füreine vielfältige Beutetierfauna, kann einweiterer Grund der Attraktivität der Totästedarin liegen, dass die Imagines xylophagerInsekten sich von dem Blattwerk der Bäu-me ernähren, in deren toten Ästen ihre Lar-ven einen Lebensraum gefunden haben.Die Kombination aus zweifachem Nah-rungsangebot könnte von zusätzlichemVorteil für effizientere Ernährung sein. Ins-gesamt muss jedoch berücksichtigt wer-den, dass die Ergebnisse zur Nutzung vonTotästen relativ sind, da jegliche Ange-botsrelation fehlt. Unabhängig davon stellt sich die Frage, obTotästen, denen zweifelsohne eine beson-

Nachfrage Gesamtgebiet Bockholter Berge

Nachfrage GesamtgebietSchirlheide

Nachfrage Bockholter Ber-ge, Nahbereich Ostbrutpaar

Nachfrage Bockholter Ber-ge, NahbereichWestbrutpaar

17%

20%63%

44%56%

92%

8%

51%

41%

8%

Abb. 2: Nutzung verschiedener Totholzarten zum Nahrungser-werb durch P. m. pinetorum in Untersuchungseinheiten derBockholter Berge und der Schirlheide. Grundlage bilden Beob-achtungen aus den Monaten Mai bis Juli des Jahres 2002.

Abb. 3: Nutzung verschiedener Totholzarten zum Nahrungser-werb durch P. m. pinetorum im Gesamtdurchschnitt aller un-tersuchten Gebiete. Grundlage bilden Beobachtungen aus denMonaten Mai bis Juli des Jahres 2002.

liegendes Totholz

stehendes Totholz

Totholzäste anlebenden Bäumen

33%

61%

6%

Page 49: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

49LÖBF-Mitteilungen 1/04

Buntspechtdere Rolle im Bereich der Ernährungsnut-zung durch den Großen Buntspecht zu-kommt, nicht auch vermehrt Berücksichti-gung in waldbaulicher Planung finden soll-te.Die Bevorzugung von stehendem Totholzdeckt sich weitgehend mit Untersuchun-gen anderer Autoren. Durch ein ähnlichgünstiges Milieu, wie bei den Totästen,kann auch hier ein größeres Spektrum derBeutetierarten (auch UTSCHICK 1991 &PECHACEK 1995 mit gleichem Ergebnis)als Attraktionsursache gesehen werden. Die Totholznutzung nach Baumarten er-gibt ein insgesamt weniger eindeutigesBild. Auch hier kann von einem größerenArtenspektrum der Beutetiere an totemLaubholz gegenüber totem Nadelholz(AMMER 1991) ausgegangen werden. Diebesondere Bedeutung von Kieferntotästenstützt sich insbesondere auf deren Eignungzur Einrichtung von Spechtschmieden.Was die Totäste dieser Baumart von denender anderen hier betrachteten Baumartenunterscheidet, ist nicht hinreichend ge-klärt. Eine verschiedenartige Holzqualitätkann ebenso in Frage kommen, wie derAspekt der Traditionsbildung ebenfalls ei-ne Rolle spielen kann. Da in der restlichenZeit des Jahres Kiefernzapfen eine wesent-lich größere Bedeutung zur Ernährung derBuntspechte besitzen, könnten einmal ein-gerichtete Spechtschmieden auch in derBrutzeit von Bedeutung sein (MEYER-DING 1967). Ähnlich eindeutige Ergeb-nisse waren von der Birke in Form von ste-hendem Totholz zu ermitteln. Eine eindeu-tige Klärung der Ursachen konnte hiernicht erfolgen. So kann ein absolut häufi-geres Vorhandensein Grund für eine bevor-zugte Nutzung dieser Baumart sein. Mehr-fach wurde beobachtet, dass der GroßeBuntspecht seine Nahrungssuche anhand

bestimmter Suchschemata vollzog, bei derin einer Folge Nahrungssubstrate gleicherArt bevorzugt angeflogen wurden. Dieskönnte im Zusammenhang mit deutlichgrößeren Mengen toten Birkenholzes in al-len drei Untersuchungsgebieten zu beob-achteter Präferenz geführt haben. Insge-samt lässt sich sagen, dass das Vorhanden-sein und die Erscheinungsform des Tothol-zes wichtiger zu sein scheint als die Artfra-ge.Unter Berücksichtigung aller ermitteltenErgebnisse kann die am Anfang gestellteFrage nach den Präferenzen in der Regelim Sinne der erwarteten Bevorzugung vonLaubwaldelementen beantwortet werden.Diese bieten zusammen mit dem vorhan-denen Totholz günstigere und effizientereMöglichkeiten der Nahrungsbedarfs-deckung zur Brutzeit. Die Stärke der Kie-fern liegt im betrachteten Zeitraum insbe-sondere in der Nutzbarkeit ihrer toten Äste.

LiteraturALTMANN, J. (1974): Observational Study ofbehaviour; sampling methods. Behaviour 49, S.227–267.

AMMER, U. (1991): Konsequenzen aus den Er-gebnissen der Totholzforschung für die forstli-che Praxis. Forstw. Cbl. 110, S.149–157.

BLUME, D. (1990): Die Bedeutung des Alt-und Totholzes für heimische Spechte – Folge-rungen für die Forstwirtschaft. NZ NRW Semi-narberichte 10, S. 48–50.

BLUME, D. (1993): Die Bedeutung von Alt-und Totholz für unsere Spechte. Beih. Veröff.Naturschutz Landschaftspflege Bad.-Württ. S.157–162.

BLUME, D. (1997): Die Buntspechte: GattungPicoides. Die neue Brehm-Bücherei; Bd. 315,Westarp Wissenschaften, Magdeburg.

BURSCHEL, P. (1992): Totholz und Forstwirt-schaft. AFZ 21, S. 1143–1146.

BURRICHTER, E. (1973): Die potentiellenatürliche Vegetation in der Westfälischen

Bucht. Selbstverlag der Geographischen Kom-mission Münster (Westfalen).

CONRADS, K. (1967): Die Spechte in Westfa-len-Lippe. Berichte des Naturwissenschaftli-chen Vereins Bielefeld, S. 25–115.

GLUTZ VON BLOTZHEIM, U. N., BAUER,K. M. & BEZZEL, E. (2001): Handbuch derVögel Mitteleuropas auf CD-Rom. Band 9, Li-zenzausgabe Vogelzug Verlag im HumanitasBuchversand, Wiebelsheim.

HOFMEISTER, H. (1997): Lebensraum Wald.Parey, Berlin.

JENNI, L. (1983): Habitatnutzung, Nahrungs-erwerb und Nahrung von Mittel- und Bunts-pecht (Dendrocopos medius und D. major) so-wie Bemerkungen zur Verbreitungsgeschichtedes Mittelspechts. Orn. Beob. 80, S. 29–57.

KLAUSNITZER, B. (1996): Gesunder Waldbraucht totes Holz – Alt- und Totholz als Grund-lage einer hohen Biodiversität. Insecta 4, Natur-schutzbund Deutschland/ BundesfachausschussEntomologie, Berlin, S. 5–22.

MEYER, P., ACKERMANN, J., BALCAR, P.,BODDENBERG, J., DETSCH, R., FÖRSTER,B. FUCHS, H., HOFFMANN, B., KEITEL, W.,KÖLBEL, M., KÖTHKE, C., KOSS, H., UN-KRIG, W., WEBER, J. & WILLIG, J. (2001):Untersuchung der Waldstruktur und ihrer Dyna-mik in Naturwaldreservaten. IHW, Eching.

MÜHLENBERG, M. (1993): Freilandökologie.3. Aufl., Ulmer, Heidelberg und Wiesbaden.

MEYERDING, M., P., D. (1967): Werkzeugeder Spechte. Ardea 55, S. 91–110.

NICOLAI, V. (1985): Die ökologische Bedeu-tung verschiedener Rindentypen bei Bäumen.Dissertation der Universität Marburg.

NICOLAI, V. (1990): Die Auswirkungen vonSukzessionsprozessen in Waldökosystemen aufdie Arthropodengemeinschaften im Stammbe-reich und deren Bedeutung für die Forstpla-nung. NZ NRW Seminarberichte 10, S. 43–47.

OTTO, H.-J. (1994): Waldökologie. UlmerStuttgart.

PECHACEK, P. (1995): Spechte im National-park Berchtesgaden. Forschungsbericht 31 Na-tionalpark Berchtesgaden.

RAUH, J., & SCHMITT, M. (1991): Methodikund Ergebnisse der Totholzforschung in Natur-waldreservaten. Forstw. Cbl. 110, S. 114–127.

SCHERZINGER, W. (1996): Naturschutz imWald. Ulmer, Stuttgart.

UTSCHICK, H. (1991): Beziehungen zwischenTotholzreichtum und Vogelwelt in Wirtschafts-wäldern. Forstw. Cbl., Nr.110, S.135–148.

* Kurzfassung einer Diplomarbeit am Institutfür Landschaftsökologie der Westfälischen Wil-helms-Universität Münster; Betreuer: Prof. Dr.H. Mattes, Forstdir. Dr. B. Leder.

Anschrift des VerfassersDiplom-Landschaftsökologe Arndt LehmannJoseph-König-Str. 2948147 MünsterE-Mail: [email protected]

ZusammenfassungIm östlichen Münsterland sind weiteTeile potenziellen Eichen-Birkenwald-Gebietes von Kiefernwald bestockt. DerGroße Buntspecht kommt in beidenWaldformen vor, bevorzugt jedoch zurBrutzeit den Laubwald beziehungsweisedie Laubwaldbereiche oder -elemente.Zur Erforschung möglicher Verhaltens-unterschiede bei der Nahrungssuche imbesagten Zeitraum beziehungsweise derunterschiedlichen Nutzbarkeit der ver-schiedenen Waldformen wurden frei-landökologische Beobachtungen durch-geführt. Es konnte nachgewiesen wer-den, dass die Stieleiche und die Sandbir-ke, wo vorhanden, genutzt und gegenü-ber der Waldkiefer bevorzugt wordensind. Das Totholz als Nahrungssubstratspielte in allen Untersuchungsgebieteneine ähnlich wichtige Rolle, wobei esbesonders auf die Erscheinungsformund teilweise auf die Baumart ankommt.

Spechthöhle. Foto: M. Wengelinski

Page 50: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

50 LÖBF-Mitteilungen 1/04

NaturschutzgesetzPeter FISCHER-HÜFTLE & J. SCHU-MACHER: Bundesnaturschutzgesetz,Kommentar. Kohlhammer (2003). 700Seiten mit CD-ROM. Fester Einband,Fadenheftung, Preis 109 G, ISBN 3-17-017601-3.Das Werk enthält die vollständige Kom-mentierung des novellierten Bundesnatur-schutzgesetzes und geht ausführlich aufdie in der Novellierung enthaltenen Ände-rungen ein. Durch seinen interdiszi-plinären Ansatz wird eine inhaltliche Ver-knüpfung von Sach- und Rechtsfragen er-reicht, so dass der Kommentar eine wert-volle Arbeitshilfe für die Praxis darstellt.Dem Kommentar liegt eine CD-ROM bei,auf der sich das neue und alte Bundesna-turschutzgesetz mit einer synoptischen Ge-genüberstellung, die jeweiligen Landesna-turschutzgesetze sowie die Bundesarten-schutzVO, Vogelschutz- und FFH-Richtli-nie befinden.

WaldgesetzSCHAEFER, VANVOLXEM: Landes-waldgesetz (LWaldG) Rheinland-Pfalz,Kommentar, 2. Auflage 2001, Stand2003, Komunal- und Schulbuchverlag(Wiesbaden), Loseblattausgabe, 450Seiten, Format 16,5 x 23,5 cm, Preiseinschließlich Kunststoffordner 48,20 G,ISBN 3-8293-0498-6. Nahezu die Hälfte der Waldfläche inRheinland-Pfalz befindet sich im Eigen-tum von Städten und Gemeinden; dieskennzeichnet die große Bedeutung derkommunalen Forstwirtschaft des Landes.

Mit dazu fast 30 Prozent Staatswald undca. 25 Prozent Privatwald nimmt Rhein-land-Pfalz unter allen Bundesländern eineSonderstellung ein. Das neue Landeswald-gesetz und die Landesverordnung zurDurchführung des Landeswaldgesetzessind am 1. Januar 2001 in Kraft getreten.Damit hat sich in Rheinland-Pfalz einevollständige Neuregelung des Landes-waldgesetzes vollzogen. Der in zweiter Auflage gänzlich neueKommentar Landeswaldgesetz (LWaldG)Rheinland-Pfalz ist jetzt mit Stand 2003 er-schienen. Aus praktischen Erwägungenwurde der Kommentierung der Gesetzes-text im Zusammenhang vorangestellt. Durch die Loseblattform im Kunststoff-ordner ist sichergestellt, dass das Landes-waldgesetz (LWaldG) Rheinland-Pfalzstets zeitnah und preisgünstig aktualisiertwerden kann und seinen praktischen Nut-zen somit auf Dauer behält.

Hoher ökologischerStellenwertBernhard FREYER: Fruchtfolgen,Preis: 29,90 G / 49,50 sFr / 30,80 G (Öster-reich), Stuttgart: Verlag Eugen Ulmer,2003-06-23, ISBN 3-8001-3576-0.Die Möglichkeiten der Fruchtfolgegestal-tung sind äußerst vielfältig und auf den ers-ten Blick nicht einfach zu überschauen.Das Buch „Fruchtfolgen“ beschreibt unter-schiedlichste Fruchtfolgesysteme und er-läutert unter anderem deren Beziehungenzum Boden, dem Schaderreger- und Bei-krautaufkommen. Es unterstreicht die Be-deutung der Fruchtfolge für eine umwelt-gerechte Pflanzenproduktion.Das Buch ist als Ratgeber und Nachschla-gewerk für Praktiker, Berater, Studierendeund Lehrende konzipiert, welche ein tiefe-res Verständnis für Fruchtfolgen ent-

wickeln oder auf ihrem Betrieb ihreFruchtfolge analysieren und planen wol-len. Dazu werden die Grundlagen derFruchtfolgegestaltung im Allgemeinenund der drei Produktionssysteme – kon-ventionelle, integrierte und ökologischeLandwirtschaft – im Speziellen beschrie-ben. Wer von einem auf das andere Pro-duktionssystem, z. B. von konventionellauf ökologisch wechseln möchte, findetentsprechende Hinweise zur Anpassungder Fruchtfolge.Landwirte, die weitgehend auf die Einhal-tung einer Fruchtfolge verzichten, findenEntscheidungshilfen für die Auswahl vonKulturen, welche bei ökonomisch gleich-wertigen Bedingungen pflanzenbaulichund ökologisch von Vorteil sind. Darüberhinaus werden die Bedeutung der Frucht-folge für die Sicherung der Bodenfrucht-barkeit, die Vermeidung bzw. Vorbeugungvor Verunkrautung und dem Auftreten vonSchaderregern, die Ertragssicherheit unddie Wirtschaftlichkeit erläutert. Das Buchrichtet sich somit an Interessierte unter-schiedlichster Landbaumethoden.

Textsammlung zumArtenschutzrechtGerhard EMONDS: ArtenschutzrechtArtSchR und einschlägige Vorschriftendes Jagd-, Tierschutz-, Tierseuchen undPflanzenschutzrechts. Textsammlung. 2.Auflage. 3994 Seiten, 128 G. C. F. MüllerVerlag, Hüthig Fachverlage, Heidelberg(www.huethig.de), ISBN 3-8114-4170-1.Die 50. Ergänzungslieferung, Stand De-zember 2003, 184 Seiten, Best.-Nr.:81144170050, ist für 57,20 G erhältlich.Das Werk stellt eine wertvolle Informati-onsquelle für alle dar, die mit der Materiedes Artenschutzes befasst sind. Die Samm-lung beinhaltet alle nötigen Informationenzum Washingtoner Artenschutz-Überein-kommen, wie beispielsweise Beschlüsseund Empfehlungen der Vertrags-Staaten-Konferenzen, alle relevanten Texte zumNaturschutzrecht (EG-, Bund- und Länder-ebene sowie internationale Konventionen).Außerdem sind Auszüge aus dem Jagd-,Tierschutz- und Pflanzenschutzrecht ent-halten.

Forstliche StandortkundeDietrich KOPP & WaltherSCHWANECKE: Standörtlich-na-turräumliche Grundlagen ökologiege-rechter Forstwirtschaft. Verlag Dr. Kes-sel, Remagen, Reprint der Originalaus-gabe von 1994, 2003, 262 Seiten, Preis 29G; ISBN: 3-935638-28-9.Das Buch enthält eine Zusammenstellungdes methodischen Ansatzes der forstlichen

Buchbesprechungen

Page 51: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

51LÖBF-Mitteilungen 1/04

Standorterkundung in den fünf neuen Bun-desländern bzw. der ehemaligen DDR. Esist klar in sechs Kapitel gegliedert. Ergänztist die Schrift durch drei Karten, auf denenErgebnisse der forstlichen Standorterkun-dung abgebildet sind, und durch einenAuszug aus dem Basisteil des Legenden-bandes zur mittelmaßstäbigen Naturraum-karte.Die Forstwirtschaft ist in starkem Maßegezwungen, die Bewirtschaftung der Wäl-der an den natürlichen Gegebenheiten aus-

führen zu können, werden Standortformenzu Standortmosaiken zusammengefasst.Welche waldbaulichen Möglichkeiten aufdieser standörtlichen Basis möglich sind,wird ausführlich in dem Buch beschrieben.Hinzuweisen ist darauf, dass mit diesemVerfahren nahezu der gesamte Wald in denneuen Bundesländern kartiert wurde.Das Buch ist ein Methoden-Handbuch. Alssolches ist es trotz seiner klaren Gliede-rung nicht leicht zu lesen. Zudem setzt eserhebliche Grundkenntnisse auf dem Ge-biet der Standortkunde voraus. Für im Be-reich der Standortkunde und Landschafts-analyse Tätige kann das in dem Buch be-schriebene Verfahren, das von den in denalten Bundesländern entwickelten Metho-den der forstlichen Standorterkundungdeutlich abweicht, ein Gewinn für eigeneArbeiten sein. N. Asche

Eine jetzt vom Institut für Landwirtschaftund Umwelt (ilu) in Bonn veröffentlichteStudie1) belegt die Bedeutung von Bioto-pen wie Hecken, Feldrainen oder Graben-systemen in der Kulturlandschaft. Sie bie-ten ebenso wie im Vertragsnaturschutz be-wirtschaftete bzw. gepflegte Flächen wert-volle Lebensräume für die Tier- und Pflan-zenwelt. Nach Ansicht der Autoren dieserStudie ist jedoch entscheidend, dass solcheStrukturelemente nur geringen Eingriffen– z. B. durch Pflegemaßnahmen wie eineMahd – unterliegen. Neben einer zeitlichgestaffelten Mahd biete es sich auf solchenArealen sogar an, Pflegemaßnahmen even-tuell nur alle zwei bis drei Jahre durchzu-führen. ilu

Buchbesprechungen

zurichten. Nach Ende des Zweiten Welt-krieges war das Ziel, die Kahlflächen mitstandortgerechten Waldbäumen wieder zubestocken. Um dies realisieren zu können,war eine großmaßstäbige Standorterkun-dung in einem kombinierten Verfahren er-forderlich. Die Kartierung und die Metho-denentwicklung wurde in der ehemaligenDDR von drei Zentren (Jena, Tharandt,Eberswalde) durchgeführt. Dabei wurdedas Verfahren in mehreren Schritten wei-terentwickelt und letztlich zu einer Natur-raumerkundung im weiteren Sinne ausge-baut.Das Verfahren gliedert sich in drei Stufen:die Grundlagenerfassung, eine forstökolo-gische und forsttechnologische Bewertungder erfassten Grundlagen und waldbauli-che Auswertungen bzw. Empfehlungen.Bei der Grundlagenerfassung wird für dieStandortelemente eine Stammform (wenigveränderliche Merkmale) und eine Zu-standsform (leicht veränderliche Merkma-le) erfasst und kartografisch getrennt abge-bildet. Aus der Gegenüberstellung derStammform und der Zustandsform könnennutzungsbedingte Abweichungen erkanntund bewertet werden. Um waldbaulicheAuswertungen auch für größere Räume(Wuchsbezirke, Wuchsgebiete u. a.) mit ei-nem überregional gültigen Rahmen durch-

Hecken, Feldraine,Gräben & CoC. ALBRECHT, T. ESSER, J. WEG-LAU, & H. KLEIN 2002: Vielfalt derTierwelt in der Agrarlandschaft – Er-gebnisse des Projektes „Lebendige Na-tur durch Landwirtschaft“. Heft 4/2002der ilu-Schriftenreihe. 160 Seiten, 27Abbildungen, Preis 10,70 G zzgl. 1,30 GVersandkosten. Bezug über die FILGmbH, Konstantinstraße 90, 53179Bonn, per Fax unter 02 28/9 79 93 40oder per E-Mail unter [email protected], Flurbereinigung, Flächen-versiegelung und die Nutzung bzw. der Ab-bau natürlicher Ressourcen sind nur einigeder Ursachen, die im Zusammenhang mitdem Rückgang verschiedener Tier- undPflanzenarten diskutiert werden. Als denmit weitem Abstand wichtigsten Flächen-nutzern kommt dabei naturgemäß derLand- und Forstwirtschaft eine herausra-gende Bedeutung zu. Allerdings stellt derBonner Geobotaniker Prof. Dr. WolfgangSchumacher dazu fest: „Keine Form derheutigen Landwirtschaft – weder die öko-logische noch integrierte/konventionelle –ist in der Lage, die regionaltypische Biodi-versität auch nur annähernd systemimma-nent zu erhalten. Dies trifft – in abge-schwächter Form – auch für die Forstwirt-schaft zu.“Daher könnten Erhaltung und Förderungder Artenvielfalt unserer Kulturlandschaf-ten heute in der Regel nur durch eine ent-sprechende Honorierung erreicht und dannauf größerer Fläche von der Land- undForstwirtschaft umgesetzt werden. „DieLandnutzer sind hierzu in viel größeremUmfang bereit, als manchmal vermutetwird“, so der Wissenschaftler. Es sei je-doch von entscheidender Bedeutung, dassgesellschaftlich erwünschte ökologischeLeistungen auch leistungsgerecht hono-riert würden.

AK Stadtökologie zumThema Stadtnatur R. WITTIG, (Hrsg.): Nutzbarkeit undAttraktivität von Stadtnatur. Geobot.Kolloq. 16. Verlag Natur & Wissen-schaft. Frankfurt a. M. 2001. ISBN 3-927889-88-1.Nicht nur die Nutzbarkeit von Stadtnaturim Sinne von Freiraumnutzung war einzentrales Thema des 7. Arbeitstreffens desArbeitskreises Stadtökologie, das bereitsim Oktober 99 stattfand. Auch die Um-weltbildung, sowohl in der Schule als auch„auf der Straße“ standen dabei im Mittel-punkt des Interesses. Allen Vorträgen istgemein, dass vermehrt anthropozentrischeAspekte in den Naturschutz mit einbezo-gen werden. Die Akzeptanz des Stadtna-turschutzes, der sich momentan in einer„Krise“ befände, könne dadurch erhöhtwerden.Prof. Gerhardt, Uni Bielefeld, behandelt inihrem Vortrag das Thema Stadtökologie im

Page 52: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

52 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Biologieunterreicht der Sekundarstufe Iund II. Die Autorin weist auf die Wichtig-keit von praktischen Übungen in Freilandund Labor hin. Nur so könne den Schülernein vertieftes Verständnis ökologischerPhänomene und Zusammenhänge vermit-telt werden. Sie gibt einen kurzenÜberblick über Konzepte, Sachinformatio-nen und Arbeitsmaterialien für die praxis-orientierte Schülerarbeit im LebensraumStadt.Auch der zweite Vortrag greift die Um-weltbildung als Thema auf. Da immermehr Menschen in Städten leben und jederEinzelne auf die sozialen, ökonomischenund ökologischen Verhältnisse urbanerRäume einwirkt, müsse, so Prof. Zucchivon der FH Osnabrück, die Aufgabe derUmweltbildung sein, auf die Art und Wei-se dieser Einwirkungen einzugehen. DieGroßstadt selbst biete hierfür hervorragen-de Rahmenbedingungen: Sie verfügt überdie höchste Konzentration an Menschenaller Schichten und Altersgruppen, sie hältein hohes Potenzial an „Umweltsachver-halten“ vor, und sie verfügt über die größ-te Dichte an Institutionen, Organisationenund Personen, die Träger der Umweltbil-dung sein können. Der Autor stellt zwölfLeitlinien zur Diskussion und beschreibtihre Anwendbarkeit im großstädtischenUmfeld.Am Beispiel der Stadt Halle/Saale wird ei-ne Notwendigkeit zur Neuorientierung desStadtnaturschutzes aufgezeigt. Dieser sol-le die Bedürfnisse des Stadtmenschen undseine Ansprüche an Natur und Grün in derStadt stärker einbeziehen. Stadtgrünnut-zung müsse ein Bestandteil des täglichenLebensablaufs in der Wohnumgebung blei-ben bzw. wieder werden. Die Auswertungvon Lokale-Agenda 21-Prozessen inMünster und Nürnberg ergab, dass die Be-deutung der urbanen biologischen Vielfaltals sehr hoch angesehen wird. Trotzdemspielt das Thema bei laufenden Agenda 21-Prozessen nur eine untergeordnete Rolle.Als „tradierter Begriff sei der Naturschutzaußer Mode“ gekommen. Sein anthropo-zentrischer, ökologische, aber eben auchökonomische wie soziale Aspekte ein-schließender Auftrag müsste aber durchdie Nachhaltigkeitsdebatte Auftrieb erhal-ten. Lösungsansätze werden diskutiert.Darauf folgte ein Vorschlag zur systemati-schen Erfassung von Nutzung und Attrak-tivität von Stadtnatur. Im Mittelpunkt ste-hen die Erfassung von „Naturphänome-nen“, d. h. die Erlebnisfähigkeit von Stadt-natur, sowie die naturbezogenen Freizeit-aktivitäten. Eine engere Kooperation vonNatur- und Kulturwissenschaftlern/-innenwird vom Autor angeraten.Der letzte Vortrag schließlich überprüftzehn Jahre nach einer BUGA in Frankfurtden Volkspark Niddatal hinsichtlich seinerZielerreichung. Die unmittelbar auf denMenschen bezogenen Planungsziele seien

durchweg erreicht worden. Bei den auf dieNatur abzielenden Vorstellungen seien al-lerdings Abstriche festzustellen. So beste-he der ökologische Wert vorrangig in derBewahrung des Areals vor der Bebauung.Doch werden auf längere Sicht gute Chan-cen für eine für urbane Verhältnisse natur-nahe Entwicklung gesehen.

C. Seidenstücker

kommentiert. Außerdem wurden Spezial-gebiete wie beispielsweise die Verkehrssi-cherungspflicht für Naturdenkmale und imErholungswald völlig neu bearbeitet.Im fachlichen Teil werden die für die Ver-kehrssicherungspflicht maßgeblichen Re-gelwerke wie DIN 18920, RAS-LP 4 undZTV-Baumpflege beschrieben. Die Praxisder Baumkontrollen wird besonderes ein-gehend behandelt. Die eingehende Unter-suchung ist auf eine Auflistung der heutemöglichen Verfahren bzw. Messtechnikenbeschränkt. Abschließend werden die An-forderungen an ein Baumsicherheitsgut-achten aufgezeigt.„Verkehrssicherungspflicht bei Bäumenaus rechtlicher und fachlicher Sicht“ hatsich zu einem Standardwerk in der Fachli-teratur entwickelt. Für jeden, der beruflichoder privat mit der Verkehrssicherheit vonBäumen zu tun hat, ist dieses Buch einewertvolle Hilfe.

Buchbesprechungen

Verkehrssicherungs-pflichtHelge BRELOER: Verkehrssicherungs-pflicht bei Bäumen aus rechtlicher undfachlicher Sicht, Schriftenreihe Bäumeund Recht Band 2: 6. aktualisierte undstark erweiterte Auflage 2003, Tha-lacker Verlag, Braunschweig, Braun-schweig 2003, ISBN 3-87815-199-3, 144Seiten, 19 G.Wenn es zu Unfällen durch umstürzendeBäume oder abbrechende Äste kommt,muss geklärt werden, ob eine Verletzungder Verkehrssicherungspflicht vorliegt undwer in welchem Umfang haftet. In der 6.,überarbeiteten Auflage von Band 2 derReihe „Bäume und Recht“ beantwortet dieAutorin, Helge Breloer, diese Fragen undstellt dabei eine Verbindung zwischenBaumfachleuten und Juristen her. DerBaumfachmann erfährt hier die rechtlichenHintergründe der Verkehrssicherungs-pflicht und der Jurist die fachlichen Vorga-ben einschließlich einer umfangreichenRechtsprechungssammlung.Den größten Platz im Buch nimmt derrechtliche Teil ein, der viele und vor allemneuere Urteile zur Verkehrssicherungs-pflicht bis zum letzten Urteil des BGH vom21. März 2003 erläutert. Stets wird dieRechtsprechung auch aus fachlicher Sicht

Generationen-gerechtigkeitSTIFTUNG FÜR DIE RECHTEZUKÜNFTIGER GENERATIONEN(Hrsg.): Handbuch Generationenge-rechtigkeit, bearbeitet von Jörg Trem-mel, 512 Seiten; 25 G; ökom verlag Mün-chen 2003, 2. überarbeitete Auflage,ISBN 3-936581-09-6.Die in den letzten Jahren mehrfach mitPreisen und Anerkennung ausgezeichneteStiftung möchte mit dem vorgelegtenHandbuch nicht nur auf sich selbst auf-merksam machen, sondern vor allem auch

Atlas der AgrarstrukturCorinna ZERGER und Guido HAAS:Atlas und Analyse: Agrarstruktur undÖkologischer Landbau in Nordrhein-Westfalen, 2003, ISBN 3-89574-482-4,46 farbige Karten, 17 Abbildungen, 90Seiten, 34 G.Aufgrund seiner systemimmanent umwelt-verträglicheren Erzeugung kommt inNordrhein-Westfalen der verstärkten Um-stellung auf ökologischen Landbau einebesondere Bedeutung zu. In einem aktuel-lem und vom Institut für OrganischenLandbau der Universität Bonn präsentie-ren Kartenwerk werden die landwirtschaft-lichen Rahmen- und Kenndaten zu Boden,Klima, Umwelt, Ökonomie und Produkti-on dargestellt, die Ursachen für das deutli-che Nordwest-Südost-Gefälle der ökolo-gisch bewirtschafteten Fläche analysiertund die systembedingten Unterschiede inAckerbau und Tierhaltung bei konventio-nellem und ökologischem Landbau her-ausgearbeitet.

Page 53: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

53LÖBF-Mitteilungen 1/04

dem komplexem Thema eine ausführlicheDiskussion und Klärung zukommen las-sen. Generationengerechtigkeit wird dabeials geistiges Leitmotiv und Schlüsselthe-ma unserer Gesellschaft in den nächstenJahren verstanden. Je weiter die Folgen desmenschlichen Handelns in die Zukunft rei-chen, desto dringlicher werden die Forde-rungen nach einer neuen Ethik, die auchdie Rechte nachrückender Generationenberücksichtigt und dies nicht nur in ökolo-gischer Hinsicht.Der erste Teil des Buches nähert sich mitseinen Beiträgen einer begrifflichen Defi-nition und inhaltlichen Klärung des viel-schichtigen Begriffs der Generationenge-rechtigkeit. In seinem Beitrag sprichtTREMMEL vorsichtig von „dem Versucheiner Definition“ und stellt deutlich dabeidie Überlappung und die Abgrenzung zumBegriff „Nachhaltigkeit“ heraus mit derEmpfehlung, „Nachhaltigkeit“ in der wis-senschaftlichen Diskussion nicht mehr oh-ne erklärendes Adjektiv zu verwenden.Der zweite Teil des Buches untersucht, wiegenerationsgerechte Politiken konkret aus-sehen könnten. Dabei wird erneut der Fa-cettenreichtum des Themas beleuchtet mitAusführungen zur generationsgerechtenPolitik bei einer „guten Gouvernanz“, inder Umwelt-, Finanz-, Bildungs-, Kultur-,Gesundheits- und Energiepolitik. In sei-nem Beitrag erläutert KREIBICH das„Prinzip der Generationengerechtigkeit“als eine zusammenfassende Zukunftsstra-tegie, wobei im Umweltbereich eine weit-gehende Übereinstimmung mit der „ökolo-gischen Nachhaltigkeit“ besteht.Vorschläge zu einer institutionellen Veran-kerung des Prinzips greift der abschließen-de dritte Teil auf. Dabei sind hier die vi-sionärsten Beiträge entstanden, wie z. B.von RUX, der einen „ökologischen Rat“vorschlägt, der Entscheidungen des Parla-

ments (hier: Bundestag) aus seiner Sach-kompetenz heraus mit einem zeitlich auf-schiebenden Veto belegen kann, wenn siedem Prinzip der Generationengerechtig-keit entgegenstehen. Ob dies hilfreich istfür die wünschenswerte Integration desThemas in den Alltag, muss allerdings be-zweifelt werden.Dieses interdisziplinäre Fachbuch ist je-dem zum Lesen empfohlen, der hinter dieoberflächliche Begriffswelt schauen undsich anregen lassen möchte, an einem derwichtigsten Themenschwerpunkte der Zu-kunft mitzudenken und mitzureden. Letz-teres ist auch im Rahmen eines eigens vonder Stiftung eingerichteten Internet-Fo-rums möglich, das die Thematik des vor-gelegten Handbuchs ergänzt. K. Falk

Mit Naturführer durchdie KarpatenUrs-Beat BRÄNDLI & Jaroslaw DO-WHANYTSCH: Urwälder im ZentrumEuropas. Ein Naturführer durch dasKarpaten-Biosphärenreservat in derUkraine. Eidg. Forschungs-Anstalt(WSL), Birmensdorf und Karpaten-Biosphärenreservat (CBR), Verlag:Haupt 2003 – 192 Seiten, ca. 250 Abbil-dungen, zahlreiche Karten, ISBN 3-258-06695-7, ca. 20 G.Im geografischen Mittelpunkt unseresKontinentes – in der ukrainischen RegionTranskarpatien – liegt der größte Buchen-Urwald Europas. Dort erhebt sich derhöchste Berg der Ukraine, der Howerla. Anseinen Abhängen entspringt der größte Do-nau-Zufluss, die Theiss. Dieses europäi-sche Waldnaturerbe war vor der Unabhän-gigkeit der Ukraine zunächst den Natur-freunden im Westen wenig bekannt. Mitdiesem Waldführer wird die Region erst-malig für Besucher erschlossen.

Buchbesprechungen

Stiftungen und Preise im NaturschutzAlfred TOEPFER: Akademie für Na-turschutz (Hrsg.): Stiftungen und Preisefür den Naturschutz – Handreichungenfür Umweltinitiativen in Niedersachsen,Hamburg und Bremen. NNA-Bericht,Band 16 (2003), Heft 1. NNA, Hof Möhr,29640 Schneverdingen, Tel. 0 51 99/98 90, Fax: 0 51 99/9 89 46, E-Mail:[email protected], Internet:www.nna.de, 14 G, Bestell-Nr.: B03-1Für alle, die ein Projekt im Bereich des Na-tur- und Umweltschutzes durchführenwollen, steht neben fachlichen Aspektendie gesicherte Finanzierung an entschei-dender Stelle. Die Frage nach der Projekt-förderung wird dann häufig mit dem Hin-weis auf eine Stiftung beantwortet. Mittlerweile gibt es eine Vielzahl enga-gierter Stiftungen im Natur- und Umwelt-bereich, und neue kommen hinzu. WelcheStiftungen sind in den Ländern Nieder-sachsen, Hamburg und Bremen tätig, wenund welche Projekte fördern sie, und wasmuss bei der Antragsstellung beachtet wer-den? Umfassen Auskunft hierüber gibt derjetzt aufgelegte Band der NNA-Berichte.Rund 100 Stiftungen werden im Portraitvorgestellt. Neben den „großen“ im Be-reich Umwelt- und Naturschutz bundes-weit agierenden Stiftungen sind die vielenund vielfältigen regionalen und lokalenStiftungen in den drei Bundesländern er-fasst.Die relevanten Daten zu den Stiftungensind dabei in einem identischen Grund-raster aufbereitet und ermöglichen einenschnellen Zugriff und eine gute Vergleich-barkeit.Schlagwortindices und Register im An-hang helfen zusätzlich bei der Suche. Erst-mals umfassend recherchiert und kompri-miert dargestellt enthält das Heft auch eineAufstellung aller relevanten derzeit rund80 Umweltpreise.

Der Naturführer entstand im Rahmen einesKooperationsvertrags zwischen der Eid-genössischen Forschungsanstalt für Wald,Schnee und Landschaft (WSL) und demUkrainischen Karpaten-Biosphärenreser-vat (CBR). Der mit vielen Bildern, Kartenund Diagrammen ausgestattete Waldführerbietet sowohl dem Fachmann als auch demNaturfreund einen informationsreichenEinblick in die Vielfalt der Pflanzen- undTierwelt, aber auch in das ursprünglicheländliche Leben der Transkarpaten. Der erste Teil des Buches beschreibt Natur,Geschichte und Kultur der Region sowiedas Biosphärenreservat und die Naturwäl-der. Im zweiten Teil werden Beschreibun-

Page 54: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

54 LÖBF-Mitteilungen 1/04

gen und Karten zu Exkursionen mit Ent-fernungsangaben durch besonders interes-sante Waldgebiete vorgestellt. Der Anhang enthält einige für diese touris-tisch kaum erschlossene Region sehr hilf-reiche Reiseinformationen von der Anreisebis zu Unterkunftsmöglichkeiten. Der Na-turführer war auf meiner erstmaligen Ex-kursion im Herbst 2003 ein wichtiger Rei-sebegleiter. U. Schulte

Deutschland nachgewiesen werden. Weitüber 2100 Tierarten, mehr als 400 Pflan-zenarten und über 80 Flechten konnten ge-funden werden. Botanisch und zoologischist das Bommecketal aufgrund des Vor-kommens vieler stenöker Arten mit nur ge-ringer ökologische Potenz interessant: Ei-ne ganze Reihe der im Bommecketal le-benden Arten ist auf die spezifischen kli-matischen Faktoren des Gebietes wie hoheLuftfeuchte und niedrige Temperaturenangewiesen. Viele dieser Spezialisten gel-ten als Eiszeitrelikte, die nach der letztenEiszeit in kühl-feuchten Refugialgebietenüberdauern konnten. Die umfassende Monografie beschreibt in27 Aufsätzen auf 397 Seiten mit fast 100Farb- und Schwarz-Weiß-AbbildungenGeologie, Bergbau, Fauna und Flora desGebietes. 24 Spezialisten untersuchten dasBommecketal auf Gefäßpflanzen, Moose,Flechten, Säugetiere, Vögel, Reptilien,Amphibien, Fische, Schnecken, Muscheln,Spinnen, Flohkrebse, Pseudoskorpione,Steinfliegen, Eintagsfliegen, Köcherflie-gen, Libellen, Heuschrecken, Ohrwürmer,Wanzen, Trauermücken, Tanzfliegen,Dungfliegen, Pilzmücken, Schwebfliegen,Raubfliegen, Schmetterlinge, Bienen,Wespen, Hummeln, Ameisen und Käfer,davon allein 930 Arten. Damit zählt dasGebiet zu den am besten und vielseitigstenuntersuchten Gebieten Nordrhein-Westfa-lens. Jede Arbeit enthält einen einleiten-den Teil, der es auch dem naturwissen-schaftlich Interessierten ermöglicht, dieentsprechenden Tier- und Pflanzengrup-pen kennen zu lernen.Das Buch kann direkt über die Naturw.Vereinigung Lüdenscheid, Wilhelmstr. 47,58511 Lüdenscheid, oder über das Natur-schutzzentrum Märkischer Kreis, Bergfel-der Weg, 10, 58791 Werdohl, bezogen wer-den.

in der Planung anderer europäischer Län-der hin zu Arbeiten aus Wissenschaft undPlanungspraxis. Damit wird der Bogen ge-schlagen von den Untersuchungsobjektenhin zu Erfassungsstandards und Bewer-tungsmethoden sowie den gesetzlichenRahmenbedingungen der Umsetzung.Fast alle Beiträge haben Praxisbezug. Dasgilt auch für die Arbeiten; die unter demRahmenthema „Kulturlandschaftsfor-schung in der Wissenschaft“ zusammenge-fasst sind. Sie sind sowohl auf Landschaf-ten bzw. Landschaftsteile (Oderbruch, Au-wald, Landschaftsparks) als auch aufLandschaftselemente (Wölbäcker, Wäs-serwiesen, Bodendenkmale) orientiert undwerden ergänzt durch Beiträge mit Quer-schnittscharakter zu den Themen histori-sche Landnutzung, Bewertung von Natur-raumpotenzialen oder Biodiversität. Zu ei-nigen spezielleren Fragen gibt es sich er-gänzende Arbeiten – z. B. zu Wölbäckernin unterschiedlichen Landschaftsräumen,zu Wald- und Forstgeschichte – die sach-bezogen interessante Vergleichsmöglich-keiten bieten.In Hinblick auf die Planungspraxis wirddas grundsätzliche Problem sichtbar, dassder Schutz einzelner Objekte eher zu reali-sieren ist als der konsequente Schutz vonLandschaften oder Landschaftsteilen alsGanzes. Entsprechend wird den kulturhis-torischen Landschaftselementen breiterRaum gewidmet und gezeigt, mit welchenMitteln diese planungswirksam operatio-nalisiert werden können: Typisierung, Auf-nahme und Kataster, Bilddatenbank. Den-noch wird überzeugend dargelegt, dass derlandschaftsbezogene Ansatz gezielt wei-terverfolgt werden sollte und hierfür mitdem Bundes-Naturschutzgesetz hinrei-chend Voraussetzungen vorhanden sind,die vor allem konsequenter genutzt werdenmüssen.Insgesamt ist es den Herausgebern mit derTagung und dem Band in der Reihe „For-schung und Wissen“ gelungen, Kulturland-schaft als Lebensraum in Mitteleuropa inihren vielfältigen Beziehungen sichtbarwerden zu lassen und die Erfordernisse ei-ner darauf ausgerichteten Umwelt- undNaturschutzplanung zu verdeutlichen.Auch der Wert anwendungsbezogenerLehre und Forschung an Fachhochschulenund die Zusammenarbeit mit Planungs-praktikern und Wissenschaftlern andererEinrichtungen wird eindrucksvoll sicht-bar.Umfangreiche weiterführende Literaturan-gaben und ein Autorenverzeichnis mit voll-ständigen Adressen machen den Band zu-dem zu einer nützlichen Informationsquel-le. So verdienen Anliegen und ErgebnisAnerkennung, verbunden mit demWunsch, dass die Gruppe aktiv bleibt undzur erfolgreichen Kommunikation zwi-schen Forschung und Planungspraxis inder ganzen Vielfalt unserer Kul-turland-schaften beiträgt. R. Schmidt

Buchbesprechungen

Das BommecketalLudwig ERBELING & Bernd GRUND-MANN: Das Bommecketal in Pletten-berg (Sauerland). Naturkundliche Mo-nografie eines Naturschutzgebietes, DerSauerländische Naturbeobachter Nr. 28(2003), 30 G (inkl. Versand).Das Naturschutzgebiet Bommecketal inPlettenberg ist eines der größten und ausgeologisch-morphologischer, botanischerund zoologischer Sicht eines der wertvolls-ten Naturschutzgebiete im MärkischenKreis (Nordrhein-Westfalen) von landes-

Kulturlandschafts-forschung HARTEISEN, U., SCHMIDT, A. undWULF, M. (Hrsg.): „Kulturlandschafts-forschung und Umweltplanung“, Doku-mentation der Fachtagung an der Fach-hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen am 9. und 10. November 2000in Göttingen. GCA-Verlag 2001, 250 S.;ISBN 3-89863-043-9Der Band fasst die Ergebnisse einer Ta-gung zusammen, die aufgrund ihrer The-matik und ihrer Zielorientierung über denunmittelbaren Anlass hinaus bedeutsamist. Diese Bedeutung liegt in der Konse-quenz, mit der das Anliegen der Tagung –Kulturlandschaftsforschung für die Um-weltplanung nutzbar zu machen – verfolgtwird. Die übergeordnete Gliederung des250 Seiten umfassenden Buches mit 29Beiträgen führt von den Grundlagen überBeiträge zur Kulturlandschaftsforschung

weiter Bedeutung. Das tief eingeschnitte-ne, streckenweise klammartige Kerbtalverläuft zwischen bis zu 500 Meter hohenBergkuppen. Selbst im Sommer ist es indiesem ruhigen, nur am Unterlauf außer-halb des NSG besiedelten Gebiet immerfeucht-kühl. Kleinere Wasserfälle undStrudeltöpfe haben sich gebildet, als sichdie Bommecke mit zunehmender späteis-zeitlicher Hebung ihrer Quellbereiche indas Gestein einschneiden musste, um ihrenWeg zur Lenne zu finden. Alte Bergwerks-stollen sind Zeugen früherer bergbaulicherTätigkeit.Die Untersuchungen zur Fauna und Florades Bommecketales ergaben eine ganzeReihe für das Sauerland, für Westfalen,selbst für ganz Deutschland interessanter,seltener und schützenswerter Arten. EinigeArten konnten zum ersten Mal für

Page 55: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

55LÖBF-Mitteilungen 1/04

Hochwasserschutzim WaldDer farbige LWF-Bericht Nr. 40 „Hoch-wasserschutz im Wald“ umfasst 74 Sei-ten und kann zum Preis von 12,50 Gbeim Bestellservice der BayerischenLandesanstalt für Wald und Forstwirt-schaft bezogen werden. Eine digitaleVersion der aktuellen Ausgabe findetsich auf unserer Internetseite. Bestel-lung: LWF, Am Hochanger 11, 85354Freising, Tel.: 0 81 61/71-49 08; Fax:-49 71; E-Mail: [email protected]; URL: www.lwf.bayern.deDie Hochwasserereignisse der letzten Jah-re an Oder, Rhein und zuletzt an der Elbeentfachten die Diskussion um Ursachenund Abhilfemaßnahmen neu. Der vorbeu-gende Hochwasserschutz auf der Fläche isteiner der wesentlichen Pfeiler des Hoch-wasserschutzkonzeptes für Bayern. Natur-nah bewirtschaftete Wälder leisten einenentscheidenden Beitrag, Überschwem-mungsschäden in Grenzen zu halten. Siesind daher unverzichtbarer Bestandteil ei-nes langfristig wirksamen Hochwasser-schutzes. Demnach stellt sich für die Forst-wirtschaft in besonderem Maße die Frage,was sie hierzu beitragen kann. Die in die-sem Bericht enthaltenen Referate beleuch-ten die Problematik aus verschiedenenBlickwinkeln: Wasserwirtschaft, Forst-wirtschaft, Schutzwaldsanierung, Boden-kunde, Moorrenaturierung, Wissenschaftund Praxis. Sie liefern den forstlichenPraktikern und Waldbesitzern Einblicke indie Ursachen dieser immer wiederkehren-den Naturgefahr, aber auch ein Fülle vonAnregungen, wie sie zum verbessertenWasserrückhalt bei Starkregenereignissenbeitragen können.

tet Grundlegendes zu den Begriffen Vege-tation und Pflanzengesellschaft, gibt einenhistorischen Abriss der Methodenentwick-lung in der Vegetationskunde und entwirftausgehend von einer gründlichen Analyseder Stärken und Schwächen von üblichenpflanzensoziologischen Arbeitsweisen einin sich konsistentes Klassifikationsverfah-ren auf der Grundlage von 12 Axiomen.

von Menschenhand gestaltet.In Einklang mit der Natur leben zu wollen,heißt mittlerweile, die technische und dienatürliche Umwelt kontrolliert aufeinan-der abstimmen zu müssen. Dazu ist enor-mer Sachverstand in den verschiedenstenLebensbereichen nötig: beim Konsumebenso wie in der Produktion oder bei derLandschaftsplanung. Umweltkompetenzist damit zu einer wesentlichen Überle-bensstrategie der Menschheit gewordenund muss von jedem Individuum in den un-terschiedlichsten Lebenssituationen mit-getragen werden. Daher genügt es nicht,ein bestimmtes Potenzial von Umwelt-fachleuten auszubilden. Umweltkompe-tenz muss – auf höherem Niveau als bis-lang – Allgemeingut werden. Misst mandie Bedeutung allgemein bildender Lern-inhalte an ihrer Bedeutung für Individuenoder Gesellschaft, so dürfte Umweltkom-petenz für die gegenwärtige und zukünfti-ge Welt längst die Bedeutung vieler tradi-tioneller Bildungsinhalte übertreffen.Wie Umweltkompetenz in der Schule ver-mittelt werden kann, zeigen in diesemSammelband auf 280 Seiten elf Autoren –vorwiegend Angehörige des Zentralinsti-tuts für didaktische Forschung und Lehreder Universität Augsburg.

Buchbesprechungen

Neue spannende Ansätze der Pflanzenso-ziologie, zum Beispiel die Erstellung vonsynchorologischen Karten, werden vorge-stellt. Die geltenden Nomenklaturregelnwerden ausführlich und kritisch beleuch-tet. Für bisher sehr uneinheitlich gehand-habte Bereiche, etwa die Behandlung vonSynusien bei der Klassifikation und Be-nennung, werden Vorschläge gemacht. Al-le Verbesserungs- und Revisionsvorschlä-ge haben zum Ziel, die Vergleichbarkeitund Reproduzierbarkeit vegetationskund-licher Daten zu erhöhen, und dürften die inden Bereichen Biomonitoring oder Er-folgskontrollen tätigen Vegetationskundlerebenso interessieren wie die wissenschaft-lich tätigen. C. Michels

Umweltkompetenz alsKulturtechnikNikolaus FRANK (Hrsg.): Umweltkom-petenz als neue Kulturtechnik, Schrif-tenreihe des Zentralinstituts für didak-tische Forschung und Lehre, Auer Ver-lag Donauwörth 2002, 280 Seiten, ISBN3-403-03846-7, 14,90 G.Die lokalen Naturkatastrophen der jüngs-ten Vergangenheit haben auch uns Mitte-leuropäern unmittelbar vor Augen geführt,wie fahrlässig wir mit unserer natürlichenUmwelt umgehen. Die Stoffkreisläufe derErde sind weitgehend ihres natürlichen Re-gulativs enthoben. Sie werden mit zuneh-mender Bevölkerungsdichte immer mehr

Neue Ansätze in derPflanzensoziologieJürgen DENGLER: Entwicklung undBewertung neuer Ansätze in der Pflan-zensoziologie unter besonderer Berück-sichtigung der Vegetationsklassifikati-on. Archiv naturwissenschaftlicher Dis-sertationen Band 14, Martina Galun-der-Verlag, Alte Ziegelei 22, 51588Nümbrecht, Tel.: 0 22 93/90 98 73, Fax:0 22 93/90 98 74, E-Mail: [email protected], 297 Seiten, ISBN 3-899018-7, Preis 39 G.Die Dissertation von J. Dengler (Doktor-vater: Prof. Dr. K. Dierßen, Kiel) setzt sichkritisch mit den Methoden der Pflanzenso-ziologie auseinander. Obwohl die Vegetati-onsklassifikation nach Braun-Blanquetweltweit angewendet wird und ihre Ein-heiten Eingang in die Naturschutzgesetz-gebung gefunden haben, gibt es noch zahl-reiche Inkonsistenzen und Widersprüchein Theorie und Praxis. Der Band beleuch-

Verbraucherschutzund Umweltbildung „Verbraucherschutz als Thema in derUmweltbildung“ sowie „Kooperationenund Finanzen für eine nachhaltige Um-weltbildung“ waren die Inhalte der Um-weltbildungswerkstätten 2001/2002. DieBeiträge sind als NUA-Heft Nr. 12 er-schienen.Die Grundlagen des Verbraucherschutzeserklärt Marlies Dieckmann aus dem NRW-Verbraucherschutzministerium. PraktischeBeispiele machen deutlich, wie das Themain der Umweltbildung behandelt werdenkann. In drei Workshops werden Projektezu Produktions- und Vermarktungswegeneinzelner Produkte vorgestellt. Als mögli-che Kooperationspartner für Umweltbil-dungsprojekte stellen sich die Verbrau-cherzentrale NRW und die Aktion „Mahl-zeit“ von Brot für die Welt vor. FinanzielleUnterstützung bieten die Koordinierungs-stelle für die außerschulische Naturschutz-und Umweltbildung der NUA und die Stif-tung Umwelt und Entwicklung an. Beideerläutern ihre Fördergrundsätze. Mit seinerbunten Mischung enthält das Heft sicher-lich für jeden in der Umweltbildung Akti-ven hilfreiche Informationen, Anregungenund Ansprechpartner. Bezug: NUA (2002): NUA-Hefte Nr. 12:Umweltbildungswerkstatt 2001/2002: Ver-braucherschutz und nachhaltige Umwelt-bildung. 60 Seiten (2,50 E zzgl. 1,- E Ver-sandkostenanteil). A. Mense

Page 56: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

56 LÖBF-Mitteilungen 1/04

Beobachten ohne zu störenDiese reichlich bebilderte und mit infor-mellen Grafiken ausgestattete Broschürebringt eine Fülle wichtiger und aktuellerInformationen zum Thema „GänselandOstfriesland“. In Ostfriesland überwinternjährlich Tausende von nordischen Wild-gänsen und bieten ein beeindruckendesNaturschauspiel. Im vorliegenden Band 1„Naturerlebnis Ostfriesland“ werden Hin-weise zu den günstigsten Beobachtungs-plätzen, zum Zugverhalten, zur Bestim-mung der einzelnen Arten sowie zum jah-reszeitlichen Vorkommen gegeben. AuchProblemfelder wie Störungen, Gefährdung

und Fraßschäden auf Agrarflächen werdenaufgezeigt. Tipps, wie man störungsfreibeobachtet, sowie die Auflistung von Kon-taktadressen, die fachkundige Führungenzu den Rastplätzen durchführen, rundendiese fachlich gut aufbereitete und vomLayout ansprechende Broschüre von Chr.Kowallik und H. Kruckenberg ab. Empfeh-lenswert. Die Broschüre ist gegen eineSpende erhältlich.Naturschutzbund Deutschland – Ostfries-land (Dollartbüro) (2003): Gänseland Ost-friesland – Beobachten ohne zu stören –.Naturerlebnis Ostfriesland. Bd. 1. ISSN1611-8030 Bezug: NABU-Dollartbüro,Sielstr. 9, 26844 Jemgum-Ditzum. E-Mail:[email protected]

M. Jöbges

bensräume, vor allem kurzrasige Grün-landbereiche mit Kopfbäumen und Obst-wiesen im Umfeld landwirtschaftlich ge-nutzter Bauernhöfe.Mit dieser informellen Broschüre, auf-gelockert durch ansprechende Farbfotosund Grafiken, möchte die Umweltministe-

Informationsmaterial

Kräuter und Sträucherleicht bestimmtUnsere Landschaft ist von einem Netz vonHecken und Feldrainen durchzogen, dasinsgesamt auf eine Länge von 2,5 Millio-nen Kilometern geschätzt wird. Dortwachsen eine Vielzahl von Kräutern undSträuchern, von denen die BiologischeBundesanstalt 26 Arten in zwei Bro-schüren abgebildet hat: „Kräuter an Wegund Feld“ und „Sträucher an Weg undFeld“.Die Broschüren sind im Internet der Biolo-gischen Bundesanstalt bei Presse abrufbar:www.bba.de/mitteil/presse/presse.htm Ge-gen Rückporto werden die Faltblätter alsBüchersendung zugeschickt (1 Exemplar0,56 Euro, 2 Exemplare 0,77 Euro). Auchgrößere Mengen für Schulklassen etc. wer-den gegen Rückporto verschickt. Bestel-lungen an: Pressestelle, Biologische Bun-desanstalt, Messeweg 11–12, 38104,Braunschweig, Tel 05 31/2 99 32-04 oder05.

Nützlinge im GartenfördernFast jeder kennt sie: Marienkäfer. Aber nurwenige wissen, wie die Larven aussehen.Und dass diese genau so gerne und häufigBlattläuse vertilgen wie die erwachsenenKäfer. Auch Spinnen sind besser als ihrRuf. Das Beispiel der nur zwei Millimetergroßen Schwarzen Glücksspinne zeigt,wie hilfreich sie im Garten sind, indem siekleine Fliegen, Blattläuse und Milben er-beuten.Ein umfangreiches Faltblatt der Biologi-schen Bundesanstalt (BBA) stellt zehn ver-schiedene nützliche Insekten, Milben undSpinnen vor. Neben einer kurzen Beschrei-bung der Lebensweise und der Angabe,welchen Schädlingen das Leben schwergemacht wird, besticht das Faltblatt durchdetailgetreu Zeichnungen der Nützlinge.Damit die Tiere auch im kommenden Jahrin den Gärten wieder Schädlinge wie Rau-pen oder Blattläuse in Schach halten kön-nen, wird dargestellt, wie man geeigneteLebensräume oder Überwinterungshilfenschafft.Das 14-seitige Faltblatt kann auch im In-ternet heruntergeladen werden (www.bba.de) unter Rubrik „Veröffentlichun-gen“. Verschickt wird es bei Einsendungdes Rückportos als Büchersendung (1 Ex-emplar 0,56 Euro, 2 bis 25 Exemplare 0,77Euro). Bestellungen an: Biologische Bun-desanstalt, Pressestelle, Messeweg 11–12,38104 Braunschweig. (BBA)

Steinkauz in NRWFür den Schutz des Steinkauzes trägtNordrhein-Westfalen eine besonders großeVerantwortung. Das Land beherbergt etwadrei Viertel des bundesdeutschen Bestan-des. Die Art hat sich sehr eng an unsereKulturlandschaft, insbesondere am Nie-derrhein und in der Westfälischen Bucht,angepasst. Hier findet er die benötigten Le-

rin Bärbel Höhn auf die Gefährdungssitua-tion des Steinkauzes hinweisen und für ei-nen nachhaltigen Schutz seiner Lebens-räume werben.Inhaltliche Schwerpunkte der 50 Seitenumfassenden Broschüre sind neben eineminteressanten Rückblick in die wechselvol-le Geschichte der Eulenverehrung und-verachtung fundierte Angaben zum Le-bensraum, zur Ökologie und Biologie so-wie aktuelle Informationen zum Bestandund zur Gefährdung. Weiterhin werdennotwendige und mögliche direkte Schutz-möglichkeiten (z. B. Nisthilfen), vor allemaber Maßnahmen zum Erhalt einer reichstrukturierten Kulturlandschaft ausführ-lich aufgezeigt. Ansprechpartner undAdressen für den Steinkauzschutz sowieLiteraturhinweise runden die gelungeneund empfehlenswerte Steinkauz-Lektüreab. Ministerium für Umwelt und Naturschutz,Landwirtschaft und Verbraucherschutz desLandes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.): DerSteinkauz – Lebensraum, Bestandssituati-on, Schutzmöglichkeiten. Kostenloser Be-zug: MUNLV, Info-Dienst, Schwannstr. 3,40476 Düsseldorf, Tel.: 02 11/45 66-0.

M. Jöbges

Page 57: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

57LÖBF-Mitteilungen 1/04

Boden- und GewässerschutzDer jetzt vorliegende Band der NNA-Be-richte „Neue Wege im Boden- und Gewäs-serschutz“ setzt sich mit den neuen gesetz-lichen Regelwerken im Bereich des Bo-den- und Gewässerschutzes auseinander.Dem neuen Bodenschutzrecht gilt dabeibesonderes Augenmerk. Konkrete Pflich-ten, die das Bundesbodenschutzgesetz, dieBundes-Bodenschutz- und Altlastenver-ordnung sowie das Niedersächsische Bo-denschutzrecht beinhalten, werden behan-delt. In Einzelbeiträgen wird auf die Be-wertungsrichtlinien für Altlasten, praxisre-levante Neuregelungen hinsichtlich der Sa-nierungspflicht sowie die Festlegung vonVorsorge-, Prüf- und Maßnahmenwerten inder Bodenschutzverordnung eingegangen.Die Berücksichtigung des Bodenschutzesin Planungs- und Zulassungsverfahren istein weiterer Schwerpunkt im Heft. DieEntwicklung von Maßnahmen zur Bewer-tung von Böden und ihre praktische An-wendung im vorsorgenden Bodenschutzkommen zur Sprache. Mehrere Beiträgebefassen sich mit den Zielen und Maßnah-men des Bodenschutzes in der Land-schaftsplanung sowie der Bewertung desBodens in der Eingriffsregelung und derUVP.Der Zusammenhang zwischen Gewässer-schutz und Bodenschutz ist lange Zeit aufdie Nitrat- und Pestizidbelastung desGrundwassers infolge Auswaschung be-grenzt worden. Die Belastung der Fließge-wässer und Meere geschieht jedoch auchüber Bodenerosion durch Wasser undWind. In fünf abschließenden Beiträgenwird dargelegt, was die neue EU-Wasser-rahmenrichtlinie für den Gewässerschutzbewirken kann, was Auen für den Boden-und Gewässerschutz leisten und wie sichErosion und Nährstoffaustrag minimierenlassen. Die Folgen von Nährstoffeinträgenin unsere Randmeere sowie künftige agrar-politische Maßnahmen zur Verminderungder Umweltwirkung runden das Themen-heft ab.Bestelladresse: Alfred-Toepfer-Akademiefür Naturschutz (NNA), Hof Möhr, 29640Schneverdingen, Tel.: 0 51 99/9 89-0, Fax:0 51 99/9 89-46, E-Mail: [email protected]. NNA-Berichte, 15. Jahrgang,2002, Heft 1, 130 Seiten, Heftpreis: 13 @.

serschutz zu wecken und Wissen darüberzu vermitteln. Speziell dafür wurde dieMediendatenbank zum Gewässerschutz„H2O-Wissen“ entwickelt. Das Unabhän-gige Institut für Umweltfragen (UFU) er-stellte – gefördert durch den Umweltfor-schungsplan 2002 – diese Datenbank fürden Einsatz an allgemeinbildenden Schu-len. Sie steht kostenfrei als CD-ROM, alsHandbuch sowie im Internet zur Verfü-gung. Gewässerschutz eignet sich beson-ders gut für fächerübergreifendes Lernen,wie es in Auswertung der viel zitierten PI-SA-Studie zum internationalen Vergleichvon Schülerleistungen immer wieder ge-fordert wird. Die Mediendatenbank „H2O-Wissen“ ist für Lehrerinnen und Lehrerund andere Multiplikatoren der Umwelt-bildung ein wichtiges Hilfsmittel.Das Themenspektrum geht weit über denLehrplan hinaus. Mit einfach zu bedienen-der Suchmaske sind etwa 300 Einträgen re-cherchierbar – dem Alter der Kinder ange-passt; nach Titel und Autor; nach Unter-richtsfach sowie nach spezifischen The-men, wie zum Beispiel: Abwasserbehand-lung, Gewässerökologie, Gewässerschutz,Hochwasser sowie Trinkwasser. Unter-richtseinheiten und Projekttage zum Ge-wässerschutz sind dadurch erheblich einfa-cher vorzubereiten. Unter der Adresse http://www.umweltbun-desamt.de/uba-datenbanken steht die Me-diendatenbank im Internet zur Verfügung.Die CD-ROM sowie das Handbuch sindfür Pädagogen kostenfrei. Sie können beimUmweltbundesamt, ZAD, Postfach 33 0022, 14191 Berlin; Fax: 0 30/89 03-29 12oder per E-Mail: [email protected] bestelltwerden. Informationen zur Veranstaltunggibt es unter www.umweltbundesamt.de/wasser/aktuell/unten.htm

Hessisches Landesamt für Umwelt undGeologie Tel.: 06 11/70 10 34, Fax: 06 11/9 74 08 13, E-Mail: [email protected] unter www.hlug.de/medien/bo-den/publikationen/index.html.

Informationsmaterial

Mediendatenbank„H2O-Wissen“Was müssen Schülerinnen und Schülerüber Wasser wissen? Was können sie füreinen dauerhaft umweltgerechten Umgangmit dem kühlen Nass tun? Bereits in derGrundschule können Lehrerinnen undLehrer beginnen, Interesse für den Gewäs-

Boden – empfindlicheHaut der ErdeBöden bieten Lebensgrundlage und Raumfür Pflanzen, Tiere und uns Menschen. Bö-den nehmen mit ihren vielfältigen Funktio-nen eine Schlüsselposition im Ökosystemein. Einwirkungen auf die Böden habendaher immer Auswirkungen auf den ge-samten Naturhaushalt. Böden benötigenJahrtausende zur Entstehung und sind seitlangem einem hohen Verbrauch undgroßen Belastungen ausgesetzt, dagegenaber kaum regenerierbar. Das Ausmaßfunktionsfähiger Böden ist begrenzt.Schädliche Bodenveränderungen sind Be-einträchtigungen von Bodenfunktionen,die Gefahren oder Nachteile für Einzelneoder die Allgemeinheit herbeiführen. Bo-denbelastungen können in der Folge weite-re Ressourcen – wie z. B. Grundwasser –verunreinigen. Flächenversiegelung undAbgrabungen führen täglich zu Bodenver-lust in großem Ausmaß.

Abbau umweltschäd-licher Subventionen Eine Studie im Auftrag des Umweltbun-desamtes (UBA) gibt den Forderungen,umweltschädliche Subventionen abzubau-en, neuen Rückenwind. Das ifo-Institut fürWirtschaftsforschung, München, und dasWuppertal-Institut für Klima, Umwelt,Energie weisen am Beispiel der Woh-nungswirtschaft und der Agrarwirtschaftnach, dass eine umweltorientierte Subven-tionspolitik die Haushalte von Bund, Län-dern und Gemeinden um mehrere Milliar-den Euro entlasten könnte – und zudem po-sitive Umwelteffekte hätte. Allein im Woh-nungswesen ließen sich jährlich mindes-tens sechs Milliarden Euro und bis zumJahr 2005 zwischen 18 und 25 MillionenTonnen klimaschädliches Kohlendioxideinsparen.Bisher richtet sich die Subventionspolitikim Wohnungswesen kaum am Leitbild dernachhaltigen, also dauerhaft umweltge-rechten Entwicklung aus. So steht zumBeispiel die Neubauförderung noch immerim Mittelpunkt der Förderung, obwohl die-se zu erheblichen Umweltbelastungenführt und oft kein Förderbedarf mehr be-

Page 58: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

58 LÖBF-Mitteilungen 1/04

steht: Viele Regionen haben inzwischeneher mit Leerständen als mit Wohnraum-knappheit zu kämpfen.Die Agrarsubventionen des Bundes belie-fen sich, so die Teil-Studie zur Agrarwirt-schaft, im Jahr 2002 auf mehr als 1,7 Mil-liarden Euro. Durch die in den vergange-nen Jahren eingeleitete Neuorientierungder Agrarpolitik fanden Nachhaltigkeits-kriterien teilweise bereits Eingang in dielandwirtschaftliche Subventionspolitik.Aber es sind weitere Verbesserungen mög-lich. So sollten Subventionen nach dem„Gießkannenprinzip“ zugunsten der ge-zielten Förderung einer nachhaltigen Ent-wicklung der ländlichen Räume abgebautwerden. Ein Abbau von Subventionen istauch bei den Steuervergünstigungen nötig– etwa bei der Verbilligung von Gasöldurch das Agrardieselgesetz oder derSteuerermäßigung für landwirtschaftlicheFahrzeuge im Rahmen der Kraftfahrzeug-steuer.Erfahrungsgemäß ist es schwer, einmal be-stehende Subventionen zu streichen – rundein Viertel der bestehenden Steuervergüns-tigungen wurde bereits vor 1940 einge-führt. Auch dies erklärt, weshalb vieleSubventionen nicht mehr zeitgemäß sindund dem Leitbild der nachhaltigen, alsodauerhaft umweltgerechten Entwicklungwidersprechen. Daher sollten Subventio-nen grundsätzlich befristet sein. Außerdembietet es sich an, bei allen Subventionen ei-ne regelmäßige Wirkungs- und Erfolgs-kontrolle vorzunehmen und dabei ihreUmweltfolgen zu prüfen. Ein solches„Subventions-Controlling“ würde Trans-parenz schaffen und könnte einen wichti-

gen Hebel bilden, Steuergelder effizientund im Sinne einer nachhaltigen Entwick-lung einzusetzen.Zum Forschungsprojekt „Berücksichti-gung von Umweltgesichtspunkten beiSubventionen“ mit den drei Teilen „Be-standsaufnahme und Reformansätze“,„Sektorstudie Wohnungsbau“ und „Sek-torstudie Agrarwirtschaft“ gibt es im Inter-net unter der Adresse http://www.umwelt-bundesamt.de, Rubrik Presse, ein ausführ-liches Hintergrundpapier. Die komplettenStudien erscheinen in Kürze in der Publi-kationsreihe TEXTE des Umweltbundes-amtes als Nr. 30, 31 und 32/2003. Bestel-lungen an: Werbung + Vertrieb, Telefon:0 30/2 11 60 61, Fax: 2 18 13 79.

Umwelt“, einer populärwissenschaftlichenPublikationsreihe des Umweltforschungs-zentrums Leipzig-Halle.Auf 130 Seiten gewähren WissenschaftlerEinblicke in ihre Forschung der letzten bei-

Es ist geschafft, der erste Nationalpark in NRW ist eröffnet. Die Entwicklung zum Urwald von morgen, Waldumbau, Besucher-lenkung und Wildbestandsregulierung im Nationalpark Eifel, werden im nächsten Heft vorgestellt.Auenkonzepte, Grabensysteme, Wärmeeinleitung und Fischmonitoring sind als weitere Themen geplant. Denn schließlich wirdNRW vom Teutoburger Wald bis ins Siegerland von Bächen und Flüssen durchzogen.

Vorschau:Ausgabe 2/2004

Geführte Wanderungen lüften die Geheimnisse

der Natur im ersten Nationalpark in NRW.

Foto: Nationalparkforstamt Eifel

Informationsmaterial & Vorschau

Forschen für die UmweltWie können Computermodelle bei derBekämpfung des Borkenkäfers helfen? Istes wirklich ein Problem, wenn in komple-xen Nahrungsnetzen Pflanzen fressendeInsekten durch menschlichen Einfluss ver-schwinden? Wie werden Bergbauseen sosauer wie Essig und wozu sind Wasserpil-ze in der Lage? Inwiefern kann das Mikro-wellenprinzip auch bei der Schadstoffbe-seitigung nützlich sein? Und warum ist esfür Wissenschaftler wichtig, die Geschich-te einer Landschaft zu kennen, wenn sieüber die Zukunft sprechen? Wird der Woh-nungsleerstand zu einem gesamtgesell-schaftlichen Problem in Deutschland?Antworten darauf findet man in der mitt-lerweile 4. Ausgabe von „Forschen für die

den Jahre – in populärer Form festgehaltenund verpackt mit einer ganzen Menge in-teressanter Fakten und Geschichten.Die Broschüre kann bestellt werden in derAbteilung Presse- und Öffentlichkeitsar-beit des UFZ, Permoserstrasse 15, 04318Leipzig, E-Mail: [email protected], Telefon:03 41/2 35-22 78.

Page 59: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

59LÖBF-Mitteilungen 1/04

Inhaltsverzeichnis 2003

WERKING-RADTKE, J.:Eingriffsregelung – Wirkungen von Kompensationsmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/62

DIETZ, H.-J.:Lange gehegter Wunsch wurde Wirklichkeit . . . . . . . . . . . 2/70

OLTHOFF, M., IKEMEYER, D.:Zur Libellenfauna der Moore und Heiden im Westmünsterland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/12

RASKIN, R.:Sind Schwermetallfluren regenerierbar? . . . . . . . . . . . . 3/18

HACHTEL, M., WEDDELING, K., NAWRATH, A., REISCH, C.,SCHMELZER, M., SCHUMACHER, W.:Förderung der 20-jährigen Flächenstilllegung . . . . . . . . 3/23

MÜLLER, U., MÜLLER, H.Wohin entwickelt sich die dritte Phase der Schulgartenbewegung? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/31

GRIESSHAMMER, N., SONNTAG, U.-D.:Forest Stewardship Council (FSC) . . . . . . . . . . . . . . . . 3/36

HILLEBRECHT, U.:PEFC-Zertifikat für Forstbetrieb des Landesverbandes Lippe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3/39

PETRAK, M.:Zertifizierung von Wald, Wild und Jagd . . . . . . . . . . . . . 3/42

ROGGE, M.:Zertifizierung von forstlichem Vermehrungsgut . . . . . . . . . 3/46

BRODERSEN, D.:Die Zertifizierung von Arbeitsschutzmanagementsystemen 3/48

BRELOER, H.:Verkehrssicherungspflicht für Altholzinseln . . . . . . . . . . . 3/49

FALKENRIED, L.:NRW: Keine Erholung beim Kronenzustand der Waldbäume 4/12

FELDMANN, R., KRONSHAGE, A., SCHÜTZ, P.:Wer erhebt Daten zu Flora und Fauna in Nordrhein-Westfalen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/15

KÖNIG, H., HÜBNER, T., MICHELS, C., PARDEY, A.:Neue Säule des Naturschutzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/21

HOFMANN, R. R.:Zur Funktion großer Pflanzenfresser in Ökosystemen . . . 4/29

BUNZEL-DRÜKE, M., GEYER, H.-J., HAUSWIRTH, L.:Neue Wildnis in der Lippeaue . . . . . . . . . . . . . . . 4/33

SONNENBURG, H., GERKEN, B., WAGNER, H.-G., EBERSBACH, H.:Das Hutewaldprojekt im Naturpark Solling-Vogler . . . . 4/40

SCHUMACHER, M., SCHUMACHER, E., SCHACKERS, B.,HIMMELMANN, J., SENDERMANN, W.:Planung und Umsetzung eines Beweidungsvorhabens . . 4/48

MICHELS, C., SPENCER, J.:Waldweide im New Forest . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/53

BUSSMANN, M., KRAATZ, K.:Beweidungsprojekt mit Heckrindern im Märkischen Kreis . 4/59

ROTH, F.:Przewalskipferde in der ungarischen Puszta . . . . . . . . . . . 4/62

ARBEITSKREIS WALDBAU UND NATURSCHUTZ:Große Pflanzenfresser und Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4/67

LÖBF-Mitteilungen Landesanstalt für Ökologie,

Bodenordnung und ForstenNordrhein-Westfalen

28. Jahrgang LÖBF-Mitteilungen 2003

Jahresinhaltsverzeichnis 2003

GRIESE, T.:Ökologische Stadtentwicklung in Nordrhein-Westfalen . . . 1/12

KALKKUHL, R.:Natur in der Stadt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/17

WINKELBRANDT, A.:Landschaft im Ballungsraum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/19

HERBERT, M., WILKE, T.:Lokale Agenda und Naturschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/22

REUSSWIG, F.:Naturorientierungen und Lebensstile . . . . . . . . . . . . . . . 1/27

HÜBSCHEN, J., SEIDENSTÜCKER, C., THIMM, S.,ADOLPH, H.:Der stadtökologische Fachbeitrag . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/35

CLARK, R.:Hannover – Stadt der Gärten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/43

BREUSTE, J.:Schutz und Nutzung von Natur in urbanen Landschaften . 1/47

WEISS, J.:„Industriewald Ruhrgebiet“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/55

WOHLLEBER, S., FARCHER, S., KASPERIDUS, H. D.:URGE – Integrierte Planung urbaner Grünflächen . . . . . . 1/60

BRUSE, M.:Stadtgrün und Stadtklima. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/66

WERKING-RADTKE, J., BENEMANN, A., SCHNELL, M.:Ergebnisse der Erfolgskontrolle im Rahmen des ÖPEL . . 1/71

FRANZEN-REUTER, I., STAPPER, N. J.:Nachweis eutrophierender Luftverunreinigungen in NRW 1/76

HAUSTEIN, B.:Apfelhitparade . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1/79

WEISS, J.:Biomonitoring und Erfolgskontrolle . . . . . . . . . . . . 2/8

KÖNIG, H.:Naturausstattung der nordrhein-westfälischen Normallandschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/15

GEHRMANN, J.:Atmosphärische Stoffeinträge und derenLangzeitwirkungen im Wald . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/24

GENSSLER, L.:Langzeitüberwachung von Schwermetalleinträgen in NRW 2/30

SCHULTE, U.:Waldökologische Strukturveränderungen . . . . . . . . . . . . . 2/35

LEDER, B.:Natürliche Wiederbewaldung nach Fichtenwindwurf 1990 2/40

SCHEIBLE, A.:Die Elsbeere in NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/44

STEINBERG, L.Biomonitoring an der Wurm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/47

EYLERT, J.:Rebhuhn-Monitoring in NRW . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/52

MICHELS, C.:Erfolgskontrolle des Mittelgebirgsprogramms Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2/56

Heft/Seite Heft/Seite

Page 60: loebfmit 200401 ges - lanuv.nrw.de · 1. 2004 eingerichteten Nationalparkforstamtes Eifel, das Behördenschild. Foto:B. Nöhrig Europäisches Boden-Bündnis Die österreichischen

Die LÖBF ist die Einrichtung des Lan-des Nordrhein-Westfalen für den Grünen Um-weltschutz. Ihre Kernaufgabe ist der Natur-schutz. Sie bietet neben wissenschaftlicherGrundlagenarbeit auch interdisziplinär erarbei-tete Lösungskonzepte für Landnutzungen an.

Sie gliedert sich in fünf Abteilungen:� Serviceleistungen� Mensch und Umwelt� Ökologie, Naturschutz und Landschaftspflege� Waldökologie, Forsten und Jagd � Fischerei und Gewässerökologie

Sie hat ihren Sitz in Recklinghausen mitAußenstellen in Arnsberg (Forstgenbank/Wald-arbeitsschule), Kirchhundem (Fischereidezer-nate), Bonn (Forschungsstelle für Jagdkundeund Wildschadenverhütung) und Düsseldorf(Druckerei),

untersteht dem Ministerium für Umweltund Naturschutz, Landwirtschaft und Verbrau-cherschutz (MUNLV) NRW,

nimmt in den Aufgabenbereichen Ökolo-gie, Naturschutz, Landschaftspflege, Forsten,Fischerei und Jagd Stabsfunktion für das Minis-terium wahr,

beschäftigt ca. 320 Mitarbeiterinnenund Mitarbeiter mit speziellen Ausbildungenfür die vielfältigen Fachgebiete der einzelnenAbteilungen sowie im allgemeinen Verwal-tungsdienst und in der Datenverarbeitung.

Sie publiziert wissenschaftlicheGrundlagen in den LÖBF-Mitteilungen, in derLÖBF-Schriftenreihe und im Internet unterwww.loebf.nrw.de.

Sie informiert den Bürger über Inter-net, Infotelefon, Pressemitteilungen und Aus-stellungen.

Sie erfasst Grundlagendaten für den Bio-top- und Artenschutz, die Landschaftsplanung,den Waldbau, die Jagd und die Fischerei,

entwickelt landesweite und regionaleökologische Leitbilder und Fachkonzepte,

Landesanstalt für Ökologie,Bodenordnung und Forsten Nordrhein-Westfalen

Postfach 10 10 5245610 RecklinghausenCastroper Straße 3045665 RecklinghausenTel.: 0 23 61/3 05-0Fax: 0 23 61/3 05-7 00Internet: www.loebf.nrw.deE-Mail: [email protected]

überprüft die Effizienz des Förderpro-gramms „Vertragsnaturschutz“ und der Natur-schutz- und Landschaftspflegemaßnahmen.

Sie setzt sich mit Fragen des ökologi-schen Waldbaus und moderner Waldbehand-lungsmethoden auseinander,

führt diese Arbeiten durch wissenschaftlicheBegleitung zu einem Höchstmaß an praktischerNutzanwendung,

sichert Genressourcen als Grundlage fürökologisch stabile Wälder.

Sie erarbeitet ökologisch ausgerichte-te Bewirtschaftungsmaßnahmen von Fischenund Wild sowie entsprechende Schutzmaßnah-men,

befasst sich mit der Verhütung von Wild-schäden,

untersucht Fische auf Krankheiten undFremdstoffe u. a. mit dem Ziel der Vermehrungund Wiedereinbürgerung bedrohter und ausge-storbener Arten.

Die NUA ist als Bildungseinrichtung desLandes bei der LÖBF eingerichtet und arbeitetin einem Kooperationsmodell eng mit den aner-kannten Naturschutzverbänden (BUND, LNU,NABU) zusammen,

veranstaltet Tagungen, Seminare, Lehr-gänge und Kampagnen für unterschiedlicheZielgruppen mit dem Ziel der Zusammen-führung von Interessengruppen und der nach-haltigen Entwicklung des Landes,

bildet fort durch Publikationen, Ausstel-lungen, Poster, Dia-Serien und Informations-blätter. Lumbricus – der Umweltbus – dientvor allem Schulklassen als rollendes Klassen-zimmer und mobile Umweltstation.

Nr. 1/200429. Jahrgang

LÖBF-Mitteilungen

Landesanstalt für Ökologie,Bodenordnung und ForstenNordrhein-Westfalen

K 2840 F